die legion „erzengel michael“ in rumänien
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Die Legion „Erzengel Michael“ in Rumänien Zur europäischen Dimension des gewaltorientierten Nationalismus
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Gliederung
1. Faschismusanalyse und die Legion Erzengel Michael
2. Gesellschaftliche Modernisierungskonflikte im europäischen Zusammenhang. Ausbildung eines protofaschistischen Diskurses in Rumänien
3. Europäische Zeitgeschichte, Verflechtungsgeschichte und die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
4. Fazit
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1. Faschismusanalyse und die Legion Erzengel Michael
• Kurzbeschreibung
• Wissenschaftliche Zugänge zur Analyse faschistischer Bewegungen
• Aussagen über die Legion
• Warum ist es so schwierig, die Legion als eindeutig faschistisch zu kennzeichnen?
• Was qualifiziert die Legion als faschistisch?
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1. Faschismusanalyse und die Legion Erzengel Michael
Symbole der Legion: grün, Kreuz, Gitter 1932
Horia Sima 1940 Corneliu Codreanu 1937
Die Legion Erzengel Michael – Kurzbeschreibung - Bildwechsel
Grupul “Vacaresti” – Gründung der Legion als Abspaltung von der antisemitischen Studentenbewegung 1927
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Wissenschaftliche Zugänge zur Analyse faschistischer Bewegungen
Europa Europ. Faschismus Argumentation Rumänien
Krisenhafte Nationalstaatsbildung als Ursache starker faschistischer Bewegungen
Michael Mann, Wolfgang Schieder
Überlagerung von Modernisierungskrisen, starke faschistische Bewegungen vor allem in halb-autoritären, halb-liberalen Staaten
Armin Heinen, Die Legion Erzengel Michael
Faschismus als Epochenphänomen
Ernst Nolte Epochenphänomen Armin Heinen
Faschismus als Ideologie Roger Griffin Streben nach einer „anderen“ Moderne
Faschismus als verwobenes Phänomen der europäischen Geschichte (entangled History)
Wolfgang Schieder, Michael Mann
Verflechtungsgeschichte Armin Heinen
Faschismus als gewaltorientierte nationale „Säuberungsbewegung“
Robert Paxton, Wolfgang Schieder
Historisch-empirisches Stadienmodell Armin Heinen
Faschismus als eine spezifische soziale Bewegung
Sven Reichardt, Faschistischer Erlebnisraum Roland Clark, Holy Legionary Youth
Faschismus als politische Religion
Emilio Gentile; Philippe Burrin, Hans Maier
Politische Religion und Gewalt Radu Harald Dinu, Faschismus, Religion und Gewalt in Südosteuropa; Oliver Jens Schmitt, Căpitan Codreanu
Aufstieg und Fall der Legion als Resultat rationalen politischen Handelns in einem gewaltbesetzten öffentlichen Raum
Traian Sandu, Un fascisme roumain, Histoire de la Garde de fer
Die Legion als ein regional differenziertes, sozio-kulturelles Phänomen
Oliver Jens Schmitt, mehrere Aufsätze
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Aussagen über die Legion
• National-religiöse, revolutionäre Befreiungsbewegung gegen politische Unterdrückung (Eugen Weber)
• Populistische Bewegung (Renzo de Felice)
• Terrororganisation faschistischen Typs (Fătu/Spăleţelu)
• Faschistische Bewegung
Von den Legionären 1941 ermordete rumänische Juden in Jilava
Briefmarke von 1940 mit Codreanu-Porträt und Legionärskreuz
Buch eines italienischen Neofaschisten über einen der Legion nahestehenden Intellektuellen
Pe treptele Bisericii Sf. Ilie Gorgani din Bucureşti, după slujba religioasă. Căpitanul, Generalul Cantacuzino şi Prat y Soutzo, reprezentantul Spaniei naţionaliste - 1936 6
Warum ist es so schwierig, die Legion als eindeutig faschistisch zu kennzeichnen? I
1.) Uniformen, Führer, Straßengewalt sind zeitgenössisch auch bei anderen Organisationen zu finden.
2.) Keine klare Trennung zwischen extremer Rechten und Faschismus
3.) Keine geschlossene Ideologie.
4.) Auch der Rückbezug auf das (orthodoxe) Christentum hatte unterschiedliche Ausformungen
5.) Der Faschismus, auch die Legion, war nichts Statisches. Faschismus als Verlaufstypus
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Warum ist es so schwierig, die Legion als eindeutig faschistisch zu kennzeichnen? II
Afiș al Partidului Național-Creștin
contra »iudeocraţiei»
http://ac-cuza.info/
Uniformă cuzistă (1935-1938)
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Was qualifiziert die Legion als faschistisch?
