die neue gedenkstätte in erichshagen-wölpe · architekturbüros hindahl wäre eine umsetzung...

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1 Die neue Gedenkstätte in Erichshagen-Wölpe (Stadt Nienburg/Weser) an der Evangelisch- lutherischen Corvinuskirche (eingeweiht am 8.Mai 2007) Die neu gestaltete Gedenkstätte an der Erichshagener Corvinus-Kirche

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    Die neue Gedenkstätte

    in

    Erichshagen-Wölpe(Stadt Nienburg/Weser)

    an der

    Evangelisch- lutherischen Corvinuskirche

    (eingeweiht am 8.Mai 2007)

    Die neu gestaltete Gedenkstätte an der Erichshagener Corvinus-Kirche

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    Das Konzept der neuen Gedenkstätte

    Schon seit der Errichtung der ersten Ge-denkstätte im Jahr 1923 ist der Platz ander Evangelisch-lutherischen Corvinus-kirche der Ort in Erichshagen-Wölpe, andem der in den Weltkriegen Gefallenen,Vertriebenen und Vermissten gedachtwird. Und immer schon ist dieser Ort derErinnerung ein Ort der Mahnung gewe-sen.

    Durch die Jahre hindurch hat das Erichs-hagener Ehrenmal mehrfach eine Um-gestaltung und Restaurierung erfahren.Mit Beginn des 21. Jahrhunderts zeigtesich das zuletzt 1987 unter Verwendungvorhandener Namensplatten aus Sand-stein neu errichtete dritte Denkmal in ei-nem stark renovierungsbedürftigen Zu-stand. Die Namen waren kaum noch zulesen und die gesamte Konstruktion er-wies sich aufgrund starker Frost- und

    Wasserschäden als baufällig.

    Im Zusammenhang mit der Kirchen-visitation im Jahr 2005 durch denNienburger Superintendenten entstand ineinem Gespräch mit dem Ortsbürger-meister des Ortsteiles Erichshagen so-wie dem Pastor der KirchengemeindeErichshagen die Idee zu einer völligenNeugestaltung der Gedenkstättes. Ange-dacht wurde eine Gedenkstätte, die dieThematik auch jüngeren Menschen neuzugänglich machen sollte. Dabei wurdedie Idee einer begehbaren Gedenkstättemit verschiedenen Stelenelementen ent-wickelt.

    Erste Gesprächen im ErichshagenerOrtsrat zeigten eine große Offenheit, indiese Richtung zu planen.Sichtbare Gestalt bekamen die Ideen

    Entwurf: Büro Hindahl, Nienburg

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    Die weiteren Gestaltungselemente

    durch den Entwurf des NienburgerArchitekturbüros Hindahl.Einig waren sich alle an den Überlegun-gen Beteiligten darin, dass möglichst vieleder Bestandteile der alten Gedenkstättewieder verwendet werden sollten. Auchdie Namen auf den Sandsteinplatten deralten Gedenkstätte sollten unverändertübernommen werden. Andererseits soll-ten moderne Materialien und Gestaltungs-elemente ein neues Hinsehen und Nach-denken anstoßen.Der zur Ausführung gekommene Entwurfhat die genannten Aspekte berücksich-tigt: Es ist eine offene Form entstanden,die zum Hinsehen, Entdecken und Be-wegen einlädt. Aus jeder Blickrichtungzeigt sich die transparente Gedenkstättemit einem anderen Gesicht.Sie besteht aus Mauerelementen, die ausSteinen der alten Gedenkstätte erstelltwurden, aus einem Pult mit zwei Tafelnebenfalls aus dem alten Denkmal sowieaus fünf Glasstelen, von denen drei dieNamen der in den Weltkriegen ums Le-ben Gekommenen wiedergeben.Eine weitere Glasstele gibt das Wort‘Frieden’ in verschiedenen Sprachen un-serer Welt wieder. Die fünfte zweiteiligeTafel enthält ein Bibelwort. Sie um-schließt ein Kreuz aus Cor-Ten Stahl.

