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Rotationen in der räumlichen Vorstellung
Seminar: Visuelle Wahrnehmung
Dozent: Dr. Alexander Schütz
Referent: Daniel Ziegler
Lynn A. Cooper & Roger N. Shepard, Heidelberg 1986
07.07.09
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Gliederung
• 1. Was ist Denken?• 2. Erste Versuchsreihe (Shepard, 1971)• 3. Experimentserie (Cooper)
1. Experiment2. Experiment3. Experiment
• 4. Zusammenfassung• 5. Frage
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1. Was ist Denken?
• Alltagsbeispiel: Wie bekommt man einen Tisch durch einen schmalen Türrahmen oder (Beobachtet von einem der Forscher) wie gelangt ein Hund mit einem langen Stock durch einen Lattenzaun in dem eine senkrechte Latte fehlt
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1. Was ist Denken?
• Es gibt sprachlich gefasste Gedanken (Selbstgespräch) und visuelle Denkprozesse
• Frage: Lassen sich Gedanken untersuchen und messen?
• Fähigkeit ermöglicht uns Handlungen zu planen und Folgen vorherzusehen
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1. Was ist Denken?
Vermutung, dass Gehirn physikalische Prozesse nachvollzieht und sie denselben geometrischen Beschränkungen unterwirft, denen sie auch in der Außenwelt unterliegen
• Untersuchte Form des Denkens: Anschauliche räumliche Umformungen
• Cooper & Shepard wollten Forderung der Behavioristen erfüllen objektive und quantitative Ergebnisse
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3. Erste Versuchsreihe (1971, Shepard)
• Erforschung der Prozesse des räumlichen Vorstellungsvermögens auf objektiver Ebene
• Objektiv Da jede Reaktion, die eine Person auf einen Reiz zeigte, entweder objektiv richtig oder objektiv falsch war
• Quantitativ Da interessierte Größe die Zeit war, die Versuchsperson brauchte, um richtig zu reagieren
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3. Erste Versuchsreihe (1971, Shepard)
Versuchsaufbau:• 8 Probanden sollten durch
ein Tachistoskop zwei vom Computer dargestellte dreidimensionale aus zehn Würfeln bestehende Objekte unterscheiden
• Verschiedenartige Bildpaare wechselten zufallsmäßig ab
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3. Erste Versuchsreihe (1971, Shepard)
Versuchsaufbau:• Bei einigen waren die beiden Objekte zwar
identisch, aber gewöhnlich in verschiedenen Perspektiven dargestellt
• Bei anderen waren sie gespiegelt
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3. Erste Versuchsreihe (1971, Shepard)
Versuchsaufbau:• Hälfte der Bildpaare innerhalb der Bildebene
verdreht, bei den anderen Bildpaaren kam Tiefenebene hinzu
• Bei gleichen Objekten musste VP den rechten, bei ungleichen Paaren den linken Hebel drücken
• Reaktionszeit wurde gestoppt
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3. Erste Versuchsreihe (1971, Shepard)
Ergebnis:• Probanden berichteten, dass nur durch gedankliche
Drehung der Objekte, Vergleich möglich war• Linearer Anstieg: für zwei gleichgedrehte Objekte
brauchte Proband 1 Sekunde, mit zunehmender Winkeldifferenz stiegen die Reaktionszeiten kontinuierlich an
Je stärker die Drehung, desto langsamer die Reaktionszeit
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Figurenpaare in Bildebene gedreht
1
2
3
4
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0 20 40 60 80 100 120 140 160 180
Winkeldifferenz in Grad
Rea
ktio
nsze
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Sek
unde
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3. Erste Versuchsreihe (1971, Shepard)
Ergebnis:• Beim größten möglichen Drehwinkel von 180
Grad, benötigten Probanden durchschnittlich 3,4 Sekunden 53 Grad pro Sekunde
• Trotz zusätzlicher Tiefendrehung ist Reaktionszeit nicht angestiegen
• Veränderung in Reaktionszeit deutet darauf hin, dass VP tatsächlich Objekt gedanklich dreht mentale Rotation und sie als dreidimensional sieht
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3. Erste Versuchsreihe (1971, Shepard)
Vergleich von realer und mentaler Rotation:• Hypothese: Mentale Drehvorgänge stellen innere
Simulation realer physikalischer Rotationen dar• Cooper & Shepard mussten nachweisen, dass
mentale Verarbeitungsstufen ähnlich Zwischenstadien durchlaufen, wie die physikalische Drehung eines Gegenstands
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4. Experimentserie (Cooper)1. Experiment
• Überprüfung ob VP bei Einzelreizen mit den selben fortschreitenden Drehungen reagieren, wie bei Bildpaarversuch
Versuchsaufbau:• VP müssen auf einzeln dargestellte Figuren (nur
flächige Formen), nicht auf Objektpaare reagieren• Gegenstände wurden nacheinander und in
verschiedenen Perspektiven gezeigt
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4. Experimentserie (Cooper)1. Experiment
Versuchsaufbau:• Übungsphase: VP machen sich mit 8
verschiedenen Vielecken und deren Spiegelbilder vertraut
• VP wird eines der bekannten Vielecke in anderer Orientierung gezeigt
• Entscheiden ob Spiegelbild oder Standardversion