• Extrem nationalistisch
• Selbstverständnis als soziale Bewegung
• Bündisch-klientelistische Gefolgschaftsstruktur
• Praxis des gewaltorientierten Kampfbundes
• Selbstschreibung als opferbereite, politisch-geistige Elite
• Politisch-religiöser Erlösungsanspruch
• Verbindung von Konservatismus und Sozialismus, von Vergangenheitsorientierung und Zukunftszugewandtheit (palingenetisch (auf Neugeburt zielend) (Griffin))
• Antisystemcharakter, bei hoher taktische Flexibilität
nationalistisch
politisch-religiös
Kampfbund, gewaltorientiert 9
Zugänge
1. Faschismusanalyse und die Legion Erzengel Michael
2. Gesellschaftliche Modernisierungskonflikte im europäischen Kontext. Ausbildung eines protofaschistischen Diskurses in Rumänien
3. Europäische Zeitgeschichte, Verflechtungsgeschichte und die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
4. Fazit
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Gesellschaftliche Modernisierungskonflikte im europäischen
Kontext. Ausbildung eines protofaschistischen Diskurses in
Rumänien
• Vergleich Mitteleuropa / Rumänien um 1870
• Vergleich Mitteleuropa / Rumänien um 1900
• Beispiele rumänischer Zivilisationskritik
• Modernisierungsschub und Identitätskrise nach dem 1. Weltkrieg
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2. Gesellschaftliche Modernisierungskonflikte im europäischen
Kontext. Ausbildung eines protofaschistischen Diskurses in
Rumänien
These: Faschismus als ein europäisches Phänomen
• Gegner und Befürworter der Moderne streiten in Europa mit- und gegeneinander (Göran Therborn).
Symbol der Action Française
Hier in unserem Vaterlande Österreich liegen die Verhältnisse so, daß sich die Juden einen Einfluß erobert haben, der mit über ihre Zahl und Bedeutung hinausgeht. (Zwischenruf: Sehr wahr!) In Wien muß der arme Handwerker am Samstag- nachmittag betteln gehen, um die Arbeit seiner Hände zu verwerten, betteln muß er beim jüdischen Möbelhändler. (Sehr richtig!) – Karl Lueger 1899
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Vergleich Mitteleuropa / Rumänien um 1870
West- und Mitteleuropa Rumänien
• Modernisierung
• Von unten (England, Frankreich)
• Von oben (Deutschland, Österreich-
Ungarn)
• Nationsbildung
• Durch Revolution
• Zusammenschluss vormals unabhängiger
Staaten (Deutschland, Italien)
Ausbildung einer peripheren Moderne
• Peripher angebundene Agrarwirtschaft
• Herstellung einer modernen Gesellschaft
mittels Übernahme westlicher Modelle von
oben durch den Staat
• Relative Stabilität durch Klassenwahlrecht
Sich daraus ergebende Probleme
• Unabgeschlossene territoriale Nationsbildung
(Ablösung von alten Imperien (Habsburger
Reich, Russland, Osmanisches Reich))
• Ethnisch vergleichsweise heterogene Städte
• Korruption und geringe Anbindung der Politik
an die breite Bevölkerung
• Legislative Verweigerung der
Judenemanzipation
• Legitimationsschwächen
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Vergleich Mitteleuropa / Rumänien um 1900
West- und Mitteleuropa Rumänien
Um 1900: Modernisierungsschub Um 1900: Rearrangement der peripheren Einbindung
Rumäniens in die europäische Gesellschaft
Demokratisierungsdruck; Aufschwung der
Linken, neue Rechte
Sozialer Aufruhr, Partidul Naţionalist-Democrat
Konservatismus, Liberalismus, Sozialismus
Zivilisationskritik
1. Liberalismus, Konservatismus, Sozialismus
2. Junimea (Formen ohne Fundament)
Neo-Liberalismus (nachholende Industrialisierung)
Poporanism (bäuerliche Sozialreform),
Sămănătorism (Kulturkritik)
3. Zivilisationskritik (Aurel C. Popovici);
Antijudaismus; Alliance antisémite universelle (A.C.
Cuza,)
Kritik des Politicianismus; Völkerpsychologie
Beispiele rumänischer Zivilisationskritik
• Mimetismul social din a doua jumatate a secolului al XIX-lea.
