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Technology Outlook 2021 Deutsche Version
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021
Impressum
Autorinnen und AutorenThomas Anken, Christian Bach, Christophe Ballif, Fritz Bircher, Bernhard Braunecker, Rebecca Buller, Urs Burckhardt, Max Erick Busse-Grawitz, Vicente Carabias, Andreas Conzelmann, Alessandro Curioni, Reinhard Czichy, Patricia Deflorin, Gregor Dürrenberger, Xaver Edelmann, Regine Eibl, Andreas Fuhrer, René Gälli, Bernhard Gerster, André Golliez, Christian Grasser, Pierangelo Gröning, Daniel Gygax, Manfred Heuberger, Alessandra Hool, Hans-Peter Käser, Walter Karlen, Steffen Kelch, Christoph Kolano, Agathe Koller, Jens Krauss, Wolfgang Kröger, Thomas Küchler, Roland Küpfer, Andreas Kunz, Christian Laux, Daniel Liebhart, Katharina Link, Urs Mäder, Roger Marti, Hans-Peter Meyer, Bradley Nelson, Kristina Orehounig, Andrew Paice, Sven Panke, Greta Patzke, Adrian Perrig, Guido Piai, Thomas Puschmann, Michael Raghunath, Jörg Roth, Mark Rubin, Patrick Ruch, Christian Schaffner, Stefan Scheidegger, Daniel Schmid, Philipp Schmid, Thomas Justus Schmidt, Roland Siegwart, Lars Sommerhäuser, Adriaan Spierings, Thilo Stöferle, Bernhard Tellenbach, Anna Valente, Ilona Wettstein, Nicole Wettstein, Erich Windhab, Felix Wortmann, Tomas de Wouters, Shancong Yu, Manfred Zinn
Steering (Wissenschaftlicher Beirat der SATW)Hans Altherr, Walter J. Ammann, Bernhard Braunecker, Ulrich Claessen, Djordje Filipovic, Robert Frigg, Rolf Hügli, René Hüsler, Agathe Koller, Urs Mäder, Hans-Peter Meyer, Peter Seitz, Ulrich W. Suter, Alessandro Tschabold
ProjektleitungClaudia Schärer
RedaktionBeatrice Huber, Esther Lombardini
ReviewTony Kaiser
ÜbersetzungMaud Capelle (französisch) und Tanya Loringett (englisch)
GestaltungAndy Braun
BilderAdobe Stock
April 2021
3
Vorwort 4
Einleitung 5
Europäische Trends und Vergleich mit der Schweiz 6 ImWandelderZeit 7
VergleichderSchweizmitEuropa 10
Ländervergleich 11
Bedeutung der Technologien für die Schweiz 14 VierForschungsfelder 17
NeueTechnologienindieserAusgabe 18
WiehabensichdieTechnologienseitderletztenAusgabeentwickelt? 19
Zusammenfassung 21
Methodik 22 AuswahlderTechnologien 23
Social-Media-Analyse 24
BedeutungderTechnologienfürdieSchweiz 25
ÜberführungderWerteindieQuadrantendarstellung 27
Technologien und Anwendungsgebiete 28 DigitaleWelt 30
EnergieundUmwelt 48
FertigungsprozesseundMaterialien 60
LifeSciences 68
TechnikundGesellschaft 80
Technologietrends 84 Einführung 86
DigitaleWelt 87
EnergieundUmwelt 94
FertigungsprozesseundMaterialien 98
LifeSciences 100
Inhaltsverzeichnis
4
Vorwort
DieWeltistindenletztenDekadenreicherund–verwöhntdurchdieimmergrösseren
LeistungenderIndustrie–anspruchsvollergeworden.Esistschonvöllignormalgeworden,
vondenproduzierendenFirmen Jahr für JahrbessereResultatezuerhalten (undzu
fordern).AlleMarktteilnehmendensehenzwarein,dassesexponentiellesWachstum
aufDauernichtgebenkann,abermanistüberzeugt,dassesmöglichseinmuss,durch
diegeschickteMischung vonerfolgreichenProdukten, starkerMarktpräsenzund
schlauenNeuigkeiteneinüberallesexponentiellwirkendesWachstumzuerzielen.Es
fragtsichaber,wiedieseNeuheitenerkannt,verstandenundgenutztwerdenkönnen.
WeltweitsindzudiesenFragen«TechnologyOutlooks»alsOrientierungshilfenentwickelt
wordenundhabensichzuinternationalbeliebtenStandardwerkengewandelt.
DieSATWhatvorsechsJahrenihrenersten Technology Outlook herausgegeben.Das
damaligeProduktwarnochrechteinfachgehalten,eserhieltaberinderSchweizvon
IngenieurinnenundIngenieurensowievonForschendenermutigendeSignaleundHinweise.
DieweiterenAusgabenwurdenimmergehaltvoller.MitderviertenAusgabehaltenSie
nundas«ausgereifte»ProduktinHänden.EslehntsichandieVorgängeranundsetzt
auchneueAkzente.
SchoninderAusgabe2019wardieDominanzderdigitalenWeltauffallend.DieseEinsicht
istnunnochverstärkt.
DieBeiträgezuTechnologienundAnwendungsgebietenhalten–wiederTitelvorgibt–
denBlickaufpraktische,industrielleundkommerzielleAnwendungen:Siereichenvon
5G-Anwendungen,AnalysevonBigDataundkollaborativerRobotikbis zuQuanten-
computing.DieBeiträgezuTechnologietrendsbereitendagegendieLeserinnenund
LeseraufbreitereDiskussionenvorundbeschäftigensichmitweitläufigenThemenwie
autonomeSysteme,Cybersecurity,digitaleLandwirtschaftundnatürlichauchdieomni-
präsentekünstlicheIntelligenzunddieQuantentechnologien.
GestartetwirddiesmalmitinternationalenVergleichen(EuropäischeTrendsundVergleich
mitderSchweiz).DiesehrsorgfältigerhobenenDatenvonverschiedenenJahrenermög-
lichendieOffenlegungderStärkenundSchwächenverschiedenerLänderüberdieZeit.
IchwünscheIhnennamensdesWissenschaftlichenBeiratseinestimulierendeLektüreund
hoffe,derTechnology Outlook 2021könneIhnenbehilflichsein.
UlrichW.Suter|PräsidentWissenschaftlicherBeiratSATW
5
Einleitung
Identifizierung, Beschreibung und Bewertung von Tech-
nologien, die für die Schweizer Wirtschaft und Gesell-
schaft in den kommenden Jahren1 von Bedeutung sein
werden,gehörenfürdieSATWzuihremGrundauftragin
der Früherkennung. Als Resultat dieser Aktivitäten ent-
steht als zweijährliche Publikation der Technology
Outlook,welcher2021bereitszumviertenMalerscheint.
DerTechnology Outlook 2021knüpftandie2019-Ausgabe
an.DiedortbeschriebenenTechnologienwurdeninBezug
aufihretechnischeReifeneubewertet.Solchemiteinem
ZeithorizontvonwenigeralsdreiJahrenbiszurProdukt-
reifewiediekontinuierlichenFertigungsverfahrenwurden
ausgeschlossen.InZusammenarbeitmitdenbeidenFrüh-
erkennungsgremienderSATWwurdenzwölfneue,rele-
vanteTechnologien identifiziert,diefürdieSchweizvon
BedeutungseinwerdenunddemanvisiertenZeithorizont
vonmindestensdreiJahrenbiszurProduktreifeentspre-
chen.DazugehörenzumBeispieldiekünstlichePhotosyn-
these,MikrobiotaundMikrobiomesowiemobileRoboter.
ZusätzlichthematisierenzweiBeiträgeallgemeineAspek-
tederDigitalisierung:dieselbstbestimmteNutzungper-
sönlicher Daten und das Vertrauen in digitale Produkte
undDienstleistungen.DerTechnology Outlook 2021stellt
insgesamt45TechnologienundAnwendungsgebietevor.
InderPublikationwird jederTechnologieein Iconzuge-
ordnet.DieSammlungallerIconsbefindetsichimKlappen-
texthinten.
FürdieaktuelleAusgabehatdieSATWerneutquantitati-
veAngabenzudeneinzelnenTechnologienerhobenund
dieQuadrantendarstellungweitergeführt. Somitkönnen
erstmals Trends für die Technologien aufgezeigt wer-
den.HabeneinzelneTechnologienanvolkswirtschaftli-
cherBedeutunggewonnen?HatsichfürgewisseAnwen-
dungendieForschungskompetenzinderSchweizerhöht?
Odergibtesgar«Absteiger»?DankkontinuierlicherDaten-
erhebung imBereichderSocialMedia ist aucherstmals
eineTrendanalyseaufinternationalerEbenemöglich.
Die im Technology Outlook präsentierten Technologien
wirken zusammen und ermöglichen so die Umsetzung
umfassenderTechnologietrends.Deshalbpräsentiertder
aktuelleTechnology Outlook neu13Technologietrends,
dieinderÖffentlichkeitstarkbeachtetwerden.Darunter
sindumfassendeThemenwieKreislaufwirtschaft,künst-
licheIntelligenzoderSmartCities.DerTechnology Outlook
erklärtdieBegriffe, lotetdasPotenzialfürdieSchweizer
Wirtschaft und Gesellschaft aus und stellt eine direkte
VerbindungzudeneinzelnenTechnologienher.Eswird
sichtbar,welcheTechnologienalsTreiberfürdieEntwick-
lungeinesTrendswirkenoder,umgekehrt,welcheTechno-
logienvonderfortschreitendenEntwicklungeinesTrends
profitieren.
DiePublikationstartetbreitmitdeminternationalenTech-
nologievergleichundfokussiertdannaufdieBedeutung
dereinzelnenTechnologienfürdieSchweiz.Imabschlies-
sendenKapitel«Technologietrends»gibtderBerichtnoch-
malseinenbreiterenÜberblick.
Dr. Claudia Schärer, die Projektleiterin des Technology
Outlooks, bedankt sich bei den zahlreichen Autorinnen
undAutoren,ohnederenEinsatz,GeduldundFachwissen
eine Publikation dieser Ausführlichkeit und Tiefe nicht
möglich wäre. Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wün-
schenwireinespannendeLektüremiteinemhoffentlich
hohenErkenntnisgewinn.ÜberRückmeldungenfreuenwir
unsjederzeit!
1 TechnologyReadinessLevel4–7,Produktreifein3–5Jahren.DetailsdazufindensichimKapitelMethodikabSeite22.
Europäische Trends und Vergleich mit der
Schweiz
6
7
TechnologieniminternationalenVergleich:WasimTech-
nology Outlook 2019nuralsMomentaufnahme fürdas
Jahr2018möglichwar,kanninderaktuellenAusgabeals
Trendanalysepräsentiertwerden.Welches sinddieTop-
Technologien in Europa?Welches sinddie«Aufsteiger»
seit2018?Welchesdie«Absteiger»?
Seitdrei JahrenverfolgtdieSATWdieDiskussionenauf
denoffiziellenSocial-Media-Kanälenvon1‘300europäi-
schenHochschulen.Twitter istdabeideramhäufigsten
genutzteKanal.MitderSuchmaschineLinkAlong(https://
linkalong.com)werdendieoffiziellenTwitter-Kanäleder
europäischen Hochschulen nach spezifischen Begriffen
durchsuchtundausgewertet.Bewusstwirdaufdieoffi-
ziellenKommunikationskanälederHochschulenfokussiert,
sodassderDatensatzvornehmlichausQuellenmithoher
RelevanzundGlaubwürdigkeitstammt.
FürdieAnalysedereuropäischenTrendswurdendieDaten
vonsiebenLändernberücksichtigt.DiessinddieNachbar-
länderderSchweiz–Deutschland,Frankreich,Italienund
Österreich–sowiedreifürdieSchweizrelevanteVergleichs-
länder–Grossbritannien,NiederlandeundSchweden.Die
Daten für die Schweiz werden separat präsentiert und
sind dementsprechend im Datensatz der europäischen
Ländernichtenthalten.DieSuchbegriffezudenTechno-
logien wurden im Vergleich zum Technology Outlook
2019überarbeitetundalleDatenfürdieJahre2018,2019
und2020neuerhobenundanalysiert.AusdiesemGrund
lassen sich die Ergebnisse aus der aktuellen Publikation
nichtdirektmitdenjenigenausder2019-Ausgabeverglei-
chen, sindaber in sichkonsistent.AufgrundderCorona-
KrisesinddieDatenausdemJahr2020miteinemgewissen
Vorbehaltzuinterpretieren,dadieAnzahlPostszudenim
Technology OutlookbeschriebenenTechnologien2020
rückläufigwar.
Abbildung1(aufSeite8)zeigt,wiesichdieDiskussionzu
den europäischen Top-Ten-Technologien zwischen 2018
und2020entwickelthat.ZusätzlichzeigtdieAbbildung
auchdieEntwicklungvonBioplastikunddamitjenerTech-
nologie,diediestärksteZunahmeanPostszwischen2018
und2020ausserhalbderTopTenzeigt.
UnterdenTopTensindauffallendvieleTechnologienaus
demForschungsfeldDigitaleWelt.NurzweiTechnologien,
additiveFertigungundPhotovoltaik,entstammenanderen
Forschungsfeldern.Einerseitszeigtdies,dassgeradedigi-
tale TechnologienöffentlichkeitswirksameThemen sind.
AndererseitssinddieaufgeführtendigitalenTechnologien
sogenannteEnabling-Technologien,vonderenWeiterent-
wicklungzahlreicheAnwendungsfelderprofitieren.
Dominierten 2018 Analyse von Big Data, Augmented
RealityundBlockchaindieakademischeDiskussion,hatdie
IntensitätdieserDiskussionaufdenSocial-Media-Kanälen
dereuropäischenHochschulenetwasabgenommen.Die
höchsteAufmerksamkeiterreichte2020dieadditiveFerti-
gung.DerProzentsatzderPostsmitBezugaufdieadditive
FertigunghatsichindenletztendreiJahrenfastverdop-
pelt.DieBeiträgeimJahr2020drehtensichmehrheitlich
um Face Shields, Schutzwände aus Plexiglas und Beat-
mungsgeräte,dieallesamtmitdem3D-Druckergefertigt
werdenkönnen.GanzoffensichtlichnutzenauchHoch-
schulendieGelegenheit,sichderÖffentlichkeitaktualitäts-
nahzupräsentieren.
Im Wandel der Zeit
ÜberdenQR-CodegelangenSieaufunsereWebsite,woSieweitereInformationenzuden
europäischenTrendsfinden.
8
Abbildung 1: Trendanalyse 2018–2020 für die europäischen Top-Ten-TechnologienDieAbbildungzeigt,wiesichdieErwähnungenderTop-Ten-TechnologienaufSocialMediaderHochschuleninsiebeneuropäischenVergleichsländernentwickelthaben.DieWertesindinProzentangegebenundbeziehensichaufdieGesamtanzahlanPostsüberdie43besprochenenTechnologien.ZusätzlichistauchBioplastik(alsDreieck)abgebildet,weildieserindenletztendreiJahrendiestärksteZunahmeanPostsaufweist.
Abbildung 2: Trendanalyse 2018–2020 für die Schweizer Top-Ten-TechnologienDieAbbildungzeigt,wiesichdieErwähnungenderTop-Ten-TechnologienaufSocialMediaderSchweizerHochschulenentwickelthaben.DieWertesindinProzentangegebenundbeziehensichaufdieGesamtanzahlanPostsüberdie43besprochenenTechnologien.ZusätzlichistauchdiesynthetischeBiologiemitderstärkstenZunahmeunddieMobilitätskonzeptemitderstärkstenAbnahmeanPosts(jeweilsalsDreiecke)abgebildet.
DieThemenBlockchainundhochautomatisierteFahrzeuge
haben im europäischen akademischen Diskurs an Auf-
merksamkeiteingebüsst.Starkzugenommenhabenhin-
gegendieTweetszuBioplastik.Dieskönntedieverstärkten
BemühungenderEUwiderspiegeln,denEinsatzvonEin-
wegplastikzureduzierenunddieVerwendungvonnatür-
lichenBiopolymerenzufördern.2
AndieserStellebietetsicheinVergleichmitderSchweiz
an.Abbildung2zeigtdieTrendsfürdieJahre2018bis
2020fürdieSchweizerTop-Ten-Technologien.Wieschon
inAbbildung1sindauchhierzusätzlichTechnologienaus-
serhalbderTopTenmitstarkenTrendsabgebildet:synthe-
tischeBiologiemitderstärkstenZunahme,respektiveMo-
bilitätskonzeptemitderstärkstenAbnahmeanPosts.
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2018 2019 2020
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▲▲ ▲
▲
● AdditiveFertigung
● MaschinellesLernen
● AugmentedReality
● AnalysevonBigData
● Photovoltaik
● Blockchain
● InternetofThings
● Drohnen
● HochautomatisierteFahrzeuge
● Quantencomputing
▲ Bioplastik
● AugmentedReality
● Blockchain
● Photovoltaik
● MaschinellesLernen
● AdditiveFertigung
● AnalysevonBigData
● Drohnen
● MedizinischeWearables
● InternetofThings
● HochautomatisierteFahrzeuge
▲ SynthetischeBiologie
▲ Mobilitätskonzepte
9
ImVergleichzu2018zeichnetsicheineVerschiebungab.
Mobilitätskonzepte haben in der Schweiz an Aufmerk-
samkeitverlorenundsindausdenTopTenverschwunden.
DassdieserAbstiegnichtnurdieakademischeDiskussion
betrifft,sondernauchdieBedeutungderTechnologiefür
dieSchweiz,zeigtdervonExpertinnenundExpertenkon-
statierteUmsatzrückgang,welchersichinAbbildung5
(aufdenSeiten14und15)imnachfolgendenKapitelzeigt.
GrunddafüristdasScheiternnationalerInitiativen.Neuin
denTopTensinddiemedizinischenWearables. Fastdie
HälftederPostsimJahr2020zumedizinischenWearables
istaufBeiträgerundumGesundheitsappszurückzufüh-
ren.Einedeutliche,stetigeZunahmeanPostszeigtzudem
diesynthetischeBiologie.DieskorreliertmitderEinschät-
zung der Expertinnen und Experten zum gesteigerten
Marktpotenzial.
InderSchweizdominieren2020AugmentedReality,Block-
chain und Photovoltaik die akademische Social-Media-
Diskussion.VerliefderAufstiegvonPhotovoltaikindenver-
gangenenJahrenkontinuierlich,erstarkteAugmentedRea-
litynacheinerKonsolidierungimJahr2019wieder.Anwen-
dungenvorallem inMedizin,BildungundKunstwerden
thematisiert;industrielleAnwendungenfehlenindenPosts
fastvollständig.DieBeiträgezuPhotovoltaiksindthema-
tischbreitundsprechenunteranderemNeuentwicklungen
beidenMaterialien,zusätzlicheEinsatzgebieteundökolo-
gische Aspekte an. Die Schweiz scheint, auch dank der
zahlreichen akademischen und industriellen Forschungs-
gruppen,gutgerüstetzusein,sicheinebedeutendePosi-
tioninNischenmärktenzuerarbeiten.
AuchinderSchweizhatdieDiskussionsintensitätzuaddi-
tiver Fertigung zugelegt. Die prozentuale Zunahme der
AnzahlPostsimBereichderadditivenFertigungistinder
Schweizallerdingsnichtganz soausgeprägtwie inden
europäischenVergleichsländern.DiePostsvonSchweizer
HochschulenhabenimeuropäischenVergleicheinestärker
industrielleAusrichtungunddiskutierenseltenerAnwen-
dungenimZugderCorona-Krise.
AuchwennBlockchaininderSchweiznochimmerdeut-
lich intensiver diskutiert wird als im Mittel der europäi-
schen Vergleichsländer, war der prozentuale Rückgang
derAnzahlPostsseit2018stark.Esscheintsicheinegewis-
se Desillusionierung breit zu machen. Es ist auffallend,
dassdiePostszuBlockchainvermehrtvonÖkonominnen
undÖkonomenwieauchJuristinnenundJuristenverfasst
werden.DrohnenhabeninderSchweizimakademischen
DiskursstarkanBedeutungverlorenundsind indiesem
JahraufRang7abgerutscht.Gründedafürsinddiezu-
nehmendeAuslagerungdertechnologischenEntwicklun-
genandievonHochschulabsolventinnenund-absolventen
gegründetenSpin-offsundStart-ups,3einGenerationen-
wechsel an den führenden Schweizer Hochschulen und
derenverstärkteAusrichtungaufLaufroboter.
2 Welcome to European Bioplastics.Abgerufen26.Februar2021vonhttps://www.european-bioplastics.org/3 DiePostsderSpin-offsundStart-upswerdeninderAnalysenichterfasst.
10
DieUnterschiedezwischenderSchweizundEuropalassen
sichgrafischzeigen.Abbildung3vergleichtdierelativen
HäufigkeitenderPostsvonSchweizerHochschulen(hori-
zontale Achse) mit den relativen Häufigkeiten der Posts
vonHochschulendersiebeneuropäischenVergleichsländer
(vertikaleAchse).
DieDarstellunglässtsichinvierQuadrantenunterteilen.Im
QuadrantenobenrechtsbefindensichjeneTechnologien,
diesowohlinderSchweizalsauchinEuropaintensivauf
denSocial-Media-KanälenderHochschulendiskutiertwer-
den. In diese Kategorie gehören nur Augmented Reality
und maschinelles Lernen. Photovoltaik und insbesondere
Blockchain im unteren rechten Quadranten werden in
SchweizerakademischenKreisendeutlichintensiverdisku-
tiert als in Europa, was sich gut mit der Klassierung der
beidenTechnologienindenSchweizer,abernichtdeneu-
ropäischenTopThreedeckt.DieadditiveFertigungalsein-
zigeTechnologie imoberen linkenQuadrantenhingegen
wird in Europahäufiger diskutiert als in der Schweiz. Im
linken unteren Quadranten befinden sich diejenigen
Top-Ten-TechnologienmitdergeringstenDiskussionsinten-
sitätsowohl inderSchweizalsauchinEuropa.Trotzdem
lassen sich spezifischeUnterschiedeaufzeigen:So finden
beispielsweisedie inderSchweizanAufmerksamkeitge-
winnendenmedizinischenWearablesaufdenSocial-Media-
Kanälen der europäischen Hochschulen deutlich weniger
Beachtung.EineChancefürdieSchweiz?
Vergleich der Schweiz mit Europa
Abbildung 3: Vergleich der Schweiz mit sieben europäischen Ländern im Jahr 2020DieAbbildungzeigtaufderhorizontalenAchsedieErwähnungenderTop-Ten-TechnologienaufSocialMediaderSchweizerHochschulen;aufdervertikalenAchsegeltendieAngabenfürdiesiebeneuropäischenVergleichsländer.DieWertesindinProzentangegebenundbeziehensichaufdieGesamtanzahlanPostsüberdie43besprochenenTechnologien.DieLegendezudenIconsbefindetsichimKlappentexthinten.
%vonallenPostsinderSchweiz
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11
Eslohntsich,dieDatenfürdieeuropäischenVergleichslän-
deraufzuschlüsselnundaufLänderniveauzuvergleichen.
Abbildung4(aufdenSeiten12und13)zeigtdieErwäh-
nungen der Top-Five-Technologien und die Summe der
restlichen Technologien in den Social-Media-Kanälen für
die Schweiz und sechs der sieben ausgesuchten Ver-
gleichsländer fürdas Jahr2020.FürSchwedenwerden
diedetailliertenDatennichtgezeigt,dadieAnzahlPostsim
Jahr2020imVergleichzudenVorjahrendeutlichtieferwar
unddeshalbkaumfundierteAussagenmöglichsind.
InsgesamtkommenindenTop-Five-Technologiendersieben
betrachteten Länder 13 verschiedene Technologien vor.
Die Posts zu den Top-Five-Technologien machen jeweils
rund50ProzentallerPostsaus.InGrossbritannienistdie
additiveFertigungdominantundfür23ProzentallerPosts
verantwortlich;dieTechnologienaufdemzweitenPlatz,
AugmentedRealityundDrohnen,erreichenjenochknapp
8Prozent. IndenanderenLändern istdieAbnahmeder
relativenHäufigkeitehergraduell.AusdenKreisdiagrammen
wirddieBedeutungvonAugmentedRealityunddesma-
schinellenLernensoffensichtlich.BeideTechnologiensind
inallenLändernausserindenNiederlanden(Augmented
Reality fehlt) und Grossbritannien (maschinelles Lernen
fehlt)inderGruppederTop-Five-Technologien.Auchdie
additive Fertigung ist in allen Ländern ausser in Italien
unddenNiederlandenunterdenTopFiveanzutreffen.
Eslohntsich,einigeländerspezifischeBesonderheitenge-
naueranzuschauen.Photovoltaikbelegt indenNieder-
landen den ersten Rang und wird auch in der Schweiz
auffallendhäufigerwähnt.ÜberdurchschnittlichvielePosts
stammeninderSchweizvonderEPFL,welchePhotovol-
taik-Forschung auf Weltklasseniveau betreibt. Posts von
ForschendenindenNiederlandenbeziehensichunteran-
derem auf die Installation schwimmender Solaranlagen,
da die verfügbare Fläche für Sonnenkollektoren in den
Niederlandensehrbegrenztist.
HochautomatisierteFahrzeugeschaffenesnurinDeutsch-
landunddenNiederlandenindieTopFive.DasErgebnis
überraschtfürDeutschlandnicht;dieAutomobilindustrie
ist ein bedeutender Wirtschaftszweig4. Die Bedeutung
derTechnologieindensozialenMedienderniederländi-
schen Hochschulen ist nur auf den ersten Blick überra-
schend.ImKPMG Autonomous Vehicles Readiness Index
von2019belegtendieNiederlandedenerstenPlatz–weit
vorDeutschland5.DieStudiekonstatiert,dassdieNieder-
lande zusammen mit Singapur unter anderem in den
BereichenInfrastrukturundBevölkerungsakzeptanzwelt-
weitdiebestenVoraussetzungenfürautonomesFahren
bieten. So thematisieren die Posts der niederländischen
HochschulendannauchmehrheitlichdieInteraktionvon
autonomenFahrzeugenmitMenschenundanderenVer-
kehrsteilnehmern.
AuffallendistdieverhältnismässighoheAnzahlPostszu
QuantencomputingindenNiederlandenundÖsterreich.
DieniederländischenHochschulen, allen vorandie TU
Eindhoven,thematisierenMaterialentwicklungengenauso
wie die mögliche Bedrohung der Datensicherheit durch
Quantencomputer.InÖsterreichäussernsichhauptsäch-
lich die Universitäten in Innsbruck, Linz und Wien zu
Quantencomputern und decken vielfältige Aspekte von
technischenEntwicklungenbishinzuErklärungenfürdie
breiteÖffentlichkeitab.
InÖsterreichdominierendiePostszuBlockchaindieaka-
demischeDiskussion.DiesewirdvonmehrerenUniversitä-
tengeführtund ist inhaltlichbreit:SieumfasstEntwick-
lungeninderForschungundFortschrittebeiindustriellen
sowiewirtschaftlichenAnwendungen,aberauchBeispie-
leausderKultur.
EineBeobachtungsollnochweiterausgeführtwerden:die
hohe Diskussionsintensität zu Drohnen auf den Social-
Media-KanälenderHochschulenGrossbritanniens.Einein-
4 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – Automobilindustrie. Abgerufen26.Februar2021vonhttps://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Branchenfokus/Industrie/branchenfokus-automobilindustrie.html
5 KPMG International (2019). 2019 Autonomous Vehicles Readiness Index. Abgerufen26.Februar2021vonhttps://assets.kpmg/content/dam/kpmg/xx/pdf/2019/02/2019-autonomous-vehicles-readiness-index.pdf
Ländervergleich
12
haltlicheAuswertungderPostsoffenbarteineinteressante
Verbindung.DieForschendenGrossbritanniensbesprechen
darinmöglicheEinsätzevonDrohnenzurBekämpfungder
Corona-Pandemie, beispielsweise die Überwachung des
LockdownsoderdieDesinfektionvongrossen,öffentlichen
FlächenausderLuft.
DieDatenvermittelnzeitnaheinenEindruckdavon, in
welchenLändernwieintensivüberwelcheTechnologien
diskutiertwird.AuchwenndieDatenkeinedirekteAussa-
geüberdievolkswirtschaftlicheBedeutungeinerTechno-
logieerlauben,zeigensiedochdieForschungsaktivitäten
der einzelnen Hochschulen und erlauben Rückschlüsse
aufderenthematischeSchwerpunkte.EinesolideBasisin
der akademischen Forschung ist das Fundament für er-
folgreiche industrielle Entwicklungen und entsprechend
auchfürdievolkswirtschaftlicheBedeutungeinerTechno-
logie.
SchweizAugmentedReality14%
Blockchain11%
Photovoltaik10%
MaschinellesLernen8%
AdditiveFertigung8%
ÜbrigeTechnologien49%
Deutschland
ÜbrigeTechnologien54%
AdditiveFertigung14%
AugmentedReality12%
HochautomatisierteFahrzeuge8%
Photovoltaik6%
MaschinellesLernen6%
FrankreichAnalysevonBigData13%
AdditiveFertigung12%
MaschinellesLernen11%
AugmentedReality10%
InternetofThings10%
ÜbrigeTechnologien44%
13
Abbildung 4 zeigtdierelativeHäufigkeitanErwähnungenderTop-Five-TechnologienaufdenSocial-Media-KanälenfürdieSchweizundsechsdersiebenrelevanteneuropäischenVergleichsländerfürdasJahr2020.GleicheFarbebedeutetgleicheTechnologie.DerschwachgraugefärbteSektorerfasstalleanderenTechnologienausserhalbderTopFive.DieSektorengrössewiderspiegeltdierelativeHäufigkeitderPostszudeneinzelnenTechnologienimVerhältniszurGesamtanzahlanPostsproLandmitBezugzudenimTechnology Outlook 2021thematisiertenTechnologien.
Grossbritanien
ÜbrigeTechnologien47%
AdditiveFertigung23%
AugmentedReality8%
Drohnen8%
AnalysevonBigData7%
5G7%
Italien MaschinellesLernen12%
Mobilitätskonzepte11%
AugmentedReality9%
AnalysevonBigData9%
5G7%
ÜbrigeTechnologien52%
NiederlandePhotovoltaik15%
Quantencomputing11%
HochautomatisierteFahrzeuge8%
InternetofThings8%
MaschinellesLernen7%
ÜbrigeTechnologien51%
ÖsterreichBlockchain13%
AugmentedReality12%
Quantencomputing9%
MaschinellesLernen8%
AdditiveFertigung8%
ÜbrigeTechnologien50%
14
Bedeutung der Technologien für die Schweiz
Abbildung 5: Relative Bedeutung der Technologien für die SchweizDiehorizontaleAchsezeigtdievolkswirtschaftlicheBedeutungderTechnologienfürdieSchweiz,dievertikaleAchsedieForschungskompe-tenzinderSchweiz.6NichtinderQuadrantendarstellungabgebildetsindDigitalTrustundDatensouveränität.BeideThemenbehandelneherdenEinsatzdigitalerTechnologieninderGesellschaftalsspezifischeTechnologien.DieLegendezudenIconsbefindetsichimKlappentexthinten.
6 DetailszurDarstellungfindensichimKapitelMethodikabSeite22. VolkswirtschaftlicheBedeutungfürdieSchweiz
Fors
chun
gsko
mpe
tenz
ind
erS
chw
eiz
10.0
0.0
Technologische Nische
Technologischer Hoffnungsträger
15
ÜberdenQR-Code
gelangenSieaufunsere
Website,woSieweitere
InformationenzurBedeu-
tungderTechnologienfür
dieSchweizfinden.Vor
allemkönnenSiedortauch
mitFilternIhreeigene
Auswahltreffen.
10.0
Technologischer Star
Technologischer Selbstläufer
16
DieAbbildung5(aufdenSeiten14und15)imStileiner
Quadrantendarstellung kartiert die Bedeutung der Tech-
nologienfürdieSchweizbasierendaufderSchätzungvon
Expertinnen und Experten, Branchen- und Geschäftsbe-
richtensowieeigenenRecherchen.DiehorizontaleAchse
stellt die volkswirtschaftliche Bedeutung dar. Diese wird
mitdenvierIndikatorenUmsatz2019,Marktpotenzialin
dennächstenfünfJahren,rechtlich-regulatorischeRah-
menbedingungenundAkzeptanzinderSchweizerGesell-
schaftgemessen.DievertikaleAchsezeigtdieakademische
und industrielle Forschungskompetenz in der Schweiz,
ebenfallsbasierendaufvierIndikatoren:Anzahlakademi-
scher Forschungsgruppen und deren Kompetenz wie
auchAnzahlindustriellerForschungsgruppenundderen
Kompetenz. Die volkswirtschaftliche Bedeutung ist eine
MomentaufnahmemitBlick indienaheZukunft.Sieba-
siertaufZahlen,diesichaufdasJahr2019beziehen.Da
eineSchätzungzurEntwicklungdesMarktpotenzialsindie
Berechnungeinfliesst,machtsieaucheineAussageüber
diekommendendreibisfünfJahre.
DieAbbildungistinvierQuadrantenmitunterschiedlicher
BedeutungderTechnologienfürdieSchweizerWirtschaft
unterteilt: «Stars» oben rechts, «Selbstläufer» unten
rechts,«Nischen»obenlinksund«Hoffnungsträger»un-
tenlinks.
ImblauenQuadrantenobenrechtssindachtTechnologien
zu finden, die als «Stars» gelten. Forschungskompetenz
undvolkswirtschaftlicheBedeutungsindhoch:Siesorgen
fürhoheUmsätzebeiheimischenUnternehmenundsind
GrundlagevonzahlreichenArbeitsplätzen;auchdie For-
schungbeschäftigtsichintensivmitdiesenTechnologien.
JenevierTechnologien,dieimgelbhinterlegtenQuadran-
tenuntenrechtszufindensind,könnenals«Selbstläufer»
bezeichnetwerden.ObwohldieseTechnologiennurwe-
nigbeforschtwerden,sindsieGrundlagevonProdukten,
diehoheUmsätzeerwirtschaften.Die«Selbstläufer»sind
reifeundbreitetablierteTechnologien,derenEntwicklung
derzeiteherlangsamvorangeht.Womöglichwirdessich
auszahlen,wennindenAuf-undAusbauvonrelevanten
Kompetenzeninvestiertwird.
ImrothinterlegtenQuadrantenoben linksfindensich
«Nischen».DiesefünfTechnologienwerdenzwarintensiv
beforscht,IndustrieundHochschulenverfügenüberhohe
Kompetenzen, dennoch kommt ihnen nur eine geringe
volkswirtschaftlicheBedeutungzu.Erwartetwird,dassein
TeilderNischen-Technologienzu«Stars»werden,sofern
guteRahmenbedingungenbestehenundAnwendungen
basierendaufdiesenTechnologiendenMarktdurchdrin-
gen.EinezentraleVoraussetzungdafürist,dassUnterneh-
meninnovativeundnachhaltigeGeschäftsmodelleentwi-
ckeln,dieeinbreitesAnwendungsspektrumermöglichen.
ImgrünhinterlegtenQuadrantenuntenlinksfindensichdie
«Hoffnungsträger».Die26TechnologienindiesemQuad-
rantenmachenmehralsdieHälfteallerimTechnology Out-
lookbeschriebenenTechnologienaus,wasangesichtsdes
imTechnology OutlookbetrachtetenTechnologyReadiness
Levels7auchzuerwartenist.HoffnungsträgersindTechno-
logien,beidenensowohldieakademischeundindustrielle
ForschungskompetenzalsauchdievolkswirtschaftlicheBe-
deutungnochalsgeringeingeschätztwerden.DieseTech-
nologien bedürfen einer stetigen und genauen Beobach-
tung,danochunklarist,wiesiesichentwickeln.
7 DetailszudenTechnologyReadinessLevelsfindensichimKapitelMethodikabSeite22.
17
DieimTechnology OutlookaufgeführtenEinzeltechnolo-
gien können den vier Forschungsfeldern Digitale Welt,
EnergieundUmwelt,FertigungsprozesseundMaterialien
sowieLifeScienceszugeordnetwerden.Tabelle1macht
deutlich, dass ein gutes Drittel der in dieser Publikation
Werden die Werte zur Bestimmung der Bedeutung der
Einzeltechnologien gemittelt, zeigt sich, dass die durch-
schnittliche Forschungskompetenz der beschriebenen
TechnologienindendreiForschungsfeldernDigitaleWelt,
EnergieundUmweltundLifeSciencesdeutlichhöherist
als diejenige der Technologien aus dem Forschungsfeld
Fertigungsprozesse und Materialien. Die Technologien
ausdemForschungsfeldDigitaleWelt haben zudem im
Mittel die höchste volkswirtschaftliche Bedeutung. Dies
dürftemitunterdaranliegen,dassdiesemForschungsfeld
zahlreiche Enabling-Technologien wie Analyse von Big
Data und maschinelles Lernen entstammen, die im
Quadranten der «Stars» verortet sind. Solche Enabling-
TechnologiensindBasisfürzahlreicheProdukteundDienst-
leistungeninunterschiedlichenAnwendungsfeldern.
beschriebenen Technologien digitale Technologien sind.
Diesunterstreichterstens,dassauchdienächsten Jahre
von der Digitalisierung geprägt bleiben werden, und
zweitens,dasseineumsichtigeDigitalpolitiknotwendig
bleibt.
EinDrittelderindiesemTechnology Outlookbeschriebe-
nenTechnologienentstammendemForschungsfeldDigi-
tale Welt. Diesen Technologien kommt im öffentlichen
DiskursvielAufmerksamkeitzu.DerTechnology Outlook
machtaberdeutlich,dassauchdiewenigerdiskutierten
Technologien aus den Forschungsfeldern Energie und
Umwelt, Fertigungsprozesse und Materialien sowie Life
Sciences von zentraler Bedeutung für eine nachhaltige
underfolgreicheEntwicklungderIndustriesind.
Vier Forschungsfelder
«Stars» «Selbst- läufer»
«Nische» «Hoffnungs-träger»
Summe
Digitale Welt 5 1 2 8 16
Energie und Umwelt 2 1 1 6 10
Fertigungsprozesse und Materialien
0 2 0 5 7
Life Sciences 1 0 2 7 10
Summe 8 4 5 26 43
Tabelle 1: AnzahlTechnologiennachForschungsfeldundQuadrant
18
Zuden31bereits imTechnology Outlook 2019 themati-
sierten Technologien kommen zwölf neue hinzu. Diese
insgesamt43Technologiensind inderAbbildung5 (auf
denSeiten14und15)kartiert.ZusätzlichwerdenauchDi-
gital Trust und Datensouveränität beschrieben. Auf eine
ErhebungderParameterwurdeverzichtet,weilbeideThe-
meneherAnwendungsmodalitätenals eine spezifische
Technologie beschreiben. Die erstmalig im Technology
OutlookbeschriebenenTechnologiensindimKlappentext
hintengrauhinterlegt. Es sind dies: 5G-Anwendungen,
alternativeAntriebssystemefürFahrzeuge,antimikrobiel-
leMaterialien,InternetofThings,künstlichePhotosynthe-
se,medizinischeWearables,MikrobiotaundMikrobiome,
mobileRoboter,Quantencomputer,dieneuartigeInternet-
architektur SCION, Recycling von seltenen Erden und
wärmeleitendeelektrischeIsolatoren.
DerGrossteilderneuhinzugekommenenTechnologienist
im Quadranten der «Hoffnungsträger» oder knapp im
Quadrantender«Nischen»positioniert.Ausnahmensind
die alternativen Antriebssysteme für Fahrzeuge, die als
«Selbstläufer»eingestuftsind,aberbeigenauerBetrach-
tungeineetwasbreitergefassteAktualisierungdesBei-
tragsE-MobilitätdesTechnology Outlooks 2019darstel-
len8,wieauchder«Star»InternetofThings,derdenBeitrag
«SmartHome»9derletztenAusgabeersetzt.ImGegen-
satzzuSmartHomesindInternet-of-Things-Anwendungen
auchfürdieIndustrievonBedeutung,wasdiehohevolks-
wirtschaftlicheBedeutungerklärt.DerbreiteAufbaueiner
5G-Infrastrukturmacht5GzueinerEnabling-Technologie
mitpotenziellsehrbreitemAnwendungsspektrum.Deshalb
und aufgrund der breiten, öffentlich geführten Debatte
zu5Gwurden5G-Anwendungen indieseAusgabedes
Technology Outlooks aufgenommen,auchwenndieGrund-
technologiedemReifegraddesTechnology Outlooksbe-
reitsentwachsenist.
