die farbenlehre von goethe

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Unterrichtsmaterial Goethes Farbenlehre "Die Farben sind Taten des Lichts, Taten und Leiden." (J.W. von Goethe)

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Ein representation uber Goethes werk "Die Farbenlehre", Zur Entstehung des Werks, Motivation, Selbstverständnis, Zum Aufbau, Inhalt der Farbenlehre, Zum Inhalt, Goethes wissenschaftlicher Zugang, Zu den physiologischen Farben, Goethes Farbenkreis, Goethe versus Newton, Literaturhinweise

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  • Unterrichtsmaterial

    Goethes Farbenlehre

    "Die Farben sind Taten des Lichts, Taten und Leiden." (J.W. von Goethe)

  • 2

    bersicht

    1. Zur Entstehung des Werks ................................................................................................................ 3

    Motivation ......................................................................................................................................................................... 3

    Selbstverstndnis ............................................................................................................................................................. 4

    2. Zum Aufbau ........................................................................................................................................... 5

    Inhalt der Farbenlehre ................................................................................................................................................... 5

    3. Zum Inhalt .............................................................................................................................................. 6

    Goethes wissenschaftlicher Zugang ........................................................................................................................... 6

    Zu den physiologischen Farben ................................................................................................................................. 11

    Zu den physischen (physikalischen) Farben ............................................................................................................ 8

    Zum Urphnomen und zur Entstehung der Farben ............................................................................................ 10

    Zu den chemischen Farben ......................................................................................................................................... 11

    Zur sinnlich-sittlichen Wirkung der Farben .......................................................................................................... 13

    Goethes Farbenkreis ..................................................................................................................................................... 14

    Goethe versus Newton ................................................................................................................................................. 15

    Rezeption der Farbenlehre .......................................................................................................................................... 16

    Goethe als Didaktiker ................................................................................................................................................... 17

    4. Literaturhinweise............................................................................................................................... 18

  • 3

    1. Zur Entstehung des Werks

    Motivation

    Goethe war ein uerst aufmerksamer Beobachter der Dinge, der Gegenstnde, die um ihn waren.

    Ausgangspunkt seiner Beschftigung mit der Farbenlehre waren malerische Versuche. Goethe bekundet

    rckschauend, dass er durch den Umgang mit Knstlern von Jugend auf und durch eigene

    Bemhungen auf den wichtigsten Teil der Malerkunst, auf die Farbgebung aufmerksam gemacht

    wurde. Er wre gerne selber Maler geworden, doch fehlte ihm das Talent dazu, was er whrend seines

    Italienaufenthalts in Rom erkannte, wo er ber eine lngere Zeit mit Knstlern zusammenlebte.

    Je weniger also mir eine natrliche Anlage zur bildenden Kunst geworden war, desto mehr sah ich mich

    nach Gesetzen und Regeln um.1

    Durch ununterbrochenes Anschauen der Natur und Kunst und Gesprchen mit Kennern machte er

    sich mit der Kunst der Malerei mehr und mehr vertraut. Goethe fand in den Gesprchen und bei den

    alten Meistern aber keine ihn zufriedenstellende Theorie und keine Erklrungen zur Farbmischung.

    Die Frage nach der Erscheinungsweise der Farbe und der Farbwahrnehmung brachte Goethe von seiner

    Italienreise mit nach Weimar, wobei es ihm zunchst um die Gesetzmigkeiten der Farbgebung und

    die Wirkung von Licht und Schatten in der Malerei ging. Goethe bemerkte bei seinen Untersuchungen,

    dass die Farben naturwissenschaftlich untersucht werden mssten, um sie sthetisch-knstlerisch

    systematisieren zu knnen:

    Ich hatte nmlich zuletzt eingesehen, dass man Farben, als physische Erscheinungen, erst von der Seite

    der Natur beikommen msse, wenn man in Absicht auf Kunst etwas ber sie gewinnen wolle.2

    Zu diesem Zwecke nahm er sich die fr die Farbenlehre magebende Theorie der Epoche vor, die

    Schrift Opticks des englischen Naturwissenschaftlers und Physikers Isaac Newton, und versuchte sie

    experimentell nachzuvollziehen. Die auf den Experimenten aufbauenden ersten systematischen, aber

    mit der Theorie noch recht zurckhaltenden Untersuchungen der Farbphnomene verffentlichte

    Goethe 1791/92 in den Beitrgen zur Optik. Die Arbeit an seinem Hauptwerk Zur Farbenlehre nahm

    Goethe fast zwanzig Jahre lang (natrlich nicht ausschlielich) in Anspruch. Das Werk erschien im Jahre

    1810 in zwei Oktavbnden auf 1400 Seiten.

