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Der Untergang der beiden Unterseeboote U 602 und U 869
VON HERBERT GUSCHEWSKI † 2007
Herbert Guschewski Memmingen, 14. Mai 1999 Tagbrechtstraße 8 87700 Memmingen
Der Untergang der beiden deutschen Unterseeboote U 602 und U 869
Ist es Schicksal, Glück oder Vorsehung?
Das Überleben des Funkmaaten Herbert Guschewski.
Am Montagabend, dem 12. April 1999 gegen 23.00 Uhr, sendete der Fernsehsender SAT. 1 die SPIEGEL-TV-
REPORTAGE. In dieser Sendung wurde von einem unbekannten deutschen U-Boot aus dem II. Weltkrieg be-
richtet, welches eine private amerikanische Tauchergruppe bereits vor einigen Jahren ca. 60 sm vor New
York, genauer gesagt vor der Küste von New Jersey in einer Tiefe von ca. 70 m gefunden hatte. Jahrelang
hat diese Tauchergruppe versucht, dieses unbekannte deutsche U-Boot zu identifizieren. Bei den Tauchtä-
tigkeiten mußten im Laufe der Jahre drei Taucher, darunter auch ein Vater und Sohn, das Leben lassen.
Durch früher aufgefundene Gegenstände wie z.B. einem Teller mit deutschem Herstellungsdatum wurde
zunächst festgestellt, daß es sich tatsächlich um ein deutsches U-Boot aus dem II. Weltkrieg handeln muß-
te. Das Boot lag auf ebenem Kiel und wies insbesondere in Höhe des Turmes eine schwere Beschädigung
auf. Irritierend war nur, daß in diesem Seebereich weder nach deutschen noch alliierten Unterlagen ein
solches U-Boot im Laufe des Krieges versenkt wurde. Nachdem auch in Deutschland keine Erkenntnisse zu
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dem unbekannten Wrack vorhanden waren, machte es sich die amerikanische Hobbytauchergruppe zur
Aufgabe, das Geheimnis dieses deutschen U-Bootes zu erforschen.
Trotz der tödlichen Unfälle gelang es den Extremtauchern, aus dem U-Boot ein Taschenmesser mit dem
eingravierten Namen "Horenburg“ sowie auf einer Kiste eine Metallplatte mit der Inschrift "U 869 - Motor
für Hauptlenzpumpe" zu bergen. Dies waren die ersten wichtigen Merkmale zur Bootsfeststellung des un-
bekannten Wracks.
Ich hatte die Sendung von SAT. 1 am 12. April 1999 nicht gesehen, erhielt aber am nächsten Tag den Anruf
von Herrn Jürgen Weber aus Starnberg, dem zweiten Vorsitzenden der U-Bootskameradschaft München.
Dieser machte mich als erster auf diese Sendung aufmerksam. Ihm war bekannt, daß ich auf U 869 gefah-
ren bin. Dieser Anruf und die Mitteilung, daß U 869 vor der Küste von Amerika gefunden wurde, kam für
mich völlig überraschend. So war ich doch seit 54 Jahren der Meinung, daß mein ehemaliges Boot am 28.
Februar 1945 vor der Küste von Casablanca durch eine alliierte U-Jagdgruppe mit den Schiffen US-Zerstörer
Fowler und F.M. Robinson, der Fregatte Knoxville und den französischen U-Jägern Le Resolute und
L‘lndiscret versenkt wurde. Nach den bisherigen Geschichtsschreibungen versuchte U 869, den Konvoi GUS
74 anzugreifen und wurde geortet und mit der gesamten Besatzung durch Wasserbomben versenkt.
Selbstverständlich nahm ich die Meldung vom Auffinden von meinem ehemaligen Boot vor der Küste von
Amerika mit starker Skepsis auf. Noch am gleichen Tag konnte ich mir die Fernsehsendung auf einem Vi-
deoband ansehen und somit selbst erstmals meine eigenen Gedanken machen.
54 Jahre nach Kriegsende und im Alter von inzwischen 78 Jahren glaubt man, längst die Vergangenheit des
Krieges verarbeitet und bewältigt zu haben. Doch als ich die Unterwasseraufnahmen mit den sterblichen
Resten meiner ehemaligen Kameraden sah, war ich tief aufgewühlt und erschüttert. Plötzlich tauchte der
eine oder andere Name auf und irgendeine längst vergessen geglaubte Gegebenheit war plötzlich wieder
lebendig. So handelte es sich doch bei „Horenburg“ um meinen Funkmeister und somit Funkerkameraden
auf U 869! Nach den Feststellungen der Taucher wies U 869 in Höhe des Turmes auf der Backbordseite eine
schwere Beschädigung, möglicherweise durch einen Torpedo auf. Es wurde in der Sendung die Vermutung
geäußert, daß U 869 durch einen eigenen Kreisläufer versenkt worden sein könnte. Dies würde erklären,
daß die Versenkung auch von den Alliierten nie registriert wurde.
Natürlich fragte ich mich, wie es zu den verschiedenen Einsatzbereichen „amerikanische Küste“ und „Gib-
raltarbereich“ kommen konnte. Weiterhin stellte ich mir die Frage, wer dann von den Alliierten vor der
Küste von Casablanca versenkt wurde? Hatten die Alliierten hier ein Wrack getroffen und wurden durch
aufsteigendes Öl oder Trümmer getäuscht? Möglicherweise wird dies nun nicht mehr zu klären sein.
