die wintersaateule agrotis segetum schiff. und ihre bedeutung als landwirtschaftlicher schädling

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Die Winfersaafeule Agrotis segetum Schiff. und ihre Bedeufung als landwirfschaff licher Schadling. Von R. Kleine, Stettin. (Mit einer Karte.) Vorbemerkung. Er nimmt die alljahrlich niehr oder weniger grossen Beschadigungen sei&r Kulturen, sei es durch Tiere oder pflanzliche Parasiten, als etwas Gegebenes hin - leider. Wenn aber die Sache eine Ausdehnung annimmt wie die segetum-Kalamitaten in den Jahren 1915 und 1917, dann wird auch ihrn die Sache zu bunt und er fangt an, sich ernstlich darum zu kiimmern. Die durch die Raupe in den genannten Jahren angerichteten Verheerungen waren 1915 gross, 1917 geradezu katastrophal. Der Verlust liegt nicht allein im Minderertrag an Hackfriichten, er druckt auch die Grundrente ganz crheblich und vor allen Dingen, er hat das schon an sich sehr schwierige Durchhalten unseres Viehbestandes aufs ausserste erschwert und damit die bedrohte Volks- ernahrung direkt gefahrdet. Ich habe daher mit Zustimmung meiner Behorde (Landwirtschaftskammer), nachdem wir zwei Verheerungen durch segetum dicht hintereinander erlebt haben, den Versuch gemacht, unter dem frischen Eindruck des Geschehenen, das notige Material zu sammeln und soweit moglich zu sichten und zu ver- arbeiten. Das Beobachtungsgebiet ist die Provinz Pommern.1) Samtliche Kreise wurden mit einem dichten Netz von Beobachtungsstationen iiberzogen. Soweit moglich, sind nur bekannte Wirtschaften, deren Besitzer bzw. deren Ver- waltung geeignet erschien, zur Mitarbeit herangezogen worden. Von den Um- fragen sind ungefahr 80 o/,, beantwortet eingegangen. Alle unsicheren oder un- vollstandigen Antworten sind nicht beriicksichtigt. Um Irrtumer zu vermeiden, wurden alle Fragen prlzis gestellt. Oft sind von den Befragten noch reichliche Erklarungen, zum Teil mit Zeichnungen und Situationsplanen gegeben. Die Um- frage hat also bewiesen, dass es wohl moglich ist, wenigstens einen grossen Teil der Landwirte zur Mitarbeit heranzuziehen. Es ware naturlich erwiinscht gewesen, die Biologie sogleich mit auf- zuarbdten. Was die Literatur hieriiber vom Standpunkte der praktischen Land- Der deutsche Bauer vertragt viel. *) Fur Mecklenburg hat Dr. Z i m m e r m a n n in Fiihlings Landw. Zeitnng seine Man vergleiche die dort gewonnenen Ergeh- Eindrucke und Erfahrungen niedergelegt. nisse rnit den meinigen.

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Page 1: Die Wintersaateule Agrotis segetum Schiff. und ihre Bedeutung als landwirtschaftlicher Schädling

Die Winfersaafeule Agrotis segetum Schiff. und ihre Bedeufung als landwirfschaff licher Schadling.

Von

R. Kleine, Stettin.

(Mit einer Karte.)

Vorbemerkung. Er nimmt die alljahrlich niehr oder

weniger grossen Beschadigungen sei&r Kulturen, sei es durch Tiere oder pflanzliche Parasiten, als etwas Gegebenes hin - leider. Wenn aber die Sache eine Ausdehnung annimmt wie die segetum-Kalamitaten in den Jahren 1915 und 1917, dann wird auch ihrn die Sache zu bunt und er fangt an, sich ernstlich darum zu kiimmern.

Die durch die Raupe in den genannten Jahren angerichteten Verheerungen waren 1915 gross, 1917 geradezu katastrophal. Der Verlust liegt nicht allein im Minderertrag an Hackfriichten, er druckt auch die Grundrente ganz crheblich und vor allen Dingen, er hat das schon an sich sehr schwierige Durchhalten unseres Viehbestandes aufs ausserste erschwert und damit die bedrohte Volks- ernahrung direkt gefahrdet.

Ich habe daher mit Zustimmung meiner Behorde (Landwirtschaftskammer), nachdem wir zwei Verheerungen durch segetum dicht hintereinander erlebt haben, den Versuch gemacht, unter dem frischen Eindruck des Geschehenen, das notige Material zu sammeln und soweit moglich zu sichten und zu ver- arbeiten. Das Beobachtungsgebiet ist die Provinz Pommern.1) Samtliche Kreise wurden mit einem dichten Netz von Beobachtungsstationen iiberzogen. Soweit moglich, sind nur bekannte Wirtschaften, deren Besitzer bzw. deren Ver- waltung geeignet erschien, zur Mitarbeit herangezogen worden. Von den Um- fragen sind ungefahr 80 o/,, beantwortet eingegangen. Alle unsicheren oder un- vollstandigen Antworten sind nicht beriicksichtigt. Um Irrtumer zu vermeiden, wurden alle Fragen prlzis gestellt. Oft sind von den Befragten noch reichliche Erklarungen, zum Teil mit Zeichnungen und Situationsplanen gegeben. Die Um- frage hat also bewiesen, dass es wohl moglich ist, wenigstens einen grossen Teil der Landwirte zur Mitarbeit heranzuziehen.

Es ware naturlich erwiinscht gewesen, die Biologie sogleich mit auf- zuarbdten. Was die Literatur hieriiber vom Standpunkte der praktischen Land-

Der deutsche Bauer vertragt viel.

*) Fur Mecklenburg hat Dr. Z i m m e r m a n n in Fiihlings Landw. Zeitnng seine Man vergleiche die dort gewonnenen Ergeh- Eindrucke und Erfahrungen niedergelegt.

nisse rnit den meinigen.

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wirtschaft bietet, ist ganz minimal, es muss vollstandig neu angefangen werden, und zwar unter Berucksichtigung der 1 a n d w i r t s c h a f t 1 i c h e n Anspruche. Wahrend des Krieges konnte die Arbeit aber, des unifangreichen Aussendienstes wegen (ich bin 10 Monate im Jahre unterwegs) nicht vorgenommen werden.

Es schien mir aber notig, die in der Praxis gemacliten Beobachtungen festzulegen, urn sie spater zu verwerten. Eine spatere Umfrage hatte nichts mchr ergeben.

Es ist mir, namentlich von forstlicher Seite, vorgehalten, die Schadiger scien nicht ausschliesslich segetum gewesen. Vorlaufig muss ich aber dabei bleiben. Ich habe 1917 noch gegen 1000 Falter im Herbst zur Entwicklung ge- bracht, es waren nur segetum und sonst nichts. Im Forst mag das anders seinl) und Verwechslungen mit vestigialis Rott. leicht vorkommen, im Acker durfte aber nur segetum allein als Schadiger in Frage kommen.

Das Beobachtungsgebiet. Zur Illustricrung der Refallstarke habe ich eine Karte der Provinz

Pommcrn beigcfugt, in der die verschiedene Befallintensitat, soweit sie sich auf Grund unseres Materials ermitteln liess, fcstgetellt wordcn ist. Es war leider nicht moglich, das Kartenbild vollstandig zu geben, woil in einzclnen Gegenden die Berichterstattung zu unvollstiindig gewesen ware. Andcrerseits ist die Provinz sehr weit von Wald, Moor, Wiesen und Weiden bedeckt, in denen not- wendigerweise leero Stcllen entstehen mussen. Die Gegenden mit gekreuzten Linien bezeichnen sehr starkcn Befall, die nur schrag linierten Gebiete mittel- massig bis stark, die schwarzen Gebiete dagegen solche, in denen die An- wesenheit der segetum-Raupe vorneint wurde. Dass es sich nicht urn ober- flachliche Beobachtung handelt, ergibt sich daraus, dass immer mehrere Be- obachtungsstellen den Bcfall in Abrede gestellt haben. Es ist anzunehmen, dass die Gegcnden mit vorherrschend starkem Befall sich weiter ausdehnen als das Kartenbild ergibt, die mittelstarken Befallgegenden, soweit iiberhaupt Aclrer bebaut wird, vorherrschen und nur die wenigen Gegenden, in denen man das Auftreten direkt verneint hat, als frei oder fast frei angesehen werden miissen.

Es ist also sicher, dass die Provinz nicht einheitlich schwer heimgcsucht ist, obwohl es keinc Gegcnd gibt, in dcr die Raupe nicht mehr oder wenigcr stark aufgctreten ware. In Wirklichkcit sind die verschicdenen Befallstarken uber die game Provinz verteilt und es ergibt sich daraus, dass sowohl die kli- matischen Zustiinde wie dio Rodenverhaltnisse keincn Einfluss auf die Ent- wicklung der Raupe ausgeiibt haben.

tfberwicgend steht die Provinz unter dem Einfluss des Seeklimas; weiter nach dem Innern zu machen sich auch bereits Einfliisse kontinentalen Klimas bemerkbar. Vorpommern ist ausschliesslich sehr guter fruchtbarer Boden. Bodenerhcbungen sind nicht vorhanden. Die Waldbedeckung ist erheblich gcringer als in Hinterpommcrn. Erst in der Nahe des Haffs, namentich auf desscii Siidwestseitc, wird dcr Boden lcicht und sandig. Die sudlieh(~n Teile der Provinz zeichnen sich wieder durch sehr guten Boden aus, wahrend das

11 cfr. N ti s B 1 i n , Leitfiiden der Forstinsekt'enknnde. 9. 289.

