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72. JahrgangApril 2020
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AUTORENABDRUCK
EditorialDie Nerven behalten
Liebe Leserinnen und Leser,
der Schwerpunkt dieser Ausgabe ist „Nervenkitzel“ und ich finde das sehr passend – in vielerlei Hinsicht. Nervenkitzel beschreibt laut Duden die [mit angenehmen Gefühlen verbundene] Erregung der Nerven durch die Gefährlichkeit, Spannung einer Situation.
Für jede Menge (An)Spannung hat kürzlich die Verschiebung des FIBOTermins gesorgt.
Die FIBO hätte ja eigentlich im April stattfinden sollen, und wir von der Redaktion haben uns natürlich
dahingehend vorbereitet. Umso erleichterter sind wir jetzt, dass sie nicht ausfällt, sondern auf den 1. bis 4. Oktober verschoben wird. Ich freue mich darauf, dieses Jahr dabei sein zu dürfen.
Meine „Erstvorstellung“ bei den pt HOLIdays in Hamburg verlief großartig. Ich durfte viele unserer Autoren persönlich treffen, einige unserer Experten interviewen und habe auch mit dem ein oder anderen von Ihnen an unserem Stand gesprochen. Ich bin sozusagen hineingewachsen in den PflaumKosmos und habe schon einige Wurzeln geschlagen.
Sie sehen also, seit meinem Start beim Pflaum Verlag habe ich schon so manchen Nervenkitzel erlebt. Im Mai ist bereits ein Jahr fast wie im Flug vergangen, wie das so ist, wenn man eine gute Zeit verbringt.
Bisher habe ich also schon zehn Monate voller positiver Erfahrungen und wertvoller Momente hier in der Redaktion und auf dem Außeneinsatz verlebt. Eine dieser Erfahrungen beziehungsweise Momente finden Sie in dieser Ausgabe unter der Rubrik Leserbriefe wieder. Uns in der Redaktion hat diese positive Rückmeldung sehr gefreut. Genau deswegen machen wir unseren Job gerne und stecken viel Herzblut und ja, manchmal auch Schweiß, in jede einzelne Ausgabe. Daher freuen wir uns natürlich umso mehr, wenn das auch wahrgenommen wird.
Wir werden unser Bestes geben, um Ihnen auch in Zukunft Nervenkitzel durch unsere spannenden Inhalte zu verschaffen.
Mit herzlichen Grüßen aus der Redaktion,
Dr. Julia Röder, pt[email protected]
ptptZeitschrift für Physiotherapeuten April 2020
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der pt auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichwohl für alle Geschlechter.
AUTORENABDRUCK
POLITIKDie Versorgung auch in Zukunft sichernMarietta Handgraaf, Christina Groll et al. 13
Ein Jubel auf die Schulgeldfreiheit?Sergej Borkenhagen 20
DIALOGptFacebookHighlights 04Leserbrief und Erratum 06Unter uns 08
NACHRICHTEN & MENSCHENÜber den Tellerrand 10
… und wieder locker lassen! 12
INHALT
SCHWERPUNKT Nervenkitzel
THERAPIEAUS DER EXTREMANFORDERUNGIRONMAN IN DEN THERAPIEALLTAGMarius Brandt 22
Der EimertestStefan Schädler 32
Bionicman – Flieg mit mir in eine enthinderte ZukunftNina Rohrbach 36
Physiotherapie bei ExtremverletzungenAndreas Alt und Nicole Bartkowski 40
Amyotrophe Lateralsklerose Hans und Sabine Lamprecht 44
PT bei Amyotropher LateralskleroseIm Gespräch mit André Maier 50
Hirnnervenbeteiligung beim Guillain- Barré-SyndromJanine Walther und Stefan Schädler 55
Der Muskelkater Florian Münch 60
Eingabe Kolumnentitel:
Rubrikenname
Foto: Michele Paccione F shuttersto
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ptptZeitschrift für Physiotherapeuten April 2020
AUTORENABDRUCK
SERVICEMesseSpezial (FIBO) 64Medien 86Termine 87Autorenhinweise 88Inserentenverzeichnis 89GAnzeigenFKurse 91Vorschau 96Impressum 96
LEHREKomplexe therapeutische Situationen erfassenMeike Schwinger 82
FORSCHUNG & EVIDENZCochrane-Update 4 2020 66
Evidenz-Update 4 2020 70
ptptZeitschrift für Physiotherapeuten April 2020 3
AUTORENABDRUCK
HIRNMASSAGEUNSERE SCHWERPUNKTE 2020
JANUAR Gehirn im Blick
FEBRUARStabil
und mobil
MÄRZKreisLauf
APRILNerven-
kitzel MAIHände weg
JUNIReturn to ...
