discussion papers on logistics and supply chain management · ii discussion papers on logistics and...
TRANSCRIPT
I
- Lehrstuhl für ABWL und Logistik -
Ingrid Göpfert (Hrsg.)
Discussion Papers on Logistics and Supply Chain Management
# 01
[Dezember 2011]
Ingrid Göpfert David Braun Wanja Wellbrock
Wirkung und Implementierungsgrad von Supply-Chain-Management-Maßnahmen
in der Automobilindustrie sowie Empfehlungen zu deren Kombination
Ergebnisse einer Praxisstudie
II
Discussion Papers on Logistics and Supply Chain Management
Philipps-Universität Marburg Lehrstuhl für ABWL und Logistik
Am Plan 2 35037 Marburg
ISSN: 2193-6978
# 01
Ingrid Göpfert1 Braun David2 Wanja Wellbrock3
Wirkung und Implementierungsgrad von Supply-Chain-Management-Maßnahmen in der Automobilindustrie
sowie Empfehlungen zu deren Kombination
Ergebnisse einer Praxisstudie
[Dezember 2011]
1 Univ.-Prof. Dr. Ingrid Göpfert ist Inhaberin des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Logis-
tik an der Philipps-Universität Marburg. 2 Dr. David Braun ist Mitarbeiter in der Abteilung Supply Chain Development bei der ThyssenKrupp AG in
Eschen, Liechtenstein. Er schloss seine Promotion 2011 am gleichnamigen Lehrstuhl ab. 3 Dipl.-Kfm. Wanja Wellbrock ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am gleichnamigen Lehrstuhl.
III
Executive Summary
Die Automobilindustrie nimmt im Rahmen der Logistik bzw. des Supply Chain Management eine sehr
bedeutende Rolle ein. Oftmals wird sie sogar als Vorreiterrolle in diesem Bereich bezeichnet. In einer
groß angelegten empirischen Studie des Lehrstuhls für ABWL und Logistik der Philipps-Universität
Marburg wurden insgesamt 470 Tier-1-Automobilzulieferer im deutschsprachigen Raum nach ihren
Erfahrungen mit ausgewählten Supply-Chain-Management-Maßnahmen befragt. Im Mittelpunkt
stehen hierbei die Kosteneffekte einzelner Maßnahmen, da diese als übergeordnetes Ziel des Supply
Chain Management angesehen werden können. Anhand der Studie lässt sich die Eignung der Maß-
nahmen bezüglich der speziellen Rahmenbedingungen in der Automobilindustrie ableiten, wodurch
sich einerseits interessante Schlussfolgerungen für die Wissenschaft ergeben und andererseits kon-
krete Handlungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis ableiten lassen. Ein weiterer wichtiger
Punkt der Studie ist die Verteilung der Kosteneinsparungen aus Supply-Chain-Management-
Maßnahmen zwischen den Herstellern und den Lieferanten. Findet eine weitestgehend faire Auftei-
lung zwischen den Marktparteien statt oder wird eine Seite kontinuierlich bevorzugt? Im abschlie-
ßenden vierten Kapitel wird über eine reine Ist-Betrachtung bestehender Maßnahmen hinausgegan-
gen, indem innovative Kombinationsmöglichkeiten betrachtet werden, wodurch sich neue Konzepte
wie das „Value Added Assembly“ und das „Supplier Controlled Sequencing“ ergeben.
Key Words: Automobilindustrie, Logistik, Supply Chain Management, Innovationen
IV
Inhaltsverzeichnis 1 Grundlegendes ........................................................................................................................... 1
1.1 Charakteristika der Umfrage ...................................................................................................... 1
1.2 Kostenblöcke im Unternehmen .................................................................................................. 2
1.3 Bedarfstransparenz .................................................................................................................... 3
2 Wirkungen ausgewählter Supply-Chain-Management-Maßnahmen ........................................ 4
2.1 Regelmäßige Informationsweitergabe über den Produktionsstatus an den Hersteller ............ 4
2.2 Gemeinsame Planung ................................................................................................................. 6
2.3 Unternehmensübergreifende Verwendung eines identischen (elektronischen) Datenformates............................................................................................................................ 8
2.4 Unternehmensübergreifende Verwendung identischer Artikel- und Produktbezeichnungen 10
2.5 Unternehmensübergreifende Verwendung spezifisch angepasster Ladungsträger ................ 12
2.6 Zulieferer führt Produktions- oder Montageprozesse beim Hersteller durch ......................... 13
2.7 Übertragung von Produktions- oder Montageprozessen von dem Zulieferer oder dem Hersteller an den Logistikdienstleister ..................................................................................... 14
2.8 Just-in-Time .............................................................................................................................. 16
2.9 Just-in-Sequence....................................................................................................................... 18
2.10 Speditionslagermodell .............................................................................................................. 20
2.11 Supplier Managed Inventory .................................................................................................... 22
2.12 Konsignationslager ................................................................................................................... 25
2.13 Übertragung der Distributionsverantwortung und des Eigentums an den Waren an den Hersteller .................................................................................................................................. 27
2.14 Gebündelter Transport ............................................................................................................. 28
2.15 Übertragung der Qualitätsverantwortung an den Zulieferer ................................................... 31
2.16 Übertragung der produktionsgerechten Kommissionierung an den Zulieferer ....................... 32
3 Aufteilung von Kosteneinsparungen aus Supply-Chain-Management-Maßnahmen ............... 33
3.1 Weitergabe von Kosteneinsparungen des Herstellers an den Zulieferer ................................ 33
3.2 Weitergabe von Kosteneinsparungen des Zulieferers an den Hersteller ................................ 35
4 Kombinationen der Supply-Chain-Management-Maßnahmen ................................................ 37
4.1 Kombination 1: Value Added Assembly ................................................................................... 37
4.2 Kombination 2: Supplier Controlled Sequencing ..................................................................... 39
Literaturverzeichnis: .............................................................................................................................. 41
_______________________________________________________________________________
1
1 Grundlegendes
1.1 Charakteristika der Umfrage
Die Ergebnisse der vorliegenden Studie decken auf, von welchen Supply-Chain-Management (SCM)-
Maßnahmen Automobilzulieferer und -hersteller besonders profitieren. Darüber hinaus wird auch
gezeigt, wie oft die einzelnen Maßnahmen in der Automobilindustrie implementiert sind.
Als SCM-Maßnahmen werden hierbei unternehmensübergreifende Informations- und/oder Materi-
alflussänderungen verstanden, die das Profitieren mindestens eines Beteiligten vermuten lassen, wie
bspw. bei der Maßnahme Just-in-Time.
Zu diesem Zweck wurden die Hauptsitze von 470, im deutschsprachigen Raum ansässigen Tier-1-
Automobilzulieferern angeschrieben. Es wurde darum gebeten, den Fragebogen an ihre Werksnie-
derlassungen weiterzuleiten, wo er ausgefüllt werden sollte: Dahinter steckt die Logik, dass SCM-
Maßnahmen in verschiedenen Werken unterschiedlich ausgestaltet sein können. Geantwortet haben
70 Unternehmen, was einem Rücklauf von 15% entspricht. Insgesamt wurden dabei 78 Fragebögen
ausgefüllt, da dieser teilweise von mehr als einer Werksniederlassung beantwortet wurde.
Im Fragebogen wurde einerseits nach den Wirkungen implementierter SCM-Maßnahmen auf Seiten
der Zulieferer gefragt, darüber hinaus jedoch auch nach der Wirkung auf Seiten des jeweiligen Ab-
nehmers. Die Aufgabe der Informationsbeschaffung in Bezug auf die herstellerseitigen Wirkungen
wurde hierbei in die Hände der angeschriebenen Zulieferer gegeben.
Ein sinnvolles Differenzierungskriterium von Automobilzulieferern stellt die Komplexität der von
ihnen hergestellten Produkte dar, nach welcher man grundlegend zwischen Teilen, Komponenten
und Modulen differenziert.4 Die antwortenden Unternehmen setzen sich zu ähnlich großen Teilen
aus Teile-, Komponenten- und Modul-Lieferanten zusammen, wie Abbildung 1 zeigt.
Abbildung 1: Produktkomplexität der Studienteilnehmer
4 Komponenten, wie bspw. Scheibenwischermotoren, setzen sich aus mehreren Teilen, wie z. B. Schrauben,
zusammen, Module, wie bspw. das Cockpit, bestehen wiederum aus mehreren Komponenten oder Teilen. Bei Letzteren handelt es sich um „komplettierte, funktionsfähige Baugruppen ..., die [durch den Zulieferer, Anm. d. Verf.] einbaufertig angeliefert werden“, Becker (2005), S. 15.
Modul- Lieferanten
36%
Teile-Lieferanten
26%
Komponenten- Lieferanten 38%
2
1.2 Kostenblöcke im Unternehmen
SCM-Maßnahmen führen neben Effekten auf Erlöszahlungen zu Kostenänderungen bei dem Zuliefe-
rer und/oder dem Hersteller.5 Die Höhe der hier erzielbaren Kostenreduktionen hängt somit auch
davon ab, wie hoch einzelne Kostenblöcke in den Unternehmen sind. In der Umfrage wurde nach den
Kostenblöcken auf Seiten der Automobilzulieferer gefragt (siehe Tabelle 1).
Rang Rang Rang
Teile Komponenten Module
Produktions- und Erstellungsprozesse 1 1 1
Kapitalbindungskosten 2 2 2
innerbetriebl. Logistikprozesse 3 3 3
innerbetriebl. Informations- und Auftragsabwicklungsprozesse 4 4 4
Kommunikation mit dem Hersteller 5 5 6
Transport zum Hersteller 6 6 5
Tabelle 1: Rangfolge von Kostenblöcken
Die größte Kostenposition stellen durchschnittlich bei allen Zulieferertypen die Produktionskosten dar.