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4. Experimentserie (Cooper)1. Experiment
Ergebnis:• Wieder waren Reaktionszeiten linear abhängig
von Winkeldifferenzen• Offenbar mussten VP Testvieleck in bekannte
Position drehen, um Entscheidung zu treffen
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4. Experimentserie (Cooper)1. Experiment
Ergebnis:• Bei Übereinstimmung (Standardversion)
sofortige Reaktion• Keine Übereinstimmung (Spiegelbilder) um 60
Millisekunden verzögerte Reaktion • Offenbar verglichen VP die Testfigur nach der
Drehung in ihrer Vorstellung zuerst mit der Standardversion
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4. Experimentserie (Cooper)1. Experiment
Ergebnis:• Mittlere Drehgeschwindigkeit von 450 pro
Sekunde deutlich schneller als bei Bildpaarexperiment (53 pro Sekunde)
• Wahrscheinlich schneller, weil sich VP nur auf einen Reiz konzentrieren mussten
• Damit war nachgewiesen, dass das Zuordnen der Einzelreize ebensolche mentalen Bewegungen verlangt, wie das Vergleichen der Bildpaare
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4. Experimentserie (Cooper)2. Experiment
• Weitere Untersuchung der Hypothese, dass mentale Rotation einer physikalischen Rotation analog ist
Versuchsaufbau:• Abgewandelter Versuch: Umgekehrter
Versuchsablauf• VP soll eingeübte Form in Gedanken rotieren
lassen• Anschließend wird Vergleichsfigur gezeigt
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4. Experimentserie (Cooper)2. Experiment
Versuchsaufbau:• VP sieht Umrisse eines der 8 Vielecke in
bekannter Orientierung• Anschließend erscheint Richtungspfeil für
gedankliche Drehung• Knopf drücken, Zeit stoppen• Testvieleck erscheint jetzt in neuer Orientierung• VP muss entscheiden ob Standardversion oder
Spiegelbild
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4. Experimentserie (Cooper)2. Experiment
Ergebnis:• Zeit für mentale Rotation stieg linear zur
Winkelabweichung• Reaktionszeit auf Testfigur weniger als ½
Sekunde• Rotationsgeschwindigkeit der Vorbereitungsphase
vergleichbar mit Einzelreizen 370 Grad pro Sekunde
• Die vorbereitende mentale Rotation ermöglicht es den VP schnell reagieren zu können
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4. Experimentserie (Cooper)2. Experiment
• In bisherigen Experimenten ging es um bereits vollendete Vorstellungsvorgänge
• Um zu beweisen, dass die bis dahin ablaufenden Verarbeitungsstufen wirklich analog zu physikalischen Rotationen sind, musste gezeigt werden, dass mentale Operationen dieselben Zwischenstadien durchlaufen
• Weiteres Experiment sollte diese Hypothese belegen
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4. Experimentserie (Cooper)3. Experiment
Versuchsaufbau:• VP nach wie vor mit Testvielecken vertraut• Leeres, kreisförmiges Feld durch Tachistoskop
betrachtet• Dann Vorstellung einer Rotation in normaler
Geschwindigkeit eines vom VL festgelegten Vielecks
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4. Experimentserie (Cooper)3. Experiment
Versuchsaufbau:• Unvorhergesehen erschien auf Feld das
entsprechende Vieleck oder Spiegelbild• Möglichst schnell Form zuordnen • Individuelle Anpassung der aus früheren Tests
bekannten Rotationsgeschwindigkeit der VP
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4. Experimentserie (Cooper)3. Experiment
Versuchsaufbau:• Erste Versuchshälfte mit erwartungsangepassten
Reizen: Orientierung der Testfigur analog zum Vorstellungsbild der VP
• Zweite Versuchshälfte mit erwartungsabweichenden Reizen: Orientierung der Testfigur um def. Winkel abweichend vom Vorstellungsbild
• VP sollte auf alle erwarteten angepassten Reizen gleich schnell reagieren (unabhängig von der Rotation)
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4. Experimentserie (Cooper)3. Experiment
Ergebnis:• VP reagierten bei erwartungsgemäß orientierten
Testfiguren innerhalb ½ Sekunde Hypothese bestätigt
• Bei Abweichung dargebotener Testfiguren von erwarteter Orientierung, stiegen Reaktionszeiten linear mit der Winkeldifferenz
• Offensichtlich mussten sich VP bei Abweichung korrigierende Drehung vorstellen
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4. Experimentserie (Cooper)3. Experiment
Ergebnis:• Korrekturzeit war dem Abweichungswinkel
proportional• Hypothese verstärkt, dass kurze Reaktionszeit auf
Übereinstimmung von Vorstellung und Testfigur beruhen
• Korrekturzeiten zeigten, dass auch geübte VP auf mentale Rotationen angewiesen waren
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5. Zusammenfassung
• Geistiger Prozess objektiv nachgewiesen• 2 Grundlegende Ergebnisse: - 1. Der lineare Zusammenhang zwischen
Reaktionszeit und Winkeldifferenz.- 2. Kurze Reaktionszeit, wenn VP ein bildliches
Pendant gezeigt bekommt, dass der vermutlichen Position des Vorstellungsbildes entspricht
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6. Frage
• Auf welcher Annahme beruht Shepards & Coopers Experimentreihe?