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Ärztegenossenschaften DGRV – Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V. GRÜNDERFIBEL

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Ärztegenossenschaften

DGRV – Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V.

GR

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DE

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IBE

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Ärztegenossenschaften

Praxisnetze, Medizinische Versorgungszentren und ärztliche Organisationsgemeinschaften genossenschaftlich organisieren

DGRV-Gründerfibel2

Impressum

Herausgeber: DGRV – Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband e. V., Berlin

Autorin: Dr. Elke Schlagintweit, LaaberGestaltung: VR-Marketing GmbH, WiesbadenDruck: Raiffeisendruckerei GmbH, Neuwied

Nachdruck und Vervielfältigung – auch auszugsweise – nur mit Quellenangabe und nach vorheriger Genehmigung durch den Herausgeber gestattet.

Inhalt

1 | Warum Ärzte genossenschaftlich kooperieren sollten

2 | Medizinische Versorgungszentren genossenschaftlich organisieren

3 | Neue Chancen durch genossenschaftliche Praxisnetze

4 | Weitere Möglichkeiten durch Kooperationen

5 | Die Stärken der genossenschaftlichen Rechtsform

6 | Die Gründung einer Ärztegenossenschaft

a) Bevor es losgeht

b) Analyse des regionalen Versorgungsmarktes

c) Von der Gründungsidee zum Businessplan

d) Geeignete Partner finden

e) Die Satzung individuell gestalten

f) Gemeinsame Spielregeln festlegen

g) Die Investitions- und Finanzierungsplanung

h) Der Tag der Gründung

7 | Die eG – ein flexibles Instrument in einem sich wandelnden Gesundheitsmarkt

Literaturverzeichnis

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Ärztegenossenschaften 3

Warum Ärzte genossenschaftlich kooperieren solltenKapitel 1

DGRV-Gründerfibel

Warum Ärzte genossenschaftlich kooperieren solltenKapitel 1

1. Warum Ärzte genossenschaftlichkooperieren sollten

Niedergelassene Ärzte sind heute vielfach mit sich ver-schärfenden Rahmenbedingungen konfrontiert. Die mit derdemografischen Entwicklung und der Zunahme von chroni-schen Krankheiten verbundene Ausgabenproblematik inner-halb der gesetzlichen Krankenversicherung trägt ebenso wiedie zahlreichen Gesetzesänderungen in den letzten Jahren zuder enormen, insbesondere den ambulanten Gesundheitssek-tor kennzeichnenden Dynamik bei. Von den tiefgreifendenVeränderungen in der ambulanten Versorgungslandschaft sindniedergelassene Ärzte in ganz besonderem Maße betroffen.Dennoch wünschen sie sich eine wirtschaftlich erfolgreichePraxis, in der sie ihre Autonomie wahren und qualitativ hoch-wertige Gesundheitsleistungen erbringen können.

Mit der eingetragenen Genossenschaft (eG) steht eine Ko-operationsform zur Verfügung, die wesentlich zur Verwirkli-chung dieser Zielsetzungen beitragen kann. Spätestens mitder im Jahr 2006 vorgenommenen Novellierung des Genos-senschaftsgesetzes eignet sich die genossenschaftlicheRechtsform ideal für Ärzte, die den Strukturveränderun-gen im ambulanten Bereich positiv begegnen wollen. Ge-nossenschaftliche Unternehmen stehen ihren Mitgliedern seitjeher in schwierigen ökonomischen Situationen bei. Ein prä-gendes Strukturprinzip der eG ist der Grundsatz der Selbsthil-fe: Ziel ist es, sachlich-materielle, soziale und politische Ab-hängigkeiten und ökonomische Problemlagen mittels einesgemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs zu überwinden.

Niedergelassene Ärzte werden mit vielfältigen Problemenkonfrontiert: Infolge des raschen medizinisch-technischenFortschritts und der Weiterentwicklung der modernen Kom-munikations- und Informationstechnologie lastet auf ihnen

Von den tiefgreifenden

Veränderungen in der

ambulanten Versor-

gungslandschaft sind

niedergelassene Ärzte

in ganz besonderem

Maße betroffen.

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Hoher Innovations- und

Kostendruck.

Kapitel 1Kapitel 1

Ärztegenossenschaften

ein besonders hoher Innovations- und Kostendruck. Teure Ge-räte und Investitionen bringen viele Ärzte und Praxen an dieGrenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit.

Zugleich müssen Ärzte eine regressive Entwicklung ihrerHonorare hinnehmen. Viele Niedergelassene befinden sich ineinem Teufelskreis, in dem sich steigende Patientenzahlen undsinkende GKV-Umsätze gegenüberstehen. Dieser Prozess setztsich fort. Prognosen zufolge wird die Reorganisation der Ver-gütung im ambulanten Sektor (EBM 2000plus, Regelleistungs-volumina, morbiditätsbezogene Vergütung ab dem Jahr 2009)in den kommenden zehn bis fünfzehn Jahren dazu führen, dasswomöglich jede vierte Arztpraxis geschlossen werden muss.1

Bereits zum heutigen Zeitpunkt sind niedergelassene Ärzteeinem enormen Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Infolge derfortschreitenden Deregulierung und des damit verbundenenAbbaus von Markteintrittsbarrieren ist mit einer weiteren Ver-schärfung des Wettbewerbs zu rechnen. Neue Konkurrenten –allen voran die Krankenhäuser – drängen bereits seit einigenJahren nachdrücklich in den ambulanten Versorgungsmarkt.Seit der Einführung Medizinischer Versorgungszentren im Jahr2004 betreibt eine steigende Anzahl von Kliniken ambulanteInstitutionen, in denen Ärzte als Angestellte beschäftigt sind.Die ärztliche Selbstbestimmung und der freiberuflicheStatus Niedergelassener werden hierbei jedoch massivbedroht. War es früher die Aufgabe des niedergelassenenArztes, seine Patienten im Behandlungsverlauf zu „steuern“,so greifen in diese ureigene ärztliche Tätigkeit nun verstärktKliniken, Krankenkassen, aber auch Pharmaunternehmen ein.2

Mittel- und langfristig könnte der Expansionskurs privaterKrankenhauskonzerne dazu führen, dass diese die Gesund-heitsversorgung ganzer Regionen dominieren werden. Es ist zu

Gleichzeitig findet eine

negative Entwicklung

der Arzthonorare statt.

5

1 Vgl. Hanika, H., 2007, S. 238. 2 Vgl. Wambach, V./Lindenthal, J., 2007, S. 168.

Neue Konkurrenz, vor

allem durch Kranken-

häuser.

Warum Ärzte genossenschaftlich kooperieren solltenKapitel 1

DGRV-Gründerfibel

befürchten, dass Anlegerinteressen und das Prinzip der Ge-winnmaximierung hierbei unverhältnismäßig stark in den Vor-dergrund treten.

Führt man sich vor Augen, dass in den nächsten fünf Jah-ren weit über 40.000 Ärzte ihren Ruhestand antreten werdenund dass zugleich ein Mangel an qualifizierten Nachwuchs-kräften vorliegt, so wird deutlich, wie wichtig es ist, die Positi-on der Ärzte in den Regionen zu stärken. Nachdem bislanginsbesondere ländliche Regionen in den neuen Bundesländernbetroffen waren, sind nun – in Anbetracht steigender Patien-tenzahlen – erstmals westdeutsche Gebiete von einem spürbarenÄrztemangel bedroht.3 Eine genossenschaftliche Zusammenar-beit kann dem entgegenwirken. Sie trägt sowohl zu einer Ver-besserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen als auch der Ein-kommenssituation der Ärzte bei. Genossenschaften verbesserndamit auch langfristig die ärztliche Versorgung in den Regionen.

Angesichts der aufgezeigten Entwicklungen ist niederge-lassenen Ärzten die Bildung größerer genossenschaftlicher Ein-heiten zu empfehlen, denn es gilt, im Wettbewerb einen ent-scheidenden Vorsprung zu sichern. Auch aus gesamtgesell-schaftlicher Perspektive ist die ärztliche Zusammenarbeit unterdem Dach einer eG zu begrüßen, stellt sie doch gewisserma-ßen ein Gegenmodell zur Wettbewerbsstrategie vieler Kran-kenhauskonzerne dar. Geleitet von der Idee der Selbsthilfe,können hier demokratische Prinzipien gelebt werden – dieSelbstbestimmung der Ärzte bleibt folglich gewahrt. Hiervonprofitieren letztlich auch die Patienten vor Ort.

War früher die Einzelpraxis obligatorisch für die Ausübungdes Arztberufes, so muss heute – wie in den meisten Berei-chen der Wirtschaft – zunehmend auch im ambulanten Be-reich kooperiert werden. Kooperation zahlt sich schließlichaus. Teure Investitionen können gemeinsam geschultert, dieAuslastung der Geräte verbessert und die Amortisation der An-

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Eine genossenschaft-

liche Zusammenarbeit

kann zu einer Verbesse-

rung der Lebens- und

Arbeitsbedingungen

sowie der Einkommens-

situation der Ärzte

beitragen.

Kooperation zahlt

sich aus: Investitionen

werden gemeinsam

geschultert, und die

Auslastung der Geräte

wird verbessert.

Kollegiale Beratung,

gemeinsame Vertretung

und stärkere fachliche

Spezialisierung sind

möglich.

Kapitel 1

Ärztegenossenschaften

schaffungsinvestitionen beschleunigt werden. Die Arbeitsbe-dingungen werden verbessert, da kollegiale Beratung und ge-meinsame Vertretung ebenso möglich sind wie eine stärkerefachliche Spezialisierung der Kooperationsbeteiligten. Überdieskönnen Synergien ausgenutzt und Behandlungsabläufe optimiertwerden. Neben Einkommensverbesserungen stellt auch dieSicherung des Praxiswertes einen wichtigen Beweggrund füreine Zusammenarbeit dar. Einzelpraxen werden in Zukunft einenegative Wertentwicklung hinnehmen müssen – mittels Koope-ration können dagegen dauerhaft neue werthaltige Strukturengeschaffen werden.4

Eine Zusammenarbeit unter Medizinern nützt zudemauch den Patienten, denen zum Beispiel Doppeluntersuchun-gen erspart bleiben. Öffentliche Hand und Krankenkassen wer-den durch eine effizientere kooperative Herangehensweise ent-lastet, sodass der Kostendruck langfristig gesenkt werden kann.

Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass das Spek-trum ärztlicher Kooperationen mittlerweile überaus breit ist:Es reicht von losen Zusammenkünften über Praxis- und Appa-rategemeinschaften bis hin zu Berufsausübungsgemeinschaf-ten oder einer Zusammenarbeit mit Krankenhäusern. Auchder Gesetzgeber hat die Vorteilhaftigkeit kollektiven Handelnserkannt und in den letzten Jahren peu à peu zusätzliche rich-tungsweisende Anreize und Wege geschaffen.

Entscheidende Flexibilisierungen wurden im Jahr 2004 mitdem GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) sowie im Jahr 2007mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) unddem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) vorgenom-men. Seither können noch mehr Kooperationen eingegangenwerden.

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3 Vgl. Richter-Kuhlmann, E., 2007.4 Vgl. Stingl, H., 2005, S. 2.

Das Spektrum ärztlicher

Kooperationen reicht von

losen Zusammenkünften

über Praxis- und Appara-

tegemeinschaften bis hin

zu Berufsausübungsge-

meinschaften oder einer

Zusammenarbeit mit Kran-

kenhäusern.

Medizinische Versorgungszentren genossenschaftlich organisieren

Kapitel 2

DGRV-Gründerfibel

2. Medizinische Versorgungszentren genossenschaftlich organisieren

Bereits seit dem Jahr 2004 und dem Inkrafttreten des Ge-sundheitsmodernisierungsgesetzes ist es Ärzten gestattet, sichin Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) gemeinsam zuorganisieren. Trotz ihrer sehr guten Eignung wird die eingetra-gene Genossenschaft in der einschlägigen Gründungsliteraturhäufig vernachlässigt. Bei der eingetragenen Genossenschafthandelt es sich sowohl um eine juristische Person als auch umeine (im Sinne des § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V) für MVZ zulässi-ge Organisationsform.5

Definitionsgemäß sind MVZ fachübergreifende, ärztlichgeleitete Einrichtungen, in denen sich Ärzte, die in das Arztre-gister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte be-tätigen. Die interdisziplinäre Ausrichtung soll eine ganzheitli-che Versorgung der Patienten „aus einer Hand“ garantieren.Eine fachübergreifende Ausrichtung des MVZ wird als gege-ben erachtet, wenn Ärzte mit unterschiedlichen Facharzt-oder Schwerpunktbezeichnungen zusammenwirken.6 Darüberhinaus ist die Organisation sogenannter „Kopfzentren“ – indenen sowohl Ärzte als auch Zahnärzte beschäftigt werden –seit dem Jahr 2007 gestattet. Zur Gründung MedizinischerVersorgungszentren berechtigt sind ausschließlich Leistungser-bringer, die an der Versorgung gesetzlich versicherter Patien-ten kraft Zulassung, Ermächtigung oder Vertrag teilnehmendürfen. Neben Vertragsärzten und -zahnärzten sowie Kli-niken kommen als Initiatoren insbesondere Heil- undHilfsmittelerbringer, Apotheker sowie Unternehmen derhäuslichen Krankenpflege in Frage. Während des Ge-schäftsbetriebs muss die Trägerschaft durch Leistungserbrin-ger fortbestehen, da das MVZ andernfalls seine Zulassung ver-liert. Eine gesellschaftsrechtliche Einwirkung durch Außenste-

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Die interdisziplinäre

Ausrichtung soll eine

ganzheitliche Versor-

gung der Patienten

„aus einer Hand“

garantieren.

Kapitel 2

Ärztegenossenschaften

hende (z. B. die Pharmaindustrie) soll dadurch unterbundenwerden.

MVZ bedürfen der Zulassung durch den Zulassungsaus-schuss der Kassenärztlichen Vereinigung, um als Leistungs-erbringer im System der gesetzlichen Krankenversicherungauftreten zu können. Diese Zulassung berechtigt und ver-pflichtet sie zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versor-gung. Darüber hinaus stellt auch die Anstellung von Ärzten ineinem MVZ einen genehmigungspflichtigen Tatbestand dar;Arbeitsverträge sind daher dem Zulassungsausschuss vorzule-gen.

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens muss auch dieBedarfsplanung gemäß § 103 SGB V Berücksichtigung finden.Ärzte dürfen beispielsweise nur dann als Angestellte von ei-nem MVZ beschäftigt werden, wenn der Planungsbereichnicht wegen Überversorgung für die entsprechende Arztgrup-pe gesperrt ist. Zahlreiche Planungsbereiche sind überdies fürNeuniederlassungen gesperrt. Die Gründer MedizinischerVersorgungszentren müssen daher einiges beachten: Invon Zulassungsbeschränkungen betroffenen Planungsberei-chen kann unter Umständen § 103 Abs. 4 a SGB V zum Tra-gen kommen. Diese Regelung ermöglicht es niedergelassenenVertragsärzten, ihre Zulassung auf ein MVZ zu übertragen,ihre Praxis zu veräußern und in ein Anstellungsverhältnis zuwechseln. Diese Variante kommt insbesondere für erfahreneÄrzte in Betracht, die eine angemessene Verwertung ihrer Pra-xis herbeiführen möchten. Des Weiteren ist den MVZ die Teil-nahme an Nachbesetzungsverfahren für einen Vertragsarztsitzgestattet. Erreicht ein Vertragsarzt zum Beispiel die Alters-

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5 Zur Zulässigkeit der eingetragenen Genossenschaft für Medizinische Versorgungszentren siehe Pflüger, E., 2006, S. 156–167.

6 Ries, H.-P./Schnieder, K.-H./Großbölting, R., u. a., 2007, S. 174.

Medizinische Versorgungszentren genossenschaftlich organisieren

Kapitel 2

DGRV-Gründerfibel

grenze, kann ein MVZ prinzipiell dessen Praxis aufkaufen undals Nachfolger die vertragsärztliche Tätigkeit am Ort der Be-triebsstätte weiterführen.7

In der Praxis finden MVZ großen Anklang; die Zulas-sungszahlen spiegeln dies wider: Am Ende des Jahres 2007existierten bereits 948 MVZ, in denen sich über 4.000 Ärzteberuflich betätigten – Tendenz stark ansteigend. 2.850 Ärztebefanden sich zu diesem Zeitpunkt in einem Anstellungsver-hältnis, über 1.000 Ärzte nahmen den Status eines Vertrags-arztes ein. Insbesondere in Bayern und in Berlin erfährt dieseIdee zur Bündelung medizinischer Kompetenzen regen Zu-spruch. Als Träger fungieren derzeit insbesondere Vertragsärz-te und Krankenhäuser. Im Durchschnitt waren im 4. Quartal2007 pro Versorgungszentrum vier Ärzte tätig.8 In Zukunft istauch diesbezüglich ein weiterer Anstieg zu erwarten. Bereitsheute existieren Versorgungszentren, in denen sich weitausmehr Ärzte betätigen, sodass die vom Gesetzgeber geforderteumfassende Versorgung der Patienten garantiert werdenkann. Seit dem Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungs-gesetzes ist überdies die Bindung an den Ort der Betriebsstätteentfallen – eine überörtliche Ausrichtung Medizinischer Ver-sorgungszentren ist insofern zulässig. Zukünftig ist daher miteiner noch größeren Bedeutung der MVZ zu rechnen.

Vertragsärzte entscheiden sich als Träger eines MVZ häufigvorschnell für die Organisationsform der Gesellschaft bürgerli-chen Rechts (GbR), obwohl die eingetragene Genossenschafteine besser geeignete Alternative ist. Bei der Genossenschafthandelt es sich um eine auf Dauer angelegte, stabile Koopera-tionsform, in der klare Strukturen (Vorstand und Aufsichts-rat) vorherrschen. Anders als in einer GbR liegt bei einer eGeine begrenzte Haftung vor. Als juristische Person bestehtdie Genossenschaft zudem auch im Falle eines Ausscheidenseinzelner Mitglieder weiter fort. Schließlich zeichnet sich die

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Vertragsärzte entschei-

den sich als Träger ei-

nes MVZ häufig vor-

schnell für die Organi-

sationsform der

Gesellschaft bürgerli-

chen Rechts, obwohl

die eingetragene

Genossenschaft eine

besser geeignete

Alternative ist.

Kapitel 2

Ärztegenossenschaften 11

eingetragene Genossenschaft durch eine ganz besondere In-solvenzresistenz aus, die insbesondere auf die unabhängigeÜberprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse und der Ge-schäftsführung durch den zuständigen genossenschaftlichenRegionalverband zurückzuführen ist.

Verschiedene Geschäftsmodelle sind hinsichtlich einer„MVZ-eG“ denkbar:9 Bei der ersten Variante bewahren dieVertragsärzte als Mitglieder einer „MVZ-eG“ ihre Freiberuflich-keit und behalten ihre persönlichen Zulassungen. Es findeteine vollständige Trennung zwischen dem Betrieb des MVZund der ärztlichen Tätigkeit der Mitglieder statt. Die an der„MVZ-eG“ beteiligten Vertragsärzte betätigen sich selbststän-dig, während die vertragsärztliche Tätigkeit des MVZ mit Hilfeangestellter Ärzte ausgeübt wird. Im Rahmen der zweiten Va-riante verzichten die Vertragsärzte (Mitglieder der „MVZ-eG“)auf ihre Zulassung. Sie sind als Ärzte beim MVZ angestellt.

Verschiedene Geschäfts-

modelle sind hinsichtlich

einer „MVZ-eG“ denkbar.

7 Vgl. Ries, H.-P./Schnieder, K.-H./Großbölting, R. u. a., 2007, S. 175 f.8 Vgl. http://www.kbv.de/themen/print/7178.html (29.8.2008).9 Siehe hierzu die Ausführungen zur GmbH in: Kassenärztliche Bundesvereinigung(Hrsg.), 2006, S. 13–16.

Kapitel 3

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3. Neue Chancen durch genossenschaftlichePraxisnetze

Doch nicht nur unter dem Dach eines MVZ bietet sich eineZusammenarbeit an. Auch ein regionales Praxisnetz ermög-licht Chancen, die Ärzte nutzen sollten – und die Organisationals „Praxisnetz-eG“ schafft ideale Voraussetzungen für eineerfolgreiche Zusammenarbeit. Die Kooperation innerhalb ei-nes Praxisnetzes ist als etwas loser zu charakterisieren, denndie Praxen der beteiligten Mitgliedsärzte bleiben hierbei an ih-rem Praxissitz bestehen.