    1 Goethe, J.W. von, Zur Farbenlehre, Konfession des Verfassers 2 Goethe, J.W. von, Zur Farbenlehre, Konfession des Verfassers

  • 4

    Johann Wolfgang von Goethe, Blick in das Tibertal gegen Fidena

    Selbstverstndnis

    Mehr als vierzig Jahre lang hat Goethe das Thema Farbe immer wieder von neuem fasziniert und zu

    intensiver Auseinandersetzung angeregt. Seine Farbenlehre betrachtete er im Alter als das Bedeutendste,

    das er hervorgebracht habe. Johann Peter Eckermann, Mitarbeiter und eifriger Biograf des letzen

    Lebensjahrzehnts, berliefert uns die heute kaum noch nachvollziehbare Selbsteinschtzung:

    Auf alles was ich als Poet geleistet habe, bilde ich mir gar nichts ein. Es haben treffliche Dichter mit mir

    gelebt, es lebten noch Trefflichere vor mir, und es werden ihrer nach mir sein. Dass ich aber in meinem

    Jahrhundert in der schwierigen Wissenschaft der Farbenlehre der einzige bin, der das Rechte wei, darauf

    tue ich mir etwas zu gute, und ich habe daher ein Bewusstsein der Superioritt ber viele.3

    Goethe stellte seine Farbenlehre also hher als seine dichterische Produktion. Er sah die Farbenlehre als

    eines seiner Hauptwerke und war sehr bemht, seine Theorie wissenschaftlich zu untermauern und

    seine Sicht gegen die um 1700 entstandene Lehre Newtons zu etablieren.

    Die primre Zielgruppe fr Goethe waren die Knstler, insbesondere die Maler. Goethe hat seine Lehre

    nicht nur fr Fachleute, sondern ausdrcklich auch fr interessierte Laien und Liebhaber geschrieben.

    Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Kstenlandschaft bei Vollmond

    3 Johann Peter Eckermann: Gesprche mit Goethe in den letzen Jahren seines Lebens, Hrsg. Von Regina Ott,

    Weimar/Berlin, 1987, S.283 (19. Feb. 1829)

  • 5

    2. Zum Aufbau

    Goethes Schrift Zur Farbenlehre besteht aus drei Teilen: einem didaktischen, einem polemischen und

    einem historischen Teil. Im didaktischen Teil finden sich die Sachaussagen und die eigentlichen

    theoretischen Kernthesen seiner Farbenlehre. Im polemischen Teil erlutert Goethe, warum er die

    Theorie des englischen Naturwissenschaftlers und Physikers Isaac Newton ablehnt. Im dritten

    historischen Teil wird die Geschichte der Farbenlehre von der Antike bis zum 18. Jahrhundert behandelt.

    Den Schluss des geschichtlichen Teils bildet die Konfession des Verfassers, in der Goethe den Ablauf

    seiner eigenen Absichten schildert und seine Einstellung und Ansichten kundtut.

    Inhalt der Farbenlehre (didaktischer Teil)

    An erster Stelle werden die physiologischen Farben behandelt. Es sind Farben, die das menschliche

    Auge selbst hervorbringt und die zum Innenleben des Betrachters gehren. Sie werden als flchtig

    erlebt, sie sind lebendig, vernderlich und leicht zu beeinflussen.

    Die erste Abteilung umfasst die physiologischen [Farben], welche dem Organ des Auges vorzglich

    angehren und durch dessen Wirkung und Gegenwirkung hervorgebracht werden. Man kann sie daher

    auch die subjektiven nennen. Sie sind unaufhaltsam flchtig, schnell verschwindend ()4

    Der zweite Teil behandelt die physischen (auch physikalischen) Farben, die durch optische Brechung,

    Spiegelung oder Beugung hervorgebracht werden oder auch an Krperoberflchen erscheinen. Das

    Auftreten dieser Farben wird bedingt von einem ueren Objekt, einem Prisma beispielsweise.