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iibrige Mittelpommern durchgangig Ieichteren Boden besitzt. Es sind das die- jenigen Gegenden, in denen der Kartoffel- und Kohlriibenbau stark ausgedehnt ist, im Gegensatz zu Vor- und Siidpommern, wo der Riibenbau noch grossere Flachen einnimmt. Der leichte Boden geht verhlltnismassig weit nach Osten, nur an der Kiiste und in den ostlichsten Kreisen tritt wieder besserer Boden hervor. Mittel- und Hinterpommern unterscheiden sich von Vorpommern da- durch, dass sie keineswegs so eben sind wie dort, Mittelpommern vor allen Dingen ein welliges Hugelland, Hinterpommern dadurch, dass sich der baltische Landriicken weit in das Land hineinschiebt, mit stark hugeligem Charakter.

In Vorpommern ist der Boden vor allen Dingen sandiger Lehm oder auch direkt lehmig, auch im siidlichen Pommern ist das noch uberwiegend der Fall, Mittelpommern dagegen meist lehmiger Sand in allen Uberggngen bis zum Flugsand. Auch in Hinterpommern setzen sich diese Boden noch in den siid- lichsten Kreisen fort und nur an der Kiiste treten durchgangig wieder Boden von lehmig-sandiger Struktur hervor. Wahrend der Boden in Vorpommern auch in sich ausgeglichener ist, ist das von Mittel- und Hinterpommern nicht zu sagen, vielmehr wechseln die einzelnen Bodenarten in sich ausserst stark und oft auf sehr kleinen Flachen. Wenn also auch die Boden im grossen und ganzen auf grosseren Flachen als ausgeglichen gelten konnen, so sind doch im einzelnen die denkbar grossten Unterschiede, die die segetum-Raupe antrifft und zu iiberwinden hat. Es ist auch nicht unwahrscheinlich, dass die segetum- freien Gebiete viellejcht durch die Bodenverhaltnisse und die dadurch notig ge- wordene besondere Wirtschaftsweise zuriickgehalten worden sind, denn dass sich auch in gefahrdeten Jahren die Befallstarke sehr herabdriicken lasst, werde ich in spateren Abschnitten noch auseinandersetzen.

Die Witterungsverhaltnisse sind in einem folgenden Abschnitt genau be- sprochen. Vergleicht man die H e l l m a n n sche Regenkarte von Pommern, so ergibt sich, dass Vorpommern, grosse Teile Mittelpommerns, jedenfalls die ganze Provinz im Kiistengebiet fast dieselben Niederschlage besitzt oder doch nur sehr geringe Schwankungen aufweist. Nur Hinterpommern ist etwas mehr von Niederschlagen begunstigt und in der Gegend von Koslin bis Rummelsburg und sudwestlich bis in den Bublitzer Kreis findet sich eine starke Niederschlags- insel. Wirklich regenarm sind nur die beiderseits der Oder liegenden Kreise des sudlichen Pommerns, die den schwachen Regen aber weniger empfinden, weil es meist gute, schwere und wasserhaltende Boden sind. Die Karte beweist allerdings, dass gerade in diesen trockenen Gebieten die segelum-Raupe sehr stark auftritt, andererseits aber auch, dass in den gefahrdeten Bezirken linter Umstanden grossere Flachen raupenfrei sein konnen. Allzu grosse Bedeutung ist auch den Regenmengen nicht beizumessen, weil die Differenzen der durch- schnittlichen Nioderschlagsmengen sich nur im hochsten Falle um 100 mm be- wegen’ und grossere Flachen betreffen.

Das ungleichmassige Auftreten hangt also von der oberflachlichen staltung und den klimatischen Verhaltnissen nicht ab. der Befall als ein ganz allgemeiner angesprochen werden, denn auch die & derd Karte freien Stellen Rind sicher in ganz ahnlicher M’eise befallen wi ffie

lich ist.

Es muss deshal &ch

grenzcnden Gebiete, sofern ein Befall nach der Bodennutzung iiberha G Zeitschrift f i r angewandte Entomdogie VI. 2 17

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Die Befalljahre. Es sollen nur die Jahre 1915-18 in den Kreis einer spezielleren Be-

trachtung gezogen werden. 1914 war ein Jahr mit normaler Witterung, wenigstens im Friihjahr, der

Bestand diirfte ein normaler, aber kein besonders starker gewesen sein. 1915 brachte ein erhebliches Anschwellen der Befallstarke, es kam zu recht

bedeutenden Erntevorlusten in Hackfruchten, namentlch in Futterhackfruehten. 1916 war der Entwicklung nicht giinstig, aus dem starken Bestand des

Vorjahres blieben nur ganz wenig Individuen iibrig, so dass hochstens der ,,eiserne Bestand" vorhanden war. Das wird auch durch die Umfrage bestatigt. Noch nicht 1 o/,, der Antworten war positiv.

1917 entwiekelto sich eine Befallstarke von noch nicht dagewesener Hohe und Nachhaltigkeit. Es kam nicht nur zu grossen Schadigungen, sondern in weiten Gebieten der Provinz zur direkten Vernichtung der Futterhackfriichte und starken Beschadigung der Kartoffeln, die z. T. zu Speise- und Saatzwecken vollstandig ungebrauchsfahig wurden. Zur segetum-Kalamitat gesellten sich auch noch andere Insekten, die den Schaden vergrossern halfen.

Starkes Abflauen der Kalamitat, nur noch ganz vereinzelte Herde werden genannt, Umfang gering, praktiseh also kein Schaden. In den Winter kommt nur der eiserne Bestand.

Wovon die Starke des Auftretens abhangt, werde ich noch besprechen. Jedenfalls ist so viel sicher, dass segetum schlagartig in enormer Starke auf- treten kann und nicht langsam anschwellende Kalamitaten erzeugt. Auch der eiserne Bestand ist fruchtbar genug, um im nachsten Jahra Katastrophen her- vorzurufen.

Die Witterungsverhaltnisse.

1918.

Die Abhangigkeit des Insektes von der Witterung ist viel grosser als ge- meinhin angenommen wird. Bei segetum ist es ohne Zweifel, dass das Ein- treten einer Kalamitat vornehmlich, ich mochte sagen, ganz ausschliesslich VOR der Wetterlage abhangt. Es erscheint daher nicht iiberflussig, einen Blick auf das Wetter der behandelten vier Jahre zu werfen.

Fur 1914 ist nach Lage der Dinge ein normaIer Restand an iiberwinternden Raupen anzunehmen. Der Herbst war sehr sonnig und mild, Ende Dezember kam es zu den ersten grosseren Schneefallen.

Der Januar 1915 brachte vorherrschend mildes Wetter, das Durch- schnittsminimum betrug - 3,5, das Monatsmittel - 1,O 0 C. Dem stehen 89,5 mm Niederschlage gegeniiber und eine Bewolkung von 8,3. Der Monat war also nass und mild bei trubem Wetter.

Der Februar warmte sich noch weiter auf, die Minima lagen hoher, Monatsrnittel der Tagostemperatur 0,O. Niederschlage nur 15,O mm bei starker Bewolkung. Die Temperaturschwankungen an den einzelnw Tagen waren sehr gering. Der Februar war also trocken, mild und trube.

Im Mar, fallen die Temporaturen genau auf den Januar zuriick, obwohl eine nicht unbetrachtliche Zunahme der Sonnenscheindauer zu verzeichnen ist. Die Temperatur war sehr gleichmassig, 24 Frost- und 8 Eistage, fur den Marz genug. Der Ruckgang aus dem Februar trat aber nicht plotzlich auf, sondern

Die Froststarke war gering.

17*

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252 K l e i n e :

allmahlich. Niederschlage rnit 57,6 mm liegen etwas uber dem Mittel. 20 Tage Schneedecke von verschiedener Machtigkeit. Wetter vorherrschend triibe.

Im April folgt dann allmahliche Erwarmung, nur noch 5 Frosttage, kein Schnee und nur 32,4 mm Niederschlage. Da die Bewolkung nur 5,4, bei uber 186 Sonnenscheinstunden = 6,2 pro Tag betrug, so muss der April als eln verhaltnismassig warmer, sonniger Monat ohne sogenanntes Aprilwetter an- gesprochen werden.

Der Mai mit nur 8,8 mm Regen und 11,2 Sonnensclioinstunden pro Tag ist der Anfang der Durrezeit, die sich bis Endc Juni fortsctzts. Erst vom Juli an trat dann normale Witterung ein. Auch der August kann als normal an- gesehen werden. Im September hauften sich zwar die Niederschlage, doch blieb die sonstige Wetterlage in normalen Grenzen. Der Oktober war trocken, November und Dezember durch 'hohc Niederschlage und normale Temperatur gekennzeichnet. Frost gab es erst Ende November, vor Eintritt desselben waren bedeutende Schneefalle eingetreten, so dass die Erde zeitweise unter 50-60 cm Schnce lag. Der Dezember liess ihn schmelzen und war bei regnerischem und schneeigem Schlackwetter, wie schon gesagt, von normaler Temperatur.

Das Jahr 1915 war also, was die Witterungsverhaltnisse oberhalb des Bodens anlangt, fur segetum gunstig gewesen. Der Winter hatte den Tieren nicht geschadet, der trockene Februar brachte nicht die den Insekten oft ver- derbliclie langsame Schneeschmelze, ein sonniges warmes Friihjahr begunstigte die schnelle Entwicklung, der Nerbst muss auch als unbedingt entwicklungs- fordernd angesehen werden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass segetu,m mit hohem Individuenbestand in den Winter gegangen ist. Der Be- fund bei der Kartoffel- uhd Riibenernte hat das auch bestltigt.

Im Januar 1916 setzte sich das Dezemberwetter fort. Die Temperatur war auffallend hoch und betrug im Mittel + 2,$0 C. Dabei fielen 90 mm Niederschlage an 23 Tagen, fast alle als Regen, Bewolkung 8,5. Also ein wahres Aprilwetter.

Im Februar ging die Temperatur zuriick, das Mittel lag fast bei -LO. 26 Frost-, aber nur 6 Eistage bei oft starker Bewolkung. Die Niederschliige .mit 32,8 mm gelten fur den Februar als sehr hoch. Irgendwelche Witterungsextreme sind nicht vorgekommen.

