Die Aussagefähigkeit unternehmerischer Fortbestehensprognosen
Beeinflusst die Orientierung an einem der gängigen Leitfäden die Sanierungschance eines Unternehmens?
Bachelorarbeit
zur Erlangung des Grades Bachelor of Science (B.Sc.) an der Fakultät für Betriebswirtschaft
der Universität Innsbruck
eingereicht bei
Martin Piber a.o. Univ.-Prof. Dr.
von
Matthias Washington Tiergartenstraße 35d
0916039
Innsbruck, am 17.06.2013
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Abstract
Meine Bachelorarbeit beschäftigt sich mit der Erstellung von Fortbestehensprognosen.
Hintergrund hierfür ist die Frage, ob die Orientierung an einen der gängigen Leitfäden die
Chancen auf eine erfolgreiche Unternehmensfortführung positiv beeinflusst.
Aufgrund der Tatsache, dass Österreich einer der höchsten Insolvenzquoten Europas verfügt -
2006 führte man eine diesbezüglich europäische Studie mit 1,8% an - ist es notwendig, der
Erstellung von Fortbestehensprognosen noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken (vgl.
Grabner/Karollus/Weber (2006), S. i.).
Nachdem die Grundlagen, Formalitäten und Bestandteile der Fortbestehensprognose erläutert
werden, geht die Bachelorarbeit auf die beiden gängigen Leitfäden, jener der Kammer der
Wirtschaftstreuhänder, Wirtschaftskammer Österreich und KMU Forschung Austria
(Leitfaden Österreich) sowie des IDW S6 (Leitfaden Deutschland) ein, um daraufhin die
wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Orientierungshilfen
niederzuschreiben.
Um praxisbezogene Erfahrungen und Auswertungen beschreiben zu können, wurden 19
Interviews mit berufserfahrenen und führenden Experten geführt. Dabei handelt es sich um
hochrangige und leitende Persönlichkeiten, welche als Unternehmensberater, Banker,
Anwälte, Richter oder Steuerberater und Wirtschaftstreuhänder in verschiedenen
Bundesländern Österreichs fungieren. Durch die Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse
ist es mein Ziel, einen Beitrag zur Erhöhung der Qualität von Fortbestehensprognosen und
damit zur Verbesserung der Sanierungschance von in Krise steckenden Unternehmen leisten
zu können, indem die Unternehmenssituation rechtzeitig erkannt und der Sanierungsweg mit
Hilfe einer Fortbestehensprognose erfolgreich eingeschlagen wird.
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Inhaltsverzeichnis
Abstract ............................................................................................................................... i
Inhaltsverzeichnis ................................................................................................................ ii
Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ iv
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................. v
Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................... vi
Einleitung ............................................................................................................................ 7
1. Die Fortbestehensprognose ........................................................................................... 8
a. Zweck der Fortbestehensprognose .................................................................... 8
i. Wer hat eine Fortbestehensprognose zu erstellen ................................. 8
ii. Ziele der Fortbestehensprognose ........................................................... 10
iii. Sorgfaltspflicht ...................................................................................... 11
b. Die Fortbestehensprognose im Allgemeinen .................................................... 12
i. Voraussetzungen für die Erstellung ...................................................... 12
ii. Handelsrechtliche Fortführungsannahme vs. insolvenzrechtliche
Fortbestehensprognose .......................................................................... 12
iii. Prognosezeitraum .................................................................................. 14
iv. Primärprognose ..................................................................................... 15
v. Sekundärprognose ................................................................................. 15
vi. Externe Berater ...................................................................................... 15
vii. Planungsrechnung ................................................................................. 16
viii. Einbeziehung von Sanierungsmaßnahmen & Finanzierungshilfen....... 17
ix. Abgabe der Fortbestehensprognose ...................................................... 20
2. Die Leitfäden der Fortbestehensprognose ..................................................................... 21
a. Österreichische Leitfaden .................................................................................. 21
i. Grundlagen des Leitfadens und der Fortbestehensprognose ................. 21
ii. Wesentliche Bestandteile der Fortbestehensprognose .......................... 22
iii. Prognosezeitraum .................................................................................. 23
iv. Primärprognose ..................................................................................... 23
v. Sekundärprognose ................................................................................. 23
vi. Einbeziehung von Sanierungsmaßnahmen ............................................ 24
iii
vii. Form und Aufbau der Fortbestehensprognose ...................................... 24
viii. Nach Erstellung der positiven Fortbestehensprognose ......................... 25
b. Leitfaden IDW S6 Deutschland ........................................................................ 26
i. Grundlagen des Sanierungskonzepts ..................................................... 26
ii. Darstellung und Analyse des Unternehmens ........................................ 28
iii. Ausrichtung am Leitbild des Unternehmens ......................................... 28
iv. Integrierte Sanierungsplanung ............................................................... 28
c. Unterschiede österreichischer Leitfaden / Leitfaden IDW S6 .......................... 29
3. Fortbestehensprognose in der Praxis ............................................................................. 34
a. Erkenntnisse aus den Interviews ....................................................................... 35
i. Zeitpunkt der Erstellung von Fortbestehensprognosen ......................... 35
ii. Qualität eingereichter Fortbestehensprognosen .................................... 37
iii. Sanierungserfolg nach positiver Fortbestehensprognose ...................... 38
iv. Orientierung an verschiedenen Leitfäden ............................................. 39
v. Präferierter Leitfaden ............................................................................ 40
vi. Weitere Erkenntnisse ............................................................................. 42
1. Rolle von Beratern .................................................................... 42
2. Wichtigste Bestandteile der Fortbestehensprognose ................. 43
3. Unterschiede zwischen den Leitfäden ....................................... 43
4. Kritik: Gesetzliche Verankerung ............................................... 43
5. Unbekanntheit von Fortbestehensprognosen............................. 44
6. Relevanz von Haftungsthemen .................................................. 45
7. Wahrnehmung der Unternehmer ............................................... 45
4. Fazit ............................................................................................................................... 46
5. Literaturverzeichnis ....................................................................................................... vii
6. Eidesstattliche Erklärung ............................................................................................... viii
iv
Abbildungsverzeichnis
1. Erstellung von Fortbestehensprognosen ........................................................................ 35
2. Qualität eingereichter Fortbestehensprognosen ............................................................ 37
3. Sanierungserfolg nach positiver Fortbestehensprognose .............................................. 38
4. Orientierung an Leitfäden ............................................................................................. 39
5. Welcher Leitfaden wird präferiert ................................................................................. 40
v
Tabellenverzeichnis
Gliederung österreichischer Leitfaden ................................................................................ 25
Gliederung Sanierungskonzept IDW S6 ............................................................................. 26
Unterschiede der Leitfäden ................................................................................................. 31
Unterschiede österreichischer Leitfaden / Sanierungskonzept IDW S6 ............................. 33
vi
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung
Vgl.
AG
SE
GmbH
KG
f.
bzw.
ggf.
HGB
z.B.
d.h.
IDW
WK
GuV
vs.
S.
Erläuterung
Vergleiche
Aktiengesellschaft
Societas Europaea (Europäische Gesellschaft)
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Kommanditgesellschaft
folgende
beziehungsweise
gegebenenfalls
Handelsgesetzbuch
zum Beispiel
das heißt
Institut der Wirtschaftsprüfer
Wirtschaftskammer
Gewinn und Verlust
versus
Seite
7
Einleitung
Die aktuelle, freie Marktwirtschaft regelt sich durch die Gegenüberstellung von Angebot und
Nachfrage mit Hilfe von Preisen, welche von den einzelnen Marktteilnehmern festgelegt
werden. Angebot und Nachfrage sind dementsprechend die Hauptaspekte eines funktion-
ierenden Marktes, in welchem ein Marktgleichgewicht vorherrscht, wenn die nachgefragte
Menge eines Gutes der angebotenen Menge desselben entspricht. In der Praxis kommt ein
solches Gleichgewicht jedoch äußerst selten vor. Viel mehr befindet sich der Markt in einem
stetigen Wandel, indem sich Angebot und Nachfrage in einem wechselseitigen Verhältnis
zueinander befinden.