    Die zweite Abteilung macht uns nunmehr mit den physischen Farben bekannt. Wir nannten diejenigen so,

    zu deren Hervorbringung gewisse materielle, aber farblose Mittel ntig sind ()

    Der dritte Teil wendet sich den chemischen Farben zu. Im Gegensatz zu den vorbergehenden

    Erscheinungen der physikalischen Farben sind es Farben, die den Krpern anhaften oder ihnen

    mitgeteilt werden knnen. Sie werden meist als lnger anhaltend erlebt. In diese Rubrik gehren auch

    die Farbpigmente der Maler.

    Die chemischen Farben knnen wir uns nun objektiv als den Gegenstnden angehrig denken ()

    Der vierte Teil mit dem Titel Allgemeine Ansichten nach innen behandelt das Verhltnis von Licht und

    Farbe und die Beziehungen der Farben untereinander zum Beispiel unter den Gesichtspunkten Polaritt,

    Steigerung und Mischung.

    4Vgl. J. W. Goethe, Zur Farbenlehre, Anzeige und bersicht

  • 6

    Im fnften Abschnitt verweist Goethe auf die nachbarlichen Verhltnisse der Farbenlehre zu anderen

    Wissenschaften wie Philosophie, Mathematik, Physik, Physiologie, etc.

    Im sechsten und letzten Teil geht Goethe auf die sinnlich-sittliche Wirkung, das heit die

    psychologischen Effekte der Farben ein. Er untersucht, wie die Farben im Einzelnen und in ihrer

    vielfltigen Zusammenstellung das menschliche Gemt und sthetische Empfinden ansprechen.

    3. Zum Inhalt

    3.1 Goethes wissenschaftlicher Zugang

    Goethe erforschte die Farben berall, wo er sie sah. Er versuchte herauszufinden, wann und unter

    welchen Bedingungen sie entstehen, wann wir sie sehen und wie sie auf uns einwirken. Seine

    Farbenlehre beschftigt sich unter anderem mit den Erkenntnissen ber die Farben, zu denen man

    gelangt, wenn man ihre Entstehung und ihr Verschwinden in der Natur beobachtet. Sie behandelt

    jedoch auch das Entstehen und Verschwinden der Farben in unserem Innern.

    Goethe konzipierte seine Arbeit von Anfang an als einen methodischen Gegenentwurf zu dem um 1700

    publizierten Werk des englischen Physikers Isaac Newton. Der Unterschied zwischen Goethes und

    Newtons Farbenlehre lag in ihrer Auffassung von Wissenschaft: Das Ideal der Wissenschaft Newtons

    war die Objektivitt, Goethe hingegen wollte Wissenschaft so verstanden wissen, dass Naturerkenntnis

    in Selbsterkenntnis mndet. Ging es Newton darum, Farbe zu objektivieren und einer mathematischen

    Durchdringung zugnglich zu machen, begriff Goethe Farbe als ein der sinnlichen Wahrnehmung des

    Menschen zugehrendes Phnomen. Goethe wollte das Subjektive, den beobachtenden Menschen in die

    Wissenschaft mit einbeziehen: () das ist eben das grte Unheil der neuern Physik, dass man die

    Experimente gleichsam vom Menschen abgesondert hat und blo in dem, was knstliche Instrumente

    zeigen, die Natur erkennen, ja, was sie leisten kann, dadurch beschrnken und beweisen will.5

    5 Maximen und Reflexionen, Nr. 706

  • 7

    Die Rolle des menschlichen Auges

    Mittelpunkt seiner Lehre war die Ttigkeit des menschlichen Auges. Goethe ging davon aus, dass die

    Farbe im Auge entsteht:

    Wr das Auge sonnenhaft, Wie knnten wir das Licht erblicken? Lebt nicht in uns des Gottes eigne Kraft,

    Wie knnt uns Gttliches entzcken? 6

    Durch die Experimente mit den farbigen Schatten und den Nachbildern entdeckte Goethe die

    Mitwirkung des Auges bei der Farbentstehung. Aufgrund dieser Erfahrungen entwickelte er sein Modell

    des subjektiven Sehens. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts erklrte man sich die Funktionsweise des

    menschlichen Sehens mit dem Modell der Camera Obscura, in dem Bilder passiv erzeugt werden. Die

    sinnliche Erfahrung wurde einer externen Welt objektiver Wahrheit untergeordnet. Fr Goethe aber

    war das Sehen kein passiver Vorgang. Er verstand den menschlichen Krper nicht als passive Kamera,

    sondern als aktiven Produzenten. Mit Goethes Modell des subjektiven Sehens, verlagerte sich das Sehen

    auf eine krperimmanente Ebene (aufgrund des neugewonnenen Wissens ber das Auge und die

    Sehprozesse).