• Raportul intre evolutia intelectuala si tehnologie. Aplicarea legilor psihologiei la problema culturii. Importanta unitatii de cultura
Mina Savel, 31. März 1898: „Ein Antisemit zu sein, das bedeutet, ein Kämpfer gegen den Materialismus zu sein, gegen die Verlockung des Geldes, ein Kämpfer für Ehre, Tugend und das Menschsein…. Ein Antisemit kämpft nicht nur gegen die Juden, sondern gegen die verjudeten Menschen, welche die Juden unterstützen.“
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Modernisierungsschub und Identitätskrise nach dem 1. Weltkrieg
• 1918 ein „überwältigender“ Sieg
• Modernisierungsschub
• Verwaltungstechnische Überforderung
• Identitätskrise
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Überforderung
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Zugänge
1. Faschismusanalyse und die Legion Erzengel Michael
2. Gesellschaftliche Modernisierungskonflikte im europäischen Zusammenhang. Ausbildung eines protofaschistischen Diskurses in Rumänien
3. Europäische Zeitgeschichte, Verflechtungsgeschichte und die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
4. Fazit
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3. Die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
1. National-Sozialismus, 1919-1920
2. „Archaische Gewalt“ – die antisemitische Studentenbewegung 1921-1923
3. Demonstrative Gewalt – Herausbildung einer gewaltorientierten, protofaschistischen, terroristischen Aktionsgruppe 1924-1928
4. Ländlicher Squadrismus, 1929-1932
5. „Revolutionärer Hitlerismus“, 1932/33
6. Wahlorganisation 1934/5-1937
7. Terroristische (vom Ausland aus agierende) Kadergruppe
8. Satellitenfaschismus
Ikone des Erzengel Michael 1924
Bild der Verschwörer, 1924
Legionäre Frauenorganisation unter Nicoleta Niculescu (1933)
Legionäres Arbeitslager zusammen mit Bauern (1936)
1940
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1. National-Sozialismus, 1919-1920
• Europa – Oktoberrevolution
– Angst vor Revanchismus
– Soziale Unruhen
– Reformerwartungen
• Spezifisch rumänische Ausgangsbedingungen – Moldau zeitweise von russischen Truppen besetzt
– Niederschlagung der Räterepublik Bela Kuns
– Zuwanderung von Juden und russischen Linken nach Bessarabien
– Arbeiteraufruhr
– Hoffen auf charismatische Erneuerung durch Kriegsgeneral (Averescu)
– Positive Besetzung des Kriegserlebnisses (junge Generation)
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Die „Garde des Nationalen Bewusstseins“ in Iaşi – „antikommunistischer“ Straßenkampf und die zivilreligiöse Aufladung der Politik
• Gegründet als „nationalistische Gewerkschaft“
• Eigene Zeitschrift
• De facto „antibolschewistischer“ Stoßtrupp, Straßenkämpfe (Constantin Pancu, Corneliu Zelea Codreanu)
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National-Sozialismus in der politischen Praxis
• Wendung des Nationalismus nach innen
• Politisch-religiöse Aufladung des neuen tatorientierten National-Sozialismus
• Kämpferisch-militärische Selbstwahrnehmung
• Praxis des Straßenkampfes
„Glaubensbekenntnis des national-christlichen Sozialismus: Ich glaube an den einen und unteilbaren rumänischen Staat, …der alle Rumänen und nur die Rumänen in sich einschließt, der Arbeit und Ehrlichkeit liebt, … der Männern und Frauen gleiche bürgerliche und politische Rechte gibt …“
Codreanu: „Wir besetzen die Tabakregie: … Wir drangen in die Gebäude ein. Ich stieg mit unserer Fahne auf das Dach und machte sie oben fest. … Wir haben die Hände in den Taschen, an den Revolvern …“
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Die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
1. National-Sozialismus, 1919-1920
2. „Archaische Gewalt“ – die antisemitische Studentenbewegung 1921-1923
3. Demonstrative Gewalt – Herausbildung einer gewaltorientierten, protofaschistischen, terroristischen Aktionsgruppe 1924-1928
4. Ländlicher Squadrismus, 1929-1932
5. Revolutionärer Hitlerismus, 1932/33
6. Wahlorganisation 1934-1937
7. Terroristische (vom Ausland aus agierende) Kadergruppe
8. Satellitenfaschismus
Ikone des Erzengels Michael
Bild der Verschwörer, 1924
Legionäre Frauenorganisation unter Nicoleta Niculescu (1933?)
Legionäres Arbeitslager zusammen mit Bauern (1936)
1940
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2. „Archaische“ Gewalt – die antisemitische
Studentenbewegung 1921-1923
• Europa – Marsch auf Rom
– Hitler-Ludendorff-Putsch in München
– Antisemitische Aktionen in Ungarn und Polen
• Rumänien
– Mit den Folgen des Krieges überforderte Universitäten
– Verfassungsdebatte
– Anknüpfen an den Vorkriegsantisemitismus
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Student-Sein in Iaşi: Leben mit kultureller Heterogenität
Studenten in Iaşi, 1920er Jahre
Krönung Ferdinands II., 1922
Jüdische Altkleiderverkäufer, Bukarest 25
Zusammenarbeit von spontanem und organisiertem antisemitischem Nationalismus
• Alter Radauantisemitismus der Studierenden
• Neuer tätlich organisierter Antisemitismus einer kleinen Gruppe
• Unterstützung der antisemitischen Studentenbewegung durch rechtsradikale Professoren: neuartige Verbindung von altem und neuem Nationalismus/Antisemitismus
„Talmudul - legislatia politico-
religioasa a ovreilor - … ca sa
realizeze visul lui Iuda de a fi,
în acelasi timp, si proprietarul
întregului pamânt si stapânul
întregii omeniri.“ A.C. Cuza,
Apararea Nationala, nr.16, 15
Nov. 1922, an I) 26
Die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
1. National-Sozialismus, 1919-1920
2. „Archaische Gewalt“ – die antisemitische Studentenbewegung 1921-1923
3. Demonstrative Gewalt – Herausbildung einer gewaltorientierten, protofaschistischen, terroristischen Aktionsgruppe 1924-1928
4. Ländlicher Squadrismus, 1929-1932
5. Revolutionärer Hitlerismus, 1932/33
6. Wahlorganisation 1934-1937
7. Terroristische (vom Ausland aus agierende) Kadergruppe
8. Satellitenfaschismus
Ikone des Erzengels Michael
Bild der Verschwörer, 1924
Legionäre Frauenorganisation unter Nicoleta Niculescu (1933?)