Im Marz langsame Aufwarmung mit kurzem Ruckstoss, am 22.-23. bei sehr goringen Niederschlagen, aber standiger starker Bewolkung. Also vor- hcrrschend mild und gleichmassig.

Im April weiter normale Entwicklung, am 2.-3. schon erhebliche Warme (20,2 0 C. 2 p.). stieg der Temperatur bei geringen Niederschlagen und meist heitcrem Himmel.

Im Mai normale Waiterentwicklung, die das beste Gedeihen fur segefum, erwarten liess.

Im Juni setzte dann aber das triibe Wetter ein, das bis zum November nicht wieder unterbrochen wurde. Vom Juni bis Oktober einschliesslich gab es nicht weniger als 361,7 mm Regen bei Temperaturen, die vom Juni bis September kaum uber 8 0 C. irn Mittel hatten und d a m noch weiter fielen. Also Spatfriihling, Sommer und der sonst in Pommern so ausgezeichnete Herbst total verregnet und kalt. Auch der Dezember war noch warm, ohne Temperatur-

Erst Ende des Monats trat wieder Frost ein.

Mitte des Monats kurzer Riickschlag, dann allmahlicher An-.

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schwankungen, dagegen hatte er iiber 70 mm Regen und eine Bewolkung von 9,3!

Nach dcr Wetterlage im Winter und dem frdhen Friihjahr erwartete man allgemein schnelle Weiterentwicklung der Vegetation und, was damit verbunden ist, auch der Insekten. Beides ist nicht eingetreten.

Mit Beginn des Januar 1917 anderte sich das Bild vo1lst;indig. Bis zum 4. Januar konnte noch bei offenem Wetter gepflugt werden, dsnn war es votbei. Am 5. setzte Frost ein, der dsuernd anhielt und gegen Monatsande bis zu 160 C. anstieg. Dabei gab es fast 80 mm Niederschlage in Form von Schnee. Vom 6. ab Schneedecke bis zu 40 cm Machtigkeit. Also ein ausgesprochenes Winterwetter.

Im Februar nahm die Kalte zunachst noch weiter zu und ging bis auf Tiefen von -200 C. herab, am 4. wurde die tiefste Temperatur erreicht, dann nahm die Warme zu, aber erst am 25. trat Tauwetter ein, das den Schnee in wenigen Tagen fortschmelzen liess. Die Niederschlage mit 6,9 mm sind ausserst gering.

Die fur hlarz erhoffte Aufwarmung trat zunachst noch nicht ein, viel- mehr entwickelte sich noch einmal eine zwar kurze, aber um so empfindlichere Frostperiode, da der Erdboden vollstandig schneefrei war. Erst gegen Monats- ende gingen die Frostgrade in Warme uber. Ein Marz mit 12 Eis- und 27 Frost- tagen diirfte nicht haufig sein. Die Niederschlage blieben weit unter Mittel, triibes Wetter war vofherrschend.

Auch der April muss noch als kalt und unfreundlich bezeichnet werden, zwar schien es mehrfach, als wollte das Wetter sich bessern, aber am 30. fie1 noch Schnee und an 11 Tagen gab es Frost.

Der Mai brachte sofort Wetterumschlag und damit begann jene unheim- liche Diirreperiode, die bis zum 19. Juli anhielt und nur lokal durch kurze Ge- wittcr unterbrochen wurde.

Im August langsame Abnahme der Temperatur bei normalen Nieder- schlagen und reichlichen Gewittern. Ein echter Hochsommermonat, dem sich ein ebenso schoner trockener und sonniger September anschloss.

Auch der Oktober zeichnete sich durch weiteren langsamen, aber standigen Temperaturfall aus. Die Niederschlago mit iiber 74 mm waren hoch, das Wetter meist trube. Erst Ende des Monats gab es die erste Reifnacht. Auch der November brachte keinen Frost, nur einmal sank das Thermometer auf den Gefrierpunkt. Das triibe Wetter war von 18 Regentagen begleitet. Also ein warmer, nasser, ubrigens sehr nebliger Monat.

16 Eis-, 24 Frosttage. Da- bei sehr triibes nebliges Wetter bei massigen Niederschlagen. Ofter gab es Schnee, mehrfach Schneegewitter.

Nach der enormen Diirre hat sich also das Wetter im ubrigen normal weiter entwickelt.

Der Januar 1918 muss als warm bezeichnet werden, denn die Monats- temperatur betrug nur - 1,2 0 C. und lag after uber 0 0 C. Bei normalen Nieder- schlagen war das Wetter sehr triibe und haufig neblig. Im Februar im wesent-

1916 steht also 1915 direkt gegenuber.

Darauf komme ich noch zu sprechen.

Im Dezember weiterer Abfall der Temperatur.

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lichen dieselbe Wetterlage, nur noch warmer, so dass das Monatsmittel schon uber 0 lag.

Der Marz brachte schon ausgesprochenes Fruhlingswetter, geringe Niederschlage und nur noch wenige Tage, an denen das Thermometer unter 0 fiel. Im April entwickelte sich ein richtigcs Sommerwetter mit einem Monats- durchschnitt von 10 0 C. Uber + 20 0 C. wurden ofter gemessen. Niederschlage normal und an wenigen Tagen. Also ein selten schoner April.

Der Mai warmte schnell auf, das Wetter wurde sehr warm und heiter, die Niederschlago waren gering; alles furchtcte schon wieder die kommende Diirre. Bis zum 17. Juni hielt das Wetter auch noch an, um dann in eine ausgesprochene Nasseperiode uberzugehen, die bis Oktober anhielt.

Die Niederschlage rnit 32,6 mm sind fur den Monat sehr hoch.

Weiter interessiert das Wetter nicht. Welche Bedeutung der allgemeinen Wetterlage beizumessen ist, werde ich

noch auseinandersetzen. Kommt es aber n u r auf die Wetterlage an, soweit sie die Vegetation betrifft? Gewiss nicht. Die Raupe verbringt den grossten Teil ihres Lebens im Erdboden, vor allen Dingen aber den Winter. Sollte da keine Beeinflussung durch die Witterungsfaktoren cintrcten? Ich habe schon an ancleren Stellen mehrfach auf den grossen Einfluss hingewiesen, der den Boden- temperaturen zukommt und ich fuhre nachstehend wenigstens den Verlauf der Warmebewegung des Bodens fur die in Frage kommenden Monate ?n.

(Hierher die Tabelle auf S. 255.) Vergleicht man die Ergcbnisse, so stehen sich zwei Extreme gegenuber.

1915 und 1917 mit trockenen, 1916 und 1018 mit nassen Jahren. Betrachten wir zunachst die ersteren. 1915 entwickelte sich aus einem normalen, 1917 aus eincm kalten Winter. Beide Jahre hatten ein ausgesprochen spates Fruhjahr, 1917 noch Schnee am 30. April und beide hatten im Februar auffallend geringe Niederschlage.

Ich muss nach den Erfahrungen der letzten Jahre hierauf ganz besonderen Wert legen. Es hat sich namlich ergeben, dass geringe Niederschlage im Februar heissen Fruhling und Sommer nach sich ziehen. Man vergleiche dazu die Jahre 1016 und 1918. Ob das uberall so ist, lasse ich dahingestellt, fur die Gebiete der Ostseekuste gilt das mit grosser Wahrscheinlichkeit, wie auch andere meteorologische Stollen beweisen. Ob es rein zufallig ist, dass mit Abfall dcr Februar-Niederschlage die Ausdehnung der Diirre zusammenhangt, bleibt erst noch abzuwarten.

Ganz anders die Jahre 1916 und 1918. Aus einem warmen Winter ent- wickelte sich ein fruhcs Fruhjahr ohnc Rucksehlage. In bciden Jahrcn konnte schon im Marz gesat werden. Der April brachte schon zuweilen Sommer- wetter, dann gingcn fruher oder spater die Regengusse Ins. die meist von tiefer Temperatur begleitet waren.

Es frngt sich nun, wclchen Einfluss die Wetterlage d i r e k t auf segetunt ausiibt, d e w dnss das Eintretm oder hushleiben einer Kalamitat in e r s 1; e r Linie, ja vielleicht a u s s c h 1 i e s s 1 i c h von der Wetterlage abhangt, ist ganz sichcr. Nur die trockencn dahre brachten Kalamitaten, die nassen nicht.

1917 lramen die Raupen aus einem kalten Winter. . Der grosse Tempe- ratursturz im Marz hatte ihnen nicht geschadet. Die weitverbreitete Ansicht, dnss Kiiltc die Insekten ahtotet, ist. falsch. Tritt die Tempernturnhndime, all-

Vom Mai ab dann Eintritt der grossen TrockenheM. Auffallig sind die geringen Februar-Niedersehlage.

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1915 Januar . . . Februar . . . Marz . . . . April . . . . Mai . . . . . Jnni. . . . . Juli . . . . . August . . . September. . Oktober . . . November. . Dezember . .

1916 Januar . . . Februar . . . Marz . . . . April . . . . Xai . . . . Juni. . . . . Juli . . . . . August . . . September . Oktober . , . November. . Dezember . .

1917 Januar . . . Februar . . . Marz . . . . April . . . .

-Mai . . . . . Juni. . . . . Jnli . . . . . August . . . Septeinber . Oktober . . . November, . Dezember . .

1918 Januar . . . Februar . . ,

Marz . . , ,

April . . . ,

Mai . . . . ,

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4,7 2,9 5,5

18,4 29,i

26,4

19,3 15,3

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20,s

7,9 399

478 070 974

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__ 3 __ looati- mittel

471 z17 2,s 6,9

12,6 16,5 17,4 15,7 15,O 12,4 774 4,9

- - - 673 10,l 11,9 14,6 14,s 13,3 10,7 770 471

298 1,o 0,s 493

12,3 18,O 18,9 22.6 16,O 14,3 8,9 771

372 279 473 9,7

14,4

m T

Ein.