Neue Technologien in dieser Ausgabe
8 Vgl.Technology Outlook 2019,Seite409 Vgl.Technology Outlook 2019,Seite45
19
Fürdie31Technologien,diesowohlinderletztenalsauch
indieserAusgabebeschriebensind,bietetsichan,die
Positionender2019-AusgabemitderPositioninderge-
genwärtigen Ausgabe zu vergleichen. Ein besonderes
Wie haben sich die Technologien seit der letzten Ausgabe entwickelt?
Augenmerk verdienen jene Veränderungen, die durch
dieEinschätzungvonExpertinnenundExpertengestützt
werden.DienachfolgendeGrafikzeigteineAuswahldavon
auf.
Abbildung 6: Vergleich der Jahre 2019 und 2021 für die SchweizAbgebildetisteineAuswahlderTechnologien,beidenensichdieForschungskompetenzund/oderdievolkswirtschaftlicheBedeutunggegenüberder2019-Ausgabesignifikantveränderthaben.DerStartpunktderPfeile(miteinemPunktdargestellt)beziehtsichaufdiePositionimJahr2019unddasIconamEndeaufdiePositionimJahr2021.
VolkswirtschaftlicheBedeutungfürdieSchweiz
Fors
chun
gsko
mpe
tenz
ind
erS
chw
eiz
0.0
5.0
10.0
0.0 5.0 10.0
Technologische Nische
Technologischer Hoffnungsträger
Technologischer Star
Technologischer Selbstläufer
20
PositiveEntwicklungensindfürmaschinellesLernen,pho-
tonische Fertigung und Point-of-Care-Diagnostik zu be-
obachten.DerUmsatzmitAnwendungen,diemaschinel-
lesLernennutzen,konnteindenbeidenJahrenzwischen
demTechnology Outlook 2019und2021verdoppeltwer-
den,wasdazuführte,dassdieTechnologiedenSprung
vonden«Nischen»zuden«Stars»schaffte.Interessanter-
weisewiderspiegelt sichdiese Entwicklung auch in den
Social-Media-Posts der offiziellen Hochschulkanäle: So-
wohlinderSchweizalsauchimDurchschnittdersieben
europäischenVergleichsländernahmdierelativeHäufig-
keitder Posts zumThemamaschinelles Lernenmarkant
zu. Die Umsätze mit Anwendungen der photonischen
FertigunghabensichindenletztenbeidenJahreneben-
fallsverdoppelt.SomitwurdediephotonischeFertigung
nunals«Selbstläufer»anderGrenzezuden«Stars»ein-
gestuft.EinepositiveEntwicklungaufdervolkswirtschaft-
lichenAchseistauchfürQuantenkryptografiefestzustellen,
dennesgibtunterdessenerste,auchfürQuantencompu-
ternurschwerknackbareVerschlüsselungsprodukteund
das Marktpotenzial wird entsprechend höher einge-
schätztalsnochvorzweiJahren.Ebenfallspositivhatsich
die Point-of-Care-Diagnostik entwickelt: Nicht nur die
Forschungskompetenz,sondernauchdievolkswirtschaft-
licheBedeutunghatzugenommen,sodassdieseTechno-
logienunzuden«Stars»gerechnetwird.DadieDatener-
hebungnurbiszumJahr2019geht,istdieseEntwicklung
unabhängigvonderCorona-Pandemie.
EherunerwartetsinddieEntwicklungenbeidenMobili-
tätskonzepten,SmartGridsundbeiAugmentedReality.
Die imVergleich zur2019-Ausgabe tiefer eingeschätzte
volkswirtschaftlicheBedeutungderMobilitätskonzepteist
auf einen Umsatzrückgang zurückzuführen, verursacht
durchdasScheiternvonzahlreichen InitiativenundPro-
jekten in diesemBereich.Dieses zeigt sich ebenfalls in
einer Abnahme der Anzahl Social-Media-Posts der
Schweizer Hochschulen. Smart Grids werden vermehrt
vonplanbarenEnergiezellenabgelöst,wassiezueinem
sinkendenSternmacht.ImFallvonAugmentedRealityist
die Entwicklung weniger eindeutig. Da die Anzahl der
ForschungsgruppeninunseremModelleinzentralerFak-
torbeiderErmittlungderForschungskompetenzdarstellt,
wirktsicheineAbnahmeanForschungsgruppen,wiesie
in den vergangenen beiden Jahren bei der Technologie
Augmented Reality stattgefunden hat, negativ auf den
WertderForschungskompetenzaus.Diehohe Intensi-
tät,mitderAugmentedRealityaufdenSocial-Media-Ka-
nälenderHochschulendiskutiertwird,deutetallerdings
daraufhin, dassdie Technologie keineswegs anBedeu-
tungverlorenhat.
EinegegenläufigeEntwicklung von Forschungsintensität
und Marktentwicklung zeichnet sich für Bioplastik ab.
Zwarwurdendie Forschungsanstrengungen intensiviert,
dochstagniertedietatsächlicheMengeanverwendetem
Bioplastik in absoluten Zahlen, sodass bei steigendem
Plastikverbrauch der Anteil von Bioplastik am gesamten
Plastikvolumenrückläufigist.Dieslässtsichalseindeutli-
chesZeichenfüreinrückläufigesMarktpotenzialbegrei-
fen,weshalbdievolkswirtschaftlicheBedeutungvonBio-
plastik trotz gesteigerter Forschungskompetenz massiv
tiefereingeschätztwurdealsnochvorzweiJahren.
UmgekehrtgibtesauchTechnologien,derenPositionen
sichverschobenhaben,ohnedassnachAnsichtderExper-
tinnenundExperteneineEntwicklungimMarktoderin
der Forschungskompetenz feststellbar ist. In einigen
Fällenistdiesdaraufzurückzuführen,dassdieTechno-
logieundihreBeschreibungbreiter,respektiveengerge-
fasstwurden.DieswirktsichdirektaufdieAnzahlder
relevanten Forschungsgruppen und die Umsatzschät-
zungaus:ConnectedMachineswurdenbreiterundde-
zentraleEnergiesystemeengergefasst.InanderenFällen
liegtderGrundfürdiePositionsveränderungvonEinzel-
technologieninderNeueinschätzungenderParameter
durchneueExpertinnenundExperten.DiesistderFallbei
Geothermie,beimdigitalenZwillingundbeiderMassen-
kultivierungvonStammzellen.DennochsinddieParame-
terschätzungenüberdieTechnologienhinwegkonsistent.
21
DiedreiTechnologienmitderhöchstenvolkswirtschaftli-
chenBedeutungfürdieSchweizsind:InternetofThings,
ConnectedMachinesundAnalysevonBigData.Alledrei
Technologien sind Produkte der Digitalisierung, welche
dieDigitalisierungderIndustrieweitervorantreibenwer-
den.Ferneristdiesengemein,dasssieindenletztenJah-
ren auch für KMU immer erschwinglicher wurden. Von
zentraler Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der
SchweizsindRahmenbedingungen,dieesKMUerlauben,
solche Technologien vermehrt zu nutzen, um Qualität
oderEffizienzzusteigern.
DievierTechnologienmitderhöchstenForschungskompe-
tenzinderSchweizsind:maschinellesLernen,Point-of-
Care-DiagnostiksowiepunktgleichaufdemdrittenRang
5G-Anwendungen und Photovoltaik. Gelingt es, diese
Kompetenzen noch besser in Geschäftsmodelle umzu-
wandeln,könntenzahlreicheArbeitsplätzeinunterschiedli-
chenBranchengeschaffenwerden.
Seitder2019-AusgabestiegdievolkswirtschaftlicheBedeu-
tungamdeutlichstenbeidendreiTechnologienmaschinelles
Lernen,photonischeFertigungundPoint-of-Care-Diagnos-
tik.BeiallendreiTechnologienkonntendiehiesigenFor-
schungskompetenzen genutzt werden. Allenfalls lohnt
sicheinevertiefendeAnalyse,wieundwarumesbeidiesen
Technologiengelungenist,Forschungskompetenzinvolks-
wirtschaftlicheBedeutungzuübersetzen.
Den stärksten Zuwachs an Forschungskompetenz kön-
nen die drei Technologien Point-of-Care-Diagnostik,
photonischeFertigungund3D-Biodruckverzeichnen.
Die Zunahme bei der Forschungskompetenz gilt es in
denkommendenJahrenauchfürdieIndustrienutzbarzu
machen.
DamitistmaschinellesLernennichtnurAufsteigerdesJah-
res,sondernauchüberallesgesehendiehöchstbewertete
TechnologieindieserAusgabe.
Zusammenfassung
Methodik
22
23
Im FolgendenwirddiedemTechnology Outlook 2021 zugrundeliegendeMethodikbeschrieben.Als Ersteswird
dargelegt,wiedieAuswahl an Technologien zustandekam. ImAnschlusswirddasVorgehenbei der Social-Media-
Analysebeschriebenunderklärt,welcheDatendemKapitel«BedeutungderTechnologienfürdieSchweiz»(abSeite14)
zugrundeliegen.
FürdieAuswahlderTechnologienistderwissenschaftli-
cheBeiratderSATWverantwortlich.InZusammenarbeit
mitdenLeiterinnenundLeiternderThemenplattformen
entstandeineprovisorischeTechnologieliste.DerReife-
gradderTechnologienaufdieserListeundderenBedeu-
tung fürdieSchweizwurdenvonExpertinnenundEx-
pertenbewertet.SchliesslichwurdennurTechnologien
mit einem Technology Readiness Level (TRL) von 4–7
undhoherRelevanzfürdieSchweizaufdiefinaleTech-
nologielistegesetzt.DerTechnologyReadinessLevelist
einModellzurBeschreibungdestechnologischenReife-
grads.
Auswahl der Technologien
TRL Umschreibung
1 BeobachtungundBeschreibungdesFunktionsprinzips
2 BeschreibungvonAnwendungeneinerTechnologie
3 NachweisderFunktionstüchtigkeiteinerTechnologie
4 Laborversuche
5 Feldversuche:EinsatzinderechtenUmgebung
6 PrototypinderEinsatzumgebung
7 PrototypimEinsatz
8 Qualifiziertes,einsatzbereitesSystem
9 Marktdurchdringung,Technologiehatsichbewährt
Tabelle 2: TechnologyReadinessLevelgemässeuropäischemForschungsprogrammHorizon2020.
24
DieSATWnutztdiesemantischeSuchmaschinederSchwei-
zerFirmaLinkAlong (https://linkalong.com),welcheSoci-
al-Media-KanälewieTwitter,FacebookundInstagramso-
wie darin referenzierte Webseiten als Datenbasis nutzt.
MithilfedieserSuchmaschinewurdenallePostsvonoffizi-
ellenSocial-Media-KanälenderHochschulenausdenLän-
dern Schweiz, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien,
Italien,Niederlande,ÖsterreichundSchwedenmitBezug
auf die einzelnen im Technology Outlook beschriebenen
Technologienzusammengetragenundausgewertet.Dazu
wurdefürjedederbeschriebenenTechnologieneineListe
mitSuchbegriffenangelegt,diediejeweiligeTechnologie
eindeutigbenennen. Indiese Listen sinddie Landesspra-
chenderuntersuchtenLänderundunterschiedlicheNamen
füreinunddieselbeTechnologieebensoeingeflossenwie
dieverschiedenen,möglichenSchreibweisen.Sokannbe-
stimmtwerden,wiehäufigdieverschiedenenTechnologi-
enaufdenoffiziellenSocialMediadereuropäischenHoch-
schulenerwähntwerden.DasichdieSocial-Media-Aktivität
derHochschulen indenverschiedenenLändernstarkun-
terscheidet,wurdefürjedeTechnologiejeLanddierelative
Häufigkeitbestimmt.DieGesamtzahlallerPostsmitBezug
aufdieimTechnology Outlook2021präsentiertenTechno-
logienwurdeals100Prozent festgesetzt, sodasssichfür
jedeTechnologieeinprozentualerAnteilswert,dierelative
Häufigkeit,berechnenlässt.
FürdieZeitreihen (Abbildungen1und2aufderSeite8)
wurdennichtnurdiePostsdesJahres2020ausgewertet,
sondern auch jene aus den Jahren 2018 und 2019. Dies
erlaubt,zuverfolgen,wiesichdas Interesseaneinerbe-
stimmtenTechnologieüberdieJahreveränderthat.
ZurBestimmungdeseuropäischenMittelswurdendierela-
tivenHäufigkeitenüberdiesiebenLändergemittelt(Abbil-
dung 1). Entsprechend stellt das europäische Mittel den
Durchschnitt der sieben Anteilswerte dar. Diese Berech-
nungsmethodehatdenVorteil,dassdieAnteilswertealler
Vergleichsländer gleich stark gewichtet sind. Denn die
HochschulenDeutschlandsundGrossbritannienssindauf
denSocial-Media-Kanälendeutlichaktiveralsbeispielswei-
sejeneinÖsterreichundSchweden.
DiefünfhäufigstenTechnologienjeLandwurdensodann
ineinKreisdiagrammjeLandüberführt,umdarauseinLän-
derprofilzuerstellen(Abbildung4aufdenSeiten12und
13).DieseAnteilswertelassensichüberdieverschiedenen
Ländervergleichen.
Social-Media-Analyse
25
Zur Ermittlung der Bedeutung der Technologien für die
SchweizundzurKonstruktionvonAbbildung5(aufden
Seiten14und15)wurdenfürjedeTechnologiedesTech-
nology OutlooksachtParameterabgeschätzt.Vierdienen
zurBestimmungdervolkswirtschaftlichenBedeutungund
vier zur Bestimmung der Forschungskompetenz in der
Schweiz.DieachtParametersind:weltweiterUmsatzvon
in der Schweiz ansässigen Firmen mit Produkten und
Dienstleistungen im Jahr 2019, Marktpotenzial in den
nächstenfünfJahren,rechtlich-regulatorischeRahmenbe-
dingungen in der Schweiz, Akzeptanz in der Schweizer
Gesellschaft,AnzahlrelevanterakademischerForschungs-
gruppeninderSchweiz,Kompetenzdieserakademischen
Forschungsgruppen im internationalen Vergleich ausge-
drücktmitdemdurchschnittlichenh-Index10,Anzahlder
Firmen in der Schweiz mit F&E-Aktivitäten zum Thema
und deren Kompetenz im internationalen Umfeld. Die
WertebereichewurdenineinPunktesystemüberführt.
Bedeutung der Technologien für die Schweiz
Umsatz2019(U),basierendaufSchätzungenvonExpertinnenundExperten,Branchen-undGeschäftsberichten,
statistischenDatenbankenundInternetrecherchen:
MarktpotenzialindennächstenfünfJahren(M),basierendaufEinschätzungvonExpertinnenundExperten:
Rechtlich-regulatorischeRahmenbedingungeninderSchweiz(RR),basierendaufEinschätzungenvonExpertinnen
undExperten:
AkzeptanzinderSchweizerGesellschaft(RG),EinschätzungenvonExpertinnenundExperten:
Wert (inMio.CHF) <10 10–99 100–499 500–999 ≥1‘000
Punkte 1 2 3 4 5
Wert klein mittel gross sehrgross
Punkte 0.4 0.8 1.2 1.6
Wert ungünstig neutral optimal
Punkte 0.8 1 1.2
Wert hemmend neutral fördernd
Punkte 0.9 1 1.1
10Derh-IndexbasiertaufdenAngabenvonResearchGate.DieWertewurdenmitjenenvonGoogleScholarverglichenunddadurchplausibilisiert.
26
AnzahlrelevanterakademischerForschungsgruppeninderSchweiz(FA),basierendaufAngabenvonExpertinnenund
ExpertensowieeigenenInternetrecherchen:
AnzahlFirmeninderSchweizmitF&EzumThema(FI),basierendaufAngabenvonExpertinnenundExperten,
Branchen-undGeschäftsberichtensowieInternetrecherche:
KompetenzdieserFirmeniminternationalenUmfeld(KI),basierendaufEinschätzungvonExpertinnenundExperten:
KompetenzderakademischenForschungsgruppen(KF),basierendaufdemdurchschnittlichenh-Indexder
ForschungsgruppeninderSchweiz,dieaufdementsprechendenGebietaktivsind:
Wert <10 10–19 20–39 40–49 ≥50
Punkte 1 2 3 4 5
Wert <10 10–29 30–69 70–99 ≥100
Punkte 1 2 3 4 5
Wert gering mittel hoch
Punkte 0.8 1 1.2
Wert <20 20–34 ≥35
Punkte 0.8 1 1.2
27
DieermitteltenWertewurdenmittelsfolgenderFormelin
einePositionaufderhorizontalenAchse(volkswirtschaft-
licheBedeutung)überführt:
U * (M + RR + RG)
Die Gewichtung der Grössen in der Formel ist unter-
schiedlich. Der auf soliden Zahlen basierende Umsatz
wurdealsdiewichtigsteGrösse festgelegt,dieanderen
drei Werte modulieren den Umsatz. Der Einfluss des
MarktpotenzialsaufdieEntwicklungdesUmsatzeswurde
alsgrössereingeschätztalsderjenigederrechtlichregula-
torischenRahmenbedingungenunddergesellschaftlichen
Akzeptanz.DieseGewichtung liegtdemPunktesystem
zugrundeundbestimmtdamitdieÜberführungderWerte.
Die Position einer Technologie auf der vertikalen Achse
(ForschungskompetenzinderSchweiz)ergibtsichausder
folgendenFormel:
FA * KA + FI * KI
DieAngabenzuderAnzahlakademischerundindustrieller
Forschungsgruppen wurden als die beiden bestimmen-
denGrössenfestgelegt,derenKompetenzjeweilsalsMo-
dulatoren,wassich inderÜberführungderWerteberei-
cheindasPunktesystemwiderspiegelt.
DarausergebensichWertevon2.1bis19.5fürdiehorizon-
taleundWertevon1.6bis12fürdievertikaleAchse.Zur
VereinfachungderDarstellungwurdendieWertelinearso
transformiert, dass derminimalmöglicheWert für beide
Achsen0.0,dermaximalmöglicheWert10.0ist.
Überführung der Werte in die Quadrantendarstellung
Technologien und Anwendungsgebiete
28
29
Digitale Welt 30 5G-Anwendungen 31
AnalysevonBigData 32
AugmentedReality 33
Blockchain 34
ConnectedMachines 36
DigitalerZwilling 37
Drohnen 38
HochautomatisierteFahrzeuge 39
InternetofThings 40
KollaborativeRobotik 41
MaschinellesLernen 42
MobileRoboter 43
NeuartigeInternetarchitekturSCION 44
OpticalSpaceCommunication 45
Quantencomputing 46
Quantenkryptografie 47
Energie und Umwelt 48 AlternativeAntriebssystemefürFahrzeuge 49
DezentraleEnergiesysteme 50
Geothermie 51
KünstlichePhotosynthese 52
Mobilitätskonzepte 53
NachhaltigeLebensmittelproduktion 54
Photovoltaik 55
RecyclingvonseltenenErden 56
SmartGrids 57
ZukünftigeEnergiespeicherung 58
Fertigungsprozesse und Materialien 60 AdditiveFertigung–Materialentwicklung 61
AdditiveFertigung–Verfahren 62
AntimikrobielleMaterialien 63
Bioplastik 64
FunktionaleFasern 65
PhotonischeFertigung 66
WärmeleitendeelektrischeIsolatoren 67
Life Sciences 68 3D-Biodruck 69
AlternativeProteinquellen 70
BiokatalyseundBiosynthese 71
MassenkultivierungvonStammzellen 72
MedizinischeWearables 73
Medizinroboter 74
MikrobiotaundMikrobiome 75
PersonalisierteErnährung 76
Point-of-Care-Diagnostik 78
SynthetischeBiologie 79
Technik und Gesellschaft 80 Datensouveränität 81
DigitalTrust 82
Digitale Welt
30
31
So sieht es heute aus5G-NetzewerdeninderSchweizseitAnfang2019aufge-
baut. Ein wesentlicher Treiber ist der wachsende mobile
Datenverkehr. Dadurch stossen die bestehenden Mobil-
funknetze an ihre Kapazitätsgrenzen. Dazu tragen auch
Umweltauflagenbei,welcheKapazitätundLeistungsfähig-
keit limitieren,sodasseffizientereTechnologieneingesetzt
werdenmüssen,umdaswachsendeDatenvolumenbewäl-
tigenzukönnen.5GisteineklassischeEnabling-Technolo-
gie,welchedie infrastrukturelleGrundlage füreinebreite
PalettevonAnwendungendarstellt.AlsPlattfromkannsie
spezifischen Kundenbedürfnissen angepasst werden. Sie
erlaubtz.B.neueAnwendungenzurdrahtlosenSteuerung
undzurÜberwachungvonProduktionsprozessen,zurVer-
netzungvonSensorenundzumAustauschvonDaten.Bei
kritischen Infrastrukturen,etwa imEnergiebereichoder in
der Mobilität, die zunehmend über Mobilfunk gesteuert
werdenkönnen,bietet5GdenVorteil,dasssolcheSysteme
in eigenen vom restlichen Mobilfunknetz abgeschotteten
Anwendungenbetriebenwerdenkönnen,wasderenSi-
cherheitdeutlicherhöht.ZudemkönnenNetzkapazitäten
reserviertwerden–wassiebesondersfürdenEinsatzbei
BlaulichtorganisationenundbeikritischenUnternehmens-
prozessenauszeichnet.DieLatenzzeitistvieltieferalsbei
früherenStandards,sodassProzesseundMaschinenna-
hezuinEchtzeitgesteuertwerdenkönnen.Dietechnische
GrundlagenforschungbeschäftigtsichmitneuenÜbertra-
gungsfrequenzen und entsprechenden Antennentech-
nologien.FokusderangewandtenForschungistdieInte-
grationder neuen Technologie inbestehendeoder neu
geschaffene betriebswirtschaftliche und informations-
technischeProzesse.
Internationale Vorreiter sind Südkorea und China. In der
Schweizsind5G-NetzeseitApril2019inBetrieb. ImJuni
2020habenzudem14EU-StaatensowieNorwegenkom-
merzielle5G-NetzeinBetriebgenommen.NebendenUSA
undSüdkoreagehörtdieSchweizzudenweltweitersten
Ländern, in denen kommerzielle 5G-Dienste angeboten
werden.InderSchweizgibtesbereitseineReihevonPilot-
projekten, beispielsweise in der Landwirtschaft (Smart
Farming), der Maschinenindustrie (Industrie 4.0), bei der
Breitbandversorgung und in der Steuerung von Zügen
(Smart-Rail 4.0)oderimTourismus.InBezugaufNetzaus-
baugehörtdieSchweizmitzurWeltspitze.Allerdingsste-
hen restriktive Strahlenschutzvorschriften sowieVerzöge-
rungen und Blockaden bei den Bewilligungsverfahren in
Gemeinden und Kantonen dem flächendeckenden und
leistungsfähigenVollausbauentgegenundmachenihnim
internationalenVergleichsehrteuer.
Ein Blick in die ZukunftDigitalisierungundMobilfunkstehenganzobenaufder
europäischen Agenda und werden als eine notwendige
Voraussetzung für Innovations- und Wettbewerbsfähig-
keitgesehen.DieEUhatsichzumZielgesetzt,bisEnde
2025alleurbanenGebieteundVerkehrswegedurchgän-
gigmit5G-Empfangzuversorgen.
Anwenderunternehmenversprechensichvon5GWachs-
tumspotentiale durch die Digitalisierung von Prozessen
undGeschäftsmodellen.InderIndustriez.B.könnenzu-
sätzlicheProzesseautomatisiertwerden,wodurchProduk-
tionszeitenverkürztundAusfällereduziertwerdensollen.
Ferner können Produktionsabläufe vermehrt just-in-time
erfolgenundProduktestärkerindividualisiertwerden.Eine
StudiederASUTkommtzumSchluss,dass5G-Technologi-
enbis2030einenzusätzlichenProduktionswertvonüber
40MilliardenFrankengenerieren,wobeirund88Prozentin
denAnwenderbranchenanfällt.GutepolitischeRahmen-
bedingungenfür5GsindeineVoraussetzung,umdiewei-
tereDigitalisierungzubefördern.
5G – also die fünfte Generation des Mobilfunks – ist eine Plattform, die an ganz unterschiedliche Kunden-bedürfnisse angepasst werden kann. Im Vergleich mit den bisherigen Standards erlaubt 5G, mehr mobile Daten rascher und sicherer zu übertragen, und er ist in Bezug auf Reaktionszeiten und Anzahl gleichzeitiger Verbindungen deutlich leistungsfähiger. Die Übermittlung der gleichen Datenmenge verursacht also weniger Strahlung und einen geringeren Energieverbrauch als frühere Generationen. Neu ist zudem, dass bei 5G in der Regel adaptive Antennen eingesetzt werden. Diese strahlen nicht kontinuierlich in alle Richtungen, sondern nur dorthin, wo das Signal genutzt wird, also nur zu jenen Geräten, die Daten versenden oder empfangen.
5G-Anwendungen
Gregor Dürrenberger (FSM–ForschungsstiftungStromundMobilfunk)
undChristian Grasser(ASUT)
32
So sieht es heute ausBigDataundKIsindheutenochengermiteinanderverbun-
denundsynergetischergeworden.DasglobaleWachstum
wirdvonDatenundKI-Dienstenangetrieben,dieüberdie
Cloudbereitgestelltwerden.DieZukunftwirddurchauto-
matisierte,KI-gesteuerteAnalysengeprägt,diekontinu-
ierlich praktisch umsetzbare Erkenntnisse liefern. KMU
könnenaufeineReihevonDienstenzugreifen,dievon
Cloud-Anbietern bereitgestellt werden und die Einfüh-
rung,dieAnpassungunddenEinsatzvonKI-Technologien
zurBig-Data-Analysevereinfachen.Damitwerdenfrühere
Hindernisse bei der Rekrutierung oder internen Entwick-
lungvonFachkräftenundbeiInvestitionenindieInfra-
strukturabgebaut.InBezugaufdieaktuellenHerausfor-
derungen haben Data Governance und Sicherheit auch
weiterhin Priorität und werden zu wichtigen Entschei-
dungskriterienfürUnternehmen,diekommerzielleLösun-
genfürdieBig-Data-Analyseeinführenmöchten.Darüber
hinausfordernKundinnenundKundenFlexibilität inBe-
zugaufCloud-Umgebungenundbemühensich,eineBin-
dunganeinenbestimmtenAnbieterzuvermeiden.Strate-
gien, die auf einer offenen Infrastruktur aufbauen,
werdenalsoimmerhäufiger.
FürdieSchweizgeltendieErgebnisseausdemTechnology
Outlook 2019bisheute.DiegrössteBrancheinBezugauf
dieMarktchancefürBigDataistdasBankwesen,welches
dazubeigetragenhat,dieEinführungvonTechnologienfür
dieBig-Data-Analyse zubeschleunigen.Dabei ist erwäh-
nenswert,dassausgewählteGrossunternehmenindenBe-
reichen Einzelhandel, Telekommunikation und Transport
eineBig-Data-StrategiefürpersonalisierteDienstleistungen
undKundenprofilierungeneingeführtundweiterentwickelt
haben.AktuellgibteskaumHinweiseaufeineweitverbrei-
teteNutzungvonBigDatainKMU.
Ein Blick in die ZukunftDieKombinationvonBigDataundKIwirdeineSchlüssel-
rolle für Initiativen zur digitalen Transformation spielen.
EinwichtigerTrend istdieerwarteteKonvergenzvonKI
undEdge-Computing.LauteinerGartner-Studiewerden
also immer mehr Datenanalysen am Ort der Erfassung
durchgeführt–50ProzentimJahr2023gegenüber5Pro-
zentimJahr2019.DementsprechendwirddieFähigkeit,
DatendurchEdge-Computingzuverarbeiten,fürdieEnt-
scheidungsfindunginEchtzeit,dieEinhaltungvonDaten-
schutzrichtlinien und die Skalierbarkeit von Infrastruktur
unabdingbar.EinanhaltenderTrendsinddiewachsenden
Investitionen in öffentliche Cloud-Dienste zur Erhöhung
der Flexibilität. Dieselbe Studie prognostiziert, dass 75
Prozent aller Datenbanken bis 2023 auf Cloud-Plattfor-
mengehostetseinwerden,wassichdirektaufAnbieter
vonDatenbankverwaltungssystemenauswirkenwird. Im
AllgemeinenwerdenCloud-Umgebungensehrheterogen
sein und Unternehmen werden sich wahrscheinlich auf
eine Mischung aus lokalen privaten Clouds, mehreren
öffentlichen Clouds und älteren Plattformen verlassen
müssen. Diese hybride Multicloud-Umgebung wird die
EinführungvonContaineranwendungenvorantreiben,die
aufjederPlattformausgeführtwerdenkönnen.DieErfas-
sung von Echtzeitdaten in Kombination mit Streaming-
AnalysenwirdfürdieEntwicklungvonAnwendungen,die
in Echtzeit erfassen, analysierenundhandeln,weiterhin
an Bedeutung gewinnen. Ein grosses Hindernis bei der
Einführung vonBig-Data-Lösungen sind für vieleUnter-
nehmengeeigneteGovernance-undSicherheitsmecha-
nismen.MöglichkeitenzurÜberwachungundDemons-
tration der digitalen Vertrauenswürdigkeit werden zu
wichtigenWirtschaftsgütern.Datensicherheitbleibteine
Priorität.UnternehmenmüssensichalsoimZugeihrer
digitalen Transformation auf robuste Sicherheits- und
Datenschutzpraktikenkonzentrieren.
Die Analyse von Big Data umfasst die Methoden und Technologien, die angewendet werden, um aus grossen vielfältigen Datenmengen praktisch umsetzbare Erkenntnisse abzuleiten. Fortschritte sowohl in der Kommunikations- und Datenverarbeitungsinfrastruktur als auch in der künstlichen Intelligenz (KI) erleichtern die Gewinnung weiterer geschäftlicher und technologischer Erkenntnisse aus Big Data. Bestimmte Sektoren wie Banken, Versicherungen, Pharma und verarbeitendes Gewerbe profitieren von dieser Entwicklung.
Analyse von Big Data
Alessandro Curioni undPatrick Ruch (IBMResearch–Zurich)
33
InderSchweiz sehen sichKMUbeiderEinführungneuer
TechnologienmöglicherweisemitQualifikationslückenund
beschränkten Ressourcen konfrontiert. Hier besteht eine
ChancefürneueDatenverwaltungstechnologien,diemanu-
elleundlangwierigeAufgabenindenBereichenDatenma-
nagement,DataGovernanceundDatenverwaltungautoma-
tisieren.EswerdenhybrideCloud-Management-Plattformen
entwickelt, umdie EntwicklungundBereitstellung von
Big-Data-Anwendungen inUmgebungen zu vereinfachen,
indenenprivateOn-Premise-Datenverarbeitungsressourcen
mitRessourcenauseineröffentlichenCloudkombiniertwer-
den,wodurchUnternehmen jederGrössepraktischunbe-
grenzte Datenverarbeitungsressourcen zur Verfügung
stehen.DieseBig-Data-«Zutaten»ermöglichendieIdentifi-
zierungallerwertvollenDatenquelleninnerhalbeinesUnter-
nehmens,umschnellgeschäftlicheundtechnologische
Erkenntnissezugewinnen.DieInvestitionenwerdensich
weiterinRichtungIntegrationsplattformenverlagern.
So sieht es heute ausIn den letzten Jahren war auf dem Gebiet der Hard-
ware-Entwicklung ein deutlicher Fortschritt zu spüren.
DiesbetrifftinsbesonderedieErweiterungdesSichtfelds
bei MR-Brillen wie der HoloLens II von Microsoft. Neue
Geräte erlauben eine deutlich verbesserte Gestenerken-
nung,waszueineroptimiertenInteraktionmitdenvirtu-
ellen,eingeblendetenObjektenführt.Zudemwurdedie
Technologie zurPositionserfassung,welche fürAR-An-
wendungenzwingenderforderlichist,deutlichverbessert
und miniaturisiert. Ein Beispiel ist die halbleiterbasierte,
mitdemRadarverwandteLiDAR-Technik,diebereits im
Apple iPad Pro 2020 kommerziell verfügbar ist.Mit zu-
nehmenderDarstellungsqualitätentstehenbeider Inter-
aktionmitvirtuellenObjektenneueHerausforderungen.
SomöchtemandiesedankverbesserterGestenerken-
nungoderautomatischerPositionserfassungimVergleich
zuheutenatürlicherunderlebbarermachen.
InderSchweizhabensichindenletztenJahrensehrviele
Firmenetabliert,welchedieErzeugungvonvirtuellenIn-
halten,derenDarstellungsowieAspekteder Interaktion
bearbeitenundhierzuProdukteanbieten.Zudemsetzen
immermehrindustrielleAnwenderaufVR-undMR-Tech-
nologien, beispielsweise für Unterhalt oder Ausbildung
undSchulung.DerEinsatzdieserneuenTechnologienbei
SchweizerKMUstelltallerdingseineHerausforderungfür
dieEntwicklerinnenundEntwicklerdar,dasichdieInvesti-
tionschonnachkurzerZeit lohnenmuss. Inden letzten
Jahrenistderanfängliche«Hype»einergesundenErnüch-
terunggewichen.Manhaterkannt,wasdieneuenTech-
nologienzuleistenvermögenundwiemandiesezielfüh-
rend einsetzen kann. Dies hat zu einer gewissen
KonsolidierunginderenAnwendunggeführt.
Unter dem Begriff Augmented Reality (AR) – oder besser Mixed Reality (MR) – versteht man die visuelle Überlagerung von realen Objekten mit computergenerierten (virtuellen) Informationen. Hinzu kommen vermehrt Anwendungen von Virtual Reality (VR), also das komplette Eintauchen in eine computergenerierte Welt. Typische Anwendungen dieser verschiedenen Technologien finden sich in Ausbildung und Lehre, in der Produktentwicklung und Produktion sowie in der Medizin. In der Schweiz setzen viele Unternehmen AR bereits erfolgreich ein.
Augmented Reality
Andreas Kunz (ETHZürich)
34
Ein Blick in die ZukunftDie derzeit verfügbaren MR-Geräte sind für eine weite
Verbreitungnochzuteuer.Esistzuerwarten,dassesin
dennächstenJahrenbeisteigendertechnischerLeistung
zu einemdeutlichen Preisabfall kommenwird.MRwird
zunehmendinderAnwenderschulunganrealenObjekten
(Fahrzeuge,Maschinen) sowie für Instandhaltungund
Serviceeingesetztwerden.
SchweizerFirmensindinternationalgutaufgestelltund
könnendankverkürzterEntwicklungs-undProduktions-
zeiten künftig einen Technologievorsprung vorweisen.
Neben der Dienstleistung oder dem Produkt wird sich
derdigitaleZusatznutzenzumeigenständigenMerkmal
und potentiellem Marktvorteil entwickeln. Damit die
SchweizerFirmenihrejeweiligeSpitzenpositionbewah-
renkönnen,brauchtesinnerhalbderUnternehmeneine
genaue Problembeschreibung, sodass die Technologie
konsequent ausgewählt und eingesetzt werden kann.
UnternehmensolltensichimdirektenGesprächmitFor-
schungsinstitutionenaustauschen,mitHochschulenge-
meinsamBachelor-undMasterarbeitenanbietenundFor-
schungskooperationen anstreben, um frühzeitig über
neueTechnologienundMöglichkeiteninformiertzusein.
So sieht es heute ausAlsneuerErfolgsfaktorfürBlockchainhatsichindenver-
gangenenJahrendieStandardisierungherauskristallisiert.
SoexistiertderzeiteinWettbewerbzwischenunterschied-
lichenBlockchainswieEthereumoderHyperledgerundes
sindeineReiheProtokolleentstanden,dieteilweisenicht
interoperabelsind.DeshalbarbeitetetwadasWorld Wide
Web Consortium (W3C) an geeigneten Standards und
Regeln,dieauchdieländerübergreifendeNutzungbetref-
fen.EineweitereFrageist,wiediePrivatsphärederNutze-
rinnenundNutzergeschütztwerdenkann,wennPseudo-
nymedurchDatenverknüpfungendeanonymisiertwerden
können. Weitere zentrale, bislang allerdings ungelöste
ProblemesindderProof-of-Work-Mechanismussowieder
hoheEnergieverbrauch.AlternativeKonsensusmechanis-
menzurValidierungvonTransaktionenwieetwaProof-
of-Stake befinden sich noch immer im Forschungsstadi-
um.
DieSchweizbeheimatetim«CryptoValley»einigeStart-
upsvonWeltruf.Darunterbefindensichfünfmiteinem
Wertvonmehrals1MilliardeUS-Dollar,alsosogenannte
«Einhörner»:Bitmain, Dfinity, Ethereum, Librabzw.Novi
undPolkadot.GeprägtistdieSchweizerFirmenlandschaft
abervonjungenStart-ups,welche(noch)wenigUmsatz
erwirtschaften.InderSchweizwieauchinternationalbil-
den sich viele Anwendungsbereiche heraus. Beispiele
hierzulande sind etwa Smart-Contract-Lösung für Versi-
cherungsverträge(B3i),SupplyChainManagementfürdie
pharmazeutischeIndustrie(Modum),TradeFinance(UBS)
Blockchains sowie Distributed Ledgers werden oft als «Technologien» bezeichnet. Genau genommen sind es jedoch Listen von kryptografisch verbundenen Datenelementen. Die Charakteristika von Blockchains und Distributed Ledgers sind die dezentrale Datenspeicherung und die Validierung mittels Konsensusmechanismen (z. B. Proof-of-Work und Proof-of-Stake), die Auditierbarkeit sowie die Persistenz. Grundsätzlich lassen sich die Formen «permissionless» (anonymer bzw. pseudonymer Benutzerkreis) und «permissioned» (bekannter, eingeschränkter Benutzerkreis) unterscheiden. Eine über die reine Datenstruktur hinausgehende Form sind sogenannte «Smart Contracts» mit semantisch interpretierbaren bzw. softwarelesbaren Inhalten, die auto-matische Transaktionen auslösen können.
Blockchain
Thomas Puschmann (UniversitätZürich)
35
oderKonsortienwiedieSwiss Digital Trade Platformmit
Novartis, der Schweizerischen Exportrisikoversicherung,
derSchweizer Post,derUniversität ZürichsowiederZurich
Insurance.
Die Umsetzung dieser neuen Anwendungsbereiche ist
eng mit mindestens drei Erfolgsfaktoren verknüpft, die
sichseit2019positiventwickelthaben:(I)Verfügbarkeit
vonTalentenundderenAusbildungandenHochschulen:
WeitereKursewurdenanHochschuleneingeführt.(II)Ein
gutfunktionierendesÖkosystemausHochschulen,etab-
liertenAkteurenundStart-upsmitgutemZugangzuRisi-
kokapital:DieAnzahlStart-upshatsichauf842mit4‘400
Beschäftigten in der Schweiz und Liechtenstein erhöht.
MitSEBAundSygnum sinderstmalszweiUnternehmen
miteinerBanklizenzvertreten.(III)Einflexiblerregulatori-
scher und rechtlicher Rahmen: Der Nationalrat hat am
17.Juni2020einerinnovationsfreundlichenRechtsgrundla-
gefürdezentraleAnwendungenundGeschäftsmodelle
zugestimmt.
Ein Blick in die ZukunftGenerellbildensichBlockchainsundDistributedLedgers
mit ihrenzugrundeliegendenProtokollenalsneue Infra-
struktur für die nächste Generation des Internet heraus
(«Internet of Value»). Dies hat nicht nur für IT-lastige
DienstleistendewiedieFinanzindustriegrosseAuswirkun-
gen,sonderninKombinationmitdemInternetofThings
auch für die Industrie, so etwa bei Stromerzeugung,
-handelund-konsum.MitSmartMetersundSolarzellen
ausgestattete Häuser lassen sich intelligent steuern, in-
demdigitaleWährungendenPeer-to-Peer-Handelunter-
stützenundSmartContractsdendigitalenHandelunddie
Produktion vereinfachen. In der Schweiz wurde hierzu
einKonsortiumimRahmenderSchweizerischen Normen-
Vereinigung (SNV)mitdemNamenDLT-for-Powergegrün-
det.EinweitererwichtigerAnwendungsbereichsindso-
genannte«CentralBankDigitalCurrencies»(CBDC),also
von Zentralbanken emittierte digitale Währungen wie
etwaeindigitalerSchweizerFranken.FürdiesenAnwen-
dungsbereich istdasvonderBank für Internationalen
ZahlungsausgleichgegründeteBIS Innovation Huberwäh-
nenswert.
