dipl.-ing. jens schirmer (tu dresden) pd dr.-ing. thomas ... · ziele für das produkt: 1. höhere...

13
16. Tagung „Zahnriemengetriebe“ am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas Nagel (TU Dresden) Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung 1. Motivation 2. Analogiebeziehung FEM Praktischer Verschleiß 3. Validierung des ps-Wertes 4. Kantenoptimierung 5. Auswertung der optimierten Kantengeometrie 6. Zusammenfassung

Upload: phamthien

Post on 20-Jun-2019

231 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design

der TU Dresden

Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden)

PD Dr.-Ing. Thomas Nagel (TU Dresden)

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung

1. Motivation

2. Analogiebeziehung FEM – Praktischer Verschleiß

3. Validierung des ps-Wertes

4. Kantenoptimierung

5. Auswertung der optimierten Kantengeometrie

6. Zusammenfassung

Page 2: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

1. Motivation

In Zeiten zunehmender Ressourcenknappheit steigt einerseits die Nachfrage nach

Konsumgütern, andererseits sind Werkstoffe wie Erze und Erdöl beschränkt. Weltweit sind

daher Naturwissenschaftler und Ingenieure angehalten, nachhaltige Konzepte z. B. in der

Energiebranche, in der Werkstofftechnik und in der Produktentwicklung voranzutreiben. Ein

Schwerpunkt liegt dabei in der Konzeption von Maschinen und Baugruppen mit immer

höheren Lebenszeiten und Leistungsvermögen, bei gleichzeitig reduzierten Belastungen für

Mensch und Umwelt. Parallelen sind dabei auch in der Antriebstechnik sichtbar, so

publizierte das Technologieunternehmen ContiTech bereits im Jahre 2010 im Rahmen des

BlueConcept´s den ersten rußfreien Riemen /1/. Weitere Trends im Bereich der

Riemengetriebe sind:

Übertragung größerer Lastmomente,

Verkleinerung des Bauraumes,

Reduktion der Betriebsgeräusche,

ein gegen Umgebungsbedingungen robuster Riemen,

(temperaturbeständig, medienbeständig),

ein gegen Montageabweichung robuster Riemen,

garantierte Lebensdauer und

Zustandsüberwachung bzw. Parameterüberwachung.

Vor allem Industriezahnriemen werden in ausgewählten Einsatzgebieten schnell an ihre

Belastungsgrenzen gefahren. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung von Zahnriemen in der

Hochregaltechnik, wo Achsabstände von 16 m möglich sind. Aufgrund der hier notwendigen

hohen Vorspannkraft, kombiniert mit den unvermeidlich auftretenden Toleranzen im

Riementrieb und der Regalanlage, ist die Möglichkeit vorhanden, dass dieser deutlich vor der

zu erwartenden Laufzeit verschleißen kann. Ein hierfür typisches Verschleißbild ist der

Kantenverschleiß, welcher sich aufgrund nichtfluchtender Achsen einstellt.

Seit 2010 arbeitet das IFTE in enger Kooperation mit der Firma BRECO Antriebstechnik

BREHER GmbH & Co. KG (Breco) an einem derartigen Projektthema. Im Rückblick auf die

Ergebnisse der gemeinsamen Untersuchungen bezüglich des Kontaktes Bordscheibe-Riemen

bei Wellenschiefstand mit Hilfe von 3D-FEM-Simulationen aus dem Jahre 2011 /2/, ist der

oben beschriebene Kantenverschleiß als logische Folgeerscheinung einzuordnen. Gezeigt

Page 3: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

wurde damals, dass sich bereits bei geringem Wellenschiefstand vom An- und Abtrieb die

maximalen Zug- und Druckspannungen im Riemen sehr stark vergrößern.