    Goethe verstand das Auge als Spiegel der Seele. Er sagte, dass sich die uere, sichtbare Welt in unseren

    Augen spiegelt und dort auf den inneren Menschen trifft. Im Auge werden Welt und Mensch aktiv zu

    einem Ganzen.

    Holzschnitt von Christoph Erhard Sutor, nach Goethes Vorgabe. Das Bild stellt Goethes rechtes Auge im Spiegel gesehen dar. Prisma, Lupe, Regenbogen und Sonnenstrahlen verweisen auf das Zusammenspiel von Natur, Experiment und Wahrnehmungsapparat zur Hervorbringung und Rezeption von Farbe.

    6 Vgl. J.W. Goethe, Zur Farbenlehre, Einleitung

  • 8

    3.2 Zu den physiologischen Farben

    Nachbilder

    Als Beispiel fr die physiologische Ttigkeit des Auges nannte Goethe die Nachbilder. Das Phnomen

    der Nachbilder kann man folgendermaen nachvollziehen: Man blickt mit entspanntem und trotzdem

    unbewegtem Auge fr etwa 30 Sekunden auf eine farbige Flche. Wendet man danach den Blick auf

    einen nicht zu dunklen neutralen Hintergrund, so erscheint das farbige Nachbild der Flche in der

    Komplementrfarbe.

    Obwohl Nachbilder und andere vom Auge selbst erzeugte Phnomene bereits seit der Antike bekannt

    waren, wurden sie als Tuschungen und Gesichtsbetrug abgetan. Erst Goethe bewertete diese

    Erscheinungen als Aktivitten des gesunden Gesichtssinns: die Nachbilder wurden nicht mehr als

    Schwche des Krpers, sondern als positive Tatsachen des Sehens anerkannt. Die physiologischen

    Farben wurden bei Goethe zum Fundament seiner gesamten Lehre.

    Nachbildexperiment

  • 9

    Farbige Schatten

    Farbige Schatten entstehen, wenn farbiges Licht einen Schatten wirft, der von einem nicht zu starken

    weien Licht aufgehellt wird. Der Schatten erscheint dann in der am Farbenkreis ablesbaren Gegen-

    bzw. Komplementrfarbe zur Farbe des schattenwerfenden Lichts. Goethe hat dieses Phnomen bei

    Abendrot in der Natur beobachtet, wenn sich das Grau der Schatten in ein Grn verwandelt.

    Goethe hat dabei herausgefunden, dass farbige Schatten nie isoliert betrachtet werden knnen, sondern

    lediglich im Zusammenhang der sie umgebenden und erzeugenden Krper. Teil und Ganzes knnen

    nicht getrennt werden, was Goethe an einigen Stellen der Farbenlehre feststellte. Durch seine

    Experimente mit den farbigen Schatten kam Goethe zu der wichtigen Erkenntnis, dass das Auge bei der

    Farbentstehung mitwirkt.

    Versuch zu den farbigen Schatten mit zwei Schatten werfenden Krpern

    Claude Monet, Getreideschober bei Rauhreif, 1891, l auf Leinwand, 65 x 92 cm Edinburgh, National Gallery of Scotland

  • 10

    3.3 Zu den physischen (physikalischen) Farben

    Experimente mit dem Prisma

    Um die Brechung des Lichts zu studieren, benutzte der englische Physiker Isaac Newton ein dreieckiges

    Prisma (durchsichtiger Krper mit zwei brechenden Flchen, die in einem bestimmten Winkel

    zueinander stehen). Newton hat entdeckt, dass ein Lichtstrahl, der durch ein Prisma gebrochen wird, in

    alle Farben aufgesplittert wird. Die Farben, die so entstanden, nannte er Spektrum. Er folgerte daraus,

    dass alle Farben im weien Licht enthalten sind.