__ Es!!!!! e

onah- mittel

__

- 1,1 215 2,4 475 917

14,4 16,l 15,2 13,6 10,5 6,6 471

- - - 4,2 895

10,6 12,8 14,2 12,3 9,o 579 3,o

127 0,7 016 2.0 876

i5,3 17,5 17,2 14,9 11,s 777 5,O

2,6 274 392 733

11,5

l) Thermometer zerfroren

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256 K l e i n e :

mahlich ein und das ist doch der Fall, dann begibt sich das im Erdboden uber- winternde Tier schon in Schichten, in denen es nicht an Frost zugrunde geht. In kalten Wintern werden daher auch tiefere Bodenschichten aufgesucht werden. Nehmen wi r den kaltesten Winter 1916/17 an, so ist das Thermometer in m Tiefe noch nicht auf l o C. gesunken, bei 1 m Tiefe nicht einmal auf den Ge- frierpunkt. In den oberen Bodenschichten bewegen sich die Temperaturen in ihrer Abhangigkeit an den ausseren Warmefaktoren auf und nieder, in tieferen Schichten herrscht mehr Ausgeglichenheit.

Wissen wir uberhaupt, welche Kaltegrade die segetum-Raupe zu ertragen vermag? Ich fand vor einigen Jahren eine Agrotis-Raupe, die sich als segetum herausstellte und die seit ca. 14 Tagen im Eise eingefroren war. Nach dem Auftauen erholte sie sich in wenigen Stunden und nahm Nahrung auf.

Nicht die Kalte wurde den Tieren verderblich, sondern die Warme des Winters. Es ist anzunehmen, dass beim Ausbleiben grosserer Kalte die Tiere auch in oberen Bodenschichten bleiben. Tritt ofter Wechsel von Frost und Tauwetter ein, verbunden mit Niederschlagen, so ist denselben der Zutritt zum Boden leicht. Liegt gar noch zu Zeiten Schnee, wenn auch nur in dunnen Lagen, so wird sich die Temperatur wenig um den Gefrierpunkt bewegen. Das sind aber gerade die Temperaturen, bei denen sich die pathogenen Pilze ent- wickeln. Die Raupen bzw. Puppen sind also in warmen Wintern vie1 grosseren Gefahren ausgesetzt als in strengen.

Ich bin der Meinung, dass es in erster Linie auf den Winter ankommt. 1916 war segetum kaum zu sehen. Die Annahme, dass der kalte Juni und folgende Sommer die junge Brut durch ungunstige Witterung vernichtet hat, war nicht von der Hand zu weisen. Wie verhielt sich das 19183 Warmer Winter, zeitiges Fruhjahr, bis 17. Juni warm und sonnig und doch keine segetum? Man vergleiche das Wetter im Winter, urn sich zu uberzeugen, dass nur zu dieser Zeit iiber die kiinftige Individuenstlrke entschieden wird.

Die Wetterlage ist also auch fur den Praktiker von grosster Wichtigkeit. Er lasse sich nicht vom kalten Winter betoren und achte auf die Februar- Niederschlage, um danach seine Aufmerksamkeit einzustellen. Bei nassen und warmen Wintern droht ihm’ keine Gefahr. Im ersteren Falle sind Abwehr- massregeln beizeiten zu ergreifen. Davon weiter unten.

In nachstehender Tabelle ist der besseren Ubersichtlichkeit wegen die Wetterlage in den in Frage kommenden Jahren nach den fur die Landwirtschaft wichtigen Arbeits- bzw. Entwicklungsperioden kurz tabellarisch zusammen- gefasst :

(Hierher die Tabelle auf S. 257.)

Der Boden. Segetum verbringt den grossten Teil seines Lebens i m Erdboden, es ist

daher die Annahme berechtigt, dass derselbe einen nicht unbedeutenden Ein- fluss auf Gesundheit und Gesamtentwicklung ausiibt.

Ein Blick auf die Ubersichtskarte lehrt, dass in Wirklichkeit kein Bodcn verschont ist. Allerdings ist der Uberblick nur ein allgemeiner, ins Grosse syliendcr, trotzdem konnte die Raupe lokal ungunstige Boden ablehnen.

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Die Wintersaateule und ihre Bedeutung a16 landwirtschaftlicher Schadling. 257

Winter (Dezem- ber bis MPrz) .

Friihjahr (April bis Juni) . . .

Sornmer (Juli bis August) . . . .

Herbet (Septem- ber bis Novem- ber) . . . . . .

Lufttemperatur Niederschlage Sonnenscheindauer Tagesmittel mm in Stunden

1911/15/1916/16 I 1916/17 1 - 1917/18 1 9 1 ~ ~ 1 6 / 1 9 1 5 / 1 6 ~ 1 9 1 6 / 1 7 ~ 1 ~ ~ 7 / 1 8 1914/151 1915116 1 1916117 I---- 1917118

+ O,6 + 1,0 - 1,5 f 0,2 224,6 239,8 179,5 129,4 233,8 178,O 225,l 283,l 1915 1916 1917 1918 1915 1916 1917 1918 1915 1916 1917 1918

10,8 11,l 11,8 11,8 74,0 162,5 84,4 134,3 887,l 664,51 897,91 785,3

15,6 15,7 17,2 16,O 110,s 151,O ld2,7 177,2 380,O 414,9 499,s 423,5

I

' i I I

7, l 7,9 9,O 8,l 176,l 149,6 127,4 63,6 301,4, 321,8 302,8 318,2

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258 K l e i n e :

sich selbst uberlassen. Verdunstetes Wasser ist nachgegeben. Erfolg: nicht eine einzige Raupe ist eingegangen, alle haben sich zur Puppe entwickelt, abcr - nicht alle sind zum Falter geworden, die stauende Nasse hat sie in allen Boden getotet.

Der Versuch kann natiirlich nur als schwacher Tastversuch gelten, denn es muss der H,O-Verlust standig g e w i c h t s m a s s i g ausgeglichen werden und vor allen Dingen: es kommt ganz darauf an, in welchem A l t e r s - s t a d i u m man den Versuch vornimmt. Ich unterlasse daher auch irgend- welche Schliisse, nur so viel ist sicher, dass einmal auf nassen Boden die Ent- wicklung der Raupe viel mehr gefahrdet ist als auf trockenen, und dass troclrene Jahre, ganz gleich, in welchem Boden das Tier lebt, die Existenz besser ge- wahrleisten.

Man sieht daraus auch, welch grosser Einfluss der Winterfeuchtigkeit beizumessen ist, namentlich dann, wenn auch Spatwinter und Vorfriihling noch mit starkeren Niederschlagen einhergehen. Die Boden verdunsten in dieser Zeit wenig Wasser, die tieferen Bodenschichten sind nicht mehr aufnahmefahig, die Nasse staut sich, und was der Vegetation schadet, ist auch dem Bodeninsekt nicht von Vorteil. Insofern diirften sich die Boden doch recht verschieden ver- halten. Zwar konnen nasse und schwere Boden natiirlich befallen werden, denn der Befall tritt ja erst nach Verbrauch der Winterfeuchtigkeit ein, aber die E n t w i c k 1 u n g in nassen Boden scheint mir doch gefahrdet, schon aus dem Grunde, weil die Atmung der Puppe unbedingt leiden muss.

Stairke des Befalles (allgemein). Wahrend die Kartoffelfelder kcinen MaBstab des allgemeinen Befalles er-

kennen lasscn, denn die Pflanze selbst wird nur selten vernichtet, liessen die Riibenacker z. B. die Schadigungen deutlich erkennen und Girl Fortschreiten derselben verfolgen. Es ergab sich, dass der Befall sehr verschieden sein kann. Meist sah ich ihn fleckenartig ausgebildet. Die Eiablage scheint vorherrschend auf wenigen Stellen stattgefunden zu haben und der Frassherd dehnt sich von hier aus mehr oder weniger nach allen Seiten aus. Es kommt dann schliesslich dam, dass mehrere Frassherde zusammenstossen und so entwickeln sich dann mehr oder weniger grosse Flecken. Mit Schrecken sieht man sie sich taglich vergrossern, die ultima ratio ist dann der Pflug.

Es ist aber durchaus nicht notig, dass der Herd immer autochthon sein muss, es kann auch Abwanderung von einem Grenzschlage stattgefunden haben. Das ist sicher ofter der Fall gewesen. dedenfalls ist der starke Wandertrieb von vielen Reobachtern bestatigt worden.

In 670/0 aller Antworten wurde der Befall fur den ganzen Acker als stellenweise bezeichnot, in 33 als allgemein. Bei weiterer Zerteilung der Refallart wurden 42 der Antworten als stark und stellenweise, 2501, als schwach und stellenweise, 300/0 als stark und allgemein und nur 30/0 als schwach und allgemein bezeichnet. Wenn die Angaben auch natiirlich nur relativen Wert beanspruchen, so geben sie doch ein ungefahres Rild der Sach- lage. Auf meinen standigen Reisen habe ich auch die gleichen Beobachtungen gemacht.

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Die Wintersaateule und ihre Bedeutung als landwirtschaftlicher Schadling. 259

Stiirke des Befalles der einzelnen Friichte. Obwohl die durch segetuin hervorgerufenen Schaden von eineni Umfange

waren wie selten, so ist der Befall doch keineswegs so allgemein gewesen, dase er als gleichmassig bezeichnet werden konnte. In 12,4 aller Antworten wurde das Vorhandensein der Raupe und’jeder Schaden verneint. Auf der Karte sind diese Gebiete, natiirlich meist nur kleineren Umfanges, auch ausgezeichnet. Das Erforderliche ist bei Besprechung der Karte gesagt. Hier sol1 es mehr darauf ankommen, welche Friichte und in welchem Umfange sie angegriffen werden.