Schätzungen zufolge bestehen bundesweit derzeit einigehundert Praxisnetze. Sie bieten den beteiligten Ärzten die Ge-legenheit zur Optimierung ambulanter Versorgungsstruk-turen und zur Erprobung und Verwirklichung besonde-rer Versorgungsformen. Mit dem GKV-Modernisierungsge-setz wird es gesetzlichen Krankenkassen in größerem Umfangermöglicht, abseits des Systems der Kassenärztlichen Vereini-gungen individual- oder gruppenspezifische Verträge abzu-schließen. Die im Jahr 2007 gegründete Genossenschaft „Re-gionales Gesundheitsnetz Leverkusen eG“ entwickelt beispiels-weise derzeit zahlreiche Verträge im Rahmen der integriertenVersorgung. Das Tätigkeitsspektrum der Genossenschaftreicht dabei vom Thema Kopfschmerzen bis hin zu Bluthoch-druck und der ärztlichen Versorgung in Pflegeheimen.10

Neben den Regelungen zur integrierten Versorgung ge-mäß § 140 a ff SGB V gibt es für genossenschaftliche Praxis-netze seit dem Jahr 2007 weitere rechtliche Möglichkeiten, in-dividuelle Vereinbarungen zu treffen.11 Beispielsweise eröffnet§ 73 c SGB V neue Optionen im Rahmen der besonderen am-bulanten ärztlichen Versorgung. Regionale Ärztegenossen-schaften können auf Basis dieser Regelung mit KrankenkassenLösungen für besondere Versorgungsbedürfnisse der Bevölke-

Neue Chancen durch genossenschaftliche Praxisnetze

Neben den Regelungen

zur integrierten Versor-

gung gibt es für genos-

senschaftliche Praxis-

netze weitere rechtli-

che Möglichkeiten,

individuelle Vereinba-

rungen zu treffen.

Kapitel 3

Ärztegenossenschaften

rung erarbeiten. Während der Laufzeit eines auf Basis des§ 73 c SGB V geschlossenen Vertrages geht der Sicherstellungs-auftrag auf die gesetzlichen Krankenkassen über, die ihrenVersicherten entsprechende Wahltarife offerieren. Den mitwir-kenden Ärzten bietet sich die Chance, an einer außerbudgetä-ren Vergütung zu partizipieren.

In einem genossenschaftlich organisierten Praxisnetz be-stehen darüber hinaus viele Anknüpfungspunkte für eine er-folgreiche Zusammenarbeit. Unter anderem kann sich eine ge-meinsame Öffentlichkeitsarbeit – etwa durch ein gemeinsa-mes Internetportal – positiv für die Mitgliedsärzte auswirken.Auch die Herausgabe einer gemeinsamen Praxiszeitung istdenkbar. Im Rahmen von Informationstagen zu bestimmtenThemen bzw. Krankheitsbildern (z. B. Asthma bronchiale oderDiabetes mellitus) kann eine engere Patientenbindung herge-stellt werden. Gleiches gilt für Patientenschulungen innerhalbnetzeigener Akademien bzw. Bildungsangebote. Das Ange-botsspektrum des „Ärztenetzwerks Mainfranken eG“ reichtbeispielsweise von Raucherentwöhnung, Adipositas, Rücken-schule, Osteoporose bis hin zu einem Anti-Burn-out-Pro-gramm. Maßgeschneiderte Fortbildungsmaßnahmen werdendarüber hinaus sowohl den Mitgliedsärzten als auch derenMitarbeitern angeboten. Zur gemeinsamen Vermarktung vonIGeL und alternativen Heilverfahren bietet sich ferner die Ein-richtung einer gruppeneigenen Praxis an. Vorstellbar ist auchder gemeinsame Betrieb einer 24 Stunden geöffneten Notfal-lambulanz oder eines Callcenters.

13

10 Vgl. www.gesundheitsnetz-leverkusen.de (29.8.2008).11 Am Ende des 3. Quartals 2007 konnten bundesweit 4.553 Integrationsverträge

registriert werden. Etwa 5,2 Mio. Versicherte hatten sich als Teilnehmer in den entsprechenden Programmen eingeschrieben (vgl. www.kbv.de, 29.8.2008).

In einem genossenschaft-

lich organisierten Praxis-

netz bestehen darüber

hinaus viele Anknüp-

fungspunkte für eine

erfolgreiche Zusammen-

arbeit.

DGRV-Gründerfibel14

Insgesamt profitieren nicht nur die Mitgliedsärzte von derFörderleistung einer „Praxisnetz-eG“. Die strukturierte Zusam-menarbeit der Leistungserbringer kommt unweigerlich auch Pa-tienten, anderen Leistungserbringern, Krankenkassen und denUnternehmen vor Ort zugute, denn Gesundheitsversorgungwird zunehmend zu einem wichtigen Standortfaktor. Kurzum,ein gut funktionierendes genossenschaftliches Praxisnetz istein Gewinn für die ganze Region.

Ein Beispiel für ein solches Praxisnetz ist die „Qualität undEffizienz eG“ mit Sitz in Nürnberg. Dieses aus dem PraxisnetzNürnberg-Nord ausgegründete Gemeinschaftsunternehmenniedergelassener Ärzte erfreut sich großen Zuspruchs in derBevölkerung und blickt seit seiner Gründung im Jahr 2005 aufeine äußerst erfolgreiche Entwicklung zurück. Die eingetrage-ne Genossenschaft ist eine für die Umsetzung der Ziele einesPraxisverbundes gut geeignete Unternehmensform. Die betei-ligten Ärzte profitieren bei diesem Organisationsmodell insbe-sondere von den klaren Prozessen und Strukturen, die inner-halb einer eG herrschen.

Im Jahr 2007 hatten sich bereits mehr als 7.500 bei derAOK versicherte Personen bei der „Qualität und Effizienz eG“eingeschrieben. Das von der Genossenschaft initiierte Projekt„HomeCare Nürnberg HCN“ richtet sich insbesondere an alteund bedürftige Patienten und deren Angehörige. Im Sinne ei-ner verbesserten sektorübergreifenden Versorgung findet eineKoordination und Vermittlung therapeutischer, pflegerischersowie hauswirtschaftlicher Dienstleistungen statt.12 Dass Qua-lität innerhalb der Nürnberger Genossenschaft großgeschrie-ben wird, zeigt sich daran, dass in allen Mitgliedspraxen der„Qualität und Effizienz eG“ entsprechende Managementin-strumente umgesetzt wurden. Beteiligten Ärzten steht einbreites Angebot an Fortbildungsveranstaltungen (z. B. im Rah-men von Qualitätszirkeln) zur Verfügung, und es gelten in vie-

Neue Chancen durch genossenschaftliche PraxisnetzeKapitel 3

Die strukturierte Zu-

sammenarbeit der Leis-

tungserbringer kommt

unweigerlich auch Pa-

tienten, anderen Leis-

tungserbringern, Kran-

kenkassen und den Un-

ternehmen vor Ort

zugute.

Kapitel 3

Ärztegenossenschaften

len Fällen gemeinsam erarbeitete Behandlungsleitlinien.Im Übrigen wird auch für Zahnärzte die Zusammenarbeit

in einem Praxisnetz zunehmend interessanter. Die Gründehierfür sind die Sicherstellung der Dienstleistungsbereitschaftund die Qualität der zu erbringenden Gesundheitsleistungen.Über die bereits genannten Handlungsmöglichkeiten einer re-gionalen Ärztegenossenschaft hinaus (z. B. gemeinsame Fort-bildungs- und Patienteninformationsveranstaltungen, Vertre-tungsregelungen) ergeben sich für ein regionales Zahnärzte-netz weitere Optionen zur Zusammenarbeit. Ein Dentalshopkönnte gemeinschaftlich betrieben werden, daneben ist aufdem Gebiet des Zahnersatzes ein gemeinsames Vorgehendenkbar. Des Weiteren besteht auch innerhalb einer zahnärzt-lichen Regionalgenossenschaft die Chance, Zweitmeinungeneinzuholen.13

15

Auch für die Zahnärzte

wird die Zusammenarbeit

in einem Praxisnetz zu-

nehmend interessanter.

12 Das Projekt „HomeCare Nürnberg HCN“ erhielt bereits im Jahr 2000 den Berliner Gesundheitspreis (vgl. www.berliner-gesundheitspreis.de).

13 Vgl. http://www.abzeg.de/netze/anzeige_0108.htm. (29.8.2008).

DGRV-Gründerfibel16

4. Weitere Möglichkeiten durch Kooperationen

In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl genossenschaft-licher Neugründungen von ärztlicher Seite initiiert. Die mittler-weile weit über fünfzig Ärztegenossenschaften, die zum Teilstarke Mitgliederzuwächse haben, zeigen, wie gut die genos-senschaftliche Rechtsform für den ambulanten Bereich geeig-net ist. Nicht nur für Praxisnetze ist die eingetragene Genos-senschaft eine hervorragend geeignete Organisationsform. Imregionalen Kontext bietet die eG insbesondere Ärztehäusernund Praxisgemeinschaften, aber auch Apparate- und Laborge-meinschaften sowie MVZ ein äußerst attraktives Rechtskleid.Exemplarisch kann an dieser Stelle die „LaborgenossenschaftDarmstadt eG“ vorgestellt werden: Den ca. 200 kooperativverbundenen Mitgliedsärzten gelingt es durch ein gemein-schaftlich betriebenes Labor, nicht nur monetäre, sondernauch zeitliche Vorteile (durch eine sofortige Probenverarbei-tung) zu erzielen. Die eG eignet sich somit auch für solcheKooperationen, in denen eine gemeinsame Leistungserbrin-gung stattfindet.

Bestehende rechtliche Hürden wurden in den letzten Jah-ren abgebaut: Bereits im Jahr 2004 sprach sich der 107. Deut-sche Ärztetag dafür aus, Ärzten ihre Berufsausübung unterdem Dach einer juristischen Person des Privatrechts zu ermög-lichen. Diese Regelung erfasst auch die eingetragene Genos-senschaft. In § 23 a der Musterberufsordnung (MBO) wurdefestgelegt, die Gründung sogenannter „Ärztegesellschaf-ten“ sei gestattet, sofern die Gesellschaft verantwortlich voneinem Arzt geführt wird, die Mehrheit der Geschäftsanteileund Stimmrechte Ärzten zusteht, Dritte nicht am Gewinn derGesellschaft beteiligt werden und eine ausreichende Berufs-haftpflichtversicherung für jeden in der Gesellschaft tätigen

Weitere Möglichkeiten durch KooperationenKapitel 4

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Bestehende rechtliche

Hürden wurden in

den letzten Jahren

abgebaut.