Aus dem Wunsch heraus, selbst für derart diffizile Anwendungsbereiche den oben genannten

Trends folgen zu können, ergeben sich im aktuellen Projekt folgende wissenschaftlichen Ziele

für das IFTE im Bereich der Zahnriemenforschung:

Beschreibung des Verschleißmechanismus: Kantenverschleiß

Simulation des Einflusses von Montageabweichungen

Analogiebeziehung zwischen FEM-Größen und Verschleiß herstellen

Experimentelle Verschleißanalyse

Optimierung der Seitenkante

Ziele für das Produkt:

1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw.

kleinere Riemendimensionen bei gleichen zu übertragenden Leistungen

2. Ein gegen Montageabweichungen robusterer Riemen

2. Analogiebeziehung: FEM – Praktischer Verschleiß

Aus den typischen Ergebnisgrößen einer finiten Elemente Simulation kann nicht ohne

Weiteres auf den tatsächlichen Verschleiß geschlossen werden. Für die Spezifik eines

Zahnriemengetriebes wurde vom IFTE der Begriff der flächenspezifischen Reibarbeit

eingeführt. Dieser beschreibt die verrichtete Arbeit pro definierte Kontaktfläche auf der

Riemenoberfläche nach Gleichung 1 und ist scheinbar eine gute Vergleichsbasis für das

Verschleißverhalten. Für eine quasistatische (zeitunabhängige) und materialunabhängige

Analyse ergibt sich aus Gleichung 1 der sogenannte ps-Wert, welcher sich nach Gleichung 2

errechnet. Dieser Parameter trifft eine Aussage zur Verschleißwahrscheinlichkeit für jeden

einzelnen Knoten des Zahnriemen-FE-Modells.

W Arbeit

A Kontaktfläche

µ Reibwert (1)

p Kontaktdruck

ds differentieller Weg

p1 Anfangsdruck (2)

p2 Enddruck

s1 Reibort Beginn

s2 Reibort Ende

Page 4: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

3. Validierung des ps-Wertes

Der Gesamt-ps-Wert eines Riemengetriebes wird durch den Autor wie folgt definiert:

Betrachtet wird ein Riemenzahn mit allen dazugehörigen Kontaktknoten. Für eine komplette

Riemenumdrehung werden die einzelnen ps-Wert-Anteile eines jeden Kontaktknotens

aufsummiert. Am Ende sind alle Teilsummen zu addieren, wodurch sich der Gesamt-ps-Wert

ergibt.

Um eine Aussage über die Orte mit hoher Verschleißwahrscheinlichkeit eines Zahnriemens

treffen zu können, kann der Gesamt-ps-Wert in zweierlei Hinsicht grafisch aufbereitet

werden. Einerseits identifiziert man die Zahnbereiche andererseits die Knoten am Zahn mit

den höchsten Verschleißanteilen. Im Folgenden wird ein Riemengetriebe zu Grunde gelegt,

bei dem An- und Abtriebswelle zueinander seitlich versetzt sind. Um die Modellgröße und

damit die Rechenzeit in Grenzen zu halten kommt zunächst ein Zahnriemen mit einer

Riemenbreite von nur 10 mm zum Einsatz (vgl. Bild 1).

Bild 1: Betriebszustand: Seitlicher Versatz mit 10 mm breiten Zahnriemen

Auf Zahnnummer bezogen:

Betrachtet werden lediglich je 17 Zähne am Antrieb und am Abtrieb (Zahnscheibe mit 24

Zähne, 12 davon im Eingriff sowie je 2,5 Zähne davor und dahinter, welche mit der

Bordscheibe interagieren). Zähne im Leer- und Lasttrum werden wegen Irrelevanz

vernachlässigt (stehen nicht im Kontakt mit der Bordscheibe und leisten daher keinen Beitrag

zum ps-Wert).

Sehr eindrucksvoll lassen sich nun diejenigen Bereiche verdeutlichen, welche unter

besonderer Beachtung stehen sollten (vgl. Bild 2). Sowohl die Riemenvorder- als auch die

Riemenhinterkante tragen den größten Teil des Gesamt-ps-Wertes. Hinzu kommt, dass genau

diejenigen Zähne die höchste Verschleißwahrscheinlichkeit innehaben, welche sich im Ein –

bzw. im Auslauf befinden. Da im normalen Betrieb jeder Zahn diese Positionen fortlaufend

einnimmt, sensibilisiert diese Darstellungsform lediglich über die Kernproblemzonen.