Die bislang einzige «Killerapplikation» für Blockchain ist
Bitcoin. Eine Vielzahl anderer Anwendungen befinden
sichnochimmerimExperimentierstadium.MöglicheGe-
biete sind etwa Handel (IBM und Walmart), Logistik
(Maersk), Verkehr (Novotrans) oder die öffentliche Ver-
waltung(Niederlande).WeitereInnovationspotenzialeer-
gebensichimBereichderNachhaltigkeitwiezumBeispiel
beiderRückverfolgbarkeitvonProdukten,derenBestand-
teilensowiederenProduktionsbedingungeninderge-
samtenLieferkette.
36
So sieht es heute ausFürvieleHochlohnländeristdieseTechnologieiminter-
nationalen Wettbewerb ein Schlüsselfaktor für Erfolg.
ForschungundEntwicklungfokussierendeshalbaufdie
Themen Prozessoptimierung, Inline-Qualitätskontrolle,
Konzeptefür«SmartMaintenance»,durchgängigeInfor-
mationsflüsse,hoheFlexibilitätderFertigungsroboterund
ihrer Greifarme sowie Nachhaltigkeit in der Produktion.
Daraus resultieren zahlreiche entsprechende Anwendun-
gen,dieingrossenFirmen,indenForschungszentrender
HochschulenundweitererForschungsinstitutionensowie
inKMUundStart-upszurMarkreifegebrachtwerden
können.
DieHerausforderung inderSchweizbestehtdarin,aus
diesenInnovationensoschnellwiemöglichprofitableGe-
schäftsmodellezumachen.EsgibtpunktuellChampions,
die eine international führende Rolle einnehmen. Diese
SchweizerVorzeigeunternehmensindaufgrundderhohen
QualifikationundWettbewerbsfähigkeitwirtschaftlich
bedeutend.
Ein Blick in die ZukunftDie weltweite technologische Entwicklung begünstigt
Smart FactoriesundProzessautomatisierungen,da sich
Rechenleistung, Netzwerkbandbreite und die Fähigkeit,
komplexeAufgabenstellungenmitComputern zu lösen,
sehrraschentwickeln.Unternehmenwerdenlernen,mit
den damit einhergehenden Sicherheitsrisiken umzuge-
hen. Es gilt, Innovationen in Zukunft mit Geduld und
Sorgfaltschrittweiseumzusetzen.
DieindustrielleFertigunginderSchweizwirdihreStellung
im Weltmarkt aufgrund einer hohen Innovationsbereit-
schaftbehaupten.FürvernetzteundsmarteMaschinenin
einerSmartFactorybedeutet«Swissmade»,völligneue
Produktezuentwickeln,aberauchbestehendeLösungen
kontinuierlichzuverbessern.Umdieszuerreichen,sollte
dieangewandteForschungfokussiertvorangetriebenund
derenFörderungausgebautwerden.DieWirksamkeitder
SmartFactory steigtmitdemGraddesZusammenspiels
zwischenInformatik,Maschinen-sowieAnlagenbauund
Branchenfachwissen. Dies setzt eine gute Vernetzung,
Koordination und Zusammenarbeit der klugen Köpfe in
ForschungundPraxisvoraus,damitdieKMUalsRückgrat
derSchweizerWirtschaftoptimalprofitierenkönnen.
Connected Machines (vernetzte Maschinen) gewährleisten eine hochautomatisierte, vernetzte und vor-ausschauende Produktion, eine Smart Factory also. Eine vernetzte Maschine ist intelligent und interaktiv. Sie erlaubt die flexible, effiziente und äusserst genaue Fertigung bis hin zur Losgrösse 1 und ermöglicht innovative Lösungen.
Connected Machines
Daniel Liebhart (ZHAW)und Philipp Schmid (CSEM)
37
So sieht es heute ausWährend in anderen Ländern grosse Industrien wie die
AutomobilbrancheeineVorreiterrolleübernehmen,istdie
vonKMUdominierteSchweizerIndustrielandschaftnoch
uneins.EinerseitswirdderdigitaleZwillingalsChancebe-
trachtet,anderseitsbildendiezutätigendenInvestitionen
einegrosseHürde–eineSituation,dieauchaufandere
Nationenzutrifft.BeimVergleichmitasiatischenStaaten
istfestzustellen,dassvoralleminChinaderdigitaleZwilling
positivwahrgenommenundstarkunterstütztwird.Inder
Schweizistdavonauszugehen,dassKMUnurdanneinen
VorteilausdenmächtigenKonzeptenrundumIndustrie
4.0undSmartFactoryziehen,wennsiedenNutzenauf
die menschlichen Akteurinnen und Akteure ausrichten
unddieseinsZentrumderAktivitätenstellen.
Ein Blick in die ZukunftDieMöglichkeitendesdigitalenZwillingswerdenzueiner
weiterenDigitalisierungder Industrie und zu steigender
KomplexitätinderProduktentwicklungführen.Produkte
werdenkünftigeinEbenbildindervirtuellenWeltbesit-
zen und somit über höhere Funktionalität und Effizienz
verfügen. Dies bedeutet eine Steigerung des Kunden-
nutzens.DiesteigendeKomplexitätistaberaucheineHer-
ausforderung. KMU müssen einen Weg finden, Wissen
aufzubauen,umdendigitalenZwillingnutzbringendein-
zusetzensowieständigaktuellzuhalten.DieFragefür
KMUlautet,wiemitdemdigitalenZwillingKundennutzen
undinternerNutzengeneriertwerdenkönnenundwelche
Werkzeuge dafür einzusetzen sind. Genauso wie sein
physischesPendantdecktderdigitaleZwillingdenganzen
LebenszyklusmitEntwicklung,Herstellungundinsbeson-
dereBetriebab.ForschungundEntwicklungwerdensich
indenkommenden Jahren verstärktmit dieser gesamt-
heitlichenKettebefassen.EineSchwierigkeitist,dasszwi-
schenProduktentwicklungund-nutzeneinelangeLatenz-
zeit besteht. Sollen zum Beispiel im Rahmen von Smart
Maintenancedatenbasierte Services angebotenwerden,
dannmussdasProduktbereitsinderEntwicklungdarauf
ausgerichtetwerden.EinUnternehmenmussalsokünftig
nebenDatenfürreininterneZweckewieQualitätssiche-
rungoderProzessoptimierungauchDatenfürsolcheSer-
viceserfassen.DiedrängendenFragensind:«Wowerden
Datenbenötigt,dienochnichterhobenwerden?»,aber
auch«WowerdenDatengesammelt,diekeinerbenötigt?».
DieAntwortendaraufweisendenWeg,umschlussendlich
Gewinnzuerzielen.
DieSchweizerIndustriesolltedasPotenzialdesdigitalen
Zwillingsausloten.DiebeschriebeneLatenzzeitzwischen
Produktentwicklungund-nutzenerfordertes,schnellEr-
fahrungenzusammeln.Auchwennnichtgleichdasange-
stammteGeschäftsmodellgeändertwerdenmuss,sollten
indenentsprechendenTätigkeitsfeldernWissenaufgebaut
understeMassnahmenergriffenwerden.
Beim digitalen Zwilling liegt das Hauptaugenmerk auf dem Abbilden realer Produkte oder Prozesse in der virtuellen Welt. Dies führt zu einem digitalen Schatten in der Produktion und im Betrieb. Dazu müssen Simulationsprogramme entwickelt, Fertigungsschritte verkettet und Daten aus dem «Product Lifecycle Management» mit jenen aus dem «Enterprise Resource Planning» verknüpft werden. Ein zentrales Anwen-dungsgebiet des digitalen Zwillings ist die Fertigung. Es bieten sich bei manuellen Arbeitsschritten neue Einsatzmöglichkeiten an, beispielsweise in der Mensch-Roboter-Interaktion und -Kooperation, in der Gestaltung des virtuellen Arbeitsplatzes oder von virtueller Schulung sowie in der Fernwartung. Neben der technischen Machbarkeit ist das Wahren der ökonomischen Balance zwischen Aufwand und Ertrag eine Herausforderung. Vieles ist möglich und ein durchdachtes Konzept wird im Unternehmen eine Effi-zienzsteigerung herbeiführen. Gegenteilig verhält es sich, wenn der Lösungsansatz falsch gewählt wird. Weiter ist das Augenmerk auf die Veränderungen für die Arbeitskräfte zu legen. Änderungen können zu Widerständen führen, die durch entsprechendes Change Management aufzufangen sind.
Digitaler Zwilling
Andreas Kunz(ETHZürich)undDaniel Schmid(ZHAW)
38
So sieht es heute ausUnterderFührungderETH ZürichundderEPFLhatsichdie
SchweizalsHotspotfürDrohnentechnologieundStart-ups
aufdiesemGebiet entwickelt. Sie ist führend inderEnt-
wicklungneuerKonzepte sowiedernötigenTechnologie
zur autonomen Navigation im Freien und in Gebäuden.
Drohnentechnologie ist aufdemWeg, sichals volkswirt-
schaftlich relevanterundschnellwachsenderVorzeigebe-
reichderSchweizerWirtschaftzuentwickeln,derauch
vom Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL vorangetrieben
wird.KeinWunderistdieDrohnentechnologieindenmeis-
tenführendenIndustrieländernaufdemRadardervielver-
sprechenden Technologien aufgetaucht. Kommerzielle
Drohnen, speziell jenedesWeltmarktführersDJI,werden
immerautonomerundihrEinsatzvermehrtsichinverschie-
denstenBereichen.DieAnzahlverkaufterDrohnendeutet
aberaufeinengesättigtenKonsumentenmarkthin.Dafür
hatsichderprofessionelleEinsatzvonDrohnenstarkwei-
terentwickelt.DaDrohnenimmerhäufigeralssehrwichtige
Zukunftstechnologie eingestuft werden, ist es zu einem
kleinenHandelskriegzwischendenUSAundChinagekom-
men: Die USA haben den Import chinesischer Drohnen
starkeingeschränktundfördernsodieeigeneDrohnenin-
dustrie.DasbringtneueRisikenfürSchweizerDrohnenher-
steller,kannaberaucheineChancesein.DieRegulierung
fürdie IntegrationderDrohnen imöffentlichenLuftraum
machtguteFortschritte;inEuropaistdieSchweizführend.
DiehervorragendeStellungderDrohnenforschunginder
Schweizhat sichgutweiterentwickelt, diebestehenden
Start-upssindgewachsenundeinigeneuesindgegründet
worden.DasBAZLplant,2021einOnline-ToolfürdieIn-
tegrationvonDrohnen imöffentlichenLuftraumzu lan-
cieren.Damitwirdesmöglichsein,diegeplanteFlugroute
und -zeit einzugeben und fast unmittelbar ein Okay zu
bekommen. Dies wird den Schweizer Start-ups einen
massgeblichenMarktvorteilverschaffenundausländische
Drohnenfirmenanziehen.EineoffeneundklareRegulie-
rungistmatchentscheidendfürdieoptimaleEntwicklung
derDrohnenindustrie.
Ein Blick in die ZukunftIndennächstenJahrenwirdsichvorallemderEinsatzvon
DrohnenalsprofessionellesWerkzeugweiterentwickeln.
Bereits gut entwickelte Bereiche wie Landwirtschaft,
LuftüberwachungoderVermessungwerdenprofessiona-
lisiertundDrohnenbetreibendewerdenneueDienstleis-
tungenanbieten.DerseiteinigenJahrengehegteTraum
vonTransportdrohnenwirdsichlangsamaberstetigent-
wickeln.ErsteAnwendungsbereichewerdenLieferdienste
odermedizinischeTransporteinabgelegenenGegenden
sein.DerMassentransportmitDrohnenwirdsichaberin
dichtbesiedeltenGebietenkaumdurchsetzenkönnen.
DieneusteGenerationDrohnenkannnichtnur imfreien
Luftraum fliegen, sondern auch in Gebäuden eingesetzt
werdenundsogarindirektenKontaktmitderUmgebung
gehen.DamiterschliessensichneueAnwendungsgebiete
wieInspektionenvonBrückenoderEnergieanlagen,bei
denenderSensormithöchsterPräzisioninKontaktmitder
Infrastrukturkommenmuss.DieseneuartigenDrohnener-
schliessenalsoEinsatzbereiche,indenenheutemitGe-
rüsten,KränenoderamKletterseilgearbeitetwerdenmuss.
Auch indiesemBereich istdieSchweizmitdemStart-up
Voliroführend.NebendenTechnologien,dievonentspre-
chenden Start-ups vorangetrieben werden, ergeben sich
auchneueMarktchancenfürDienstleistungenmitDrohnen
wieLuftaufnahmenfürImmobilienfirmen,Landwirteund
Infrastrukturbetreiber.
Professionelle Drohnen sind in der Kartografie sowie in der Vermessung und Überwachung aus der Luft stark verbreitet. Vermehrt werden sie auch in der Landwirtschaft zur Überwachung der Felder, bei Katastro-pheneinsätzen oder für Transportaufgaben eingesetzt.
Drohnen
Roland Siegwart(ETHZürich)
39
So sieht es heute ausDieEntwicklungautomatisierterFahrzeugeschreitetschnell
voranundistgetriebenvonstaatlichenundindustriellen
Förderprogrammen, wobei die USA und Giganten wie
AlphabetoderBaidusowieKooperationengrosserAuto-
mobilkonzerne eine führende Rolle spielen. Europa hat
mitder«Roadmap2019»ehrgeizigeZiele:Personen-und
LastwagenaufStufe3undgar4sollenschonbaldbreit
verfügbarsein.ExpertinnenundExpertendämpfendiese
Erwartungenallerdings,auchwennAlphabet-Waymoim
November2019inArizonaeinselbstfahrendesAutoohne
Sicherheitsbegleitergetestethat.AufdemWegzuStufen
4 und 5 spielen fortgeschrittene Assistenzsysteme eine
grosse Rolle, von denen einige gemäss EU-Sicherheits-
richtlinieab2022fürneueModellezwingendseinsollen.
Allgemein geht man von einer sukzessiven Einführung
aus,umjeweiligeErfahrungenzunutzen.Entwicklerinnen
undEntwicklerfordernallerdingsvermehrt,Stufe3oder
4zuüberspringen.
DieEntwicklungautomatisierterSystemefürdenPersonen-
und Güterverkehr ist vermehrt ein Forschungsschwer-
punktderETH Zürich, derEPFL,Fachhochschulenundbei
EntwicklerinnenundEntwicklernvonSensorik,Sicherheits-
analytik,SoftwareundSpezialfahrzeugen(z.B.Kyburz).
DieSchweizspieltmitihrerstarkvernetztenInfrastruktur,
hohen Mobilität und den Erfahrungen mit autonomen
PendelbusseneinezunehmendwichtigeRolleimHinblick
aufeininnovativeskollektivesMobilitätskonzept.
Ein Blick in die ZukunftWährend zunächst Fahrzeuge für den Individualverkehr
imZentrumstanden,siehtmanheuteFahrzeugefürspe-
zielleEinsatzbereichealsWegbereiter,soetwalangsame
Lieferwagen,PendelbusseundTaxiflottenausserhalbder
InnenstädtesowieimPulkgeführteLastwagen(«platoo-
ning»).EinMischverkehraustraditionellenundselbstfah-
renden Fahrzeugen bei Interaktion mit noch weiteren
Verkehrsteilnehmern istunvermeidlichundstelltgrosse
AnforderungenandiePlanung.AlsZulassungsverfahren
zeichnetsichfürEuropa, imGegensatzzurSelbstzertifi-
zierungindenUSA,diebereitsüblicheTypengenehmigung
ab.Nochoffenist,welchesSicherheitsniveaukonkretzu
erreichenundwiederNachweiszuerbringenist.Datesten
unter realen Verkehrsbedingungen zu zeitraubend und
teuer ist, sindalternativeWegezubeschreiten.DieEnt-
wicklung kritischer Szenarien und die Prüfung zunächst
auf Testständen und in gesonderten Bereichen stehen
dabeiimFokus.DerAnfallenormerDatenmengen(8Tera-
byteproAutoundStunde)undderSchutzderhochkom-
plexenFahrzeugevorCyberattackenrückenalsHerausfor-
derungenimmerstärkerindenVordergrund.DieHaltung
der Öffentlichkeit ist ambivalent – hohe Erwartungen
(bspw.Sicherheits-undKomfortgewinn)treffenauffunda-
mentaleBedenken(bspw.Kontrollverlust).
Auch wenn die Schweiz über keine Automobilindustrie
undgrossen Systemzulieferer verfügt, sollte sie auf den
Zugaufspringen.NichtnurkannsietechnischeSpeziallö-
sungenentwickeln, siebietet sichauchalsTestlabor für
innovative Mobilitätskonzepte und neue Geschäftsmo-
dellean,welche imEntwicklungsstadiumoder teilweise
schoninErprobungsind.DerSchweizkönntesoeineVor-
reiterrollezukommen,wasangesichtseinessichabzeich-
nendenMilliardenmarkteshochprofitabelwäre.
Fahrzeuge mit bedingter Automatisierung verfügen über Assistenzsysteme, mit denen sie gewisse Fahr-aufgaben selber ausführen können (Stufe 3). In kritischen Situationen ist allerdings eine Übernahme durch die Lenkerin oder den Lenker vorgesehen. In einer Stufe hoher Automatisierung (Stufe 4) fährt das Fahrzeug selbständig in einem vorbestimmten Bereich von A nach B und versetzt sich bei Bedarf in einen risikoarmen Zustand. Erst auf Stufe 5 kann das Fahrzeug in allen Situationen die Fahraufgaben komplett übernehmen.
Hochautomatisierte Fahrzeuge
Bernhard Gerster (BFH) und Wolfgang Kröger (ETHZürich)
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So sieht es heute ausZahlreicheIoT-AnwendungenwieRFID-TrackinginderPro-
duktion oder die vernetzte Heizung im privaten Umfeld
sindbereits seit JahrenRealität.Dennochhabengerade
produzierendeUnternehmen,dieeingewichtigesFunda-
ment der Schweizer Wirtschaft bilden, Schwierigkeiten,
vom IoT zu profitieren. Das Digitalisierungsparadox be-
schreibtdasweltweitePhänomen,dasstrotzhoherInves-
titionenindieVernetzungkeineentsprechendenErträge
erwirtschaftetwerden.InderPraxisstehtdasThemaKun-
denproblemundService-InnovationdurchIoTimMittel-
punkt. Was zunächst einfach klingt, bedeutet für viele
UnternehmenderproduzierendenIndustrieeinengrund-
legendenKulturwandel.HintervorgehaltenerHandheisst
es immer wieder: «Vernetzen können wir, aber das IoT
wirktüberdigitaleServices–undwirhabeneinfachkeine
Service-Denke imUnternehmen».DieangewandteFor-
schung an Hochschulen und in der Industrie fokussiert
sichdaherzunehmendaufdieFrage,wiesichdieneuen
technischen Möglichkeiten in betriebswirtschaftlichen
Erfolgüberführenlassen.
Ein Blick in die ZukunftDasIoTentwickeltsichstetigweiter.AmBeispielderver-
netztenundhochautomatisiertenFahrzeugewirdersicht-
lich,dassdasIoTnichtisoliertbetrachtetwerdendarf.Es
gibtzweiweiterezentraleTechnologien,dieeszuberück-
sichtigengilt:EinerseitsdiekünstlicheIntelligenz(KI),die
ausvernetztenObjektenintelligenteObjektemacht.Ande-
rerseitsfindetdieWertschöpfungimmerstärkerindezen-
tralenÖkosystemenstatt.DezentralePlattformtechnologi-
enwiedieBlockchainermöglichenes,dassObjektesicher
unddirektmitanderenObjektenkommunizieren–ohne
einenzentralenServerzunutzen.VernetzteObjektewer-
den in Zukunft zunehmend autark und eigenständige
Akteure.
FürdieSchweizistdieproduzierendeIndustrievonzentra-
lerBedeutung.HierhatdasIoTweitreichendeAuswirkun-
gen. Nicht nur die internen Prozesse können durch die
Vernetzungverbessertwerden(SmartFactory),auchneue
Produkte und Dienstleistungen (Smart Products) sind
durchdasIoTmöglich.EswirdsichindennächstenJahren
zeigen,obdieSchweizer IndustriedieChancenderVer-
netzungkonsequentnutztundihrestarkePositionvertei-
digt oder sogar ausbaut. Die Karten werden durch die
DigitalisierungaufjedenFallneugemischt:Hochinnovative
Unternehmen,vorallemauchausAsien,drängenzuneh-
mendaufdenMarkt.DasBeispielTeslamahnteindrück-
lich,dassmansich seinesheutigenVorsprungsnicht zu
gewissseindarf.LetztendlichbrauchtesvorallemMut,
PragmatismusundUnternehmergeistsowieeineentspre-
chendeRisikobereitschaft,Neueszuprobierenundumzu-
setzen.
Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) steht für die Vision, dass potenziell jeder physische Gegen-stand mit dem Internet verbunden ist. Dadurch verschmelzen die physische und die digitale Welt. Dies ermöglicht völlig neue Produkte und Dienstleistungen. IoT fokussiert also nicht auf eine konkrete Techno-logie, sondern auf die allgegenwärtige Vernetzung von physischen Dingen. Konkrete Anwendungsbereiche sind zum Beispiel Smart City, Smart Home, Smart Manufacturing oder Smart Mobility. Ob hochautomatisierte Fahrzeuge, intelligente Häuser, medizinische Fitnesstracker oder vernetzte Produktionsanlagen: Die disruptive Kraft des IoT wird die Geschäftslogiken vieler Branchen fundamental verändern.
Internet of Things
Felix Wortmann (UniversitätSt.Gallen)
41
So sieht es heute ausDerBegriff«kollaborativeRobotik»istindenNormenISO
10218andISO15066griffigdefiniertundumfasstsporadi-
scheoderständigeZusammenarbeitvonMenschundRo-
boter.DiesebedingeneinedirekteundsituativeInteraktion:
Entweder wird der Roboter langsamer, wenn er in den
ArbeitsbereichdesMenschenvordringt,oderdieRoboter-
anwendungistsosicher,dassCobotundMenschHandin
Hand arbeiten können. Die grosse Herausforderung ist,
Roboteranwendungengleichzeitigsicherundwirtschaftlich
zumachen:GrosseStückzahlenwerdenbesser vondedi-
ziertenAutomatenerledigt. FürkleineStückzahlen istdie
InstruktioneinesMitarbeitendenvielgünstigeralsdiePro-
grammierungeinesRoboters. Bleiben alsonurmittlere
Stückzahlen,wosichAutomatennichtlohnenundProduk-
tionsmitarbeitendezu teuerwären.Dassindheutenur
wenigeAnwendungen;indenmeistenFällenwärenCobots
zuteuerundzulangsam.DiesliegtandenSicherheitsanfor-
derungen und der verbesserungsfähigen technologischen
Reife.DieallgemeinenSicherheitsanforderungensindunter
anderemindenNormenISO13849oderIEC62061sowie
ISO10218-1und-2enthaltenundinderNormDINISO/TS
15066:2017-04fürdiekollaborativenRoboterausgeführt.
LetztereNormbasiertaufLösungsansätzen,dieinderaka-
demischen Forschungbekannt sind, aberbis anhin kaum
Eingangindie Industriegefundenhaben.Technologische
Lückengibtesbeiderträgheitsarmen,schnellenKraftkont-
rolle,beidendazugehörigenimpedanzbasiertenReglerstra-
tegienundderenUmsetzung ineinfachprogrammierbare
industrielleProdukte.Fortschrittehingegengabes indrei
Punkten: Eine Kombination aus Sensor und Aktor trifft
man inFormvon intelligentenGreifernund intelligenter
Roboterhautan.BeiderSoftwaregabesFortschrittebe-
züglichderBenutzeroberflächenundauchdieProgram-
mierbarkeit ist einfacher geworden. Und es gibt inzwi-
schen mehrere Hersteller, die integrierte Lösungen mit
CobotsaufmobilenPlattformenanbieten.
DieSituationinderSchweizbleibtunverändert:esgibt
viele KMU mit kleinen Losgrössen, hoher Varianz und
hohenLohnstückkosten,diedaherguteVoraussetzungen
fürdenEinsatzderkollaborativenRobotikhaben.Trotz-
demfindenkollaborativeRoboternurlangsamihrenPlatz
inderProduktion,sowohlinderSchweizwieauchinter-
national.DieVerkaufszahlenfürCobotssindzumindestin
derSchweizrückläufig,eshateinegewisseErnüchterung
stattgefunden.DerCobotistnichteinfacheinintuitivpro-
grammierbarer Arbeitskollegenersatz. Deshalb finden wir
heutenachwievorCobotsinAufgabenmitniedrigerFre-
quenzwiedemBe-undEntladenvonTeilenausMaschi-
nen. Diese und weitere Aufgaben für Cobots fallen ge-
meinhinunterdie«4D»:dull,dirty,dangerous,disallowed.
Ein Blick in die ZukunftInteressantwirdderEinsatzvonCobotsinZukunft,wenn
einUmdenkenstattfindetundfürProdukteundProdukti-
onsinfrastrukturein«DesignforAutomation»erfolgt.Dies
kannzumBeispieldurchgeeigneteFormgebungundka-
meragerechte Markierung geschehen. Fakt ist, dass die
Schlüsseltechnologien für einen produktiven Einsatz von
Cobotszwarstetig,abernurlangsamvoranschreiten.Fort-
schritte sind bei Greifern mit eingebauter Nachgiebigkeit
undschnellerKraftmessung,beidergünstigerenundrobus-
teren Objekterkennung und bei der intuitiven Program-
mierbarkeit zu erwarten. Für diese Themen sollten sich
Gross-undKleinunternehmenvoreinemKaufentscheidmit
möglichen Forschungspartnern abstimmen, insbesondere
mitdeninderkollaborativenRobotiktätigenFachhochschu-
len.DiesebietengriffigeAnsätze,umKostenzureduzieren
unddieRobustheitdesProduktionsprozesseszuerhöhen
oderdieMöglichkeit,anbieterneutralRoboterzuevaluie-
ren.LangfristigeForschungsthemenkreisesinddieintuitive
aufgabenbasierteProgrammierungunddasHand-in-Hand-
ArbeitenvonRoboternmitMenscheninklusiveAbsichtser-
kennungundentsprechenddynamischerPfadanpassung.
Roboter, die mit Menschen zusammenarbeiten, ihnen unangenehme oder stumpfsinnige Arbeiten ab-nehmen und auf diese Art den Produktionsprozess ökonomischer gestalten – ein Bedürfnis, das durch kollaborative Roboter, kurz Cobots, befriedigt werden kann. Die Technologie hinkt diesem Bedürfnis aber noch immer hinterher. Deshalb bleibt die kollaborative Robotik lediglich ein Hoffnungsträger.
Kollaborative Robotik
Max Erick Busse-Grawitz(maxonmotorag)
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So sieht es heute ausIndenletztenzweiJahrenwurdenimmaschinellenLernen
verschiedeneinnovativeFortschritteerzielt.Hierzuzählen
beispielsweise Generative Adversarial Networks (GAN),
die künstlich Videos oder Sprache produzieren und zu
Fortschritten beim Verständnis der Ergebnisse von KI-
Modellen beitragen. Es gibt jedoch verschiedene Ein-
stiegsbarrierenwieangemesseneKompetenzendesPer-
sonals,VerständnisfürdenGeschäftsanwendungsfallund
die Verfügbarkeit von Daten. Darüber hinaus sind auch
bei den Tools, die maschinelle Lernmethoden bereit-
stellen, erhebliche Fortschritte zu verzeichnen – Cloud-
Dienstevereinfachen,beschleunigenundsteuernhierdie
Bereitstellung.EinewichtigeHerausforderungbleibtwei-
terhinderAspektdesVertrauensinmaschinellesLernen.
Lösungenmüssensicherstellen,dassKI-Systemefreivon
Verzerrungen sind, erklärbare Ergebnisse liefern, über
ihre Lebenszyklen hinweg überprüft werden können
sowiesicherunddatenschutzfreundlichsind.
DieSchweiznimmteineVorreiterrolleinderKI-Forschung
einundsolltedahereineführendeRollebeiderZertifizie-
rungvonKI-Systemen,derFörderungeinerunverzerrtenKI
undderInformationderÖffentlichkeitüberKIspielen.Das
heisst,politischeEntscheidungsträgermüssensichmitden
HauptproblemenimZusammenhangmitVerzerrung,Ethik,
Erklärbarkeit,DatenschutzundSicherheitvonKIbefassen.
2019veröffentlichtederBundesrateineAnalysederHer-
ausforderungenundEmpfehlungenzuKI inderSchweiz.
DieAnalyseunterstrichdieNotwendigkeitderBewältigung
derobenaufgeführtenHerausforderungendurchpoliti-
scheEntscheidungsträger.Eswerden Initiativenbenötigt,
welchedieInteraktionzwischenakademischen,wirtschaft-
lichenundpolitischenAnspruchsgruppenstärken.Mitder
Definition spezifischer Handlungsfelder und Verantwort-
lichkeiteninnerhalbderSchweizwurdeeinentscheidender
SchrittinRichtungeinerbreitenEinführungdesmaschinel-
lenLernensgetan.DerHypeumKI-Technologienkannzu
unrealistischenErwartungen führenund letztendlichdie
WahrscheinlichkeiteinesScheiternsvonKI-Projektenerhö-
hen.DiesemRisikomussdurchdieFestlegungeinerinfor-
miertenKI-StrategieaufUnternehmensebeneentgegenge-
wirktwerden.
Ein Blick in die ZukunftEswirderwartet,dassdiekontinuierlicheWeiterentwick-
lung des maschinellen Lernens in der Cloud die Einfüh-
rungvonKIinUnternehmenvorantreibenwird,sodasssie
maschinellesLernenschnellintegrierenundskalierenso-
wievonderflexiblenNutzungvonDatenverarbeitungund
Entwicklungprofitierenkönnen.DieBereitstellungvonKI
amRandvonDatenverarbeitungssystemen,woDatener-
fasstwerden,hateindisruptivesPotenzial(Seite32).Sie
wirddieTrainingseffizienz tieferneuronalerNetzeerhö-
hen,wodurchwenigermenschlicheInteraktionerforderlich
wird.SobaldKI amRandeingebettet ist,werdenneue
AnwendungsfelderwieintelligenteRoboter,Drohnenund
Maschinen freigegeben. Der durch maschinelles Lernen
ermöglichte Automatisierungsgrad hat ein disruptives
Potenzial fürGeschäftsmodelleundKostenstrukturen.Es
wirderwartet,dassKI-gestützteUnternehmenbis2024
50ProzentschnelleraufKundinnenundKunden,Wett-
bewerber, Aufsichtsbehörden und Partner reagieren als
andereUnternehmen.
SchweizerUnternehmen,diesichaufdieEinführungvon
KIvorbereiten,solltenAnwendungsfällepriorisieren,den
Zugang zuden richtigenKenntnissen sicherstellenund
einefundierteKI-Strategieetablieren,umdiegeeigneten
Plattform-undTechnologieentscheidungenfürGovernance
undSkalierbarkeitzutreffen.
Maschinelles Lernen ist eine Form der künstlichen Intelligenz (KI). Es ist der Prozess des Trainings eines Softwarealgorithmus unter Verwendung von Beispieldaten anstelle einer expliziten Programmierung. Algorithmen für maschinelles Lernen, die auf neuronalen Netzen basieren, haben zu spektakulären Durch-brüchen bei der Spracherkennung und -übersetzung sowie bei der Bilderkennung geführt. Die Kombination aus maschinellem Lernen und Big Data hat für verschiedene Branchen ein disruptives Potenzial.
Maschinelles Lernen
Alessandro Curioni und Patrick Ruch (IBMResearch–Zurich)
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So sieht es heute ausDerzeitwirddasGrosderRoboterstationäreingesetztund
ist auf bestimmte industrielle Anwendungen ausgelegt.
Durch technische Fortschritte in der Sensorik, Steuerung
undVernetzungbeigleichzeitigerPreissenkunglassensich
immermehrProzessemitmobilenRobotersystemenflexi-
belautomatisieren.MobileRoboterkommenvermehrtfür
AnwendungeninderLogistikzumEinsatz.Sieunterstützen
dort den Transport von Gütern in den Produktions- und
Distributionszentren.MithilfevonMulti-Sensoren,Naviga-
tions- und Steuerungsalgorithmen bewegen sich mobile
Roboter autonom in Fertigungshallen. Entscheidungen
treffen sie eigenständig. Solche kognitiven Fähigkeiten
spielenauch fürweiterevielversprechendeAnwendungs-
bereichewieExploration,InspektionoderdieWartungvon
AnlageneinegrosseRolle.
Der Standort Schweiz spielt in der Entwicklung mobiler
RoboterlösungeneineSchlüsselrolle.WichtigeForschungs-
schwerpunkte sind die Wahrnehmungsfähigkeit und die
AdaptivitätmobilerSysteme.DieSchweizerHochschulen
undUniversitäten,insbesondereETH ZürichundEPFL,ge-
hörenindiesenBereichenzurinternationalenSpitze.Die
mobileRobotikhatinderSchweizzurGründungzahlrei-
cherStart-upsgeführt.
Ein Blick in die ZukunftMobileRobotersystemewerdeninZukunftimmerunspe-
zifischereAufgabenübernehmenkönnen.Dazuwerden
sie mit Fähigkeiten ausgestattet, die es ihnen erlauben,
sich selbst zu konfigurieren. So kann derselbe Roboter
mehrereAufgabenerfüllenundwechselndeBedürfnisse
abdecken. In der Fertigung werden mobile Roboter in
hybriden Mensch-Roboter-Teams kollaborativ arbeiten.
DadurchwandelnsichdieeherstatischenFertigungslinien
zudynamischenundselbstkonfigurierbarenEinheiten. In-
novationenimBereichderkünstlichenIntelligenzundder
NavigationstechnologiewerdendieRelevanzdermobilen
Robotikdeutlichsteigern.ZudenzukunftsfähigenAnwen-
dungsfelderngehöreninsbesonderedieSicherheitunddie
Landwirtschaft. So können mobile Roboter dereinst zur
Suche und Rettung von Menschen in Katastrophenge-
bietenoderzumPflanzenschutzundzurUnkrautbekämp-
fungeingesetztwerden.Darüberhinauswerdenweitere
Anwendungsgebieteerforscht,wiezumBeispielAssistenz-
roboter,diedenAlltagvonMenschenmitkörperlicherBe-
einträchtigungerleichtern.
DerzunehmendeEinsatzvonmobilenRoboternhatdas
Potential, viele Wirtschaftssektoren radikal zu verändern.
Dazu zählen Handel, industrielle Produktion, Landwirt-
schaft,Logistik,MedizintechnikundVerkehr.Auchimpri-
vatenBereichwirdderAlltagderMenschendurchRoboter-
unterstützungwesentlichbeeinflusst.UmdieVerbreitung
mobilerRobotervoranzutreiben,müsseneinheitlicheSicher-
heitsstandardsdefiniertwerden.Ausserdembrauchtes
ethische, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen.
WeiterwirdderEinsatzmobilerRoboterstarkvonderBe-
nutzerakzeptanzabhängen.
Die mobile Robotik beschäftigt sich mit mobilen autonomen Systemen in unstrukturierten und dynami-schen Umgebungen. Solche Roboter finden sich auch unter wechselnden Umweltbedingungen zurecht und können sich eigenständig in ihrem Umfeld bewegen sowie autonom und situationsgerecht agieren. Die mobile Robotik deckt ein breites Anwendungsspektrum im Innen- und Aussenbereich ab und beschäf-tigt sich mit Boden-, Flug-, Unterwasser- und Lauf-Robotern.
Mobile Roboter
Agathe Koller(OST)
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So sieht es heute ausUnternehmen sinddarauf angewiesen,Datenüberweit
verzweigte Netzwerke sicher versenden zu können. Die
weitverzweigten Netzwerke machen den Versand aller-
dings anfällig für Störungen und Angriffe. Auch kleine
AkteurekönnenvomEinsatzeinersicherenInfrastruktur
profitieren,etwawennsieindenelektronischenZahlungs-
verkehr einsteigen möchten und nicht über die nötigen
finanziellenMittelfüreineeigeneLeitungverfügen.
Die Grundlagen von SCION wurden an der ETH Zürich
entwickelt. Inzwischen haben sich auch Forschungs-
gruppenandererUniversitätenanderEntwicklungbetei-
ligt. Internet Service Provider aus dem In- und Ausland
fungieren ineinemKonsortiumals IntegratorenundBe-
reitstellervonentsprechendenDienstleistungen.Nichtnur
inderEntwicklung,sondernauchimEinsatzvonSCION
spieltdieSchweizeineVorreiterrolle.MehrereSchweizer
BankennutzenSCIONfüreinensicherenundhochverfüg-
barenDatenaustausch.UndderBundsetztSCIONein,um
dieKommunikationmitBotschaftensicherzugestalten.
Derzeit gibt es Bestrebungen, mittels SCION einzelne
Branchennetzwerke zu etablieren, die den sicheren In-
formationsaustausch auch über einen Internet Service
Providerhinausgewährleisten.
Ein Blick in die ZukunftIndennächstenfünfJahrenwirdesdarumgehen,SCION
auchfürIoT-Anwendungenweiterzuentwickeln.Damit
SCIONsichetabliertunddasBGPablösenkann,müssen
weltweitInternetServiceProviderSCIONinihreProdukt-
palette aufnehmen. Erste internationale Internet Service
Provider unterstützen SCION und bieten nun entspre-
chendeProduktean.BeiweiterenInternetServicePro-
vidernlaufenVorbereitungen.ZudemwirdeineStiftung
eingerichtetmitdemZweck,dieWeiterentwicklungzu
koordinierenundeinZertifizierungsstandardeinzurichten.
WiebeivielenOpen-Source-Softwareprojektenistesauch
für die Weiterentwicklung und Etablierung von SCION
zentral,dasssicheineaktive,internationaleCommunity
bildet,die sichderWeiterentwicklungannimmt.Einauf
SCION basierender Zusammenschluss einzelner Wirt-
schaftssektoren oder Länder zu einem sicheren Daten-
raumkönntehelfen,dieseHerausforderungzumeistern.
Bei der Etablierung von solchen Branchennetzwerken
könntedieSchweizeineVorreiterrolleübernehmen.
Die zunehmende Digitalisierung aller Lebens- und Wirtschaftsbereiche erfordert ein sicheres Internet. Dem Internet liegt das seit 30 Jahren beinahe unveränderte Border Gateway Protocol (BGP) zugrunde, das Datenpakete durch das Internet lenkt. An jedem Netzwerkknoten bestimmt das Protokoll den Weg zum nächsten Knoten. An diesen Knotenpunkten können Daten leicht angegriffen, umgeleitet oder kopiert werden. Zwar existieren vereinzelte Lösungsansätze für die Probleme dieses Protokolls, so etwa das Ver-legen von privaten Leitungen. Doch das ist teuer und unflexibel. SCION ist eine neuartige Internet- architektur, die auf der Netzwerkinfrastruktur des Internets aufbaut. Der Weg, den Datenpakete nehmen sollen, wird ihnen bereits beim Absenden mitgegeben. Somit können die Daten nicht falsch geführt oder umgeleitet werden. Auch können gezielt einzelne Knoten ausgelassen werden. So verbessert SCION die Zuverlässigkeit der Übermittlung stark, was sich mitunter in einer erhöhten Übertragungsgeschwindigkeit bemerkbar macht. Dadurch könnte das BGP überflüssig werden. Diese neue Internetarchitektur ist beliebig skalierbar und kann über Länder- und Institutionengrenzen ausgeweitet werden.
Neuartige Internetarchitektur SCION
Adrian Perrig, Ilona Wettstein undShancong Yu(ETHZürich)
45
So sieht es heute ausDieexperimentelleErprobungvonOpticalSpaceCommu-
nicationmitDatenratenvonmehrals1Gigabit/szwischen
Satelliten in niedrigen Erdumlaufbahnen (LEO) begann
2007.DieEuropäische Raumfahrtagentur ESAnahm2016
denerstenSatellitenmitoptischemTerminalfürdieopera-
tionelleNutzungimgeostationärenOrbit(GEO)inBetrieb.