Im regionalen Kontext

bietet die eG insbe-

sondere Ärztehäusern

und Praxisgemein-

schaften, aber auch

Apparate- und Labor-

gemeinschaften sowie

MVZ ein äußerst at-

traktives Rechtskleid.

Kapitel 4

Ärztegenossenschaften

Arzt besteht. In einer eingetragenen Genossenschaft kanndiesen Anforderungen besonders gut Rechnung getragenwerden. § 23 b MBO ermöglicht Ärzten ferner die Bildungvon Kooperationsgemeinschaften mit Angehörigen ande-rer Fachberufe. Demnach können zum Beispiel Gemein-schaftsunternehmen mit Zahnärzten, Hebammen, Logopäden,Ergo- und Physiotherapeuten oder Angehörigen staatlich an-erkannter Pflegeberufe realisiert werden. Wiederum bietetsich die Genossenschaft als Organisationsform an. Für die ge-nannten Personengruppen kommt – in Abhängigkeit von ihrerjeweiligen Situation – die Gründung einer eG oder der Beitrittin ein bereits bestehendes genossenschaftliches Unternehmenin Frage.

Darüber hinaus existieren seit dem Inkrafttreten des Ver-tragsarztrechtsänderungsgesetzes im Jahr 2007 weitere Mög-lichkeiten der Zusammenarbeit. In überörtlichen Berufsaus-übungsgemeinschaften etwa behalten die beteiligten Ver-tragsärzte ihre Praxissitze an verschiedenen Standorten bei –ein gemeinsamer Praxissitz ist nicht mehr länger erfor-derlich. Auch die Gründung von Berufsausübungsgemein-schaften, die den Bezirk einer Kassenärztlichen Vereinigungüberschreiten, ist nun gestattet, sofern bestimmte Vorausset-zungen erfüllt werden. Die Mitglieder einer überörtlichen Be-rufsausübungsgemeinschaft sind verpflichtet, ihrem Versor-gungsauftrag an ihrem Vertragsarztsitz in erforderlichemMaße nachzukommen; sie dürfen sich daher nur in zeitlichbegrenztem Umfang an den Vertragsarztsitzen der anderenMitglieder betätigen. Durch die genannten Einschränkungensoll gewährleistet werden, dass dem Versorgungsauftrag anallen Praxissitzen nachgekommen wird.

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Weitere Möglichkeiten durch Kooperationen

DGRV-Gründerfibel

In sogenannten Teilberufsausübungsgemeinschaftenfindet dagegen eine Beschränkung der Zusammenarbeitauf bestimmte Ausschnitte des ärztlichen Leistungsspek-trums statt. Anhand eines Beispielunternehmens kann diesverdeutlicht werden: Mediziner mit verschiedenen Praxissitzenkönnten eine gemeinsame Filiale betreiben und somit eineTeilberufsausübungsgemeinschaft bilden, in der beispielsweiseAkupunkturleistungen offeriert werden. Möglich sind auchandere Konstellationen: Allgemeinmediziner, Orthopäden undKardiologen könnten ihr Know-how bündeln, um Beratungenund Untersuchungen im sportmedizinischen Bereich anzubie-ten. Die Praxen der mitwirkenden Ärzte bleiben in ihrem Be-stand unberührt und werden unabhängig von der Teilberufs-ausübungsgemeinschaft weitergeführt.

Die Genossenschaft „COHED Cooperative der HeilberufeDeutschland eG“ mit Sitz in München gründete im Jahr 2007eine überregionale Teilgemeinschaftspraxis aus, die sich zumZiel gesetzt hat, die therapeutische Freiheit ihrer Mitglieder zuerhalten und zugleich deren finanzielle Situation zu verbes-sern. Insbesondere Radiologie-, Labor- und Selbstzahlerleis-tungen werden gemeinschaftlich erstellt.14 Insgesamt werdendie vom Gesetzgeber eröffneten neuen Wege in der Praxisumfangreich in Anspruch genommen. Niedergelassene Ärztewerden durch ein gemeinsames Wirken in die Lage versetzt,die ambulante Versorgung in stärkerem Maße aktiv zu gestal-ten.

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Kapitel 4

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14 Es wurde hierfür eine Partnerschaftsgesellschaft gegründet und eine gemein-same elektronische Karteiführung installiert (vgl. www.cohed.de, 29.8.2008).

Kapitel 5

Ärztegenossenschaften 19

5. Die Stärken der genossenschaftlichenRechtsform

Als kooperative Rechtsform mit vielerlei Vorzügen rücktdie Genossenschaft zunehmend ins ärztliche Blickfeld. Einenentscheidenden Beitrag zu dieser Entwicklung leistete dieNeuregelung des Genossenschaftsgesetzes (GenG) im Jahr2006. Bis dahin war beispielsweise die Bildung einer ärztli-chen Genossenschaft an eine Mindestmitgliederzahl von sie-ben Personen gekoppelt, seit der Novelle sind nur noch dreiMitglieder erforderlich. Der genossenschaftlichen Organisa-tion kleinerer ärztlicher Einheiten (z. B. ein MVZ) steht prinzi-piell nichts mehr entgegen.

Ganz im Gegenteil, die Gründung und Organisation klei-ner Genossenschaften bietet sich heute aufgrund der erhebli-chen gesetzlichen Erleichterungen für Ärzte geradezu an.Plant man z. B. eine Genossenschaft mit weniger als 20Mitgliedern, kann zum Beispiel auf die Bildung eines Auf-sichtsrates verzichtet werden; das Vorstandsorgan musslediglich aus einer Person bestehen.

Die Stärken der genossenschaftlichen Rechtsform

Neuregelung des Ge-

nossenschaftsgesetzes

(GenG) im Jahr 2006

CD-ROM „Genossenschaften Gründen“

Der digitale Leitfaden zur erfolg-

reichen Gründung einer Genos-

senschaft. Mit umfangreichem

Informationsmaterial, Checklisten

und nützlichen Tipps. Die CD-

ROM können Sie kostenlos unter

www.neuegenossenschaften.de

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DGRV-Gründerfibel

Die klare Leitungsstruktur bleibt indes bestehen. Beschlüs-se der Generalversammlung können gemäß § 46 Abs. 2 GenGohne vorherige Ankündigung getroffen werden, sofern alleMitglieder anwesend sind (§ 46 Abs. 2 GenG).

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Neuregelungenund Vereinfachungen sowie eine Gegenüberstellung der eGmit anderen Rechtsformen – etwa der GbR – finden sich aufder CD-ROM „Genossenschaften Gründen – Von der Ideezur eG“. Dort wird auch über die besonderen Merkmale die-ser Unternehmensform informiert, die sowohl Elemente ausdem Recht der Kapitalgesellschaften als auch dem Recht derPersonengesellschaften in sich vereint.

Als privatrechtliche Selbsthilfeeinrichtung basiert die ein-getragene Genossenschaft auf Freiwilligkeit. Von Ärzten ge-tragene Genossenschaften zeichnen sich insbesondere durcheine basisdemokratische Verwaltung und durch eine Mitspra-che ihrer Mitglieder aus; die Organe des Unternehmens sindausschließlich aus den Reihen der Mitglieder zu besetzen. Diedemokratischen Entscheidungsprozesse innerhalb einer Ge-nossenschaft kommen dem Selbstverständnis vieler Ärzte sehrentgegen. In der Generalversammlung etwa gilt das Prin-zip: „one man – one vote“. Kein Mitglied kann die anderenMitglieder durch seine Kapitalbeteiligung dominieren. Die Ge-nossenschaft bietet einen optimalen Schutz gegen Übernah-me und Einflussnahme Dritter. Als Angehörige eines freien Be-rufes werden Mediziner durch die genossenschaftliche Zusam-menarbeit in die Lage versetzt, ihre Unabhängigkeit undAutonomie in größtmöglichem Maße zu wahren.

Während sich der eingetragene Verein aufgrund rechtli-cher Bestimmungen üblicherweise nicht für die Umsetzungwirtschaftlicher Zielsetzungen eignet, dient eine genossen-schaftliche Kooperation in erster Linie der Verwirklichung ent-sprechender Mitgliedsinteressen. Mit dem ärztlichen Selbst-

20

Kapitel 5

Die demokratischen

Entscheidungsprozesse

innerhalb einer Genos-

senschaft kommen dem

Selbstverständnis vieler

Ärzte sehr entgegen.

Die Stärken der genossenschaftlichen Rechtsform

Kapitel 5

Ärztegenossenschaften 21

verständnis lässt sich dieser ökonomisch geprägte Förder-zweck dennoch vereinbaren. Um langfristig im Wettbewerbüberleben und zugleich für ein qualitativ hohes Niveau derHeilkunde einstehen zu können, ist eine effiziente Praxisfüh-rung unumgänglich. Genossenschaften können hier ihre posi-tive Wirkung entfalten. Sie bieten ökonomische Stabilität, wasin der Regel auch zu einem größeren ideellen Freiraum führt,sodass Mediziner ihr Augenmerk verstärkt auf die Erbringungqualitativ hochwertiger Gesundheitsleistungen richten kön-nen. Besonders gut wird dies am Beispiel der Verträge zur in-tegrierten Versorgung deutlich: Genossenschaften verfügenzwar als Trägergesellschaften nicht über eine Berechtigungzur Gesundheitsversorgung im Rahmen der gesetzlichen Kran-kenversicherung, dennoch ist es ihnen gestattet, Integrations-verträge abzuschließen, sofern sie autorisierte Leistungser-bringer hinzuziehen. In diesem Sinne kann eine Praxisnetz-eGVerhandlungen mit Krankenkassen führen und damit die Er-tragssituation in den Mitgliedspraxen verbessern. Gleichzeitigkann die Genossenschaft Managementaufgaben überneh-men, während die Mitglieder ihre Aufmerksamkeit vorrangigauf die Ausübung der Heilkunde richten können.