Legionäres Arbeitslager zusammen mit Bauern (1936)
1940
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3. Demonstrative Gewalt – Herausbildung einer
gewaltorientierten, protofaschistischen, terroristischen
Aktionsgruppe 1924-1928
• Europa
– Wirtschaftliche Rekonstruktion
– Politische Konsolidierung
– Außenpolitische Zusammenarbeit
– Nach Matteotti-Mord faschistische Konsolidierung der Diktatur in Italien
• Spezifisch rumänische Ausgangsbedingungen
– Autoritäre Demokratie
– Wahlgesetz von 1926 nach faschistischem Vorbild
– Spaltung der Gesellschaft
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Protofaschistische Gewalt als „Ehrenopfer“ für die Nation
• Ziel der Terrorgruppe: Verhinderung einer Normalisierung des politischen Klimas
• Mittel: Terroristische Anschläge
• Handlungsrahmen: Freisprüche für Attentäter vor Gerichten
• Konsequenzen
– Ein autoritärer, aber durchsetzungsschwacher Staat
– Gewalt im Namen der Nation bleibt ungestraft
– Ein politischer Grundkonsens fehlt
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Oktober 1923: Verhinderter Mordplan Codreanus und anderer Aktivisten 28.3.1924: Anschlag Ion I. Motas auf den „Verräter“ Vernichescu 30.3.1924: Freispruch der Verschwörer 27.09.1924: Freispruch für Mota 25.10.1924: Codreanu ermordet den Polizeipräfekten von Iasi 26.5.1925: Freispruch für Codreanu 14.6.1925 Hochzeit Codreanus als öffentliches Schauspiel
Erfolg neuer Propagandaformen
Radiografia detaliată a procesului – desfăşurat în intervalul 20-26 mai 1925, în sala Teatrului din Turnu Severin, în prezenţa unui număr impresionant de susţinători – conţine şi o istorie cu totul inedită: cea a unui set de fotografii-cărţi poştale
„Charismatisierung“ des „erfolgreichen Widerstandes“ gegen das „verjudete“ System
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Der Weg in die faschistische Kanalisierung des Protests
• Problem: Mobilisierung ohne dauerhafte Strukturen
• Drei Alternativen, den Protest zu kanalisieren
– Politische Partei: LANC
– Uniunea Națională a Studenților Creștini din Romania (UNSCR 1925)
– Legion Erzengel Michael (24. Juni 1927)
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Organisatorische Festigung
• Aktivitäten der ersten Phase der Legion Erzengel Michael
– Verstreute Sympathisanten erfassen
– Eine eigene Zeitschrift lancieren
– Ausreichende Finanzen sichern
– Sich mit Cuza-Anhängern über den Zugriff auf die Infrastruktur der antisemitischen Bewegung prügeln
– Regionale Ausdehnung durch Unterwanderung vorhandener Organisationen
Eine der ersten Nummern des P.S. - 1927
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Die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
1. National-Sozialismus, 1919-1920
2. „Archaische Gewalt“ – die antisemitische Studentenbewegung 1921-1923
3. Demonstrative Gewalt – Herausbildung einer gewaltorientierten, protofaschistischen, terroristischen Aktionsgruppe 1924-1928
4. Ländlicher Squadrismus, 1929-1932
5. Revolutionärer Hitlerismus, 1932/33
6. Wahlorganisation 1934-1937
7. Terroristische (vom Ausland aus agierende) Kadergruppe
8. Satellitenfaschismus
Ikone des
Erzengels Michael
Bild der Verschwörer,
1924
Legionäre
Frauenorganisation unter
Nicoleta Niculescu (1933?)
Legionäres Arbeitslager
zusammen mit Bauern
(1936)
1940
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4. Ländlicher Squadrismus, 1929-1932
• Europäischer Kontext
– Weltwirtschaftskrise
– Scheinbare Stabilität in Italien
– Aufbegehren der „jungen Generation“
• Spezielle rumänischen Rahmenbedingungen
– Erfolgreiche Straßenpolitik: Massenkundgebung mit bürgerkriegsähnlicher Rhetorik der PNŢ (1926ff.)
– Weltwirtschaftskrise: Erwartungen an die PNŢ enttäuscht
– Rückkehr König Carols (6. Juni 1930)
– Ziel des Königs: Zerschlagung der großen Parteien, persönliche Herrschaft
– Soziale Unruhen Carol II.
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Eroberung des Landes
• Demonstrative Identifikation und Beteiligung an rechten Gewaltaktionen, Gewinnung neuer Gruppen
• Durchdringung und organisatorische Erfassung ländlicher Räume in der Moldau durch Propagandazüge
• Geplanter Marsch durch Bessarabien scheitert am Widerspruch der Regierung.
• Auf den Weg der Politik gezwungen: Nachwahlen (Neamţ: August 1931, Tutova: April 1932).