Abtrieb: Hinterkante wird beansprucht

Antrieb: Vorderkante wird beansprucht

0 mm

10 mm

Page 5: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

Bild 2: ps-Wert-Verteilung – auf Zahnnummer bezogen

Auf Knoten bezogen:

In einer zweiten Darstellungsform des Gesamt-ps-Wertes werden dessen Anteile auf die

einzelnen im Kontakt stehenden Knoten aufgeteilt. Hierdurch ergibt sich eine Verteilung der

Verschleißwahrscheinlichkeit, welche konkret die Stellen am Riemenzahn benennt, an denen

in der Praxis Verschleißerscheinungen zu erwarten sind. Durchgeführte praktische Versuche

mit den gleichen Betriebsparametern zeigten eine sehr gute Übereinstimmung zwischen dem

Maxima der ps-Wert-Verteilung und dem tatsächlichen aufgetretenen Verschleiß

(vgl. Bild 3). Für die praktischen Tests wurde eine sogenannte Opferschicht auf die

Riemenkante aufgebracht, welche je nach Grad der Belastung abgetragen wurde. Diese sehr

einfache und anschauliche Methode hat lediglich den Nachteil, dass die

Verschleißfortpflanzung (realer, fortschreitender Materialabtrag) nicht differenziert analysiert

werden kann. Jedoch spielt der Materialabtrag bzw. die Verschleißfortpflanzung auch in den

derzeitigen FEM-Analysen zunächst noch keine Rolle.

Bild 3: ps-Wert-Verteilung auf der Vorderkante – auf Knotennummer bezogen

mittlere Verschleißwahrscheinlichkeit

hohe Verschleißwahrscheinlichkeit

Gesamt-ps-Wert-Verteilung - seitlicher Versatz

pro Riemenumlauf - auf Zahnnummer bezogen

Originaler Zahnriemen

ps-

We

rt [

µJ/

mm

2 ]

Rie

me

nb

reit

e [

mm

]

Zahnnummer

Antrieb

1

17 18

34

Abtrieb

Page 6: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

4. Kantenoptimierung

Mit dieser erarbeiteten Analogiebeziehung zwischen dem aufgetretenen Verschleiß und den

Ergebnisgrößen einer FEM-Rechnung ist die Grundlage für eine Optimierung für denkbare

Betriebsfälle von Zahnriemengetrieben geschaffen.

Mit dem Wissen um verschleißgefährdete Zahnbereiche kann nun nach einer verbesserten

Geometrie gesucht werden. Dies erfolgt mittels Optimierungsrechnungen, die eine direkte

Ableitung einer Designverbesserung aus den Berechnungsergebnissen einer FEM-Simulation

erlauben. Eine hierdurch abgeleitete erste Designverbesserung gilt es automatisch auf ihre

Güte zu bewerten. Ziel ist es, mit Hilfe möglichst weniger Iterationen eine Geometrie

abzuleiten, deren Güte sich bis an die Grenzen einer zuvor definierten Abbruchbedingung

dem Optimum annähert. Bei den konkreten Arbeiten am Zahnriemen wurde ein heuristisches

Optimierungsverfahren gewählt, die sogenannte Formoptimierung.

Dabei steht die Variation der Oberfläche eines Bauteils mit dem Ziel im Vordergrund,

Oberflächenspannungen zu homogenisieren. Je nach Abhängigkeit der auftretenden

mechanischen Spannungen am betroffenen Kontaktknoten findet dabei ein adaptives

Wachsen bzw. ein adaptives Schrumpfen der Form statt. Vorreiter auf dem Gebiet der

homogenen Oberflächenspannungen war Prof. Matthek /3/. Mit seiner Methode der

Zugdreiecke verstand er es, durch einfachste geometrische Abhandlungen Spannungsspitzen,

insbesondere an Kerben zu reduzieren. Seine Grundlagenarbeiten flossen maßgeblich in die

Entwicklung der Softwaretools CAO (Computer Aided Optimization) und SKO (Soft Kill

Option) ein, welche heute in jedem größeren Konstruktionsbüro Stand der Technik sind.

Als Gütekriterium zur Optimierung des Gesamt-ps-Wertes eines Zahnriemens bietet sich der

Kontaktdruck an. Hier versagen kommerziell erhältliche CAO-Tools, da diese nicht ohne

Weiteres den Kontaktdruck optimieren können. Daher musste der Autor ein eigenes

Optimierungstool entwickeln. Mit Hilfe eines einfachen Beispiels: zentrale Belastung eines

Radiergummis soll hier die prinzipielle Herangehensweise veranschaulicht werden.

Bild 4: Ausgangssituation des Anschauungsbeispiels

Page 7: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

Ein Radiergummi wird mittig belastet, sodass sich im Kontaktbereich zwischen Unterlage

(z. B. ein Tisch) und Radiergummi eine Druckverteilung gemäß Bild 4 rechts einstellt. Ziel

der bevorstehenden Optimierung sei es, eine homogene Verteilung des Kontaktdruckes auf

der gesamten Kontaktfläche zu erreichen.