    Um Newtons Experimente mit dem Prisma nachzuvollziehen, entlieh Goethe von Christian Wilhelm

    Bttner, einem Sprach- und Naturforscher, der Hofrat in Jena war, einen optischen Apparat sowie

    Prismen. Goethe stellte zu seiner Verwunderung fest, dass beim Blick durch das Prisma Farben nur da

    entstehen, wo helle und dunkle Flchen aneinandergrenzen. Es sind die sogenannten Kantenspektren

    Rot/Gelb und Blau/Violett sowie deren Mischfarben Grn und Pfirsichblt- das er auch reines Rot oder

    Purpur nannte. Goethes Fazit aus den Experimenten lautete: Licht ist unteilbar, es besteht nicht aus

    verschiedenen Farbstrahlen, sondern Farben entstehen nur dort, wo Hell und Dunkel

    aufeinandertreffen.

    Goethe war fasziniert vom Phnomen der prismatischen Farben und verfasste kurz darauf eine

    Experimentieranleitung, die er zusammen mit kleinen Spielkarten herausgab. Jeder sollte durch

    praktische Versuche mit den von ihm gestalteten Tfelchen erkennen, wie und warum Farben entstehen

    und sich mischen.

    Blick durchs Prisma auf ein weies Blatt mit schwarzen Streifen

    Kerze auf Spielkarte (links) und Vorlage Blick durchs Prisma (rechts)

  • 11

    3.4 Zum Urphnomen und zur Entstehung der Farben

    Goethes Farbenlehre bestand in erster Linie im Aufsuchen der Bedingungen des Erscheinens von Farbe:

    es sind dies Licht, Finsternis und Trbe. In ihrem Zusammenspiel nannte Goethe sie das Urphnomen

    Farbe.

    Trbe-Effekt und Farbsteigerung

    Nach Goethes Theorie entstehen die prismatischen Farben an einer Hell-Dunkel-Grenze in einem trben,

    brechenden Mittel.

    Auf der Erde ist das trbe Mittel durch die atmosphrischen Dnste gegeben, die das Blau des Himmels

    und das Gelb der Sonne bewirken. Bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, wenn das weie Licht der

    Sonne durch die Trbe dringt, kann man am Himmel und auf der Erde ein erstaunliches Farbenspiel

    beobachten. Goethe erklrt dieses Phnomen als Steigerung der Farben. Der Wechsel der Sonne von

    blendendem Wei in der Tagesmitte zu Gelb und schlielich zu Tiefrot gegen Abend zeigt nach Goethe

    die Herkunft und Steigerung der gelben Farbe zu Rot. Am Abend sehen wir die Sonne durch eine

    dickere Atmosphrenschicht als in der Tagesmitte. Da die Atmosphre nach Goethe dem Licht der

    Sonne Widerstand leistet, kommt es bei ihrem Untergang zu einer graduellen Verdunkelung des Lichts

    der Sonne. Auch der Wechsel des Himmels von Hellblau zu Dunkelviolett wird von der Atmosphre

    bedingt, und er ist ebenfalls ein Phnomen der Farbsteigerung.

    Sonne gegen Mittag

    Sonnenuntergang

  • 12

    3.5 Zu den chemischen Farben

    In dieser Abteilung versuchte Goethe die Bedingungen fr die chemische Farbenstehung anzugeben,

    seine Erluterungen beziehen sich zum einen auf Pigmentmischungen. Er teilte die Phnomene

    entsprechend seines Polarittsgedankens in ein duales System: Das Gelbe stellte er auf die Seite der

    Suren, das Blaue auf die Seite der Alkalien. Zum anderen beschrieb er die Reaktion von Metallen wie

    Stahl, Silber, Kupfer, Messing, Blei und Zinn sowie Farben bestimmter Erdpigmente, diskutierte die

    Frbung von Flssigkeiten sowie die physischen und chemischen Wirkungen farbiger Beleuchtung, die

    z. B. Wrme erregen knnen. Von Mineralien ber das Pflanzen- und Tierreich bis hin zum Menschen

    untersuchte er deren Farbentwicklung im Kontext der Umwelt-, besonders der Lichtverhltnisse.