Es unterliegt keiner Frage, dass eigentlich nur die Hackfriichte an- gegriffen werden, was die Praxis iiber den Nachfrass an Winterung angegeben hat, werde ich weiter unten kurz behandeln. Die Befallstarken der Hack- friichte sind etwa folgende:

Kartoffeln . . . . . . . . . 3293 “0

Kohlriiben . . . . . . . . . 33,3 ,, Futter- bzw. Zuckerruben . . . 22,2 ,, Mohren . . . . . . . . . . 7,5 ,, Mairiiben und andere Wurzeln . 3,7 ,, Kohlgemiise . . . . . . . . 1,0 ,,

Die Zahlen sind naturlieh relativ aufzufassen, in vielen Wirtschaften Find alle Hackfriichte befallen und der prozentuale Anteil der einzelnen Friichte ent- spricht im grossen und ganzen ihren Anbauflachen.

Das grosste Areal nimmt ohne Frage die Kartoffel ein, der Kohlriiben- befall ist aber zahlenmassig starker. In Wirklichkeit hat diese Frucht am meistcn von allen gelitten. Gerade sie ist es, die eine totale Missernte erbracht hat, wo auf grossen Schlagen n i c h t s, im wahren Sinne des Wortes nicht e i n e Pflanze geblieben war und die gesamte Futterernte fur Winterfiitterung des Rindviehs vernichtet wurde.

Der grosse Schaden an Kohlriiben kommt meines Erachtens daher, dass die in Saatbeeten herangezogenen Pflanzen erst spater, Ende Juni bis Anfang Juli, meist in Stalldung hinter den Pflug gepflanzt werden. Uber den Einfluss desselben auf den Schadiger siehe Abschnitt Stalldung. Werden die Wrucken nicht erst in Saatbeeten, sondern gleich aufs Feld gedrillt, so kann der Schaden nicht so gross werden, weil einmal der Stalldung vie1 zeitiger untergebracht wird und die Pflanzen zur Zeit der grossten Gefahr, also Anfang Juli, schon ziemlich kraftig sind. Die Kohlruben gehen meist darum ein, weil sie schon vom Ungeziefer, ausser segetzim namentlich Erdflohe, vernichtet sind, 6he sie noch anwachsen konnen. Uberall, wo Kohlriiben also g e p f 1 a n z t und n i c h t g e s a t wurden, sind sie auch in mehr oder weniger grossem Umfange der Raupe zum Opfer gefallen.

In geringerem MaEe haben die Kartoffeln gelitten. Stehen der Raupe ausser Kartoffeln andere Wurzelfriichte zur Verfiigung, so wird sie letztere vor- ziehen. Das hat die Praxis durchgehend bestatigt und ich habe mich selbst oft davon iiberzeugt. Aber auch da, wo nur Kartoffeln zur Nahrung vorhanden waren, sind sie weniger gern genommen und niemals habe ich so vollkommene Zerst8rungcn gesehen \vie bei den Kohlruben.

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260 K l e i n e :

Der Befall ist auch nicht gleich stark gewesen. Im allgemeinen wird behauptet, Friihkartoffeln hatten am meisten gelitten, je spater die Saat oder die Sorte, urn so geringer der Schaden. Auch das muss ich bestatigen. So sah ich an einigen Stellen Kaiserkrone, die hier viel gebaute Friihe Rosen und Odenwalder Blaue so stark befressen, dass von einer vollstandigen Missernto ge- sprochen werden konnte. Bei spateren Sorten war das nicht mehr tier Fall.

Man darf allerdings auch den Kartoffelschaden nicht mit den zu Futter- zwecken gebauten Kohlriiben vergleichen. Die befressene Kartoffel ist zu Speisezwecken unverwendbar, zur Saat nur nach sorgfaltiger Auslese. Spate Sorten rnit hohen Starkewerten sind noch fur die Industrie zu verarbeiten. Die starkearme Friihkartoffel hat, wenn ihr Aussehen gelitten, nur noch Wert als Viehkartoffel.

Es ist einleuchtcnd, dass der Kartoffelschaden gering bleibt: Die Knollen entwickeln sich zu spat, um noch so stark angegriffen zu werden, dass sie voll- standig vergehen; die Pflanze selbst wird nicht beeintrachtigt. Die Fruh- kartoffel mit ihrer zeitigen Knollenentwicklung hat darum auch am starksten gelitten. Wie gross iibrigens der wirkliche Verlust ist, lasst sich - leider - erst bei der Ernto sagen.

Zu ganz kolossalen Schaden ist es bei Zucker- und an vielen Stellen auch an Futterriiben gekommen. In vielen Wirtschaften musste der Pflug angesetzt werden, iiberall fanden sich die grossen ausgefressenen, nestartigen Stellen, und ich halte die Verluste an Ruben nur deshalb geringer als bei Kohlruben, weil ihr Anbau in Pommern viel geringer an Areal ist. Der Befall war teilweise so stark, dass bis zii 30 Individuen an einer Pflanze sassen und die Ausbreitung des Frassherdes deutlich festzustellen war.

In der Starke der Wurzelfriichte sind auch Miihren und Speiseriiben be- fallen. Wurzelgemiise ist zum Teil vollstandig vernichtet worden, auch in Kohlschlagen sind bedeutende Schadigungen vorgekommen.

Dass aber nicht nur Hackfriichte als Futter beliebt sind, ist hinreichend erwieoen. So berichten die Tabakbauern, dass die Raupe in trockenen Jahren die Setzlinge stets heimsucht, in nassen nicht. In Zwiebelbeeten gab es grosse Verheerungen.

Dass die Raupe sich auch in Gras- und Getreideschlagen findet, ist be- kannt, der Forstdirt hat auch schon unliebsame Bekanntschaft mit ihr gemacht.

Es besteht in Praktikerkreisen die Befurchtung, dass die Raupe auch auf die Winterung iibergehe. Die Furcht ist gewiss nicht unbegriindet, aber uber- trieben. Kaum 80/,, haben Schaden bemerkt. Zu den positiven Antworten ist zu sagen: Es wird Roggen auf leichtem Boden befallen. Da der leichte Boden aber meist nur Kartoffeln als Hackfrucht hat und in den grossen Kartoffel- wirtschaften Pommerns, namentlich ostlich der Oder, die Ernte zeitig beginnt (eben um rioch Roggen zu saen), so sind die Raupen meines Erachtens gerade im starksten Frass gestort worden und gehen auch ans junge Getreide. Es ist mir auch tatsachlich kein Fall bekannt geworden, dass Roggen nach anderer Vorfrucht als Kartoffel geschadigt ware. Von Weizen habe ich nichts Der- artigos gehort. Jedenfalls ist der Umfang der allgemeinen Schadigung an ~~iii terl ialnifri icli ten so gering, dass er kaum ins Gewicht fiillt. In einem Falle

Und der ist nur ganz gering.

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Die U'intersaateule und ihre Bedeutung als landwirtschaftlicher Schadling. 26 1

wird erwahnt, die Raupen seien aus einem abgeernteten Wruckenschlag ein- gewandert. Das ist moglich.

Vie1 gefahrdeter erscheinen mir die Winterolsaaten. Mehrfach ist uber ansehnlichen Schaden geklagt. Das ist um so wichtiger, als die Raupcii in diesen Fallen nicht aus Hackfruchtschlagen kommen, sondern aus Brache, moist Kleebrache. Die Meinung, dass auch die Brache die Raupen selbstverstandlich beherbergt, gewinnt an Festigkeit. Dennoch verneine ich den spontanen Befall, sondern mache den frisch aufgebrachten Stalldung verantwortlich. Auf diese Weise sind mehrere hundert Morgen Winterraps und -rubsen vernichtet worden. Es liegt hier offenbar eine Schwierigkeit vor, denn einmal mag man Winter- olsaaten nicht ohne Stalldung bauen, und andererseits ist die Unterbringung des Stallmistes nicht eher moglich, als der Umbruch der Brache es erlaubt, d. h. also Ende Juni friihestens. Ware die Gefahr alljahrlich wiederkehrend, so mussten die Winterolsaaten in Schwarzbrache gebracht werden. Ein Allheil- mittel ist die Schwarzbrache aber auch nicht, wie die Praxis bewiesen hat.

Es hat natiirlich jeder Wirt das Bestreben, die vernichteten Friichte durch andere zu crsetzen. Der Erfolg ist meist, ja man kann sagen immer, ein durchaus negativer gewesen. Die Raupen haben jede Nachsaat, ganz gleich welcher Art, in wenigen Tagen vollstandig vernichtet.

Vorfrucht.

Endlich sind noch die nachgesaten Saaten zu nennen.

Der Einfluss der Vorfrucht ist ein recht betrachtlicher, schon allein im Hinblick auf die Entwicklungsmoglichkeit der Nachfrucht. Davon soll hier nicht die Rede sein, denn dass der Wirtschafter, seinen Verhaltnissen entsprechend, die giinstigste Wirtschaftsform wahlt, setze ich voraus. Es soll hier die Frage aufgeworfen werden: steht die Vorfrucht in irgendwelchem Zusammenhing mit dem Schadlingsbefall?

Nach den Ergebnissen der Umfrage ergab sich folgendes: ' Es war Vorfrucht gewesen:

Winterweizen

. . . . . . . . . . 3,2 ., ,, ,, Sommerung 35,2 ,, Hafer 28,8 :i

Gerste Gemengsaaten 3,2 ,,

Winterroggen . . . . . . . 4 6 , 8 O / O 1 '. I . . . . . . . In Summa Wintcrung 57,7 O i 0

Wintergerste . . . . . . . . 0,3 ., . . . . . . . . . .

. . . . . . .

,, Hackfriichte 3,2 ;, I

Kartoffeln . . . . . . . . . 1,6 ,, 1 Rtiben und Kohlriiben. . . . . 1,6 :, ) "

Luzerne und Kleegras usw. . . . 0,7 ., 1 ~, Sonstige 3,9 :, Brache (Klee- bzw. Schwarzbrache) 3.2 ., f "

Dnnach ist ein ganz uberwiegender Teil Wintorung als Vorfrucht gehaut, Sommerung weniger, dio anderen Friichte, also auch die Hackfruchte, traten ganz in den Hintergrund.