Bild 5: Ergebnisse der Formoptimierung am Anschauungsbeispiel: zentrale Belastung eines Radiergummis

Aus den Ergebnissen des selbst entwickelten Optimierungstools ist ableitbar, dass sich durch

relativ kleine Formänderungen der Kontaktfläche des Radiergummis das Maximum des

Kontaktdruckes um rund 90 % reduzieren lässt (vgl. Bild 5). Damit wurde ein Werkzeug

geschaffen, welches für beliebige Kontaktdruck-Probleme einsetzbar ist. Folglich ist nun auch

das Problem der Optimierung einer Interaktion von Bordscheibe zu Riemen eines

Zahnriemengetriebes z. B. bei Wellenschiefstand lösbar.

Optimierungstool:

Im Bild 6 ist die prinzipielle Herangehensweise des am IFTE entwickelten Optimierungstools

skizziert. Modular werden die Funktionsblöcke: Input/CAD-FEM, Optimierung, Solver,

Postprocess und Output abgearbeitet. Nachfolgend werden die prinzipiellen Inhalte der

Funktionsblöcke kurz vorgestellt.

Bild 6: Prinzip des Optimierungsalgorithmus

Neue Form der Unterfläche:

Entwicklung der Druckverteilung:

Vorher Nachher

niedrig

hoch

Input/ CAD-FEM

Optimierung

Postprocess

Output

Solver

Page 8: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

Input/ CAD-FEM:

Zu Beginn ist der reale Betriebsfall für Zahnriemengetriebe zu abstrahieren und schließlich in

ein CAD – Modell zu überführen. Im Anschluss erfolgt die Vernetzung, die Einbringung von

zuvor definierten Kräften und Lastmomenten, ehe sich die eigentliche FEM-Simulation

anschließt /4/. Im Anschluss erfolgt eine Verschleißanalyse, wobei der exakte Ort, und die

Lage des Riemens zur Borscheibe für den maximalen ps-Wert im Getriebe bestimmt werden.

Ein Vorschlag zur erfolgreichen Herangehensweise wurde auf der 15. Zahnriementagung

vorgestellt /2/.

Optimierung:

In einem nächsten Schritt sind diejenigen Oberflächenknoten zu definieren, welche in ihrer

Lage manipuliert werden können. Für diese sogenannten Designknoten wird der jeweilig

aktuelle Kontaktdruck ausgelesen. Aus diesem Wert und der aktuellen Knotenposition im

Geometrieverbund werden dann sowohl die Verschiebungsrichtung, als auch der

Verschiebungsbetrag errechnet. Beide Werte sind abschließend in die Database einzutragen.

Solver:

Die aktualisierte Verschiebungsmatrix wird dem Solver übergeben, welcher eine erste

Iterationsrechnung durchführt. Durch Auflösung der FEM - Gleichungssysteme können nun

wie gewohnt Kräfte, Spannungen und Drücke abgeleitet werden. Abschließend wird eine

Ergebnisdatei erstellt, welche wiederum dem Funktionsblock Optimierung zugeführt wird.

Diese Iterationsschleife wiederholt sich solange, bis eine zuvor definierte Abbruchbedingung

erfüllt wird.

Postprocess:

Durch Auslesen der generierten Ergebnisdateien besteht wie gewohnt die Möglichkeit, den

Optimierungsvorgang zu visualisieren. Aussagen zu maximalen Knotenverschiebungen sind

nun genau so leicht zu treffen, wie die Beurteilung der resultierenden Kontaktdruckverteilung

im jeweiligen Betriebsfall.

Output:

Für abschließende Analysen können am Ende sowohl der Optimierungsverlauf (Verlauf der

Optimierungsgüte) als auch die sich resultierende Endgeometrie ausgegeben werden.