Da es immer wieder vorkommt, dass neue, innovativere sowie finanzkräftigere Unternehmen
in den Markt drängen, stehen Unternehmen ständig vor der Herausforderung, ihre
Markttauglichkeit neu unter Beweis stellen zu müssen um konkurrenzfähig zu bleiben und
nicht aus dem Markt gedrängt zu werden. Im Einklang damit steht die völlig legitime
Tatsache, dass es aufgrund der Gesetze des Marktes zu einem immer wiederkehrenden
Austausch der Marktteilnehmer kommt, da bestehende Unternehmen aufgrund sinkender
Nachfrage nach ihren Produkten am Markt scheitern und folglich aus dem Markt austreten
müssen. Ihr Platz wird dann von einem neuen, „besseren“ Marktteilnehmer eingenommen.
Dies sorgt für eine ständige Verbesserung der Qualität sowie der Quantität der Produktivität
und des Angebots und trägt somit zur Entwicklung des Marktes bei. Um eine regelmäßige
Weiterentwicklung der freien Marktwirtschaft gewährleisten zu können, ist ein immer
wiederkehrender Austausch von Marktanbietern folglich unumgänglich – was zur Proble-
matik der Unternehmensinsolvenz führt.
Insolvenzen ziehen neben erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen der Betroffenen eine
Vielzahl von persönlichen Auswirkungen und Konsequenzen mit sich. Beispielsweise wird
ein Insolvenzgang öffentlich häufig mit einer gewissen Schadenfreude bzw. einem
Versagensurteil wahrgenommen. Eine also natürliche Entwicklung des Marktes und das damit
verbundene Scheitern einzelner Unternehmen, welche durch neue Marktteilnehmer ersetzt
werden, beinhaltet demnach finanzielle, persönliche, aber auch soziale Folgen. (Vgl.
Karollus/Huemer (2006), S. 19 ff.) Dies ist oftmals der Grund dafür, warum viele
Unternehmer nicht rechtzeitig dazu bereit sind, „die kritische Lage des Unternehmens anzu-
erkennen und die notwendigen sowie rechtlichen Konsequenzen in Form der rechtzeitigen
Einbringung eines Insolvenzantrages zu ziehen (Karollus/Huemer (2006), S.20.)“. Neben den
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erheblichen Nachteilen für die Betroffenen führen Insolvenzverfahren auch zu einem enormen
volkswirtschaftlichen Schaden. Die dadurch entstehende Wertvernichtung und die mit sich
ziehenden Ausfälle für Stakeholder wie Gläubiger oder Arbeitnehmer führen teilweise zu
einer Kettenreaktion, indem Gläubiger durch die ausfallenden Zahlungen selbst in die Krise
schlittern und dadurch manchmal sogar selbst zum Insolvenzfall werden.
All diese Tatsachen und Gefahren stehen auch im Zusammenhang mit der
Fortbestehensprognose, welche eine wesentliche Rolle in der Vermeidung bzw. Früh-
erkennung von Problemen in Unternehmen spielen und im besten Fall eine gute Möglichkeit
darstellt, frühzeitige Sanierungs- und Restrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen, um den
schweren Gang in die Insolvenz vermeiden oder rechtzeitig „akzeptieren“ zu können. Voraus-
setzung hierfür ist die zeitgerecht erstellte Fortbestehensprognose, welche das Unternehmen
dazu drängt, sich detailliert mit dem Status quo ihres Unternehmens sowie deren Planungs-
rechnung, Krisenursachen und Lösungen für etwaige Probleme auseinanderzusetzen.
Problemzonen müssen erkannt, aufgearbeitet und die damit verbundenen Unternehmens-
schwächen und Bedrohungspotenziale analysiert werden. Nur dann können geeignete Maß-
nahmen zur Krisenbehebung eingeleitet werden, welche in der Fortbestehensprognose berück-
sichtigt werden müssen. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 20 f.)
1. Die Fortbestehensprognose
a. Zweck der Fortbestehensprognose?
i. Wer hat eine Fortbestehensprognose zu erstellen?
Die Erstellung der Fortbestehensprognose hat durch die Mitglieder des Geschäftsleitungs-
organs zu erfolgen. Dies sind bei einer AG der Vorstand, bei der GmbH die Geschäftsführer,
bei der SE der Vorstand (SE nach dualistischen System) bzw. der Verwaltungsrat (SE nach
monistischem System), bei Genossenschaften der Vorstand, in Unternehmen nach GmbH &
Co KG der Geschäftsführer der Komplementär GmbH, bei der Privatstiftung der Vorstand, in
einem Verein die Mitglieder des Geschäftsleiterorgans sowie die Liquidatoren bei bereits
aufgelösten Rechtsträgern. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 127 f.)
Unabhängig davon, welche Rechtsform ein Unternehmen besitzt, die Beiziehung von
externen Beratern wird überwiegend empfohlen und ist in komplizierten Fällen auch zweck-
mäßig und erforderlich. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 128.) Die Fortbestehensprognose
beinhaltet eine begründete Aussage darüber, ob das Unternehmen nachhaltig seine
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geschäftlichen Aktivitäten unter Einhaltung der Zahlungsverpflichtungen fortführen kann und
ist deshalb ebenfalls „Zahlungsfähigkeitsprognose“, die auf Grundlage geeigneter Planungs-
instrumente aus verschiedenen Perspektiven zu erstellen ist (Groß/Amen (2002) S. 225.).
Nach dem Handelsgesetzbuch stehen sowohl Unternehmer von Personengesellschaften, in
welchen keine natürliche Person uneingeschränkt haftet, als auch Unternehmer über einer
Umsatzgrenze von EUR 400.000,- (ausgeschlossen sind freiberufliche bzw. land- und
forstwirtschaftliche Unternehmer) unter der Verpflichtung zur Buchführung. Bei der
Erstellung des Jahresabschlusses wird zusätzlich auch die Beurteilung über das Fortbestehen
eines Unternehmens gesetzlich gefordert. (Vgl. Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 5.)
Aufgrund der verschiedenen Situationen, in welchen ein Fortbestehen des Unternehmens
gefährdet sein kann, ist eine einwandfrei abzugrenzende Aufzählung jener Situationen, in
welcher eine Fortbestehensprognose zu erstellen ist, nicht möglich. Fakt jedoch ist, dass die
rechtzeitige Erstellung einer Fortbestehensprognose verschiedene Arten von Vorteilen mit
sich bringt. Der Vorwurf, den Konkursantrag schuldhaft verzögert zu haben, kann somit
vermieden und die damit drohenden Haftungsgefahren ausgeschlossen werden. Andererseits
kann der Gefahr einer Konkursanfechtung aus dem Weg gegangen werden, da eine positive
Fortbestehensprognose das Vorliegen einer Überschuldung relativiert und den Verschuldens-
vorwurf ausschließt. (Vgl. Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 8.) Trotz der Vielzahl von
möglichen Situationen, in welchen ein Fortbestehen des Unternehmens gefährdet ist, muss
spätestens beim Eintreten folgender Indikatoren eine Fortbestehensprognose in Erwägung
gezogen werden:
• Negatives Eigenkapital im (Entwurf des letzten) Jahresabschlusses,
• Verlust des halben Nennkapitals, bei anhaltend negativen Ergebnissen,
• handfeste Krisensymptome, die eine weitere Verschlechterung der Unternehmens-
situation erwarten lassen müssen und bei anhaltend negativen Ergebnissen zu einem
Aufzehren des Eigenkapitals im nächsten Jahr führen könnten
(Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 8.).