Heute sind zwei GEO-Satelliten als Relaisstationen und
vierErdbeobachtungssatelliteninLEOmitoptischenDa-
tenübertragungssystemeninBetrieb.Nebendemkonti-
nuierlichenAufbaudieserSystemeindenUSAundEuro-
pawurden innerhalbder letztenJahreTechnologienfür
dieÜbertragungvonhöchstenDatenraten(Terabit/s)zwi-
schenBodenstationenundSatellitenentwickelt.Dieseer-
möglicheneinevölligneueSystemarchitekturzurDatenver-
teilung.Herausforderungendabeisinddiehochkomplexen
Systemsteuerungen imFernbetrieboderThemen imBe-
reichderLasertechnologieundOptik.
OpticalSpaceCommunicationbündelteineVielzahlkom-
plexerTechnologienwieLaser,Materialtechnologie,Me-
chanik,Mikroelektronik,OptikundSoftware,fürwelche
inderSchweizeinehoheKompetenzvorhandenist.For-
schungundIndustriehabensichhierzulandemitihrenje-
weils relevanten Fähigkeiten von Anfang an erfolgreich
engagiertunddamiteineguteAusgangslagegeschaffen.
DieHerausforderungenfürdieschweizerische Industrie
resultieren mehrheitlich aus der starken Förderung der
ausländischenKonkurrenzdurchnationaleTechnologie-
programme.
Ein Blick in die ZukunftDieerfolgreicheNutzungdieserTechnologieimWeltraum
führt internationalnebenAnwendungenfürRaumfahrt-
agenturenundRegierungsdienstezurWeiterentwicklung
kommerzieller Satelliten-Konstellationen mit optischen
Verbindungen,dieaufmobileDienstemitsehrhohen
DatenratenundglobalerAbdeckungausgelegtsind.Diese
KonstellationennutzenoptischeDatenverbindungenzwi-
schendenSatellitensowiezwischenSatellitenundBoden-
stationen. Wegen des ständig steigenden Bedarfs an
ÜbertragungskapazitätunddemTrendzuverbesserten
mobilenDienstenentwickeltsichOpticalSpaceCommuni-
cationrasantweiter.DiesbetrifftdenAufbauundBetrieb
vonSatellitennetzwerken,Geräte-undKomponentenent-
wicklung(optischeTerminalsfürSatelliten,Bodenstatio-
nen),aberauchdenDienstleistungsbereichunddieEnt-
wicklunginnovativerAnwendungen.
DieSchweizerIndustriekannsowohlhochwertigeKompo-
nentenundGerätefürdenEinsatzinSatellitenoderBoden-
stationen liefern als auch erfolgreicheGeschäftsmodelle
zurVerwaltungundNutzungvonInformationeninEcht-
zeit aufbauen. Allerdings ist zur Stärkung der Wettbe-
werbsfähigkeitgegenüberderinternationalenKonkurrenz
undzurEntwicklungmarktfähigerProdukteweiterhinein
starkes,fokussiertesEngagementdesBundesnotwendig.
Optical Space Communication bezeichnet die Übertragung von Daten von Satelliten zur Erde oder zwischen Satelliten mittels optischer Verbindungen im freien Raum. Dabei werden Laser im nahen infraroten Spektralbereich eingesetzt. Die Trägerfrequenz dieser Datenübertragungssysteme und damit die zur Ver-fügung stehende Übertragungsbandbreite ist wesentlich höher als bei Systemen mit Radiofrequenz: Die Laser-Wellenlänge von 1,55 µm entspricht beispielsweise einer Frequenz von 270 THz; kommerzielle Radio- frequenz-Systeme auf Satelliten arbeiten heute in Bereichen bis 40 GHz. Die Technologie erschliesst also völlig neue Bandbreiten-Ressourcen.
Optical Space Communication
Reinhard Czichy(Synopta)
46
So sieht es heute ausGewisseProblemstellungenwerdenselbstmitdengröss-
ten klassischen Rechnern unlösbar bleiben, weil die zur
Lösung benötigten Rechenressourcen (Speicher, Rechen-
zeit) exponentiell mit der Problemgrösse anwachsen.
DemgegenübernehmenfürsolcheProblemstellungendie
von Quantenrechnern benötigten Rechenressourcen nur
sehrmoderatzu.EinBeispielsindkomplexeOptimierungs-
aufgaben,wodiezuprüfendenmöglichenKonfiguratio-
nen so schnell mit der Problemgrösse wachsen, dass
herkömmlicheRechnerkeineChancehaben,dies zube-
wältigen.EinQuantencomputerkannaberbeigewissen
ProblemstellungenalldieseKonfigurationengleichzeitig
prüfenundhatdadurcheinenormesPotentialgegenüber
klassischenSystemen.SeinEinsatzgebietwirdamAnfang
in Rechenzentren als Ergänzung zu klassischen Gross-
rechnernliegen.
HeutegibtesverschiedeneHardwareplattformen:Ionen-
fallen,supraleitendeSchaltkreise,Halbleiter-Quantenpunkte
undphotonischeSysteme.IndenletztenJahrenhatdie
ForschungriesigeFortschrittegemacht,wasdieKontrolle
dieser Quantensysteme anbelangt. Es existieren erste
kommerzielleQuantenrechnervonAlpine Quantum Tech-
nologies, Google, Honeywell, IBM, IonQundRigettimit
bis zu etwa hundert Quantenbits. Obwohl deren Leis-
tungsfähigkeitdurchdiedenQuantensystemeninhärente
Störungsanfälligkeitnochbegrenzt ist, lassensichdamit
bereitsersteProblemstellungenlösen,diemitklassischen
Rechnern nur schwer lösbar sind. International hat sich
hierzueinsehraktivesÖkosystemgebildet.ErsteAnwen-
dungenwerdenfürverschiedensteBereichegeprüftund
spezifischeKomponenten-Lieferkettenfürdiejeweilige
Hardwareplattform aufgebaut. Die Schweiz ist in der
Quantenforschung exzellent positioniert. Neben einigen
GrossunternehmensindbislangnurwenigeKMUindiesem
Bereichtätig,vorallemalsZulieferereinzelnerHochtech-
nologie-Komponenten für die komplexen Quantencom-
puter-Systeme.
Ein Blick in die ZukunftDieHardwareentwicklungwirdsichindennächstenJahren
daraufkonzentrieren,dieAnzahlderQuantenbitszuver-
grössernund insbesondere Fehler, die bei Berechnungen
auftretenkönnen,weiterzuunterdrückenundidealerweise
vollständigzukorrigieren.AufderApplikationsseitewer-
den intensiv Algorithmen für Optimierungsprobleme der
Chemie-,Finanz-,Pharma-,Logistik-,Transport-undande-
rerIndustrienentwickelt.DieKomplexitätderHerausforde-
rungenistsohoch,dasswahrscheinlichgrosseForschungs-
zusammenarbeitenundindustrielleForschungszentrendie
nächstenEntwicklungsschrittevonQuantenrechnernvor-
antreibenwerden.
HierdarfdieSchweizdenAnschlussnichtverpassen.Im
internationalenVergleichgibtesnocheinigesPotenzialfür
SchweizerKMUund Start-ups imBereichderQuanten-
software und in Teilbereichen der Quantenhardware. In
dennächsten fünf Jahren ist zuerwarten,dass sichdie
Cloud-basierte Nutzung von Quantenrechnern aus der
ForschungundLehrehinzuerstenAnwendungeninder
Industrieentwickelnwird.NichtnurfürgrössereUnter-
nehmenderFinanz-undPharmaindustrieisteswichtig,
jetztaktivzuwerden.AuchkleinereUnternehmensollten
prüfen,obQuantencomputeralternativeLösungsansätze
beirechenintensivenAufgabenbietenkönnten.Besonders
im Hochfrequenz-, Materialien-, Mikrotechnologie- und
Optikbereich,istesfürHerstellerlohnend,denEinsatzihrer
Hochtechnologie-KomponentenindenQuantencomputer-
Lieferkettenzueruierenunddieseallenfallsdafürzuopti-
mieren.
Verglichen mit der vorherrschenden Digitaltechnik nutzen Quantenrechner durchweg die Grundprinzipien der Quantenmechanik (sogenannte Quantenüberlagerung und -verschränkung).
Quantencomputing
Andreas Fuhrer und Thilo Stöferle (IBMResearch–
Zurich,SchweizerischePhysikalischeGesellschaft)
47
So sieht es heute ausInletzterZeitwurdengrosseFortschritteerzielt.FürQKDist
einwichtigerbegrenzenderFaktordiemaximaleEntfernung,
beidersieerfolgreichoperierenkann.Indenvergangenen
JahrenwurdederEinsatzvonQKDaufgrosseEntfernungen
(gut500km)undGebiete(2‘000km2)sowiehoheRaten
(10 Mbits/s) ausgedehnt. Neue Protokolle wurden vorge-
schlagen,umQKDübernochgrössereEntfernungensichern
zukönnen.WeitereFortschrittebetreffendieSicherheitvon
QKDgegenüberAngriffenaufEbenederDetektoren.Trotz
dieserFortschritteunddemErreicheneinigerMeilensteine,
wiederEröffnungeinesneuenSegmentsimQuanten-Netz-
werkvonGrossbritannien,wirdQKDweiterhinkaumprak-
tischeingesetzt.FürdengrossflächigenEinsatzvonQKD,
ohnedassdenBetreiberndesQKD-Netzwerksvertrautwer-
denmüsste,wärederBauvonQuanten-Repeaternwichtig.
ImBereichvonPQKarbeitetdasUS-amerikanischeNational
Institute of Standards and Technology NISTweiterhinam
StandardisierungsprozessfürquantenresistenteSignaturen,
Public-Key-VerschlüsselungundAlgorithmenzumSchlüs-
selaustausch.TrotzBeteiligungamRennenumneuePQK-
StandardsundderMarktführerschaftvonID Quantiqueim
BereichderQKDbleibtdieBedeutungderQuantenkrypto-
grafiefürdieSchweiznochgering.
Ein Blick in die ZukunftEsgibtzwarbereitsdiverseLösungenundProdukte,diePQK
nutzenoderzumindesteinenUpgrade-Pfadintegriertha-
ben, doch ist noch unklar, welche Lösungsansätze sich
durchsetzenwerden.BisherpublizierteVerfahrensindrein
informativ.EinwichtigerMeilensteinstelltdaherderfür
2022–2024erwarteteAbschlussdesStandardisierungspro-
zessesquantenresistenterSignatur-undSchlüsselvereinba-
rungsverfahrendurchdasNISTdar.Spätestensdanndürften
dieseingängigeSicherheitslösungenübernommenwerden
und bis 2030 eine signifikante Durchdringung erreichen.
DiesistauchderfrühesteZeitpunkt,andemdieUS-Regie-
rungdenÜbergangzuPQKabgeschlossenhabenwill–und
kannalsZeichengewertetwerden,dassQuantencomputer
nochaufsichwartenlassendürften.AuchimBereichder
QKDgibtesbereitsmehrereLösungenundProdukte.Diese
werdenjedochaufgrunddiverserBeschränkungenwieden
EinsatzübergrössereDistanzenkaumbreiteingesetzt.Das
dürfte sich trotzderbeschriebenen Fortschritte kurzfristig
nichtändern.MitdemimMärz2020veröffentlichtenPosi-
tionspapierdesbritischenNational Cyber Security Centre
NCSCgibteszudemauchkritischeStimmen,dievomge-
genwärtigenEinsatzvonQKDgänzlichabraten.
DieBedeutungvonPQKistfürdieSchweizerForschenden
trotzBeteiligungamRennenumneuePQK-Standardseher
gering.FürdieWirtschaftbietetdieUmstellungaufPQK-
Verfahren Chancen für innovative Produkte und Dienst-
leistungen.FürQKDistdieSituationumgekehrt:Trotzder
MarktführerschaftvonID Quantiqueistdiewirtschaftliche
BedeutungfürdieSchweizaktuellundindenkommenden
Jahrenehergering.DemstehteinesteigendeForschungs-
aktivitätgegenüber,insbesonderewennauchForschung
zudenfürQKDbenötigtenGrundbausteinenberücksich-
tigtwird.Esistwichtig,dassdietechnologischeFührungim
QKD-Bereicherhaltenbleibt.
Für den Schutz sensitiver Informationen und Kommunikationsverbindungen sind sichere kryptografische Verfahren essenziell. Quantenkryptografie spielt bei der von Quantencomputern ausgehenden Bedrohung eine wichtige Rolle. Einerseits bringt sie kryptografische Verfahren hervor, die auf physikalischen Gesetz-mässigkeiten bezüglich des Zustandes von Lichtteilchen (Quanten) beruhen und die im Gegensatz zu den heutigen Verfahren von den Fähigkeiten der (Quanten-)Computer unabhängig sind. Dabei ist Quantum Key Distribution (QKD) eine Schlüsseltechnologie, welche die sichere Vereinbarung eines Schlüssels über einen unsicheren Kanal erlaubt. Andererseits ermöglicht Quantenkryptografie auch die Entwicklung von Verfahren, mit denen Quantencomputer einige der heute weit verbreiteten kryptografischen Standards viel effektiver angreifen können als klassische Computer. Als Gegenreaktion wurden kryptografische Ver-fahren entwickelt, deren Sicherheit auf mathematischen Problemen beruht, die Quantencomputer nicht signifikant schneller lösen können als herkömmliche Computer. Diese Verfahren werden unter dem Sam-melbegriff Post Quantum Kryptografie (PQK) zusammengefasst.
Quantenkryptografie
Bernhard Tellenbach (ZHAW)
Energie und Umwelt
48
49
So sieht es heute ausEswirderwartet,dassderAnteilanalternativenAntrieben
starksteigenwird.DabeikannzwischenzweiHauptent-
wicklungen unterschieden werden: Elektrifizierung der
AntriebeundElektrifizierungderTreibstoffe.DieElektrifizie-
rungderAntriebewurdedurchFortschritteinderBatte-
rietechnologie initiiert, die Reichweiten und Laderaten
ermöglichen,dievorherundenkbarwaren.DieElektrifi-
zierungderAntriebereichtvoneinfachenHybridkonzepten
überVollhybridebishinzureinenelektrischenKonzepten
mitBatterienoderBrennstoffzellen.DieForschungsschwer-
punkte liegen in derOptimierungdes Energiemanage-
mentswiederRekuperationoderderAbwärmenutzung
fürdieKabinenheizung,desLademanagementssowiein
der Entwicklung unkritischer Materialien mit höheren
SpeicherkapazitätenfürBatterien.
ZurElektrifizierungderTreibstoffezähltdieHerstellungvon
Wasserstoff und synthetischen Kohlenwasserstoffen.
DazuwirderneuerbareElektrizitätineinemerstenSchritt
fürdieZerlegungvonWasser inSauerstoffundWasser-
stoffgenutzt.DieserwirddannentwederdirektinWasser-
stoff-Fahrzeugengenutzt oder indirektdurchUmwand-
lung mit CO2 in Kohlenwasserstoff zum Antrieb von
Hybrid-oderkonventionellenFahrzeugen.Aufgrundder
hohenEnergiekostensensitivitätwirdhierprimärander
Wirkungsgradsteigerunggeforscht.
Ein Blick in die ZukunftAlleauferneuerbarenEnergienbasierendenKonzepteer-
reichenhinsichtlichCO2-EmissionenähnlichniedrigeWerte.
FürdieMarktentwicklungentscheidendsinddeshalbprimär
dieGesamtkosten.DieseliegenfüralleAntriebskonzepte
zueinemerheblichenAnteil ausserhalbder Fahrzeuge,
beispielsweise inder Infrastruktur oder der Energiespei-
cherungund-bereitstellung.UnterBerücksichtigungaller
Aspektekannbeiprimärlokal/regionaleingesetztenPer-
sonenwagenbzw.NutzfahrzeugeneinhoherAnteilan
elektrischenAntrieben(BatterieundBrennstoffzellen)er-
wartetwerden.FürinterregionaleAnwendungensowie
Langstrecken-undLastanwendungenwerdenesvoraus-
sichtlich mit synthetischen Treibstoffen betriebene Fahr-
zeugesein.
DieSchweizisttechnologischsowohldurchForschungsins-
titutionenwieauchIndustrieunternehmeninbeidenEnt-
wicklungsschwerpunktengutpositioniert.Entscheidend
ist,TechnologieoffenheitundwettbewerblicheRahmen-
bedingungenzuerhalten,umInnovationeninbeidenBe-
reichenbestmöglichzufördern.
Weltweit sind heute rund 1,3 Milliarden Fahrzeuge immatrikuliert – rund 90 Prozent davon mit konven-tionellen Benzin- und Dieselmotoren. Der Rest sind Fahrzeuge mit alternativem Antrieb. Gemäss EU-Richtlinie 2014/94/EU werden darunter solche mit teil- und vollelektrischem Antrieb sowie alle nicht mit Benzin oder Diesel betriebenen Fahrzeuge verstanden. Sie teilen sich heute auf 40 Prozent Ethanol-/Methanol-, 40 Prozent Gas-/ Flüssiggas- und 20 Prozent Hybrid-/Elektrofahrzeuge auf.
Alternative Antriebssysteme für Fahrzeuge
Christian Bach(Empa)
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So sieht es heute ausEinaktuellesThema in ForschungundEntwicklung sind
Identifizierung,QuantifizierungundNutzungdesPotenzials
derFlexibilität imStromnetz.WiekönnenEnergiebedarf
und-produktionflexiblergestaltetwerden,umsoeinen
weiterenNetzausbauzuverhindernundeineweitreichen-
de Integration der fluktuierenden Energiequellen Sonne
undWindzuermöglichen?DasvollePotenzialdezentraler
Energiesystemekannerfasstwerden,wenndieenergiere-
levantenSektorenGas,Mobilität,StromundWärmeganz-
heitlichberücksichtigtwerden.DielokaleBereitstellung
von Dienstleistungen wie Regelenergie, aber auch ver-
schiedensteEnergieumwandlungsoptionen,dievielseitig
fürGebäude,MobilitätoderIndustrieeingesetztwerden
können(z.B.Power-to-X,alsodieUmwandlungvonStrom
in gasförmige oder flüssige Energieträger) zeigen die
Möglichkeiten der Sektorenkopplung. Die Investitions-
kosten für dezentrale Systeme sind derzeit noch sehr
hoch. Es ist jedoch absehbar, dass deren Energiegeste-
hungskostenzukünftigdankSkaleneffektenundderNut-
zung erneuerbarer Energiequellenmassiv reduziertwer-
dendürften.
DerBundesrathatsichdieÖffnungdesStrommarktszum
Zielgesetzt,umInnovation inderEnergieversorgungzu
fördern, einheimische erneuerbare Energien zu stärken
unddieKlimazielezuerreichen,dadieSchweizbeimAus-
bauvonSonnen-undWindenergieimeuropäischenRaum
hinterherhinkt. Die einhergehenden regulatorischen An-
forderungensindeinebislangnichtgelösteHerausforde-
rungfürdieweitereÖffnungdesStrommarkts.Hingegen
konntendurchdasZulassenvonEigenverbrauchsgemein-
schaften,welcheSolarstrominlokalenZusammenschlüs-
senselbstproduzierenundverwalten,seit2018ersteGe-
schäftsmodellefürdezentraleEnergiesystemeentstehen.
Ein Blick in die ZukunftSolltedieweitereÖffnungderEnergiemärkteunddieSek-
torenkopplungindennächstenJahrenstattfinden,werden
dezentraleEnergiesystemeanBedeutunggewinnen.Für
SchweizerUnternehmenbietetdies vieleneueMöglich-
keiten,aufdenZugaufzuspringen.DazuzählenzumBei-
spielEntwicklung,PlanungundIntegrationvonerneuer-
barenEnergiesystemen,vonSpeicher-,Umwandlungs-und
Grid-TechnologiensowieSmart-Home-Lösungen,aber
auch neue Vertriebsmodelle, Contracting-Lösungen und
andereEnergiedienstleistungen,umdenUmbaudesEner-
giesystems voranzutreiben. Parallel dazu werden auch
StädteundGemeindeneinezunehmendwichtigeRollein
derUmsetzungspielen,daihrHandlungsspielraumdurch
die Entwicklungen imEnergiebereichmassiv vergrössert
wird.
Dezentrale Energiesysteme basieren auf dem lokalen Zusammenschluss mehrerer Gebäude, welche ver-schiedene Energieträger wie Biomasse, Gas, Geothermie, Öl und Solarenergie sowie unterschiedliche Umwandlungs- und Speichertechnologien (z. B. Batterien, Photovoltaik oder Wärme-Kraft-Kopplung) ge-meinsam nutzen. Energieproduktion und -nachfrage können mit einem solchen Energiesystem örtlich, aber auch zeitlich optimal bewirtschaftet und Lastspitzen verringert werden.
Dezentrale Energiesysteme
Kristina Orehounig (Empa)
51
So sieht es heute ausDieSchweizhat,bezogenaufdieBevölkerung,weltweit
den grössten prozentualen Anteil an Erdwärmesonden.
Der Trend für neue Anlagen ist unvermindert steigend.
Heutewirdca.4ProzentderbenötigtenWärmefürRaum-
heizung und Warmwasser mit Geothermie gewonnen.
StatistikenüberdenEinsatzvonGeothermiezurKühlung
fehlennoch.UntiefeGeothermieanlagensindfürdieintelli-
gentethermischeVernetzungeinwesentlicherBaustein:
SogenannteAnergienetzekönnengleichzeitigdieWärme-
wieauchdieKälteversorgungfüreingeeignetesVersor-
gungsgebietsicherstellen.DieSchweiz isthiertechnolo-
gischweltweitmitführend.MitteltiefeGeothermieanlagen
gibteshingegenerstvereinzelt,obwohldieTechnologie
inunserenNachbarländernundauchweltweit in vielen
Ländernetabliert ist.PetrothermaleAnlagengibtesnur
imAusland.
Ein Blick in die ZukunftHydrothermaleAnlagensindweltweitetabliert,esbesteht
jedocheineAbhängigkeitvondennatürlichenWarmwas-
servorkommen im Untergrund. Mit der petrothermalen
TechnologiekannhiereineUnabhängigkeiterreichtwer-
den.DiesestehtdaherimZentrumvonForschungundEnt-
wicklungsowievonPilot-undDemonstrationsprojekten.
DieSchweizisthiereinesderaktivstenLänder.
InderSchweizsollenindennächstenJahrenfolgendehyd-
rothermaleundpetrothermaleProjekte realisiertwerden:
AGEPP, EnergeÔ Vinzel, Geo2RiehenundHaute Sorne.In
GenfsinderstemitteltiefehydrothermaleBohrungenfür
eine Fernwärmeversorgung im Bau. Dank dem neuen
EnergiegesetzwirdinderSchweizstarkindieForschung
investiert.Derzeitarbeitenrund80ForschendeimBedretto
Underground Laboratory for Geoenergies. Sie führen
verschiedene internationale Projektedurch,was zuopti-
mierten technologischen Verfahren und deutlichen Kos-
tensenkungenführt.DasPotenzialderGeothermieistin
derSchweizfüralleArtenderNutzungenorm.DieFor-
schungwirdwesentlichdazubeitragen,dasssichhierzu-
landeauchdiemitteltiefeundtiefeGeothermieetablieren
kann.SienimmteinebedeutendeRollebeiderErreichung
derKlimazieleeinund trägtwesentlichzueiner lokalen
Wertschöpfungbei.
Geothermische Energie ist im Untergrund gespeicherte Wärme. Über 99 Prozent der Erde sind heisser als 1‘000 °C. Somit ermöglicht geothermische Energie CO
2-freie Energiegewinnung – jederzeit. Hydrothermale Geothermie nutzt das in bestimmten Erdschichten natürlich vorhandene warme Wasser. Bei der petrother-malen Geothermie hingegen wird Wasser in den tiefen Untergrund gepumpt, um dort künstliche Wasser-fliesswege zu erschaffen oder zu erweitern. Bei beiden Technologien wird das warme Wasser in einem Kreislauf über eine Bohrung aus der Tiefe an die Oberfläche gepumpt, die Wärme für die Strom- und/oder Wärmeproduktion entnommen und das abgekühlte Wasser über eine zweite Bohrung in den Untergrund zurückgeführt. Je tiefer das Reservoir liegt, desto höher die Wassertemperatur. Bis ca. 500 Meter und ca. 30 °C spricht man von untiefer Geothermie zum Heizen und Kühlen von Gebäuden. Erdwärmesonden sind die bekannteste Nutzung. Mitteltiefe Geothermie (bis 3‘000 Meter und ca. 100 °C) dient zum Heizen von Bürogebäuden, Industrieunternehmen und ganzen Quartieren oder zur Einspeisung in Fernwärmenetze. Mit tiefer Geothermie (ab 3‘000 Meter und über 120 °C) kann auch Strom erzeugt werden.
Geothermie
Katharina Link (Geothermie-Schweiz)
52
So sieht es heute ausDie«künstlichenBlätter»,indenendiesechemischenPro-
zesseablaufen,erfordern,dasskomplexeProzessekontrol-
liert werden. Das Sonnenlicht muss effizient zur Erzeu-
gungderunterschiedlichenLadungsträgerfürchemische
Prozesse genutzt werden. Diese Ladungsträger treiben
die brennstoffproduzierenden Prozesse an, indem sie
Wasser- oder CO2-Moleküle spalten. Die aktuelle For-
schungimBereichderkünstlichenPhotosynthesefokus-
siertzueinemgrossenTeilaufdenphotoelektrokataly-
tischen Aufbau und auch auf die Entwicklung hybrider
Systeme. Letztere nutzen Erkenntnisse aus der syntheti-
schenBiologiemitdemZiel,neuemolekulareKomponen-
tenzudesignen.WeltweitgibtesimBereichderkünstli-
chen Photosynthese und in verwandten Gebieten weit
mehralshundertForschungsgruppen,dieamVerständnis
grundlegenderZusammenhängeundanPrototypenarbei-
ten. Der 2017 lancierte EU-Wettbewerb «Fuel from the
Sun:ArtificalPhotosynthesis»verfolgtdasZiel,denge-
genwärtigen Entwicklungsstand zu verbessern. Im Blick-
feld der Forschung sind auch Kosten, Effizienz und Be-
ständigkeitderinvolviertenMaterialien.
Ein Blick in die ZukunftZielistes,innaherZukunftdieLeistungsfähigkeitaufca.
10 Prozent Solar-zu-Wasserstoff-Effizienz zu erhöhen. Es
wirdangestrebtdenWirkungsgradbisinsJahr2050auf30
Prozentzuerhöhen.KünftigkönntediekünstlichePhoto-
synthese von Erkenntnissen aus dem Bereich des CO2-
Captures und von der Entwicklung von photovoltaischen
Komponentenprofitieren.DiedirekteSpeicherungvon
SonnenenergieinBrennstoffenundanderenChemikalien
hatdasPotenzial,effizienterzuseinalsVerfahren,dieauf
Biomasse basieren. Zudem gibt es bei der direkten Um-
wandlungvonSonnenenergiekeinenZielkonfliktzwischen
Nahrungsmittel-undTreibstoffproduktion.
DieSchweizerForschungs-undUnternehmenslandschaft
istidealaufgestellt,umdieEntwicklungvondisruptiven,
direkten Solar-zu-Wasserstoff-Technologien massgeblich
zuprägen,obwohldiesersteinZwischenschritthinzuei-
nernachhaltigenProduktionvonAmmoniakundanderen
Schlüsselrohstoffendarstellt.DieNationalenForschungs-
programmederSchweizimBereichderEnergieforschung
inKombinationmiteinemstetigenWachstuminternatio-
nalerForschungskooperationenbildeneineausgezeichnete
Grundlage für weitere konzeptionelle Durchbrüche. Im
verwandtenFelddessolarthermochemischenEngineerings
gehört die Schweiz indes zur Weltspitze, und es ent-
standeninderSchweizüberdieletztenJahreausgereifte
Bioreaktoren und weitere Strom-zu-Gas-Projekte. Als
kleinesLandkanndieSchweizstarkvonTechnologienwie
derkünstlichenPhotosyntheseprofitieren,umdasEner-
gieportfolioweiter zudifferenzierenund ihreUnabhän-
gigkeitzustärken.ImFeldderkünstlichenPhotosynthese
könnte sie viele Innovationen exportieren. Zusätzliche
Folgeinnovationenkönntengenutztwerden, umWasser
zureinigen.UmdieanstehendenHerausforderungenzu
meistern,bedarfesstarkerundnachhaltigerKollabora-
tionenzwischenHochschulenundGrossunternehmen.
Verfahren, die Sonnenlicht nutzen, um Brennstoffe herzustellen, werden als künstliche Photosynthese bezeichnet. Diese Verfahren imitieren die natürliche Photosynthese, also den Prozess, mit dem Pflanzen Biomasse aus Wasser und Kohlenstoffdioxid produzieren. In der künstlichen Photosynthese wird Wasser in Wasser- und Sauerstoff oder CO
2 reduktiv in Wertstoffe überführt. Im Unterschied zu anderen lichtge-triebenen Technologien, wie etwa der Photovoltaik oder der solaren thermochemischen Brennstoff-produktion, kommen die Verfahren der künstlichen Photosynthese ohne die Zugabe von Biomasse oder externe elektrische Energiequellen aus.
Künstliche Photosynthese
Greta Patzke (UniversitätZürich)
53
So sieht es heute ausNachanfänglichenErfolgeninHelsinki,SingapurundWien
konnten sich innovativeMobilitätskonzeptenurmarginal
weiterverbreitenodermusstenwegenfehlendenkommer-
ziellenErfolgseingestelltwerden.Esgabinsgesamtkeine
nennenswerten Fortschritte. Automatisierte Fahrzeuge
könntenfürmoderneMobilitätskonzepteeinGamechanger
sein.Die Fahrzeughersteller haben jedoch ihre zeitlichen
AmbitioneninBezugaufderenEinsatzstarkrelativiert,da
derÜbergangvomheutigenzumautomatisiertenBetrieb
nichtsoproblemloswieursprünglichangenommenüber
dieBühnegehenwird.VorallemdersogenannteMischver-
kehrunddiestufenweiseAnhebungdesAutomatisierungs-
gradsstellengrosseHürdenbeiderEinführungautomati-
sierterFahrzeugedar.AngetriebendurchdieKlimadebatte
konzentriertsichdieFahrzeugindustriedahervermehrtauf
dieEntwicklungvonneuenAntriebstechnologien.Nam-
hafte Fahrzeughersteller haben ihre Projekte im Bereich
Mobilitätgestoppt,obwohlnochimmerdieErwartungbe-
steht,dassmitMobilitätskonzepteneinwesentlicherBei-
tragzurCO2-Reduktionerbrachtwerdenkann.Diegrösste
HerausforderungbeidererfolgreichenUmsetzungneuer
MobilitätskonzepteistdiezersplitterteVerkehrslandschaft.
Nurdiegrossen Internetanbieter,nichtaberVerkehrsbe-
triebeunddieöffentlicheHand,verfügenaktuellüberdie
notwendigenVoraussetzungenundDaten,umdasThema
vernetzteMobilitätvoranzutreiben.Aktuellentstehenda-
hervorallemAngebote,welcheprimärkommerzielleIn-
teressenberücksichtigen.ZudembestehtdieGefahr,dass
dieöffentlichenHandzuwenigSteuerungseinflussaufAn-
gebotehat.
KeinesderinderSchweizinitiiertenMobilitätsprojektewie
dieMobilitätsappvonPostautooder«abilio»konntedie
VernetzungverschiedensterVerkehrsmittelbisherbewei-
sen.EinigedieserProjektewurdeneingestellt.Aktuellbe-
finden sich nur noch regionale Projekte in Entwicklung.
Neben der zersplitterten Verkehrslandschaft ist vor allem
dieFragenacheinemtragfähigenGeschäftsmodellfüralle
BeteiligteneinegrosseHürde fürdieerfolgreicheUmset-
zungvonMobilitätslösungen.DieErkenntnisseauseinzel-
nenVersuchenzeigen,dassfürdieerfolgreicheUmsetzung
neuerMobilitätsangeboteeineneutraleDateninfrastruktur
nötigist.DieerfolgreicheGründungentsprechenderZweck-
gesellschaftenhatgezeigt,dassdiebestehendenHürden
mehrheitlichüberwundenwerdenkönnen.
Ein Blick in die ZukunftNationalkontrollierteMobilitätskonzeptekönneneinen
wesentlichenBeitragzurBewältigungderanstehenden
HerausforderungenfürRaum,UmweltundVerkehrleisten.
BeiderenUmsetzunggilteswenigertechnischeundkom-
merzielle,sondernprimärorganisatorischeHürdenzuüber-
winden.
FallsinderSchweiznichtrascheinnationalkontrolliertes
Mobilitätskonzept umgesetzt wird, wird die unwieder-
bringlicheVerlagerunginRichtunginternationalerInternet-
konzerne kaum zu vermeiden sein. Die Bündelung aller
nationalrelevantenKräfteundProjekteineinerInitiative
mitbasisdemokratischerGovernancewürdedieoptimale
VoraussetzungzurSicherstellungnationalkontrollierter
Mobilitätskonzepteschaffen.
Mit Mobilitätskonzepten sollen unterschiedliche Verkehrsmittel aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer einfach und möglichst integral als eine Dienstleistung zusammengefasst werden. Dem Einsatz von auto-matisierten und geteilten Fahrzeugen kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu.
Mobilitätskonzepte
Thomas Küchler (SchweizerischeSüdostbahnAG)
54
So sieht es heute ausDieLebensmittel-WertschöpfungskettereichtvonderPri-
märproduktionder landwirtschaftlichenRohstoffeüber
prozesstechnischeLebensmittelverarbeitung,Verpackung,
Lagerung,Transport,DistributionundVerkaufbiszurZu-
bereitungvonMahlzeitenundderenVerzehr.Umsozial-
ökonomischeAspektedesKonsumsvonLebensmittelnzu
berücksichtigenundmassgeblicheRelevanzfüreineganz-
heitliche Nachhaltigkeitsanalyse zu erreichen, sollte die
Wertschöpfungskette um die Elemente Verdauung und
Gesundheiterweitertwerden.DennauchfalscheErnäh-
rung kann die Nachhaltigkeit beeinflussen: Selbst wenn
konsumierteLebensmittelunteroptimalenNachhaltigkeits-
kriterienproduziertwurden,resultierenbeifalscherErnäh-
rungdamitassoziierteKrankheiten,derenAuswirkungen
undBehandlungendieNachhaltigkeitsbilanznegativbe-
einflussenkönnen.FürdietechnologischfokussierteAna-
lyse wird der Gesundheitsaspekt nicht einbezogen, da
dieser im Kapitel «Personalisierte Ernährung» (Seite 76)
thematisiertwird.DieAgenda 2030derVereinten Nationen
mit17Entwicklungszielen imBereichderNachhaltigkeit
ist2020durchdieCorona-PandemieausdemTrittgeraten
undeinigeZielefürdienachhaltigeEntwicklung(Sustain-
ableDevelopmentGoalsSDGs)scheinendeswegenausser
Reichweite.EineAnpassungderSDGswirddiskutiert.
DasSchweizerErnährungssystemunddieLebensmitte-
lindustriehabendieSDGsaufbreiterAnwendungsebene
in ihre Zielsetzungen implementiert. Seit Veröffentli-
chung der SDGs im Jahr 2015 wurden in der Schweiz
sichtbare Fortschritte erzielt. Es bleibt abzuwarten, ob
sichdurchdieAuswirkungenderCorona-PandemieEin-
schränkungen oder Gewichtsverlagerungen ergeben
werden. Aus der Verbindung von SDG 3 (Gesundheit
und Wohlergehen) und SDG 12 (Verantwortungsvoller
KonsumundProduktion)lassensichneueSchwerpunkte
und relevanteGeschäftsmodelle ableiten, die auchder
ernährungsbasiertenKrankheitsprophylaxemehrBedeu-
tung einräumen. Entsprechende Kompetenzen sind in
derSchweizerIndustrievorhandenundsolltenverstärkt
aktiviertwerden.
Ein Blick in die ZukunftAustechnologischerPerspektivekönnendieLebensmittel-
Wertschöpfungsketten mittels verbesserter Integration,
Interaktion und Flexibilisierung der Komponenten ökolo-
gisch und ökonomisch nachhaltiger gestaltet werden.
DafürsindQuerschnittstechnologiengefragt,welcheder
ausgeprägten Diversität dieser Wertschöpfungsketten
unddenspezifischenRahmenbedingungenRechnungtra-
gen.SolchesindzumBeispielRobotik,additiveFertigungs-
verfahren, Biotechnologie, Digitalisierung und künstliche
Intelligenz,ProzessautomationsowieSensorikinEchtzeit.
Allenfalls müssen diese Querschnittstechnologien bezüg-
lichHygieneundSicherheitsaspektenandieAnforderungen
derLebensmittelindustrieangepasstwerden.DerEinsatz
vonBlockchainundKryptowährungermöglichteTranspa-
renz und Rückverfolgbarkeit unter Gewährleistung der
Datensouveränität und Privatsphäre. Eine entscheidende
Rolle über ganze Wertschöpfungsketten hinweg wird
künftig das sichere Management grosser Datenmengen
spielen.AufglobalpolitischerEbenewäreeineErweiterung
desCodex AlimentariusinsAugezufassen,umdernutri-
tivenundökologischenQualitätvonLebensmittelnStan-
dardszuzuordnen.
Schweizer Firmen verfügen in vorab genannten Quer-
schnittstechnologienübermassgeblicheKompetenzenund
beanspruchen teilweise internationale Marktführerschaft.
Nahezuallederrund2‘200UnternehmenderSchweizer
Lebensmittelbranche adressieren in ihren Zielsetzungen
Nachhaltigkeitsaspekte.Sierepräsentierenmitrund62‘000
Beschäftigtenundjährlichrund25MilliardenFrankenUm-
satz5,3ProzentdesSchweizerBIP.KonzertiertesHandeln
istangezeigt,umdieNachhaltigkeitszielederSchweizzu
erreichenundMarktpotenzialeabzuleiten.
Die nachhaltige Lebensmittelproduktion behandelt in einem systemorientierten Ansatz die gesamte Wert-schöpfungskette unter Einbezug ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte. Es wird zunächst lokal und als Endziel global ein dynamischer Gleichgewichtszustand angestrebt. Um diesen zu erreichen, bedarf es einer mehrdimensionalen Analyse, welche die Kriterien entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausgewogen darstellt.
Nachhaltige Lebensmittelproduktion
Erich Windhab (ETHZürich)
55
So sieht es heute ausDerweltweitePV-MarkthatseinstetigesWachstummit
fast 130 GW Neuinstallationen im Jahr fortgesetzt und
2020 insgesamtfast760GWerreicht. Ineinemraschen
Wandel haben monokristalline c-Si-Module multikristal-
line c-Si-Module abgelöst. Unterdessen machen sie
wegendesPreiszerfallsdesmonokristallinenSiliziumsund
des höheren Wirkungsgrads mehr als 70 Prozent des
Marktesaus.Gut90ProzentderHerstellervonSolarzellen
habendiePERC-Technologie(PassivatedEmitterandRear
Cell) übernommen,dieeinenabsolutenEffizienzgewinn
von1,5–2,5ProzentaufZellenebeneermöglicht.2020er-
reichtendiegängigenPERC-ModuleeinenWirkungsgrad
von 19–20 Prozent. Gleichzeitig ist der Modulpreis auf
unter0,2–0,25US-Dollar/Wattgesunken.DankVerbesse-
rungenbeiderKonstruktionunddemBetriebvonSolar-
parkswirdinsonnenreichenLändernextremniedrigePro-
duktionskostenfürSolarstromvonunter2Euro-Centspro
kWhgemeldet.
In der Schweiz hat die Installation von PV 2020 zuge-
nommen,mit430–460MWzusätzlich.JüngsteSzenarien
zeigen,dass35–50GWPV(stattderursprünglichinder
Energiestrategie geplanten 12 GW) in Kombination mit
der Elektrifizierung des Verkehrs und der Nutzung von
WärmepumpeneinenGrossteilderDekarbonisierungder
Schweiz ermöglichen würden. Auf Schweizer Dächern
und Fassaden besteht grundsätzlich das Potenzial für
dieProduktionvon67TWhSolarstrom(ungefähr65GW
Leistung).EssindaberzusätzlicheMassnahmennötig,
umdieInstallationvonPV-AnlagenimInlandaufüber1
GW/Jahrzuerhöhen.