    Die In-Sich-selbst-Drngung und Sttigung von Farben beruht nach Goethe auf dem Prinzip der

    Steigerung: Es kann als eine Intensivierung der Farbe verstanden werden, die zu neuen Farbtnen

    fhrt, z. B. wird aus Blau Violett. Goethe betrachtete die Steigerung als eine der wichtigsten

    Erscheinungen der Farbenlehre.

    Es ist dieses eine der wichtigsten Erscheinungen in der Farbenlehre, indem wir ganz greiflich erfahren,

    dass ein quantitatives Verhltnis einen qualitativen Eindruck auf unsre Sinne hervorbringe.7

    Stufengef Aus Blau wird Violett Aus Gelb wird Orange

    7 Goethe, J.W. von, Zur Farbenlehre, 519

  • 13

    3.6 Zur sinnlich-sittlichen Wirkung der Farben

    Goethe fand, dass die Farben unseren Krper, unsere Stimmungen und unsere Seele beeinflussen. Jeder

    Farbe hat er eine bestimmte Eigenschaft und Wirkung auf das Gemt zugewiesen. Gelb besitzt fr ihn

    eine heitere, muntere, sanft reizende Eigenschaft und wrmt das Herz. Rot strahlt Ernst, Wrde, Huld

    und Anmut aus. ber das Blau sagt Goethe, dass es immer etwas Dunkles mit sich fhrt. Es sei ein

    Widerspruch von Reiz und Ruhe in dieser Farbe, sie vermittle ein Gefhl von Klte. ber das Grn

    schreibt er, dass das Auge in ihm eine reale Befriedigung fnde und er empfiehlt es z.B. als Farbe fr die

    Tapete in Rumen, in denen man sich hufig aufhlt.8

    Goethe selbst hatte die sinnlich-sittliche (psychologische) Wirkung der Farben an Krper und Kleidung

    untersucht und hat sie auch auf die Architektur bezogen, wie die nach seiner Farbenlehre gestalteten

    Rume seines Hauses am Frauenplan zeigen. Die gelbe Farbe des Esszimmers strahlt Wrme und

    Freude aus. Die grnblaue Farbe des Arbeitszimmers schafft Ruhe und regt das Denken an. Wer das

    blaue Junozimmer, den gelben Speisesaal oder das grne Treppenhaus betreten hat, dem geht Goethes

    Farbenlehre nicht mehr so schnell aus dem Sinn.

    Zusammen mit Schiller entwickelte Goethe eine Reihe symbolischer Bewertungen der Farben nach

    menschlichen und seelischen Eigenschaften. Sie wurden zum Beispiel zu den vier Temperamenten in

    Beziehung gesetzt und in einem Kreis, der sogenannten Temperamentenrose, angeordnet.

    Goethes Wohnhaus am Frauenplan in Weimar, Gelber Saal

    Salon (Junozimmer)

    8 Vgl. Zur Farbenlehre, Sechste Abteilung: Sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe

  • 14

    3.7 Goethes Farbenkreis

    Der harmonische Farbenkreis Goethes kann als Ergebnis seiner gesamten Lehre gesehen werden. Goethe

    teilte die Farben in einen Plus- und einen Minuspol. Die Farben Gelb, Gelbrot (Orange) auf der Plusseite

    konnotierte er mit dem Aktiven, dem Licht, der Kraft, Wrme, Nhe und der Verwandtschaft mit

    Suren. Die Farben Blau, Blaurot (Violett) auf der Minusseite mit Passivem, dem Schatten, der

    Schwche, Klte, Ferne und der Verwandtschaft mit den Alkalien. Den Farbenkreis ordnete er nach den

    Prinzipien der Polaritt und Steigerung. Gelb als die nchste Farbe am Licht und Blau als die nchste

    Farbe an der Finsternis bringen durch Mischung die Farbe Grn hervor. Die beiden Farben knnen sich

    aber auch verdichten oder verdunkeln (Farbsteigerung) und erhalten dadurch ein rtliches Ansehen, das

    sich bis zum hchsten und reinen Rot (Purpur) steigern lsst.

    Das Komplementrgesetz besagt, dass eine reine Farbe physiologisch ihre Gegenfarbe (ihr

    Komplementr) verlangt. So fordert Gelb Violett, Blau fordert Orange und Purpur fordert Grn und

    umgekehrt. Auch diese Beziehungen werden in Goethes Anordnung der sechs Farben mit den drei

    Grundfarben und ihren Komplementrfarben veranschaulicht.