Falls das Unternehmen trotz der eben beschriebenen Situationen eine Erstellung einer
Fortbestehensprognose nicht in Erwägung zieht, sind die Gründe dafür schriftlich zu doku-
mentieren, um möglichen Vorwürfen hinsichtlich einer (im Negativfall eintretenden) Unter-
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suchung der Insolvenzverschleppung entgegen setzen zu können. (Vgl. Grabner/Karollus/We-
ber (2006), S. 8 f.)
Die Frage zur Erstellung einer Fortbestehensprognose ist jedenfalls dann zu stellen, wenn die
aktuellen Liquidationswerte keine vollständige Schuldendeckung mehr zulassen und zusätz-
lich klare Krisenindizien festzustellen sind, welche eine Fortführung des Unternehmens in
Frage stellen. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S.125.) Situationen, in welchen eine Fort-
bestehensprognose dringend erstellt werden sollte, können in finanzielle, betriebliche oder
nicht zuzuordnende sonstige Umstände eingeteilt werden. Jene Umstände können aus dem
österreichischen Leitfaden entnommen werden (siehe „Leitfaden Fortbestehensprognose –
Gemeinsame Stellungnahme“ S. 8 f.). (Vgl. Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 8 f.)
Obwohl in bestimmten Fällen die Möglichkeit besteht, eine positive Fortbestehensprognose
im Nachhinein zu argumentieren, ist es im Interesse der Organmitglieder, vor allem aber der
Gläubiger (Gefahr der Konkursanfechtung), eine sorgfältige, im Vorhinein erstellte Fort-
bestehensprognose anzustreben. Grund dafür ist die drohende Haftung wegen Konkurs-
verschleppung, welche bereits bei Fahrlässigkeit greift. Die Haftungsgefahr besteht daher
auch dann, wenn die Organmitglieder trotz der Krisenindizien die Möglichkeit einer
Überschuldung nicht berücksichtigt und dadurch keine Überschuldungsprüfung vor-
genommen haben. Zusätzlich droht die Anfechtungsgefahr durch die fahrlässige Unkenntnis
über das Vorliegen des Insolvenzgrundes. Es ist daher empfehlenswert, sich einer möglichst
exakt und plausibel begründeten Prognose zu widmen, falls dies eintretende Krisenindizien
erfordern. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 127.) Spätestens dann, wenn die Bilanz ein
negatives Eigenkapital ausweist, stellt sich die Frage der Überschuldung. Eine Prüfungspflicht
während des Geschäftsjahres besteht zusätzlich bei zwischenzeitlichen Entwicklungen,
welche ein negatives Eigenkapital befürchten lassen. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 129.)
ii. Ziele der Fortbestehensprognose
Die Fortbestehensprognose ist auf Basis eines Unternehmenskonzeptes und der dafür
benötigten Informationen aus Bilanz-, Ertrags- und Finanzplanung, sowie dem prognosti-
zierten Verhalten der Stakeholder hinsichtlich der Finanzierung, zu erarbeiten.
Zusammengefasst wird über die Nachhaltigkeit und Wahrscheinlichkeit der Fortführung eines
Unternehmens prognostiziert. (Vgl. Wöber/Siebenlist (2009), S. 116.) Um eine positive
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Fortbestehensprognose erstellen zu können, ist eine Akzeptanz jener Stakeholder erforderlich,
welche das Unternehmen finanziell stärken sollen. (Vgl. Groß/Amen (2002), S. 240.)
Dabei wird zwischen Sanierungsfähigkeit und Sanierungswürdigkeit unterschieden. Sanier-
ungsfähigkeit besteht dann, wenn die Analyse des wirtschaftlichen Potenzials und die Um-
setzung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen vorliegende Zahlungsschwierigkeiten
beseitigt und Rentabilität erreicht werden kann. Ein potenzieller Investor entscheidet dann, ob
Sanierungswürdigkeit besteht, indem dieser beurteilt, ob der zukünftige Ertragswert über dem
prognostizierten Liquidationswert liegt. (Vgl. Wöber/Siebenlist (2009), S.117 f.) Im neuen
IDW S6 Standard werden diese zwei Begriffe klar abgegrenzt. Während Sanierungsfähigkeit
ein erwerbswirtschaftliches Unternehmen beschreibt, das neben der positiven Fortführungs-
prognose zusätzliche Maßnahmen einleitet, welche zur Wiedererlangung von Wettbewerb-
und Renditefähigkeit führt, kann die Sanierungswürdigkeit kein relevanter Orientierungs-
maßstab für die Erstellung eines Sanierungskonzepts sein. Grund dafür ist, dass Sanierungs-
würdigkeit subjektive Wertungselemente aus Sicht eines Stakeholders einschließt. (Vgl. Dr.
Wieselhuber & Partner AG (2012, S. 13.)
Ziel der positiven Fortbestehensprognose ist es, auf Basis realistischer Zukunftserwartungen
die Zahlungs- und Lebensfähigkeit des betroffenen Unternehmens mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit annehmen zu können. Zum Prognosezeitpunkt sollten folglich mehr als 50
% für diese Annahme sprechen. Das Erreichen einer positiven Fortbestehensprognose
erfordert eine betriebswirtschaftlich sinnvolle und nachvollziehbare Darlegung des Unter-
nehmens, dass fähig ist, seine Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten, eine nachhaltige
Rückkehr zu positiven Betriebsergebnissen zu schaffen und Gläubigeransprüche zufrieden-
zustellen – und all dies mit überwiegender Wahrscheinlichkeit. (Vgl. Grabner/Karollus/Weber
(2006), S. 12 f.)
iii. Sorgfaltspflicht
Die Fortbestehensprognose hat sowohl für das Unternehmen selbst als auch für die Gläubiger
weitgehende Konsequenzen, weshalb höchste Sorgfaltsanforderungen an der Erstellung einer
solchen Prognose vorausgesetzt wird (vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 98.). Letztlich kann
schon der Ausgang der Fortbestehensprognose über Wohlergehen und Untergang des Unter-
nehmens entscheiden (Groß/Amen (2002), S.225.). Durch die Fortbestehensprognose wird
entschieden, ob ein Insolvenzgang notwendig ist oder ob von einer erfolgreichen Sanierung
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des Unternehmens ausgegangen werden kann. Der Insolvenzgang birgt neben Wertzerstörung
weitreichende Folgen für das Unternehmen, die Arbeitnehmer, die Geschäftspartner sowie der
Allgemeinheit. Falls eine positive Fortbestehensprognose erstellt wird, welche zu einem
späteren Zeitpunkt trotz der positiven Prognose zur Insolvenz führt, werden die negativen
Auswirkungen noch weiter verstärkt.
Eine Erstellung einer positiven Fortbestehensprognose besitzt keine Erfolgsgarantie. Es
besteht die Möglichkeit, dass trotz einer negativen Prognose eine positive Entwicklung
eintritt. Im Gegensatz dazu kann auch eine positiv erstellte Fortbestehensprognose zu einem
Scheitern des Unternehmens führen.
Eine Fortbestehensprognose kann und soll mit dem zum Zeitpunkt der Erstellung zur
Verfügung stehenden Informationen und Tatsachen erstellt werden. Deshalb ist auch bei einer
nachträglichen Überprüfung zu beachten, welche Informationen am Zeitpunkt der Erstellung
zur Verfügungen standen, auch wenn die Entwicklung des Unternehmens eine anderwärtige
war wie prognostiziert. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 98.)
b. Die Fortbestehensprognose im Allgemeinen
i. Voraussetzungen für die Erstellung
Bei der Erstellung der Fortbestehensprognose gelten neben der Sorgfaltspflicht noch weitere
Voraussetzungen. Es ist darauf zu achten, die Planung nicht nach best case Werten zu er-
stellen. Dabei sollte ein Mittelwert der wahrscheinlichsten Verläufe eingeplant werden.