JULITherapie 4.0?
AUGUSTChaos
im Körper
OKTOBERAlles im Griff
NOVEMBERReibungslos
DEZEMBERRunter fahren
SEPTEMBERLebens-etappen
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EHirnnervenbeteiligung beim Guillain-Barré-Syndrom
Physiotherapeutische Therapieansätze
Für Eilige
Als Auslöser für ein GuillainBarréSyndrom werden vorangegangene
Infektionen diskutiert, die dann zur Polyradikuloneuritis führen. Vor
wiegend ist das periphere Nervensystem betroffen. In gewissen Verläufen ist auch
die Entzündung der Hirnnerven möglich, meist bilateral. Die ent
sprechende Physiotherapie erfolgt dann gezielt für den
betroffenen Nerv.
Was ist das Guillain-Barré-Syndrom?Die idiopathische Polyradikuloneuritis mit dem Namen GuillainBarréSyndrom (GBS) ist eine akute, entzündliche Autoimmunerkrankung des peripheren Nervensystems. Das GBS wird in zwei Hauptgruppen unterteilt: in die Akute Inflammatorische Demyelinisierende Polyneuropathie (AIDP) und in die Chronisch Inflammatorisch Demyelinisierende Polyradikulopathie (CIDP). Es gibt jedoch zahlreiche verschiedene Verlaufsformen. Weltweit gibt es jährlich ein bis zwei Neuerkrankungen auf 100.000 Einwohner in allen Alters kategorien (1).
Symptome und Verlauf
Innerhalb von Stunden bis maximal vier Wochen treten von distal aufsteigende, symmetrische Paresen der Füße, allenfalls auch der Hände, später der Becken, Rumpf und Atemmuskulatur auf. Droht
Das Guillain-Barré-Syndrom kann innerhalb von Tagen zur kompletten Lähmung mit notwendiger intensivmedizinischer Versorgung führen. Es handelt sich um eine entzündliche Autoimmunerkrankung,
die zu aufsteigenden Paresen führt. Nach der erfolgreichen Behandlung leiden etwa zwei Drittel der Patienten unter den Folgen und benötigen weiterhin Therapie.
Ein Be i t rag von Jan ine Wal ther und Stefan Schädler
Therapie
die Lähmung der Atemmuskulatur, wird eine Intubation auf der Intensivstation unumgänglich. Nicht selten wird das GBS begleitet durch Hirnnervenausfälle, am häufigsten betroffen sind die Hirnnerven VII, IX, X (2). In der Akutphase werden zur Behandlung Immunglobuline oder die Plasmapherese eingesetzt. Dies sollte das weitere Voranschreiten der Lähmungen stoppen, welche sich dann innerhalb von Wochen und Monaten langsam wieder zurückbilden. Etwa ein Drittel der Erkrankten wird wieder ganz gesund. Die restlichen zwei Drittel leiden auch noch nach Jahren an den Folgen, wie zum Beispiel Fußheberschwäche, Myalgien, Neuralgien, Muskelatrophien, Parästhesien sowie vegetativen Störungen (1).