Mişcarea Legionară din
Maramureş. Cum au incendiat
legionarii casele evreilor din Borşa … Corneliu Zelea Codreanu)
primeşte o delegaţie din
Maramureş compusă din
preotul Ion Dumitrescu,
preotul Andrei Berinde şi
ţăranul Nicoară. Ei cer
Căpitanului sprijinul Legiunii,
pentru maramureşenii cotropiţi
de jidovime. De altfel a şi existat
o revoltă în Borşa contra
străinilor care au ocupat oraşul. …. în 1930-1931
numărul cel mai mare de
voturi din Borşa l-au obţinut legionarii. - adev.ro/nj6t26
In Borşa lebten 3.200 jüdische Familien
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Die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
1. National-Sozialismus, 1919-1920
2. „Archaische Gewalt“ – die antisemitische Studentenbewegung 1921-1923
3. Demonstrative Gewalt – Herausbildung einer gewaltorientierten, protofaschistischen, terroristischen Aktionsgruppe 1924-1928
4. Ländlicher Squadrismus, 1929-1932
5. „Revolutionärer Hitlerismus“, 1932/33
6. Wahlorganisation 1934-1937
7. Terroristische (vom Ausland aus agierende) Kadergruppe
8. Satellitenfaschismus
Ikone des Erzengels Michael
Bild der Verschwörer, 1924
Legionäre Frauenorganisation unter Nicoleta Niculescu (1933?)
Legionäres Arbeitslager zusammen mit Bauern (1936)
1940
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5. Revolutionärer Hitlerismus, 1932/33
• Europa – Weltwirtschaftskrise
– Wahlerfolge NSDAP und Machtübertragung
– Neue Diktaturen in Europa
• Verflechtungsgeschichte – Lebensphilosophie, Zivilisationskritik
– Generationendebatte
– Identitätsdebatte
– Korporatismus
– Faszination für die nationalsozialistische Revolution
• Spezifisch rumänische Bedingungen – Soziale Krise auf dem Land und in der Stadt
– Skoda-Skandal (Korruption)
– Zunehmend autoritäre Eingriffe der Regierung
– Arbeitslosigkeit der Intelligenz, neuerliche Krise an den Universitäten
– Innere Auflösung der Parteien
– Kritik an der Hofkamarilla
Datum Ereignis
Sept.
1932
Weitere Gehaltskürzung
für Staatsbeamte
Okt.
1932
Regierung Maniu
Jan.
1933
Regierung Vaida
Jan.
1933
Eisenbahnerstreik,
Streik der Erdölarbeiter
Feb.
1933
Gesetz über den
Belagerungszustand
Feb.
1933
Neuerliche
Gehaltskürzung für
Staatsbedienstete
März
1933
Skoda-Skandal
April
1933
Judenboykott in
Deutschland,
Solidaritätskundge-
bungen der Rechten in
Rumänien
Nov.
1933
Regierung Duca
Dez.
1933
Auflösung der Legion
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Hitlerismus und Aufschwung durch Gewinnung neuer strategischer Gruppen
Durchbruch: Herbst 1932
• Identifikation mit sozialer Gewalt als „legitimer Notwehr“
• Inszenierung einer solidarischen Gesellschaft
• Gewinnung neuer strategischer Gruppen
• Reorganisation
• Wahlkampf als Feldzug gegen einen durchsetzungsschwachen Staat
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Bilder des Aufbruchs 1932/33
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Bilder des Aufbruchs 1932/33
Senatorul fascist Eugenio Coselschi
(«universalismo fascista») vizitează
Casa Verde, novembrie 1933
Apare la 20 Octombrie 1932, Bucuresti. Printre fondatorii prestigioasei reviste s'au numarat: Ion Mota, Vasile Marin, Mihail Polihroniade. Colaboratori: Al. Constant, Vasile Christescu, N. Crainic, Ion V. Vojen, N. Rosu, Ion I. Cantacuzino, Vl. Dumitrescu, Stefan C. Ionescu, Arsavir Acterian, C. Noica, Paul Sterian, Radu Gyr, G. Zlotescu, Al. Bassarab, s.a. Interzisa de serviciul de cenzura, ultimul numar din aceasta prima serie apare la 23 Decembrie 1933. http://www.miscarea.net/ziarele.html
Jahr Mitgliederzahl (geschätzt)
1929 1.000
1930 6.000
1932 2,4% Wählerstimmen
1932/33 Hoher Mitgliederzuwachs
Dez. 1933 28.000 40
Die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
1. National-Sozialismus, 1919-1920
2. „Archaische Gewalt“ – die antisemitische Studentenbewegung 1921-1923
3. Demonstrative Gewalt – Herausbildung einer gewaltorientierten, protofaschistischen, terroristischen Aktionsgruppe 1924-1928
4. Ländlicher Squadrismus, 1929-1932
5. Revolutionärer Hitlerismus, 1932/33
6. Wahlorganisation 1934-1937
7. Terroristische (vom Ausland aus agierende) Kadergruppe
8. Satellitenfaschismus
Ikone des
Erzengels Michael
Bild der Verschwörer,
1924
Legionäre
Frauenorganisation unter
Nicoleta Niculescu (1933?)