Ein Blick in die ZukunftMehrereneueStudienzeigen,wieSonne,WindundEner-
giespeicherungdieHauptpfeilerderEnergiewendewerden
können. Auch wenn die PV heute auf einigen Märkten
wettbewerbsfähig ist,sindregulatorischeundfinanzielle
Unterstützung nötig, um das weltweite Volumen an
Neuinstallationenbis2030auf1‘000GWproJahrzustei-
gern,dasMindestniveau,daserforderlichist,umdieglo-
balenDekarbonisierungsbemühungenvollständigzuun-
terstützen.DaherbrauchtesindennächstenfünfJahren
nicht nur eine kontinuierliche SteigerungderModulleis-
tungundeinWachstumdesMarktes für fortschrittliche
Siliziummodultechnologien, sondern auch intensivierte
ForschungzuTechnologienmiteinemWirkungsgradvon
über 30 Prozent (beispielsweise Tandem-/ Perowskit-
Solarzellen)zutiefenKosten.ZugleichmüssenWegege-
funden werden, grosse Mengen an Solarstrom in das
Energiesystemeinzuspeisenunddortkurz-undlangfristig
zuspeichern.
Sowohl die Schweizer Forschungsinstitute als auch der
SchweizerHightech-PV-SektorimBereichAusrüstungund
KomponentennehmenweltweitweiterhineinestarkePosi-
tion mit bedeutenden Innovationen und Produkten in
einemsehrwettbewerbsorientiertenUmfeldein.EineChan-
cefürdieIndustriebestehtdarin,inderSchweizundEuropa
denNischenmarkt fürProduktemithohemMehrwertzu
erobern. Dazu gehören beispielsweise spezielle Produkte
mitultrahohemWirkungsgrad,Inselsysteme,gebäudeinte-
grierte, farbige, flexible oder leichte PV-Elemente, Mess-
techniklösungen,SoftwarebeispielsweisezumSolarstrom-
managementoderfürdieSystemsimulationsowieAnge-
botefürdieSolarmobilitätaufAutosundSchiffen.
Photovoltaik (PV) beschäftigt sich mit der direkten Umwandlung von Licht in Elektrizität dank Solarzellen und -modulen. Sie umfasst aber auch Komponenten, die die Nutzung dieser Elektrizität ermöglichen, Installa-tionsaspekte wie Montagesysteme und Gebäudeintegration, verschiedene Anwendungsbereiche sowie Planung, Überwachung, Wartung, Prognose und Systemintegration von Solarstrom.
Photovoltaik
Christophe Ballif (EPFL)
56
So sieht es heute ausEinewesentlicheUrsachefürdiegeringenRecyclingquoten
ist,dassdieentsprechendenRohstoffenurinsehrgerin-
genMengenverwendetwerden,sodasssiehäufignicht
wirtschaftlichrezykliertwerdenkönnen.BeiMetallenmit
hohemWert–etwaGoldinderElektronikoderPlatinme-
talleinKatalysatoren–funktioniertdasRecyclinghingegen
schongut.WegendengrossenMengenunddergeringen
DurchmischungistauchdasRecyclingvonKobaltausAn-
triebsbatterien von Elektroautos vielversprechend und
wird in vielen Ländern als Vorbereitung zur Mobilitäts-
wendebereitsimplementiert.DasLithium-Recyclingmacht
in diesem Kontext ebenfalls Fortschritte. Auch bei den
SeltenerdmetallenlässtsichbeimanchenMagneten–etwa
in Windturbinen und Harddisks – das Recycling heute
schonwirtschaftlichdurchführen.EinwichtigerFaktorist
hierdieZuverlässigkeitdesRücklaufsderProdukte.Ent-
sprechendsindnichtnurInnovationeninderWiederver-
wertung gefragt, sondern auch in den logistischenund
wirtschaftlichenSystemen.
Ein Blick in die ZukunftEs istzuerwarten,dassKundinnenundKundenzuneh-
mendaufdiesozialenundökologischenProblemeinLiefer-
kettenaufmerksamwerden.Auchistesdenkbar,dassdie
Versorgungssicherheit wieder stärker zu einem gesell-
schaftlich diskutierten Thema wird. Die Anstrengungen
zum Recycling kritischer Metalle müssen im Sinne der
Kreislaufwirtschaftverstärktwerden.InZukunftwirddas
RecyclingvonBatterienfürdieElektromobilitätsowievon
Windkraft-undPhotovoltaikelementeneinenhohenStel-
lenwerteinnehmen.DiessindzudemBereiche,diesichzur
ImplementierungnachhaltigerGeschäftsmodellebeson-
derseignen.
InderSchweizsinddieMengenrezyklierbarerkritischer
RohstoffeinvielenFällenzugering,umwirtschaftlichren-
tabelzusein.InAnbetrachtdergeringenMengenistdie
VerwendungvonNeumaterialienzudemhäufignichtkos-
tenrelevant.NurspezialisierteUnternehmenverfügenüber
das nötige Know-how zum Recycling. Damit bleibt der
AnteilrezyklierterProdukteheuteoftnochklein.Wichtig
ist, zu identifizieren, welche technischen Kompetenzen
fürdasRecyclingspezialisierterMetalleselbstaufgebaut
werdenkönnenundwoessinnvollist,sichmitUnterneh-
men und Systemen – auch im Ausland – zusammenzu-
schliessen.GleichzeitigsollteeinAugenmerkaufgeopoli-
tischeEntwicklungenliegensowie–angesichtseineszu-
nehmendengesellschaftlichenFokusaufNachhaltigkeit–
transparenteLieferkettenangestrebtwerden.Esgilt,neue
Geschäftsmodellezuentwickeln:nichtnurimRecycling,
sondernauchinderErhöhungderRessourceneffizienz.
Ressourcen gelten als kritisch, wenn sie eine grosse volkswirtschaftliche Bedeutung haben und die Wahr-scheinlichkeit für Versorgungsprobleme hoch ist. Es gibt viele Listen sogenannt kritischer Rohstoffe. Auf fast allen kommen Hochtechnologiemetalle vor wie seltene Erden, Platingruppenmetalle, Kobalt, Niob, Tantal, Antimon, Gallium, Germanium und Indium. Eine hohe Nachfrage sowie Monopolstellungen und mangelnde Verlässlichkeit der Produktion sind wesentliche Treiber der Kritikalität von Rohstoffen. Hinzu kommen ökologische und soziale Risiken in der Lieferkette. Auch eine tiefe Recycling-Rate sowie mangelnde Substituierbarkeit durch Ersatzrohstoffe haben entscheidenden Einfluss auf die Kritikalität. Zum Themen-komplex Recycling gehören Sammlung, Trennung sowie Zerlegung von Einzelprodukten oder Komponenten und Separation in die entsprechenden Ausgangsstoffe. Ursachen der Kritikalität und Möglichkeiten des Recyclings unterscheiden sich je nach Rohstoff stark.
Recycling von seltenen Erden
Xaver Edelmann (WorldResourcesForum)und Alessandra Hool (EntwicklungsfondsSelteneMetalle,ESMFoundation)
57
So sieht es heute ausDiedezentraleElektrizitätserzeugungbreitetsichzuneh-
mendaus,waszueinererhöhtenNachfragenachLösun-
gen zur Optimierung von Lastverläufen führt. Parallel
dazu spielt die nachfrageseitige Flexibilität eine immer
wichtigereRolle.DiesleiteteinengrundlegendenWandel
inderEnergiewirtschaftein,derüberNetzstabilisierung
undReduktionderLastspitzenhinausgeht.Dazukommen
diemodernenMobilitätskonzepteundLadeinfrastrukturen
fürElektrofahrzeuge.DiesestelleneinezusätzlicheHeraus-
forderungandieFlexibilisierungderLastverteilung.Strom-
versorgungsnetzemüssenaufdiemöglicheHöchstbelas-
tungausgelegtsein.AusvolkswirtschaftlicherSichtdrängt
sich eine Minimierung des erforderlichen Netzausbaus
durchdenEinsatzvonFlexibilitätauf.Esgehtalsoumeine
optimierte Auslastung der bestehenden Infrastruktur zu
tiefenBetriebskostenundeinengeringerenAusbaubedarf
mitEinsparungeninMilliardenhöhe.MitdemAusbauder
erneuerbarenEnergiequellenkanndieEinspeisungjeder-
zeitundsofortohneVoranmeldungzu-oderabnehmen,
waszusteigenderKomplexitätimNetzführt.SmartGrids,
gekoppeltmitsmarterDatenanalyse,gleichenErzeugung
undVerbrauchausundtragendazubei,dieRegelungdes
Lastausgleichssozusteuern,dasseineÜberlastungderIn-
frastrukturundeinNetzausbauverhindertwerdenkönnen.
DieHerausforderungeninderSchweizerEnergiewirtschaft
sind bekannt: Die Diskrepanz zwischen dem effektiven
Planungshorizont und der jederzeit gewünschten Versor-
gungssicherheiterschwertdasunmittelbareHandeln.Zu-
demistdasStromabkommenmitderEuropäischenUnion
nochnichtabgeschlossen,weshalbdieVersorgungssicher-
heitderSchweiznichtgewährleistetist.DieCorona-Krise
zeigte deutlich, dass sich die betroffenen Länder zuerst
umdieVersorgungder eigenenBevölkerungkümmern,
wasdieWichtigkeitvonAutarkieinderEnergieversorgung
betont.DieErkenntnis,dasssichdieaktuellenGesetzge-
bungenändernmüssen,hatsichnochnichtdurchgesetzt.
Ein Blick in die ZukunftEineumfassendeBetrachtungvonEnergieerzeugungund
-verbrauch rückt mit der Zunahme von dezentralen, er-
neuerbarenEnergiequellen indenVordergrund.EinVer-
bundmussentstehen, indemalleAkteuredesEnergie-
markts,auchdieNetzbetreiber,maximaldaranarbeiten,
denAusgleichdesEnergiehaushaltszwischenBereitstel-
lungundVerbrauchzuerreichen.InderSchweizmussein
Weggefundenwerden,umdersteigendenUnplanbarkeit
bei Energiebereitstellung und -verbrauch im Zuge der
Energiewende mittelfristig Herr zu werden. Andernfalls
drohenimmenseKostenfürdenAusbauderNetzinfrastruk-
tur.EsbrauchteinParadigmenwechsel,wiedieDimensio-
nierungderNetzinfrastrukturgeplantwerdensollteund
DatenzumwirklichnötigenAusbauinterpretiertwerden
können.DieHerausforderungenderEnergiewende,insbe-
sonderefürdieeffektivePlanungundSteuerungvonEner-
gienetzen,versetzenSmartGridsvoneinemtechnolo-
gischen Selbstläufer zurück zu einem technologischen
Hoffnungsträger.
Intelligente Netze, also Smart Grids, sollen die aus traditionellen und dezentralen Quellen eingespeiste Elektrizität und ihren dezentralen Verbrauch austarieren. Im Technology Outlook 2019 sind Smart Grids im gelben Quadranten als technologische Selbstläufer eingestuft. Es handelt sich um reife, gut etablierte Technologien, die sich momentan aber nur langsam entwickeln und für welche die Kompetenz in der Schweiz eher tief ist. Dieser Zustand könnte und sollte sich aber rasch ändern.
Smart Grids
Roland Küpfer (BKW)
58
So sieht es heute ausIndenvergangenenJahrenwarnationalundinternational
mehrBewegungaufSeitenderEnergieversorgerzube-
obachten.DieGaswirtschaft denktoffendarübernach,
wiesieinZukunftBiogasoderWasserstoffbesserindie
Energieversorgung eingliedern kann. In Deutschland er-
halten die ersten Windparks keine Ausgleichszahlungen
mehrundmüssensichselbstvermarkten.DerFallNord-
deutschlandmachtdeutlich,dasszugewissenZeitenÜber-
kapazitäten vorhanden sind, die sich nur mit Speichern
sinnvollnutzenlassen.DadurchentstehterstmalseinMarkt
fürSpeicher.ZugleichverschlechtertsichdasMarktumfeld
fürfossileTechnologienzunehmend.AlsResultatbringen
Industriegrössen wie MAN Speicherlösungen auf den
Markt und die Petrochemie arbeitet an erneuerbaren
Grund-,Brenn-undTreibstoffen,umfossileEnergieroh-
stoffe zuersetzen.BrennstoffzellenundWasserstoff er-
haltenimBereichGüterverkehrzunehmendAufmerksam-
keit.DieZulieferindustriemusstechnischeKomponenten
undfertigungstechnischeVerfahrenmittelfristigfürBatte-
rien und Brennstoffzellen optimieren. Die Chemie muss
sichaufsynthetischeRohstoffeausrichtenundProdukte
wieBatterieelektrodenundMembranen liefernkönnen.
Die Entwicklung passender Geschäftsmodelle für die
SpeicherunghatsichindenletztenzweiJahrenleichtver-
bessert.
AusheutigerSichtstehenderSchweizfüreinenachhaltige
Energieversorgung Wasserkraft, Sonne, Wind und Geo-
thermiezurVerfügung.AufgrundderProduktionsprofile
vonSonneundWindimJahresverlaufunddesprognosti-
ziertenEnergiebedarfskannabgeschätztwerden,wieviel
EnergiemithilfevonSpeichernvomSommerindenHerbst
undWinterverlagertoderbeimangelndenSpeichertech-
nologien importiert werden muss. Es ist eine Optimie-
rungsaufgabeimDreieckvonImport,Energienetzenund
Speicher.DiebeidenEckpunkteImportundEnergienetze
sindinderSchweizseitlangemguterforscht,neuistdas
Feld der Energiespeicher im saisonalen Zusammenhang.
IndenvergangenensiebenJahrenwurdeninderSchweiz
diebekanntenLangzeitenergiespeicheroptionenimLabor-
massstaberforscht,bewertetundentwickelt.Damitwurde
eineguteAusgangslagefürdieUmsetzunggeschaffen:Die
Technologien für einenachhaltige, bequemeEnergiezu-
kunftstehenimLabormassstabzurVerfügungundmüssen
nun zur vollenMarktreife entwickeltwerden. Fürwirt-
schaftlichen Erfolg muss also wissenschaftliche Kompe-
tenzinGeschäftsmodelleumgewandeltwerden.
Ein Blick in die ZukunftIndennächstenJahrenwirdsichentscheiden,wiesichdie
Wasserstoffwirtschaftentwickeltundobesgelingt,kos-
tengünstigMethan,MethanoloderähnlicheVerbindungen
ausWasserstoff,BiomasseoderausderLuftgewonnenem
CO2herzustellen.ImBereichderWärmespeicherungwar-
tenSorptions-oderEisspeicheraufdenEinsatz.
FürdieSchweizbietetsichdieChance,ihrvonBrennstoff-
kosten(Öl,Gas,Uran)dominiertesEnergiesystemsoumzu-
bauen,dasszukünftigeAusgabeninwertbeständigeAn-
lagenzur regenerativenEnergieerzeugung (Geothermie,
Photovoltaik,Power-to-X,WasserkraftundWindenergie)
fliessen.DamitstärkendieAusgabenfürEnergiedieÖko-
nomie im eigenen Land. Das Schweizer Energiesystem
kannsorobusterundvonRohstoffmärktenunabhängiger
werden.DainderProduktionvonKomponentenfürdie
EnergiezukunftnochvielesneuundderMarkterstimEnt-
stehenist,birgtdieEntwicklungeinhoheswirtschaftliches
Potenzial,besondersfürdieimAnlagenbaustarkeSchweiz.
Esgilt,diesimUmfeldderheutigenGeschäftsmodellezu
erkennenundimAustauschmitKunden,Lieferantenund
EntwicklungspartnernChancenzuerarbeiten.
Zukünftige Speichertechnologien zielen auf Energiespeicher im grossen Stil, welche die Diskrepanz zwischen Stromproduktion und -verbrauch saisonal ausgleichen. Es braucht für die Zukunft Langzeitspeichersysteme, um die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern und die Stromkosten im Winter zu senken.
Zukünftige Energiespeicherung
Jörg Roth und Thomas Justus Schmidt (PSI)
59
Fertigungsprozesse und Materialien
60
61
So sieht es heute ausDieEntwicklungneuerMetall-undKeramikzusammen-
setzungenisteinrelativneuer,wachsenderTrend. Inter-
nationalwurdedieWerkstoffentwicklungfürdieadditive
FertigungindenletztenJahrenaufverschiedenenEbenen
undentlangdergesamtenProzesskette vorangetrieben.
DiesbeinhaltetedasHochfahrenderKapazitäteninder
Werkstoffproduktion,dadie Industrie erkannthat,dass
prozessspezifischeWerkstoffeAlleinstellungsmerkmalebe-
sitzen.DiesesBedürfnisnacherhöhterProduktionskapazi-
tätwirdsichmitderEntwicklungfortschrittlicherModel-
lierungswerkzeuge,auchinKombinationmitAnsätzender
KünstlichenIntelligenz,nochverstärken.
DieSchweizbeteiligtsichnurinbegrenztemUmfangan
diesemTrend.Dies istaufdiegeringe, jedochsteigende
ZahlvonUnternehmenzurückzuführen,dieadditivePro-
duktionsanlagenoderMaterialienentwickeln.Zudemist
derEinsatzfortschrittlicherModellierungswerkzeugenoch
sehrbegrenzt,dadieseaufMultiphysikbasierenund in
BezugaufLängeundZeitskalamehrereGrössenordnungen
abdecken müssen, um grosse und komplex geformte
Komponentenzumodellieren.DaheristihrEinsatzinder
RegelaufForschungsaktivitätenbeschränkt.
Ein Blick in die ZukunftIndennächstenJahrenwerdenEntwicklungenaufdem
Gebiet der Mehrfach- und Gradientenwerkstoffe sowie
derbiologischabbaubarenMaterialien fürdieKreislauf-
wirtschaftvermehrtAufmerksamkeitgewinnen.
DieSchweizverfügtübereinestarkeExpertiseinderEnt-
wicklungneuerMaterialformulierungenundderentspre-
chendenProzessgestaltung.InKombinationmiteinerbrei-
terenAnwendungderProzess-undMaterialmodellierung
würde dies zu einem Wettbewerbsvorteil für Schweizer
Unternehmen auf Gebieten wie Meta-Materialien, 4D-
DruckundKreislaufwirtschaftführen.Diessetztabervor-
aus, dass sich die Schweiz weiter auf ihre traditionellen
Stärkenkonzentriert,dassdieDigitalisierungauchfürdie
Material- und Prozessentwicklung umgesetzt wird und
UnternehmenvonderhiesigenForschungskompetenzpro-
fitierenkönnen.DieMaterialentwicklungfüradditiveFer-
tigung muss in der Schweiz gezielt unterstützt werden.
DabeiistdiegesamteWertschöpfungsketteinklusiveder
ProduktionskapazitätfürinnovativeMaterialienzuberück-
sichtigen.Dies isteinetraditionelleStärkeimKunststoff-
sektor. Die Produktion von fortschrittlichen Materialien
könnte jedoch auch Metallpulver, Photopolymere oder
anderesmarteMaterialienumfassenundderSchweizim
BereichdersmartenMaterialienundderdigitalenProduk-
tioneinehervorragendePositionermöglichen.Darausent-
stehenneueGeschäftsmodelleund-möglichkeitenentlang
dergesamtenHerstellungskette.
Materialien wie Metalle, Kunststoffe, Keramik und Verbundwerkstoffe müssen für die sehr spezifischen Verarbeitungsbedingungen in der additiven Fertigung ausgelegt sein – ein Verständnis, das vor Jahren vor allem im Kunststoffsektor begann. Nur so können neue Produkte mit hoher Performance ermöglicht, die hohen Qualitätsanforderungen in der Industrie erfüllt und innovative Lösungen für so unterschiedliche Märkte wie Hoch- und Tiefbau, Medizintechnik sowie Luft- und Raumfahrt realisiert werden.
Additive Fertigung – Materialentwicklung
Fritz Bircher (HES-SO-Fribourg), Lars Sommerhäuser (Empa), Adriaan Spierings (inspire)und Anna Valente (SUPSI)
62
So sieht es heute ausWichtige Entwicklungstrends sind Technologien für die
Herstellung grosser Metallteile, auch in Serie, und ganz
allgemeinProduktivitätsverbesserungen.ImFokussind
Multi-Laser-Ansätze, fortschrittliche Drahtvorschubtech-
nologien oder die Automatisierung von Prozessketten,
welchedankdesverbreitetenEinsatzesvonSimulations-
werkzeugeninmehrerenGrössenordnungenvorangetrie-
benwerden.DanebensindAspektevonIndustrie4.0wie
dieIntegrationkünstlicherIntelligenzundDatenverarbei-
tungsmethodenindieMaschinensteuerungschnellwach-
sende,wichtigeEntwicklungen.SiebietenneuenAkteuren
imAM-MarktdieMöglichkeit,Lösungenfürfortschrittliche
und kostengünstigere Maschinenkonzepte anzubieten.
Aufder Ebene vonDatenverarbeitung,Maschinenhand-
habungundSensorikentstehenneueHerausforderungen,
derenLösungfüreineverbesserteProzesssteuerungund
eineschnelleZertifizierungvonAM-Teilenessenziellsind.
DieSchweizpartizipiertteilweiseandiesenTrends.Immer
mehrSchweizerUnternehmenerlangenKnow-howinder
AnwendungvonAModerinvestierenineigeneAM-Aktivi-
täten.DarüberhinausspieltdieSchweizeinewachsende
Rolle in der AM-Forschung. Diese wird von staatlichen
und industriellen Kooperationsplattformen wie IBAM,
SATW undSwissmem unterstützt,wasunabdingbar für
denErfolgderSchweizerAM-Aktivitätenist.
Ein Blick in die ZukunftNeueAM-Technologienstehenkurzvorderindustriellen
Umsetzung.IndiesemZusammenhanggewinnenBinder
JettingunddirekteMaterialstrahltechnologienanAttrak-
tivität, da sie erhebliche Produktivitätsvorteile verspre-
chen.GleichzeitigsteigtauchdasInteresseanfortschritt-
lichen, extrusionsbasierten Verfahren und Technologien
zurHerstellungvonStrukturenimMikrometerbereich.
DieweitereIndustrialisierungvonAMerfordertFachwis-
sen,das inderSchweiz traditionell vorhanden ist.Dazu
gehören Simulations- und Maschinenbaukenntnisse, Ex-
pertiseinNutzungundIntegrationvonAM,inkünstlicher
Intelligenz,inderVerarbeitunggrosserDatensätzeoderin
derAutomatisierungderProduktionvonIndustriebauteilen
fürAbnehmerinstarkreguliertenMärkten.DieSchweiz
solltedieseEntwicklungenunterstützenundsichauffort-
schrittliche Anlagen sowie Prozessüberwachung und
-steuerungfürdieProduktionhochwertigerTeilekonzen-
trieren. Es müssen Initiativen für die Entwicklung von
HochleistungstechnologiendernächstenGenerationun-
terstütztwerden,welchedie gesamteWertschöpfungs-
kette, ProzesskombinationenundMultimaterialverarbei-
tungfürden4D-Druckberücksichtigen.Dadurchkönnen
SchweizerUnternehmendieAM-Möglichkeitenentlang
dergesamtenWertschöpfungskettevollausschöpfen,wei-
tere Produktionsautomatisierungen realisieren und noch
kundenspezifischereProduktemithoherWertschöpfung
undverbesserterLeistungproduzieren.Sokanndie In-
dustrie aktiver auf sichänderndeBedürfnisse reagieren,
wettbewerbsfähigbleibenundArbeitsplätzeinderSchweiz
erhalten.EinaktivesÖkosystemausForschungsorganisati-
onen,IndustrieunternehmensowiePlattformenzurAusbil-
dungvonIngenieurinnenundIngenieuren,zumAustausch
vonFachwissenundzurUnterstützungvonInnovationen
sollteunterstützendwirken.
Additive Fertigung (Additive Manufacturing, AM) ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe von Technologien, mit welchen Objekte nicht durch Drehen oder Schneiden, sondern durch Aufbauen von Material(ien) gefertigt werden. AM-Technologien umfassen das gesamte Spektrum an Bearbeitungsverfahren für Metalle, Kunststoffe und Keramik. Die aktuellen Entwicklungen betreffen die ganze Wertschöpfungskette einschliess-lich Vorverarbeitungswerkzeuge, AM-Prozesse und -Maschinen sowie Nachbearbeitungstechnologien.
Additive Fertigung – Verfahren
Fritz Bircher (HES-SO-Fribourg),Lars Sommerhäuser (Empa),
Adriaan Spierings(inspire)und Anna Valente (SUPSI)
63
So sieht es heute ausWeltweitunterliegtdieVerwendungvonBiozidenstrikten
Auflagen.InEuropasinddieregulatorischenBestimmungen
jedochamstrengsten.Diesichfortwährendverschärfende
GesetzgebungunddiedamitverbundenenAuflagensind
einegrosseHürdefür innovativeUnternehmenundStart-
ups.InderSchweizgibtesdeshalbnurwenigeFirmen,die
aufdemGebietderHerstellungundAnwendungvonBiozi-
deninPolymerentätigsind. IndenletztenJahrenhatdie
ForschungdieAufmerksamkeit auf Polymeregelenkt,die
ohneZusatzvonBiozidenantimikrobiellsind:Diemeisten
dieserPolymereweiseneineschwachpositiveLadungauf.
DaMikroorganismeneinenegativgeladeneZelloberfläche
besitzen,werdensieandiepositivePolymeroberflächege-
bundenundsophysikalischzerstört.SolchePolymereblei-
benstabilundsindwenigergiftigfürMenschundUmwelt.
DieGefahrvonResistenzbildungenistwesentlichgeringer
alsbeiPolymeren,dieBiozideenthalten.InderSchweizwird
anverschiedenenForschungsanstaltenaufdemGebietdie-
ser antimikrobiellen Oberflächen geforscht. Ein anderer
Ansatz,deneineReihekleinerStart-upsinderSchweizund
inSüddeutschlandverfolgen,setztSysteme(Photokataly-
satoren,Enzymeetc.)ein,dieinsituBiozidebilden.Beide
Ansätzesind innerhalbderaktuellenGesetzgebungmög-
lich.Weilsieaberbiozidischwirken,mussdieUnbedenklich-
keitfürMenschundUmweltmitTestsbescheinigtwerden,
wasmithohenfinanziellenKostenverbundenist.
Ein Blick in die ZukunftPrognosengehendavonaus,dassantimikrobielleKunst-
stoffeimJahr2026einweltweitesMarktpotentialvon65
MilliardenUS-Dollarhabenwerden.DasMarktvolumenin
derSchweizwirdzwischen800MillionenundeinerMil-
liarde liegen.WichtigeMarkttreiber sinddie steigenden
Anforderungen an die Hygiene in verschiedenen Berei-
chen,etwainderProduktionantimikrobiellerOberflächen
vonmedizinischenApparatenundInstrumentenodervon
Berufs-undSchutzkleidungimGesundheits-undPflege-
bereich.MöglicheEinsatzfelderreichenüberdiemedizini-
scheVerwendunghinaus:SokönntenantimikrobiellePo-
lymere auch für die Verpackung und Lagerung von
Lebensmitteln,inSanitärprodukten,beiderWasseraufbe-
reitungoderzurHerstellungvonOberflächenimöffentli-
chenVerkehroderinFlugzeugengenutztwerden.Indie-
senEntwicklungenliegengrosseChancenfürinnovative
SchweizerUnternehmenausderChemieindustrie,Kunst-
stoffverarbeitung, Maschinenindustrie, Medizintechnik,
Nahrungsmittelindustrie, Textilverarbeitung, Verpackungs-
industrieundderWasseraufbereitung.
Innovationen und deren Anwendungen werden durch
diekomplexeChemikaliengesetzgebungerschwert.Für
vielekleinereUnternehmenistesunmöglich,sichdarin
zurechtzufindenunddendamitverbundenenAufwand
zu stemmen. Ein schweizerisches Kompetenzzentrum
mitFokusaufdasregulatorischeUmfeldunddieAnwen-
dungsentwicklung sowie mit entsprechenden Finanz-
mittelnfürdienotwendigenumweltrelevantenundtoxi-
kologischen Tests würde die Umsetzung innovativer
TechnologienfördernunddieMarktchancenfürSchwei-
zer Unternehmen in diesem zukunftsorientierten Ge-
schäftsfelderhöhen.
Infektionskrankheiten verursacht durch Bakterien, Pilze und Viren gehören zu den häufigsten Todesursachen. Die in Spitälern auftretenden multiresistenten Keime und die daraus entstehenden Infektionen sind be-sonders problematisch, weil sie von Bakterien verursacht werden, die gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent sind. Um die Übertragung von Mikroorganismen zu reduzieren, werden unter anderem antimikrobiell wirkende Stoffe (Biozide) zur Desinfektion von Oberflächen eingesetzt. Vermehrt werden auch antimikrobi-elle Polymere zur Herstellung oder Beschichtung von sich selbst desinfizierenden Kunststoffgegenständen eingesetzt. Die meisten dieser Werkstoffe basieren darauf, dass dem verarbeiteten Polymer ein Biozid zu-gesetzt wird. Polymere in Form von Fasern werden meist nach der Verarbeitung zum Textil mit Bioziden im-prägniert. Die Biozide gelangen an die Oberfläche, wo sie die Mikroorganismen abtöten. Häufig werden dazu Metalle wie Kupfer, Silber und Zink oder antimikrobielle organische Wirkstoffe verwendet. Ein Nachteil dieses Vorgehens ist, dass die Biozide aus dem Polymer ausgewaschen werden. Dadurch sinkt die Wirkung und die Biozide geraten in direkten Kontakt mit Mensch und Umwelt, was wiederum zur Resistenzbildung beiträgt.
Antimikrobielle Materialien
René Gälli (LivinguardAG)und Christoph Kolano (AVABiochemAG)
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So sieht es heute ausInderSchweiznimmtderPro-Kopf-VerbrauchanKunst-
stoff weiter zu und ist wesentlich höher als in anderen
europäischenLändern.ImJahr2019haben187Nationen
eineUN-Vereinbarungunterzeichnet,umdieländerüber-
greifendenStrömevonPlastikabfallzukontrollierenund
reduzieren.ImselbenJahrstimmtedasEU-Parlamentei-
nemVerkaufsverbotfürgewisseEinweg-Kunststoffartikel
zu.AusserdemhatdieEUbeschlossen,ab2021dieoxo-
abbaubarenKunststoffe,welchefragmentiert,abernicht
von Mikroorganismen biologisch abgebaut werden, aus
demVerkehrzuziehen.UndCostaRicawillab2021sogar
jeglichenEinwegplastikverbieten.
BioplastikfürMassenproduktewirdinvielenLändernpro-
duziert,nichtjedochinderSchweiz.DieVerwendungvon
nachhaltigenundinnovativenMaterialien inderVerpa-
ckungsindustriebewegt sichweiterhinaufeinem tiefen
Niveau;esfehlenregulatorischeSteuermechanismenund
Forschungsaktivitäten. Langsamkommt jedochBewe-
gungindieSzene.NestléetwahatdasNestlé Institute of
Packaging SciencesinLausanneeröffnet,welchessichdie
Entwicklungvonfunktionellen,sicherenundumweltfreund-
lichen Verpackungslösungen auf die Fahne geschrieben
hat.Weltweitgibtesetwa140Firmen,diesichmitder
EntwicklungundProduktionvonBioplastikbeschäftigen,
meistfürdenEinsatzbeiMassenprodukten.InderSchweiz
siehtdieSituationjedochandersaus.Wegendergeringen
Rohstoffverfügbarkeit steht hierzulande hochwertiger
Bioplastik für Spezialanwendungen zum Beispiel in der
Automobilindustrie, LandwirtschaftoderMedizintechnik
imFokus. Einige innovativeSchweizer Firmenbewähren
sichinZusammenarbeitmitHochschulenbereitsaufdie-
semkleinenGebietmithoherWertschöpfung.
Ein Blick in die Zukunft DasThemaKunststoffundspeziellBioplastikwirdinterna-
tionalaktuellbleiben.DieSchweizerAkteureaufdemGe-
biet sind unterschiedlich ausgerichtet, nicht vernetzt und
ohnePlattform.NebeneinerVernetzungundBündelung
derKräfteempfiehlt sich, fürdenSchweizerWirtschafts-
raumeinekohärenteVisionundStrategiezumThemaBio-
plastikzuerarbeiten.AuchdieAufklärungundInformation
derEndverbraucherinnenund-verbraucherzumThemaBio-
plastiksollteverstärktwerden.Diekürzlichbegonnenen
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu neuartigem
Hightech-BioplastikbeispielsweiseaufProteinbasis sind
sehrzuunterstützen.FürregulatorischeSteuermechanis-
menzurFörderungvonBioplastikistesinderSchweiznoch
zufrüh.
Als Bioplastik bezeichnet man Kunststoffe, die entweder aus erneuerbarer Biomasse produziert werden, aber nicht bioabbaubar sind («Agrokunsstoffe»), oder solche, die bioabbaubar sind und entweder aus ei-nem nicht-erneuerbaren Rohstoff wie Erdöl oder auch aus erneuerbarer Biomasse hergestellt werden. Entgegen der weitverbreiteten Meinung gibt es also Bioplastik, der nicht bioabbaubar ist. Aktuell werden jährlich weltweit mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, die potenziell als Mikro- und Nano-plastik die Umwelt belasten. Es gibt aber auch Bioplastik mit aussergewöhnlichen Eigenschaften, der sich nutzbringend einsetzen lässt.
Bioplastik
Roger Marti (HES-SOFribourg), Hans-Peter Meyer (ExpertInovaAG)
undManfred Zinn (HES-SOValais-Wallis)
65
So sieht es heute ausDieForschungfürfunktionaleFasernfokussiertaufZusatz-
funktionenmithoherWertschöpfungimBereichderLeit-
fähigkeit vonElektrizitätundLicht sowiederAufnahme
oderAbgabe vonWirkstoffen.DieAnwendungsgebiete
spannenvonderKommunikationbiszurMedizintechnik.
Insbesondere Mehrkomponentenfasern können durch
KombinationverschiedenerKunststoffeneue technische
AnforderungenerfüllenundermöglichenimHinblickauf
die Balance zwischen Stabilität und Abbaubarkeit neue
Variationen.EinerfreulichesAnwendungsbeispiel istdas
Mobility Assisting teXtile eXoskeletonderFirmaMyoSwiss.
ZweikomponentenfasernmitschmelzbaremMantelwer-
deneingesetzt,umwahlweiseflexibleoderstarreStruktu-
renineinanderübergehenzulassen.
Die imTechnology Outlook 2019erwähnteEntwicklung
vonneuartigenFlammschutzmittelnhatweiterFahrtauf-
genommen.Esentstehenkommerziellerhältliche,flamm-
geschütztePET-undPolyolefinfasernsowieTextilienfür
AussenanwendungenundöffentlicheRäume.AnderExpo
2020,die2021inDubaistattfindenwird,werdensolche
ProdukteausderSchweizvorgestellt.Einebemerkenswer-
te Entdeckung ist, dass diese phosphorbasierten Flamm-
schutzmittel selbst bei niedrigen Konzentrationen eine
chemischeStabilisierungvonPolyesterschmelzenerzielen,
was für die Gestaltung von Recyclingprozessen Vorteile
bringenkann.
DieCorona-KrisehatunsinErinnerunggerufen,wiewich-
tigdieAdsorptionvonAerosoltröpfchenunddieWechsel-
wirkungvonbiologischenPartikelnmitFaseroberflächen
wieMaskenseinkann.DieWeiterentwicklungsolcherFlä-
chengebildewirdnichtnurdieForschendeninderSchweiz
fordern.
Ein Blick in die ZukunftSowohl internationalalsauchnationalgehendieAnfor-
derungen an Fasern in Richtung der Nachhaltigkeit von
MaterialienundProzessen.DiehoheStabilitätvonSynthe-
sefasernausfossilenRohstoffenundihreniedrigenProzess-
kostenerschwerendagegendieangestrebteHerstellung
vonFasern,welcheausbiobasiertenRohstoffenentstehen
undsichnachGebrauch schnell zersetzen.DieEntwick-
lungsolcherFasernwirddabeizunehmendeineFragedes
geeignetenProzesses.NeueLogistik-undGeschäftsmo-
dellesindgefragt,umAspektederKreislaufwirtschaftzu
integrieren.
DieseEntwicklung ist einegrosseChance für Schweizer
Unternehmen,dasiedengesamtenLebenszyklusdesPro-
duktseinschliesst.DieSchweizerBevölkerungistfürdiese
Thematiksensibilisiert.Alsnachteiligkönntesicherweisen,
dassdieGrundlagenforschungimBereichderKunststoff-
chemienationalundinternationalkeinSchwerpunktthema
mehrist,obwohleinMarktmithohenUmsatzzahlenbe-
steht.SchweizerUnternehmen,welchevondenneuenEnt-
wicklungenprofitierenmöchten,solltenaktivdenDialog
mitdenzahlreichenSchweizerForschungsinstitutensuchen
unddasFörderangebotfürMachbarkeitsstudiennutzen,
um spezifischesKnow-how fürdie Entwicklungeigener
ProdukteundzuinteressantenMärktenzuerwerben.
Funktionale Fasern zeichnen sich dadurch aus, dass sie zusätzlich zu den inhärenten Vorteilen der Faser-form neue, anwendungsspezifische Zusatzanforderungen erfüllen können. Dazu zählen etwa antimikrobi-elle Wirkung, hohe Wasserabsorption, Wirkstoffabgabe oder Schutzwirkung gegenüber diversen Einflüs-sen. Funktionale Fasern werden für die Schweiz in den Bereichen Biowissenschaften, Gesundheit und Technik in den kommenden Jahren relevant sein.
Funktionale Fasern
Manfred Heuberger (Empa)und Urs Mäder (SATW)
66
So sieht es heute ausDieMegatrendsDigitalisierung,Globalisierung,Individuali-
sierungundSicherheit führenzustetigsteigendenAn-
forderungen bezüglich der Rückverfolgbarkeit von Bau-
gruppen, Produkten und Teilen entlang der gesamten
Prozess-undLogistikkette.NeueTrendswieKonnektivität,
MobilitätundNeo-Ökologiewerdendazu führen,dass
OberflächenstrukturierungvonMetallen,Halbleiternund
Polymeren,dasAbtragenvonSchichtensowieProduktions-
verfahrenindenBereichenDisplayoderE-Mobilitätimmer
wichtigerwerden.InsbesonderebeidenLetzterenentste-
hen vermehrt neue Applikationen, welche Laserstrahl-
quellenmitneuenParameterfeldernerfordern.
DieSchweizerForschungslandschaftistimBereichderpho-
tonischenFertigung im internationalenVergleichweiter-
hin führend.Das liegt einerseits anderhervorragenden
GrundlagenforschunganderETH ZürichundderEPFL. AndererseitsetablierensichdieFachhochschulenzuneh-
mendinindustrienahenBereichenangewandterForschung
undEntwicklungwiebeispielsweiseMaterialbearbeitung
mitLasern,BildverarbeitungoderOptoelektronik.DieFach-
gruppe Photonics der Swissmem sowie Swissphotonics
agieren zudem als Drehscheiben und Bindeglieder zwi-
schen Bildung, Forschung und Industrie. In den letzten
drei Jahren entstanden in der Schweiz im Umfeld der
HochschulenundIndustriefirmenneueForschungsgruppen.
ZudemwerdenneuThemenwieBio-Nano-Photonikoder
Mikrowellen-Photonik bearbeitet. Auch die Schweizer
Bildungslandschafthatsich indenvergangenenJahren
weiterentwickelt: Im Bereich Photonik wurden mehrere
neue Bachelorstudiengänge geschaffen und im Herbst
2020einneuerMasterstudiengangetabliert.
Ein Blick in die ZukunftDiePhotonikundinsbesonderedieOberflächenbearbei-
tungmitLasernetabliertsichzunehmendalsEnablertech-
nologie für so unterschiedliche Bereiche wie autonome
Systeme,Energieversorgung,Digitalisierung,Künstliche
Intelligenz,Medizintechnik,Quantentechnologie,Robotik
oderSmartCities.
Aufgrund vorhandener Kompetenzen und Erfahrungen
könntedieSchweizerIndustrievorallemindenBereichen
MedizintechnikundRobotikprofitieren.DerGesamtmarkt
«Photonik»betruginderSchweizimJahr2019rund4,4
MilliardenSchweizerFranken,wovonmehralsdieHälfte
auf das Segment «Photonische Fertigung» entfiel, und
das jährliche Wachstum wird für die kommenden Jahre
mit6Prozentprognostiziert.UmvondiesemWachstum
profitieren zu können, sollten Schweizer Unternehmen
weiterhininForschungundEntwicklunginvestierenund
ihreVertriebsaktivitätenintensivieren.