Zumindest sind optimistische Erwartungswerte durch einen geeigneten Risikoabschlag zu
verringern. Schließlich müssen all diese Maßnahmen in der verbalen Begründung ausreichend
dokumentiert werden. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 93.)
ii. Handelsrechtliche Fortführungsannahme vs. insolvenzrechtliche
Fortbestehensprognose
Mit der Erstellung des Jahresabschlusses hat ein Unternehmen zu prüfen, ob von einer
Unternehmensfortführung ausgegangen werden kann. Diese Annahme der Unternehmens-
fortführung wird als gesetzliche Regelvermutung gesehen. Diese kommt zu tragen, wenn in
der Vergangenheit nachhaltige Gewinne erzielt wurden, das Unternehmen leicht auf
finanzielle Mittel zurückgreifen kann, keine bilanzielle Überschuldung vorliegt und von der
Fortführung des Unternehmens ausgegangen wird. Liegen bestandsgefährdende Risiken vor,
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hat die Untersuchung via Fortführungsprognose zu erfolgen. Dies können finanzielle oder
betriebliche Umstände sein. Eine Auflistung solcher ist im Positionspapier des IDW
dargestellt.
Die handelsrechtliche Fortbestehensprognose und die insolvenzrechtliche Fortbestehens-
prognose besitzen unterschiedliche Zwecke und Ausgestaltungen, wenngleich sie jedoch auf
derselben Planung basieren und jeweils zweckorientiert abzuleiten sind. Eine insolvenz-
rechtliche Fortbestehensprognose ist spätestens dann zu erstellen, wenn konkrete Anhalts-
punkte vorliegen, welche darauf hindeuten, dass Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung
drohen oder bereits vorliegen. Die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose ist rein
liquiditätsorientiert und dient dazu, feststellen zu können, ob die finanziellen Mittel des
Unternehmens im Prognosezeitraum ausreichen, um den jeweils fälligen Verbindlichkeiten
nachkommen zu können. Somit wird eine Zahlungsfähigkeitsprognose über das Vorliegen der
Insolvenzgründe dargestellt. (Vgl. IDW PP (2012), S. 3 f.) Liegen Anhaltspunkte vor, dass
sich das Unternehmen mit einem Insolvenzgrund auseinandersetzen muss, müssen die gesetz-
lichen Vertreter den Nachweis erbringen, dass keine Zahlungsunfähigkeit besteht, indem eine
insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose erstellt wird. Der Prognosezeitraum umfasst hier
grundsätzlich das laufende sowie das folgende Geschäftsjahr. (Vgl. IDW PP (2012), S. 8.)
Bei negativer insolvenzrechtlicher Fortbestehensprognose, liegt mindestens eine drohende
Zahlungsunfähigkeit vor. Die Geschäftsführung hat dann eine etwaige vorliegende
rechnerische Überschuldung zu prüfen. Die Insolvenzantragspflicht liegt bei der drohenden
Überschuldung bzw. der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht vor, allerdings ist die
Fortführung des Unternehmens gefährdet, falls nicht dementsprechende Sanierungs-
maßnahmen geplant, eingeleitet oder konkretisiert werden. (Vgl. IDW PP (2012), S. 9 f.)
Zusammengefasst dient die insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose allein zur Analyse der
Finanzkraft des Unternehmens. Diese fällt positiv aus, wenn die überwiegende Wahrschein-
lichkeit vorliegt, dass die Einzahlungen die Auszahlungen des Unternehmens mittelfristig
decken. Die Erstellung eines Finanzplans wird bei der insolvenzrechtlichen
Fortbestehensprognose daher vorausgesetzt. (Vgl. IDW PP (2012), S. 12.)
Die Grundbestandteile, Grundsätze sowie die Dokumentation der insolvenzrechtlichen
Fortbestehensprognose umfassen dieselben Anforderungen als jene der handelsrechtlichen
Fortführungsprognose (vgl. IDW PP (2012), S. 13.). Die (positive) handelsrechtliche
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Fortbestehensprognose setzt voraus, dass die Insolvenzgründe Zahlungsunfähigkeit und
Überschuldung weder eingetreten sind noch Zahlungsunfähigkeit droht sowie keine weiteren
rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten vorhanden sind die einer Unternehmens-
fortführung im Prognosezeitraum entgegenstehen. (Vgl. IDW PP (2012), S. 3.) Insolvenz-
antragspflicht besteht erst bei rechnerischer Überschuldung und Nichtvorliegen einer
(positiven) Fortbestehensprognose (Strobl/Sauerwein (2013), S. 5.).
iii. Prognosezeitraum
Da eine Prognose über den gesamten Lebenszeitraum eines Unternehmens weder
wirtschaftlich noch überschaubar wäre, ist die Fortbestehensprognose auf einen bestimmten,
meist mittelfristigen Planungszeitraum auszurichten. Der Planungszeitraum wird grund-
sätzlich nach der betriebswirtschaftlichen Überschaubarkeit gerichtet, welcher in der Regel
das laufende sowie das nächste Geschäftsjahr umfasst. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 93
f.) Je später die Plandaten, desto unsicherer werden diese. Daher ist darauf zu achten, dass
Plandaten, welche sich auf einen späteren Zeitpunkt beziehen, mit der notwendigen
Überprüfbarkeit und Plausibilität geplant werden. Der Prognosezeitraum hat sich an den
Marktverhältnissen zu orientieren. Je stabiler der Markt, desto länger der Planungszeitraum.
(Vgl. Karrollus/Huemer (2006), S. 95 f.)
Der Prognosezeitraum wird zusätzlich davon beeinflusst, ob neben dem Ziel der Wieder-
herstellung der Zahlungsfähigkeit auch die Wiederherstellung des Vermögensstandes in die
Fortbestehensprognose miteinbezogen werden muss. Ist dies der Fall, verlängert sich der
Beobachtungszeitraum der Prognose. Die Fortbestehensprognose besteht aus der Kombi-
nation einer kurzfristigen Primärprognose und einer ergänzenden, langfristigen Sekundär-
prognose, welche die Plandaten im späteren, mit steigender Unsicherheit geprägten
Beobachtungszeitraum darstellt. (Vgl. Karrollus/Huemer (2006), S. 96 f.) Erst beides zu-
sammen konstituiert die positive Fortbestehensprognose (Karrolus/Huemer (2006), S. 97.).
Der Beobachtungszeitraum der Sekundärprognose variiert. Kernpunkt ist die Beobachtung der
längerfristigen Zukunftsentwicklung, in welcher alle bereits jetzt absehbaren Risikofaktoren
miteinbezogen werden, und das Hauptaugenmerk aufgrund der schwierigen Prognose exakter
Plandaten auf der verbalen Begründung und Dokumentation liegt. (Vgl. Karrollus/Huemer
(2006), S. 97.)