An zweiter Stelle finden sich lieferantenübergreifend die Kapitalbindungskosten. Dass diese in ho-hem Maße durch SCM-Maßnahmen beeinflusst werden können, verdeutlicht das große Potenzial des Supply Chain Management.
Innerbetriebliche Logistikprozesse sind bei allen Zuliefertypen im Durchschnitt auf Rang drei.
Die Kosten des Transportes zwischen Zulieferer und Hersteller liegen bei Zulieferern von Teilen und Komponenten auf dem letzten Rang, bei Modul-Lieferanten auf Rang fünf: Die höhere Transportfre-quenz und hiermit verbunden eine geringere Transportmittelauslastung bei Modul-Lieferanten führt zu einem Anstieg der entsprechenden Kosten. So zeigen die Umfrageergebnisse, dass der Anteil der Zulieferer mit mindestens einer Lieferung pro Tag von 20% bei Teilen über 50% bei Komponenten auf 75% bei Modulen ansteigt.
5 Vgl. Göpfert/Braun (2011), S. 66.
3
1.3 Bedarfstransparenz
Die Bedarfstransparenz (Gegenteil: Bedarfsunsicherheit) gibt darüber Auskunft, inwiefern den Zulie-
ferern der zukünftige Bedarfsverlauf der Automobilhersteller bekannt ist.6 Durch eine hohe Bedarfs-
transparenz lassen sich bspw. Fehlkosten oder Kosten einer Überproduktion vermeiden, der Liefer-
service kann erhöht werden.
Eine Reduktion der Bedarfsunsicherheit kann in erster Linie durch eine zusätzliche Informationswei-
tergabe an den Zulieferer oder eine gemeinsame Planung zukünftiger Bedarfe und Bestellungen her-
beigeführt werden.
Die zukünftigen Bedarfe des Herstellers sind...
insges. Teile Komponenten Module
weitestgehend transparent 44% 45% 37% 50%
teilweise transparent 51% 50% 53% 50%
kaum transparent 4% 5% 7% 0%
Tabelle 2: Bedarfstransparenz
Bei Modul-Lieferanten ist die Bedarfstransparenz im Durchschnitt am besten (siehe Tabelle 2). Bei
der Hälfte dieser Zulieferer sind die künftigen Bedarfe weitestgehend transparent, besonders
schlechte Werte finden sich hier nicht.
Bei Zulieferern von Teilen und Komponenten findet sich eine weitestgehende Transparenz hingegen
bei weniger als 50% der Befragten. Vereinzelt lassen sich hier auch Fälle beobachten, in welchen eine
Transparenz kaum gegeben ist.
Dass bei allen Lieferantentypen mindestens 50% angegeben haben, dass die zukünftigen Bedarfe des
jeweiligen Herstellers nur "teilweise transparent" sind, deutet generell auf ein Verbesserungspoten-
zial in diesem wichtigen Bereich hin, welcher stark durch SCM-Maßnahmen beeinflusst werden kann
(siehe die beiden oben genannten Maßnahmen).
6 Vgl. Klaas (2002), S. 166.
4
2 Wirkungen ausgewählter Supply-Chain-Management-Maßnahmen
2.1 Regelmäßige Informationsweitergabe über den Produktionsstatus an den Hersteller
Unter diesem Punkt lassen sich SCM-Konzepte wie Available-to-Promise oder Capable-to-Promise
zusammenfassen, die auf Basis einer regelmäßigen Informationsweitergabe an den Hersteller über
verfügbar Fertigbestände oder sogar den jeweils aktuellen Produktionsstatus eine qualifizierte Er-
mittlung von Lieferterminzusagen sicherstellen. Der Hersteller erhält hierdurch eine genauere Infor-
mation darüber, ob und wann die von ihm benötigten Produkte geliefert werden können.7
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 29% 38% 29% Häufigkeit 27%
Hersteller 38% 57% 0%
Abbildung 2: Wirkungen einer regelmäßigen Informationsweitergabe über den Produktionsstatus an den Hersteller
Wie Abbildung 2 zeigt, wirkt sich die Maßnahme auf Seiten der Hersteller durchaus positiv aus. Zwar
ergeben sich bei knapp 60% der Befragten keine nennenswerten Kostenänderungen, die Gefahr ei-
nes drohenden Kostenanstiegs wird allerdings komplett verneint. In 38% der Fälle werden sogar kon-
krete Kostensenkungen erreicht.
Bei den Zulieferern deuten die Ergebnisse mit jeweils ca. 30% auf eine Gleichverteilung hin, so dass
die Wirkungen der Maßnahme stark von der konkreten Situation und den jeweiligen Rahmenbedin-
gungen in den einzelnen Unternehmen abhängen.
7 Vgl. Bretzke (2007), S. 11-14; Hellingrath et al. (2004), S. 201; Konrad (2005), S. 116f.
5
Empfehlung:
Aus Sicht der Hersteller liegt hier durchaus ein erhebliches Optimierungspotenzial versteckt, da die
Maßnahme noch relativ selten eingesetzt wird und die Gefahr einer konkreten Kostensteigerung
nahezu vollkommen ausgeschlossen werden kann. Für eine weitere Implementierung spricht zusätz-
lich, dass die Maßnahme nicht von allen Zulieferern strikt abgelehnt wird, so dass man auch dort
teilweise mit einer gewissen Unterstützung rechnen darf.
6
2.2 Gemeinsame Planung
Die Maßnahme Gemeinsame Planung wird oft mit dem SCM-Konzept Collaborative Planning in Ver-
bindung gebracht, das wiederum ein entscheidender Bestandteil des zunehmend populärer werden-
den Gesamt-Konzeptes Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment ist. Unter dem Be-
griff Collaborative Planning werden vor allem der Austausch und die Synchronisation von Produkti-
onsplänen zwischen den Supply-Chain-Partnern sowie eine integrierte Distributionsplanung entlang
der gesamten Wertschöpfungskette verstanden.8
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 65% 29% 6% Häufigkeit 40%
Hersteller 52% 42% 6%
Abbildung 3: Wirkungen einer gemeinsamen Planung
Sowohl auf Seiten der Zulieferer als auch der Hersteller zeichnen sich positive Erwartungen durch
eine gemeinsame Planung ab (siehe Abbildung 3):
Bei den Herstellern erzielen insgesamt 52% eine Kostensenkung, 42% gehen zumindest nicht von
einem Anstieg der Belastungen aus und lediglich 6% verzeichnen einen konkreten Anstieg der Kos-
ten.
Bei den Zulieferern sehen die Zahlen noch besser aus. Bei ganzen 65% der befragten Unternehmen
geht man von klaren Kostensenkungen aus, 29% verzeichnen keine konkreten Veränderungen und
bei ebenfalls lediglich 6% kommt es zu einem Kostenanstieg.
8 Vgl. Alicke (2005), S. 176; Baumgarten/Darkow (2002), S. 95f.; Gierth et al. (2007), S. 36f.; Konrad (2005), S.
110-112; Schweicher (2009), S. 30.
7
Teile Komponenten Module
Kostensenkung Zulieferer 63% 67% 64%
Kostensenkung Hersteller 50% 56% 50%
Kostensteigerung Zulieferer 0% 0% 14%
Kostensteigerung Hersteller 13% 0% 7%
Häufigkeit 40% 30% 50%
Tabelle 3: Häufigkeit und Wirkung einer gemeinsamen Planung in Abhängigkeit der Produktkategorie
Kostensenkungen treten nicht nur bei komplexeren Modulen und Komponenten auf, sondern
gleichwertig auch bei Teilen (siehe Tabelle 3). Die Komplexität des Produktes scheint somit kein aus-
schlaggebendes Erfolgskriterium für eine gemeinsame Planung zu sein.
Obwohl auf beiden Seiten überwiegend Kostensenkungen mit dieser Maßnahme assoziiert werden,
ist sie noch vergleichsweise selten implementiert. Besonders bei Komponenten (30%) und Teilen
(40%) ist noch ein erheblicher Spielraum nach oben möglich. Bei Modulen zeichnet sich eine Häufig-
keit von 50% ab, so dass sich insgesamt – über alle Produktkategorien hinweg –eine Implementie-
rungsrate von 40% ergibt.
Empfehlung:
Aufgrund des hohen und vor allem beidseitigen Kostensenkungspotenzials sollte diese Maßnahme in
Zukunft vermehrt umgesetzt werden. Die Partner können sich dabei grundsätzlich einer gegenseiti-
gen Unterstützung sicher sein.
8
2.3 Unternehmensübergreifende Verwendung eines identischen (elektronischen)
Datenformates
Bei dieser Maßnahme verwendet der Zulieferer bewusst identische Datenformate wie der Herstel-
ler, um somit die gemeinsame Kommunikation zu erleichtern.9 Neben individuellen Standards exis-
tieren in der Automobilindustrie auch mehrere branchenweit standardisierte Datenformate, die kon-
kret an die Belange der Branche angepasst sind. Beispielhaft sind hier die Formate „Odette“ oder
„VDA“ genannt.10
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 53% 34% 9% Häufigkeit 90%
Hersteller 57% 34% 0%
Abbildung 4: Wirkungen einer Verwendung eines identischen Datenformates bei beiden Akteuren
Zulieferer und Hersteller profitieren in den meisten Fällen beide von der Verwendung standardisier-
ter Datenformate (siehe Abbildung 4). Jeweils über 50% der befragten Unternehmen gehen von Kos-
tensenkungen sowohl für den Hersteller (57%) als auch für den Zulieferer (53%) aus. Gut ein Drittel
erwarten keine Kostenveränderungen und der Anteil der Unternehmen, die einen konkreten Anstieg
der Kosten zu verzeichnen haben, ist bei den Zulieferern mit 9% sehr gering und bei den Herstellern
mit 0% sogar überhaupt nicht vorhanden.