Page 9: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

Anwendung der Formoptimierung auf ein Zahnriemengetriebe:

Durch Anwendung der Formoptimierung sind nun sämtliche theoretische Überlegungen auf

deren Praxisrelevanz des bisher betrachteten Betriebsfalls zu prüfen. Hierzu wird in einem

ersten Schritt der Ort und die Lage des Riemens für die Optimierung festgelegt,

Optimierungsparameter kalibriert, die Kontaktdruckoptimierung am Simulationsmodell

vollzogen und schließlich eine optimierte Geometrie abgeleitet. Als Ergebnis lässt sich

festhalten, dass sich eine verschleißoptimierte Seitenkante phänomenologisch stark von der

Originalkante unterscheidet, jeweils abhängig von den angenommen Betriebsparametern und

den eingetragenen Montageabweichungen (vgl. Bild 7). Das neue Design galt es praktisch

umzusetzen, in Betrieb zu nehmen, zu vermessen und auszuwerten.

Bild 7: Formoptimierung der Zahnriemenseitenkante (Prinzipdarstellung)

5. Auswertung der optimierten Kantengeometrie

Auch wenn an dieser Stelle keine detaillierten Aussagen über das Ergebnis der

Seitenkantengeometrie erfolgen darf, sollen in diesem Kapitel dennoch die Auswirkungen

bezüglich der Laufruhe, der Entwicklung des ps-Wertes und der praktischen Relevanz im

Mittelpunkt stehen.

Die Laufruhe:

Herkömmliche Zahnriemen neigen bei seitlichem Versatz dazu, auf die angrenzende

Bordscheibe mehr oder minder stark hochzulaufen. Dieser pulsierende Vorgang wiederholt

sich einmal pro Riementeilung. Nachteilig ist die damit verbundene Belastungsverlagerung

weg von der Lauffläche und hin zur Seitenkante, was zu mechanischen

Spannungsüberhöhungen am Zahnkopfrand führt. Riemen mit der formoptimierten

Kantengeometrie:

Original Kantenoptimiert

Page 10: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

Seitenkante laufen hingegen nicht mehr teilungsabhängig hoch. Somit bleibt die Lauffläche

über den gesamten Einzahnprozess des Riemens gleichbleibend tragend. Nicht nur, dass somit

mechanische Spannungsüberhöhungen an der Riemenkante minimiert werden, es verkleinert

sich zudem auch der Schwingungseintrag durch den Einzahnprozess, wodurch eine höhere

Laufruhe erreicht wird (vgl. Bild 8).

Bild 8: Vergleich des kontaktbedingten Hochlaufens zwischen einem Riemen mit originaler und

kantenoptimierter Seitenkante

Der ps-Wert:

Ein Riemen mit optimierten Seitenkanten erzeugt einen Gesamt-ps-Wert, der ca. 72 Prozent

kleiner ist, als bei einem Riemen mit herkömmlichen geraden Seitenkanten (vgl. Bild 9).

Diese Größe schwankt je nach gewähltem Betriebszustand (Art der Montageabweichung),

Vorgabe des maximalen Fehlerwinkels für An- und Abtrieb und verwendeten

Betriebsparametern (eingreifende Zähnezahl, Lastmoment, Vorspannkraft), bleibt jedoch in

dieser beachtlichen Größenordnung. Damit weist die theoretisch ermittelte Verbesserung des

Gesamt-ps-Wertes auf eine signifikante Verkleinerung des zu erwartenden praktischen

Kantenverschleißes hin.

Diesem Argument folgend wurden erste Riemen mit modifizierter Seitenkante hergestellt,

welche in nun laufenden Verschleißversuchen auf ihre Praxisrelevanz geprüft werden.

Original-Zahnriemen:

Kantenoptimierter Zahnriemen:

t=t0+1/3 Zahn

t=t0

t=t0+2/3 Zahn

t=t0+1/3 Zahn

t=t0

t=t0+2/3 Zahn

Page 11: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

Bild 9: Vergleich des ps-Wertes zwischen originaler und kantenoptimierter Seitenkante

Praktische Relevanz:

Zurzeit liegen lediglich einzelne praktische Testreihen vor, welche keinerlei statistische

Sicherheiten aufweisen. Jedoch zeigen diese Ergebnisse bereits einen beachtlichen Trend. In

Tabelle 1 sind die Ergebnisse der durchgeführten praktischen Verschleißuntersuchungen

übersichtlich aufbereitet.

Tendenziell verschleißt demnach ein seitenkantenoptimierter Riemen im Mittel nur halb so

stark, wie die derzeitigen Referenz-Zahnriemen.