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Hirnnerv Funktion/Innervation Faserart
I N. olfactorius RiechenSensorisch
Spezifisch viszeralafferent
II N. opticus Sehen Spezifisch somatischafferent
III N. oculomotorius
M. rectus supirior, inferior, medialis, M. obliquus inferior, M. levator palpebrae
M. sphincter pupillae, M. ciliaris
Propriozeption
a) Somatischefferent
b) Viszeralefferent (parasympathisch)
c) Somatischafferent
IV N. trochlearisM. obliquus superior
Propriozeption
a) Somatischefferent
b) Somatischafferent
V N. trigeminus
Sensibilität in Gesicht, Nase und Mundhöhle
Kaumuskulatur
Propriozeption
a) Somatischafferent
b) Brachiogenefferent
c) Somatischafferent
VI N. abducens M. rectus lateralis Somatischefferent
VII N. facialis
Mimische Gesichtsmuskeln, Platysma, M. stylohyoideus, M. digastricus
Nasen und Tränendrüsen und Speichelsekretion, Glandula sublinguali und submandibularis
Geschmack, vordere 2F3 der Zunge
Äusseres Ohr, Teile des Gehörgangs, äussere Fläche der Membrana tympani (sensibel)
a) Brachiogenefferent
b) Viszeralefferent
c) Spezifisch viszeralafferent
d) Somatischafferent
VIII N. vestibulocochlearisGleichgewicht, Cristae des Canalis semilunaris, Macula utriculi et sacculi, Gehör, CortiOrgan
Spezifisch somatischafferent
IX N. glossopharyngeus
M. stylopharyngeus, Pharynxmuskeln
Speichelsekretion, Glandula parotis
Geschmack (hinteres Drittel der Zunge)
Sensibel: hinteres Drittel der Zunge und Pharynx (Würgreflex)
Mittelohr, Tuba Eustachii (sensibel)
a) Brachiogenefferent
b) Viszeralefferent (parasympathisch)
c) Spezifisch viszeralafferent
d) Viszeralafferent
e) Somatischafferent
X N. vagus
Pharyns und Larynxmuskulatur
Eingeweide von Brust und Bauchraum (parasympathisch)
Bauchraum (sensibel)
Geschmack: Epiglottis
Gehörgang: Dura (sensibel)
a) Brachiogenefferent
b) Viszeralefferent
c) Viszeralafferent
d) Spezifisch viszeralafferent
e) Somatischafferent
XI N. accessoriusPharynx und Larynxmuskulatur
M. sternocleidomastoideus, M. trapezius
a) Brachiogenefferent
b) Somatischefferent
XII N. hypoglossus Zungenmuskulatur Somatischefferent
Tab. 1 Hirnnerven und ihre Funktionen (13)
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Ursachen
Vermutlich wird das GBS durch eine vorangegangene Infektion ausgelöst. Am häufigsten wurde der Erreger Campylobacter jejuni beobachtet, gefolgt von Infekten durch das Cytomegalo oder Herpesvirus. Durch eine Autoimmunreaktion greift das körpereigene Immunsystem die Myelinscheide oder das Neuron der Nerven in der Peripherie an.
Die Diagnose wird klinisch gestellt. Charakterisiert wird die Krankheit durch motorische Schwäche, Sensibilitätsstörungen und einer Abschwächung der Reflexe. Aber auch Fälle mit Hyperreflexie wurden in Studien schon beschrieben (3). Im Liquor findet sich nach einigen Tagen ein Anstieg der Proteine und in der elektrophysiologischen Untersuchung zeigt sich eine Verminderung der Nervenleitgeschwindigkeit (1).
HirnnervenbeteiligungBeim GBS können verschiedene Hirnnerven (Tab. 1) betroffen sein. Fälle mit mehreren Hirnnervenbeteiligungen wurden bereits im Jahr 1937 (4) und 1938 (5) beschrieben, die sich als eine Form vom Guillain BarréSyndrom zeigten. Im französischen Sprachraum wurden früher vier Subtypen des GuillainBarréSyndroms beschrieben, wovon der Subtyp 3 (la forme mésocépalique pure) auf die Hirnnerven beschränkt bleibt (2). Im englischsprachigen Raum wurde die Hirnnervenbeteiligung lange Zeit nicht genannt. In ihrer Übersichtsarbeit beschreiben Munsat und Barnes 1965 (2) den Zusammenhang von Hirnnervenbeteiligung mit dem GBS anhand von vier Fällen. Dabei seien meist
die Hirnnerven VII, IX und X betroffen. Das Defizit sei üblicherweise bilateral und symmetrisch. In den genannten Fällen wurden vorwiegend Paresen der Augenmuskeln beschrieben.