Ich selber kann auch heute noch angeben, daß ich an Bord von U 869 nie ein Messer mit einem eingravier-
ten Namen „Horenburg“ gesehen habe. Es könnte die eine oder auch andere Version möglich sein. Ich nei-
ge aber immer eher dazu, daß U 869 vor Casablanca versenkt wurde.
Zu meinen Kommandierungen auf die beiden Boote U 602 und auch U 869 kann ich folgende Erläuterungen
geben:
U 602 war ein Boot vom Typ VII C, gebaut auf der Werft von Blohm & Voß in Hamburg. Das Boot lief am
30.10.1941 vom Stapel und wurde am 29.12.1941 in Dienst gestellt. Kommandant war Kapitänleutnant
Phillip Schüler.
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Ich machte die gesamte Baubelehrung mit sowie alle Übungsfahrten, Agru-Front und auch Torpedoschie-
ßen, u.a. auch auf das Schlachtschiff „Bismarck“ in der Ostsee vor Gotenhafen.
1. Feindfahrt von Kiel - Bergen - Drontheim - in den Nordatlantik. Einlaufen Lorient.
2. Feindfahrt Durchbruch durch Gibraltar. Am 09.12.1942 vor Oran Versenkung bzw. Torpedierung des bri-tischen Zerstörers Porcupine.
3. Feindfahrt Operation vor Nordafrika zwischen Oran und Algier und Cap Tene. Einlaufen Toulon.
Am Tage des Auslaufens zur 4. Feindfahrt erhielt ich meine Abkommandierung nach La Spezia zur dortigen Flottillenfunkstelle mit dem Ziel der Kommandierung nach Flensburg-Mürwik zum Funkmaatenlehrgang!
So stand ich Hafen von Toulon und verabschiedete winkend „mein“ Boot und seine Besatzung. U 602 lief an diesem 6. April 1943, übrigens meinem 23. Geburtstag, zu seiner 4. Feindfahrt in das Einsatzgebiet von O-ran - Algier aus. Auf meiner Funkstelle in La Spezia wurde U 602 nach einigen Tagen vergeblich über Funk aufgefordert, sich zu melden. Als sich das Boot nach mehreren Tagen mit weiteren Aufforderungen nicht mehr meldete, wurde es als vermißt erklärt. Nach dem Ergebnis eines Untersuchungsausschusses ging U 602 durch eine nicht bekannte Ursache, eventuell durch einen Unfall verloren. Es entstand ein Totalverlust mit der gesamten Besatzung von 48 Mann.
Der Beginn meines Lehrganges verzögerte sich übrigens unvorhergesehen um 1/4 Jahr, weshalb ich in der Dienststelle von La Spezia Funkdienst verrichten mußte. Hätte mein Kommandant Schüler von der Verzöge-rung des Lehrganges gewußt, hätte ich die 4. Feindfahrt mitmachen müssen und wäre somit mit meinen Kameraden untergegangen!
Bis Ende September 1943 absolvierte ich den Funkmaatenlehrgang in Flensburg-Mürwik. Anschließend wurde ich nach Bremen zur Baubelehrung von U 869, meinem neuen Boot, kommandiert.
Am 26. Januar 1944 wurde U 869 in Dienst gestellt. Das auf der Deschimag-Werft gebaute Boot des Typs IX C war erheblich größer als mein altes U 602 und daher zunächst eine ungewohnte Veränderung. Auch diesmal gings in die Ostsee zu den Erprobungsfahrten, der Agru-Front, dem Torpedoschießen und so wei-ter.
Am 30. August 1944 lag das Boot in Stettin, als nachts plötzlich Luftalarm ausgelöst wurde. Widerwillig be-gab ich mich in einen der naheliegenden Bunker, während andere Kameraden in der Unterkunft zurück-blieben. Hinter mir wurde das schwere Bunkertor geschlossen. Nach dem Ende des Luftalarmes mußte ich feststellen, daß meine Unterkunft völlig verschwunden war. An dieser Stelle war nur noch ein großer Bom-benkrater. Unter den Toten war auch ein Angehöriger der Besatzung von U 869.
Wenige Tage vor dem Auslaufen aus Stettin im November 1944 erkrankte ich an einer Lungen - und Rip-penfellentzündung und wurde in das Lazarett nach Stettin eingeliefert. U 869 lief daher wenige Tage später mit Kapitänleutnant Neuerburg ohne mich in Richtung Norwegen zur ersten Feindfahrt aus. Erst nach dem Krieg habe ich aus entsprechenden Publikationen vom Totalverlust von U 869 „vor Casablanca“ erfahren.
Nach Angaben in der Sendung von SPIEGEL-TV-REPORTAGE lief U 869 am 8. Dezember 1944 von Norwegen zu seiner 1. Feindfahrt aus. Den Funkspruch vom 8. Januar 1945, statt in Richtung Amerika in den Raum Gibraltar zu verlegen hat U 869 nie bestätigt.
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Seit der Reportage von SAT. 1 habe ich mich nochmals viele Stunden mit dem Untergang von U 869 befaßt.
In vielen schlaflosen Nächten und Gesprächen mit Fachleuten und kompetenten Persönlichkeiten bin ich
überzeugt worden, daß U 869 nun doch vor Amerika auf dem Grund des Atlantiks liegt.
Bilder von der Indienststellung von U 869 habe ich bereits im Jahre 1988 an die U-Bootsstiftung mit Horst
Bredow weitergegeben, da bis zu diesem Zeitpunkt keine Bilder dieses Bootes veröffentlicht waren.