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Diamorphingestützte Behandlung Die Droge als Selbstmedikation Dr. Thomas Peschel Berlin, 12.Februar 2014

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Page 1: Diamorphingestützte Behandlung – Die Droge als Selbstmedikation Dr. Thomas Peschel Berlin, 12.Februar 2014

Diamorphingestützte Behandlung – Die Droge als Selbstmedikation

Dr. Thomas PeschelBerlin, 12.Februar 2014

Page 2: Diamorphingestützte Behandlung – Die Droge als Selbstmedikation Dr. Thomas Peschel Berlin, 12.Februar 2014

Therapie der Opiatabhängigkeit?

- Standard: „weg vom Heroin!“- Jetzt: „Behandlung mit Heroin!“

-> Diamorphingestützte Behandlung

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Wissenschaftliche Evidenz

• in den letzten 15 Jahren 6 RCTs• mit mehr als 1500 Patienten• hochrangig publiziert• sechs verschiedenen Länder

Perneger et al. 1998, BMJVan den Brink et al. 2003, BMJMarch et al. 2006, J Subst Abuse TreatHaasen et al. 2007, Br J PsychiatryOviedo Joekes et al. 2009, NEJMStrang et al. 2010, Lancet

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Hauptergebnisse

• drastische Verringerung „Straßenheroin“• drastischer Rückgang Beschaffungskriminalität• deutlicher Rückgang Beikonsum• somatische und psychische Stabilisierung• soziale Verbesserung• verbesserte Lebensqualität• großer volksökonomischer Vorteil

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Hamburg (83)

Hannover (60)

Köln (55)

Bonn (50)

Frankfurt (110)

Karlsruhe (25)

München (25)

Berlin ()

Stuttgart (2014)

(Stand Februar 2014)

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Erfahrungen Berlin „broken home“ Sozialisation Szenevergangenheit Haftstrafen z.T. 10-20 Jahre keine Tagesstrukturierung außer

Beschaffung mangelnde Selbstfürsorge starke Vereinzelung („auf der Szene gibt es keine

Freunde“), Persönlichkeitsstörungen somatische Erkrankungen Vermeidung des Kontaktes zu Hilfesystem Entwicklungstrauma, PTSD (Symptome!!)

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Funktionalität Diamorphin Beruhigung, Sedierung, Reduktion psychischer

Spannung Vermitteln Gefühl von Geborgenheit, Halt, Schutz,

Vertrauen

Reduktion von Beigebrauchkeine Selbstverletzungen mehrmehr LebensqualitätWirkung wie Medikament auf TraumasymptomeKeine Toleranzentwicklung bei kontrollierter Abgabe

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Beikonsum

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Umgang mit Beikonsum – unsere Erfahrungen

• Beikonsum von Alkohol, Benzodiazepinen oder Kokain ist die Regel, nicht die Ausnahme. Zu beachten ist, dass der Beikonsum kaum je wahllos geschieht

• Patienten aufgrund des Beikonsums von einer Behandlung auszuschliessen, wird immer mehr obsolet (vgl. auch Paradigmen-Wechsel bei Suchtpatienten bei Psychotherapie, HCV-Therapie, etc.)

• Die Opioid-Substitution aufgrund des Beikonsums zu reduzieren, kann einen Teufelskreis mit noch mehr Beikonsum in Gang setzen. Cave: Hauptgefahr bei Kombination rasch anflutender und atemdepressiver Substanzen

• Substitution der Beikonsum-Substanzen muss evaluiert werden (z.B. langwirksame Benzodiazepine)

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Psychiatrisch-psychotherapeutische Perspektive

• hoher Anteil an psychischer Komorbidität• Anteil an Persönlichkeitsstörungen hoch• Konsequenzen für multidisziplinäres Team• psychiatrische Komorbidität mitbehandeln,

dafür ist Setting gut geeignet, hohe Kontaktzeiten, hohe Haltequote

• Jahrelange Behandlung, Umprägung möglich• Supervision

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Sozialpsychiatrisches Behandlungskonzept

Ambulanzziel: Behandlung und Rehabilitation von schwer Opiatabhängigen

•somatisch, sozial, seelisch, psychiatrisch/psychotherapeutisch•Wiederentwicklung von sozialen Fähigkeiten und Selbstfürsorgestrategien, „auf-sich-acht-geben“•Soziotherapie (niedrigschwellig und freiwillig):

– Spielegruppe – Musikgruppe– Tischtennis– Lauftreff– Psychoedukation– Ergotherapie

•Bezugspflege: Begleitung zu Terminen (Arzt/Arge etc.)•Ärzte: u.a. Begleitung zu Gericht, Gutachten, PT (v.a. Gruppen), Teamsupervision

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Aufnahmevoraussetzungen (BtMVV)

• seit mindestens fünf Jahren bestehende schwere Opiatabhängigkeit, verbunden mit

• schwerwiegenden somatischen und psychischen Störungen

• bei derzeit überwiegend intravenösem Konsum• Nachweis über zwei erfolglos beendete Behandlungen

der Opiatabhängigkeit, davon • mindestens sechsmonatige Substitutionsbehandlung • einschließlich psychosozialer Betreuungsmaßnahmen • mindestens 23 Jahre alt

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Applikationsformen

• intravenös• intramuskulär• (oral)

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Gesetzliche Vorgaben

• drei Räume• 12 h durchgehend Öffnungszeit• 3 Fachärzte (vor kurzem abgeschwächt)• Alkoholtestung vor jeder Vergabe• 30 min Nachbeobachtungszeit

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Sicherheit

• keine Distribution aus den Ambulanzen durch die Patienten entdeckt

• keine schweren Nebenwirkungen oder Komplikationen durch die Behandlung

• geringe Mortalität (um 1%)• weniger Risikoverhalten• Notfälle (1:6000 Injektionen)

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Was sagen die Patienten?

• 50 % Substanz• 50 % Setting• Existentielle Perspektive:– Sicherheit - Entängstigung– Beziehung - Geborgenheit– Individualität – Beachtung, Wertschätzung,

Gerechtigkeit

• stellt hohe Anforderungen an Ambulanz-Team

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Behandlungsverlauf

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Zukunft und Herausforderungen

• Diversifizierte Behandlung (DAM-Tabletten, Morphin ret.)

• Kontrollierte Benzodiazepinvergabe? • Berücksichtigung der Altersentwicklung (inkl. der

damit verbundenen somatischen Erkrankungen)• Forschung: welcher Patient für welche Therapie?• Soziotherapeutische Elemente hilfreich• Psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung

ausbauen (Patienten unter Therapie behandelbar)