Legionäres Arbeitslager
zusammen mit Bauern
(1936)
1940
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6. Wahlorganisation 1934-1937
Einschüchterung der Gegner, Christentumsretter und
ästhetisierte Volksgemeinschaft
• Europa – Konservative Konsolidierung und außenpolitische Erfolge Hitlerdeutschlands
– Spanischer Bürgerkrieg
– Rüstungswettlauf
• Spezifisch rumänische Bedingungen – Beschleunigte Industrialisierung
– Intellektuelles Proletariat
– „Königsregierung“ Tătărescu
– Zähmungsversuch
– Seit März 1937 Begrenzung der Handlungsfreiheit für die Legion
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Scheitern des revolutionären Hitlerismus
• Vor Neuwahlen Dez. 1933 Verbot der Legion
• Mordanschlag auf Ministerpräsident Ion G. Duca (29. Dez. 1933)
• Zwang zur permanenten Neuerfindung der Legion Prozess gegen die legionäre Führung
1934: 144 Verteidiger, z.T prominente Mitglieder der linken und rechten Opposition gegen die Regierung. Erklärt wird die Gewalttat als eine verständliche Reaktion auf ein Übermaß staatlicher Gewalt, Folge von Missbräuchen und Ungesetzmäßigkeiten autoritärer Politikaster, eines Terrorregimes von oben. Die Motive der Täter seien höchst altruistisch und guter nationaler Gesinnung gewesen. 43
Die Neuerfindung der Legion als gesellschaftliches Gegenmodell I
Arbeitslager Carmen-Sylva
Neue propagandistische Schwerpunkte • Antipolitikastertum • Soziales Gegenmodell zur korrupten
rumänischen Wirklichkeit • Inszenierung der Volksgemeinschaft und
Arbeit am nationalen Selbstverständnis • Stärkere Distanz zu Nationalsozialismus und
Faschismus • Nach der Ermordung Stelescus offizieller
Verzicht der Legion auf Gewalt.
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Die Neuerfindung der Legion als gesellschaftliches Gegenmodell II
• „Märtyrer“
Unten: Zugweg mit den Särgen von Moţa u. Marin
„Weil sie für Ihren christlichen Glauben kämpften, für die Ehre ihres Volkes, für all das, was zeitlos ist, was an der nichtbolschewistischen Latinität teuer und rein ist, haben zwei junge Rumänen, zwei kühne Männer ihr Leben gelassen. Sie fielen vor Madrid, das von den Roten verteidigt wurde.“ (Nicolae Iorga)
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Begrenzung der gegnerischen Abwehrkräfte
• Aufstellen von Todesschwadronen gegen Gegner der Legion (April 1936)
• Ermordung des „Verräters“ Mihai Stelescu (Juli 1936)
• Wahlnichtangriffspakt mit der nicht-karlistischen Regierungsopposition
„Stelescu befand sich damals in der Hauptstadt, im Spital Brîncovenesc. Ein Trupp von zehn Legionären, die mit Revolvern in der Hand ins Spital eingedrungen waren und unter den Kranken und dem Personal Entsetzen verbreiteten, feuerten 120 Schüsse auf Stelescu ab und zerstückelten anschließend seine Leiche mit Äxten. Die Urheber dieses sadistischen Verbrechens 'tanzten um die Fleischstücke herum, bekreuzigten sich, küssten einander und weinten vor Freude', wie die Berichte der Sigurantza verzeichneten.“
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Organisatorische Ausdehnung
• Encounter-Öffentlichkeit: Neue strategische Gruppen
• Medienöffentlichkeit
• Straßenöffentlichkeit
Wahlplakat 1937 „In einem neuen Land, stolz, Herrscher seines Landes zu sein“ 47
Soziale Bewegung: Der Wahlerfolg Dezember 1937- Höhepunkt und Grenze
• Ende 1937: soziale Bewegung
• Normale Abwehrmechanismen des rumänischen Parlamentarismus greifen 1937 nicht
• Die Legion - die einzig wirklich nationale Partei
• Allerdings nur in „aufgebrochenen Regionen“ (Modernisierungskrise)
• Die rumänische Politik hatte einen nicht geringen Anteil am Aufstieg der Legion
Oliver Jens Schmitt, Approaching the social
history of Romanian fascism
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Die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
1. National-Sozialismus, 1919-1920
2. „Archaische Gewalt“ – die antisemitische Studentenbewegung 1921-1923
3. Demonstrative Gewalt – Herausbildung einer gewaltorientierten, protofaschistischen, terroristischen Aktionsgruppe 1924-1928
4. Ländlicher Squadrismus, 1929-1932
5. Revolutionärer Hitlerismus, 1932/33
6. Wahlorganisation 1934-1937
7. Terroristische (vom Ausland aus agierende) Kadergruppe
8. Satellitenfaschismus
Ikone des Erzengels Michael
Bild der Verschwörer, 1924
Legionäre Frauenorganisation unter Nicoleta Niculescu (1933?)
Legionäres Arbeitslager zusammen mit Bauern (1936)
1940
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7. Terroristische (vom Ausland aus agierende)
Kadergruppe
• Spezifisch rumänische Rahmenbedingungen – Die Legion, einzige radikale Herausforderung – Widerstand gegen eine autoritäre Lösung
gebrochen – Königsdiktatur, Verbot jeglicher politischer
Tätigkeit (10. Feb. 1938) – Faschisierung des Systems (autoritäre Diktatur
Carols II.)
• Europa
– Diktaturen in weiten Teilen Europas – Deutschland bietet geflohenen Legionären
Unterschlupf – Erhöhter außenpolitischer Druck auf Rumänien
(Einbeziehung Rumäniens in einen südosteuropäischen Wirtschaftsraum)
Carol II.