Eine besondere Stärke der genossenschaftlichen Rechts-form liegt in der Haftung, die sich in der Regel nur auf dasGesellschaftsvermögen beschränkt. Dagegen haften beispiels-weise die Gesellschafter eines in Form einer GbR organisiertenMVZ grundsätzlich auch mit ihrem Privatvermögen. Ein neuerGesellschafter sollte sich darüber im Klaren sein, dass er unterUmständen sogar für Altschulden aus Kauf-, Kredit- oder Lea-singverträgen aufkommen muss. Doch selbst die deliktischeHaftung kann zu einem Problem aller GbR-Gesellschafter wer-den. Muss ein Kollege aufgrund eines BehandlungsfehlersSchadensersatz leisten, trifft diese Verpflichtung prinzipiellauch das Versorgungszentrum, mit dem der Behandlungsver-

Die Genossenschaft

kann Managementauf-

gaben übernehmen,

während ihre Mitglie-

der ihre Aufmerksam-

keit vorrangig auf die

Ausübung der Heilkun-

de richten können.

DGRV-Gründerfibel

trag abgeschlossen wurde. Da die GbR alle Gesellschafter zurHaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft verpflichtet,müssen auch Ärzte, die einen Behandlungsfehler nicht zuverantworten haben, trotzdem für diesen persönlich, unbe-schränkt und gesamtschuldnerisch einstehen. Eine Haftungs-beschränkung, wie sie in der Genossenschaft vorliegt, kannsich demnach sowohl in vertraglicher als auch in deliktischerHinsicht als vorteilhaft erweisen.15

Ferner existieren auch steuerliche Gründe, die für einegenossenschaftliche Organisation sprechen. Zwar unterliegenGenossenschaften grundsätzlich der Körperschaft- und derGewerbesteuer. Als einzige Unternehmensform bietet die eGjedoch die Gestaltungsmöglichkeit, am Ende des Geschäfts-jahres den erwirtschafteten Gewinn durch Auszahlung einersteuerfreien Rückvergütung an die selbstständig tätigen Mit-glieder zu vermindern und damit die Gesamtsteuerlast derGenossenschaft zu reduzieren. § 22 KStG lässt einen Abzugder genossenschaftlichen Rückvergütung als Betriebsausgabezu. Die genossenschaftliche Rückvergütung stellt damit einebesonders bedeutsame Form der Mitgliederförderung dar undist die steuerlich logische Flankierung des gesellschaftsrechtli-chen Förderauftrages der Genossenschaft.

Ein wesentlicher Vorteil der Genossenschaft ist ferner ihreoffene Mitgliederzahl. Ein Wechsel im Mitgliederbestandbeeinflusst die Genossenschaft nicht in ihrem Fortbestehen.Der Grundsatz einer „nichtgeschlossenen Mitgliederzahl“ un-terscheidet die eG sowohl von Personen- als auch von Kapital-gesellschaften. Anders als in Kapitalgesellschaften hängt dieAnzahl der Mitglieder zum Beispiel nicht von einer Zerlegungdes Grund- bzw. Stammkapitals ab.16 Der Ein- und Austritt vonMitgliedern in eine Genossenschaft ist also – ähnlich wie in ei-nem eingetragenen Verein – grundsätzlich jederzeit ohne No-tar möglich. Gerade für Praxisnetze, die nicht selten mehr als

22

Die Stärken der genossenschaftlichen RechtsformKapitel 5

Ein Wechsel im Mitglie-

derbestand beeinflusst

die Genossenschaft

nicht in ihrem Fortbe-

stehen.

Kapitel 5

Ärztegenossenschaften 23

15 Bei Gründung eines genossenschaftlichen Versorgungszentrums gilt es zu be-achten, dass der Gesetzgeber in § 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V eine Haftungserwei-terung für MVZ in der Rechtsform einer juristischen Person vorgesehen hat. Neben der eG ist zum Beispiel auch die GmbH von dieser Regelung betroffen. Alle Genossenschaftsmitglieder sind demnach verpflichtet, gegenüber der Kas-senärztlichen Vereinigung und den Krankenkassen eine selbstschuldnerische Bürgschaftserklärung abzugeben. Diese Regelung soll sicherstellen, dass etwa Honorarrückforderungen auch tatsächlich bedient werden können.

16 Vgl. Geschwandtner, M./Helios, M., 2006, S. 37. In Aktiengesellschaften etwa ist die Anzahl der Aktionäre prinzipiell nach oben hin durch die Anzahl der aus-gegebenen Aktien begrenzt.

100 Mitglieder zählen, ist dieses unbürokratische Verfahrenvon Vorteil. Beispielsweise gehörten der „Gesundheitsorgani-sation Ludwigshafen eG“, einem erfolgreich agierenden Praxis-netz, im Jahr 2007 bereits rund 300 Mitglieder an. Eine nota-rielle Beurkundung, wie sie etwa bei einer GmbH erforderlichwäre, ist beim Beitritt eines neuen Mitgliedes nicht vonnöten.Beim Austritt aus der Genossenschaft besteht ein Rückzah-lungsanspruch auf die geleistete Einlage, ein Kursrisiko gibt esdabei nicht.

Der Organisation Medizinischer Versorgungszentren stehtdas Prinzip der offenen Mitgliederzahl nicht entgegen, da dieAufnahme neuer Mitglieder per Statut reglementiert werdenkann. Beitrittswillige müssen demnach gewisse Voraussetzun-gen – sachlicher und persönlicher Art – erfüllen. Eine Aufnah-mevoraussetzung kann beispielsweise in einer bestimmtenfachlichen Ausbildung und Qualifikation bestehen. Sind dieseBedingungen erfüllt, so ergibt sich hieraus jedoch keine Ver-pflichtung zur Aufnahme. Die endgültige Entscheidung darü-ber, ob ein weiteres Mitglied in eine eG aufgenommen wer-den soll, obliegt in der Regel dem Vorstand und kann in Ab-stimmung mit den Mitgliedern erfolgen.

DGRV-Gründerfibel

Zum Nutzen und Schutz der Mitglieder ist grundsätzlicheine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse und derOrdnungsmäßigkeit der Geschäftsführung durch den be-treuenden Prüfungsverband vorgesehen. Die fachkundigeBetreuung und Beratung durch den genossenschaftlichen Ver-band, dem alle Genossenschaften mitgliedschaftlich verbundensind, stellt ein zusätzliches positives Alleinstellungsmerkmalder Rechtsform dar. Insbesondere die genossenschaftlichePrüfung erweist sich als Qualitätskriterium, denn schon dieGründungsprüfung gibt den Mitgliedern Gewissheit über diewirtschaftliche Tragfähigkeit des unternehmerischen Konzepts.Nicht ohne Grund ist die eingetragene Genossenschaft die inDeutschland am wenigsten von Insolvenz betroffene Rechts-form. Zur Entlastung kleiner Genossenschaften – mit einer Bi-lanzsumme von bis zu einer Million Euro oder Umsätzen von biszu zwei Millionen Euro – kann bei diesen Unternehmen aufeine umfassende Jahresabschlussprüfung verzichtet werden.

24

Die Stärken der genossenschaftlichen RechtsformKapitel 5

Schon die Gründungs-

prüfung gibt den Mit-

gliedern Gewissheit

über die wirtschaftliche

Tragfähigkeit des

unternehmerischen

Konzepts.

Kapitel 6

Ärztegenossenschaften 25

6. Die Gründung einer Ärztegenossenschaft

a) Bevor es losgeht

Als Erstes muss zunächst eine Entscheidung zugunsten ei-ner konkreten Kooperationsform getroffen werden, denn keinModell der Zusammenarbeit zwischen Medizinern kann per seals das richtige gelten. Die Grundsatzfrage, ob eine eher loseInteressengemeinschaft, ein MVZ, ein Praxisnetz, eine Labor-/Apparategemeinschaft oder eine anderweitige mehr oder we-niger enge Form der Zusammenarbeit initiiert werden soll, istwesentlich und sollte vor dem Hintergrund der regionalenVersorgungssituation und der Präferenzen der beteiligten Ärz-te offen diskutiert werden.

Hinsichtlich des Begriffs Praxisnetz liegt beispielsweise kei-ne allgemein gültige Definition vor. Die Ausrichtung der zugründenden Gemeinschaft sollte einvernehmlich festgelegtwerden, denn Auffassungen und Meinungen der Beteiligtenklaffen häufig weit auseinander. Mögen einige niedergelasse-ne Ärzte gelegentliche lose Treffen mit Kollegen für sich alsausreichend erachten, so besteht die Zielsetzung anderer da-rin, gemeinschaftlich ein professionelles Gesundheitsunter-nehmen ins Leben zu rufen. Es ist daher dringend notwendig,Klarheit hinsichtlich der Beweggründe der Beteiligtenherzustellen und ein gemeinsames Zielsystem zu entwi-ckeln: Welche Ziele sollen realisiert, welche Philosophie, wel-ches unternehmerische Konzept soll verfolgt werden? SpätereSchwierigkeiten und grundsätzliche Uneinigkeit während deslaufenden Geschäftsbetriebes werden durch intensive, klären-de Gespräche im Vorfeld vermieden.

Steht der strategische Entschluss für eine bestimmte Formder Kooperation fest, und herrscht Einigkeit über die grund-sätzliche Ausrichtung des zu gründenden Unternehmens, ist

Die Gründung einer Ärztegenossenschaft

DGRV-Gründerfibel

in einem zweiten Schritt die Rechtsform auszuwählen. Einegenossenschaftliche Zusammenarbeit sollte eine ökonomischund nicht nur rein ideell geprägte Kooperation sein. Zur Füh-rung der Genossenschaft sind deshalb kaufmännische undunternehmerische Fähigkeiten wichtig.

b) Analyse des regionalen Versorgungsmarktes

Der Gründung einer regionalen Genossenschaft ist eineumfassende Analyse des Versorgungsmarktes vor Ort voran-zustellen. Wer die richtigen unternehmerischen Entscheidun-gen treffen will, muss in jedem Fall die für ihn relevanten Rah-menbedingungen kennen. Bei der Festlegung des zukünftigenLeistungsspektrums der Genossenschaft sollten gründungswil-lige Ärzte deshalb nicht nur ihre eigenen Fähigkeiten und dasvorhandene Know-how beachten, sondern sich auch mit denBesonderheiten ihrer Region und aktuellen Trends innerhalbdes Gesundheitsmarktes auseinandersetzen. Des Weiteren istdie Konkurrenzsituation genau zu analysieren: Welche speziel-len Gesundheitsangebote offeriert beispielsweise die regiona-le Klinik? Können komplementäre Leistungen erbracht wer-den? Welche spezifischen Gesundheitsangebote fehlen vorOrt? Diese und weitere Fragestellungen sollten Gründer einerÄrztegenossenschaft durchdenken.