Der Begriff Oberflächenbearbeitung umfasst eine Vielzahl von Verfahren, welche die Eigenschaften des Materials verändern oder die Oberfläche strukturieren. Für die Oberflächenbearbeitung kommen in der Regel Laser mit mittleren Ausgangsleistungen zum Einsatz, welche im Dauerstrichbetrieb, gepulsten Be-trieb (Mikro- bzw. Nanosekundenpulse) oder ultrakurzgepulsten Betrieb (Piko- bzw. Femtosekundenpulse) eingesetzt werden. Die Bearbeitung von Oberflächen ist für nahezu alle Branchen relevant, bespielweise für Automobilbau, Batterietechnik, Elektronik, Kommunikation, Luft- und Raumfahrttechnik, Medizin-technik, Nahrungsmittelindustrie, Sicherheitstechnik, Uhren und Schmuck, Unterhaltungselektronik oder Verteidigungstechnik.
Photonische Fertigung
Andreas Conzelmann (TRUMPFSchweizAG)
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So sieht es heute ausZurOptimierungderWärmeleitfähigkeitelektrischerIsola-
torenwerdensehrbegrenzt thermisch leitfähigeTräger-
materialien mit geeigneten festen Partikeln kombiniert.
DurchdieAnwendunganorganischerFüllstoffemitmass-
geschneidertenOberflächenwirddieWechselwirkungzwi-
schenPolymerundwärmeleitfähigemFüllstoffsignifikant
verbessert.WeiterwerdenflüssigeWärmetauschmedien
oderMaterialienentwickelt,dieesermöglichen,thermisch
induzierte Phasenumwandlungen zur Energieabfuhr zu
nutzen.AngestrebtwerdenelektrischisolierendeFunk-
tionsmaterialien,dieüber eine thermische Leitfähigkeit
verfügen, welche diejenige von herkömmlichen Kunst-
stoffenumeinenFaktorvon15bis30übertrifft.
DieSchweizisteinattraktiverundleistungsfähigerStandort
derAutomobilzulieferindustrie.MaterialienfürdieHerstel-
lungvonBatteriemodulenunddieFertigungvon(Elektro-)
FahrzeugenstellenfürdieAutomobilzulieferindustrieein
schnellwachsendesMarktsegmentdar.Diefortschreitende
MiniaturisierungunddiedamitverbundeneErhöhungvon
EnergiedichteninelektronischenBauteilenführtzuneuen
AnforderungenanwärmeübertragendeMaterialien:Diese
müssenmöglichstkleineLückenausfüllen.Dietechnolo-
gischen Herausforderungen liegen insbesondere darin,
Systemezufinden,diesichgutverarbeitenlassenundals
Klebstoff,«GapFiller»,KlebebandoderPadguteWärme-
übertragungundlangfristigeZuverlässigkeitgewährleisten.
ImE-MobilitätsbereichwerdenTIMsgefordert,dienach
Gebrauchleichtdemontierbarundrezyklierbarsind.
Ein Blick in die ZukunftTIM-InnovationenhabeningrossvolumigenAnwendungs-
felderndasPotenzial,einehoheWertschöpfungzugene-
rieren.Bis2025sindglobaleMarktvoluminavoneinigen
Milliarden Schweizer Frankenmöglich. Es ist aber eher
unwahrscheinlich,dassdieSchweizerIndustrieindiesem
zukunftsträchtigenFeldzeitnahzudenführendenIndust-
rienationenaufschliesst;esseidenn,ForschungundEnt-
wicklungimBereichderTIMwerdenpriorisiertundent-
sprechend gefördert. Das Auffinden und die Nutzung
marktfähigerLösungen,diesichineinemZeitrahmenvon
fünfJahrenumsetzenlassen,sindGrundvoraussetzungen
für das Bestehen in diesem anspruchsvollen, globalen
Marktumfeld. Eine weitere spezifische Herausforderung
fürdiehiesigeIndustrieistderUmstand,dassdieSchweiz
aufgrundihrerGrösseundBedeutungnichtzudenfüh-
rendenElektronik-undAutomobilindustrieländernzählt.
AusserdemverfügtsienichtüberdieRessourcen,umin
diesemFeldeinemassgeblicheRollezuspielen.
AuchwennSchlüsseltechnologien fürEnergieerzeugung
und-speicherungwenigeröffentlichkeitswirksamsindals
ITundGesundheitsthemen,sindsiedennochzentral.Esist
wichtig,dassdieSchweizer Industrieauch indiesenzu-
kunftsbestimmendenFeldernnichtdenAnschlussverliert.
Entscheidend für eine erfolgreiche Industrie- und For-
schungspolitik istdieEinbindungderSchweizerWissen-
schaftundIndustrieininternationaleForschungs-undIn-
dustriekooperationen.
Elektrische Isolatoren herzustellen, die über sehr gute Wärmeleiteigenschaften verfügen, ist technisch anspruchsvoll. Denn bei vielen Materialien, so bei Metallen oder Graphit, sind gute thermische Leiter auch elektrische Leiter. Thermisch leitfähige Materialien (engl. thermal interface materials: TIMs) sind wesentliche Bestandteile in der Entwicklung neuer Batterien für die E-Mobilität sowie für die Computer- und Medizin-technik. TIMs kommen als verbindende Klebstoffe oder lückenfüllende Giessharze zum Einsatz.
Wärmeleitende elektrische Isolatoren
Urs Burckhardt undSteffen Kelch (SikaTechnologyAG)
Life Sciences
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So sieht es heute ausKerntechnikundHerausforderungzugleichistbei3D-Bio-
druckern die Extrusion von Material und Zellen aus einer
Kanüle.DaherbeschäftigensichForschendehauptsächlich
mitdemDesignderDruckköpfeundmitdruckbarenHydro-
gelen.EineAlternative istdiepatentgeschützteKenzan-
TechnikdesRegenovaDruckersvonCyfuse Biomedical K.K.:
ZellkugelnwerdenaufsenkrechteNadelnaufgespiesstund
dichtandichtplatziert,sodasssiemiteinanderverschmelzen
undauchohneHaltegerüsteStrukturenbilden.DieHerstel-
lung integrierterBlutgefässebleibtweiterhineineHeraus-
forderung.DieNASAinitiierte2016einenWettbewerb,um
ein1cm3umfassendesGewebe invitroherzustellen,das
durchblutgefässartigeStrukturenfür30Tageversorgtwird.
BisheutegabeskeineerfolgreicheLösung.
DieSchweizistinallenBranchen,welchedie3D-Biodruck-
Technologienutzenkönnen,starkaufgestellt.Dasgiltso-
wohlfürdieKosmetik-undPharmaindustriealsauchfürdie
regenerativeMedizin.InderSchweizgibteszahlreichepo-
tenzielle Zulieferer, die sowohl Hardware (Druckdüsen,
Elektronik,Roboterarme,Ventile)alsauchSteuerungssoft-
ware fürautomatisierteProzesseherstellen.Auch fürdie
ZellkulturbenötigtenKomponentenspieltdieSchweizeine
führendeRolle.DankderIntegrationderTechnologieinbe-
stehendeindustrielleundmedizinischeProzessesowieder
Vernetzung relevanter Industriepartner wird die Schweiz
ihregutePositionweltweithaltenkönnen.
Ein Blick in die ZukunftWährend die Anwendungsfelder für den 3D-Biodruck
gleichbleiben,werdensichneueDruck-undZellmontage-
verfahrenzudengegenwärtigenTechnikendazugesellen.
Dazu gehört das kontrollierte Erzeugen von Sphäroiden,
derenoptischeKontrolle,gezielteAufnahmeindieSphäroi-
denundNeupositionierung.ImAuslandgibtesstarkenati-
onaleStrategien:InSüdkoreawirdBioprintingzurStärkung
derregenerativenMedizinundderlokalenPharmaindustrie
gefördert.InChinagibtesersteBioprinting-Firmen.Inden
USAtratab2016dieInitiativeBioFabUSA inKraft,finan-
ziertmitje150MillionenUS-DollarvomVerteidigungs-
ministeriumundderIndustrie.ErklärtesZielistdieFörderung
vonProjekten imBereichdesBioadditiveManufacturing
unterEinbezugdes3D-Biodrucks.
ObwohldieSchweizmitREGENHUeinenWeltmarktführer
für3D-Biodruckhat,isteinevergleichbarenationaleStrate-
gie,dieTechnologieführerschaftindiesemBereichanstrebt,
derzeitnichterkennbar.ImSchweizerNationalen Themati-
schen Netzwerk Additive Manufacturing spielt 3D-Bio-
druckkeineRolle.MomentanwirdderTechnologiesowohl
aufForschungs-alsauchaufIndustrieebenezuwenigBe-
achtung geschenkt. Es bedarf nationaler Forschungspro-
grammeund-initiativenfüranwendungsorientierteGrund-
lagenforschung,uminternationalkompetitivzubleiben.Da
sich die Manipulation von Sphäroiden als Alternative zu
Spritzguss und Sprühen anbietet, ist es bedeutsam,dass
mehrereSchweizerUnternehmenwie InSphero AG, Kugel-
meiers AGundSUN bioscience AGZellkulturplattensyste-
mezurHerstellungvonZellkugelnanbieten.
Im Bereich Tissue Engineering hat sich die additive Fertigung von Geweben und Organen, der 3D-Biodruck («Bioadditive Manufacturing»), als vielversprechende Technologie etabliert. Er unterscheidet sich vom ein-fachen Drucken von Biomaterialien, da lebende Zellen Teil des Fertigungsvorgangs sind. Die Zellen werden gezielt auf gedruckte Strukturen gesprüht oder in ein Biomaterial, die Biotinte, eingebettet und in räumli-cher Verteilung abgesetzt. Mittels 3D-Biodruck können lebende Gewebe in einem Schicht-für-Schicht-Ver-fahren theoretisch beliebig zusammengesetzt und aufgebaut werden und es kann eine höhere Komplexi-tät als beim Standard Tissue Engineering erzielt werden. So sollte eine zunehmend vollständige physiologische Aktivität menschlichen Gewebes in Zellkultur möglich sein. Das ist wichtig für die Phar-maindustrie, da die Entwicklung von Medikamenten und Kosmetika sehr ineffizient und teuer ist. Standar-disiert hergestellte Gewebe können den Testprozess verbessern und gleichzeitig Tierversuche reduzieren. In der regenerativen Medizin erlaubt 3D-Biodruck, vaskuläre Strukturen in das Implantat zu drucken, was bei herkömmlichen Tissue-Engineering-Verfahren nicht möglich ist.
3D-Biodruck
Michael Raghunath(ZHAW)
70
So sieht es heute ausIndenvergangenenJahrenhabensichzweiHauptstoss-
richtungenherauskristallisiert.DieeineadressiertAlgen-
und Insektenproteine, die als Lebensmittel bislang eine
untergeordnete Rolle spielten. Die andere entdeckt be-
stimmtePflanzenalsProteinquellenfürdenErsatztierischer
ProteineausEi-,Fleisch-undMilchprodukten(wieder).
FürdieProduktionvonInsektenproteinenfehltebisher
eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Inzwischen haben
FirmenwieProtixausdenNiederlandenindustriellePro-
duktionsmassstäbeerreicht,womitrelevanteÖkobilanzie-
rungen möglich werden. Erste Analysen kommen zum
Ergebnis, dass Insektenproteine für die Herstellung von
Futtermittelnbereitskompetitivsind.WeitereEffizienzstei-
gerungen sind künftig absehbar, sofern bislang unge-
nutzte Biomasse-Abfallströme als Futterquellen genutzt
werden.DieerstelltenLebenszyklusanalysenlieferndarü-
berhinausHinweiseaufeineverbesserteUmweltverträg-
lichkeit, wenn organische Abfälle in Insektenbiomasse
umgewandelt statt kompostiert oder anaerob abgebaut
werden.
AlgensindeinevielversprechendeProteinquelle,dieinder
TrockenmasseeinenProteingehaltvonbiszu70Prozent
aufweisenundessenzielleAminosäurensowiesignifikante
MengenanMikronährstoffenenthalten.DieBlaualgeAr-
throspira,auchbekanntalsSpirulina,sowiedieGrünalge
Chlorellavulgarisgeltenals«Algen-Superfoods»schlecht-
hinmitvorteilhafterenAminosäureprofilengegenüber
typischenPflanzenproteinen.Allerdingsbesteht fürAuf-
bereitungund insbesonderewirtschaftlicheExtraktion
derhochwertigenAlgenproteinenochdeutlichertechno-
logischerEntwicklungsbedarf.Gleichwohl liegenausder
SchweizvielversprechendeUmsetzungenvor.Sowurde
bereitsAlgenbiomasseausChlorellaerfolgreichinprotein-
undfaserreicheFleischanalogeeingebunden.
Ein Blick in die ZukunftGemässaktuellenPrognosensolldereuropäischeMarkt
fürPflanzenproteinebis2024beieinerjährlichenWachs-
tumsratevonmehrals7ProzenteinGesamtvolumenvon
2,8MilliardenFrankenerreichen.DieFlexitarierbewegung,
alsoPersonendie sich vermehrt veganoder vegetarisch
ernähren, sowie Kosten-, Nachhaltigkeits- und Umwelt-
vorteilesinddietreibendenKräftediesesWachstums.Bei
den «neu entdeckten» Pflanzenproteinen aus Getreiden,
Hülsenfrüchten,Kernen,NüssenundÖlsaatensindneben
den bislang dominierenden Sojaproteinen vor allem
AckerbohnenundErbsenwegendeshohenProteinge-
haltsunddengeeignetenAminosäureprofilen von zu-
nehmenderBedeutung.Voraussetzung fürderenNut-
zung ist die technologische Beherrschung der Prozesse
zurEliminierungvonantinutrivenKomponentenundzur
effizientenProteinextraktion.Effizienzsteigerungensind
notwendig, auch wenn für die Weiterverarbeitung zu
Fleischanalogen, Käse oder Pflanzenmilchgetränken be-
reitsgeeignete,inderPraxisoptimierteProteinisolateund
-konzentrateverfügbarsind.
DieHerstellungvonFleischanalogenaufBasisvonPflan-
zenproteinenversprichtsynergistischeVorteileausökolo-
gischer,ökonomischerundsozialerPerspektive.Dieinder
Schweizseit2018sichtbare«Aufbruchstimmung»,welche
Forschungsgruppen, Start-ups und Firmen aller Grössen
gleichermassenerfassthat,gilteszufördern,durchtech-
nologischeBegleitentwicklungenauszubauenundesgilt
SchweizerBusinessCaseszuentwickeln.DieChancensind
aussichtsreich.
Eine längerfristig vorhergesagte globale Unterversorgung der wachsenden Weltbevölkerung mit Proteinen sowie ein in Industrienationen zunehmendes Hinterfragen der Nachhaltigkeit von Lebensmitteln tierischen Ursprungs haben in den letzten Jahren die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zu neuen Proteinquellen und deren technologischer Bearbeitung massgeblich angeregt.
Alternative Proteinquellen
Erich Windhab (ETHZürich)
71
So sieht es heute ausIndenletztenJahrenwurdensignifikanteFortschritteer-
zielt:DerNobelpreisfürChemiewurde2018anFrances
ArnoldfürdiegerichteteEvolutionvonEnzymenvergeben.
ZudemwurdenweitereEnzymfamilienindustriellnutzbar
gemacht und für die Herstellung von Pharmazeutika
eingesetzt sowie richtungsweisende industrielle Prozesse
entwickelt, indenenmehrereEnzymehintereinanderge-
schaltet wurden, um komplexe Produkte herzustellen.
AllerdingskönnenregulatorischeVorschriftenzumBeispiel
fürdenEinsatzvonEnzymenalsHilfsstoffeinderlebens-
mitteltechnologischenVerarbeitungsowiedrohendeEin-
schränkungendesoffenenZugangszubioinformatischen
Datendie industrielleNutzungvonBiokatalyseundBio-
syntheseerschweren.VieleChancen fürnachhaltigeEnt-
wicklungen,dieaufdiesenDatenberuhen,bliebenunge-
nutzt.
GrosseSchweizerUnternehmenwieNestléundNovartis
weitenihreKapazitäteninderBiokatalyse,derBiosynthese
sowie im Enzymdesign aus undnutzendie Technologie
zur Herstellung von Wertprodukten. KMU nutzen die
MöglichkeitenderBiokatalyseundBiosynthesenochsel-
ten.Umdas Problemder limitiertenVerfügbarkeit von
Fachkräftenzulösen,werdeninderSchweizaktuellneue
StudiengängeundWeiterbildungsprogrammeentwickelt.
Ein Blick in die ZukunftDank verbesserter Verfahren zur gerichteten Enzym-
evolutionunddemverstärktenEinsatzkünstlicherIntelli-
genz werden zusätzliche Enzymklassen industriell zu-
gänglichgemachtunddieZeitbiszurMarkteinführung
biokatalytischabgeleiteterProduktewirdverkürzt.Minia-
turisierungundAutomatisierungsindweitereTreiberindie-
sem Prozess. Neuartige biokatalytische Prozesse öffnen
dieTürfürInnovationenimBereichneuerWirkstoffe.Bio-
katalyseundBiosynthesekönnenzueinemGamechanger
indernachhaltigenProduktionvonChemikalienausnicht-
erdölbasiertenRohstoffensowiebeimAbbauvonPlastik-
abfallwerden.
DieCorona-KrisehatderSchweizeindrücklichvorAugen
geführt,dasssieinBezugaufdieProduktionessenzieller
Medikamente nicht selbstversorgend ist. Die Wirkstoffe
bzw. die entsprechenden Vorprodukte müssen vor allem
ausAsienbezogenwerden.DieSchweizsolltezumindest
kleineMengenlebenswichtigerMedikamentefürdieNot-
fallversorgung im Inland produzieren können. In diesem
Kontext könnten auch Biokatalyse und Biosynthese eine
Rollespielen.DerDialogzwischenindustriellenundaka-
demischen Partnern ist wesentlich, um den Erfolg von
Biokatalyse und Biosynthese weiter zu verstärken. Ein
mögliches Instrument für die Schweiz istdiefinanzielle
Förderung von Netzwerkprojekten, um den Austausch
zwischen relevanten Partnern zu ermöglichen. Will eine
FirmaBiokatalyseundBiosyntheseeinbinden,lohnensich
WissensaufbaudurchKollaborationen,Weiterbildungder
Belegschaft und entsprechende Anforderungsprofile an
personelleNeuzugänge.
Unter Biokatalyse und Biosynthese versteht man die Anwendung von Enzymen (natürlichen Katalysatoren) oder Mikroorganismen zur nachhaltigen Herstellung von Produkten in Ergänzung zur klassischen chemi-schen Synthese: Die biologisch abbaubaren Biokatalysatoren können mittels gerichteter Evolution für viele Einsatzgebiete massgeschneidert werden, welche für die traditionelle Chemie eine Herausforderung darstel-len. Biokatalyse oder Biosynthese werden bereits in vielen Industrien eingesetzt, so etwa zur Produktion von Feinchemikalien, in der Geschmacks- und Geruchsstoffindustrie oder in der Wirkstoffherstellung. Biokataly-se und Biosynthese sind Hoffnungsträger für die Nutzbarmachung erneuerbarer Rohstoffe und ermöglichen eine grössere Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern.
Biokatalyse und Biosynthese
Rebecca Buller (ZHAW)
72
So sieht es heute ausUnabhängigvomZelltypbestehtweltweiteinwachsender
BedarfanhumanenStammzellen.Umdiesenzudecken,
müssendieStammzellenunterBeibehaltungihrerspezifi-
schen Eigenschaften in der erforderlichen Menge und
Qualitäthergestelltwerden.SolcheMassenkultivierungen
erfolgeninderRegelinsterilenKunststoffschalen,soge-
nanntenCellFactories.HierwachsendieStammzellenbei
37°Cinbiszu40übereinanderliegendenEbenenaufeiner
Gesamtfläche von bis zu einem Quadratmeter. Deren
HandhabungistjedochschwierigundihreÜberwachung
nur eingeschränktmöglich.Die Produktiongrosser Zell-
zahlenerfolgtdurcheineaufwändigeundteureMulti-
plikation der Kulturschalen. In der Schweiz werden
StammzellenfürtherapeutischeZweckeinSpitälernunter
VerwendungvonCellFactoriesvermehrt;grosseProduk-
tionsanlagenfehlenweitgehend.
Ein Blick in die ZukunftEinealternativeFormderHerstellungsindautomatisierte
Einwegbioreaktoren, in denen die Zellen mit oder ohne
Trägermaterialien(Microcarrier)inSuspension,alsoineiner
Flüssigkeit mit darin fein verteilten Kügelchen kultiviert
werden.SchweizerArbeitsgruppenhabenbereitserfolg-
reichStammzelleninEinwegbioreaktorenbiszumProduk-
tionsmassstabkultiviert.MitderEntwicklungvonaufdie
Stammzelltypen abgestimmten, chemisch definierten
KulturmedienundMicrocarriern leistetdieakademische
undindustrielleForschunginderSchweizweiterewichtige
Beiträge.OptimierungspotenzialbestehtnochbeiEinweg-
bioreaktorenkleinerenVolumensundderdazugehörigen
Sensortechnik.AuchdieMöglichkeit,die3D-Drucktechnik
zurHerstellungvonandieZellenangepasstenEinweg-
kesselnzunutzen,sollteindiesemZusammenhanggeprüft
werden.
Für2025wirdderglobaleStammzelltherapiemarktgemäss
der Prognose des Marktforschungsinstituts Analytical
Research Cognizance828,7MillionenUS-Dollarerreichen.
Schweizer Spezialistinnen und Spezialisten sind in einer
ausgezeichnetenPosition,ihreExpertiseinderMassenkul-
tivierungvonStammzelleninnationalenundinternationa-
lenForschungsprojekteeinzubringensowieProduzenten
vonZelltherapeutikawieetwaLonzaoderSpitälerzuun-
terstützen.
Humane Stammzellen sind menschliche Körperzellen, die Kopien von sich selbst herstellen und in verschie-dene Zelltypen oder Gewebe ausdifferenzieren können. Ihr enormes Potenzial für die Erforschung und Therapie schwerer Erkrankungen ist unbestritten. Beispiele sind neurologische, orthopädische, Augen-, Blut-, Herz- und Krebserkrankungen, bei welchen Stammzellen zum Ersatz oder zur Reparatur geschädigter Zellen oder Gewebe benutzt werden. Die Therapien werden sowohl mit körpereigenen als auch fremden Zellen durchgeführt. Neben pluripotenten Stammzellen werden vor allem Blutstammzellen und mesen-chymale Stammzellen (MSCs) aus dem Knochenmark und Fettgewebe verwendet. Pluripotente Stammzellen lassen sich in jeden Zelltyp des Organismus entwickeln und umfassen die natürlicherweise pluripotenten embryonalen Stammzellen sowie beliebige Körperzellen, die im Labor zu pluripotenten Stammzellen um-programmiert werden. Blutstammzellen und MSCs sind hingegen multipotent: Sie lassen sich nur in eine begrenzte Anzahl von Zelltypen differenzieren.
Massenkultivierung von Stammzellen
Regine Eibl (ZHAW)
73
So sieht es heute ausMedizinischeWearables sind seit den1990ernaufdem
Markt.ZudenfrühenWearablesgehörenAssistenzalarme
fürBetagteundGerätezurMessungdesBlutsauerstoffge-
halts, sogenannte Pulsoximeter. In den letzten Jahren
habenWearablesdenFitnessmarkterobert.DieseConsu-
mer-Produkte beinhalten vermehrt auch medizinische
Features. Umgekehrt werden medizinische Geräte mehr
undmehrzuWearables.MedizinischeWearablesfinden
EinsatzinderGesundheitsvorsorgeund-promotion,wer-
denaberauchinTelemedizin,Rehabilitationundhäusli-
cher Pflege eingesetzt. Im Jahr 2019 wurden weltweit
mehr als 30 Millionen Einheiten verkauft, was einem
Marktvolumenvonrund10MilliardenFrankenentspricht.
Ein Haupttreiber für die Verbreitung von medizinischen
WearablesistdiemedizinischeFernüberwachungvonPati-
entinnenundPatienten.SiehelfenmedizinischenFachper-
sonen beim Beobachten von Krankheiten und ermögli-
chen den Patientinnen und Patienten, für ihre eigene
Gesundheitvorzusorgen,indemsieVitalparametereigen-
ständigbeobachtenunddanachhandelnkönnen.
DieEntwicklung vonmedizinischenWearables erfordert
dieZusammenarbeit vonFachleutenausverschiedenen
Disziplinen.DieHerausforderungenliegeninsbesondere
inderVerbesserungderDatenintegritätund imDaten-
schutz,inderBenutzerakzeptanzundderTherapietreue,
dermedizinischenComplianceunddernahtlosenIntegra-
tioninklinischeArbeitsabläufe.DieSchweizistgutpositi-
oniert,umeineführendeRolleimFelddertragbarenme-
dizinischenGerätezuspielen.InderletztenDekadesind
hierzulandehunderteneueStart-ups indiesemBereich
entstanden.
Ein Blick in die ZukunftEsistdavonauszugehen,dassdieVerbreitungvonmedi-
zinischen Wearables stark zunehmen wird. Zukünftige
Anwendungsgebiete sind Beobachtung von Krankheits-
verläufen und Intervention, besonders bei chronischen
Erkrankungen.DamitkönnendieBehandlungenbesser
evaluiert und an die Bedürfnisse von Patientinnen und
Patientenangepasstwerden.DieVerbreitungvonmedizi-
nischenWearableswirdeinedigitale,personalisierteGe-
sundheitsvorsorge ermöglichen. Die Corona-Pandemie
zeigtdeutlich,dasseinBedarffürmedizinischeWearables
besteht, um Krankheiten zu verhindern, Risikopatientin-
nen und -patienten zu verfolgen, respektive deren Ge-
sundheitsparameterzubeobachtenundVerhaltensände-
rungenzuunterstützen.GrosseHerausforderungensind
insbesondere regulatorischer Art. Dazu gehören die
Fragen,wemdiesogewonnenenDatengehören,wiedie
WearablesindieaktuelleGesundheitsvorsorgeintegriert
werden und ob die Daten für Krankenversicherungen
genutztwerdendürfen.
SchweizerEntwicklungenwerdendenMarktdermedizi-
nischen Wearables beeinflussen. Hiesige Hersteller von
medizinischenWearableskönnenihreguteAusgangslage
weiterverbessern,indemsieinternationalmitKrankenver-
sicherungen, IT- und Pharmaunternehmen sowie Smart-
phone-Herstellern kollaborieren. Zudem ist es von ent-
scheidender Bedeutung, dass weiter in Forschung und
EntwicklunginderbiomedizinischenSensorik,der(Medi-
zin-) Informatik,derMikrotechnologieund indieDaten-
analyse investiert wird. Medizinische Wearables werden
nurdanndurchschlagendenErfolghaben,wenndieRe-
gulatorienangepasstwerden.Esgiltsicherzustellen,dass
Datentransparentundsichergeteiltwerdenkönnen.
Medizinische Wearables sind am Körper getragene Geräte zum Erheben von Gesundheitsdaten. Diese Daten werden an verbundene Geräte (wie Computer oder Smartphones) oder über das Internet an Dienst-leister weitergeleitet. So ermöglichen sie eine kontinuierliche Überwachung des Gesundheitszustandes und den Zugang zu personalisierten medizinischen Dienstleistungen. Dazu beinhalten medizinische Wearables eine Kombination aus integrierten Sensoren, Aktoren, Prozessoren und Schnittstellen, um die Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu teilen.
Medizinische Wearables
Walter Karlen (ETHZürich)undJens Krauss (CSEM)
74
So sieht es heute ausSeit2019isteszueinerReihebedeutenderinternationaler
Entwicklungen gekommen, welche die Schlussfolgerun-
gendesTechnology Outlooks 2019bekräftigen.Anfang
2019 übernahm Medtronic für 1,7 Milliarden US-Dollar
Mazor Robotics,einisraelischesUnternehmenmitSchwer-
punkt robotergestützteWirbelsäulenchirurgie.DieKern-
technologie vonMazor liegt imBereichderRoboterleit-
systeme zur präzisen Planung und Durchführung der
Implantatplatzierung.ImFebruar2019übernahmJohnson
& Johnson für3,4MilliardenUS-DollarAuris Health,einen
US-amerikanischenEntwicklervonRoboterdiagnostikund
chirurgischenGerätenmitSchwerpunktLungenkrebs.Das
Kernprodukt von Auris ist die Monarch-Plattform für
Fern-Endoskopie mit kleinen Kameras und Werkzeugen,
diedurchnatürlicheÖffnungen indenKörpergelangen.
Später2019übernahmSiemensfür1,1MilliardenUS-Dollar
das US-amerikanische Unternehmen Corindus Vascular
Robotics, Hersteller einer minimalinvasiven Roboterplatt-
formfürkoronare,periphereundneurovaskuläreEingriffe.
KernproduktdesUnternehmensistderCorPath GRX zur
FernsteuerungvonGefässkathetern. Inden letztenzwei
JahrenerhieltStereotaxis,einUS-amerikanischerHersteller
vonmagnetischgeführterRobotertechnologiefürdieHerz-
chirurgie, zusätzliche 40 Millionen US-Dollar an Finanz-
mitteln. Kürzlich kündigte das Unternehmen sein neues
Genesis-SystemzurFernsteuerungvonKatheternmitma-
gnetischerSpitzeundintegrierterFluoroskopiean.Einwei-
teres Unternehmen für robotergesteuerte Koronarka-
theter,derfranzösischeCorindus-WettbewerberRobocath,
gab imAugust2020denAbschlusseinerFinanzierungs-
rundeinHöhevon40MillionenEurobekannt.
Asien, insbesondere China, hat auch weiterhin stark in
medizinischeRobotikinvestiertunddiebedeutendenIn-
vestitionenundAkquisitionenwerdensichindenkommen-
den Jahren mit grosser Sicherheit fortsetzen. Kleinere
GruppeninderSchweizkonntenFortschritteinderTech-
nologieentwicklungverzeichnen.Beispielsweiseoptimiert
CAScinationauchweiterhindieTumorablationstechnologie
durcheineverbesserteNadelplatzierungsowieeineredu-
zierte Eingriffszeit und Strahlenexposition. Forschungen
zumagnetischgeführtenchirurgischenEingriffenander
ETH ZürichhabendieerstenmobilenmagnetischenNavi-
gationssysteme hervorgebracht, die sich problemlos in
Operationssäleintegrierenlassen.TrotzdieserFortschritte
lagendieInvestitioneninderSchweiznichtaufdergleichen
Höhe wie in anderen Ländern weltweit. Wahrscheinlich
habenUnsicherheitendurchdieneueneuropäischenVor-
schriftenfürMedizinproduktedenEnthusiasmusderAn-
legergedämpft.DerlangeZeithorizont,aufdensichInves-
torenindiesemBereicheinstellenmüssen–inderRegel
fünfbiszehnJahrebiszurErzielungsignifikanterEinnah-
men–isteinweitererGrundfürdaseingeschränkteInte-
ressederSchweizerInvestorengemeinschaftanmedizini-
scherRobotik.
Die medizinische Robotik schafft eine enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und computergestützter Technologie zur Optimierung von Chirurgie und Interventionsmedizin. Dieser Wandel im Gesundheitswesen umfasst die Einbeziehung künstlicher Intelligenz zum Beispiel in die Diagnose oder die detaillierte Über-wachung sowie den Einsatz intelligenterer medizinischer Geräte zur Erzielung therapeutischer Vorteile. Der Beitrag im Technology Outlook 2019 hob die damals bemerkenswertesten wirtschaftlichen Erfolge auf diesem Gebiet sowie die Folgen für das Schweizer Gesundheitswesen hervor, quantifizierte die Schweizer Forschungsaktivitäten in diesem Bereich sowie mögliche wirtschaftliche Auswirkungen für die Schweizer Medizinprodukteindustrie und identifizierte potenzielle regulatorische.
Medizinroboter
Bradley Nelson (ETHZürich)
75
So sieht es heute ausDieErforschungdesMikrobiomsunddiedarausresultie-
renden Therapien stecken noch in den Kinderschuhen.
VieleForschungsaktivitätenkonzentrierensichaufdieZu-
sammensetzungunddieAktivitätenvonMikrobiomenin
krankenimVergleichzugesundenMenschen.Allerdings
isteineVerschiebungdesForschungsgegenstandeshinzu
einerkausalenVerknüpfungverschiedenerAusprägungen
desMikrobiomsundspezifischenphysiologischenZustän-
denzubeobachten.IndenletztenJahrenentstandenviele
Biotech-Unternehmen,dieAnwendungenzukommerziali-
sierenversuchen.DiemeistendieserStart-upssindengmit
Universitätenverknüpft.DieFokussedieserUnternehmen
liegeninderAnalyseundNutzbarmachungderErkennt-
nissefürTherapien.DieentstehendeIndustrieentwickelt
nichtnurneueMedikamente, sondernkonzentriert sich
auch darauf, wie das Mikrobiom als Therapeutikum zu
verwendenist.GegenwärtiggibtesindenUSAunterLei-
tungderBehörde für Lebens- und Arzneimittel FDAerste
experimentelleAnwendungen,diedasMikrobiomalsGan-
zesinderTherapiewiederkehrenderClostridioides-difficile-
Infektionenanzuwendenversuchen.Dieerstenglobalen
Forschungsanstrengungenwurden inEuropaunterdem
MetaHIT-ProjektzusammengefasstundindenUSAvom
Human Microbiome Projectkoordiniert.
Das menschliche Mikrobiom ist die Gesamtheit aller im Menschen lebenden Mikroorganismen. In den vergangenen Jahren wurde deutlich, dass diese ein wesentlicher Gesundheitsfaktor sind und mit einer Vielzahl chronischer Krankheiten in Verbindung gebracht werden können. Neben chronischen Entzündungen, Stoffwechsel- und immunologischen Krankheiten gehören auch Nervenkrankheiten dazu. So geraten Zu-sammensetzung und Funktion des Mikrobioms zunehmend in den Fokus und es ergeben sich vielverspre-chende, neue Ansatzpunkte für mögliche Therapien.
Mikrobiota und Mikrobiome
Tomas de Wouters(PharmaBiome)
Ein Blick in die ZukunftNatürlichwirddiemedizinischeRobotikauchindenkom-
mendenJahrzehntenAuswirkungenaufdasGesundheits-
wesenweltweithaben.EinbedeutendesVersprechender
TechnologieistdieVerbesserungchirurgischerFähigkeiten
beigleichzeitigerReduzierungdesSchulungsbedarfsund
BereitstellungeinersichererenundergonomischerenUm-
gebungfürChirurginnenundChirurgen.Daswiederauf-
keimendeInteresseanderTelemedizindurchdieCorona-
KriseunddieEignungderrobotergestütztenChirurgiein
diesemKontextverleihendenArgumentenfürmedizinische
RobotiknochmehrKraftals2019.
UmvondenglobalenEntwicklungenindermedizinischen
Robotikzuprofitieren,istesentscheidend,dassdieSchwei-
zer InvestorengemeinschafteineaggressiveRollebeider
Finanzierung von relevanten Start-ups einnimmt. Die
SchweizistinderLage,sowohldiePlattformenfürmedi-
zinischeRobotikalsauchdiechirurgischenInstrumentezu
kontrollieren,diediesePlattformenfüreineVielzahlvon
Interventionsverfahren nutzen. Ebenso wichtig ist, dass
FörderagenturenwiederSNFund InnosuissedieBedeu-
tungdiesesBereichsunddenerforderlichenlangfristigen
Horizonterkennen.ZudemmüssenRegulierungsbehörden
wieSwissmedicunbedingtdieRealisierungklinischerStu-
dienerleichtern, indemsieklare, realistischeRichtlinien
bereitstellen.
76
DieSchlüsselherausforderungistdasVerständnisgrösse-
rerPopulationen,dieeinenhohenGradanKomplexität
aufweisen. Es wird angenommen, dass das Mikrobiom
ähnlich wie das menschliche Immunsystem hochgradig
kontextabhängig ist. Deshalb ist die beständige Erfor-
schungdesThemaszentralfürdienachhaltigeEntwicklung
desForschungsstandes.EineweitereHerausforderungist
dieÜbertragbarkeitderaktuellerforschtenKausal-Zusam-
menhängeinTierversuchenaufdenMenschen.
InderSchweizgibtesregeForschungsaktivitätenimFeld
desMikrobiomsmitKompetenzen inMikrobiologieund
Gnotobiologie (Erforschung von Tieren mit definierten
Mikrobiomen).TraditionellerweisenehmenzweiSektoren
eineSchlüsselrolleinderErforschungdesMikrobiomsein:
Nahrungsmittel-undPharmaindustrie.
Ein Blick in die ZukunftDie ersten Mikrobiomprodukte werden 2022 auf den
Marktkommen.Esistzuerwarten,dassesinderFolgezu
einerZunahmeklinischerProgrammeundneuerKandi-
datenindenEntwicklungspipelineskommt.Indennächs-
tenfünfJahrenwerdenzusätzlicheineReihegesundheits-
förderlicherLifestyle-ProdukteaufdenMarktkommen.Mit
einem fortgeschrittenen Verständnis der Zusammenset-
zungvonMikroorganismennimmtauchdiePlanbarkeitvon
therapeutischen und ernährungswissenschaftlichen In-
terventionenzu,dieeineEntwicklungdesPräbiotika-und
Nahrungsergänzungsmittelmarktesunterstützendürften.
Es ist anzunehmen, dass Mikrobiomtherapien einen we-
sentlichen Teil medizinischer Behandlungen ausmachen
werden. Nach substanziellen Investitionen in frühe Ent-
wicklungsphasenvonTherapiensinddiesenununterstren-
gerPrüfungderIndustrie.DieakademischenAnstrengun-
genwerdendieGeschwindigkeitderWeiterentwicklung
indennächsten Jahrenebenfalls starkbeeinflussen.Für
erfolgreiche Mikrobiomtherapien muss der Austausch
zwischenverschiedenenwissenschaftlichenExpertisen,mit
Kenntnissen aus der klinischen Entwicklung und Know-
howbezüglichindustriellerProduktionsprozesse,gefördert
werden.
So sieht es heute ausAusderSichtderErnährungsberatungundMedizinsind
alleKonsumentinnenundKonsumenten«Unikate»inBe-
zugaufihrErbgutunddessenAusprägung,ihrebakterielle
Mikroflora(Mikrobiom)undihreDarm-Gehirn-Achse.Da
dieErnährunggemässneuenErkenntnissendiesedrei
Faktoren beeinflusst, ist der Anspruch, personalisierte
LebensmittelfürjedesIndividuumherzustellen,kaumer-
füllbar und wirtschaftlich irrelevant. Es bedeutet aber
auch,dassmiteinergezieltenErnährungdiegenetische
Ausprägung, das Mikrobiom und die Verbindung vom
DarmzumGehirnso«eingestellt»werdenkönnen,dass
gesteigertesWohlbefindenresultiert.IndenletztenJahren
stelltedieForschung«personalisierteLebensmittel»fürver-
schiedenegrosseZielgruppenvor,die sich inBezugauf
Alter,Aktivitätsmuster, Ernährungsgewohnheiten,Ge-
Personalisierte Ernährung soll die individuellen Verbraucherbedürfnisse in Bezug auf Akzeptanz, gesund-heitsrelevante Aspekte und Präferenz befriedigen. Präferenzen werden vor allem durch kulinarisch-senso-rische Eindrücke hervorgerufen und Akzeptanz ist massgeblich sozio-politisch bestimmt. Ernährungs-bedingte Gesundheitsaspekte nehmen Konsumentinnen und Konsumenten entweder wegen Allergien, Abweichungen vom Idealgewicht, Krankheiten oder Unverträglichkeiten direkt wahr oder sie werden von Ernährungs- und Gesundheitsfachleuten diagnostiziert.
Personalisierte Ernährung
Erich Windhab (ETHZürich)
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schlecht,Gesundheitszustand,Lifestyle,Nachhaltigkeits-
bewusstseinundUnverträglichkeitendeutlichunterschei-
den. In Folgemangelnderwirtschafltichüberzeugender
Konzeptewurdedieindividuell«personalisierteErnährung»
zwarnichtaufgegeben,trataberindenHintergrund.