Ware nun mit einem sukzessiven Ansteigen der Kalainitat zu rechccn und das Insekt ware mehr an den Ort seiner Entstehung gebunden, so konnte der Einfluss, den die Vorfrucht ausiiht, ein u n ni i t t e 1 h a r c r sein. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Die Erfahrung lehrt, dass in GetrcideschlSg~n im

Das ist nach Lage der Dinge auch zu orwarten.

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262 K l e ine:

allgemeinen k e i n Schaden entsteht. Diese Art der Kulturgewachse lockt also nicht zur Eiablage, mag das Tier nun auch segetum heissen. Es sind immer Hackfriichte und Wurzelgemuse am meisten gefahrdet, dann erst Spatsaateii der verschiedensten Art und am Schluss erst Getreide. In Wirklichkeit miisste das Gegenteil eintreten. Auf den ungeheuer befallenen Hackfruchtschlagen ist zum iiberwiegendan Teil Sommerung gesat. Hat sich irgendwelcher Schaden gezeigt? In der Winterung nur da, wo sehr fruh Roggen nachgebaut wurde. Das hat seinen Grund darin, dass die Raupe noch im Stadium der grossten Nahrungsaufnahme sich befand, als sie durch 'die Kartoffelrodung ge- stort wurde. Bleiben bei der nachfolgenden Bodenbearbeitung vegetabile Reste genug im Boden zuriick, so mag die Raupe wohl daran ihren Hunger stillen. Aber eben daran fehlt es im Kartoffelschlag. Das Kraut wird heruntergeholt, weil es noch verwendet werden muss und Unkraut zum Unterpflugen ist fur gewohnlich nicht da. Mit Hackfriichten wollen wir ja die Felder gerade rein bekommen. Dass unter diesen Verhaltnissen ein Befall der Wintersaat stattfinden kann, ist doch erklarlich. Je saftiger die Saaten, um so mehr sind sie gefahrdet. Daher die grossen und allgemeinen Zerstorungen in Winterolsaaten. Mehrfach wurde mir gesagt, dass zur Vermeidung des Nach- frasses die Roggenbestellung nicht vor dem 20. September vorgenommen wird, der Aufgang der Saaten also erst Anfang Oktober zu erwarten ist. Dann ist die Raupe mit Fressen fertig.

Vie1 gefahrlicher erscheint mir der Einfluss, den die Brache ausiibt. Die Vernichtung der Winterolsaaten nach Kleebrache ist oft gemeldet. Aber auch die Schwarzbrache ist keineswegs frei.

So ist mir ein Fall bekannt, dass die Mitte August auf 25 cm tief ge- pfliigte und vollstandig mit Kunstdung und Kalk versehene Schwarzbrache Ende August mit schwerster Zementwalze befestigt wurde. Nach 2 Tagen war der 75 Morgen grosse Schlag mit vielen Tausenden von Lochern besat und SO-

wohl die Raupe wie ihre Exkremente waren in Massen zu finden. Sie hatten sich in dem von der Luft abgeschlossenen Boden selbst eine Durchluftung her- gestellt.

Werfen wir noch kurz einen Blick auf die Befallsttirke der einzehen Vorfriichte. Es waren Schadigungen nach:

Nein.

stark schwach Winterroggen . . . 52,7 O l 0 47,3

. . . 4515 1 (zu gering, an Zahl Winterweizen 54.5 Wintergertste - . . . 100,o 11 1 ohne Bedeutung) Hafer . . . . . . 62;2 71 3 7 8 1,

. . . . . . 50,O I' Gerste 5070 11

Gemenge . . , . . 70,O ). 3010 Kartoffeln . . . . . 40,O 1. 60;O n

Luzerne und Kleegras 50,O 5010 n

Riiben und Kohlriiben 20,O 8olo 17

Brache . . . . . . 60.0 ). 40.0 l.

Also: Das Getreide ubt als Vorfrucht k e i n e n Einfluss aus. Die Hack- fruchte hnben auffallend geringen Befall, obschori gerade sie den starksten haben sollten. Bei Brache k o n n t e der starkere Befall wohl moglich sein.

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Die Wintersaateule und ihre Bedeutung als landwirtschaftlicher Schadling. 263

Wie dem aber auch im einzelnen sein mag, jedenfalls ware es unstatthaft, aus der Vorfruclit irgendwelche Schliisse herzuleiten. Welche Schllge der Schad- ling befallt, hangt nicht von der Vorfrucht, sondern von anderen biologischen und meteorologischen Faktoren ab.

Bodenbearbeitung. Von mehreren Seiten wurde mir gesagt: ,,de garer der Boden, um so

grosser die Gefahr, durch den Schadling befallen zu werden." Wenn der Aus- spruch auch keinon Anspruch auf absolute Geltung machen kann, so steckt doch sehr vie1 Beachtenswertes darin. Was sol1 denn den Falter im sterilen Boden auch zur Eiablage locken? Je mehr Vegetation sich i m Boden findet, d. h. je mehr organische Reste durch Bodenbakterien zersetzt werden, je mehr altes Pflanzenmaterial aufgeschlossen wird, um so grosser ist auch die Moglichkeit, dass die Raupe ihr Auskommen findet. Das ist aber im garen Boden in erster Linie der Fall. Die Gefahr ist also gross. Segetuni ist in erster Linie ein Schad. ling unserer Kulturflachen.

Auf einen weiteren Umstand von Bedeutung ist noch hinzuweisen, das ist das Unkraut. Da. die Raupe in der Wahl ihres Nahrsubstrates wenig wahlerisch ist, eine Tatsache, die sich bei den moisten Wurzelfressern wieder- findet, so ist dem Unkraut, namentlich sobald es krtiftige Pfahlwurzeln ent- wickelt, grosste Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Es kommt also zunachst nicht darauf an, was Vorfrucht war, denn man wird in einer ordentlichen Wirtschaft immer Winterfurche pfliigen, wenigstens wenn irgend moglich. Der Unkrautaufschlag im Friihjahr kommt aber doch. Ruhrt man den Acker nicht zeitig genug an, dann kanns schlimm werden. Es sollte also sobald wie moglich die Schleppe angesetzt werden, damit das Un- kraut z e i t i g Gelegenheit findet, aufzulaufen. Sobald es sich genugend zeigt, ist es Zeit, es zu vertilgen, entweder durch flache oder, bei Hackfriichten, ctwas tiefere Saatfurche. Wo die Wasserverdunstung zu gross wird, muss die Egge fleissig gebraucht werden. Auf keinen Fall darf das Unkraut Wurzel fassen.

Dass die Dinge tatsachlich so liegen, ist durch die Praxis roichlich be- statigt. Es kommt nicht einmal darauf an, dass es notwendigerweise frisch aus- gesamte Unkrauter sein miissen, wie Hederich und vor allen Dingen Kornblume. Ich erwahne hier in erster Linie die Quecke. Der verqueckte Acker ist in standiger Gefahr, denn er bietet der Raupe i m m e r und zu j e d e r Jahreszeit reichliches Futter. Nur so ist der zuweilen riesige Befall auf leichten Boden zu verstehen. Die Queckenvertilgung ist ein Kapitel fur sich, mancher wird ihrer schnell Herr, mancher lernts nie. Also: Achtung aufs Unkraut!

Und nun das Pflugen. Es ware doch moglich, dass die Winterfurche auf den nachstjahrigen Befall Einfluss hat. Ich habe darum die Fragen an den Praktiker etwas spezialisiert. Die Antworten lauteten:

1. Im Herbst geschalt, k e i n e Winterfurche, also erst im Friihjahr gepfliigt. In 840/0 aller Falle war der Befall ein sehr starker, nur l G O / o mittelstark bis schwach.

?. N u r im H e r b s t gepfliigt. In 450/0 aller Falle starker Befall, in 550/0 schwach.

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264 K 1 e i n e :

3. N u r im F r i i h j a h r gepfliigt.

4. Im H e r b s t u n d F r i i h j a h r gepfliigt.

Es ergibt sich also kein klares Bild.

In 400/0 aller Falle stark, in 600/0 schwach.

In 460/, aller Falle stark, in 54'3/0 schwach befallen. Nur so vie1 ist sicher, dass die

fehlende S c h a l f u r c h e im Herbst von Nachteil war. Warum? Meines Er- achtens weil es vorteilhafter gewesen ware, das aufschlagende Unkraut, das noch sehr weit zur Entwicklung kommt, mit unterzubringen. Pfliigt man erst im Friihjahr, so muss das Unkraut einen unheilvollen Einfluss ausuben.

Was die Winterfurche auch fur eine Bedeutung fur die Vertilgung des Schadlings haben sollte, ist nicht re& einzusehen. Gestort wird er in seiner Entwicklung durchaus nicht.

Und doch ist das Wirken der Winterfurche i n d i r e k t von Bedeutung. An der Vertilgung beteiligen sich viele Vogel, namentlich aber die soviel ge- schmahten Krahen. Es geniigt, sie im Herbst zu beobachten. Werden nun die Flachen zu klein genommen, namentlich wenn mehrere Gespanne hintereinznder pfliigen, so bleibt den Vogeln zu wenig Zeit zum Absammeln. Es empfiehlt sich also, entweder lange Schlage zu pfliigen oder breite Be0te. Das sind Kleinig- keiten, aber durch die Praxis ist ihre Bedeutung bcwiesen.