Technische Entwicklungen und rechtliche Rahmenbe-dingungen sind ebenso zu beachten wie Beziehungen zuanderen Leistungserbringern, Krankenkassen und Patien-ten. Für MVZ und Praxisnetze gleichermaßen wichtig ist etwadie Kenntnis der Versichertenstruktur innerhalb der Region.Welche Patientengruppen sind in welcher Weise ansprechbar?Sollte zum Beispiel eine Spezialisierung auf Herz-Kreislauf-Er-krankungen stattfinden, oder sollte eher die strukturierte Be-

26

Kapitel 6

Nicht nur die eigenen Fä-

higkeiten und das vor-

handene Know-how sind

zu beachten, sondern

auch die Besonderheiten

der Region und aktuelle

Trends innerhalb des Ge-

sundheitsmarktes.

Die Gründung einer Ärztegenossenschaft

Kapitel 6

Ärztegenossenschaften 27

handlung von onkologischen Erkrankungen in den Vorder-grund rücken? Auch im Hinblick auf die gemeinsame Ver-marktung von IGeL ist es wichtig, die Bedürfnisse der Patien-ten möglichst gut zu kennen. Unterschiede bezüglich der Ge-sundheitsnachfrage existieren nicht nur im Hinblick auf Stadt-und Landbevölkerung; auch innerhalb größerer Städte sindfrappierende Abweichungen festzustellen. Kriterien wie dieAlters- und Versichertenstruktur, das Bildungs- und Einkom-mensniveau und die Arbeitslosenquote müssen eingeplantwerden, denn damit variieren in der Regel die medizinischenBedürfnisse und die mit der Gründungsidee verbundenenChancen und Risiken. Je besser die Kenntnis der spezifischenProbleme vor Ort, desto eher gelingt die Abstimmung des Ge-sundheitsangebots auf die Bedürfnisse der Patienten. Gesund-heitsunternehmen, denen es gelingt, ein passgenaues Leis-tungsspektrum anzubieten, werden letztlich im Wettbewerberfolgreich bestehen. Hilfreiche Informationen, die eine Analy-se des regionalen Versorgungsgeschehens erleichtern, könnenunter anderem bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereini-gung, der Industrie- und Handelskammer, dem StatistischenLandesamt oder dem Statistischen Bundesamt eingeholt wer-den. Darüber hinaus könnte es von Nutzen sein, auf die Er-gebnisse epidemiologischer Studien zurückzugreifen.

Bei Gründung eines MVZ ist zudem die Standortwahlvon zentraler Relevanz. Im Rahmen einer Standortanalysesind daher Überlegungen bezüglich der zu erwartenden An-zahl und der Klientel der Patienten anzustellen. Unter ande-rem muss das fachgruppenspezifische Einzugsgebiet ermitteltwerden. Die demografische Entwicklung sowie andere struk-turelle Besonderheiten müssen in diesem Zusammenhangebenso berücksichtigt werden wie Faktoren der Verkehrsan-bindung und die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten.17

17 Vgl. Kassenärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.), 2006, S. 17.

Sofern ein Praxisnetz die Gründung einer gemeinsamen Not-fallpraxis oder einer regionalen Anlaufstelle plant, ist auch indiesen Fällen eine Standortanalyse vorzunehmen.

c) Von der Gründungsidee zum Businessplan

Im nächsten Schritt gilt es, die Wettbewerbssituation zuuntersuchen und die Stärken und Schwächen des eigenenLeistungsangebots gegenüber dem der Konkurrenz – etwaeiner in der Region sehr dominanten Klinik – zu bestimmen:Wer ist der wichtigste Konkurrent, und in welcher Weise hebtsich sein Leistungsspektrum vom eigenen ab? Positionierungdurch innovative Angebote! Denkbar wäre beispielsweise dieErrichtung eines Schwerpunkt-MVZ. Ein Zentrum für Ernäh-rungsmedizin könnte Angebote unterbreiten, die von Program-men zur Gewichtsreduktion bis hin zu Diabetesbehandlungreichen. Spezialisierungen sind zum Beispiel auch im Rahmenganzheitlicher Medizin, der Kinderheilkunde, Sportmedizinoder seniorenbezogener Medizin vorstellbar. Des Weiterenkönnten Wettbewerbsvorteile durch erweiterte Sprechzeitenoder Patientenschulungen erzielt werden. Für ein Praxisnetzwiederum gilt es, durch speziell auf die Bedürfnisse der Bevöl-kerung zugeschnittene Versorgungsprogramme im Wettbe-werb zu punkten. In der Genossenschaft „endoportal eG“ ha-ben sich beispielsweise orthopädische und unfallchirurgischeFachärzte aus Berlin zusammengeschlossen. Es wurde von ihnen ein Netzwerk für Endoprothetik ins Leben gerufen, indem derzeit neun Praxen auf dem Gebiet des künstlichen Ge-lenkersatzes an Hüfte und Knie kooperieren. Der Verbund un-terstützt seine Mitglieder unter anderem durch eine interneQualitätssicherung, einen umfangreichen und informativengemeinsamen Internetauftritt und die Durchführung von Patientenveranstaltungen.18

Die Gründung einer ÄrztegenossenschaftKapitel 6

DGRV-Gründerfibel28

Kapitel 6

Ärztegenossenschaften 29

18 Vgl. www.endoportal.de (29.8.2008).

Bei der Ausgestaltung des Leistungsspektrums kann nebender Qualität auch die Schnittstellenoptimierung eine zentraleRolle spielen. Werden Behandlungspfade verkürzt und Rei-bungsverluste (z. B. Doppeluntersuchungen) vermieden, profi-tieren auch die Patienten. In jedem Fall sollten sich die betei-ligten Ärzte fragen, wie viele Patienten angesprochen werdenkönnen und ob Wettbewerber bereits ähnliche Konzepte inder Region umgesetzt haben.

Neben einer gesicherten Finanzierung und dem persönli-chen Engagement der Mitglieder sind eine gute Vorbereitungund ein tragfähiges Unternehmenskonzept bei der Genossen-schaftsgründung von allergrößter Bedeutung. Der Geschäfts-plan dient als wichtiges Planungsinstrument – er beschreibtdas Gesamtvorhaben und erfüllt sowohl interne als auch ex-terne Funktionen. Das wirtschaftliche Konzept wird dargelegt,die Zielsetzung der nächsten Jahre festgehalten, und notwen-dige zeitliche, persönliche und materielle Ressourcen werdenformuliert. Vor allem potenzielle Investoren haben größtes In-teresse am Geschäftsplan. Umfassende Informationen undTipps zum Inhalt und zur formalen Ausgestaltung des Business-plans stehen auf der CD-ROM „Genossenschaften Gründen“zur Verfügung.

d) Geeignete Partner finden

Weitere potenzielle in fachlicher und persönlicher Hinsichtgeeignete Mitglieder müssen gefunden und von der Grün-dungsidee begeistert werden. Bereits vorhandene Kontakteund Netzwerke können genutzt werden, um Kollegen für dasgeplante Gemeinschaftsunternehmen zu gewinnen. Bestehen-

Eine gute Vorbereitung

und ein tragfähiges

Unternehmenskonzept

sind bei der Genossen-

schaftsgründung von

allergrößter Bedeu-

tung.

de Qualitätszirkel oder Stammtische können ebenso als Platt-form dienen wie Workshops und anderweitige Veranstaltun-gen. Es stellt sich zudem die Frage nach weiteren Leistungser-bringern und Kooperationspartnern (z. B. Krankenhäuser,Selbsthilfegruppen, Rehaeinrichtungen oder ambulante Diens-te), mit denen gegebenenfalls vertragliche Partnerschaftengepflegt werden können. Die CD-ROM „GenossenschaftenGründen“ beinhaltet Dokumente, die in dieser Hinsicht wei-terhelfen – unter anderem werden nützliche Tipps zur Ge-sprächsvorbereitung mit möglichen Partnern angeboten.

Egal ob Praxisnetz oder MVZ – in der Regel liegt innerhalbder zu gründenden Ärztegenossenschaft eine heterogene Mit-gliederstruktur vor, Kollegen unterschiedlichster Fachrichtungenkooperieren miteinander. Persönlichkeiten mit ungleichen Er-fahrungen und Meinungen treffen aufeinander. Dies muss je-doch nicht zwangsläufig zu Differenzen führen. Es kann sogarzu einer Weiterentwicklung der Genossenschaft kommen, so-fern hieraus eine Ausweitung des Leistungsspektrums und deszur Verfügung stehenden Know-hows resultiert.

Neben den sogenannten harten Faktoren – Qualifikationund Know-how – sind für eine erfolgreiche Zusammenarbeitnicht selten weiche Faktoren entscheidend: Genossenschafts-gründer sollten über Kommunikations-, Konflikt- und Teamfä-higkeit verfügen und offen gegenüber konstruktiver und fach-licher Hilfe von außen sein. Insbesondere in der Startphase– aber auch darüber hinaus – sollten sie zu Gesprächenbereit sein und gegebenenfalls externe Hilfestellung inAnspruch nehmen. Bestehen Meinungsverschiedenheitenoder Unklarheiten, sind Außenstehende leichter in der Lage,moderierend einzugreifen und Hilfestellung zu leisten. In die-sem Zusammenhang können sie ebenfalls auf die persönlicheund fachliche Unterstützung des genossenschaftlichen Regio-nalverbandes vertrauen.

Die Gründung einer ÄrztegenossenschaftKapitel 6

DGRV-Gründerfibel30

In der Regel liegt inner-

halb der zu gründenden

Ärztegenossenschaft

eine heterogene

Mitgliederstruktur vor.