Eine2019publizierteStudiederETH Zürichliefertfürdie
SchweizwertvolleErkenntnissezumassgeblichenNach-
haltigkeitsparameternundderenWechselwirkungenbei
gruppenspezifischenErnährungsgewohnheiten.Einege-
sundeErnährunggemässEmpfehlungenderSchweizeri-
schen Gesellschaft für Ernährung SGEwurdealsnachhal-
tigste Option ermittelt: Sie würde zu einer deutlichen
AbnahmedesökologischenFussabdrucks (-36Prozent),
derKonsumentenausgaben(-33Prozent)unddergesund-
heitsschädigendenEffekte(-2,7Prozent)imVergleichzur
aktuellenSchweizerDurchschnittsernährungführen.Eine
fleischorientierte Ernährung hingegen bewirkte einen
deutlichenAnstiegum23,20undgut4Prozentbeiden
vorgenanntenGrössen.WürdederFleischkonsummittels
Fleischanalogen auf Pflanzenbasis reduziert, resultierte
ein Gesundheitsnutzen mit positiven Auswirkungen auf
dieKostenfürdasGesundheitssystem.EinTrendimSchwei-
zerErnährungsverhaltenistdaswachsendeInteresseam
«Flexitarismus»,wasResonanzenaufSeitenetablierter
LebensmittelfirmensowiedieGründungvonStart-ups
ausgelösthat.Seit2018hatsichderFleischabsatzinder
Schweizumca.3Prozentreduziert.NichtnurFleischalter-
nativenaufPflanzenbasis,sondernauchpflanzenbasierte
Produkte anderer Lebensmittelkategorien tierischen Ur-
sprungs(z.B.Milch,Käse)mithoherWertigkeitundver-
besserter Nachhaltigkeit sind für die Weiterentwicklung
insRampenlichtgerückt.DieSchweizgeniessthierdank
ihrer industriellen, technologischen und wissenschaftli-
chenRahmenbedingungenweiterhineineausgezeichne-
tePosition.
Ein Blick in die Zukunft«PersonalisierteErnährung»fokussiertderzeitnichtauf
Individuen, sondern auf klar definierte Zielgruppen wie
Ältere,Kleinkinder,Mangel-undÜberernährte,Säuglinge
undSchwangere,aberauchaufPersonen,dieanAllergien,
Krankheiten und Unverträglichkeiten leiden. Eine Opti-
mierung der Ernährung ist vor dem Hintergrund rapide
steigenderGesundheitskosten fürdieseZielgruppenan-
gezeigt.Massgeschneiderte funktionaleErnährungals
Krankheitsprophylaxefindetderzeitsowohlinternational
alsauchinderSchweiznochvielzuwenigBeachtung.
NebendenobengenanntenZielgruppensindvorallemdie
Trendeinflüssevonwachsenden«Ernährungsgruppen»
wie Flexitarierinnen und Flexitarier zu berücksichtigen.
ÜberihrespezifischenPräferenzenundAkzeptanzenbrin-
gen sie Gesundheits- und Nachhaltigkeitsaspekte sowie
FragenzumTierwohlalsZielkriterienverstärktindieDis-
kussionein.SiesindsomitauchrelevanteAnsprechpart-
nerinnenundAnsprechpartner,wennesumEntwicklun-
genzurProphylaxeernährungsassoziierterKrankheitenund
dieVerbesserungderNachhaltigkeitsbilanzdesSchweizer
Ernährungssystemsgeht.IndenkommendenJahrenwird
sich inder SchweizderAnteil an Flexitarierinnenund
Flexitariernweitererhöhen.ProdukteaufderBasisvon
PflanzenproteinenwerdenAusgangspunktfürNeuentwick-
lungensein,diekulinarisch,sensorischundnutritivüber-
zeugenundfürspezifischeZielgruppenmassgeschneidert
werdenkönnen.DieSchweizerAgrar-undLebensmittel-
branche sowie die zuliefernde Maschinenindustrie sind
gefragt,denTrendzunutzenundZeichenzusetzen.
78
So sieht es heute ausDiePOC-DiagnostikhatsichindenletztenJahreninSpitä-
lernetabliertundPOC-Testswurdenverstärktindigitale,
mobileGesundheitsplattformenintegriert.DiesesVorgehen
verkürztdieZeitzwischenTest,DiagnoseundTherapie.
POC-TestsunterstützendieÜberwachungvonKrankheiten
undKrankheitsverläufen.DerenIntegrationinmobileGe-
sundheitsdienste wie mHealth oder Telemedizin erfor-
dertdieZusammenarbeitmehrererAkteureundkommt
dahernurinkleinenSchrittenvoran.Teilprozessevonder
DiagnosevonKrankheitenbiszurÜberwachungvonKrank-
heitsverläufen sind noch nicht aufeinander abgestimmt
undtechnischesowierechtlicheFragennochungeklärt.
DerPOC-DiagnostikwirddurchdaspandemischeAuftre-
ten von Sars-CoV-2 eine grosse Aufmerksamkeit zuteil.
DerNutzenvonSchnelltestszumNachweisdesVirusmit-
telseinemAntigentestwirdwegendergeringerenSensi-
tivität verglichen mit dem PCR-Test und der sicheren
Handhabbarkeit durch Nichtfachleute kontrovers beur-
teilt.DerVorteildesSchnelltestsliegtdarin,dasserinner-
halbvoneinpaarTagenwiederholteingesetztwerdenkann
und daher erlaubt stark Infizierte zu identifizieren und
isolieren. Im Blut von Menschen, welche die Covid-19-
Krankheit überstanden haben, können mit analytischen
MethodenAntikörpergegenEiweisseausderHülledes
Virusnachgewiesenwerden.DieserPOC-Diagnostik-Test
haterheblicheVorteile,kannerdochdezentraldurchge-
führtundmitnetzfähigenMessgerätenverknüpftwerden.
InderLockerungsphasederGesundheitsschutzmassnah-
menkommtdemAntikörpertesteinegrosseBedeutung
zu,daMenschenalsgesund,infiziertoderimmuneinge-
stuft werden müssen. Der mobile und vernetzbare
POC-Diagnostik-Test kann hier wirkungsvoll eingesetzt
werden. Dessen Daten müssen hinreichend genau und
einfachzuhandhabenseinundperSmartphoneaneine
übergeordneteStelleübermitteltwerden.DiePraktikder
Durchführung eines Tests wird daher zur neuen Kultur-
technik,dieerlerntundgelehrtwerdenmuss.
DieSchweiz istwieandereNationalstaateninderCoro-
na-Krise auf sich zurückgeworfen worden. Sie versucht
heuteAbläufeneu zuordnen.DerAnsatzderdigitalen
GesundheitsplattformistinZukunftaufandereGesund-
heitsproblemeanwendbar.Eshatsichklargezeigt,dass
die Schweiz ihre Abhängigkeit von globalen Liefer- und
Wertschöpfungskettenreduzierenmuss,umdieVersor-
gungderBevölkerungmitDiagnostikaundMedikamenten
gewährleistenzukönnen.
Ein Blick in die ZukunftDasSmartphoneistschonheutemehralsblosseinTelefon;
inZukunftwirdihminKombinationmitPOC-Testsauchin
GesundheitsbelangeneinewichtigeRollezukommen.Es
istAufgabeundHerausforderungzugleich, indenkom-
mendenJahrendezentraleundvernetzbarePOC-Testsys-
teme fürdieunterschiedlichstenAnwendungsfelderwie
dasMonitoringderBlutwertevonArzneistoffenwieAnti-
biotika,Antiepileptika, Entzündungshemmernoder Im-
munsuppressivazuetablieren.
DiePOC-DiagnostikistfürdieSchweizerIndustrieseitlan-
gemeinTätigkeitsfeld,daseinerstarkenRegulierungund
einem hohen Kostendruck unterliegt. Die digitalen Ge-
sundheitsplattformentragenindividuellen,regionalenund
nationalenBedürfnissenRechnungundsinddeshalbweder
einfachübertragbarnochbeliebig skalierbar.Um inder
POC-Diagnostik erfolgreich zu sein, müssen neue Ge-
schäftsmodelleentwickeltwerdenundFirmenihreKern-
kompetenzen durch Kollaboration, internes Wachstum
oderZukaufvonanderenFirmenerweitern.
Die Point-of-care-Diagnostik (POC-Diagnostik) ist ein Teilgebiet der In-vitro-Diagnostik und soll diese näher an den Ort der Nachfrage bringen. Ausführende sind die Patientinnen und Patienten selbst oder Fach-personen in der Apotheke, beim Hausarzt oder der Spitex. Das bekannteste Beispiel ist die Insulinmessung bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes.
Point-of-Care-Diagnostik
Daniel Gygax(FHNW)
79
So sieht es heute ausIndenvergangenenzweiJahrenhatdiesynthetischeBio-
logieihrerasanteEntwicklungbesondersindenBereichen
der chemischen Synthese, genetischen Schaltkreise und
neuenMaterialienfortgesetzt.DieKonstruktionvonMi-
kroorganismenmitdenMethodendersynthetischenBio-
logiefindetinderchemischenIndustriebeiderklein-und
grossmassstäblichen Synthese von Chemikalien immer
stärkerenEingangindieProduktstammbäumeunderöffnet
ZugängezuneuenStoffen.BerechnungundEinsatzvon
Genschaltkreisen in Zelllinien und Tiermodellen wurden
fürneueKrankheitsbildermöglich.SolcheSchaltkreisesind
unterdessen empfänglich für externe Steuerungen wie
LichtundElektrizität.AuchderradikaleUmbauvonZellen,
umProteinemitneuenBausteinenodervollkommenneu-
artigen,programmierbarenPolymerenzu synthetisieren,
gehtmitunveränderterGeschwindigkeitweiter.
DieSituationinderSchweizistunverändertgut.Esbeste-
hen hervorragende Infrastrukturen und ein exzellentes
akademischesNetzwerk,daszusammenmitdemjenigen
vonGrossbritannienwahrscheinlichandereuropäischen
Spitze steht. Die kommerzielle chemische Synthese von
grossen Erbgutmolekülen ist einederKerntechnologien
der synthetischenBiologie. TrotzdergutenPositionie-
rung wächst diese Schlüsseltechnologie weiterhin am
stärksten ausserhalb der Schweiz, was angesichts des
exzellentenUmfeldsinorganischerSyntheseundMikro-
technologieeineungenutzteMöglichkeitundeinestrate-
gischeAchillesfersedarstellt.
Ein Blick in die ZukunftWiesooftinderGeschichtederBiotechnologiegehörtder
PharmabereichzudenfrühenAnwendern,soauchfürdie
synthetischeBiologie.DieSchweizerAkteure indersyn-
thetischenBiologiestellendiesemSektorvielWissenund
Ingenieurpotenzial zur Verfügung. Überlappungen mit
Technologien wie CRISPR/Cas9 sorgen für zusätzliche
Dynamik.Esistdaherdavonauszugehen,dassinZukunft
pharmazeutischeAnwendungenundDiagnostikwichtige
RollenbeiderweiterenDurchdringungder Industriemit
synthetischerBiologiespielen.Diegrossenmultinationalen
PharmaunternehmenderSchweizsinddafürhervorragend
aufgestellt und zahlreiche weitere Firmen sind sehr gut
unterwegs.InsbesondereindenBereichenderchemischen
SyntheseundMaterialienkönntederWissenstransferzwi-
schenakademischerForschungundIndustrieaberintensiver
sein. Intensive, industriell-akademische Kollaborationen
sindeinegrosseChance fürdieerwähnten industriellen
BereicheundkönntenpotenziellvonderInnosuissege-
fördertwerden.
Synthetische Biologie umfasst alle Aktivitäten, mit denen biologische Systeme nach Methoden der klassischen Ingenieurwissenschaften wie Elektrotechnik oder Maschinenbau auf die Herausforderungen unserer Zeit angewendet werden sollen. Es gelten ähnliche Vorstellungen, was Zuverlässigkeit, Entwicklungsgeschwindig-keit und Komplexität der angestrebten Entwürfe angeht. Damit reicht synthetische Biologie weit in alle Bereiche der chemischen Industrie und Life Sciences hinein und hat viele Berührungspunkte mit den Bereichen Diagnostik, Energie und Materialien.
Synthetische Biologie
Sven Panke(ETHZürich)
Technik und Gesellschaft
80
81
So sieht es heute ausDasPrinzipderDatensouveränitätwurdebisanhinprimär
unterdemdefensivenAspektdesSchutzesvorMissbrauch
der Daten rechtlich ausgestaltet. So insbesondere im
RahmenderDatenschutzgesetzgebunginBezugaufperso-
nenbezogeneDatenoderimWettbewerbs-undImmaterial-
güterrecht inBezugaufdieVerwendungvonSachdaten
privater Unternehmen. Mit der offensiven Perspektive,
vorhandeneDatenbessernutzenzukönnenunddabeiden
AnsprüchenderdatenberechtigtenIndividuenundOrgani-
sationenzugenügen,kommtdemPrinzipderDatensou-
veränitätkünftigeinezentraleBedeutungzu.Indenletzten
15 Jahren haben sich dazu in zahlreichen Ländern drei
Stossrichtungen herauskristallisiert: die offene und freie
NutzungmöglichstvielerSachdatenohnePersonenbezug
durchalleAkteure(«OpenData»),dieNutzungpersonen-
bezogenerDatendurchdiebetroffenenPersonenselbst
(«MyData»)sowiedasTeilensensitiverDatenunterrest-
riktivenBedingungenzwischenUnternehmenundVerwal-
tungen(«SharedData»).
InderSchweizsinddiesedreiPfeilereinerselbstbestimmten
underfolgreichenDatenwirtschaftnochwenigentwickelt.
Es fehlteineverbindlicheGesetzgebungfürOpenData,
insbesondereimVerwaltungsbereich(OpenGovernment
Data). Die Gesetzgebung zu den personenbezogenen
DatenkreistnachwievorvorallemumdenDatenschutz,
umfasstallerdingsinderneuen,revidiertenFassungauch
dasRechtaufDatenübertragbarkeit.Undfürdasvertrau-
enswürdige Teilen sensitiver Sachdaten zwischen Unter-
nehmenundVerwaltungenfehlensowohldierechtlichen
Rahmenbedingungenalsauchdienotwendigenorganisa-
torischenundtechnischenInfrastrukturen.
Ein Blick in die ZukunftDiekommendenJahrestehenunterderFrage,werüber
dieinderSchweizangefallenenodervonSchweizerinnen
und Schweizern produzierten Daten verfügt und diese
nutzen kann. Angesichts der zunehmenden exklusiven
KonzentrationderDatenbeiwenigenglobalenPlattformen
istdieDatensouveränitätderSchweizakutbedroht.Damit
in der Schweiz alle Bürgerinnen und Bürger, politischen
Körperschaften,Unternehmen,Verwaltungenundweitere
Institutionen und Organisationen ihre Daten in Zukunft
selbstbestimmtbessernutzenkönnen,sindrechtliche,or-
ganisatorische, technische und bildungsbezogene Mass-
nahmenaufallenEbenennotwendig.
DersouveräneUmgangmitdeneigenenDatenerfordert
indenkommendenJahreneineumfassendeDatenpolitik,
andersichGesellschaft,WirtschaftundWissenschaftbe-
teiligen,umgemeinsameinenvertrauenswürdigenDaten-
rauminderSchweizaufzubauen(SwissDataSpace).
Datensouveränität bezeichnet das Recht sowie die Fähigkeit von Individuen oder Organisationen, Daten die sie selbst generiert oder gesammelt haben oder die sich auf sie beziehen, kontrollieren und selbstbe-stimmt nutzen zu können.
Datensouveränität
André Golliez (ZetamindAG,SwissDataAlliance)
82
So sieht es heute ausDiePraxis zeigt,dassdigitalesVertrauenheute vonver-
schiedenenFaktorenbeeinflusstwird.EinezentraleRolle
spielendasNutzererlebnis(UserExperience),derNutzungs-
komfort(Convenience),TransparenzundIntegrität.Trans-
parenz meint, dass Nutzerinnen und Nutzer erkennen
können,wieDatengenutztwerdenundinwelchenNut-
zungszusammenhängen sie stehen. Ein Anbieter gilt als
integer,wenn er dieWerteundDatenderNutzerinnen
undNutzerinvorausschaubarerWeiseschützt.DieReputa-
tiondesAnbietersundseineZuverlässigkeitfliesseneben-
fallsindieBeurteilungderVertrauenswürdigkeitein.An-
bieter von digitalen Produkten und Dienstleistungen
erhalten von ihren Nutzerinnen und Nutzern kurzfristig
«digitalesVertrauen».DiesesVertrauenkannsichlangfris-
tigverstetigen,wennsichzeigt,dassderAnbietermitsei-
nendigitalenAngebotendieobengenanntenKriteriener-
füllt.
DigitalTrustkannmittelsUmfragenerhobenoderdurch
dieAuswertungvonDatengemessenwerden.Wenneine
PersonsichfürdieVerwendungeinesProduktsentscheidet,
bestätigtsie ihrdigitalesVertrauenineinUnternehmen.
WichtigeIndikatorensindetwadieAbsprungrate,dasMar-
kenerlebnisoderdieBejahungderFrage:«VertrauenSie
diesem Unternehmen?» In der Entwicklung von Digital-
Trust-TechnologienbewegtsichdieSchweizimMittelfeld:
SieistwederSpitzenreiterin,nochistsiesichtbarimHin-
tertreffen. Die gezielte Anwendung von entsprechenden
PrinzipienisterstinAnsätzenerkennbar.
Ein Blick in die ZukunftEsgibtderzeitkeineHinweisedarauf,dassdasImplemen-
tieren von Prinzipien des Digital Trusts der Entwicklung
vonerfolgreichenGeschäftsmodellenimWegsteht,auch
wenndieszuweilenbehauptetwird.ImGegenteil:Weit-
sichtigeInformationsarchitekturenundGeschäftsmodelle
könnendafürsorgen,dassdiePrinzipiendesDigitalTrust
vonGrundaufindieArchitekturvondigitalenAngeboten
einfliessen.DiessolltemaninZukunftbeiderPlanungvon
IT-Lösungenund-Infrastrukturenvermehrtbeachten. Ist
diesderFall,entstehenkeine redundantenKostenund
DigitalTrustwirdnichtzueinemsignifikantenKostentrei-
ber.GeradebeigrossenSoftware-oderCloudlösungenist
esschwierig,diePrinzipiendesDigitalTrustsnachträglich
zu implementieren, was Anbieter von solchen digitalen
DienstleistungenvorHerausforderungenstellenkann.
InnaherZukunftwirdesdarumgehen,diePrinzipiendes
DigitalTrustszuverankern,sodasssieeineSelbstverständ-
lichkeitwerden.PolitischbestehtdieHerausforderungim
Aufbau von koordinierten Datenräumen, zum Beispiel
dem Swiss Data Space. Diese Datenräume schaffen die
Möglichkeit,dassDatennachklarenRegelngeteiltwerden
können,wasWirtschaftundGesellschaftzugutekommen
wird und neue, datengetriebene Projekte ermöglicht.
Solche Datenräume müssen konsequent so aufgebaut
werden,dasssievertrauensschaffendeAttributeaufwei-
sen.AndernfallswerdensiekeineAkzeptanzfinden.
Digital Trust (digitales Vertrauen) meint Vertrauen in digitale Produkte und Dienstleistungen. Aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer kann Vertrauen als Erwartung aufgefasst werden, dass der Anbieter auch zukünftig seinen Pflichten nachkommt. Digitales Vertrauen kann auch als die Grundannahme beschrieben werden, dass Nutzerinnen und Nutzer von einem digitalen Produkt oder einer Dienstleistung Gebrauch machen werden, weil sie davon ausgehen, dass ihnen der Gebrauch mehr nützt als schadet. Insofern ist Vertrauen – und so auch Digital Trust – nichts, über das ein Anbieter verfügt, sondern etwas, das ihm zugesprochen wird.
Digital Trust
Christian Laux (LauxLawyersAG)
83
Technologietrends
84
85
Einführung 86
Digitale Welt 87 AutonomeSysteme 87
CyberphysischeSysteme 88
Cybersecurity 89
Industrie4.0 90
KünstlicheIntelligenz 91
Quantentechnologien 92
Energie und Umwelt 94 DigitaleLandwirtschaft 94
Energieversorgung 95
Kreislaufwirtschaft 96
SmartCities 97
Fertigungsprozesse und Materialien 98 ZukünftigeMaterialien 98
Life Sciences 100 Biotechnologie 100
Präzisionsmedizin 101
86
ImvorangehendenKapitelwurdendieeinzelnenTechno-
logien, gruppiert nach Forschungsfeldern, kurz präsen-
tiert.DafürpraktischeAnwendungenundkommerzielle
ProdukteabermehrereTechnologieneineRolle spielen,
wirdhiererstmalsdasZusammenwirkenderTechnologien
fürdieUmsetzungvon13 inderöffentlichenWahrneh-
mung und in den Medien präsenten Technologietrends
betrachtet.DiessindumfassendeThemenwieKreislauf-
wirtschaft,künstlicheIntelligenzoderSmartCities,dieje
nachBetrachtungsweiseunterschiedlichbreitundtiefge-
fasstwerdenkönnen.DerTechnology Outlookerklärtdie
Begriffe und lotet das Potenzial für die Schweizer Wirt-
schaftundGesellschaftaus.Bewusstverzichtenwirdar-
auf,gesellschaftlicheunddemografischeTrendseinzube-
ziehen.
DiefolgendenBeiträgeerklären,welchederimvorange-
hendenKapitelpräsentiertenTechnologienfürdiejeweili-
genTechnologietrendszusammenwirken.BeijedemBei-
trag sind die Icons derjenigen Technologien aufgeführt,
diemitdemTechnologietrendinWechselwirkungstehen:
EntwederwirkteineTechnologiealsTreiberinfürdieEnt-
wicklungdesTrendsoderdieTechnologieprofitiertvon
derfortschreitendenEntwicklungdesTrends.AlsLesehilfe
dientdieÜbersichtderIcons,dieinderKlappehintenzu
finden ist. So wirken beispielsweise 5G-Anwendungen,
Blockchain,InternetofThings,Mobilitätskonzepteund18
weitereTechnologienalsTreiberfüroderprofitierenvon
derWeiterentwicklungautonomerSysteme.Analysevon
BigData,derdigitaleZwilling,BiokatalyseundBiosynthe-
se, synthetische Biologie und 15 weitere Technologien
stehenineinerengenWechselwirkungmitdemTechnolo-
gietrendBiotechnologie.
WaslässtsichausdemZusammenwirkenvonEinzeltech-
nologienindenTechnologietrendslernen?MiteinerBe-
trachtungsweise,dievondenTechnologietrendsausgeht,
kannvorallemderentechnologischeKomplexitätaufge-
zeigt werden. Um beispielsweise mit einem Unterneh-
men,dasimFeldderBiotechnologieaktivist,erfolgreich
zu sein, reicht es nicht, nur Technologien aus den Life
ScienceswieBiokatalyseundBiosyntheseodersyntheti-
sche Biologie zu beherrschen. Auch Anwendungen aus
der Prozessoptimierung wie vernetzte Maschinen
(ConnectedMachines)undderdigitaleZwillingkönnten
einen entscheidenden Vorteil bieten, um die Wettbe-
werbsfähigkeitzuerhalten.Gleichzeitig lohntessichfür
einsolchesUnternehmenunterUmständen,indieDaten-
analyseunddasDatenminingzuinvestierenunddenEin-
satzvonlernendenSystemenzuprüfen.AuchTechnologien
ausdemForschungsfeldderFertigungsprozessemüssen
gegebenenfalls indasPortfolioeines solchenUnterneh-
mensaufgenommenwerden.Wersichhingegenhaupt-
sächlichmitkünstlicherIntelligenzbeschäftigt,sollteauch
Anwendungen aus den Life Sciences wie medizinische
Wearables, Mikrobiota und Mikrobiome und personali-
sierteErnährungimAugebehalten.Genausowichtigsind
dieTechnologienausdenbeidenForschungsfeldernEnergie
undUmweltsowieFertigungsprozesseundMaterialien:
ZuerwähnensindhierbeispielsweisedieMobilitätskon-
zepteunddieadditiveFertigung,dievonEntwicklungen
inderkünstlichenIntelligenzprofitieren,dieaberauchals
TreiberfürdiesenTechnologietrendwirken.
Einführung
ÜberdenQR-CodegelangenSieaufunsereWebsite,woSieweitereInformationenzuden
einzelnenTechnologietrendsfinden,dieindergedrucktenAusgabedesTechnology Outlooks
keinenPlatzfanden.
87
Digitale Welt
So sieht es heute ausDieForschunghatimBereichderautonomenSystemein
den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Jedoch
sinddiemeistendieserMaschinennochmehrereJahre,oft
Jahrzehnte von einer industriellen Umsetzung entfernt.
BereitsmitsteigenderNachfrageimEinsatzsindhingegen
autonome Putzmaschinen oder Transportroboter. Auto-
nomeSystemesindsehrkomplexundihreWeiterentwick-
lung bedingt hohe Investitionen in Forschung und Ent-
wicklung. Trotz attraktiven Versprechungen im Rahmen
der künstlichen Intelligenz ist es wichtig, das Machbare
wieLandwirtschafts-oderTransportroboteranzupacken,
stattvonVisionenwiehumanoidenRoboternzuträumen.
AutonomeSystemekombinierenAktorik,Präzisionsmecha-
nik,intelligenteRegelungundSensorik,umkomplexeAb-
läufeselbstständigauszuführen.
Ein Blick in die ZukunftDerEinsatzeinfacherautonomerSystemewieInspektions-,
Putz-oderTransportroboterwirdindennächstenJahren
starkzunehmen.KomplexereSystemewieselbstfahrende
Fahrzeuge,Indoor-DrohnenoderLandwirtschaftsroboter
werdenvermehrtEinsätzeinstrukturierterenUmgebungen
haben.WegenihrerKomplexitätwerdensichautonome
SystemenurlangsaminunseremtäglichenUmfeldetab-
lieren:EsistmittelfristigehereineEvolutionalseineRevo-
lutionzuerwarten.Längerfristigwerdenjedochautonome
Systeme wie selbstfahrende Fahrzeuge oder Landwirt-
schaftsroboterverschiedeneBereichedrastischverändern.
DankderhohenKompetenzinallenfürautonomeSysteme
relevantenBereichenhatdieSchweizwiekaumeinanderes
LanddieFähigkeit,solchekomplexenMaschinenzuent-
wickelnundinternationalerfolgreichzuvermarkten.Esgilt,
dieFührerschaftandenHochschulenweiterauszubauen
unddieseTechnologieninschnellskalierendenFirmenwirt-
schaftlichumzusetzen.
Autonome Systeme sind Maschinen und Prozesse, die zumindest teilweise selbstständig situationsbedingte Entscheide treffen können. Diese basieren auf kontinuierlichen Messungen mit Sensoren sowie auf Algo-rithmen der künstlichen Intelligenz. Systeme wie Roboter in Produktionsstrassen oder Werkzeugmaschinen, die selbstständig Entscheidungen in einem genau definierbaren Entscheidungsraum treffen, werden als automatische Systeme bezeichnet. Im Gegensatz dazu bewegen sich autonome Systeme, also beispielsweise selbstfahrende Autos, Drohnen oder Auslieferungsroboter, in einem Umfeld, wo der Entscheidungsraum offen ist und überraschende, nicht voraussehbare Situationen auftreten können, denen sie zuverlässig begegnen müssen. Ein vielversprechender, oft aber überschätzter Weg basiert auf lernenden Systemen. Allerdings bleibt die korrekte Reaktion auf überraschende Situationen, die für uns Menschen oft einfach erscheint, für autonome Systeme eine Herausforderung.
Autonome SystemeIntelligenteMaschinenimDienstderMenschheit
Roland Siegwart(ETHZürich)
88
So sieht es heute ausHistorischsinddieUSAführend.Chinahatjedochinden
letztenzehnJahrenstarkaufgeholt.Europaundandere
LänderwieIndienfolgen.DieSchweizmussihreneigenen
Wegfinden,angepasstandiehiesigenKompetenzenund
industriellenStärken.VieleAnwendungensindzwarlängst
Realität,dennochgiltes,weitereMöglichkeiten,diemitder
wachsendenBandbreite,RechenleistungundSpeicherka-
pazitätverbundensind,rechtzeitigzuerkennenundspe-
ditivzunutzen.DiedazunötigedurchgängigeDigitalisie-
runginderBildung,inderIndustrieundinderGesellschaft
sollmitSondermassnahmenangestrebtwerden.
DieSchweizistalsinnovativesLandimBereichderDigitali-
sierungaktivundesentstehenverschiedeneerfolgreiche
Start-ups.DennochnutzenKMUoftdasChancenpotenzial
vielzuwenig,nichtzuletztwegenderKosten.DasZusam-
menspielvonTechnikundBetriebswirtschaftmussmittels
neuerGeschäftsmodellevorangetriebenwerden.
DieerforderlichenakademischenFachkompetenzenliegen
inderSchweizvor;Informatik,algorithmischeMethoden
undBetriebswirtschaftsindanSchweizerHochschulenTeil
derLehre.AllerdingsbestehenDefiziteimZusammenwirken
vonIngenieurinnenundIngenieuren,Industriephysikerin-
nen und -physikern, Industriemathematikerinnen und
-mathematikernsowieFachleutenderBetriebswirtschaftim
konkretenAnwendungsfall.HiersindUniversitäten,Fach-
hochschulen,aberauchdieAkademienwiedieSATWge-
fordert.
Ein Blick in die ZukunftCyberphysischeSystemeführenverschiedeneTechnologien,
vorallemVernetzungs-undKommunikationstechnologien,
zusammenundbündelnsie.Durchdierasantwachsenden
technologischenMöglichkeitenwerdendiecyberphysischen
Systemeimmerleistungsfähiger.DiesführtzuneuenGe-
schäftsmodellenundhöchsteffizientenProduktionsabläu-
fenfürKMU,diedannpermanentoptimiertundansich
ändernde Marktbedingungen stetig angepasst werden
können.
DieSchweizkannsichmittechnischenLösungenfürinnova-
tive cyberphysische Systeme im internationalenWettbe-
werbeinenführendenPlatzsichern,wennesihrgelingt,
dievorhandenenKernkompetenzenzusammenzuführen.
InsbesonderefürdieSchweizerIndustrie,dieweltweitin
derEntwicklungvonPräzisionsmaschinenundPräzisions-
systemeninvolviertist,bietensichhiergrosseChancen.
Cyberphysische Systeme, ursprünglich als Weiterführung des Konzepts Industrie 4.0 eingeführt, beschreiben diejenigen informationstechnischen Prozesse, bei denen physische Entitäten (Abläufe, Maschinen, Menschen, Objekte etc.) digital abgebildet werden und mit dieser Abbildung in Echtzeit interagieren. Cyberphysische Systeme finden in nahezu allen Bereichen der Gesellschaft Anwendung. Etwa im Finanzsektor, im Gesund-heitswesen, in der Industrie und Produktion oder in der Landwirtschaft. Anschauliche Beispiele sind der Onlinefahrplan der SBB, die Paketverfolgung der Post, die SwissCovid-App des Bundes, die sozialen Netz-werke (Facebook, LinkedIn etc.) und moderne Produktionsverfahren. Es ist zu erwarten, dass laufend neue Lösungen sowie neue Geschäftsmodelle und Dienste entstehen werden. Grundlage für die erfolgreiche Um-setzung und Anwendung von cyberphysischen Systemen sind flächendeckende, breitbandige und resiliente Internetinfrastrukturen, zentrale wie dezentrale Rechenleistungen und Speicherkapazitäten sowie mobile Geräte und Sensorik.
Digitale Welt
Cyberphysische Systeme Reale und virtuelle Welt im dynamischen Wechsel
Bernhard Braunecker(SchweizerischePhysikalischeGesellschaft)undGuido Piai (OST)
89
Digitale Welt
So sieht es heute ausPolitischistdasBewusstseinfürdieBedeutungderCyber-
securityvorhanden.VieleLänderorientierensichwiedie
SchweizaneinernationalenCybersecurity-Strategie.Auf-
grund des globalen Bedrohungsumfelds und ähnlichen
Herausforderungenweisendie Strategien vieleGemein-
samkeitenauf.DankneuerTechnologienistderAufwand
fürerfolgreicheCyberangriffezwargewachsen,dochgibt
esnochimmerviele,teilsgravierendeSicherheitsvorfälle.
DiesesindhäufigaufdieVerletzunggrundlegenderSicher-
heitsprinzipienzurückzuführen,weshalbnebenderFörde-
rungneuerSicherheitslösungenauchdieRegulierungund
Zertifizierung von IKT-Dienstleistungen, -Produkten und
-ProzessenanBedeutunggewinnt.BeivielenmitdemIn-
ternetverbundenenProduktenfürdenPrivatgebrauchist
CybersecuritywegenfehlendergesetzlicherVorschriften,
ausKostengründenoderausGründeneinerschnellenPro-
duktlancierungkeinThema.
Dank ihrer Neutralität, Rechtssicherheit und politischen
StabilitätverfügtdieSchweizüberidealeVoraussetzungen
füreinerfolgreichesCybersecurity-Ökosystem.InvielenBe-
reichenhatsiebereitsResultateerzieltundistiminterna-
tionalenVergleichgutaufgestellt.MitdemNationalen Zen-
trum für Cybersicherheit (NCSC),derNationalen Strategie
zum Schutz der Schweiz vor Cyberrisiken (NCS) sowie
dem Cyber-Defence Campus (CYD) verfügt die Schweiz
überStrukturen,umderCyberproblematikaktivzubegeg-
nen.ErgänzendwirdanHochschulenundinUnternehmen
anaktuellenFragestellungengeforschtundausgebildet.
ImRahmendermilitärischenAusbildungkannneueineidge-
nössischanerkannterAbschlussalsCybersecurity-Spezialis-
tin oder -Spezialist erlangt werden. Um den steigenden
Bedarf nach innovativen technologischen Lösungen zu
decken, sind verschiedene Innovationsförderprogramme
aufCybersecurity-Start-upsausgerichtet.
Ein Blick in die ZukunftAuftechnischerEbenewirdeinezunehmendeAutomati-
sierungwichtig.Beispielsweise soll künstliche Intelligenz
helfen,SchwachstelleninSystemenzuerkennenundEin-
fallstorezuschliessen.Wichtigwirdkünftigauchsein,Infor-
mationenzubestehendenBedrohungenzuteilen.Interna-
tional laufenBemühungen,verbessertePlattformenzum
InformationsaustauschmittelsBlockchainaufzubauen.Auf
politischerEbenewerdeninnaherZukunftFragenzurRe-
gulierungundStandardisierungzentralwerden.InderEU
wirdmitdemCybersecurity ActdieEinführungverbindlicher
undüberprüfbarerStandardsundRegelnfürvitaleDienst-
leistungengeprüft,diefürUnternehmenundöffentliche
HandMassnahmenzurSicherungihrerLiefernetzeundPro-
zessedefinieren.
Cybersecurity bezeichnet Hard- und Softwarekomponenten, die datenverarbeitende Geräte vor unbefugtem Zugriff schützen, umfasst aber auch nichttechnische Massnahmen wie Gesetzgebung und Schulung von Nutzerinnen und Nutzern. Cyberangriffe können darauf ausgelegt sein, auf sensible Daten von Organisa-tionen oder Nutzerinnen und Nutzern zuzugreifen, diese zu erpressen oder die Daten zu löschen. Für eine der Vertraulichkeit der Daten angemessene Cybersecurity zu sorgen, ist Aufgabe der Hard- und Softwareher-steller, der Infrastrukturbetreiber, der Anbieter digitaler Dienste sowie deren Nutzerinnen und Nutzer. Cybersecurity bildet die Grundlage der umfassenden und sicheren Digitalisierung und ist für viele techno-logische Entwicklungen zentral.
CybersecurityTechnische,organisatorischeundsozialeMassnahmenfürsichereDaten
Hans-Peter Käser (BWL), Bernhard Tellenbach (ZHAW)und Nicole Wettstein (SATW)
90
So sieht es heute ausEs zeichnen sich vor allem zwei Einsatzgebiete ab: die
smarteFabrikunddatenbasierteDienstleistungen.Inder
smartenFabrikumfasstIndustrie4.0dreiEbenenderPro-
zessautomatisierung: die Zustandsüberwachung einer
Maschine oder eines Prozesses, die datenbasierte Opti-
mierungdesProzessesdurchvorausschauendeIntervention
und die Selbstorganisation eines Systems basierend auf
SelbstdiagnoseundautonomerMaschinenentscheidungen.
DatenbasierteDienstleistungenwiedievorausschauende
Wartung resultieren aus der zunehmenden Vernetzung
vonMaschinenundderkontinuierlichenSammlungund
AnalysedererDaten.SokannnichtnurderZustandder
Maschinen aufgezeigt werden, es können auch voraus-
schauend zustandsbasierte Wartungsarbeiten abgleitet
werden.DiegrösstenHerausforderungenliegenaktuell
nichtinderTechnik,sondernbeimZugangzuqualitativzu-
friedenstellendenDateninausreichenderMenge.Gerade
fürdenEinsatzkünstlicherIntelligenzistdiesentscheidend.
Hervorzuheben sinddie Implementierungserfolge inder
Automobilindustrie,wovonauchandereBranchenprofi-
tieren.InderSchweizsindQualitätskontrolleninEchtzeit
sowie lückenlose Rückverfolgbarkeit bis auf Stückebene
grosseTreiberfürdenEinsatzvonKonzeptenderIndustrie
4.0.DieSchweizerIndustriehatsehrguteVoraussetzun-
gen,umindenEntwicklungenrundumIndustrie4.0als
effizienteUmsetzerinmitzuwirken.
Bei Industrie 4.0 stehen intelligente und digital vernetzte Systeme für die industrielle Produktion im Zentrum, welche sämtliche Funktionen von Einkauf bis Logistik umfassen. Industrie 4.0 beruht auf zahlreichen inno-vativen Technologien und Entwicklungen wie Augmented Reality, Datenanalyse, -speicherung und -über-tragung, dem digitalen Zwilling, kollaborativer Robotik sowie Sensorik.
Industrie 4.0 DankVernetzungundDigitalisierungInnovationenentwickelnundumsetzen
Patricia Deflorin (FHGraubünden)undPhilipp Schmid (CSEM)
Digitale Welt
InderSchweizwirdeineMeldepflichtfürCybervorfälle
diskutiert,dieaufEU-EbenefürgewisseVorfällebereits
gilt. Mit der zunehmenden Digitalisierung erhalten das
ThemaCybersouveränitätunddieFragenachderBevor-
zugungnationalerLösungenfürkritischeSystemegrössere
Bedeutung.EsistfürdieSchweizzentral,eigeneKapazi-
tätenundKompetenzenaufzubauen:EinSchweizerCyber-
security-Ökosystem istunabdingbarfürdenzukünftigen
Erfolg des Wirtschaftsstandortes. Ebenso besteht bei
SchweizerKMUundderBevölkerungderBedarfnachein-
fachanwendbarenLösungen.DaCybersecurityauchviel
mitmenschlichemHandelnzutunhat,isteinVerständ-
nisbeiArbeitnehmendensowieinderPolitikundbeiPri-
vatpersonen zentral. Es braucht neben technologischen
Innovationen auch Aufklärung und neutrale Wissensver-
mittlung.
91
Digitale Welt
Ein Blick in die ZukunftIndustrie 4.0 wird die gesamte industrielle Produktion
durchdringenundeinegrosseökonomischeWirkunger-
zielen. Die günstige Verfügbarkeit von Rechenleistung,
Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz und eine er-
höhteNutzungvonDatenwerdensowohlindersmarten
FabrikalsauchbeineuenDienstleistungeneineVielzahl
weitererAnwendungenermöglichen.
DadieSchweizkeinenglobalenAnbietervonSoftware-
lösungenfürdieFabrikautomationbeheimatet,istlokale
Vernetzung und Unterstützung essenziell. Gerade die
Schweizer KMU-Landschaft ist auf Lösungen von Ent-
wicklungspartnernausderangewandtenForschungan-
gewiesen.Um internationalkonkurrenzfähigzubleiben,
istIndustrie4.0fürdasHochlohnlandSchweizeinegrosse
Chance,diegenutztwerdenmuss.
