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Didaktische Grundlagen der Arbeit von ElementarpdagogInnen
Gisela Koeppel
GefrdertdurchdieRobertBoschStiftung
HerausgegebenvonUrsulaCarle
undGiselaKoeppel
Handreichungen zum Berufseinstieg von Elementar- und KindheitspdagogInnen Heft B04
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Didaktische Grundlagen der Arbeit von ElementarpdagogInnen Gisela Koeppel
HandreichungenzumBerufseinstiegvonElementarundKindheitspdagogInnen
Impressum
Herausgegebenvon
UrsulaCarle
und
GiselaKoeppel
Text
GiselaKoeppel
Layout
BirteMeyerWlfing
FotoTitelbild
Photocase
EntstandenimRahmendesProgramms
PiKProfisinKitasderRobertBoschStiftung
Bremen,Januar2012
GiselaKoeppelist Diplom Sozialpdagogin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich 12: Bildungs und Erziehungswissenschaften, Arbeitsgebiet Elementar undGrundschulpdagogikderUniversi
tt Bremen. Im PiK II Projekt Profis in Kitas der RobertBosch Stiftung an der Universitt Bremen war sie an derEntwicklung der Berufseinstiegsphase fr BAAbsolventInnen im Elementarbereich beteiligt. AuerdemengagiertsiesichbeiderQualifizierungvonPraxismentorInnen frStudierendedesBAStudiengangsBildungsundErziehungswissenschaften.SeitvielenJahrenistsieinderAusund Fortbildung von ErzieherInnen und ElementarpdagogInnenttig.
Fachbereich12:BildungsundErziehungswissenschaftenArbeitsgebietElementarundGrundschulpdagogikBibliothekstrae128359Bremenkoeppel@unibremen.de+39(0421)21869229koeppel@unibremen.dewww.grundschulpaedagogik.unibremen.de/personen/koeppel.html
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Didaktische Grundlagen der Arbeit von ElementarpdagogInnen
Gisela Koeppel
I. DieBedeutungelementardidaktischerGrundlagenfrdieknftigeberuflicheTtigkeitundfrdieBerufseinstiegsphase
II. AktuelleelementardidaktischeEntwicklungeninderBRD
III. KinderinihrenBildungsundLernprozessenbegleiten
IV. GestaltungderLernumgebungundLernarrangements
V. BeobachtungundDokumentation
VI. DidaktischeArrangementsamBeispielProjektarbeit
VII. ReflexionundAuswertungvonBildungs,LernundEntwicklungsprozessen
Literatur
I. DieBedeutungelementardidaktischerGrundlagenfrdieberuflicheTtigkeitundfrdieBerufseinstiegsphase
In der berwiegenden Zahl der Kindertageseinrichtungen inderBRDrichtetsichdiekonkretepdagogischeArbeitaneinertraditionellen Gestaltung des Tages aus, orientiert anden JahreszeitenunddenchristlichenFesten.Die Tagesstruktur ist gekennzeichnet durcheinenWechsel von Phasenmit freien undangeleiteten Ttigkeiten, unabhngig vomKonzeptdesKindergartensund seinerBevorzugungvonElementenverschiedenerpdagogischerKonzepte. So ist z.B. zubeobachten,dass sich die Angebote in Kindergrten, dienach dem Offenen Konzept arbeiten, auchwennsienuninFunktionsrumenstattfinden
NichtsistpraktischeralseineguteTheorie1KurtLewin
(undnichtmehrimGruppenraum),wenigvondenvonErzieherInnenausgewhlten traditionell angeleiteten Ttigkeiten unterscheidenunddassdieWahlfreiheitderKinder ausKapazittsgrnden sehr oft eingeschrnkt undauch die Teilnahmemehr oderweniger verpflichtendist.SelbstdieimJahresablaufstattfindenden Projekte folgen eher selten denFragenderKinder,meistwerdendieThemenausgewhlt,diedieErzieherInnen frwichtigerachten.GleichzeitigistjedocheineZunahmeanAktivitten zubeobachten,diedieBeteiligung von Kindern nach der Kinderrechtskonvention der UN unter partizipatorischen Gesichtspunkten ermglichen sollen, KinderkonferenzundKinderversammlunghaltensoEinzugindenKindergarten. Ausgehend von Vorstellungen desWesens des Kindes wurden seit Frbel ver