Nebst anderen Ursachen kann beim GBS eine bilaterale Fazialisparese auftreten (6). Einige Fälle mit bilateraler Fazialisparese und Parästhesien in beiden Beinen wurden beschrieben (7–9). Diese profitierten von einer ImmunglobulinTherapie, nicht jedoch von Kortikosteroiden (7). In einem anderen Fallbericht mit einseitiger Fazialisparese wurde in der elektrophysiologischen Untersuchung eine beidseitige Demyelinisierung gefunden (10), später entwickelte sich eine Dysphagie. Asbury und Cornblath (11) empfehlen dringend, dass die Hirnnerven in die Diagnostik von GBS integriert werden. Den Autoren zufolge ist in 50 Prozent der GBSFällen eine Schwäche des N. fazialis zu beobachten, häufig bilateral. Konkrete Referenzen werden jedoch nicht genannt.
Auch andere Hirnnerven seien involviert, insbesondere Zunge und Geschmack, manchmal auch die Augennerven. Gelegentlich beginnt die Neuropathie bei den okulomotorischen Nerven oder anderen Hirnnerven. Vor allem in den paranodalen Regionen der extramedullären Anteile der drei okulomotorischen Hirnnerven wurden Serum antiGQ1b Epitope gefunden (12).
BehandlungBei einigen Hirnnerven sind spezifische physiotherapeutische Massnahmen bekannt, nachfolgend sind Beispiele aufgeführt.
❐ Neben dem peripheren Nervensystem können beim GBS auch die Hirnnerven betroffen sein.
Fallbeispiel 1
Frau P. ist eine 44jährige, sportliche Hausfrau und Mutter von zwei Kindern. Eines Abends verspürte sie ein Kribbeln in beiden Füssen und entdeckte einen Ausschlag, der sich über den ganzen Körper ausbreitete. In den folgenden drei Tagen dehnte sich das Kribbeln proximal weiter aus, zudem nahm die Kraft in den Beinen nach und nach ab. Nach fünf Tagen konnte Frau P. nicht mehr gehen und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Die Lähmungen breiteten sich im Körper weiter aus. Acht Tage nach den Erstsymptomen wurde sie auf die Intensivpflegestation (IPS) verlegt, wo sie weitere zwei Tage später beatmet wurde, da die Lähmung das Diaphragma erreicht hatte. Nochmals zwei Tage später war sie komplett gelähmt. Eine selbstständige Ernährung, Atmung und Kommunikation waren nicht mehr möglich.
Frau P. erhielt die Diagnose GuillainBarréSyndrom und wurde mit Immunglobulinen behandelt. Zwei Wochen lag sie paralysiert auf der IPS, bis sich die Lähmungen langsam zurückzubildeten. Nun erfolgte die Verlegung von Frau P. in eine Rehabilitationsklinik, wo sie intensiv Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie erhielt.
Das Schliessen der Augen war zwei Monate nach Krankheitsbeginn wieder möglich. Die Ansteuerung des N. facialis nach sechs Monaten. Weitere sechs Monate dauerte es, bis die Kraft in der mimischen Muskulatur wieder richtig zurückgekehrt war. Nach und nach erholte sich auch der Rest des Körpers, jedoch nicht vollständig: Restsymptome wie Parästhesien, Myasthenien, Muskelkrämpfe und zuckungen, schlechte Thermosensibilität sowie ein Fatiguesyndrom sind bis heute geblieben.
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Lesen Sie auch …Schädler, S. 2019. Augenblick mal. Optokinetisches Training bei Schwindel. Z. f. Physiotherapeuten 71, 5:51–5
Schädler, S. 2019. Test der langsamen Blickfolge. Z. f. Physiotherapeuten 71, 2:28–30
Schädler, S. 2019. Schwindel untersuchen. Testung des optokinetischen Reflexes. Z. f. Physio-therapeuten 71, 4:32–4
Fazialisparese
Im Vordergrund einer unilateralen Fazialisparese steht die Entspannung der besseren Gesichtshälfte und Bewegungsanbahnung der betroffenen Seite. Die Aktivierung der einzelnen Gesichtsmuskeln sollte mit möglichst wenig Erregung der besseren Seite erfolgen. Bei bilateralen Fazialisparesen werden die paretischen Muskeln stimuliert und fazilitiert. Ein regelmässiges Heimprogramm ist in beiden Fällen unumgänglich. Bei wiederkehrenden Funktionen sollten die betroffenen Muskeln auch gegen Widerstand trainiert und gekräftigt werden, um eine endgültige Symmetrie und Funktion zu erreichen.