Eine Implementierungsrate von 90% verdeutlicht, dass eine einheitliche Verwendung des Datenfor-
mates zur zwischenbetrieblichen Kommunikation bereits zu den Standard-Anwendungen zählt und
somit nur wenig innovativ ist.
9 Vgl. Gleißner/Femerling (2008), S. 198; Groll (2004), S. 127f.; Konrad (2005), S. 239. 10 Vgl. Groll (2004), S. 127; Heidtmann (2008), S. 154; Klug (2010), S. 246-249; Schorb et al. (2007), S. 630.
9
Empfehlung:
Die Verwendung eines identischen (elektronischen) Datenformates zur zwischenbetrieblichen Kom-
munikation gehört bereits zu den Standard-Anwendungen und wird auch in Zukunft weiter zuneh-
men, da es eine entscheidende Grundvoraussetzung ist, partnerschaftliche Beziehungen überhaupt
erst einzugehen.
10
2.4 Unternehmensübergreifende Verwendung identischer Artikel- und Produktbezeichnungen
Eng verbunden mit der vorherigen Maßnahme ist die Verwendung Hersteller-identischer Artikel- und
Produktbezeichnungen durch den Zulieferer. Die gemeinsame Kommunikation kann durch eine ein-
heitliche Bezeichnung und eine identische Beschreibung der einzelnen Produkte erheblich erleichtert
werden.11
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 31% 64% 5% Häufigkeit 50%
Hersteller 38% 56% 3%
Abbildung 5: Wirkungen einer Verwendung identischer Artikel- und Produktbezeichnungen bei beiden Akteuren
Sowohl beim Hersteller (56%) als auch beim Zulieferer (64%) treten überwiegend keine Kostenände-
rungen durch eine Implementierung der Maßnahme ein (siehe Abbildung 5). Auch wenn in 31% der
Fälle beim Zulieferer und in 38% der Fälle beim Hersteller eine Kostensenkung erwartet wird, schei-
nen identische Artikel- und Produktbezeichnungen offensichtlich nicht zu den dringlichsten Maß-
nahmen auf beiden Seiten zu zählen. Dies verdeutlicht auch die im Vergleich zum identischen Daten-
format deutlich geringere Implementierungsrate.
Aufgrund der Ergebnisse bei der vorherigen Maßnahme hätte man nicht unbedingt mit diesem Resul-
tat gerechnet, da beide Ansätze mit der Erleichterung der gemeinsamen Kommunikation sehr ähnli-
che Zielsetzungen verfolgen.
Die Implementierungsrate liegt mit 50% ebenfalls deutlich unter dem Wert, der im Bezug auf die
Verwendung identischer Datenformate ermittelt wurde.
11 Vgl. Konrad (2005), S. 143f.
11
Empfehlung:
Da die Kostenwirkungen dieser Maßnahme größtenteils als neutral eingeschätzt werden, sollte eine
Implementierung jeweils im Einzelfall – abhängig von den vorherrschenden Rahmenbedingungen –
detailliert geprüft werden.
12
2.5 Unternehmensübergreifende Verwendung spezifisch angepasster Ladungsträger
Unter dieser Maßnahme versteht man die unternehmensübergreifende Verwendung identischer,
spezifisch angepasster Ladungsträger zwischen Hersteller und Zulieferer. Sowohl im Wareneingang
als auch im -ausgang lassen sich hierdurch die Umschlagprozesse erheblich erleichtern, wodurch
einerseits positive Zeiteffekte und andererseits Kostensenkungen erzielt werden können.12
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 33% 27% 37% Häufigkeit 86%
Hersteller 51% 25% 18%
Abbildung 6: Wirkungen einer unternehmensübergreifenden Verwendung spezifisch angepasster Ladungsträger
Aus Sicht der Hersteller wirkt sich die Maßnahme zu 51% positiv auf die Kosten aus, 25% verzeichnen
keine Kostenänderungen und lediglich bei 18% der Fälle tritt ein Anstieg der Kosten ein (siehe Abbil-
dung 6).
Beim Zulieferer sind die Kostenwirkungen nahezu gleich verteilt, was sich in den Prozentangaben von
33% (Kostensenkung), 27% (keine Veränderung) und 37% (Kostenanstieg) widerspiegelt. Die eintre-
tenden Effekte sind daher stark von den jeweils vorliegenden situativen Rahmenbedingungen abhän-
gig.
Insgesamt werden bereits in 86% der befragten Unternehmen identische, spezifisch angepasste La-
dungsträger verwendet.
Empfehlung:
Die Maßnahme gehört bereits jetzt mit einer Implementierungsrate von 86% zu den Standardan-
wendungen im SCM und wird aufgrund der positiven Kosteneffekte vor allem beim Hersteller auch in
Zukunft weiter an Verbreitung gewinnen.
12 Vgl. Fleischmann (2008), S. 7; Neher (2000), S. 300; Werner (2008), S. 107.
13
2.6 Zulieferer führt Produktions- oder Montageprozesse beim Hersteller durch
Bei dieser Maßnahme führt der Zulieferer Produktionsprozesse, i. d. R. die Endmontage seiner Pro-
dukte, direkt in den Räumlichkeiten des Herstellers durch. Ein solches Vorgehen wird auch als
Insourcing bezeichnet.13 Hierdurch kann vor allem bei variantenreichen Produkten die Individualisie-
rung hinausgezögert werden und sehr kurzfristig und flexibel erfolgen.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 14% 29% 57% Häufigkeit 9%
Hersteller 43% 43% 0%
Abbildung 7: Wirkungen einer Verlagerung von Produktions- oder Montageprozessen an den Zulieferer
Aus Sicht der Hersteller wirkt sich die Maßnahme positiv aus (siehe Abbildung 7): Sie können in 43%
der Fälle von den hiermit einhergehenden Flexibilitätsvorteilen profitieren. Kostensteigerungen sind
auf Seiten der Hersteller nicht zu erwarten (0%).
Umgekehrt wirkt sich die Maßnahme auf die Zulieferer überwiegend (57%) kostensteigernd aus: Auf
ihrer Seite kommen zusätzliche Kosten, bspw. für weiteres Personal, das diese Prozesse auf Seiten
der Hersteller ausführt, hinzu.
Die Studienergebnisse zeigen, dass die Maßnahme mit einer Häufigkeit von 9% kaum durchgeführt
wird. Sinnvoll ist eine Implementierung in erster Linie auch nur bei Modul-Lieferanten, da insbeson-
dere hier variantenreiche und komplexe Produkte vorliegen. Bei den Zulieferern, welche die Maß-
nahme durchführen, handelt es sich dementsprechend in 86% der Fälle um Modul-Lieferanten.
Empfehlung:
Aus Sicht der Hersteller besteht hier ein noch großes Potenzial. Gerade bei variantenreichen und
komplexen Modulen sollte geprüft werden, inwiefern sich Kostensenkungen realisieren lassen.
13 Vgl. Freiling/Sieger (1999), S. 9; Marquard/Mackert (1997), S. 132f.
14
2.7 Übertragung von Produktions- oder Montageprozessen von dem Zulieferer oder dem
Hersteller an den Logistikdienstleister
Bei dieser Maßnahme führt der Logistikdienstleister die Endmontage der Produkte des Zulieferers
durch oder montiert die Produkte mehrerer Zulieferer.14 Dies kann einerseits direkt in den Räumlich-
keiten des Herstellers geschehen, oder aber an einem separaten Standort des Logistikdienstleisters.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 43% 14% 43% Häufigkeit 9%
Hersteller 57% 29% 0%
Abbildung 8: Wirkungen einer Übertragung von Produktions- oder Montageprozessen von dem Zulieferer an den Logistikdienstleister
Während die obenstehende Abbildung 8 die Wirkungen einer solchen Übertragung von Montagepro-
zessen von dem Zulieferer an den Logistikdienstleister darstellt, gibt Abbildung 9 die Antworten zu
einer Übertragung von Montageprozessen des Herstellers an den Logistikdienstleister wieder.15
In beiden Fällen ist diese Maßnahme nur sehr selten (9% bzw. 13%) implementiert und zieht auf Sei-
ten des Herstellers häufig (57% bzw. 70%) Kostensenkungen nach sich. Dies resultiert bspw. aus dem
Entfall der Montagetätigkeit beim Hersteller, der zeitlichen Verzögerung der Endmontage, einer
leichteren Handhabung der bereits montierten Produkte oder Kosteneinsparungen durch eine Trans-
portbündelung, welche sich durch den Transport der montierten Produkte ergibt.
Auf Seiten des Zulieferers zeigen sich sehr unterschiedliche Wirkungen. Gerade im Falle einer Über-
tragung von Montageprozessen von dem Zulieferer an den Logistikdienstleister (Abbildung oben)
sind hier nahezu alle Wirkungen denkbar.