1ImOriginallautetderLewinSatz:"Thereisnothingaspracticalasagoodtheory."In:Lewin1951,p.169
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schiedenepdagogischeKonzepte,z.T.unterdemEinflussderreformpdagogischenBewegungimSchulbereichundunterschiedlichedidaktischeArrangementsentwickelt.AlleKonzeptebeinhaltendieAufforderungzurSelbstttigkeit, den Entwurf kindlicher Selbstbestimmtheit (Jung 2009, S. 16), um kindlicheBildungsprozesse zu ermglichen und zu begleiten.Ab den 1970 Jahren haben das Konzept des Sozialen Lernens (LobergSchrader/Krug/Pelzer 1991) und der Situationsansatz (Zimmer 1985 und 2000; BeckerStoll/Nagel2002;Krenz2002)sowiedasKonzeptdesOffenenKindergartens (Regel/Khne2007; Beek/Buck/Rufenach 2001) die Entwicklung des sozialen und zwischenmenschlichenVerstehens (Edelstein/Habermas 1984)indenVordergrundderpdagogischenArbeitimKindergartengestellt.
InderpdagogischenPraxiswerdenhufig einzelne didaktische Elemente der unterschiedlichen Konzepte der Frhpdagogik (z.B.derWaldorfPdagogik,derPdagogikvonMariaMontessori,derFreinetPdagogikundinsbesondere der ReggioPdagogik) miteinander vermischt. Insbesondere das Konzeptdes Offenen Kindergartens nach Regel undWieland hat die Struktur der pdagogischenArbeit inKindertageseinrichtungennachhaltigverndert,inzwischenhabenca.8%allerKitasund auch im Krippenbereich Gruppenrumezu Funktionsrumen umgewandelt und dieKinder knnenalleRumeundgruppenbergreifende Angebote im ganzen Haus wahrnehmen (sieheRegel/Khne2007).AllerdingsistdieWirksamkeitdesKonzeptsbishernochwenig oder gar nicht erforscht (siehe hierzuHonigu.a.2004;Jung2009).
BereitsvordemPISASchockwurdedurchdie neuen Erkenntnisse der Suglingsforschung, der Neurowissenschaften und desKonstruktivismus der Blick auf die Bildungsprozesse inderfrhenKindheiterweitert.DiefrheKindheitwurdesoalsbedeutsamsteBildungs und Lernzeit aufgewertet. Die inzwischen in allen Bundeslndern vorhandenenBildungsplnestellendieBildungsprozessederKinder indenMittelpunktderpdagogischenArbeit, doch es fehlt nicht zuletzt einewissenschaftlichfundierteausgearbeiteteKindergartendidaktik, aus der sich ableiten liee,welche didaktische Kompetenz ErzieherInnenfr die Bildungsarbeit im Kindergarten brau
chen (Fried 2008, S. 141). Denn damit Bildungsangebote die Auseinandersetzung desKindesmitsichundmitderWelt (Weltaneignung)ermglichen,herausfordernundbegleiten knnen, reicht das bisherige didaktischeHandwerkszeugderpdagogischenFachkrftenicht aus. Es bedarf dezidierter didaktischerKompetenzen, die den vernderten didaktischenundfachdidaktischenAnforderungenandie professionelle Fachkraft in den BildungsbereichenRechnung tragen.Die impdagogischen Alltag steckenden Bildungsmglichkeiten erfordern einen neuen Blick auf die Bedeutung des Spiels und eine andereGewichtung und Gestaltung des Tagesablaufs (vgl.Baustein 4.2.1). Es sind auf der allgemeinenDidaktikaufbauenddidaktischeKonzepteundMethoden fr die Arbeitmit Kindern in Kindertageseinrichtungen zu entwickeln, die dieentwicklungspsychologischen Besonderheitender Altersgruppemit einem sozialkonstruktivistischenBildungsverstndnis verbinden unddie Aufgaben der PdagogInnen neu bestimmen.