Okulomotorik
Bei einer Abduzensparese werden vor allem Bewegungen des betroffenen Auges in die Richtung des gelähmten Muskels, also nach lateral trainiert. Dies erfolgt mit langsamer Blickfolge oder gehaltenen (isometrischen) Bewegungen. Die anderen Augenmuskeln können manuell behandelt beziehungsweise detonisiert werden, um die Aktivität des M. lateralis zu unterstützen. Auch die optokinetische Stimulation (siehe Lesetipp) kann eingesetzt werden. Ist der N. oculomotorius betroffen, werden die verschiedenen Augenfunktionen und bewegungen getestet (langsame Folgebewegungen, Sakkaden, Optokinetik) und entsprechend der Befunde trainiert (14). Schwieriger gestaltet sich die Behandlung bei einer Parese des N. trochlearis. Hier bestehen erste Behandlungserfahrungen. Später werden zunehmend schnellere und komplexere Bewegungen trainiert. Dies kann auch mit Kopfbewegungen oder erschwerten Gleichgewichtsbedingungen trainiert werden.
Nervus vestibularis
Im Vordergrund steht die vestibuläre Rehabilitation zur zentralen Kompensation. Bei einem auffälligen
❐Die individuelle Therapie erfolgt in
Abhängigkeit der betroffenen
Hirnnerven.
Kopfimpulstest (KIT) muss der vestibulookuläre Reflex (VOR) trainiert werden. Bei kurzem Schwindel bei Drehungen oder Kopfbewegungen wird ein Habituationstraining mit dosierten Kopf und Körperbewegungen eingesetzt. Die Dosierung ist ideal, wenn nach jeder Bewegung der Schwindel kürzer wird. Im Verlauf wird die Anforderung gesteigert, zum Beispiel schwierigere Ausgangsstellung und Geschwindigkeit (14).
Nervus accessorius
Hierbei kommt es zu einer Parese des M. trapezius und des M. sternocleidomastoideus. Anfangs wird mit entsprechender Stimulation und Fazilisation die Funktion angebahnt, später mit gezieltem Training gekräftigt. Diese Muskeln erholen sich durch die üblichen Alltagsaktivitäten oft rasch. Bei der Kräftigung dürfen jedoch die tiefen stabilisierenden Muskeln der Halswirbelsäule nicht vernachlässigt werden.
Bei entsprechenden Kenntnissen und Ausbildungen können neurodynamische Tests und Behandlungstechniken für die Hirnnerven eingesetzt werden. ❐
Fallbeispiel 2Bei einer 31jährigen Patientin begannen die Lähmungen unilateral im linken Fuß sowie in der linken Gesichtshälfte. Im weiteren Verlauf breitete sich die Lähmung auf alle vier Extremitäten aus. Von den Hirnnerven waren der N. olfactorius (I), N. abducens (VI), N. facialis (VII), N. vestibulocochlearis (VIII) sowie der N. vagus (X) unilateral links betroffen. Die Patientin berichtete über horizontale Doppelbilder, die sich vor allem beim Autofahren auswirkten. Beim Essen hatte sie Geschmacksstörungen. Zudem berichtete sie über Probleme mit dem Gehör (Hyperakusis), Schwindel, gestörte Temperaturregulation und andere parasympatische Symptome.
Besonders die Behandlung des N. abducens durch ein okulomotorisches Training war für die Patientin essenziell. Nach einiger Zeit war das Autofahren über kurze Distanzen wieder möglich, da die horizontalen Doppelbilder verzögert auftraten und sich im Verlauf immer weiter reduzierten.