14 Vgl. Becker (2005), S. 110f.; Engelbrecht (2004), S. 129. 15 Vgl. Engelbrecht (2004), S. 129; Klug (2010), S. 6.
15
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 20% 60% 20% Häufigkeit 13%
Hersteller 70% 10% 10%
Abbildung 9: Wirkungen einer Übertragung von Produktions- oder Montageprozessen von dem Hersteller an den Logistikdienstleister
Bei der Übertragung von Montageprozessen des Herstellers an den Logistikdienstleister überwiegt
auf Seiten des Zulieferers hingegen „keine Änderung“ der Kostenposition, was darauf hindeutet, dass
der Zulieferer von dieser Ausgestaltungsform der Maßnahme nur selten tangiert wird.
Empfehlung:
Die zahlreichen Vorteile aus Sicht des Herstellers sowie die geringe Implementierung deuten auf ein
bislang unausgeschöpftes Potenzial dieser Maßnahme hin. Generell ist eine Prüfung dieser Maßnah-
me somit zu empfehlen; die Wirkung auf Seiten des Zulieferers hängt stark vom konkreten Einzelfall
ab.
16
2.8 Just-in-Time
Das entscheidende Merkmal des Konzeptes Just-in-Time ist die einsatz- bzw. bedarfssynchrone An-
lieferung der benötigten Produkte durch den Zulieferer. Es soll eine weitestgehende Synchronisation
der Aktivitäten Beschaffung und Produktion sichergestellt werden, um somit die Kosten der Beschaf-
fungslogistik zu senken. Vorteile können vor allem durch reduzierte Lagerbestände und einen gerin-
geren Bedarf an Handhabungs- und Ein- und Auslagerungsprozessen entstehen.16
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 17% 39% 33% Häufigkeit 23%
Hersteller 72% 17% 0%
Abbildung 10: Wirkungen von Just-in-Time
Der Just-in-Time-Ansatz führt zu sehr unterschiedlichen Kostenerwartungen auf Seiten der Hersteller
und Zulieferer (siehe Abbildung 10).
Bei den Herstellern treten in 72% der Fälle Senkungen der Kosten ein, 17% sehen keine Veränderun-
gen in der beschriebenen Maßnahme und ein konkreter Kostenanstieg wird vollkommen ausge-
schlossen. Für die Herstellerseite scheint eine Just-in-Time-Beschaffung daher sehr vorteilhaft zu
sein.
Auf der Zuliefererseite erzielen nur 17% der Unternehmen eine Kostensenkung, knapp 40% verzeich-
nen keinerlei Veränderungen und bei ganzen 33% kommt es zu einem konkreten Anstieg der Kosten.
Anhand der Daten wird ersichtlich, dass bei dieser Maßnahme eine eindeutige Kosten-Nutzen-
Teilung zwischen den beiden Parteien vorliegt. Der Großteil der Kosten wird von den Zulieferern ge-
tragen, wohingegen die Vorteile vor allem bei den Herstellern wirksam werden.
Tabelle 4 verdeutlicht diesen Punkt, da trotz einer Just-in-Time-Belieferung beim Zulieferer oftmals
eine Lagerhaltung bestehen bleibt. Die Lagerung der benötigten Teile wird somit lediglich vom Her-
steller auf den Lieferanten übertragen, wodurch die vorher beschriebenen Kosteneffekte entstehen.
16 Vgl. Alicke (2005), S. 171f.; Bowersox et al. (2010), S. 91f.; Gierth et al. (2007), S. 59f.; Göpfert (2005), S. 206-
208; Konrad (2005), S. 136f.; Pfohl (2010), S. 173; Schweicher (2009), S. 31f.
17
Besonders deutlich wird diese Problematik bei Komponenten (80%) und Teilen (67%), wohingegen
bei Modulen (14%) eine wirklich bestandslose Produktion bereits weitaus häufiger anzutreffen ist.
Lagerhaltung bei Zulieferern mit Just-in-Time
Teile 67%
Komponenten 80%
Module 14%
Tabelle 4: Lagerhaltung beim Zulieferer in Verbindung mit Just-in-Time nach Produktkategorie
Wie oben bereits kurz erwähnt, wird eine reine Just-in-Time-Belieferung am häufigsten bei Modulen
angewendet. Bei Teilen und Komponenten greift man zumeist auf eine Kombination mit dem Spedi-
tionslager-, Supplier Managed Inventory- oder Konsignationslagermodell zurück.
Die Implementierung einer reinen Just-in-Time-Belieferung (ohne Speditionslager, etc.) ist mit gerade
mal 23% noch ziemlich gering ausgeprägt.
Empfehlung:
Eine Beschaffung nach dem Just-in-Time-Prinzip ist für die Hersteller sehr vorteilhaft, wohingegen auf
Seiten der Zulieferer lediglich in konkreten Einzelfällen Kostensenkungen realisiert werden können.
Die noch sehr geringe Implementierungsrate deutet auf ein hohes bisher unausgeschöpftes Potenzial
dieser Maßnahme hin und es sollte versucht werden, – bspw. durch mögliche Kompensationsmaß-
nahmen – diesen Ansatz auch für die Zuliefererseite zunehmend interessanter zu gestalten.
18
2.9 Just-in-Sequence
Unter Just-in-Sequence versteht man eine konkrete Weiterentwicklung des Just-in-Time-Ansatzes.17
Die Beschaffung erfolgt nicht ausschließlich einsatz- bzw. bedarfssynchron, sondern wird um eine
sequenzgetreue (reihenfolgegenaue) Einsteuerung der Anlieferungen gemäß der anschließenden
Weiterverarbeitung ergänzt. Da Just-in-Sequence eine Art Sonderfall der Just-in-Time-Belieferung
darstellt, sind auch die Wirkungen und die damit verbundenen Ziele sehr ähnlich. Durch eine best-
mögliche Synchronisation der Beschaffung und Produktion sollen die Kapitalbindungs- und operati-
ven Lagerkosten möglichst gering gehalten werden.18
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 13% 52% 30% Häufigkeit 29%
Hersteller 70% 26% 0%
Abbildung 11: Wirkungen von Just-in-Sequence
Die Wirkungen der Maßnahme Just-in-Sequence sind sehr ähnlich zu den Werten des Just-in-Time-
Ansatzes (siehe Abbildung 11). Es zeichnet sich auch hier ein deutlicher Unterschied zwischen Her-
steller und Zulieferer ab. Bei den Herstellern treten mit 70% Kostensenkungen auf und bei den Zulie-
ferern sind es mit gerade 13% nochmals deutlich weniger als bei der vorherigen Maßnahme. Auch
bei den Punkten „keine Änderung“ und „Kostensteigerung“ sind die Prozentsätze ziemlich identisch
zum Just-in-Time-Ansatz.
17 Vgl. Göpfert/Wellbrock (2011), S. 216. 18 Vgl. Alicke (2005), S. 172; Gierth et al. (2007), S. 61f.; Göpfert (2005), S. 206-208; Ihme (2006), S. 294; Konrad
(2005), S. 136f.; Schweicher (2009), S. 32; Stommel (2003), S. 142.
19
Lagerhaltung bei Zulieferern mit Just-in-Sequence
Teile 67%
Komponenten 71%
Module 31%
Tabelle 5: Lagerhaltung beim Zulieferer in Verbindung mit Just-in-Sequence nach Produktkategorie
Auch die Problematik der Übertragung der Lagerhaltung vom Hersteller auf den Zulieferer zeichnet
sich bei einer Just-in-Sequence-Belieferung ab. Vor allem bei Komponenten (71%) und Teilen (67%)
findet man trotz der besonderen Anlieferungsform bei den Zulieferern weiterhin erhebliche Lagerbe-
stände. Im Bereich der Module ist dieser Prozentsatz mit 31% zwar erneut deutlich niedriger, liegt
aber um einiges über dem vergleichbaren Wert bei der Just-in-Time-Anlieferung (siehe Tabelle 5).
Dies dürfte vor allem auf die zusätzlichen Anforderungen an eine nicht nur bedarfssynchrone, son-
dern sogar reihenfolgegenaue Anlieferung zurückzuführen sein.
Die Implementierungsrate von Just-in-Sequence liegt insgesamt bei 29% und fällt somit höher aus als
beim Just-in-Time-Ansatz (23%). Sobald die Unternehmen eine bedarfssynchrone Anlieferung durch-
führen, ist diese zumeist auch gleich sequenzgetreu ausgerichtet, denn nur so lassen sich alle Vorteile
möglichst umfassend realisieren.
nur Just-in-Sequence Kombination mit Sped.-Lager,
SMI oder Konsi.-Lager
Teile 10% 5%
Komponenten 7% 17%
Module 18% 29%
Tabelle 6: Häufigkeit von Just-in-Sequence nach Produktkategorie
Tabelle 6 verdeutlicht, dass Just-in-Sequence ebenfalls nur in Ausnahmefällen in der absoluten Rein-
form durchgeführt wird, größtenteils findet es in Verbindung mit weiteren Maßnahmen wie dem
Speditionslager, dem Supplier Managed Inventory (SMI) oder dem Konsignationslager Anwendung.
Insgesamt wird Just-in-Sequence bei Modulen am häufigsten angewendet, aber auch bei Teilen und
Komponenten findet eine gewisse Umsetzung statt.
Empfehlung:
Ähnlich bei Just-in-Time profitiert i. d. R. der Hersteller, der Zulieferer erfährt überwiegend entweder
keine Änderungen oder sogar Kostensteigerungen. Aufgrund der noch relativ niedrigen Implementie-
rungsrate enthält die Maßnahme besonders für Hersteller ein bisher weitestgehend
unausgeschöpftes Potenzial, so dass versucht werden sollte, durch Vereinbarungen mit den Zuliefe-
rern eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden und somit eine weitere Implementierung des
Just-in-Sequence-Ansatzes voranzutreiben.