Kapitel 6

Ärztegenossenschaften 31

e) Die Satzung individuell gestalten

Sowohl das rechtliche als auch das wirtschaftliche Konzeptdes geplanten Unternehmens gilt es den eigenen Anforderun-gen entsprechend zu entwerfen. Den rechtlichen Rahmen bil-det neben den gesetzlichen Bestimmungen die Satzung derGenossenschaft. Mustersatzungen dienen, insbesondere beiGründung eines MVZ, aber auch in Bezug auf andere Formengenossenschaftlicher Kooperation zwischen Ärzten, als Grund-lage für die individuelle Ausgestaltung. Die Satzung der ge-planten Genossenschaft sollte auf die Bedürfnisse der Ärztevor Ort zugeschnitten werden. In diesem Zusammenhang soll-ten die zahlreichen flexiblen Ausgestaltungsmöglichkeiten ge-nutzt werden. Im genossenschaftlichen Regionalverband ste-hen kompetente Ansprechpartner zur Verfügung, die gernebei der Ausarbeitung und Gestaltung der Satzung behilflichsind.

Ganz besonders sorgfältig sollten sie bei der Gründungeines MVZ vorgehen. Da die Satzung die Interessenlage allerMitglieder hinreichend abbilden sollte, sind im Vorfeld Sondie-rungsgespräche zu führen. Es gilt, einen Konsens zu findenund Regelungslücken zu schließen, um spätere Auseinander-setzungen zu vermeiden.19 Ein Beispiel: In Genossenschaftengilt das Nominalprinzip, sodass ausscheidende Mitglieder prin-zipiell einen Betrag in Höhe ihrer geleisteten Einlage zurücker-halten. Soll eine Beteiligung am inneren Wert des Unterneh-mens stattfinden, kann dies statutarisch sichergestellt werden.Beispielsweise könnte die Einrichtung eines Beteiligungsfondsin Erwägung gezogen werden. Letztlich gilt: Individuelle Re-gelungen müssen getroffen werden, um die Motivation allerGenossenschaftsmitglieder zu berücksichtigen. Neben den üb-

Mustersatzungen die-

nen als Grundlage für

die individuelle Ausge-

staltung.

19 Vgl. Kassenärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.), 2006, S. 30.

lichen Satzungsinhalten sollten in einem genossenschaftlichorganisierten Versorgungszentrum auch folgende Punkte Be-rücksichtigung finden: Fragen der gemeinsamen Berufsaus-übung und der Sorgfaltspflicht, Mindestsprechstunden- undArbeitszeiten, Nebentätigkeiten einzelner Mitglieder, Vertre-tungen und Bereitschaftsdienste sowie Mindestversicherungs-summen.20

Wird ein MVZ gegründet, ist die Genossenschaftssatzungunter anderem dem Zulassungsausschuss der KassenärztlichenVereinigung vorzulegen. Auf die Vollständigkeit der erfor-derlichen Unterlagen ist in diesem Zusammenhang unbe-dingt zu achten; fehlen relevante Dokumente oder Vereinba-rungen (z. B. bezüglich der Anstellung von Ärzten), so kanndie Zulassung unter Umständen daran scheitern. Der Umfangder vorzulegenden Dokumente variiert je nach KV-Region undsollte daher bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigungerfragt werden.21 Auch im Hinblick auf die Gründungsprüfungdurch den genossenschaftlichen Verband sollte eine gewissen-hafte und eingehende Auseinandersetzung mit der Satzungund darüber hinaus mit dem Geschäftsplan stattfinden.

f) Gemeinsame Spielregeln festlegen

Bereits in der Startphase sollten der Aufbau und die Orga-nisation der zu gründenden regionalen Ärztegenossenschaftthematisiert werden, denn der zukünftige Betriebserfolg wirdin nicht unerheblichem Maße von der Festlegung der Verant-wortungsbereiche und der Gestaltung der Betriebsabläufe be-einflusst. Zu den Organen der Genossenschaft zählen nebender Generalversammlung, der alle Ärzte als Mitglied angehö-ren, der Vorstand sowie der Aufsichtsrat.

Der Vorstand, das Leitungsorgan der Genossenschaft, be-steht aus mindestens zwei Personen. Bei genossenschaftlichen

Die Gründung einer ÄrztegenossenschaftKapitel 6

DGRV-Gründerfibel32

Der Betriebserfolg wird

in nicht unerheblichem

Maße von der Festle-

gung der Verantwor-

tungsbereiche und der

Gestaltung der Be-

triebsabläufe beein-

flusst.

Kapitel 6

Ärztegenossenschaften 33

20 Vgl. hierzu Kassenärztliche Bundesvereinigung (Hrsg.), 2006, S. 31–35. 21 Quaas, M., 2007, S. 216. Siehe auch Kassenärztliche Bundesvereinigung

(Hrsg.), 2006, S. 12.

Unternehmen mit bis zu 20 Mitgliedern genügt eine Person.Der Vorstand führt die Geschäfte der Genossenschaft eigen-verantwortlich unter Beachtung der Vorschriften des Genos-senschaftsgesetzes, der Satzung sowie der Geschäftsordnungdes Vorstandes. Bei der Bestellung des Vorstandes sollte aufeine ausgewogene Zusammensetzung geachtet werden. DasGleiche gilt für den Aufsichtsrat, dem die Überwachung derGeschäftsführung des Vorstandes obliegt. Er umfasst bei Ge-nossenschaften mit mehr als 20 Mitgliedern mindestens dreiPersonen. In einer Praxisnetz-eG ist es zum Beispiel von Vor-teil, wenn sowohl die beteiligten Hausärzte als auch die Fach-ärzte angemessen repräsentiert werden.

Im Rahmen der Gründung kann eine Stärken-und-Schwä-chen-Analyse dazu beitragen, dass alle Mitglieder ihren Fähig-keiten entsprechend eingesetzt werden. Welche Personenwerden sich in welchem Ausmaß einbringen und in der Ge-nossenschaft engagieren? Mit der Größe des Unternehmensund dem Ausmaß der Kooperation gewinnen derartige Frage-stellungen an Relevanz.

Für MVZ hat der Gesetzgeber einige organisatorischeAnforderungen formal festgelegt. Wie bereits erwähntmüssen alle Gründer in das System der gesetzlichen Kranken-versicherung eingebunden sein. Verlieren sie ihre Eigenschaftals Leistungserbringer, so ist dem MVZ nach sechs Monatendie Zulassung zu entziehen. Dieser Tatsache sollte insbesonde-re bei der Gestaltung der Satzung Rechnung getragen wer-den. Hinzu kommt, dass in jedem Fall ein ärztlicher Leiter be-stellt werden muss. Auch wenn ein nichtärztlicher Leistungs-erbringer (z. B. ein Apotheker oder ein Sanitätshaus) als

Gründer in Erscheinung tritt, ist die ärztliche Leitung des MVZsicherzustellen. Sofern neben Ärzten auch Zahnärzte am Ver-sorgungsgeschehen teilhaben, ist eine kooperative Leitungmöglich; nicht jede Fachgruppe muss einen eigenen ärztlichenLeiter bestimmen. Die mit der Position des ärztlichen Leitersverbundenen Rechte und Pflichten wurden vom Gesetzgebernicht näher definiert. Seine Funktion wird in der Literatur mitder eines ärztlichen Direktors verglichen.22 Sinnvoll ist es si-cherlich, wenn der ärztliche Leiter auch dem Vorstand derÄrztegenossenschaft angehört.

In Anbetracht ökonomischer Zielsetzungen ist in vielen re-gionalen Ärztegenossenschaften die Anstellung eines haupt-beruflichen kaufmännischen Geschäftsführers zu befürwor-ten. Zwar sind damit Kosten verbunden, mittel- und langfristigüberwiegen jedoch ab einer bestimmten Größe der Genossen-schaft die Vorteile einer „externen“ Geschäftsführung.23 Mitdem Tagesgeschäft gehen zahllose Managementaufgabenund bürokratische Anforderungen einher, die viel Zeit undKraft in Anspruch nehmen und einer professionellen Herange-hensweise bedürfen. Es müssen zum Beispiel Vertragsver-handlungen geführt und organisatorische Abläufe optimiertwerden. Besondere Bedeutung – gerade für MVZ – hat zudemdas Personalmanagement, denn Personalkosten stellen zu-meist den größten Kostenblock dar.

Die Delegation damit verbundener Aufgaben an einenkaufmännischen Leiter entlastet die genossenschaftlich koope-rierenden Ärzte. Er kümmert sich um etwaige vertragliche,steuerliche, arbeitsrechtliche oder juristische Auseinanderset-zungen, während sich die Mediziner verstärkt ihrer eigentli-chen Profession – der Heilkunde – widmen können.

Es empfiehlt sich, in regelmäßigen Abständen Gesprächeeinzuplanen, in denen Probleme beraten und zum Beispielneue Leistungsangebote oder Investitionen diskutiert werden.

Die Gründung einer ÄrztegenossenschaftKapitel 6

DGRV-Gründerfibel34

In vielen regionalen

Ärztegenossenschaften

ist die Anstellung eines

hauptberuflichen kauf-

männischen Geschäfts-

führers zu befürworten.

Kapitel 6

Ärztegenossenschaften 35

22 Vgl. Ries, H.-P./Schnieder, K.-H./Großbölting, R., u. a., 2007, S. 174.23 Vgl. hierzu Brenner, M., 2007.24 Nähere Informationen hierzu finden Sie auf der CD-ROM

„Genossenschaften Gründen“.25 Hanika, H., 2007, S. 248.

g) Die Investitions- und Finanzierungsplanung

Bei Gründung einer regionalen Ärztegenossenschaft müs-sen in der Regel auch Investitionen getätigt werden. Es ist da-her bereits im Vorfeld eine Investitionsplanung durchzu-führen und in den Geschäftsplan aufzunehmen. Auf dieseWeise kann der Kapitalbedarf der Genossenschaft ermitteltwerden, mit den Investitionen verbundene zukünftige Ab-schreibungen in der Plan-Gewinn-und-Verlust-Rechnung24 derGenossenschaft sind zu berücksichtigen. Auch bei der Investi-tions- und Finanzplanung steht der regionale Prüfungsver-band jungen genossenschaftlichen Unternehmen beratendzur Seite. Für die Investitionsplanung von entscheidender Be-deutung ist das von der Ärztegenossenschaft angestrebteLeistungsspektrum.