    DDDDDIEIEIEIEIE WEITERENWEITERENWEITERENWEITERENWEITEREN

    GGGGGESTALTUNGSELEMENTEESTALTUNGSELEMENTEESTALTUNGSELEMENTEESTALTUNGSELEMENTEESTALTUNGSELEMENTE

    In die Abdeckplatten - ebenfalls aus dem

    alten Denkmal stammend - der unter-schiedlich hohen und mit Durchbrüchenund Durchgängen versehenen Mauernwurden einzelne Begriffe geprägt, die dieGedanken der mahnenden Erinnerung

    Würde

    Gerechtigkeit

    Toleranz

    Freiheit

    Die eine Welt

    Zukunft

    Mahnung

    Erinnerung

    Versöhnung

    Trauer

    Begegnung

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    Von der Idee zur Verwirklichung

    und der gestaltenden Zu-kunft aufnehmen.Auf dem Kopf steht ausdem Begriff ‘die eine Welt’das Wort Welt. Um diesesWort richtig lesen zu kön-nen, ist - so der Gedanken-anstoß - eine Veränderungdes eigenen Standpunkteserforderlich.

    Für das Kreuz der Gedenk-stätte wurde als Materialbewusst Cor-Ten-Stahlverwendet. Durch einespezielle Legierung setztdieser Stahl Rost an undwird damit individuell ver-schieden geprägt. Anderer-seits erweist sich das Ma-terial als widerstandsfähigund im weiteren Rosten be-grenzt.

    Für die Stelen wurde alsMaterial Glas verwendet,wodurch eine Verbindungvon Vergangenheit und Ge-genwart entsteht:

    Als Betrachter lese ich dieNamen, die mich in die Ver-gangenheit mitnehmen. An-dererseits sehe ich durchsie hindurch das Gegen-wartsleben auf der Cellerund der Wölper Straße.

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    Die Glastafeln der Gedenkstätte

    Innerhalb der Pflasterfläche fin-det sich ein im Boden eingelas-sener Spiegel. Er spiegelt beientsprechendem Blickwinkeldas Gesicht der Betrachterinoder des Betrachters und lässtdiese und diesen so zu einemTeil der Gedenkstätte werden.

    Bei anderem Blickwinkel zeigtder Spiegel ein Stück Himmelund nimmt den christlichen Ge-danken auf, dass Frieden ohneBerücksichtung himmlischerDimensionen nicht dauerhaftsein wird.

    Das Wort ‘Frieden’ gibt eine derGlasstelen in verschiedenen Spra-chen wieder.

    Bei der Auswahl der verwendetenSprachen waren dabei ohne An-spruch auf Vollständigkeit zwei Kri-terien maßgeblich:

    Zum einen sollten die Sprachen derOpfer beider Weltkriege verwen-det werden. Zum anderen solltenaber auch wichtige Sprachen derGegenwart aus allen KontinentenAufnahme finden.

    Griechisch

    DEUTSCH

    RUSSISCH

    TÜRKISCHLATEIN

    ARABISCH(SALAAM)

    ITALIENISCHFRANZÖSISCH

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    Die Glastafeln der Gedenkstätte

    ENGLISCH/SINTI

    HEBRÄISCH

    SPANISCH/PORTUGIESISCHund LATEINAMERIKA

    ZULU

    INDISCH

    NIEDERLÄNDISCHAFRIKAANS

    CHINESISCH

    POLNISCH

    DDDDDIEIEIEIEIE G G G G GEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTE

    BEIBEIBEIBEIBEI VERSCHIEDENENVERSCHIEDENENVERSCHIEDENENVERSCHIEDENENVERSCHIEDENEN

    WWWWWETTERLAGENETTERLAGENETTERLAGENETTERLAGENETTERLAGEN

    Nicht vorherzusehen war, wiesehr sich die Gedenkstätte beiunterschiedlichen Wetterla-gen zeigt:Bei Regen sammelt sichWasser auf den dicken Schei-ben der Gedenkstätte undläuft tränengleich hinunter.Nach frostkalten Nächtensind die Glasplatten weiß be-reift und sehr gut lesbar.Schnee läßt die Scheiben

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    Die Glastafeln der Gedenkstätte

    bläulich schimmern und hüllt die ganzeGedenkstätte kissengleich ein.

    Besonders transparent zeigt sich die Ge-denkstätte bei sonnigem Wetter. Auch dieSchattenwürfe bei unterschiedlichenSonnenständen verändern den Eindruckder Gedenkstätte.Sie verändert sich in ih-rer Wirkung nicht nur abhängig von denjeweiligen Wetterlagen, sondern auch ab-hängig vom jeweiligen Standort der Be-trachterin oder des Betrachters.