20
2.10 Speditionslagermodell
Das Speditionslagermodell wird synonym auch als Lieferantenlogistikzentrum bezeichnet. Mehrere
Zulieferer eines Herstellers beliefern bei dieser Maßnahme den Lagerstandort eines Logistikdienst-
leisters, welcher sich i. d. R. in der Nähe des Herstellers befindet.19 Die Belieferung des Speditionsla-
gers erfolgt hierbei so, dass in diesem ein vereinbarter Mindestlagerbestand der entsprechenden
Güter vorrätig ist. Hiervon ausgehend führt der Logistikdienstleister eine gebündelte und einsatzsyn-
chrone Belieferung des Herstellers mit den Produkten mehrerer Zulieferer durch.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 5% 23% 64% Häufigkeit 28%
Hersteller 86% 5% 0%
Abbildung 12: Wirkungen des Speditionslagermodells
Das Speditionslagermodell führt besonders häufig (86%) auf Seiten des Herstellers zu Kostensenkun-
gen (siehe Abbildung 12). Es erlaubt hier eine einsatzsynchrone und gebündelte Anlieferung, was in
einer Reduktion von Kapitalbindungskosten und Logistikprozesskosten resultiert.
Auf Seiten des Zulieferers überwiegen hingegen Kostensteigerungen (64%). Zwar kann hier durch den
Bestandsaufbau im Speditionslager auch ein Bestandsabbau auf Seiten des Zulieferers stattfinden,
was letztlich eine einstufige Lagerhaltung ermöglicht, jedoch kommen Planungskosten durch die
Bewirtschaftung des Speditionslagers sowie ggf. die Kosten des Logistikdienstleister hinzu.
19 Siehe zu der Definition des Speditionslagermodells bzw. des Lieferantenlogistikzentrums Klug (2010), S. 232f.;
Marquard/Mackert (1997), S. 131; Nyhuis et al. (2006), S. 333.
21
Häufigkeit
Teile 35%
Komponenten 30%
Module 21%
Tabelle 7: Häufigkeit des Speditionslagermodells nach Produktkategorie
Mit insgesamt 28% ist die Implementierungsquote des Speditionslagermodells noch gering, wie die
obenstehende Tabelle 7 zeigt, ist das Konzept bei Teilen und Komponenten, welche sich generell
besser für eine Lagerhaltung eignen, weiter verbreitet (35% bzw. 30%) als bei Modulen.
Generell zeigt sich, dass das Speditionslagermodell oft in Verbindung mit einem Konsignationslager
(in Bezug auf die Lagerhaltung im Speditionslager) durchgeführt wird. Bei Teile-Lieferanten wird das
Speditionslagermodell in 43% aller Fälle, bei Komponenten- und Modul-Lieferanten in jeweils 66%
aller Fälle mit dem Konsignationslager kombiniert.
Empfehlung:
Wenngleich der Zulieferer somit oft Kostensenkungen erfährt, ist die Maßnahme insgesamt als posi-
tiv zu beurteilen. Eine Implementierung der mit 28% noch vergleichsweise selten durchgeführten
Maßnahme ist insbesondere bei Teilen und Komponenten zu empfehlen, wobei Kompensationszah-
lungen an den Zulieferer eingeplant werden sollten.
22
2.11 Supplier Managed Inventory
Die Maßnahme Supplier Managed Inventory20 zeichnet sich durch eine lieferantengesteuerte Be-
standsführung in den Räumlichkeiten des Herstellers aus. Die Verantwortung für die Lagerbestände
wird auf den Zulieferer übertragen. Er übernimmt eigenständig die kontinuierliche Bestandsüberwa-
chung und Nachbevorratung des Kundenlagers ohne eine direkte Beteiligung des Herstellers. Die
Hauptziele dieser Maßnahme liegen in der Senkung der Bestände und in der Verbesserung der Liefer-
fähigkeit.21
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 10% 19% 71% Häufigkeit 27%
Hersteller 76% 24% 0%
Abbildung 13: Wirkungen des Supplier Managed Inventory
Die Kosteneffekte sind bei dieser Maßnahme zwischen Hersteller und Lieferant ebenfalls sehr unter-
schiedlich verteilt (siehe Abbildung 13).
Während in über 75% der Fälle Kostenvorteile für den Hersteller eintreten, sind es bei den Zuliefe-
rern gerade 10%. Kostensteigerungen werden bei den Herstellern vollkommen ausgeschlossen, wo-
hingegen bei den Zulieferern eine Mehrheit von 71% konkret damit zu kämpfen hat.
Die ermittelten Daten sind darauf zurückzuführen, dass die Vorteile vor allem auf der Herstellerseite
angesiedelt sind und die Kosten hingegen größtenteils bei den Zulieferern. Der Hersteller kann seine
Anstrengungen in der Bestandsführung auf ein Minimum reduzieren und gleichzeitig auch für eine
Verbesserung seiner Lieferfähigkeit sorgen. Die gesamte Verantwortung sowie alle operativen Pro-
zesse werden gleichzeitig auf die Seite der Zulieferer übertragen.
Die Implementierungsrate ist mit insgesamt 27% recht gering.
20 Die Begriffe Supplier Managed Inventory und Vendor Managed Inventory werden synonym verwendet. Vgl.
Schweicher (2009), S. 31. 21 Vgl. Klug (2010), S. 57; Konrad (2005), S. 166f.; Mohr (2010), S. 261; Schweicher (2009), S. 31; Wildemann
(2009), S. 340.
23
Die Kosteneffekte auf der Zuliefererseite werden in Abbildung 14 nochmals etwas detaillierter – in
Abhängigkeit von der jeweiligen Produktkategorie – dargestellt.
Besonders negativ wirkt sich das Konzept Supplier Managed Inventory auf Teile-Lieferanten aus. Hier
wird mit 100% eine Kostensteigerung erwartet. Ähnlich schlecht sieht es bei den Komponenten aus,
bei denen es in 88% der Fälle zu einem Kostenanstieg kommt und die restlichen Unternehmen keine
relevanten Veränderungen verzeichnen. Eine Ausnahme bilden Modul-Lieferanten, bei denen in Ein-
zelfällen (22%) auch Kostensenkungen möglich sind. Die Vorteile resultieren hier vor allem aus einer
besseren Abstimmung der eigenen Prozesse, da die Belieferungen nun selbst gesteuert werden kön-
nen.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Teile Komponenten Module
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Teile Komponenten Module
Kostensenkung 0% 0% 22%
Keine Änderung 0% 13% 33%
Kostensteigerung 100% 88% 44%
Abbildung 14: Wirkungen des Supplier Managed Inventory beim Zulieferer nach Produktkategorie
Supplier Managed Inventory wird häufig in Kombination mit anderen SCM-Maßnahmen durchge-
führt. Bei Teile-Lieferanten ist in 100% der Fälle eine Kombination mit dem Konsignationslager zu
verzeichnen und zu 75% zusätzlich auch noch mit dem Speditionslagermodell.
Bei Komponenten-Lieferanten findet eine Kombination mit dem Konsignationslager (50%) ebenso oft
statt wie mit dem Speditionslagermodell (50%). Eine gleichzeitige Implementierung aller drei Maß-
nahmen ist hingegen eher selten aufzufinden.
Modul-Lieferanten nehmen seltener eine Kombination mit weiteren SCM-Maßnahmen vor. Lediglich
in 33% der Fälle findet eine Ergänzung um das Konsignationslager statt und beim Speditionslagermo-
dell sind es sogar nur 22%. Die gemeinsame Implementierung aller drei Maßnahmen ist auch hier
sehr selten.
24
Empfehlung:
Diese Maßnahme ist für die Hersteller sehr vorteilhaft. Aufgrund der zumeist negativen Effekte auf
der Zuliefererseite spielen im Rahmen der Implementierung allerdings Verhandlungen um mögliche
Kompensationsmaßnahmen eine große Rolle. Die größte Zustimmung für eine gemeinsame Imple-
mentierung ist bei den Zulieferern im Bereich der Module zu erwarten, da hier vereinzelt auch beid-
seitige Kostenvorteile realisiert werden können.
25
2.12 Konsignationslager
Das Konsignationslager wird häufig in Kombination mit dem Supplier Managed Inventory angewen-
det. Es handelt sich hierbei um ein Warenlager, dass zumeist direkt in den Räumlichkeiten des Her-
stellers oder aber in dessen unmittelbarer Nähe angesiedelt ist. An diesem Ort bleiben die lagernden
Vorräte solange im Eigentum des Zulieferers, bis eine tatsächliche Entnahme durch den Hersteller
stattfindet. Das Konsignationslager fungiert als Wareneingangslager des Herstellers, wobei der Zulie-
ferer das Eigentum an den hier lagernden Beständen übernimmt. Im Mittelpunkt steht vor allem eine
Reduzierung der Lagerbestände, wobei der Zulieferer die gesamten anfallenden Kapitalbindungskos-
ten übernimmt.22
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 8% 21% 67% Häufigkeit 31%
Hersteller 79% 13% 0%
Abbildung 15: Wirkungen des Konsignationslager
Die Kosteneffekte sind ähnlich verteilt wie beim Supplier Managed Inventory, wobei die Differenzen
mit einer Kostensenkung von 79% bei den Herstellern und einem Kostenanstieg von 67% bei den
Zulieferern noch deutlicher Ausfallen (siehe Abbildung 15). Die Zulieferer übernehmen nicht nur die
Bestandsverantwortung von den Herstellern, sondern haben aufgrund des verzögerten Eigentums-
übergangs auch mit erhöhten Kapitalbindungskosten zu kämpfen.23 Oftmals wird diese Situation zu-
sätzlich noch durch die Zahlung einer Lager-Mietgebühr an den Hersteller verschärft.