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Stefan SchädlerEr ist Physiotherapeut und hat sich auf Schwindel und Gleichgewichtsstörungen spezialisiert, ist in eigener Praxis selbstständig tätig. Als Autor und Referent gibt er seine Erkenntnisse zu Schwindel, Gleichgewicht, Geriatrie und Assessments im In- und Aus-land wieder. Kontakt: [email protected]
Janine WaltherSie ist Physiotherapeutin (B. Sc.) und arbeitet als Angestellte mit Fachgebiet Manuelle Lymphdrainage in einer Physiotherapiepraxis. 2017 erkrankte sie selbst am Guillain-Barré-Syndrom. Kontakt: [email protected]
Literatur1. Winer JB. 2001. Guillain Barre syndrome. Mol.
Pathol. 54, 6:381–5
2. Munsat TL, Barnes JE. 1965. Relation of multiple cranial nerve dysfunction to the GuillainBarr syndrome. J. Neurol. Neurosurg. Psychiatry, 28:115–20
3. Baheti NN, Manuel D, Shinde PD, Radhakrishnan A, Nair M. 2010. Hyperreflexic GuillainBarre syndrome. Ann. Indian Acad. Neurol. 13, 4:305–7
4. Guillain G, Kreis B. 1937. Sur deux cas de polyradiculoNévrite avec hyperalbuminose du liquide céphalorachidien sans réaction cellulaire. Paris méd., 2:224–47
5. van Bogaert L, Maere M. 1983. Les polyradiculonévites craniennes bilatérales avec dissociation albuminocytologique: formes craniennes des polyradiculonévrites du type Guillain et Barré. J. belge Neurol. Psychiat., 38:275–81
6. Ramsey KL, Kaseff LG. 1993. Role of magnetic resonance imaging in the diagnosis of bilateral facial paralysis. Am. J. Otol. 14, 6:605–9
7. Lehmann HC, Macht S, Jander S, Hartung HP, Methner A. 2012. GuillainBarre syndrome variant with prominent facial diplegia, limb paresthesia and brisk reflexes. J. Neurol. 259, 2:370–1
8. Ropper AH. 1994. Further regional variants of acute immune polyneuropathy. Bifacial weakness or sixth nerve paresis with paresthesias, lumbar polyradiculopathy and ataxia with pharyngealcervicalbrachial weakness. Arch. Neurol. 51, 7:671–5
9. Susuki K, Koga M, Hirata K, Isogai E, Yuki N. 2009. A GuillainBarre syndrome variant with prominent facial diplegia. J. Neurol. 256, 11:1899–905
10. Fulbright RK, Erdum E, Sze G, Byrne T. 1995. Cranial nerve enhancement in the GuillainBarre syndrome. AJNR Am. J. Neuroradiol. 16, (4 Suppl):923–5
11. Asbury AK, Cornblath DR. 1990. Assessment of current diagnostic criteria for GuillainBarre syndrome. Ann. Neurol. 27, Suppl:S21–4
12. Chiba A, Kusunoki S, Obata H, Machinami R, Kanazawa I. 1993. Serum antiGQ1b IgG antibody is associated with ophthalmoplegia in Miller Fisher syndrome and GuillainBarre syndrome: clinical and immunohistochemical studies. Neurology 43, 10:1911–7
13. Bähr M, Frotsche M. 2003. Duus' Neurologischtopische Diagnostik. Anatomie – Funktion – Klinik. Georg Thieme Verlag; 8. Auflage
14. Schädler S. 2016. Gleichgewicht und Schwindel, Grundlagen – Untersuchung – Therapie. Elsevier, Urban & Fischer, München
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Impressumpt Zeitschrift für Physiotherapeuten ISSN 16140397
Herausgeber Agnes & NilsPeter Hey
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Chefredakteurin und V.i.S.d.P. Dr. Tanja Boßmann, [email protected]
Redaktion Maximilian Kreuzer, Anna Palisi, Doreen Richter, Dr. Julia Röder, Jörg Stanko [email protected]
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72. Jahrgang Mai 2020
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Wer hat das Problem und wer löst es?Motivational Interviewing als integratives Element der TherapieEin Beitrag von Thomas Messner
Die einfache SchulterBeispiel: subakromiales SchmerzsyndromEin Beitrag von Jochen Schomacher
Gross Motor Function MeasureIm Gespräch mit Ibrahim Duran
Erscheint am8.5.2020
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