Uber die Wirkung des Stalldungs und seine Unterbringung siehe daselbst. Muss Bus irgend einem Grunde die Bestellung spat vorgenommen werden,

bei Hackfriichten ist das ja Regel, so besteht auch die Gefahr, dass sich die Raupe einfindet. Nun hat sich ergeben, dass Pie je besser gedeiht, je wenigcr sie in der ersten Zeit ihrer Entwicklung gestort wird. Man muss also den Bodcn oft bewegen. Bei Kartoffeln kann das durch die Egge geschehen, auch das oftere Abwalzen und Aufkammen ist von Vorteil. Bei Ruben ist das leider nicht der Fall. Es ist keine Redensart, dass die Ruben grossgehackt werden miissen. Das zeitig auf- schlagende Unkraut, namentlich auf friihzeitig fertigem Acker lockt die Tiere zur Eiablage an, bleibt das Wetter trocken, wird die Sache bedenklich. Die Tat- sache, dass nach dem Hacken die Vogel sich fleissig an das Absammeln der obensitzenden Raupen machten, wird von vielen Landwirten bestatigt. Auch fur Nachsaaten an Stoppelruben usw. gilt das gleiche. Wie sehr die Schadlinge durch die standige Beunruhigung gestort werden, geht daraus hervor, dass die in der Nahe von Gebauden liegenden Schlage, wo Hiihner ihr Wesen trieben, vom Befall frei blieben, wahrend sonst das Feld vollstandiger Vernichtung anheimficl.

Mit dem Pflug ist also nur beim Dungpflugen direkt etwas zu erreichen, sonst kaum. Hauptsache bleibt, im Herbst durch Schalen das Unkraut zum Auflauf zu bringen, um so das Friihjahr zu entlasten und die Hackfruchtschlage nicht zu lange unberiihrt zu lassen. Die Bearbeitung braucht nur oberflachlich z u sein, aber sie muss geschehen, wenigstens in trockenen Jahren.

Hier muss die Hacke unermiidlich gcbraucht werden.

Das ist im wesentlichen, was die Praxis ergeben hat.

Diingung. 1. Der Stalldung.

Die Erfahrung lehrt, dass Hackfruchte den Stalldung am vorteilhaftesten ausniitzen. Soweit es die Verhaltnisse also erlauben, wird man die Hackfrucht

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Die Wintersaateule und ihre Bedeutung als landwirtschaftlicher Schadlmg. 265

in Stalldung bauen. Nun hat sich aber gezeigt, dass der Stalldung deli Befall durch segetum s e h r s t a r k b e g u n s t i g t . Alle Praktiker haben das be- statigt, es scheint mir daher notig, sich mit diesem Gegenstand etwas naher zu be fassen.

Stalldung ist ein relativer Begriff, es kommt ganz auf die Beschaffenheit an. Guter, speckiger, abgelagerter Dung von fester Konsistenz ist anders zu bewerten als solcher van langer, strohiger, trockener Beschaffenheit. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass die Praktiker den garen Boden fur sehr gefahrdet halten, also den Boden in hoher Kultur. Durch kraftige Stalldunggaben in ofterer Wiederholung suchen wir diesen Kulturzustand zu erreichen. J e fetter der Dung ist, um so grosser wird die Tatigkeit der Bodenflora sein. Das will man auch gerade erreichen. Mit der Umsetzung des Stallmistes geht auch zum Teil seine Feuchtigkeit verloren. Wird er trockener, so tritt auch sein vege- tabilischer Charakter mehr in den Vordergrund und damit nahert er sich einem Zustande, der dcm Schadling erwiinscht ist. Wir wissen noch nicht, wie sich die Raiipe im einzelnen zur Beschaffenheit des Stalldungs verhalt, eingehende Untersuchungen sind erforderlich, aber so vie1 ist schon a priori anzunehmen, dass vorherrschend strohiger Mist, der schliesslich noch trocken, wenig durch- gegoren und roh ist, den Falter nicht zur Eiablage anlockt.

Wio dem nun auch im einzelnen sein mag, jedenfalls haben die lang- jahrigen Beobachtungen der Praxis ergeben, dass mit dem Aufbringen des Stalldungs auch die Gefahr des Befalls wachst, und, da der Stalldung nun einmal nicht entbehrlich ist, heisst es Vorsorge treffen, ihn so zu verwenden, dass der Schaden klein bleibt oder nicht eintritt.

Die Beobachtungen haben ergeben, dass der Stalldung nicht in jedem Zustande den Befall begunstigt. Da wir nun die Befallzeit mit ziemlicher Genauigkeit kennen, so haben wir ohne Frage ein Mittel an der Hand, den Dung so auf- und unterzubringen, dass er.in der kritischen Zeit dem Falter entweder nicht zuganglich ist oder sich in einem Zustande befindet, der ihm nicht zusagt.

Ich habe genau feststellen lassen, w a n n der Stallmist g e b r e i t e t und u n t e r g e p f 1 ii g t und w i e er untergepflugt wurde. Die Rundfrage 'hat folgendes ergeben:

J e frischer, desto weniger.

1. Der Stalldung wurde im Herbst gebreitet und t i e f untergepflugt:

2. Der Mist wurde iiber Winter gebreitet und an den ersten Friihlingstageo, starker Befall 12,5 schwach oder nicht befallen 873 Ole.

sobald es das Wetter irgend erlaubte, noch t i e f untergebracht: starker Befall 11,l o/o, schwach oder nicht befallen 88,9 O/O.

starker Befall 100o/o, schwach -. 3. Stalldung im Friihjahr, e i n i g e Z e i t v o r d e r B e s t e l l u n g gegeben:

Es geht aus dcm angcfuhrten hervor, dass der Stallmist in der Befallzeit durch den Falter cine ganz ungeheucre Anziehungskraft ausiibt. Es ist auch nicht moglich, den1 zu entgehen. Solange der Boden noch fest, in den unteren Schichtcn selbst noch gefroren ist, Iasst sich wenig tun. Ausserdem bestellt man die Hackfriichte spat, f5hrt nber schon oft den Dung. ehe man an die Sommersaatenbestellung geht. D i c s c r 1 a n g e r e Z e i t 1 i e g e n d c D u n g

Zeitschrift fur angewandte Rntomologie V1, 2. 1s

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266 K l e i n e :

i s t d e r R u i n f u r d i e f o l g e n d e F r u c h t . 1st es nicht moglich gewesen, noch im Herbst abzudiingen, so soll man den Dung u n m i t t e 1 b a r vor dem Besaen bzw. Bepflanzen unterpfliigen, um dem Falter nicht Zeit zu geben, seine Eier abzusetzen. Es ist ja leider nicht immer moglich, schon im Herbst a l l e IIackfruchtschlage abzudungen, einmal, weil der Dung noch selbst fehlt und dsnn, weil die Gespanne zu sehr beschaftigt sind. Dann diinge man die am ge- fiihrdetsten Schlage wenigstens ab, also Ruben, Mohren usw., Kartoffeln konnen nuch ev. im zeitigen Friihjahr gedungt werden und Wrucken unmiltelbar beim Pflanzen.

Des weiteren ist auf die Art und Weise des Unterpflugens Obacht zu gcben. Wird der Dung nur flach oder unsauber untergebracht, so dass Reste a11 der Oberflache bleiben, so ist mit absoluter Sichcrheit auf starken Befall zu rechnen. Die Tatsache ist durch die Praxis in zahllosen Fallen bestatigt. Darin liegt meines Erachtens auch die Gefahr des Pfliigens im Fruhjahr. Man will nicht mit dem Pflug zu tief gehen, um Wasserverluste zu vermeiden, pfliigt sich aber das Ungeziefer in den Boden.

Es soll auch das Unterpfliigen nicht ohne besondere Wahl des Pfluges stattfinden. Alle Pfliige, wenigstens die im Friihjahr verwendct werden, sollen mit Vorschneider versehen sein.

Grundsatz also: Gefahrdete Hackfriichte im Herbst abdiingen und sofort unterpfliigen, im Friihjahr nur Schleifen und Schalen oder nur Schalen. Dung im Friihjahr entweder sehr zeitig mit Vorschneider unterbringen oder tief un- mittelbar vor dem Drillen bzw. Pflanzen. Das gilt auch fur Kohlriiben.

2. Kunstdunger. Ich konnte keinen positiven Einfluss des Kunstdungers feststellen, es sei

denn die allgemeine Krlftigung der Pflanzen. Eine abtotende Wirkung ist ihm ohne Frage zuzuerkennen, aber nur bei geniigend Niederschlagen. Da dieselben abcr in trockenen Jahren eben fehlen, wodurch der Befall erst zur Kalamitat wird, bleibt auch der Kunstdung ungelost. Welche Wirkung er andernfalls haben konnte, siehe: Bekampfungsmittel.

Der verursachte Schaden. Im Jahre 1916 wollen nur wenige Beobachter Schaden durch die segetum-

Raupe gcsehen haben. 1917 haben 160/~ der Befragten zlim Pflug greifen miissen, manche, denen auch die Nachfrucht zerstort wurde, zwei-, drei-, ja selbst viermal.

Es lasst sich natiirlich nicht sagen, wie hoch der Schaden uberhaupt ge- wesen ist. In Pommern ist ein kleines Volksvermogen verloren, denn in Wirk- lichkeit hat eben j e d e Wirtschaft nach Massgabe ihrer Grosse auch ihren Tribut zahlen miissen. Manche haben die Ursachen des Schadens kaum crkannt.

Bei Verlusten von unter 10000 M. wird der Schaden noch als gering und massig bezeichnet. 30 000 bis 60 000 11. nufwarts finden sich alle Zahlen.

Am geringstcn ist der Ausfall an Kartoffeln. Schon zunachst an Emte- gut. 1 0 0 / ~ wird schon empfunden, iiber ZOO/,, Aiisfall konnte nirgends fcst-

Bleiben wir zunlchst beim Geldwert.