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iv. Primärprognose
Die Primärprognose umfasst die Erhaltung der Zahlungsfähigkeit innerhalb des festgesetzten
Planungszeitraums. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 89.) Der Planungszeitraum ist hier eher
kurzfristig, in den meisten Fällen bis Ende des folgenden Geschäftsjahres, angesetzt.
v. Sekundärprognose
Die Sekundärprognose beinhaltet die Prognose der längerfristigen Überlebensfähigkeit des
Unternehmens. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 90.) Der Planungszeitraum der
Sekundärprognose lässt sich allgemein nur schwer festlegen und ist individuell an die
jeweilige Unternehmenssituation anzupassen. Hierbei geht es um die langfristige
Entwicklung, in welcher die bei der Erstellung der Fortbestehensprognose absehbaren
Risikofaktoren, wie beispielsweise erst nach Jahren zurück zu zahlende, endfällige Kredite,
miteinzubeziehen sind. Es ist zu berücksichtigen, dass der Fokus aufgrund der Schwierigkeit,
exakte Planungsdaten festzulegen, auf der verbalen Begründung liegt. (Vgl. Karollus/Huemer
(2006), S. 97.)
vi. Externe Berater
Die Einbeziehung externer Berater ist aufgrund verschiedener Gegebenheiten empfehlens-
wert. Dadurch können eine schonungslose Aufdeckung der bisherigen Fehler im
Unternehmen erfolgen sowie situationsabhängige, ggf. auch schmerzhafte, Restrukturierungs-
maßnahmen vorbereitet und umgesetzt werden. Dies kann bis zum Ersatz des bisherigen
Managements führen, welches in vielen Fällen nicht bereit dazu ist, seine bisherigen Fehler
aufgrund einer eventuell gegebenen Betriebsblindheit als solche zu erkennen, obwohl es diese
zu verantworten hat. In der Miteinbeziehung externer Berater ist auf die Abhängigkeit der
Berater und der Geschäftsleitung hinzuweisen. Wenngleich externe Berater, wie beispielweise
Unternehmensberater, meist Spezialwissen im Bereich der Fortbestehensprognose besitzen,
besteht dennoch Abhängigkeit zwischen Berater und der Geschäftsführung.
Externe Berater sind demnach auf richtige und vollständige Informationen der
Geschäftsleitung angewiesen. Informationen über die aktuelle Marktsituation oder die
Absatzchancen des jeweiligen Unternehmens können von externen Beratern vorwiegend
lediglich auf ihre Plausibilität hin überprüft werden. Falls hierfür keine ausreichenden
Informationen zur Verfügung gestellt werden, kann die Beiziehung eines
Branchenfachmannes hilfreich sein. Dieser kann einerseits bei der Entwicklung neuer Markt-
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strategien und andererseits als Unterstützer bei der Beurteilung der Plausibilität der
branchenbezogenen Annahmen fungieren. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 101.) Um den
aktuellen Vermögensstatus feststellen zu können und die Planungsrechnung zu erstellen, kann
ein sorgfältig ausgewählter Wirtschaftstreuhänders unterstützend agieren. Bei der Notwendig-
keit verschiedener Sanierungsmaßnahmen ist die Beiziehung eines Unternehmens-beraters
zielführend, welcher nicht nur die Schwachstellen analysiert und Konzepte entwirft, sondern
auch bei der Umsetzung dieser Konzepte als Begleitperson dient. Um insolvenzrechtlichen
Fortbestehensprognosen oder veränderten Rahmenbedingungen der aktuellen Rechtslage zu
genügen, wird die Beiziehung eines Rechtsberaters empfohlen. (Vgl. Karollus/Huemer
(2006), S. 128.)
vii. Planungsrechnung
Nach der Umfeld- und Krisenanalyse sind Finanz- und Erfolgspläne aufzustellen, welche für
die Darstellung der zukünftigen Liquidität und Ertragssituation stehen. Eine Prognose auf
Basis der Jahresabschlusskennzahlen reicht hierfür nicht aus – es muss eine Planung erstellt
werden, welche die zukünftige Liquiditäts- und Vermögensentwicklung detailliert darstellt. Es
ist darauf zu achten, dass die Planungsrechnung erst nach einer gewissen Einführungsphase
zuverlässig ist – beispielsweise kann erst nach mehrfachem Soll/Ist-Vergleich abgeschätzt
werden, ob die erstellte Planrechnung für das jeweilige Unternehmen geeignet ist. Daher ist
mit erst in der Krise implementierten Planungsinstrumenten vorsichtig umzugehen, da diese
mit großen Unsicherheiten behaftet sind. Für einen zuverlässigen Finanzplan wird daher eine
längere Einführungsphase vorausgesetzt – vor allem dann, wenn Soll/Ist-Vergleiche aus der
Vergangenheit große Abweichungen darstellen. Ist dies der Fall, muss die angewandte Me-
thode ersetzt oder verbessert werden, um eine geeignete, neu durchdachte, Planungsgrundlage
schaffen zu können. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 102 f.)
Eine Fortbestehensprognose, die ohne gesicherte Planungsinstrumente erstellt wird, ist
wertlos und somit auch für die Überschuldungsprüfung ungeeignet (Karollus/Huemer (2006),
S. 103.). Zu beachten ist, dass es sehr wohl Möglichkeiten gibt, Planungsinstrumente zu
implementieren, auch wenn dies erst zum Zwecke der Erstellung einer Fortbestehensprognose
geschieht. Ist dies der Fall, ist für große Zuverlässigkeit der Planungsdaten zu sorgen. Des
Weiteren muss mit erst kürzlich implementierten Planungsinstrumenten vorsichtig umge-
gangen werden, die Annahmen müssen aufgrund der Unsicherheiten mit einem gewissen
„Sicherheitspolster“ bedacht sein. Eine best case Planung ist jedenfalls zu vermeiden, stetige
17
Kontrollen und Anpassungen bezüglich der Planungszuverlässigkeit regelmäßig
durchzuführen. Die kurzfristige Implementierung von Planungsinstrumenten sollte, vor allem
in größeren Unternehmen, aufgrund der bestehenden kaufmännischen Sorgfaltspflicht
ohnehin nicht erforderlich sein. Für Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit Aufsichtsrat
sind Berichtspflichten gesetzlich geregelt – hier ist Planbilanz, eine Plan-Gewinn- und
Verlust-rechnung sowie eine Plan-Geldflussrechnung zu erstellen. Für eine GmbH ohne
Aufsichtsrat sowie andere Rechtsträger sind entsprechende Planungspflichten zwar nicht im
Gesetzbuch verankert, jedoch besitzt eine GmbH die Pflicht zur vorausschauenden Planung,
welche dem Geschäftsführer ein entsprechendes „Rechnungswesen“, zu unterscheiden mit der
Buch-haltung im Sinne des HGB, sowie ein „internes Kontrollsystem“, vorschreibt. Eine
Pflicht zur vorausschauenden Planung und Kontrolle der Einhaltung dieser Pläne ist daher aus
der allgemeinen Sorgfaltspflicht eines Geschäftsleitungsorgans abzuleiten, jedoch ist Art und
Umfang nach Größe und Struktur des Unternehmens unterschiedlich. (Vgl. Karollus/Huemer
(2006), S. 104 f.)
viii. Einbeziehung von Sanierungsmaßnahmen & Finanzierungshilfen
Die Fortbestehensprognose hat mit der Erstellung der Primär- und Sekundärprognose das
Ziel, die künftige Liquidität zu sichern und mit Hilfe eines „Turn around“ eine Rückkehr zu
positiven Ergebnissen und der damit verbundenen Überlebensfähigkeit des Unternehmens zu
schaffen. Dies wird mit der Fortsetzung der in der Vergangenheit aufgetretenen Verlust-
ursachen und der unveränderten Fortführung des Unternehmens nicht möglich sein, was dazu
führt, dass Sanierungsmaßnahmen geplant und umgesetzt werden müssen. (Vgl. Karol-
lus/Huemer (2006), S. 105 f.)
Fraglich ist, ob bzw. inwieweit diese Sanierungsmaßnahmen in der Fortbestehensprognose
berücksichtigt werden. Bei der Erstellung der Fortbestehensprognose ist die Berücksichtigung
bereits abgeschlossener Sanierungsmaßnahmen jedenfalls zu bejahen. Die Frage der Berück-
sichtigung stellt sich vorwiegend bei erst geplanten, jedoch nicht fertig umgesetzten
Sanierungsmaßnahmen. Hierbei handelt es sich nicht mehr um einen bestimmten Zeitpunkt,
sondern um eine erst für die Zukunft erwartete Maßnahme, deren Vollzug und Wirksamkeit
zum Erstellungszeitpunkt der Fortbestehensprognose noch nicht mit Sicherheit feststeht.