    DDDDDIEIEIEIEIE N N N N NAMENAMENAMENAMENAMEN INININININ DERDERDERDERDER

    GGGGGEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTE

    Die Namen auf den drei Glasstelen wur-den - auch in der abgekürzten Schreib-weise der Vornamen - exakt von den Ta-feln des alten Denkmals übernommen.Ergänzt wurden nach Recherchen zweiSchwestern, die im Rahmen des „Pro-grammes zur Reinerhaltung der deut-schen Rasse“ in Lagern der Nationalso-

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    Die Glastafeln der Gedenkstätte

    zialisten umgebracht wurden.

    Dass sich ein Name mit dem Todesjahr1956 auf der Gedenkstätte befindet, hatseinen Grund darin, dass jener Mann inFolge seiner Lagerhaft erkrankte undspäter starb. Ins Lager war er wegenWiderstandshandlungen gegen die Natio-nalsozialisten gekommen.

    Sicherlich war es schon damals nichtmöglich, die Namen all derer zu nennen,die während der in Folge der Weltkriegeihr Leben verloren haben. Ihnen gilt derAbschlusssatz auf der dritten Tafel:

    ...und den vielen Frau-

    en, Männern, Kin-

    dern, deren Namen

    hier nicht genannt

    wurden.

    DDDDDIEIEIEIEIE V V V V VERWIRKLICHUNGERWIRKLICHUNGERWIRKLICHUNGERWIRKLICHUNGERWIRKLICHUNG DERDERDERDERDER

    GGGGGEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTEEDENKSTÄTTE

    Die Umsetzung der Gedenkstätte konn-te nur gelingen, weil sich alle verantwort-lichen Kräfte innerhalb des Ortsteiles

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    Die Glastafeln der Gedenkstätte

    Erichshagen gemeinsam dafür eingesetzthaben. Insbesondere dem Engagementvieler Menschen bei mehreren Arbeits-einsätzen ist es zu verdanken, dass dieGedenkstätte realisiert werden konnte.Bis auf das Gießen der Fundamente unddie Montage der Glasstelen sowie des

    Kreuzes wurden alle Pflaster-, Gelände-und Maurerarbeiten in Eigenarbeit er-bracht. Auch der Abtrag des alten Denk-mals sowie die Aufarbeitung der altenBaustoffe wurde weitgehend ehrenamt-lich geleistet.Ohne die Finanzmittel, die von der Stadt

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    Die Glastafeln der Gedenkstätte

    Nienburg und aus den Erlösen zweierAdventsmärkte im Ortsteil kamen, undvor allem ohne den unermüdlichen undunentgeltlichen Einsatz des NienburgerArchitekturbüros Hindahl wäre eineUmsetzung nicht möglich gewesen.Das gilt ebenso für Spenden in Form von

    Geldbeträgen und unentgeldlichen Sach-leistungen, die verschiedene Firmen undEinrichtungen in die Gedenkstätte einge-bracht haben.

    Aus dem Ortsteil waren mit dabei: Man-fred Krugel, Friedhelm Meyer, Gerd Pe-

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    Die Glastafeln der Gedenkstätte

    ters, Günter Harmeling, Gerd Dreppen-stedt, Klaus Goronczy, Hermann Kamm-ler, Manfred Blümel, Willi Pflüger, TimHauschildt, Klaus Wilhelmi, AndreasIber, Heinz-Dieter Rohlfs, Hans-JürgenStock, Frank Zoll, Friedhelm Frerking.

    Spenden in Form von Geldmitteln oder

    Sachleistungen erhielten wir von den Fir-men Baugeschäft Kolnsberg, GrabmaleSchneider, Helmut von der Behrends,Metallbau Beck, die Glaserei Nienburg,Rexam Glas Nienburg.Ausserdem erhielten wir eine Spende derVolksbank Nienburg.

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    Zur Geschichte der Gedenkstätte

    Nach dem ersten Welt-krieg (1914-1918) wurdeam Ort der jetzigen Ge-denkstätte ein Denkmalfür die Gefallenen undVermissten aus dem er-sten Weltkrieg errichtet.Es wurde am 15.April1923 mit einer feierlichenHandlung eingeweiht.