22 Vgl. Gierth et al. (2007), S. 49f.; Hieber (2002), S. 54; Mohr (2010), S. 260f.; Nyhuis et al. (2006), S. 333;
Schweicher (2009), S. 31; Wildemann (1990), S. 165. 23 Dieses Problem tritt vor allem bei sogenannten zweistufigen Konsignationslagern auf, bei denen neben der
Lagerhaltung im Konsignationslager auch noch eine Lagerhaltung direkt beim Zulieferer stattfindet. Vgl. Darkow (2003), S. 65.
26
Häufigkeit
Teile 35%
Komponenten 37%
Module 21%
Tabelle 8: Häufigkeit des Konsignationslagers nach Produktkategorie
Die Implementierungsrate liegt mit 31% etwas höher als beim Supplier Managed Inventory. Bezogen
auf die einzelnen Produktkategorien findet das Konsignationslager vor allem bei Komponenten (37%)
und Teilen (35%) Anwendung, wohingegen bei komplexeren Modulen lediglich eine Implementierung
von 21% erreicht wird (siehe Tabelle 8). Passend hierzu handelt es sich auch bei sämtlichen Zuliefe-
rern, die einen Kostenanstieg erwarteten, um Modul-Lieferanten. Für die Zulieferer scheint das Kon-
signationslager vor allem bei Modulen – unter anderem aufgrund hoher Kapitalbindungskosten –
besonders unvorteilhaft zu sein.
Wie bereits bei der vorherigen Maßnahme festgestellt, bestehen auch hier vielfältige Kombinations-
möglichkeiten vor allem mit Supplier Managed Inventory und dem Speditionslagermodell:
Bei Teile-Lieferanten wird das Konsignationslager in 57% der Fälle in Verbindung mit Supplier
Managed Inventory umgesetzt, wohingegen bei Komponenten-Lieferanten eher eine Kombination
mit dem Speditionslagermodell anzutreffen ist (55%). Bei Modul-Lieferanten sind beide Kombinati-
onsmöglichkeiten mit einer Häufigkeit von 50% (Supplier Managed Inventory) und 66% (Speditions-
lager) vorhanden.
Empfehlung:
Aufgrund der sehr unterschiedlichen Kosteneffekte ist eine weitere Implementierung stark von Ver-
handlungen über mögliche Kompensationsmaßnahmen zwischen Herstellern und Zulieferern abhän-
gig. Nur auf diese Weise können die vorhandenen Optimierungspotenziale gemeinsam genutzt wer-
den. Der größte Verhandlungsbedarf dürfte bei Modulen bestehen, da diese bei den Zulieferern zu
den negativsten Kosteneffekten führen.
27
2.13 Übertragung der Distributionsverantwortung und des Eigentums an den Waren an den
Hersteller
Bei dieser Maßnahme handelt es sich um eine Ausgestaltungsform des Incoterm Ex Works oder Free
Carrier.24 Konkret stellt der Zulieferer die georderten Güter auf seinem Gelände bereit, von wo aus
der Hersteller alle weiteren Prozesse durchführt (ggf. exklusive der Beladung). Insbesondere die Ko-
ordination der Distribution wie auch das Eigentum an den Gütern gehen somit direkt an den Herstel-
ler über.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 56% 38% 0% Häufigkeit 62%
Hersteller 48% 21% 19%
Abbildung 16: Wirkungen einer Übertragung der Distributionsverantwortung und des Wareneigentums an den Hersteller
Die Maßnahme wirkt sich generell sehr positiv aus (siehe Abbildung 16). Auf Seiten der Zulieferer ist
keine Kostensteigerung zu erwarten, die Häufigkeit einer Kostenreduktion überwiegt hier mit 56%.
Dies liegt daran, dass auf Seiten des Zulieferers Kapitalbindungskosten und Logistikprozesse entfal-
len.
Auf Seiten der Hersteller ist eine Kostensenkung ebenfalls die häufigste Wirkung (48%). Zwar kom-
men hier zunächst Kapitalbindungs- und Logistikprozesskosten hinzu, jedoch ergeben sich auch Op-
timierungsmöglichkeiten: Übernimmt der Hersteller die Koordination der Transportprozesse mehre-
rer Zulieferer kann er diese aufeinander und auf seine Belange abstimmen und in wirtschaftlichen
Transportrouten zusammenfassen. Die Maßnahme entfaltet ihre positive Wirkung also in erster Linie
in Kombination mit der im Folgenden genannten SCM-Maßnahme einer Transportbündelung. In 52%
der Fälle wird die vorliegende Maßnahme auch in Kombination mit einem gebündelten Transport
durchgeführt.
Die Maßnahme wird aktuell schon vergleichsweise häufig (62%) eingesetzt.
Empfehlung:
Aus Sicht von Zulieferer und Hersteller ist die Durchführung dieser Maßnahme zu empfehlen. 24 Vgl. Internationale Handelskammer (2010), online; Pfohl (2010), S. 176; Stieglitz (1999), S. 159-161.
28
2.14 Gebündelter Transport
Unter dem gebündelten Transport wird die Zusammenlegung der Transporte mehrerer Zulieferer
eines Herstellers verstanden. Dies kann bspw. in Form von Milk-Runs,25 einer Bündelung direkt beim
Zulieferer,26 oder aber in einem Umschlagspunkt27 geschehen.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 27% 70% 0% Häufigkeit 42%
Hersteller 73% 18% 0%
Abbildung 17: Wirkungen eines gebündelten Transportes
Wie in Abbildung 17 zu sehen ist, wirkt diese Maßnahme in keinem Fall und bei keinem Akteur kos-
tensteigernd. Kostensenkungen sind hingegen, insbesondere auf Seiten der Hersteller (73%), häufig.
Die Kostensenkungen erwachsen bei Zulieferer und Hersteller daraus, dass durch eine Transportbün-
delung weniger Transporte notwendig werden und eine höhere Transportmittelauslastung erreicht
wird.
Häufigkeit
Teile 50%
Komponenten 50%
Module 29%
Tabelle 9: Häufigkeit eines gebündelten Transportes nach Produktkategorie
25 Vgl. Gleißner/Möller (2009), S. 7f.; Klug (2010), S. 225; Miemczyk/Holweg (2004), S. 177. 26 Dieses Vorgehen wird in der Literatur nicht diskutiert. 27 Vgl. Herold (2005), S. 80; Heusler (2004), S. 107; Klug (2010), S. 346.
29
Die Maßnahme ist bei Teilen und Komponenten mit jeweils 50% deutlich häufiger implementiert als
bei Modulen (29%) (siehe Tabelle 9), was daran liegen kann, dass bei den oft einsatzsynchron ange-
lieferten Modulen ein geringerer Spielraum zur Transportkonfiguration besteht.
Die Abbildung 18 gibt die Wirkungen auf Teile-, Komponenten- und Modul-Lieferanten wieder. Hier
zeigt sich, dass insbesondere die Zulieferer von Modulen von einer Transportbündelung profitieren.
Das Potenzial für Kostensenkungen ist hier besonders groß, da sich diese oft einsatzsynchronen
Transporte i. d. R. durch eine hohe Transportfrequenz und eine geringe Transportmittelauslastung
auszeichnen.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Teile Komponenten Module
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Teile Komponenten Module
Kostensenkung 30% 20% 38%
Keine Änderung 70% 73% 63%
Kostensteigerung 0% 0% 0%
Abbildung 18: Wirkungen eines gebündelten Transportes beim Zulieferer nach Produktkategorie
Die folgende Tabelle 10 unterstreicht die getroffenen Aussagen, indem sie zeigt, dass im Falle einer
Just-in-Time- oder Just-in-Sequence-Belieferung die Maßnahme seltener implementiert ist als im
Durchschnitt, die potenziellen Kostensenkungen (hier auf Seiten des Zulieferers) jedoch überdurch-
schnittlich hoch sind.
Häufigkeit Kostensenkung Zulieferer
Zulieferer mit Just-in-Time 33% 33%
Zulieferer mit Just-in-Sequence 39% 44%
Tabelle 10: Wirkungen eines gebündelten Transportes bei Just-in-Time und Just-in-Sequence
In 76% aller Fälle wurde die Transportbündelung in Kombination mit der Übertragung der Distributi-
onsverantwortung auf den Hersteller und dem früheren Eigentumsübergang (die zuvor dargestellte
Maßnahme) durchgeführt.
30
Empfehlung:
Die Maßnahme sollte generell implementiert werden. Im Fall einer Just-in-Time und Just-in-
Sequence-Belieferung sind besonders starke, positive Wirkungen zu erwarten, hier sollte geprüft
werden, ob ein gebündelter Transport trotz der erschwerenden Bedingungen möglich ist.
31
2.15 Übertragung der Qualitätsverantwortung an den Zulieferer
Im Rahmen des Beschaffungsprozesses wird die Qualitätsprüfung zunehmend von der Hersteller- auf
die Zuliefererseite übertragen. Die Kontrolle findet nicht mehr im Sinne einer Wareneingangsprüfung
in den Räumlichkeiten des Herstellers statt, sondern wird räumlich auf den Zulieferer übertragen. Die
anzuliefernden Produkte werden im Vorhinein beim Zulieferer kontrolliert, so dass eine weitere Prü-
fung im Herstellerwerk entfällt und die dortige Produktion ohne Zeitverlust fortgesetzt werden
kann.28
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 11% 33% 52% Häufigkeit 81%
Hersteller 78% 14% 2%
Abbildung 19: Wirkungen einer Übertragung der Qualitätsverantwortung an den Zulieferer
Die Maßnahme führt vor allem beim Hersteller zu erheblichen Kostenvorteilen (siehe Abbildung 19).