Damit zum Beispiel ein Praxisnetz Zukunftschancen wahr-nehmen kann, sind Investitionen notwendig. Soll etwa einProjekt im Bereich des Home-Care-Managements oder einVersorgungsprogramm (etwa im Bereich der Onkologie) um-gesetzt werden, kann dies nicht ohne eine sachgemäße Infra-struktur geschehen. Versorgungsmodelle müssen konzipiertund ausgearbeitet, Rechtsfragen geklärt und die Binnenstruk-tur organisiert werden. Es ist ein Betriebs-, Qualitäts- undLeistungsmanagement einzurichten und darüber hinaus derDatenschutz zu gewährleisten.25 Gleiches gilt, sofern inner-halb des Praxisnetzes ein gemeinsames Fortbildungszentrum,eine Notfallpraxis oder ein Callcenter geplant ist: Neben einerprofessionellen Herangehensweise ist die Bereitschaft zu er-

forderlichen Investitionen unumgänglich. Selbstverständlich istdies auch bei der Errichtung einer Apparate- oder Laborge-nossenschaft oder einer MVZ-eG der Fall.

Wird ein MVZ ins Leben gerufen, sind in der Regel mate-rielle Werte wie zum Beispiel Anlagegüter (medizinisch-tech-nische Einrichtungen, Praxisausstattung etc.) zu beschaffen.Darüber hinaus müssen häufig weitere Investitionen getätigtwerden. Zu erwähnen ist vor allem die eventuell notwendigeBeschaffung vertragsärztlicher Zulassungen, die mit dem Zu-kauf ganzer Praxen verbunden sein kann. Sofern bestehendePraxen der Leistungserbringer in das MVZ mit eingebracht wer-den, ist zunächst der entsprechende Praxiswert zu ermitteln.

Zugleich muss die Finanzierung durchdacht werden; Finanz-und Investitionsplanung sind aufeinander abzustimmen. Wasdas Eigenkapital des Gemeinschaftsunternehmens angeht,ist für die eingetragene Genossenschaft kein bestimmtes Min-destkapital vorgesehen. Den Gründern steht es daher frei, dieHöhe der Geschäftsanteile selbst in der Satzung festzulegen.Allerdings sollte bedacht werden, dass Finanzierungsproblemedie Hauptursache für das Scheitern von Unternehmensgrün-dungen sind. Die Höhe der Geschäftsanteile und damit des Ei-genkapitals darf daher nicht zu niedrig kalkuliert werden.

Neben der Finanzierung durch Eigenkapital stehen andereFinanzierungsinstrumente zur Verfügung: Die Gründerkönnen die Einbringung von Sacheinlagen, Beteiligungsfinan-zierungen (also „investierende Mitglieder“ aufnehmen), Bank-darlehen oder die Ausschöpfung öffentlicher Mittel in Erwä-gung ziehen.

Auch voraussichtliche Betriebseinnahmen müssen ver-anschlagt werden. Auf Grundlage des geplanten Gesund-heitsangebots muss ermittelt werden, wie hoch die Vergütungfür das definierte Leistungsspektrum ausfallen wird. Prinzipiellist zwischen Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit, privat-

Die Gründung einer ÄrztegenossenschaftKapitel 6

DGRV-Gründerfibel36

Finanz- und Investitions-

planung sind aufeinan-

der abzustimmen.

Kapitel 6

Ärztegenossenschaften 37

ärztlich erzielten Einnahmen und sonstigen Einnahmen (z.B.aus der Vermarktung von IGeL und integrierter Versorgung)zu differenzieren. Der ermittelten Summe sind Personal-,Raum-, Sach- und Finanzierungskosten sowie Steuern undsonstige Kosten gegenüberzustellen.

Die Investitions- und Finanzplanung betreffende Detailfra-gen können mit dem zuständigen Ansprechpartner des Ge-nossenschaftsverbandes erörtert werden. Daneben werdenGründer in allen Phasen des Gründungsprozesses durch denGenossenschaftsverband kompetent unterstützt. Ein Beratermit dem „Blick von außen“ kann potenzielle Konfliktherdeschnell identifizieren und hilfreiche, fachbezogene Hinweisegeben. Der Genossenschaftsverband leistet umfangreichenBeistand bei allen auftretenden Fragen – er begleitet die Grün-der bis zum Tag der Gründung und selbstverständlich nochdarüber hinaus während des laufenden Geschäftsbetriebes.

h) Der Tag der Gründung

Nun ist es so weit: Die eigentliche Gründung der regiona-len Ärztegenossenschaft steht an! Sie vollzieht sich im Rah-men der Gründungsversammlung, bei der der Geschäftsplanerläutert, die Satzung dargelegt und von den anwesendenGründungsmitgliedern unterzeichnet wird. Bei der Vorberei-tung und Durchführung der Gründungsversammlung bietetdie CD-ROM „Genossenschaften Gründen“ Hilfestellung, dasie wichtige Dokumente (Einladung zur Gründungsversamm-lung, Mitgliederliste etc.) zur Verfügung stellt. Im Anschlusserfolgen die registergerichtliche Gründungsprüfung sowie dieEintragung des Unternehmens in das Genossenschaftsregister.

Mit der Aufnahme des Geschäftsbetriebes und im Laufeder weiteren Geschäftstätigkeit kommen erneut wirtschaft-liche und rechtliche Fragestellungen auf das Ärzteteam zu.

Die Investitions- und

Finanzplanung betreffen-

de Detailfragen können

mit dem zuständigen

Ansprechpartner des

Genossenschaftsverban-

des erörtert werden.

Anmeldungen sind vorzunehmen, Geschäftsbriefe und Rech-nungen rechtlich einwandfrei zu gestalten, die Mitgliederver-waltung ist zu organisieren. Viele Aspekte müssen beachtetwerden. Im Mitgliederbereich der DGRV-Internetseite„www.dgrv.de“ werden in der Rubrik „GenoStarter“ vieleweitere nützliche Tipps für die Startphase gegeben.

Nun ist es auch an der Zeit, die vorab durchdachte Marke-tingstrategie in die Tat umzusetzen. Instrumente der Öffent-lichkeitsarbeit sollten genutzt werden, um den Bekanntheits-grad der Ärztegenossenschaft in der Region schnell zu erhö-hen. Unter Beachtung des ärztlichen Werberechts muss derBevölkerung das Leistungsspektrum der Genossenschaft nä-hergebracht werden. Es können Pressetexte herausgegeben,ein gemeinsamer Online-Auftritt gestaltet sowie Veranstaltun-gen und Aktionen (z. B. ein Tag der offenen Tür in der MVZ-eG) geplant werden. Eine Praxisnetz-eG kann Informations-material in den Praxen der Mitglieder nutzen, um auf sichaufmerksam zu machen. Auf diese Weise können sowohlPatienten als auch Krankenkassen als Vertragspartner ge-wonnen werden.

Die Gründung einer ÄrztegenossenschaftKapitel 6

DGRV-Gründerfibel38

Im Mitgliederbereich

der DGRV-Internetseite

„www.dgrv.de“ werden

in der Rubrik „Geno-

Starter“ viele weitere

nützliche Tipps für die

Startphase gegeben.

Kapitel 6

Ärztegenossenschaften 39

Das Info-Portal im Internet

Sie wollen mehr über die Gründung und die individuellen

Ausgestaltungsmöglichkeiten einer Genossenschaft erfah-

ren? Dann besuchen Sie unser Info-Portal im Internet auf

www.neuegenossenschaften.de.

Dort finden Sie aktuelle Gründungsbeispiele, innovative

Modelle und viel Wissenswertes zur Gründung einer Ge-

nossenschaft.

Ihren persönlichen Ansprechpartner in den Regionen kön-

nen Sie ebenfalls über diese Website kontaktieren. Die

Fachberater stehen Ihnen gerne für Ihr Gründungsvorha-

ben, aber auch für allgemeine Fragen zum Thema Genos-

senschaft zur Verfügung.

Die eG – ein flexibles Instrument in einem sich wandelnden Gesundheitsmarkt

Kapitel 7

DGRV-Gründerfibel

7. Die eG – ein flexibles Instrument in einemsich wandelnden Gesundheitsmarkt

Auch in Zukunft wird das ambulante Versorgungsgesche-hen von weiteren gravierenden Umwälzungen betroffen sein.Der medizinisch-technische Fortschritt, die demografische Ent-wicklung, die zunehmende Zahl älterer, multimorbider undchronisch kranker Personen, ein verändertes Gesundheitsbe-wusstsein in der Bevölkerung, der Wandel der Gesetzgebung:Aufgrund all dieser Faktoren wird es Ärzten nicht dauerhaftgelingen, am Status quo festzuhalten. Es gilt, die mit den be-schriebenen gesellschaftlichen Veränderungen verbundenenHerausforderungen zu erkennen und damit verbundeneChancen wahrzunehmen. Mittel- und langfristig könnten re-gionale Praxisnetze beispielsweise im Rahmen sogenannterCapitation-Modelle die Budget- und Steuerungsverantwor-tung für die Gesundheitsversorgung ganzer Regionen über-nehmen. Klare Strukturen und Prozesse – wie sie in eingetra-genen Genossenschaften geschaffen werden können – sind indiesem Zusammenhang eine wichtige Voraussetzung und so-mit von entscheidender Bedeutung.

Eingetragene Genossenschaften leisten bereits heute invielerlei Hinsicht einen positiven Beitrag zur Stärkung der öko-nomischen Fitness von Arztpraxen und MVZ. In einem äußerstdynamischen Umfeld stärkt die Rechtsform der eG als flexiblesInstrument die Autonomie und berufliche Zufriedenheit ihrerMitglieder. Ist die Gründung der eingetragenen Genossen-schaft vollzogen, so kann das einmal festgelegte Leistungs-spektrum des Gemeinschaftsunternehmens immer wieder aufden Prüfstand gestellt werden. Auf diese Weise ist es inner-halb einer Ärztegenossenschaft möglich, neue Trends im Ge-sundheitswesen und Entwicklungen innerhalb der Regionschnell aufzugreifen. Der Unternehmensgegenstand der Ge-

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Kapitel 7

Ärztegenossenschaften

nossenschaft kann insofern immer wieder innovativ an dieAnforderungen der Zukunft angepasst werden. EingetrageneGenossenschaften und die in ihnen organisierten Mitgliederleisten damit einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung derärztlichen Versorgung in den Regionen.

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DGRV-Gründerfibel

Literaturverzeichnis

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Ärztegenossenschaften

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