Străjerii 50
Verselbständigung der legionären Gewalt unter der Bedingung der Diktatur
• Zerschlagung der legionären Organisation
• Es überleben kleine Gruppen junger, weniger bekannter radikaler Kräfte
• zahlreiche Anschläge
• Folge: Ermordung der Führungsschicht der Legion durch die Königsdiktatur
Nach der Ermordung von Ministerpräsident Armand Călinescu werden über 200 Führer der Legion öffentlich hingerichtet (Sep. 1939)
51
Die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
1. National-Sozialismus, 1919-1920
2. „Archaische Gewalt“ – die antisemitische Studentenbewegung 1921-1923
3. Demonstrative Gewalt – Herausbildung einer gewaltorientierten, protofaschistischen, terroristischen Aktionsgruppe 1924-1928
4. Ländlicher Squadrismus, 1929-1932
5. Revolutionärer Hitlerismus, 1932/33
6. Wahlorganisation 1934-1937
7. Terroristische (vom Ausland aus agierende) Kadergruppe
8. Satellitenfaschismus
Ikone des Erzengels Michael
Bild der Verschwörer, 1924
Legionäre Frauenorganisation unter Ncoleta Niculescu (1933?)
Legionäres Arbeitslager zusammen mit Bauern (1936)
1940
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8. Satellitenfaschismus
• Europa – Hitler-Stalin-Pakt
– Zweiter Weltkrieg
• Spezifisch rumänische Bedingungen
– Selbstgleichschaltung mit Deutschland (Mai / Juni 1940)
– Beteiligung von Legionären an der Regierung (Juni 1940)
– Trotzdem große Territorialverluste für Rumänien
– Gescheiterter legionärer Putsch (3. Sep. 1940)
– Abdankung des Königs (6. Sep. 1940)
– Rumänische Fehleinschätzung: der Legion als von Deutschland protegiert
– Deutsche Fehleinschätzung: Ion Antonescu, ein deutschfreundlicher Königsgegner
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Nationallegionärer Staat
• Keine Vermittlungsdiktatur (wie in Deutschland oder Italien)
• Machtkampf innerhalb der legionären Bewegung
• Unterschiedliche Vorstellungen zur Aufgabe der Legion
Ion Zelea Codreanu
Ion Antonescu u. Horia Sima, Herbst 1940
La 14 septembrie 1940, Romania este proclamata de catre noul rege Mihai I Stat National-Legionar iar Horia Sima este numit vicepresedinte al Consiliului de Ministri. D-l General Ion Antonescu este Conducãtorul Statului
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Faschistische Revolution
• Wandlung der Legion zu einer revolutionären sozialen Bewegung
• „Revolutionäre“ Aktivitäten
450 Misshandlungen 323 Verhaftungen ohne gesetzliche Grundlage 9 Morde ohne die Opfer des 26./27. Nov. 65 Tote als Racheakt gegen inhaftierte frühere Gegner der Legion am 26./27. Nov. (darunter N. Iorga u. V. B Madgearu)
In Galaţi nahmen Legionäre 60 Juden als Geiseln, um den „Frieden der anderen Juden“ in der Stadt sicherzustellen. In Arad beraubten Legionäre reiche Juden oder warfen sie für mehrere Tage ins Gefängnis. Die jüdischen Händler der Stadt durften jetzt nur noch wenige Stunden ihre Geschäfte öffnen.
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Konflikte der Legion mit Deutschland und Unterstützung durch Deutschland
• Zahlreiche Konfliktebenen
• Differierende Konfliktparteien
• Legionäre Rebellion, Januar 1941
• Entscheidung Hitlers zugunsten General Antonescus
Jüdische Leichen im Wald von Jilava nach der legionären Rebellion
Zerstörter sephardischer Tempel, Jan. 1941
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Zugänge
1. Faschismusanalyse und die Legion Erzengel Michael
2. Gesellschaftliche Modernisierungskonflikte im europäischen Zusammenhang. Ausbildung eines protofaschistischen Diskurses in Rumänien
3. Europäische Zeitgeschichte, Verflechtungsgeschichte und die Geschichte der Legion als Verlaufstypus
4. Fazit
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Fazit - Überblick
• Die Legion eine faschistische Bewegung
• Gesellschaftliche Modernisierungskonflikte im europäischen Zusammenhang
• Staatskrise, Gesellschaftskrise, die Legion als „politische Religion“ – die Ursachen der Gewalt
• Zeitgeschichte, Verflechtungsgeschichte, Faschismus als Verlaufstypus – Das Erlernen der Gewalt
• Gründe der Faszination für die Legion heute
• Vier Thesen
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Fazit: Die Legion eine faschistische Bewegung
Faschismus • Streben nach der Verwirklichung eines Klassen übergreifenden,
auf einer Politik der >Reinigung< aufbauenden autoritären nationalstaatlichen Ordnungsdenkens mit den Mitteln paramilitärischer Organisation und Gewalt (Michael Mann)
• Entscheidend für den Faschismus war nicht das kognitive Vorwissen um die Welt, sondern die Herausbildung eines spezifisch faschistischen Habitus (Kampfbund, charismatischer Führer, männerzentrierter Kameradschaftskult, emotionaler Zusammenhalt, Kampferlebnis) (Sven Reichardt)