Sollten diese Sanierungsmaßnahmen in den Plan miteinbezogen werden, wird die Prognose
mit weiteren Unsicherheiten belastet. Hierbei ist zu beachten, dass die Wahrscheinlichkeits-
anforderung an das Gelingen dieser Sanierungsmaßnahmen größer sein muss als bei bereits
18
eingeleiteten Maßnahmen. Da die zum Zeitpunkt der Erstellung einer Fortbestehensprognose
vorliegenden finanziellen Mittel (voraussichtlich) ohnehin nicht ausreichen, um die
Planungsziele zu erreichen, wird eine Zufuhr von neuem Eigen- oder Fremdkapital
unumgänglich sein. Hierfür stellt sich die Frage, inwieweit diese Kapitalspritzen bei der
Erstellung der Fortbestehensprognose bereits sichergestellt sein müssen. (Vgl. Karol-
lus/Huemer (2006), S. 106 f.)
Innerbetriebliche Sanierungsmaßnahmen können vorwiegend ohne Zustimmung von dritter
Seite miteinbezogen werden. Bei finanzieller Hilfe durch Dritte ist zwischen Fremdkapital-
aufnahmen sowie Eigenkapitalzufuhren und Sanierungshilfen der Gläubiger zu unterscheiden.
An Eigenkapitalzufuhren bzw. Sanierungshilfen der Gläubiger sind an den Konkret-
isierungsgrad höhere Anforderungen zu stellen. Sanierungsmaßnahmen inner-betrieblicher
Art, wie etwa eine Personalumstellung oder Kostensenkungsprogramme, sind in der Fort-
bestehensprognose jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn mit deren Umsetzung bereits
begonnen wurde, und das Sanierungsprojekt als erfolgsversprechend angesehen werden kann.
(Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 107.) Darüber hinaus sind jene innerbetrieblichen
Sanierungsmaßnahmen miteinzubeziehen, welche bereits konkret geplant sind, die feste
Absicht der Realisierung besteht und die Umsetzung als realistisch erscheint. Ungenügend,
nicht konkret geplante oder auch unrealistische Sanierungsmaßnahmen sind jedenfalls
gänzlich außer Acht zu lassen.
Jene Maßnahmen, welche einer Zustimmung weiterer Organe erfordern, finden nur dann ihre
Berücksichtigung in der Fortbestehensprognose, wenn diese Zustimmung auch vorliegt. (Vgl.
Karollus/Huemer (2006), S. 108 f.) Dies können z.B. Maßnahmen sein, welche die Beleg-
schaft oder Lieferanten betreffen. Die Beurteilung der Ernsthaftigkeit und der
Erfolgsaussichten der verschiedenen Sanierungsmaßnahmen hat zum Zeitpunkt der Erstellung
der Fortbestehensprognose zu geschehen. Sollten eingeplante Sanierungsmaßnahmen aus
verschiedenen Gründen nicht umgesetzt werden, sind die Gründe dafür gut zu dokumentieren,
um etwaigen Problemen in einem Haftungsprozess vorbeugen zu können. (Vgl. Karol-
lus/Huemer (2006), S. 110 f.)
Bei eigenkapitalwirksamen Finanzhilfen muss ebenfalls überprüft werden, ab welchem
Stadium die Finanzhilfe bei der Erstellung der Fortbestehensprognose berücksichtigt werden
darf. Eigenkapitalwirksame Maßnahmen haben große Auswirkungen auf den Vermögens-
19
status des Unternehmens, beispielsweise kann dadurch eine Überschuldung des
Unternehmens verneint werden – jedoch ist in der Fortbestehensprognose, im Normalfall, nur
die jeweils tatsächlich vorhandene Vermögenslage abgebildet und bloße Erwartungen einer
künftigen Mittelzufuhr nicht einzubeziehen. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 112.)
Jedenfalls müssen die in der Planung berücksichtigten Finanzierungsbeiträge, zum Zeitpunkt
der Prognoseerstellung, in rechtlich bindender Weise gesichert sein, so dass für die Gesell-
schafter ein einklagbarer Anspruch entsteht (vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 114.). Eine
Ausnahmesituation stellt sich ein, wenn das bisherige Verhalten der Gesellschafter die
Gewährung weiterer Hilfen erwarten lässt. Das bisherige Verhalten jener Gesellschafter kann
daher dazu führen, dass die Zufuhr von weiteren freiwilligen Leistungen als wahrscheinlich
angesehen werden kann. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 116.) Voraussetzung dafür ist die
genaue Begründung dieser Annahme im Erläuterungsteil der Fortbestehensprognose, sowie
strenge Anforderungen an derartigen, ausnahmsweisen Zugrundelegungen von noch nicht
rechtsverbindlich konkretisierten Gesellschaftermitteln (vgl. Karollus/Huemer (2006), S.
118.).
Eine weitere Ausnahme von der Erfordernis einer rechtsverbindlichen Zusage der Finanzhilfe
stellt der Sanierungserwerb eines finanzkräftigen Investors dar, da man davon ausgehen kann,
dass dieser nach dem Erwerb für Sanierungszwecke auch die erforderlichen Sanierungs-
beiträge aufwenden wird. Die Bonität des Anteilerwerbers ist für diese Ausnahme zwingend
erforderlich. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 119.) Wenn dem betroffenen Unternehmen in
Form einer Stundung oder einer „Besserungsvereinbarung“ ein Nachlass eines Gläubigers
gewährt wird, können diese Sanierungsmaßnahmen in der Fortbestehensprognose berück-
sichtigt werden. In der Regel wird hierbei ebenfalls eine rechtsverbindliche Zusage für die
Finanzierungsleistung vorausgesetzt. Falls die Zustimmungserklärung von der Erreichung
einer bestimmten Mindestannahmequote abhängig gemacht wird, darf diese, zurzeit noch
nicht rechtsverbindliche Zusage, erst dann in die Fortbestehensprognose miteinbezogen
werden, wenn mit überwiegend hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann,
dass nach vergangener, relativ hoher Annahmequoten, dies auch in der Zukunft so erwartet
werden kann. Sonstige Ausnahmefälle in der Einbeziehung von Finanzhilfen der Gläubiger
ohne rechtsverbindlicher Zusage benötigen jedenfalls außerordentliche Umstände, welche in
der Fortbestehensprognose sorgfältig zu begründen sind. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S.
121 f.)
20
Als letzte große Sanierungsmaßnahme gilt die Einbeziehung von Fremdkapital, größtenteils
durch Bankkredite. Bei der Einbeziehung von Krediten ist eine rechtsverbindliche Kredit-
zusage nicht unbedingt erforderlich. Hier wird „lediglich“ eine objektiv begründete Erwartung
für die Erlangung der Kredithilfe vorausgesetzt. Die Begründung hierfür liegt im Aufgaben-
bereich der Kreditgeber, welcher erwarten lässt, dass Kredite auch tatsächlich vergeben
werden, wenn eine positive Kreditwürdigkeit vorliegt. (Vgl. Karollus/Huemer (2006), S. 122
f.) Dies gilt jedoch mehrheitlich für Kredite im weiteren Planungszeitraum, „für den bereits
aktuell erforderlichen Finanzierungsbedarf wird man daher entweder eine rechtsverbindliche
Zusage oder zumindest erfolgsversprechende Kreditverhandlungen verlangen müssen (Karol-
lus/Huemer (2006), S. 124.).“
ix. Abgabe der Fortbestehensprognose
Die Fortbestehensprognose wird aus verschiedenen Beurteilungsperspektiven beurteilt. In der
Perspektive der Konzeptersteller steht die nachhaltige Fortführungsfähigkeit aus der Sicht des
Konzepterstellers im Mittelpunkt, wobei beim Vorkommen von mehreren verschiedenen
Szenarien vom wahrscheinlichsten und den am meist realistischen Szenario ausgegangen
wird. Die Durchsetzungsperspektive untersucht die Wahrscheinlichkeit der Durchsetzbarkeit
des Sanierungskonzepts. Unabhängig wie erfolgsversprechend ein Konzept auch erscheinen
mag, ohne der Unterstützung der betroffenen Adressaten (Mitarbeiter, Banken oder
Gesellschafter) ist eine Durchsetzbarkeit des Konzepts höchst unwahrscheinlich. An-
schließend wird die Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen geprüft. In der abschließenden
Koordinations- bzw. Moderationsperspektive wird die Koordination der Sanierungs-
maßnahmen geklärt. Dabei ist zu beachten, dass die exakte Umsetzung von Sanierungs-
konzepten in der Praxis nur selten vorkommt. Daher ist dafür zu sorgen, dass auf unvorher-
sehbare Umstände entsprechend schnell und flexibel reagiert werden kann.