In 78% der Fälle werden Kostensenkungen verzeichnet und die Gefahr eines Anstiegs der Kosten
durch auftretende Qualitätsmängel ist mit lediglich 2% geradezu vernachlässigbar.
Auf Seiten der Zulieferer sieht es weniger positiv aus. Bei über der Hälfte (52%) der befragten Unter-
nehmen treten Kostensteigerungen auf, 33% verzeichnen keinerlei Veränderungen und gerade mal
11% können ein gewisses Kostensenkungspotenzial erreichen.
Ausschlaggebend für die unterschiedlichen Kostenerwartungen ist die Tatsache, dass anhand der
Maßnahme vor allem die Prozesskosten der Qualitätssicherung und -prüfung vom Hersteller auf den
Zulieferer übertragen werden, der somit einer durchaus größeren Kostenbelastung gegenübersteht.
Empfehlung:
Insgesamt ist die Maßnahme besonders für die Hersteller sehr vorteilhaft. Bei den Zulieferern existie-
ren eher negative Kostenerwartungen. Verhandlungen sollten daher durch Kompensationsmaßnah-
men an die Zulieferer unterstützt werden. 28 Vgl. Becker/Rosemann (1993), S. 67-69; Gleißner/Femerling (2008), S. 154; Melzer-Ridinger (2007), S. 232-
234; Pfohl (2010), S. 22f.; Wildemann (1999), S. 42.
32
2.16 Übertragung der produktionsgerechten Kommissionierung an den Zulieferer
Die Übernahme der produktionsgerechten Kommissionierung ist bspw. ein Element von Just-in-
Sequence.29 Die Güter werden bei diesem Vorgehen schon in der Reihenfolge sortiert bei dem Her-
steller angeliefert, in welcher sie später verbaut werden.
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
Zulieferer Hersteller
Kostensenkungkeine ÄnderungKostensteigerung
Kosten-senkung
keine Änderung
Kosten-steigerung
Zulieferer 19% 33% 41% Häufigkeit 35%
Hersteller 67% 19% 4%
Abbildung 20: Wirkungen einer Übertragung der produktionsgerechten Kommissionierung an den Zulieferer
Der Hersteller profitiert überwiegend von der Maßnahme (siehe Abbildung 20), da einerseits gerin-
gere Prozesskosten anfallen, es andererseits zu einer Beschleunigung der Prozesse im Beschaffungs-
und Produktionsbereich kommt.
Auf Seiten des Zulieferers führt die Übernahme des Kommissionierprozesses zu zusätzlichen Kosten,
sodass es oft zu einer Kostensteigerung (41%) kommt. Aufgrund von Synergieeffekten durch die Zu-
sammenlegung von Kommissionierprozessen auf Seiten des Zulieferers lassen sich diese zusätzlichen
Kosten jedoch vermeiden, was sich auch daran zeigt, dass insgesamt 52% der Zulieferer, welche diese
Maßnahme durchführen, keine Kostensteigerung erfahren.
Sehr wenige Zulieferer (3% der befragten Unternehmen) übernehmen im Zuge dessen auch die
Kommissionierung von Produkten weiterer Zulieferer.
Empfehlung:
Gerade aus Sicht des Herstellers sollte die Maßnahme implementiert werden. Auf Seiten des Zuliefe-
rers ist zu prüfen, inwiefern eine Übernahme der produktionsgerechten Kommissionierung ohne
zusätzliche Kosten durchgeführt werden kann.
29 Vgl. Ihme (2006), S. 294; Stommel (2003), S. 142; Thun et al. (2007), S. 21, 25; Wildemann (1999), S. 42.
33
3 Aufteilung von Kosteneinsparungen aus Supply-Chain-Management-Maßnahmen
3.1 Weitergabe von Kosteneinsparungen des Herstellers an den Zulieferer
In der Studie wurde gefragt, ob Hersteller den entsprechenden Zulieferer an Kosteneinsparungen,
die sie durch eine SCM-Maßnahme erwirtschaftet haben, beteiligen, wenn der Zulieferer durch die
SCM-Maßnahme keine Kostensenkung, oder aber eine Kostensteigerung erfahren hat.
Häufigkeit
nein 42%
ja, in Summe profitiert der Hersteller jedoch mehr
38%
ja, faire Aufteilung 15%
ja, in Summe profitiert der Zulieferer sogar mehr 3%
Tabelle 11: Weitergabe von Kosteneinsparungen des Herstellers an den Zulieferer
In über 50% aller Fälle werden die Zulieferer an den Kosteneinsparungen des Herstellers beteiligt.
Eine faire Aufteilung der Kosteneinsparungen findet jedoch selten statt (15%), in den meisten Fällen
geben die Hersteller einen vergleichsweise geringen Anteil an ihre Zulieferer weiter (siehe Tabelle
11).
nein Hersteller profitiert
mehr
faire Aufteilung
Zulieferer profitiert
mehr
Teile 50% 40% 5% 5%
Komponenten 40% 43% 17% 0%
Module 39% 32% 25% 4%
Tabelle 12: Weitergabe von Kosteneinsparungen des Herstellers an den Zulieferer nach Produktkategorie
Die Ergebnisse zeigen darüber hinaus (vgl. Tabelle 12), dass eine faire Beteiligung an den Kostenein-
sparungen am häufigsten bei Modul-Lieferanten stattfindet, am seltensten bei den Zulieferern von
Teilen.
Umgekehrt werden die Teile-Lieferanten besonders häufig nicht an den Kosteneinsparungen des
Herstellers beteiligt, die Modul-Lieferanten hingegen überdurchschnittlich oft.
34
nein Hersteller profitiert
mehr
faire Aufteilung
Zulieferer profitiert
mehr
beidseitige Abhängigkeit
38% 31% 31% 0%
Zulieferer abhängiger
42% 42% 12% 4%
Tabelle 13: Weitergabe von Kosteneinsparungen des Herstellers an den Zulieferer nach Abhängigkeitsverhältnis
Bezieht man das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Zulieferer und Hersteller mit ein, lassen sich die
Ergebnisse weiter konkretisieren (vgl. Tabelle 13): Mit steigender Abhängigkeit des Zulieferers wird
dieser seltener an den Kosteneinsparungen des Hersteller beteiligt und findet eine faire Aufteilung
der Kosteneinsparungen weniger häufig statt.
Hingegen ist eine "faire Aufteilung" gerade bei einer beiderseitigen Abhängigkeit von Zulieferer und
Hersteller besonders häufig.
Ergebnis:
Ob es zu einer Beteiligung des Zulieferers an Kostensenkungen des Herstellers kommt und inwiefern
hier eine faire Beteiligung stattfindet, hängt in hohem Maße von dem gegenseitigen Abhängigkeits-
verhältnis und dem Zulieferertypus (Produktkomplexität) ab.
35
3.2 Weitergabe von Kosteneinsparungen des Zulieferers an den Hersteller
Umgekehrt wurde auch danach gefragt, ob Zulieferer den entsprechenden Hersteller an Kostenein-
sparungen, die sie durch eine SCM-Maßnahme erwirtschaftet haben, beteiligen, wenn der Hersteller
durch die SCM-Maßnahme keine Kostensenkung, oder aber eine Kostensteigerung erfahren hat.
Häufigkeit
nein 24%
ja, in Summe profitiert der Zulieferer jedoch mehr
23%
ja, faire Aufteilung 28%
ja, in Summe profitiert der Hersteller sogar mehr 19%
Tabelle 14: Weitergabe von Kosteneinsparungen des Zulieferers an den Hersteller
Im Gegensatz zu der Weitergabe von Kosteneinsparungen an den Zulieferer ist diese Form weitaus
verbreiteter. So werden bei über 70% der Befragten Kosteneinsparungen an den Hersteller weiter-
gegeben, im umgekehrten Fall waren es 56%. Die Ergebnisse in Tabelle 14 zeigen zudem, dass in vie-
len Fällen ein vergleichsweise großer Bestandteil dieser Kosteneinsparungen an den Hersteller abge-
führt wird, sodass bei 19% der befragten Zulieferer der Hersteller ex post sogar mehr profitiert, als
der Zulieferer selbst. Dies steht wiederum im Kontrast zu der Beteiligung der Zulieferer an Kostenein-
sparungen der Hersteller.
nein Zulieferer profitiert
mehr
faire Aufteilung
Hersteller profitiert
mehr
Teile 25% 25% 15% 25%
Komponenten 17% 27% 30% 20%
Module 32% 18% 36% 14%
Tabelle 15: Weitergabe von Kosteneinsparungen des Zulieferers an den Hersteller nach Produktkategorie
Die Ergebnisse zeigen, dass auch in diesem Fall eine faire Aufteilung der Kosteneinsparungen am
häufigsten bei Modulen stattfindet (siehe Tabelle 15).
nein Zulieferer profitiert
mehr
faire Aufteilung
Hersteller profitiert
mehr
Beidseitige Abhängigkeit
21% 14% 50% 14%
Zulieferer abhängiger
27% 25% 25% 20%
Tabelle 16: Weitergabe von Kosteneinsparungen des Zulieferers an den Hersteller nach Abhängigkeitsverhältnis
36
Bezieht man das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Zulieferer und Hersteller mit ein, lassen sich die
Ergebnisse auch hier näher konkretisieren (vgl. Tabelle 16): Im Falle einer beiderseitigen Abhängig-
keit findet eine faire Aufteilung der Kosteneinsparungen besonders häufig statt. Bei den einseitig
abhängigen Zulieferern wird von dieser überwiegend fairen Aufteilung abgerückt, hier sind alle Wir-
kungen ähnlich häufig anzutreffen.