• Faschistische Organisationen waren Mischorganisationen mit teils bündischer, teils paramilitärischer und teils parteimäßiger Struktur und daraus resultierenden polykratischen Machtverhältnissen, die nur durch das „Charisma“ des Führers gebündelt wurden (Schieder, Sven Reichardt)
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Fazit: Gesellschaftliche Modernisierungskonflikte im
europäischen Zusammenhang
• Legion – ein Phänomen der gesamteuropäischen Geschichte (Epoche des Faschismus)
• Ursache: Gleichzeitigkeit mehrerer Modernisierungskrisen (Industrialisierung, Nationsbildung, Demokratisierung)
• Verschärfung der Modernisierungskrisen durch den Ersten Weltkrieg • Erhöhte gesellschaftliche Heterogenität • Wendung des Nationalismus nach innen • Suche nach einer neuen nationalen Identität • Enttäuschte gesellschaftliche Aufstiegserwartung • Kritik an der Realität von fripturism (=trasformismo) und
Abgehobenheit der clasa politică (=classe dirigente) • Militarisierung der Politik • Ineffizientes staatliches Gewaltmonopol als Folge klientilistischer
Staatlichkeit und autoritärer Legitimationsschwäche • Bewusste Zerstörung des parlamentarischen Systems aus der
Unfähigkeit der politischen Führungsschichten, untereinander Kompromisse zu finden
• Zähmungskonzept mit dem Ziel der Etablierung einer autoritären Herrschaft
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Staatskrise, Gesellschaftskrise, die Legion als „politische
Religion“ – die Ursachen der Gewalt
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Drei Ebenen der Herstellung sozialer Friedfertigkeit (Artikel „société“ der Encyclopédie von Diderot und d‘Alembert) • Staat – Gesetz: gebunden an Nachweisbarkeit und Verfolgung von
Verbrechen • Gesellschaft – Normen: gebunden an Milieu und sozialer Einbindung • Religion – Gebote: ubiquitär Rumänien 1918-1941 • Durchsetzungsschwacher, schlecht beleumundeter Staat • Gesellschaft, die tief gespalten ist und in der Formen gewaltbereiter
Selbsthilfe nicht ungewöhnlich sind • Die Legion als „politische Religion“ -> Inszenierung der Gewalt als
religiöse Tat (Säuberungsfuror, Täter = Märtyrer, Inszenierung einer eigenen solidarischen Gegenwelt)
Fazit: Zeitgeschichte, Verflechtungsgeschichte, Faschismus
als Verlaufstypus – Das Erlernen der Gewalt
Wandel der Gewaltformen 1. National-Sozialismus, 1919-1920 2. Archaische Gewalt – die antisemitische Studentenbewegung 1921-1923 3. Demonstrative Gewalt – Herausbildung einer gewaltorientierten, protofaschistischen, terroristischen Aktionsgruppe 1924-1928 4. Ländlicher Squadrismus, 1929-1932 5. Revolutionärer Hitlerismus, 1932/33 6. Wahlorganisation 1934-1937 7. Terroristische (vom Ausland aus agierende) Kadergruppe 8. Satellitenfaschismus
Vielfacher Wandel der Legion im Zeitverlauf (Faschismus als Chamäleon, hohe Anpassungsfähigkeit aufgrund fehlender fester ideologischer Basis) • Gewaltformen • Propagandaformen • Unterschiedliche Ansprache von Gruppen • Differierende Anhängerschaft Ausdruck von • Generationenkonflikt • Demokratisierungskrise => geringer werdenden traditionelle
Bindungen an die jeweilige Regierung • Zusammenbruch und Unterwanderung intermediärer
Strukturen (Orthodoxe Kirche, lokale Milieus) • Legion band Modernisierungsverlierer und
Modernisierungsbefürworter an sich • Hoffnung auf charismatische (außeralltägliche) Erneuerung
(Krisenphänomen)
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Fazit – Gründe der Faszination für die Legion
• Geschichtspolitisch motivierte Verengung auf die Jahre 1937/38 Buch eines italienischen Neofaschisten über einen der Legion nahestehenden Intellektuellen (Claudio Mutti)
Verlag Antaios - Autoren Joachim Fernau Armin Mohler Ernst Nolte Karlheinz Weißmann …
The Legionary Doctrine Christopher Thorpe
«Belborn», «Codreanu – Eine Erinnerung an den Kampf»
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Corneliu Codreanu 1937
Fazit: Vier Thesen
1. Die Modernisierungsgeschichte Rumäniens unterscheidet sich deutlich von der Deutschlands und Italiens. Dennoch erlebte das Land die Krisen der Moderne und die Folgen des Ersten Weltkriegs ähnlich wie die Länder des klassischen Faschismus (Gleichzeitigkeit mehrerer Modernisierungskrisen).
2. Die Geschichte des Faschismus ist die Geschichte eines vielfachen Formenwandels. Dies gilt auch für die Legion. Insofern ist es wichtig, ihre Geschichte von 1919 bis 1941 als Verlaufsprozess zu betrachten.
3. Von Beginn an ist die Geschichte der Legion auch eine Geschichte der Gewalt und des Formenwandels der Gewalt. Insofern reflektiert die Geschichte der Legion die Geschichte Rumäniens als extrem gewalttätige Gesellschaft (Christian Gerlach).
4. Zugleich spiegelt die Geschichte der Legion die Verflechtungen der europäischen Gesellschaften.
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