    Zeitgleich zu Goethes Farbenlehre verffentlichte Philipp Otto Runge seine Schrift Farben-Kugel, die

    eine dreidimensionale Darstellung der Farbe in Form einer Kugel enthlt. Im Unterschied zu Goethe

    hatte Runge auch den Helligkeitswert der Farben in sein Schema mit einbezogen.

    Goethes Farbenkreis

    Runges Farbenkugel

  • 15

    3.8 Goethe versus Newton

    Goethe bestritt vor allem Newtons allgemein anerkannte Grundbehauptung, dass sich weies Licht aus

    den bekannten Farben zusammensetzt; fr Goethe war weies Licht prinzipiell nicht teilbar.

    Isaac Newtons Experimente mit Lichtstrahlen, die er durch Prismen leitete, gaben den Ansto zu einer

    physikalischen Farbtheorie. Sie erklrte allerdings nicht, wie wir Farben wahrnehmen und erleben. Fr

    Newton konnte jede Farbe allein durch eine Zahl beschrieben werden, der Dichter und Naturliebhaber

    Goethe betrachtete Farben in erster Linie in ihrer Wirkung auf den Menschen, und er wollte vor allem

    diese Funktion untersuchen.

    Goethes feste berzeugung, dass die rund ein Jahrhundert zuvor formulierte Theorie des englischen

    Forschers Isaac Newton ber die Spektralfarben nicht stimmt, ist auf den unterschiedlichen Umgang

    der beiden Forscher mit dem Prisma zurckzufhren: Newton hatte fr seine Analysen einen

    Lichtstrahl durch ein kleines Loch gebndelt in eine Dunkelkammer gefhrt und durch ein Prisma

    betrachtet. Goethe hingegen schaute am helllichten Tage durch ein Prisma auf eine weie Wand und

    war irritiert durch die Tatsache, dass er kein groes Farbenspektrum sah, wie er es erwartet hatte.

    Goethes Glauben, Newtons Erkenntnisse widerlegt zu haben, fhrte ihn zu einem umfangreichen Teil

    heute noch gltiger Grundstze: Goethe entdeckte die Kantenspektren, und er sah und beschrieb das

    Purpur (heute Magenta genannt) an deren berlagerung. Er erkannte und studierte die vom Auge

    erzeugten Komplementrfarben, die er im Farbkreis einander gegenber positionierte. Goethe hat

    zudem als einer der ersten eine umfassende Systematisierung psychologischer Farbwirkungen

    vorgenommen, seine Untersuchungen der Wirkung der Farben auf die menschliche Gefhlswelt sind

    grundlegend und wegweisend. Aufgrund ihrer Spannweite gilt Goethes Farbenlehre noch heute als eine

    der komplexesten Farbtheorien berhaupt.

  • 16

    3.9 Rezeption der Farbenlehre

    Goethes Farbenlehre war von Anfang an umstritten. Vor allem bei Physikern stie sie auf Widerstand,

    da diese mit Recht argumentierten, Goethes Darlegung der Entstehung der Farben liee sich nach den

    von Newton aufgestellten Grundstzen erklren. Auch in Knstlerkreisen besa Goethes Farbenlehre zu

    Beginn des 19. Jh. nur einen geringen Bekanntheitsgrad und sie wurde in Malerbchern noch lange

    danach bergangen. In der ersten Hlfte des 19. Jh. setzten sich nur zwei Knstler grndlicher mit der

    Farbenlehre auseinander: William Turner und Philipp Otto Runge. Letzterer hat mit seiner Farbenkugel

    zeitgleich eine Alternative zu Goethes Ordnungsprinzip geschaffen.

    Zu Beginn des 20. Jh. wurde die Farbenlehre von Bauhuslern wie Johannes Itten oder Wassily

    Kandinsky aufgegriffen und weiterentwickelt.