Ergebnis:
Eine Beteiligung des Herstellers an Kostensenkungen des Zulieferers ist nahezu als Standard anzuse-
hen. Inwiefern das Ausmaß dieser Beteiligung insgesamt fair ausfällt, hängt auch in diesem Fall von
dem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis und dem Zulieferertypus (Produktkomplexität) ab.
37
4 Kombinationen der Supply-Chain-Management-Maßnahmen
Bisher wurden die einzelnen SCM-Maßnahmen ausschließlich isoliert betrachtet. Kombinationsmög-
lichkeiten mit weiteren Maßnahmen wurden weitestgehend ausgeschlossen. Genau dieser Punkt
wird nun genauer analysiert. Wie können einzelne Maßnahmen zu einem übergeordneten Gesamt-
konstrukt kombiniert werden, so dass die Kostenwirkungen der einzelnen Ansätze nicht isoliert auf-
treten, sondern anhand von Synergieeffekten in der Summe sogar noch erheblich erhöht werden.
Insgesamt werden an dieser Stelle zwei alternative Kombinationsmöglichkeiten untersucht.
4.1 Kombination 1: Value Added Assembly
Ausgehend von den Studienergebnissen sowie weiterführenden Überlegungen zeigt sich, dass die
Kombination der Durchführung von Montageprozessen durch den Zulieferer in den Räumlichkeiten
des Herstellers mit
• der Übertragung der Qualitätsverantwortung an den Zulieferer,
• der Übertragung der produktionsgerechten Kommissionierung an den Zulieferer,
• einer einsatzsynchronen Belieferung des Herstellers sowie
• der unternehmensübergreifenden Verwendung gleicher spezifischer Ladungsträger
ein großes Kostensenkungs- und Optimierungspotenzial erwarten lässt.
Die Vorteilhaftigkeit dieser Kombination, im folgenden als Value Added Assembly (VAA) bezeichnet,
ergibt sich dadurch, dass es sich zum einen um eine Kombination von aus Herstellersicht besonders
vorteilhaften Maßnahmen handelt und zum anderen zusätzliche Synergieeffekte durch die Zusam-
menlegung dieser Maßnahmen realisiert werden können.
Durch die Montage in den Räumlichkeiten des Herstellers, verbunden mit einer einsatzsynchronen
Belieferung dessen Produktion werden die Reaktionsgeschwindigkeit und die Produktionsflexibilität,
insbesondere bei variantenreichen Produkten des Zulieferers, stark gesteigert.
Die Durchführung der Qualitätsprüfung und der produktionsgerechten Kommissionierung lässt sich in
die durch den Zulieferer übernommenen Montageprozesse integrieren, sodass hierdurch insgesamt
deutliche Zeiteinsparungen und Synergieeffekte zu erwarten sind.
Auch generell findet eine Flussoptimierung dadurch statt, dass alle Prozesse, von der Anlieferung der
Produkte über die Endmontage, Qualitätsprüfung bis zur produktionsgerechten Kommissionierung
und einsatzsynchronen Bereitstellung am Verbauort aus einer Hand erfolgen. Besonders Unterbre-
chungen durch unnötige Umschlagprozesse oder zusätzliche Qualitätskontrollen können vermieden
werden. Hierdurch, sowie durch die einheitliche Verwendung spezifischer Ladungsträger, kommt es
zu einer deutlichen Reduktion von Schnittstellen und somit zu weiteren Zeit- und Kostenvorteilen.
38
Häufigkeit unter der Bedingung einer
Durchführung von Montageprozessen beim Hersteller
Häufigkeit insgesamt
Übertragung der Qualitätsverantwortung an den Zulieferer
100% 81%
Übertragung der produktionsgerechten Kommissionierung an den Zulieferer
57% 35%
Just-in-Time 43% 23%
Just-in-Sequence 43% 29%
Unternehmensübergreifende Verwen-dung gleicher spezifischer Ladungsträger
100% 86%
Tabelle 17: Ausgewählte Kombinationshäufigkeiten I
Hinweise für die Vorteilhaftigkeit der genannten Kombination finden sich in den Studienergebnissen:
Diese zeigen, wie in Tabelle 17 zu sehen ist, dass die Durchführung von Montageprozessen durch den
Zulieferer in den Räumlichkeiten des Herstellers mit jeder der genannten Maßnahmen überdurch-
schnittlich häufig kombiniert wird. Dies deutet darauf hin, dass eine Implementierung dieser Kombi-
nationen jeweils Vorteile mit sich bringt.
Eine Kombination aller genannten Maßnahmen findet sich jedoch nur bei 4% der Zulieferer. Diese
geringe Verbreitung zeigt, dass ein solches Vorgehen momentan als sehr innovativ einzustufen ist.
Trotz der angesprochenen Synergieeffekte beim Zulieferer ergeben sich durch die Kombination der
Maßnahmen vor allem beim Hersteller Kostenvorteile, was aus der Wirkung der einzelnen Maßnah-
men hervorgeht (siehe hierzu die Analysen dieser Maßnahmen weiter oben). Die Umsetzung des
vorgestellten Gesamtkonzeptes sollte somit durch gezielte Ausgleichszahlungen an den Zulieferer
ergänzt werden.
39
4.2 Kombination 2: Supplier Controlled Sequencing
Als zweite Kombination wird die Übertragung der produktionsgerechten Kommissionierung an den
Zulieferer, zusammen mit
• der produktionsgerechten Kommissionierung der Produkte weiterer Zulieferer des Herstellers,
• der Übertragung der Qualitätsverantwortung an den Zulieferer sowie
• dem gebündelten Transport zum Hersteller
empfohlen. Dieses Vorgehen wird im Folgenden als Supplier Controlled Sequencing (SCS) bezeich-
net.
Konkret werden die Produkte mehrerer Zulieferer auf Seiten des betrachteten Zulieferers, gemäß der
Bedarfe des Herstellers, zusammengeführt und sequenzgerecht kommissioniert, wobei auch eine
Qualitätsprüfung der Güter stattfindet. Der anschließende Transport der sequenzierten Güter zum
Hersteller beinhaltet auch die Güter der weiteren Zulieferer und findet somit gebündelt statt. Auf
Seiten des Herstellers kann nun eine einsatzsynchrone Bereitstellung oder aber eine Zwischenlage-
rung stattfinden.
Vor allem durch die produktionsgerechte Kommissionierung der Güter mehrerer Zulieferer durch
einen einzelnen Zulieferer können Spezialisierungs- und Synergieeffekte realisiert werden. Zu prüfen
ist, inwiefern sich der Prozess der Qualitätsprüfung hierin integrieren lässt. Auch bei der gebündelten
Durchführung der Qualitätsprüfung ist von Skaleneffekten auszugehen.
Ein weiterer Vorteil liegt hierbei in der Möglichkeit, die Produkte mehrerer Zulieferer gebündelt zu
dem Hersteller zu transportieren, was sich durch deren gemeinsame Kommissionierung auf Seiten
des betrachteten Zulieferers anbietet. Gerade im Falle von Modulen, bei welchen häufig i. d. R. eine
geringe Transportauslastung vorliegt, sind hier deutliche Kostensenkungen zu erwarten.
Auf Seiten des Herstellers reduzieren sich der Koordinationsaufwand, die Anzahl einzelner Anliefe-
rungen und der hiermit verbundene Aufwand bei den Umschlagsprozessen. Da die angelieferten
Güter ohne weitere Kommissionierung und Qualitätsprüfung am Verbauort bereitgestellt werden
können, kommt es auf Seiten des Herstellers zudem zu einer Reduktion der Prozesskomplexität und
Durchlaufzeit.
Hinweise für die Vorteilhaftigkeit des Supplier Controlled Sequencing lassen sich in den Studiener-
gebnissen ebenfalls nur indirekt finden. So zeigen die Ergebnisse auch hier (siehe Tabelle 18), dass
die Übertragung der produktionsgerechten Kommissionierung mit jeder der genannten übrigen
Maßnahmen überdurchschnittlich häufig kombiniert wird, wenngleich dieser Zusammenhang hier
schwächer ist als im Falle des Value Added Assembly.
40
Häufigkeit unter der Bedingung einer
Übertragung der produktionsgerechten Kommissionierung
Häufigkeit insgesamt
Kommissionierung der Güter weiterer Zulieferer durch den betr. Zulieferer
7% 3%
Übertragung der Qualitätsverantwortung an den Zulieferer
85% 81%
gebündelter Transport 48% 42%
Tabelle 18: Ausgewählte Kombinationshäufigkeiten II
Eine Kombination aller dieser Einzelmaßnahmen, also die komplette Implementierung des SCS, findet
sich hingegen bei keinem der Studienteilnehmer. Wiederum weist dies auf den Neuigkeitsgrad eines
solchen Vorgehens hin.
Wie aus den Wirkungen der Einzelmaßnahmen ersichtlich wird, ergeben sich auch bei dem SCS vor
allem auf Seiten des Herstellers Kostenvorteile, sodass bei einer Umsetzung eine Ausgleichszahlung
an den Zulieferer getätigt werden sollte, um insgesamt eine Win-win-Situation zu erreichen.
41
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