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gestellt werden. Grijsser ist der Schaden ganz allgemein bei Fruhkartoffeln gewesen. 30 O/o war durchschnittlicher Satz, 50°/0 ist mehrfach taxiert. Der Verlust an spaleren Sorten ist auch insofern nicht so empfindlich, weil sie nicht unbedingt als Speiseware verbraucht werden mussen, sondern in der Kartoffelindustrie oder als Futterware gute Ver- wendung finden, die Fruhkartoffel hat aber nur als Speisekartoffel Wert, mit der Unansehnlichkeit fallt derselbe. Infolgc des geringen Starkegelialtes ist sie als Futterkartoffel unrentabel. Wenn also der Ausfall an Spatkartoffeln er- traglich war, die Fruhkartoffeln hatten stark gelitten und brachten grosse Verluste.

Bedeutend empfindlicher wurden die Ruben befressen; hier sind Verluste von 75, ja selbst 1000/, gar nichts Seltenes. Nie haben die Riibenfelder Pommerns trostloser ausgesehen als 1917, uberall grosse Lucken und Fehlstellen, die man durch Nachsaaten oder Nachpflanzen mit Kohlruben auszufullen suchte. Eitler Wahn! Ab- gesehen von dem Ausfall an Ruben selbst, fallt vor allen Dingen der Verlust an Futtermitteln fur das Rindvieh ins Gewicht.

Den riibenartigen Gemiisen ist es genau so ergangen. Am starksten haben die Kohlruben gelitten. Nur an wcnigen Stellen trat

uberhaupt kein Schaden ein, mcistens war er sehr stark und fiihrte in den weit- aus meisten Fallen zur v o 11 s t a n d i g e n Vernichtung der Ernte. Der Gesanit- schadcn ist sicher auf 7 5 0 / 0 anzunehmen. Was das bedeutet, weiss nur der, der die pommerschen Verhaltnisse kennt. Mit der Kohlriibe steht und fallt die Haltung des Grossviehes in denjenigen Wirtschaften, die keine Ruben bauen konnen. Und das sind nicht wenig. Ausserdem sollten auch die Pferde davon leben, denn 3 Pfd. Hafer pro Tag und Pferd - wer dem Landwirt glauben machen will, damit ein Arbeitspferd auch nur am Leben zu erhalten, muss BUS

dem Tollhaus entsprungen sein. Die weitere rapide Verringerung des Grossviehbestandes ware also ein-

getretcn, au ih wenn die Zwangsablieferung nicht bestanden hltte. Viele Wirte waren froh, das Vieh 10s zu werden, weil es wegen Futterknappheit nicht zu halten war. Auch Heu und Stroh hatte der Moloch Militar den Landwirten fortgenommen. Mit dem Ausfall der Kohlriibenernte ging die letzte Hoffnung auf Erhaltung des Viehstandes verloren. Hcute haben wir nicht einmal mehr Milch fur die Kinder.

Also Grund genug, sich mit diesem Thema einmal spater griindlich zu befassen.

Das hat auch die Ernte bestatigt.

Es ist n i c h t e i n Versuch von Erfolg begleitet gewesen.

Bekampfung. Eino aussichtsreiche Bekampfung ist heute darum noch nicht moglich,

weil wir die biologischen Verhaltnisse des Tieres noch zu wenig kennen. 8011 sich dic Bckampfung aussichtsreich gestalten und Eingang in die Praxis finden, ist E i n f a c h h e i t derselben e r s t e F o r d e r u n g .

Parasitismus. Soviel ich hemerkt habe, wird segetum nur in s e h r g e r i n g e m MaBe

parasitiert. Ich fand hochstens 1 mit Parasiten besetzt. Es handelte sich urn cine. sich gesellschnftlich verpuppende Rraconide. Leider ist mir nicht cine

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268 . K l e i n e :

Wespe geschlupft, um die Art feststellen zu lassen. Auch in Parasiteiiver- zeichnissen finden sich auffallend wenig Angaben bei einem so haufigen Ticr. Versuche rnit kiinstlicher Parasitierung sind angestellt worden.1) Der Erfolg war wenig zuversichtlich, ich halte ihn fur praktisch unausfuhrbar, schon weil man niemals rnit kurvenartigem An- und Abschwellen der Kalamitat zu rechnen hat, sondern mit sprungweisem Auftreten der Befallstarken. Es konnte also passieren, dass man wohl Parasiten hat, abor keine Wirte. Fur die Praxis er- scheint mir auch der Bekampfungswert gering.

Er ist vorhanden und der Landwirt weiss damit umzugehcn. Zwei Dungemittel k 0 n n t e n meines Erachtens in Hetracht konimen: Kainit und Kalkstickstoff. Mit beideri haben dio Landwirte auch schon operiert. Mit wechselndeni Erfolg. Der cine behauptct, dcr Kalkstickstoff habe seinen Ruben mehr gcschadct als die Raupen. Stimmt, wcnn er falsch angewendet wird. Ein anderer hat gute Erfolge gesehen. An einer Stelle hat Kainit sehr gut gewirkt, an anderer voll- standig versagt. Worm liegt das? Das liegt daran, dass manche Praktiker glauben, der Kainit machts, ganz gleich, wie ihn die Raupe antrifft. Das ist ein fundamentaler Irrtum. Bleibt das Wetter trocken, und in Befalljahren ist das meist der Fall, dann lost er sich eben schwer oder iiberhaupt nicht und schadet der Haupe nicht im geringsten. Das ist auch bei dem stark atzenden Kalkstickstoff genau so. Tritt nach dem Streuen keine feuchte Wetterlage ein, so ist die Miihe umsonst. Wie hoch muss die Niederschlagsmenge nun scin? Ich habe zur Klarung dieser Frage auch einige Vorversuche angestellt.

In grosseren Vegetationsgefassen wurde eine bestimmte Anzahl Raupen eingesetzt und mit Futter versehen. Die Raupen gingen sofort in den Erdboden und kamen nur selten nach oben. Auf eine Versuchsreihe wurde Kalkstickstoff in der Menge von und 1 Ztr. pro Morgen auf die Oberflache gestreut, also in Starke, wie sie in der Praxis auf lebende Vegetation nicht gut ohne Schaden gebracht werden kann.

Als zweite Versuchsreihe wurde Kainit gewahlt und in der Menge von 1 und 3 Ztr. pro Morgen verabreicht.

Der Boden war total trocken. Die Gefasse wurden standig bei cn. 20° C. gehalten, um noch ein Schlupfen im Herbst zu erzwingen. Resultat: .Wurde den Topfen keiiie Feuchtigkeit gegeben, so. konnt.en die Raupen sowohl auf dem Kainit wie dem Kalkstickstoff hcrumkriechen - und sind auch tatsachlich wochenlang darauf herumgekrochen -, ohne den geringsten Schaden zu nehmen. Simtliche eingesetzte Raupen haben sich zu durchaus normalen Faltern entwickolt.

Erfolg wie vorher. Bei 3 mm ist schon ungefahr die Halfte der Kalkstickstoffraupen ein- gegangen, bci 5 mm sind alle zugrunde gegangen. Meist schon als Raupe, Z. T. auch erst als Puppe. Nicht e i n e hat sich gerettet. Beim Kainit wurde kein so durchschlagender Erfolg gesehen.

So leicht das Verfahren anwendbar ware, so aussichtslos ist es aber in Wirklichkeit. Kann man so grosse Kainit-, namentlich sber Kalkstic'kstoffgahen

Viol a.ussichtsreicher ware schon die Bckampfung mit Kunstdunger.

Dann wurde einc Niederschlagsmenge von 1,0 mm gegeben.

-. ~

') Zeitschrift fiir miswnwhaftl. Tnsektenbiolopie 1914. S. 52.

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jungen Hackfriichten geben? Nein niemals, das bedeutete ihren Untergang. Dann konnte man es aber n a c h der Ernte tun. Wegc liessen sich schon leicht angeben. Aber was solls niitzen? Wir wissen ja gar nicht, ob die Raupe im kommenden Friihjahr iiberhaupt wiederkommt. Das hangt doch ganz vom Wetter ab. Dann ist aber der Kunstdunger fortgeworfen. Das ist er iibcrhaupt, denn die Praxis lehrt, dass Kunstdungcrgaben im Herbst nur mit Vorsicht zu vcrwenden sind, weil ihr Erfolg fraglich bleibt. Ausserdem kann auch vom Nachbarschlag der Falter im Friihjahr herbeikommen. Die Arbeit des einzclnen ist also vergeblich. Die Kunstdiingerbekampfung ist und bleibt aussichtslos.

Vorbeugende Massregeln haben der Unsicherheit wegen keinen Zwcck. 1st das Friihjahr nass, wenigstens von Mitte Juni ab, so konnen alle Be- kampfungsmassregeln unterbleiben. Die Praxis hat langst herausgcfunden, dass Nasse, namentlich wenn sie mit ein paar kalten Nachten gcpaart ist, die Raupen in Unmengen totet. 1st such der Winter warm gewesen und hat normale Niederschlage gebracht, ist die Hauptmenge der Schadlinge schon im Winter tot geblieben. 1st ein trockenes Jahr zu befiirchten, dann soll der Land- wirt seine Augen auftun und seine Hackfriichte genau beobachten. Finden sich Frassherde, so sind dieselben sofort mit dem Haufelpflug zu umziehen, und zwar so, dass die Rander, wenigstcns aber der Rand nach dem noch nicht be- fallenen Schlag, s t e i 1 ist. In diesen Fanggraben mag, man nun kraftig Kainit und Kalkstickstoff streuen, aber k r a f t i g, es wird sich lohnen. So sind viele Flachen mit bestem Erfolg gerettet worden. Aber aufpassen muss der Wirt, das ist Vorbedingung.

Und dann beherzige man, was ich vom Breiten und Unterpfliigen des Stalldungs gesagt habe. Geschieht das, so eriibrigen sich oft weitere Mass- regeln. Auf keinen Fall Komplizierung! Nur e i n f a c h e und s c h n e 11 e Mittel wendet der Landwirt an. Wege, wie sie die Biologische Anstalt in rliesem Friihjahr beschritten hat, werden niemals Erfolg haben. Nicht lange schreiben und fragen soll dcr Landwirt, sondern d i r e k t belehrt werden.