Internationale/europische ErfahrungenderElementarpdagogikzeigen,dass freineBildungsdidaktikder frhen Kindheit, zurGestaltungvonBildungsundLerngelegenheitenu. a. die Theorien von Montessori, Piaget,Bruner,Wygotski herangezogenwerden. InsbesondereWygotskissozialkulturelleTheorie,diedenAnteildesErwachsenenbeiLernundEntwicklungsprozessen von Kindern hervorhebt, spielt inallenKonzepteneinewesentliche Rolle.Diese bildet dieGrundlage fr diedidaktischen Anforderungen an die ElementarpdagogInnen. Aber auch die langjhrigenErfahrungen der ReggioPdagogik sind VorbildfrdidaktischeHandlungskonzepteimeuropischenRaum.
In England stellen die empirischen Forschungsergebnisse der LngsschnittstudieEPPEdenAusgangspunkt freineBildungsdidaktik dar. Nachgewiesen ist, dass zwischender Qualitt der frhpdagogischen Einrichtung und der kognitiven Entwicklung sowieden Fhigkeiten der Kinder im Bereich derSprache und frhermathematischer Kompetenzen ein wesentlicher Zusammenhang besteht.AusdiesenForschungsergebnissenwurdedanndasProgrammSST(SustainedSharedThinking)entwickelt,dasdenBlickaufdie Interaktionsprozesse zwischen PdagogInnen
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undKindernrichtetundaufdieArt,wieLernprozesseherausgefordertwerden.
Wie Knig (2010) darstelltwirdmit diesem Konzept (SST) ein ganzheitlicher AnsatzdurchdieGestaltungderLernumweltverfolgt.NebenderhohenAusbildungsqualittderPdagogInnen spielen folgende Kriterien dabeieineentscheidendeRolle:eineentspanntesozialemotionale Atmosphre, die Ausrichtungder Lernarrangements sowohl an den Bildungsbereichen, an der sozialen EntwicklungsowiederInteraktionzwischenPdagogInundKind/Kindern. Verwiesen wird u. a. auf denpositivenZusammenhang zwischenden Lernprozessen der Kinder und den Problemlsungsprozessen, dem Klren von SituationenunddemAusdenkenvonGeschichten.OffeneFrageformen,diedasDenkenderKinderherausfordern,untersttzendenLernprozesswesentlich.
NebenderniederlndischenPyramideMethodevonvanKuyk(siehevanKuyk2005a,2005b) richtetdie in Schweden vonPramlingSamuelsson (2010) entwickelte EntwicklungspdagogikdenBlickaufeinenganzheitlichen, integrativen Ansatz, bei dem Spielenund Lernen keine Gegenstze sind, sonderndem ganzheitlichen Lernen der Kinder entspricht. Pramling Samuelsson spricht von einemparadigmatischenWechsel,derSpielundLernenmiteinander verknpft,da esbeidenzentralen Merkmalen von Spiel und Lernenmehr bereinstimmungen als Unterschiedegibt, denn bei beidemwird eine BeziehunghergestelltzwischenderPersonunddenDingen der Umwelt. Sowohl Lernverhalten alsauch Spielverhaltengrnden sichauf Freude,Freiheit, Spontanitt, dem Streben nachVerstndnisundSinndurchKooperationundaktiveBeteiligungineinemlebenslangenLernprozess(PramlingSamuelsson,2010,S.167).DieErfahrungen der Kinder im alltglichen Zusammenleben stehen dabei im Mittelpunkt.Jede Erfahrung verndert die Art undWeisedesDenkens und Erlebens, wenn die Erfahrungsgrundlagesichndert,lerntundempfindet man andere Dinge (ebenda). Spielendlernendmeint,dassdieProzesseLernenundSpiel nicht getrennt werden drfen, da siezentral fr die Entwickl