    Die in diesem Denkmalverwendeten Namens-platten aus Sandsteinwaren schon nach eini-gen Jahren schlecht le-serlich geworden. Daherwurden im Stil der dama-ligen Zeit polierteschwarze Platten mit bes-ser lesbaren Namen inGoldschrift aufgesetzt.Beide Plattensätze sindbis heute erhalten. DieSandsteinplatten stehen inder Nähe der neuen Ge-denkstätte auf demgelände an der Kirche.Zwei der schwarzen Plat-ten existieren ebenfallsnoch. Eine Entscheidungüber ihre weitere Ver-wendung steht noch aus.Aus vorliegenden Protokollen geht her-vor, dass in der Gemeinderatssitzung am9. Dezember 1955 auf Antrag derKyffhäuser-Kameradschaft der Be-

    Das erste Ehrenmal aus dem Jahr 1923 mitden Namen der Gefallenen und Vermissten

    aus dem 1.Weltkrieg (1914-1918)

    schluss gefaßt, das Denkmal umzugestal-ten, um die Namen der im zweiten Welt-krieg (1941-1945) Gefallenen undVermissten aufnehmen zu können. Dazu

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    Zur Geschichte der Gedenkstätte

    solle, so das Protokoll, eine öffentlicheGemeindeversammlung stattfinden. ZumVolkstrauertag 1958 konnte die Umge-staltung abgeschlossen werden. Dabeiwurden die Namen aus dem ersten Welt-krieg in dieser Gedenkstätte aufSandsteinplatten übernommen. Die Na-

    men aus dem zweiten Weltkrieg wurdenin eine mehrteilige Sandsteinplatten rundum die Abbildung eines gekreuzigtenChristus eingearbeitet.Am 16. November 1958 wurde die um-gestaltete Gedenkstätte eingeweiht.1987 waren neue Anstrengungen der

    Die neuen schwarzen Tafeln im Denkmal aus dem Jahr 1923.

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    Zur Geschichte der Gedenkstätte

    Erichshagener Einwohnerschaft erforder-lich, da sich das Ehrenmal in einem bau-lichen schlechten Zustand befand. Mitstarkem ehrenamtlichen Einsatz wurdedas aus Granitbruchsteinen aufgemauerteDenkmal abgetragen. Das neue Denk-mal wurde etwas tiefer gelegt, um denBlick auf die Kirche stärker freizugeben.Die Namensplatten aus der alten Ge-

    Das am Volkstrauertag 1958 eingeweihte Erichshagener Denkmal

    denkstätte wurden in der neuen Gedenk-stätte unverändert wiederverwendet.Mit einer zusätzlich eingefügten Platte mitder Inschrift ‘Friede sei über ihren Grä-bern-Friede sei mit euch’ sei, so der da-malige Bürgermeister Friedhelm Frerkingaus dem Ehrenmal ein Mahnmal für Frie-den weltweit entstanden.Im Jahr 2006 mußte diese Gedenkstätte,

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    Zur Geschichte der Gedenkstätte

    Das 1987 errichtete Denkmalkurz vor seinem Abbruch im

    Jahr 2006.Blick auf die Tafel mit der

    Christusfigur und den Namenaus dem 2. Weltkrieg. Auf dem

    Bild oben die Tafeln mit denNamen aus dem 1.Weltkrieg

    Diese Tafel ausder alten

    Gedenkstättewurde in die

    neueGedenkstätte

    einbezogen

    nun ebenfalls stark baufällig und durchForstschäden angegriffen, abgerissenwerden. Über die Gedenkstätte, diean ihrer Stelle errichtet und am8.Mai 2007 eingeweiht wurde,wird auf den vorderen Seiten aus-führlich informiert.Mit der Fertigstellung im Mai

    2007 ist nach dem viermaligen Umbauaus einem ehemaligen Kriegerdenkmaleine Gedenkstätte geworden, die auchfür zukünftige Generationen mit den mah-nenden Inschriften dieser Städte geltenmöge.

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    Die neue Gedenkstätte in Erichshagen

    Ver - leih uns Frie - den gnä - dig - lich,

    Herr Gott, zu un - sern Zei - ten.

    Es ist doch ja kein and - rer nicht,

    der für uns könn - te strei - ten,

    denn du, un - ser Gott, al - lei - ne.

    Text und Melodie

    Martin Luther, 1529

    ImpressumHerausgegeber: Kirchenvorstand der Evangelisch-lutherischen Corvinus- Kirchenge-meinde, 31582 Nienburg-Erichshagen, Wiesengrund 31, 05021-889605Text und Layout: Andreas Iber

    Die Erichshagener Gedenkstätte im Winter

    Diese Informationsbro-schüre wurde zur Einwei-hung der neuen Gedenk-stätte am 8.Mai 2007 her-ausgegeben.Sie informiert über denWerdegang der neuen Ge-denkstätte sowie die Be-deutung ihrer Elemente.Zugleich ruft sie die Ge-schichte der unterschied-lichen Ehrenmäler an die-ser Stelle seit 1923 in Erin-nerung.