Tabelle 1: Ergebnisse der durchgeführten Verschleißuntersuchungen

Original (Referenz) Kantenoptimiert Vergleich zum

Original in % Abrieb in mm

2 mm

2

nach einem Tag 0,85 0,08 ↓ 90

nach zwei Tagen 1,57 0,95 ↓ 40

nach drei Tagen 1,81 0,84 ↓ 53

Gesamt-ps-Wert-Verteilung - seitlicher Versatz

pro Riemenumlauf - auf Zahnnummer bezogen

Original-Zahnriemen Kantenoptimierter Zahnriemen

ps-

Wer

t [m

J/m

m2]

900

0

900

0

Page 12: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

6. Zusammenfassung

Selbst bei kleinen Montageabweichungen finden moderate Erhöhungen von Zug- und

Druckspannungen in bestimmten Bereichen des Zahnriemengetriebes statt. Aus diesem Grund

können Zahnriemen in ausgewählten Einsatzgebieten (mit den dort relativ häufig auftretenden

Montageabweichungen, z. B. Hochregallager) verhältnismäßig früh verschleißen. Die am

IFTE erfolgreich durchgeführten FEM-Simulationen von möglichen Betriebsfällen (so auch

dem des seitlichen Versatzes) beschreiben die Ursachen und die Auswirkungen für möglichen

Verschleiß. Hierfür konnte mit der Herleitung des sogenannten ps-Wertes eine

Analogiebeziehung zwischen den typischen FEM-Größen und dem Begriff Verschleiß

aufgestellt werden. Der ps-Wert hebt die Orte am Zahnriemen hervor, welche einer erhöhten

Verschleißwahrscheinlichkeit unterliegen, was sich auch in den praktisch durchgeführten

Versuchen bestätigte. Eine sich anschließende Formoptimierung der Riemenkante soll den

Kantenverschleiß signifikant verkleinern. Hierzu wurde ein Algorithmus entwickelt, welcher

das Gütekriterium eines gleichmäßigen Druckes im Kontaktbereich von Riemen zur

Bordscheibe anstrebt. Damit wurde nicht nur für die Spezifik von Montageabweichungen die

Voraussetzung einer Formoptimierung geschaffen, sondern diese Optimierung lässt sich auch

auf viele weitere Betriebsfälle mit nicht konstanten Druckbelastungen anwenden.

Der durch Formoptimierung aufgefundene Designvorschlag einer neuen Seitenkante,

reduziert den ps-Wert im aktuellen Beispielgetriebe um 72 Prozent. Diesem Konzept folgend

konnten erste Riemen mit modifizierten Seitenkanten hergestellt werden. Im Versuchstand

stellte man ein Rückgang des experimentell ermittelten Verschleißes um mindestens 50

Prozent fest. Aufgrund der geringen Prüfanzahl ist dieser Wert zwar derzeit lediglich als

Tendenz zu verstehen, lässt aber große Hoffnungen für den praktischen Einsatz zu.

Page 13: Dipl.-Ing. Jens Schirmer (TU Dresden) PD Dr.-Ing. Thomas ... · Ziele für das Produkt: 1. Höhere zu übertragende Leistungen bei gleichen Riemendimensionen bzw. kleinere Riemendimensionen

16. Tagung „Zahnriemengetriebe“

am Institut für Feinwerktechnik und Elektronik-Design der TU Dresden, 18./19.9.2012

J. Schirmer, T. Nagel:

Gestaltoptimierung der Riemenkante zur Verschleißreduzierung - (Seite 5)

Literatur

/1/ Dirk Bartsch-Kuszewski: Effizienz und Nachhaltigkeit in der modernen

Riemenentwicklung: Rußfreie Riemen aus natürlichen Rohstoffen; 14. Internationale

Fachtagung Zahnriemengetriebe, TU-Dresden, 2010 (ISBN 978-3-00-031707-1)

/2/ Jens Schirmer: 3D-FEM-Simulation des Kontaktes Bordscheibe Riemen bei

Wellenschiefstand; 15. Internationale Fachtagung Zahnriemengetriebe, TU-Dresden,

2011 (ISBN 978-3-00-034753-5)

/3/ Claus Matthek: Design in Nature – learning from trees; Springer-Verlag Berlin

Heidelberg New York, 1998 (ISBN 3-540-62937-8)

/4/ Sebastian Fraulob: Ergebnisse einer FEM-Analyse eines PKW-Nockenwellen-

Steuertriebes; 13. Internationale Fachtagung Zahnriemengetriebe, TU-Dresden, 2008