    Eingehend rezipiert wurden Goethes naturwissenschaftliche Arbeiten, insbesondere die Farbenlehre,

    durch Rudolph Steiner, den Begrnder der Anthroposophie. Sein philosophisch-spirituelles Konzept der

    Anthroposophie greift vielfach auf Goethes erkenntnistheoretische Anstze zurck. Die Farbenlehre ist

    dabei u.a. in die Walddorfpdagogik eingeflossen. Heute findet vor allem der sinnlich-sittliche (das

    heit der seelisch-geistige Aspekt) der Goetheschen Ausfhrungen zur Farbe im Bereich der

    Psychotherapie, z.B. der Farbtherapie, praktische Anwendung.

    William Turner, Licht und Farbe (Goethes Theorie) der Morgen nach der Sintflut/ Moses schreibt das Buch der Genesis, 1843, l auf Leinwand, 78,5 x 78,5 cm, London, Tate Gallery

    Wassily Kandinsky: Gelb-Rot-Blau, Gelb-Rot-Blau, 1925, l auf Leinwand, 128 x 201,5 cm, Paris, Muse National d Art Moderne, Centre Georges Pompidou

  • 17

    Goethe als Didaktiker

    Goethes Farbenlehre ist inhaltlich zwar sehr komplex, aber dennoch einigermaen leicht zugnglich,

    weil sie pdagogisch aufgebaut ist und weil sie Versuche und Beobachtungen beschreibt, die sich zum

    groen Teil leicht berprfen lassen und auch von Laien nachvollzogen werden knnen.

    Farbe kann man nicht anhand eines Textes schauen. Goethes Farbenlehre muss erfahren und gelebt

    werden. Dies bekrftigte auch Goethe selbst immer wieder, und der Leser wird an vielen Stellen zum

    Mitexperimentieren angeregt. Fr Goethe, das zeigt vor allem sein didaktischer Zug, war gerade das

    Selbsthinsehen resp. die eigene Wahrnehmung entscheidend.

    Es ist mit der Farbenlehre wie mit dem Whist oder Schachspiel. Man kann einem alle Regeln dieses Spiels

    mitteilen und er vermag es doch nicht zu spielen. Es kommt nicht darauf an, jene Lehre durch

    berlieferung zu lernen, man muss sie selbst machen, etwas tun.9

    Die mit didaktischem Geschick vorgetragenen Prismenexperimente in den Beitrgen zu Optik gestatten

    einen spielerischen Zugang zum Thema. Und auch viele weitere in Goethes Farbenlehre beschriebene

    Experimente knnen ohne allzu groen Materialaufwand nachvollzogen werden.

    9 Gesprch Goethes mit Friedrich von Mller am 26. Februar 1832

  • 18

    4. Literaturhinweise

    Primrliteratur

    Goethe, J. W., Zur Farbenlehre, hrsg. von Gerhard Ott und Heinrich O. Proskauer, 5 Bnde, Stuttgart:

    Verl. Freies Geistesleben, 2003.

    Goethe, Johann Wolfgang von, Die Tafeln der Farbenlehre und deren Erklrungen, mit einem

    Nachwort von Jrgen Teller, Frankfurt am Main, Insel-Verlag, 2004.

    Sekundrliteratur zum Thema

    Boetius, Henrik/ Lauridsen, Marie Louise/ Lefvre, Marie Louise (Hg.), Das Licht, das Dunkel und die

    Farben. Goethes Farbenlehre. Einblicke und Perspektiven, Aus d. Dn. bers., Nrhaven: Multivers

    Aps Verl., 1998/1999.

    Christ, Andreas, Farbenlehre. Bilderwelten und die Magie der Farbe, Igling : Michael Fischer, 2008.

    Dchting, Hajo, Farbrausch. Die Farbe in der Malerei, Stuttgart: Belser Verlag, 2009.

    Gage, John, Die Sprache der Farben, Ravensburg: Otto Maier, 1999.

    Gundelach, Hansjoachim/ Vatsella, Katarina, Pfirsichblt und Cyberblau: Goethe- Farbe- Raum,

    Ausstellung im Kornspeicher, Weimar 17.9. - 31.10.1999, Weimar : Design Zentrum Thringen,

    2000.

    Kppers, Harald, Schnellkurs Farbenlehre, Kln: DuMont, 2005.

    Matthaei, Rupprecht, Goethes Farbenlehre, 2. Auflage (1971), Ravensburg: Maier, 1988.

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    Klassik Stiftung Weimar- Referat Forschung und Bildung

    Konzept: Esther Lohri Redaktion: Esther Lohri, Regina Seeboth