So sieht es heute ausKIkonnte inden letztenzehnJahrenmehrerebahnbre-
chendeInnovationenverzeichnen–wiedasErkennenvon
Bildern,dasSpielenkomplexerBrettspieleunddasBeant-
wortenvonFrageninnatürlicherSpracheinQuizshows.Die
meistendieserDurchbrüchebasierenaufeinerbestimmten
Art des maschinellen Lernens, die als Deep Learning be-
zeichnetwird.HeutesindvieleausgereifteAnwendungen
verfügbar,dievonGesichts-,Gesten-undSpracherkennung
über personalisierte Empfehlungsdienste bis hin zu Wirk-
stoffentdeckungundmedizinischerBildanalysereichen.
DieSchweiznimmtinderKI-Forschungundihrerprakti-
schen Anwendung eine Vorreiterrolle ein. Es ist nötig,
Richtlinieneinzuführen,umAnspruchsgruppentransparent
überdieVorteileundRisikenvonKIzu informierenund
einenregulatorischenRahmenzuschaffen,dereinesichere,
vertrauenswürdigeundethischeKIgewährleistet.Darüber
hinausistderErwerbdererforderlichenKenntnisseinEnt-
wicklungundEinsatzvonKI-TechnologiendurchdieArbeit-
nehmendenentscheidendfürdieerfolgreicheEinführung
vonKIinSchweizerUnternehmen.
Ein Blick in die ZukunftEswirderwartet,dassdiePräsenzvonKIinunseremAlltag
kontinuierlichzunehmenundindenBereichenNachrichten-
konsum,personalisierteDienstleistungen,intelligenteSyste-
mezuHauseoderamArbeitsplatzsowiesozialeNetzwerke
zurNormalitätwird.IndiesemSinneistesschwervorstell-
bar,dassirgendeineBranchenichtaufdieeineoderandere
WeisevonKIbetroffenseinwird.Unternehmen,dieKI-Tech-
nologien erfolgreich einsetzen, können davon ausgehen,
dasssieaufzweiEbenenprofitieren:erstensdurchdieVer-
besserungderEffizienzinternerProzessedurchKI-gestützte
Künstliche Intelligenz (KI) ermöglicht Computern und Maschinen, die Prozesse des menschlichen Gehirns in Bereichen der Wahrnehmung, des Lernens, der Erarbeitung von Lösungsansätzen und der Entschei-dungsfindung nachzuahmen. Man unterscheidet oft zwischen schwacher KI, welche auf die Lösung kon-kreter Anwendungsprobleme fokussiert ist, und starker KI, welche über verschiedene Aufgabengebiete hinweg mit menschenähnlichen intellektuellen Fähigkeiten handeln kann.
Künstliche IntelligenzIntelligentausErfahrung
Alessandro Curioni und Patrick Ruch (IBMResearch–Zurich)
92
AutomatisierungundzweitensdurchdieEinbettungvonKI
inProdukteundDienstleistungen,umKundinnenundKun-
denwieauchGeschäftspartnerbesserbedienenzukönnen.
Dementsprechend muss sich das Qualifikationsprofil der
MitarbeitendenändernunddieIndustriemusssichanpas-
sen. Für dieGesellschaftwird imZuge zunehmender ver-
braucherorientierterDienstleistungenmitKI-Unterstützung
undmiteinemverstärktenFokusaufdieNutzungpersonen-
bezogenerDatendasBedürfnisnachmehrTransparenz in
BezugaufdieKI-Technologiezunehmen.
PolitikundUnternehmen inderSchweizkönnenessich
nichtleisten,KIzuignorieren.KIistinBezugaufdieAuto-
matisierung von Geschäftsprozessen, die Mensch-Ma-
schine-InteraktionunddieGewinnungwichtigerErkennt-
nisseausBigDatadisruptiv.UnternehmenmüssendieKI
nutzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Andererseits
bringtdieKIbesondereHerausforderungenmitsich,die
bewältigt werden müssen. Politische Anspruchsgruppen
müsseneinenproaktivenAnsatzverfolgenundFührungs-
qualitätendemonstrieren,dasichdieKIschnellweiterent-
wickeltundgesellschaftlicheBedenkeninBezugaufEthik,
Datenschutz und Transparenz angegangen werden
müssen.
So sieht es heute ausDieQuantenkryptografie istschonmitProduktenaufdem
Markt,wobeiderSchweizerFirmaID Quantiqueeinewelt-
weiteVorreiterrollezukommt.Quantensensorensindinkom-
merziellenMagnetfeld-Sensorenintegriert,undauchdie
AutoindustrieundMedizintechnikarbeitenanzukünftigen
Produkten.DienächsteGenerationAtomuhren,«Optische
Uhren»,bietenerheblichverbesserteGenauigkeit.Insbeson-
deredieInformationsverarbeitungmitQuantencomputern
ziehtvielAufmerksamkeitaufsich:SiehatdasPotenzial,un-
seredigitalisierteGesellschaftstarkzuverändern,vorallem,
wennesumrechenintensiveProblemstellungengeht.Quan-
tencomputersindimMomentnochstörungsanfällig,wer-
denaberschonjetztkommerzielleingesetzt,umneuartige
QuantenalgorithmenaufihrenNutzenzuprüfen.Generell
istdieinhärenteEmpfindlichkeitgegenüberjedwedenäus-
seren Störeinflüssen, ob elektrischer, magnetischer oder
mechanischerArt,einezentraleHerausforderungundein
GrundfürdieKomplexitätderTechnologie.DieSchweiz
istbezüglichderForschungindenGebietenderQuanten-
Der Begriff «Quantentechnologie» umfasst generell alle Technologien, die zentral auf Quanteneffekten basieren zum Beispiel quantisierte atomare Energieniveaus, Tunneleffekt, Zustandsüberlagerung oder -verschränkung. Im Zusammenhang mit der zweiten Quantenrevolution wird aber oft nur der Unterbereich gezählt, der sich die gezielte Kontrolle einzelner Quantensysteme zunutze macht, um völlig neuartige Bauelemente oder Methoden zu ermöglichen. Hierzu gehören zum Beispiel Quantencomputing, -kommu-nikation, -kryptografie, -sensoren und -simulation, deren Entwicklungsstand jedoch recht unterschiedlich ist.
Quantentechnologien DerTanzderQuantenwirdreiffürdiegrosseBühne
Bernhard Braunecker (SchweizerischePhysikalischeGesellschaft),Andreas Fuhrer und Thilo Stöferle(IBMResearch–Zurich,SchweizerischePhysikalischeGesellschaft)
Digitale Welt
93
Digitale Welt
technologieninternationalsehrgutpositioniert.Allerdings
gilt es, diese Expertise über langfristige Forschungspro-
grammeweiter zu fördern,umeine«kritischeMasse»zu
erreichen,SchwerpunktclusterzubildenunddieBrückenzur
Industrieauszubauen.NursokönnenSchweizerUnterneh-
mendasMarktpotenzialindiesenGebietenerschliessen.
Ein Blick in die ZukunftDasGebietderQuantentechnologiehatindenletztenJah-
reneinenwahrenBoomerlebtmitsignifikantenstaatlichen
undprivatwirtschaftlichenInvestitionen.Dashatzurasan-
tenFortschrittengeführt,undesistzuerwarten,dasssich
dieseEntwicklungindennächstenfünfJahrennochver-
stärkt.ImmermehrLösungenwerdenMarktreifeerlangen,
angeführtvonQuantenkommunikationüberQuantensen-
sorikbiszuQuantencomputing.GleichzeitigstelltdieKon-
trollesolcherSystemeextremeAnforderungenandiePrä-
zisionundStabilitätdermechanischen,elektrischenund
optischen Kontrollsysteme. Das eröffnet eine Vielfalt an
MöglichkeitenfürSchweizerKMU,Hochtechnologie-Kom-
ponentenimBereichderFabrikationoderfürdenBetrieb
der Quantentechnologien zu liefern. Die Rahmenbedin-
gungenspielenhiereinezentraleRolle,umlängerfristig
internationalwettbewerbsfähig zubleiben. So etwadie
Ausbildung von Quanteningenieurinnen und Quanten-
ingenieuren,dieFörderungvonStart-upsundKMUsowie
grösserestrategischeInitiativenindiesemsichschnellver-
änderndenBereich.
94
So sieht es heute ausDieraschenFortschritteimBereichderSensorikermögli-
chenes,Umwelt-,Pflanzen-,Tier-undMaschinendatenzu
erfassenunddieablaufendenProzesseimmerbesserzuver-
stehenundzuquantifizieren.DiesbildetdieBasisfüreine
OptimierungderProduktion,welcheunnötigeKostenund
negativeAuswirkungenaufUmwelt,TierundMenschver-
meidenwill.NebeneinzelnenSensoren,diebeispielsweise
dieBodenfeuchtefürdieBewässerungerfassen,werden
auchneueProduktionsverfahrenentwickelt.
ErsteTechnologienwiederMelkroboter,derinderSchweiz
über800MalimEinsatzsteht,Kraftfutterautomatenfür
Milchküheoderautomatische,satellitengesteuerteLenk-
systemefürTraktorensindinderSchweizschonweitver-
breitet. Ebenso nutzen Landwirtinnen und Landwirte
SmartphonesmitverschiedenenApplikationen.Alldiese
Anwendungendürfenabernichtdarüberhinwegtäuschen,
dassinderSchweiznocheingrossesPotenzialfürdigitale
TechnologieninderLandwirtschaftbrachliegt.Diesist
zum Teil sicherlich durch die kleinen Betriebsstrukturen
bedingt,dieübersichtlichundeinfach zumanagen sind
unddenEinsatzdigitalerTechnologiewenigerforcieren.
GleichzeitigbestehenabernochvieletechnischeHeraus-
forderungen,umdieZuständevonPflanzen,Bödenund
TierenadäquatzuerfassenunddieseDatenfürdieBewirt-
schaftunggewinnbringendnutzenzukönnen.
Ein Blick in die ZukunftUnbemannteFahrzeugesindaufdemWegzurEinführungin
diePraxis.SieerkennenUnkräuterautomatischundbehan-
delndieseeinzelpflanzenspezifisch.MittelsDrohnenundSa-
tellitenbildern ist es möglich, den Ernährungszustand von
Pflanzenzuerkennenunddiesebedarfsgerechtundlokalzu
düngensowieTraktorenzentimetergenauzusteuern.Alldie-
senAnwendungenistgemein,dassSensorenDatenerheben,
die verarbeitet werden und schliesslich als Entscheidungs-
grundlagezurSteuerungderProduktiondienenundsomit
dasgrosseErfahrungswissenderLandwirtinnenundLand-
wirteergänzen.VieleAnwendungenbefindensichnochin
derEntwicklungundstehennochnichtimPraxiseinsatz.
ImHinblickaufdiebegrenztenRessourcenunddiesteigende
Weltbevölkerungisteszentral,dassWissenweiteraufge-
bautunddieTechniklaufendverbessertwerden.Nursoist
esmöglich,diebenötigtenNahrungsmittelnachhaltigund
effizientzuproduzieren.
ÄhnlichwiebeiderAutomobilindustriespieltdieSchweiz
imAgrartechnikmarktkeineprägendeRolle.InderSchweiz
werden jedochzahlreicheBauteile fürdiedigitaleLand-
wirtschafthergestellt.Dies sindvorallemSensoren für
Maschinen,3D-KamerasfürMelkroboter,Temperatur-und
andereSensorenfürWetterstationenetc.Zudemversu-
chenverschiedeneStart-upsmitinnovativenIdeenBewäs-
serungsanlagenzuautomatisieren,SchafeaufdenAlpen
automatischzuortenodereinendererstenUnkrautroboter
zubauen.DabietensichalsovielekleineundgrösserePo-
tenzialefürdieSchweizerUnternehmen.
Landwirtschaftliche Produktionsprozesse sind geprägt von komplexen Wechselwirkungen zwischen Boden, Klima, Pflanzen, Nutztieren und Menschen. Diese Prozesse können gesteuert werden, indem der Boden möglichst bedarfsgerecht gedüngt, Unkraut mit mechanischen und Pflanzenschutzmitteln reguliert oder Tiere gezielt gefüttert werden. Dabei sollen die natürlichen Ressourcen geschont, die Tiergesundheit sicher-gestellt, unnötige Inputs vermieden und optimale Erträge erzielt werden. Der Technologietrend «Digitale Landwirtschaft» bezeichnet sämtliche digitalen Technologien, die den landwirtschaftlichen Produktions-prozess unterstützen.
Digitale Landwirtschaft DigitaleTechnologienfüreineeffizienteundnachhaltigeLandwirtschaft
Thomas Anken (Agroscope)
Die digitale WeltEnergie und Umwelt
95
Energie und Umwelt
So sieht es heute ausInsbesonderederDruck,dieklimarelevantenEmissionen
zuverringern,verursachtinderEnergieversorgungeinen
Wandel:WegvondenfossilenPrimärenergienwieErdgas
und Erdöl hin zu erneuerbaren Quellen (insbesondere
PhotovoltaikundWind). IngewissenAnwendungsberei-
chenistdiestechnologischeinfacherzubewerkstelligen,
sobeiderStromversorgung,demprivaten Individualver-
kehrundderWärmeversorgungvonGebäuden.Beiande-
ren gestaltet sich diese Transition schwieriger, etwa im
Flug- und Güterverkehr. Technologien zur Speicherung
elektrischerEnergie, insbesondereBatteriespeicher,wer-
denimmerhäufigereingesetzt.ImMobilitätsbereichwird
der Einsatz von synthetischen Treibstoffen und Wasser-
stofferforschtundimGebäudebereichverdrängenWärme-
pumpenvermehrtHeizungen,dieauffossilenEnergieträ-
gernbasieren.ZunehmendwerdenintelligenteNetz-und
Systemsteuerungenauf lokalerEbenegetestetundzum
Teilerfolgreichumgesetzt.
Inder Schweizgibt es eine rege Forschungstätigkeit im
Energiebereich. Erforscht werden Speichertechnologien,
synthetische Treibstoffe und intelligente Netzsysteme.
AuchinderGrundlagenforschunggibteshervorragende
WissenschaftlerinnenundWissenschaftlermitinternatio-
nalerBedeutung.IndenletztenJahrzehntenhatsichdie
Gebäudeenergietechniksehrerfolgreichentwickelt.Dies
hatdazugeführt,dassdieCO2-Intensitätstarkabgenom-
menhatundwohl auchweiterhin abnehmenwird.Die
MobilitäthingegenhinktderEntwicklunghinterher.Der
AusstossvonKlimagasennimmtwederabsolutnochrela-
tivzurWegstreckeab.DergeschlosseneSchweizerMarkt
beiderStromversorgungwirkthemmend:InnovativeLö-
sungenimdezentralenBereich(indenVerteilnetzen)wer-
denimGegensatzzumAuslandnurselteneingesetzt.Für
dieEnergieversorgungderSchweiz istdieDekarbonisie-
rungdiegrössteHerausforderung:DieReduktionvonCO2
unter Beibehaltung einer hohen Versorgungssicherheit
undzubezahlbarenKosten.InsbesonderefürdieMobili-
tät ist das einegrosseHerausforderung.Die zusätzliche
ElektrifizierungdesWärme-wie auchdesMobilitätsbe-
reichswerdeneinenAnstiegdesStrombedarfsbewirken,
derentsprechendabgefangenwerdenmuss.InderStrom-
versorgungisteineerhöhteFlexibilitätgefragt,sodasshier
neueTechnologienundintelligenteSystemenötigsind.
Ein Blick in die ZukunftSowohlimHinblickaufdieMobilitätalsauchimGebäu-
debereichlässtsichdieAbkehrvonfossilenBrennstoffen
nurdannzeitnahumsetzen,wennsichdieRegulierungen
verschärfen.ImEnergiebereichwerdenInnovationen,die
einemKlimazieldienlichsind,eherErfolghabenalsande-
re. Gemäss den gegenwärtigen Szenarien werden die
Energiepreise nur leicht ansteigen. Das Ziel einer klima-
neutralenSchweizbis2050 istehrgeizig,aberdringend
notwendig. ImStromsektorhängtvieldavonab,obder
MarktinderSchweizvollständiggeöffnetwird.Einesol-
cheLiberalisierungkönntevielenneuenPlayerndenEin-
stiegermöglichenundwichtigeInnovationenvorantreiben.
ZudemspieltdasVerhältniszurEUeinewichtigeRolle:
Nur wenn der Austausch mit unseren Nachbarländern
auchinZukunftflexibelundeffizienterfolgenkann,wird
dieVersorgungssicherheitinhohemMasseundzurelativ
günstigenPreisengarantiertwerden.
Die Energieversorgung umfasst Elektrizität, Brenn- und Treibstoffe sowie Wärme. Ihr Ziel ist den Energie-bedarf jederzeit sicher, zuverlässig, bezahlbar und nachhaltig zu decken.
EnergieversorgungNachhaltig, zuverlässig, sicher, bezahlbar
Christian Schaffner (ETHZürich)
96
So sieht es heute ausDieEuropäische KommissionunternimmtlaufendSchritte,
umAnsätzederKreislaufwirtschaft zu stärkenunddie
Wirtschaftnachhaltigerzugestalten.Sohatsie2015ein
entsprechendesPaketverabschiedet.BeiderEtablierung
derKreislaufwirtschaftspieltdieÖkodesign-Richtlinieeine
zentraleRolle.SieistdierechtlicheGrundlagefürMindest-
anforderungenanHaushaltgeräte.DieseRichtlinieschreibt
denmaximalenEnergieverbrauchvorundverlangt,dass
Gerätereparierbarsind.
2016beschäftigtendiefürdieKreislaufwirtschaftrelevan-
tenSektoreninderEUübervierMillionenArbeitnehmende.
DerweltweiteMarktfürKreislaufwirtschaftsowieMaterial-
undRessourceneffizienzistindenletztenfünfJahrenum
überzehnProzentgewachsen.DamitwächstdieserMarkt
schnelleralsderWeltmarktinsgesamt.InderÖffentlichkeit
werdenImpulsprogrammezurFörderungnachhaltigerWirt-
schaftsformenauchunterdemNamen«GreenNewDeal»
verhandelt.
Als rohstoffarmes LandverfolgtdieSchweizbereits seit
Mitteder1980er JahreAnsätzederKreislaufwirtschaft.
Soistesgelungen,gewisseKreisläufezumindestteilweise
zu schliessen. 2018 wurden von 17,5 Millionen Tonnen
RückbaumaterialienwieBeton,Kies,Sand,Asphaltund
Mauerwerkknapp12MillionenTonnenwiederverwertet.
Dagegen befanden sich mehr als 5 Millionen Tonnen,
insbesondereMischabbruch,nochnichtineinemgeschlos-
senenKreislauf.BeidenSiedlungsabfällenwirdetwasmehr
alsdieHälfteseparatgesammeltundstofflichwieder-
verwertet. In der Schweiz steht der hohen Recycling-
quotejedocheinegewaltigeAbfallmengegegenüber.In
kaumeinemanderenLandfälltproKopfderartvielSied-
lungsabfallan.
Ein Blick in die ZukunftDieKreislaufwirtschafterforderteinenneuenUmgangmit
Ressourcen.DasWirtschaftswachstummussvomRessour-
cenverbrauchentkoppeltunddiesermussdrastischreduziert
werden. Gleichzeitig muss die Ressourcenproduktivität
massiv erhöht werden. Das bedeutet, dass mit weniger
Ressourcen mehr produziert werden können muss. Um
diesesZielzuerreichen,brauchtesalternativeökonomische
Ansätze.NurmitVerhaltensänderungenbeiKonsumentin-
nenundKonsumentensindFortschrittehinzueinerechten
Kreislaufwirtschaftmöglich.
SozialeundökonomischeAspektederKreislaufwirtschaft
sindnochzuweniguntersucht.Esbrauchtdazualsowei-
tereForschung.SollendieplanetarenGrenzennichtüber-
schrittenunddieVerpflichtungendesPariserAbkommen
zumKlimaschutz eingehaltenwerden, ist dieReduktion
des Rohstoffverbrauchs unabdingbar. Die Schweiz muss
sichdafürengagieren,dassRohstoffkreisläufegeschlossen
werdenundnichtnurdem«Greenwashing»dienen.Nur
sokönnendieUmweltauswirkungenunsererWegwerfge-
sellschaftverringertwerden.
Die Kreislaufwirtschaft ist ein Prinzip zur Reduktion des Verbrauchs natürlicher Rohstoffe. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass Rohstoffe effizient und so lange wie möglich in ihrer ursprünglichen Qualität genutzt werden. Dazu müssen Material- und Produktekreisläufe geschlossen und Produkte wie Materialien länger im Umlauf gehalten werden. Im Vergleich zum aktuellen, linearen Wirtschaftssystem sinkt der Verbrauch von Primärrohstoffen. Produkte werden langlebiger, und es fällt weniger Abfall an. Dadurch sollen die Umweltbelastung reduziert und die Wertschöpfung gesteigert werden.
Kreislaufwirtschaft GeschlosseneMaterial-undProduktekreisläufe
Xaver Edelmann (WorldResourcesForum)
Die digitale WeltEnergie und Umwelt
97
Energie und Umwelt
So sieht es heute ausSmartCitiesumfassenauch verschiedeneTechnologien,
dieaufKommunikationsnetzwerkenundderEchtzeitver-
fügbarkeitvonDatenausdemöffentlichenRaumbasieren
undmitderVerarbeitungvongrossenDatenmengenge-
koppeltwerden.Dafürmüssenderzeitseparateöffentli-
cheundprivateDatenquellenmiteinanderverknüpftwer-
den.Dadurcherhofftmansich,dasssmarteInfrastrukturen
effizienterundtransparentersind.Sounterstützensiedie
Nachhaltigkeitsziele, die Optimierung des Einsatzes von
Ressourcenunddamit eine verbesserte Lebensqualität.
Beispiele solcher Anwendungen sind verbesserte Ver-
kehrsführung,dieKoordinationzwischenAbteilungender
öffentlichenVerwaltungusw.DieHerausforderungeninder
EntwicklungvonSmart-City-Anwendungenliegeninder
KomplexitätsolcherSystemesowie inderSicherstellung
desDatenschutzesunddesDatenbesitzes.Eineerfolgreiche
ImplementierungerforderteineinformierteZusammenar-
beitvonÖffentlichkeit,RegierungundWirtschaft.
InternationalgibtesvieleSmart-City-Initiativen,vonPilot-
undLeuchtturmprojektenbishinzustädtischenTransfor-
mationsprozessen.AufgrundderVielfaltdermöglichen
ZielehatjedochkeineStadtdasvollePotenzialerreicht.In
denjenigenRankings,indenenSchweizerStädtemitbeur-
teiltwurden,gehörendiesezudenTop-Anwärterinnen.
ImmermehrSchweizerStädtehabeneineSmart-City-Strate-
gie.DiesinspiriertoftauchNachbarsgebietedazu,ihreeige-
neSmart-City-oderzumindesteineDigitalisierungsstrategie
zudefinieren.Vonden84Städten,dieamSwiss Smart City
Survey 2020 teilgenommenhaben,behandelnrund43Pro-
zentdasThemaSmartCityaktiv.AlleteilnehmendenGross-
städte(mitüber100‘000EinwohnerinnenundEinwohner)
entwickelnsichzueinerSmartCity.Hingegenbehandeltnur
einknappesDrittelderkleinerenStädteundGemeinden(un-
ter20‘000EinwohnerinnenundEinwohner)dasThemaak-
tiv.DasInteresseamThemanimmtauchbeidenkleineren
undmittelgrossenStädtenzu,obschondiesgeradefürdiese
anspruchsvollist,vornehmlichaufgrundbeschränkterperso-
nellerundfinanziellerRessourcen.
Häufige Ansätze sind Anwendungen für E-Government
oderdieErreichungvonEffizienz-undNachhaltigkeitszie-
len.DieSchwerpunktebeiderEntwicklungeinerSmartCity
liegenfürdieStädteindenBereichenEnvironment(46,4
Prozent),Living(43,7Prozent)undPeople(42,3Prozent).
InallenFällengehtesdarum,dieStadtfürihreBürgerinnen
undBürgerundfürdieWirtschaftzueinemattraktiven
Lebens-undArbeitsortzumachen.
Ein Blick in die ZukunftDiewesentlicheHerausforderungbestehtdarin,zudefi-
nieren,wasSmartCityfürdiejeweiligeBevölkerung,fürdie
lokaleWirtschaftundfürdieGemeindeverwaltungbedeu-
tet.Davonabgeleitet kanndannbestimmtwerden,wie
diese Vorteile unter Gewährleistung der Akzeptanz
durchalleBeteiligtenerreichtwerdenkönnen.
StaatundWirtschafthabenInteresseanSmart-City-Anwen-
dungen. So wird das Thema in der Schweiz aktiv bewirt-
schaftet.DerWegzurUmsetzungistjedochnochlang.Mit-
telfristig können verschiedene Pilotprojekte und Versuche
erwartetwerden,davieleStädteundRegionennachLösun-
gensuchen,die für sie funktionieren.DieSmartCitywird
eherpartnerschaftlichentstehen,alsimplementiertwerden.
Das Konzept der Smart Cities umfasst verschiedene Bestrebungen, um mit sozialen und technologischen Innovationen die Lebensqualität sowie die Ressourceneffizienz von Städten und urbanen Lebensräumen zu erhöhen. In den letzten zwanzig Jahren haben sich die Definition und Ziele stark verändert. Heute ste-hen vor allem Verbesserungen für Bürgerinnen und Bürger, die Umwelt, Unternehmen und die Verwaltung durch digitale Transformationen der urbanen Lebenswelt im Zentrum der Anstrengungen.
Smart CitiesGesteigerteLebensqualitätundoptimierteRessourceneffizienz
Vicente Carabias (ZHAW)und Andrew Paice (HSLU)
98
Fertigungsprozesse und Materialien
So sieht es heute ausZentraleTreiberfürdieEntwicklungneuerMaterialiensind
diegegenwärtigenökologischen,ökonomischenundge-
sellschaftlichenHerausforderungen:etwaderKlimawandel,
dieKreislaufwirtschaftunddieDigitalisierung.NeueMa-
terialien spielen in der Dekarbonisierung von Industrie
undGesellschafteinezentraleRolle.SobasierendieSpei-
cherungelektrischerEnergieoderdieHerstellungsynthe-
tischerTreibstoffeundCO2-Absorbermitunteraufneuen
Materialien.DamitsichdieKreislaufwirtschaftumsetzen
lässt,müssenWirtschaftszweigewiedieBauwirtschaftoder
dieVerpackungsindustrievermehrtaufrezyklierbareMa-
terialien setzen.QuantenmaterialienwieGraphenoder
topologischeMaterialien,dieanderOberflächeandere
Eigenschaften als im Volumen haben, ermöglichen die
EntwicklungneuerelektronischerKomponenten,dieauf
quantenmechanischenEffektenfürdieInformationsverar-
beitungbasieren.DadurchsinktderEnergiebedarffürdie
Informationsverarbeitungdrastisch.MöglicheAnwendun-
gensindhochsensibleSensoren,neuromorpheChipsfür
künstlicheIntelligenzoderultraschnelleQuantencomputer.
Dies ist insbesonderedeshalbwichtig,weildieheutige
Computerarchitekturbaldanihrematerialbedingtenphy-
sikalischenGrenzenstossenwirdunddiefortschreitende
DigitalisierungnachimmerleistungsfähigerenComputern
verlangt.
DieMaterialforschunganSchweizerHochschulenundFor-
schungsinstitutenistsehrbreitaufgestelltundspieltinter-
national auf Top-Niveau. Die Zusammenarbeit von öf-
fentlicherForschungundIndustrieistseitJahrzehntengut
etabliertundanwendungsorientiert.
Ein Blick in die ZukunftKohlenstoffisteinvielversprechenderGrundbausteinvon
zukünftigenMaterialienundwirdstrategischeBedeutung
erlangen.AlsVerbundwerkstoffhatKohlenstoffherausra-
gendemechanischeEigenschaften,alsNanostrukturister
ein Hoffnungsträger für die Postsiliziumelektronik. Als
BiowerkstoffistKohlenstoffzudembiologischabbaubar.
DamitvereintKohlenstoffvielederAnforderungenanein
zukünftigesMaterial.ProduktefertigungundMaterialsyn-
thesewerden zunehmend integriert bis zumExtremfall,
bei dem beide Prozesse buchstäblich miteinander ver-
schmelzen, zumBeispiel im3D-Metalldruck.Dadurch er-
höhtsichdieKomplexitätvonFertigungsprozessenmassiv,
giltesdochnebenderEinhaltungvonFertigungstoleran-
zenauchdieQualitätdesMaterialsinderProdukteherstel-
lungsicherzustellen.DeshalbwerdenMaterialkompeten-
zenundProzessverständnisindermodernenFertigung
immerwichtiger.SoistdieEntwicklungvonneuenMate-
rialienmeistauchmitneuenVerarbeitungs-undProzess-
technologienverbunden.
Der Technologietrend Zukünftige Materialien bezeichnet eine unbestimmte Menge von Materialien mit neuen oder deutlich verbesserten physikalischen Eigenschaften. Wichtige Ziele in der Entwicklung neuer Materialien sind die multifunktionale Anwendbarkeit, eine ressourceneffiziente Produktion und Verarbei-tung sowie das Schliessen von Wertstoffkreisläufen.
Zukünftige MaterialienMaterialiengestaltendieZukunft
Pierangelo Gröning(Empa)
99
Fertigungsprozesse und Materialien
AufgrundderhohenKomplexitätwerdennursehrwenige
Unternehmen inderLagesein,dienotwendigenFertig-
keitenaufzubauen.DieSchweizerHochschulenundFor-
schungsinstitutionenverfügenüberdienotwendigenKom-
petenzen.InnovationenundwirtschaftlicheErfolgewerden
sichinsbesonderedorteinstellen,wodieIndustrieunddie
öffentlicheForschungpartnerschaftlichzusammenarbeiten.
ImRahmenvonPublicPrivatePartnerships,wie inden
schweizweiten Advanced Manufacturing Technology
Transfer Centers,werdenOpen-Access-Pilot-Produktions-
anlagen betrieben. Unternehmen erhalten so die Mög-
lichkeit, sich mit Unterstützung von Hochschulpartnern
mitneuenMaterialienundderenVerarbeitungstechnolo-
gien vertraut zu machen. So gewonnene Erfahrungen
kommensowohldenUnternehmenalsauchderForschung
zugute.DerTechnologietransfervomForschungslaborin
dieIndustriewirddadurcherleichtertundeffizienter.Mit
solchen InitiativenkönnenauchdiefinanziellenRisiken
vonUnternehmenminimiertwerden.
100
Life Sciences
So sieht es heute ausBei der industriellen, biotechnologischen Produktion von
Biotherapeutika,alsovongrossenMolekülenwiemonoklo-
nalenAntikörpern,spieltdieSchweizweltweitinderersten
Liga.Ausserdemkündigten2017dieglobalenSchwerge-
wichte Biogen, CSL Behring und Lonza fast gleichzeitig
grosseInvestitionenfürdieHerstellungsolcherMolekülein
derSchweizan.LeiderhatdieChemieinderSchweizdie
BiotechnologielangeZeitalsKonkurrenzbetrachtet,wes-
halb nach wie vor ein Nachholbedarf bei deren Anwen-
dungfürdieProduktionvonFeinchemikalien,Naturstoffen
und komplizierten chemischen Strukturen besteht. Eine
weitereBesonderheitderSchweizistdasseit2005gelten-
deGentech-Moratorium,dasdenEinsatzvongentechnisch
verändertenPflanzenverbietetund2017umweiterevier
Jahreverlängertwurde.
Ein Blick in die ZukunftInZukunftwerdenzweiTrendsundderenkombinierteAn-
wendungdieBiotechnologieentscheidendprägen:synthe-
tischeBiologieundDigitalisierung.SynthetischeBiologieals
Anwendungsgebiet der Gentechnik ermöglicht die Kon-
struktion neuartiger, synthetischer biologischer Systeme,
diefürdieindustrielleProduktionoptimiertsind.Siewird
dieProduktionvonorganischenMolekülenrevolutionie-
renunddemAspektderNachhaltigkeitRechnungtragen.
SchonseitlangemistdieBioprozesstechnikaufRechneran-
wendungenangewiesen,seiesfürdiemassiveVerarbei-
tungkomplexerund typischerweiseverrauschterDaten
oder fürdieautomatisierte FührungvonProzessenmit
lebenden Organismen. Die Digitalisierung wird die Bio-
prozesstechnik in Bezug auf Flexibilität, Qualität und
SchnelligkeitaufeinneuesNiveauheben.Einenüchterne
Neubeurteilung des Gentech-Moratoriums wird für die
Schweizunumgänglich sein,daes zahlreiche,potenziell
attraktiveundvor allemnachhaltigebiotechnologische
Wertschöpfungskettenblockiert.
Chemie und Physik waren die Naturwissenschaften des 19. und 20. Jahrhunderts, Biologie ist diejenige des 21. Jahrhunderts. Und die Biotechnologie ist deren praktische Anwendung, die sich natürliche Prozesse und lebende Organismen industriell zu Nutze macht. Die Biotechnologie profitiert enorm von den Fort-schritten in der Gentechnik, welche gezielte Veränderungen und Neukombinationen im Erbgut ermögli-chen. Die Gentechnik wurde vor gut vierzig Jahren erstmals industriell eingesetzt. Sie erlaubt die Produk-tion von Molekülen wie Insulin, die ein Mikroorganismus nie produzieren würde. Dank der Gentechnik wurde die Biotechnologie global zu einem Milliardengeschäft und unverzichtbaren Instrument der Produk-tion und des Umweltschutzes.
BiotechnologieNatürlicheProzesseundlebendeOrganismenimDienstdesMenschen
Hans-Peter Meyer (ExpertInovaAG)
101
Life Sciences
Die Präzisionsmedizin ist ein neues Paradigma der medizinischen Behandlung. Sie geht von dem Umstand aus, dass jeder Mensch einzigartig ist. Im Unterschied zur klassischen Medizin bezieht sie individuelle Merkmale von Patientinnen und Patienten in die Behandlung mit ein. So hängen Therapien nicht nur von Krankheitsbildern, sondern auch von der genetischen Prädisposition, von Umweltfaktoren und Lebensstil ab. Dabei kommen modernste Werkzeuge zum Einsatz, wie die Analyse des individuellen Genoms.
Präzisionsmedizin Medizin,individuellzugeschnittenundzurrichtigenZeitamrichtigenOrt
Mark Rubin und Timo Staub (UniversitätBern)
So sieht es heute ausInderBehandlungvonKrebserkrankungenundinderPhar-
makologie hat sich die Präzisionsmedizin schon teilweise
etabliert. In präzisionsmedizinischen Behandlungen be-
stimmtmitunterdiegenetischeDispositiondieAuswahlund
Dosierung von Medikamenten. Schon heute sind grosse
PharmaunternehmenimBereichderPräzisionsmedizinstark
engagiert;siestellenpräzisionsmedizinischeTherapienher
und offerieren auch entsprechende Diagnostik-Lösungen.
AuchkleinereUnternehmenundStart-ups sind aktiv.Die
PräzisionsmedizinberuhtaufderAuswertunggenomischer
Daten. Dies führt zu grossen Herausforderungen beim
Schutz vonPersonendaten, entsprechendaufwändig sind
dieKontrollmechanismen.DieGesundheitskostenmüssen
imRahmenbleiben,trotzdemsolltenalleBevölkerungs-
schichtenvonderPräzisionsmedizinprofitierenkönnen.
EineMöglichkeit,dieKostenvonpräzisionsmedizinschen
Behandlungenzureduzieren,istdasEtabliereneinerstratifi-
ziertenMedizin,beiderjenachindividuellerSituationunter-
schiedlicheStandardlösungenzumEinsatzkommen.
Ein Blick in die ZukunftDiePräzisionsmedizinermöglichtTherapien,diebisvorwe-
nigenJahrenundenkbarwaren.Schonheutefindenpräzi-
sionsmedizinischeAnsätzeAnwendungimStandardreper-
toiremedizinischerTherapien.IndennächstenJahrenwird
diePräzisionsmedizinweiteranBedeutunggewinnen.
DiemitderPräzisionsmedizinerzieltenTherapieerfolgetra-
genzurLanglebigkeitbei.EsbrauchtgesellschaftlicheDe-
batten,wiedamitumgegangenwird,dassMenschenälter
werdenundlängergesundbleiben.
DiePräzisionsmedizinentwickeltsichandenSchnittstellen
zwischenMedizin,Informatik,DataSciencesundMole-
kularbiologie. Technologische Treiber sind maschinelles
Lernen und künstliche Intelligenz, genomische Pipelines
sowieEntwicklungenundAnwendungenimBereichder
Molekularbiologie. Die Präzisionsmedizin ist ein Wachs-
tumsmarkt,indemsichGrossfirmenundStart-upsglei-
chermassen engagieren. Der Bund fördert die Präzisi-
onsmedizinmitProgrammenwiedemSwiss Personalized
Health Network (SPHN).ForschungundTherapienkönn-
ten davon profitieren, wenn das regulatorische Rah-
menwerknationalbesserabgestimmtwürde.Sosehendie
Gesetze(insbesonderedasHumanforschungsgesetzHFG)
kantonale Bewilligungsmechanismen vor, dazu kommen
unterschiedlicheRegelungenindenbeteiligtenSpitälern.
DiesmachtdieAbläuferelativkomplexundbürokratisch,
wasdenDatenaustauschüberdieKantonsgrenzenhin-
wegunnötigerschwert.
DieindividuelleGenomik,ProteomikoderMetabolomik
habeneinengrossenEinflussaufdieGesundheitvonMen-
schen.DeshalbwerdensieinZukunftnichtnurindiemedi-
zinische Behandlung einfliessen, sondern auch für die
KrankheitsvorbeugungundbeiderErhaltungderGesund-
heiteine immergrössereRollespielen,etwainFormvon
spezialisiertenMedikamentenoderalsVerhaltensregelnbei
erhöhtemKrebs-oderAlzheimerrisiko.UmdieVorteileder
Präzisionsmedizinvollumfassendnutzenzukönnen,bedarf
eseiner«digitalenKopiedesPatienten/derPatientin»mit
allengesundheitsrelevantenInformationen.Gesellschaftlich
stellensichFragenzumDatenschutzundzurDatensicherheit.
Hier geht es zur Legende mit allen Icons und weiteren Erklärungen
Fertigungsprozesse und Materialien
5G-Anwendungen 31
Analyse von Big Data 32
Augmented Reality 33
Blockchain 34
Connected Machines 36
Digitaler Zwilling 37
3D-Biodruck 69
Datensouveränität 81
Drohnen 38
Hochautomatisierte Fahrzeuge 39
Internet of Things 40
Kollaborative Robotik 41
Maschinelles Lernen 42
Mobile Roboter 43
Neuartige Internetarchitektur SCION 44
Optical Space Communication 45
Quantencomputing 46
Quantenkryptografie 47
Alternative Antriebssysteme für Fahrzeuge 49
Dezentrale Energiesysteme 50
Geothermie 51
Künstliche Photosynthese 52
Mobilitätskonzepte 53
Massenkultivierung von Stammzellen 72
Nachhaltige Lebensmittelproduktion 54
Medizinische Wearables 73
Photovoltaik 55
Medizinroboter 74
Recycling von seltenen Erden 56
Mikrobiota und Mikrobiome 75
Smart Grids 57
Personalisierte Ernährung 76
Zukünftige Energiespeicherung 58
Point-of-Care-Diagnostik 78
Synthetische Biologie 79
Additive Fertigung – Materialentwicklung 61
Additive Fertigung – Verfahren 62
Antimikrobielle Materialien 63
Bioplastik 64
Funktionale Fasern 65
Photonische Fertigung 66
Wärmeleitende elektrische Isolatoren 67
Alternative Proteinquellen 70
Digital Trust 82
Biokatalyse und Biosynthese 71
Digitale Welt
Energie und Umwelt
Life Sciences
Technik und Gesellschaft
Neu im Technology Outlook 2021 aufgenommene Technologien sind grau hinterlegt.
Abbildung links zeigt die Bedeutung der Technologie für die Schweiz und korrespondiert mit Abbildung 5 auf den Seiten 14 und 15.
Abbildung rechts zeigt die relative Häufigkeit von Social-Media-Posts analog zur Abbildung 3 auf Seite 10 (horizontale Achse: Schweiz; vertikale Achse: europäische Vergleichsländer).
Abbildungen im Kapitel «Technologien und Anwendungsgebiete»
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