Die Fortbestehensprognose ist entweder positiv oder negativ – aufgrund der geforderten
„überwiegenden Wahrscheinlichkeit“ besitzt der Gutachter hier einen gewissen Spielraum für
seine Beurteilung. Zur Nachvollziehbarkeit ist eine Beschreibung der Ausgangslage, der An-
nahmen und der Sanierungsmaßnahmen notwendig. Um dies zu ermöglichen, werden
umfassende Informationen aus der Umfeld- und Berater-Perspektive zur Prognosebeurteilung
miteinbezogen. Abschließend muss eindeutig und klar definiert werden, ob die Fortbestehens-
prognose positiv oder negativ ausfällt. (Vgl. Wöber/Siebenlist (2009), S. 120 f.) Eine
Fortbestehensprognose ist nur dann positiv, wenn die Lebensfähigkeit der Gesellschaft
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hinreichend, d.h. mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit, gesichert ist (Karol-
lus/Huemer (2006), S.89.).
2. Die Leitfäden der Fortbestehensprognose
a. Der österreichische Leitfaden (AUT)
i. Grundlagen des Leitfadens und der Fortbestehensprognose
Im österreichischen Leitfaden wird die Fortbestehensprognose hinsichtlich seiner
Herangehensweise, Umsetzung und Bearbeitung beschrieben. Nach einer kurzen
Vorbemerkung gibt der Leitfaden Auskunft darüber, wer sich mit der Erstellung einer
Fortbestehensprognose auseinanderzusetzen hat.
Wie bereits im allgemeinen Teil beschrieben, stehen sowohl Unternehmer von Personen-
gesellschaften, in welchen keine natürliche Person uneingeschränkt haftet, als auch
Unternehmer über einer Umsatzgrenze von EUR 400.000,-, unter der Verpflichtung zur
Buchführung. Bei der Erstellung des Jahresabschlusses ist der Unternehmer dazu verpflichtet,
eine Beurteilung über das Fortbestehen eines Unternehmens vorzunehmen. (Vgl.
Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 5.) Nach dem OHG ist „die Überschuldungsprüfung durch
eine Fortbestehensprognose zu ergänzen, in deren Rahmen mit Hilfe sorgfältiger An-alysen
von Verlustursachen, eines Finanzierungsplans sowie der Zukunftsaussichten der Gesellschaft
die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit und damit der Liqui-dation der
Gesellschaft zu prüfen ist, wobei die Auswirkungen geplanter Sanierungs-maßnahmen in
diese Überlegungen einzubeziehen sind (Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 6.).“ Ebenfalls
schon erwähnt wurde die insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung, welche nur dann
vorliegt, wenn die Fortbestehensprognose negativ ausfällt und die Zahlungsfähigkeits- und
Liquidationsprognose somit unzureichend ist. Daher kann trotz etwaiger vermögensmäßiger
Überschuldung ein insolvenzrechtlicher Überschuldungs-tatbestand durch eine positive
Fortbestehensprognose ausgeschlossen werden. (Vgl. Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 6.)
Besteht beim Jahresabschluss die Vermutung für das Vor-liegen von Zahlungsunfähigkeit
oder einer Überschuldung, ist es die Aufgabe des Unternehmers sich die Frage zu stellen, ob
eine Fortführung des Unternehmens gefährdet ist. Ist dies der Fall, ist im Rahmen der
Überschuldungsprüfung eine Fortbestehensprognose zu erstellen.
Die positive Fortbestehensprognose ist somit Grundlage für die „going concern-Prämisse“ in
der Bilanzierung des Jahresabschlusses. (Vgl. Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 7.) Der
22
Maßstab der Fortbestehensprognose soll eine realistische Einschätzung der künftigen
Ergebnisse sein, optimistische bzw. pessimistische Planungswerte sind zu vermeiden (vgl.
Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 12.). Die Fortbestehensprognose ist grundsätzlich vom
Unternehmer zu erstellen, die Beiziehung eines externen Experten ist, insbesondere aus
Haftungsgründen, vorteilhaft und grundsätzlich zu empfehlen (vgl. Grabner/Karollus/Weber
(2006), S. 13.). Folglich wird im Leitfaden beschrieben, wann die Frage nach einer Fort-
bestehensprognose spätestens zu stellen ist. Hierbei werden finanzielle, betriebliche und
sonstige Krisensymptome beispielshaft aufgelistet. (Vgl. Grabner/Karollus/Weber (2006), S.
8 f.)
ii. Wesentliche Bestandteile der Fortbestehensprognose
Folglich wird auf die Hauptbestandteile der Fortbestehensprognose eingegangen. Die zwei
wesentlichen Kriterien einer Fortbestehensprognose sind die künftige Zahlungs- und Lebens-
fähigkeit eines Unternehmens. Die Fortbestehensprognose muss mit einer begründeten
Aussage über die überwiegende Wahrscheinlichkeit, seine geschäftlichen Aktivitäten unter
Berücksichtigung seiner Zahlungsverpflichtungen fortführen zu können, abgeschlossen
werden. Der Umfang der Prognose ist aufgrund verschiedener Kriterien, wie der
Unternehmensgröße oder der individuellen Besonderheiten, unterschiedlich. (Vgl.
Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 10.)
Einen nicht unwesentlichen Bestandteil stellt die Begründung der Ergebnisse dar. Da es
durchaus vorkommen kann, dass die späteren Ergebnisse nicht mit den prognostizierten
Werten übereinstimmen, sollte eine positive Fortbestehensprognose so stichhaltig begründet
und dokumentiert sein, dass sie, falls das Unternehmen entgegen der Prognose scheitern
sollte, der späteren gerichtlichen Überprüfung hinsichtlich der rechtlichen Anforderungen
standhält. Hierbei sind nicht die nachträglichen Erkenntnisse, sondern die Sichtweise des
sorgfältig handelnden Geschäftsführers bei Erstellung der Fortbestehensprognose, relevant.
In der Fortbestehensprognose sind neben der Darlegung des Erhaltens der Zahlungsfähigkeit
auch jene Maßnahmen darzustellen, welche zu einer Verbesserung der Vermögens-, Finanz-
und Ertragslage und dadurch zur Befriedigung aller Gläubiger führen. (Vgl.
Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 12.)
23
iii. Prognosezeitraum
Der Beobachtungszeitraum der Primärprognose umfasst die nähere Zukunft, in der Regel
zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Die Sekundärprognose hingegen ist in einem
Prognosezeitraum von über einem Geschäftsjahr dazustellen, vor allem in jenen Unter-
nehmen, in denen in zwei darauffolgenden Geschäftsjahren ein negatives Betriebsergebnis
erwartet wird. Nur in seltenen Fällen kann ein Beobachtungszeitraum von einem
Geschäftsjahr ausreichen. Eine nachhaltige Trendwende sollte im Normalfall in spätestens
zwei bis drei Geschäftsjahren erreicht werden, da darüber hinaus geplante Perioden mit einer
zu hohen Planungsunsicherheit belegt sind. (Vgl. Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 10 f.)
iv. Primärprognose
In der Primärprognose ist die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit für die nähere
Zukunft, meist bis Ende des laufenden Geschäftsjahres, darzustellen. Ist diese im
Beobachtungszeitraum nicht vorhanden, ist eine positive Beurteilung der Primärprognose
nicht möglich. Aufgrund des hohen Detaillierungsgrades sowie der Tatsache, dass sich die
Aussagefähigkeit und die Zuverlässigkeit einer solchen Prognose mit zunehmender Dauer
verringert, ist eine Planung für einen Zeitraum von bis zu einem Jahr ausreichend. Die
Planung darüber hinaus kann bei größeren Unternehmen in der Sekundärprognose erfolgen,
wobei die stark wachsende Planungsunsicherheit zu berücksichtigen ist. (Vgl.
Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 10 f.) In der Primärprognose ist ein Finanzplan zu
erstellen, die Prognoserechnung erfordert eine mit Zahlen dokumentierte, detaillierte
Begründung. Die Einbeziehung der Außenfinanzierung ist dabei im Einzelnen auf deren
Eintrittswahrscheinlichkeit zu prüfen. Eine Analyse des letzten Jahresabschlusses mithilfe von
daraus gewonnener Kennzahlen ist nicht ausreichend. (Vgl. Grabner/Karollus/Weber (2006),
S. 13.)
v. Sekundärprognose
Die Sekundärprognose hat die längerfristige positive Entwicklung des Unternehmens,
hinsichtlich des „Turn around“ bzw. der Aufrechterhaltung seiner Zahlungsfähigkeit,
darzustellen. Ist dies innerhalb von zwei bis drei Jahren nicht möglich, ist zu beschreiben, mit
welchen zusätzlichen Maßnahmen den Zahlungspflichten der Gläubiger mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit nachgekommen werden kann. Hierbei ist auf die besonderen Umstände,
wie beispielsweise ein in etlichen Jahren endfälliger Kredit, einzugehen. Die Primär- bzw.
Sekundärprognose sind für die Fortbestehensprognose von gleicher Wichtigkeit, Unterschiede
24
liegen dabei vor allem im Planungszeitraum sowie der einzubringenden Planungsgenauigkeit.
(Vgl. Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 10.)
vi. Einbeziehung von Sanierungsmaßnahmen
Sanierungsmaßnahmen, welche in die Fortbestehensprognose einbezogen werden sollen,
müssen konkret geplant und realisierbar sein. Für eine positive Fortbestehensprognose ist es
notwendig, Finanzierungsmaßnahmen der Gesellschafter oder außenstehender Dritter
einzubeziehen. Hierfür ist im Normalfall eine rechtsverbindliche Zusage erforderlich,
beispielsweise bei Sanierungshilfen seitens der Gläubiger. Ausnahmen müssen mit einer ent-
sprechenden Begründung hinterlegt werden. Bei der Fremdkapitalzufuhr, wie beispielsweise
einer Kreditaufnahme, ist eine rechtsverbindliche Zusage nicht unbedingt zu verlangen. Die
Darstellung der Kreditwürdigkeit reicht hierbei in den meisten Fällen aus. (Vgl.
Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 14 f.) Ergänzende Bestimmungen hinsichtlich der
Einbeziehung von Sanierungsmaßnahmen wurden bereits im Punkt 1.b.viii, „Einbeziehung
von Sanierungsmaßnahmen & Finanzhilfen“, beschrieben.
vii. Form und Aufbau der Fortbestehensprognose
Der österreichische Leitfaden empfiehlt die Lebensfähigkeit des Unternehmens aus möglichst
vielen Perspektiven zu untersuchen, um dann unter Berücksichtigung der erwarteten
gesamtwirtschaftlichen und branchenspezifischen Entwicklungen eine begründete Gesamt-
aussage treffen zu können. Die Primärprognose besteht demnach aus einem detaillierten
Finanzplan, der Bestandteil einer integrierten Unternehmensplanung ist. Zusätzlich wird ein
strategisches Unternehmenskonzept mit integrierter Unternehmenskultur dargestellt, welches
die künftig erwarteten Geschäftstätigkeiten, Investitionsprogramme und die geplanten
Finanzierungsmaßnahmen beinhaltet. Dabei werden Krisenursachen untersucht und das
Entwicklungsstadium der Krise festgestellt. Des Weiteren ist die Darstellung einer nachhaltig
positiven Entwicklung vorzunehmen, in welcher die Auswirkungen geplanter Sanierungs- und
Finanzierungsmaßnahmen mit deren Wahrscheinlichkeit einzuarbeiten und zu erläutern sind.
Die Fortbestehensprognose hat außerdem Auskunft darüber zu geben, in welcher Form die
Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit in Zukunft überprüft wird, wie sonstige
Veränderungen und Planungsziele erreicht und kontrolliert werden sollen, sowie ob
bestimmten Personen eine besondere Koordinationsfunktion zukommt. (Vgl. Grabner/Karol-
lus/Weber (2006), S. 16.)
25
Die Fortbestehensprognose muss abschließend vom Unternehmer sowie den beauftragten
externen Berater unterzeichnet werden. Der Inhalt der Fortbestehensprognose kann sich am
folgenden Muster orientieren.
1. Analyse des Unternehmensstatus und seine Umfelds
a. Lagebeurteilung
i. Unternehmenssituation (Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage)
ii. Gesamtwirtschaftliche Rahmensituation und Branchenentwicklung
b. Feststellen des Krisenstadiums und Krisenursachenanalyse
i. Stakeholderkrise, strategische Krise, Erfolgskrise, Liquiditätskrise
2. Darstellung der Primärprognose
i. Finanzplan samt Erläuterungen
3. Darstellung der Sekundärprognose
i. Sanierungs- oder Unternehmenskonzept
ii. Darauf basierende integrierte Planung für den Prognosezeitraum
iii. Finanzierungsmaßnahmen und allfällige externe Sicherstellungen für
Gläubiger
iv. Angaben zur Umsetzung und Kontrolle des Sanierungs- oder
Unternehmenskonzepts
4. Prognoseergebnis
(Grabner/Karollus/Weber (2006), S.17.)
viii. Nach Erstellung der positiven Fortbestehensprognose
Nachdem die Fortbestehensprognose positiv beurteilt wurde, ist die reale Geschäfts-
entwicklung mit den in der Prognose dargelegten Maßnahmen und Planungszielen zu
vergleichen. Die daraus ergebenden Abweichungen sind laufend zu analysieren und deren
Auswirkungen für den weiteren Geschäftsverlauf zu prognostizieren. Sollten sich hierbei
gravierende Abweichungen ergeben, ist eine adaptierte Fortbestehensprognose zu erstellen.
Maßnahmen, die in der Fortbestehensprognose geplant werden, müssen vom Unternehmen
laufend umgesetzt werden. Die verbale Erläuterung bezüglich der laufenden Kontrolle des
Konzepts sollte außerdem beinhalten, wann und in welcher Form eine Berichtserstattung
gegenüber welchen Adressaten erfolgt. (Vgl. Grabner/Karollus/Weber (2006), S. 18.)
Abschließend ist dem österreichischen Leitfaden ein Muster eines Finanzplans angehängt.
26
b. Leitfaden IDW S6 (GER)
i. Grundlagen des Sanierungskonzepts
Der Leitfaden IDW S6 beschreibt die Anforderungen an die Erstellung von Sanierungs-
konzepten. Ein Unternehmen ist sanierungsfähig, wenn zunächst die Annahme der
Unternehmensfortführung bejaht werden kann und zusätzliche Maßnahmen dazu führen, dass
sowohl die Wettbewerbs- als auch die Renditefähigkeit wiedererlangt werden kann (vgl. IDW
(2012), S. 4.). Dem 31 Seiten umfassenden Leitfaden ist ein Muster für die verbale Schluss-
bemerkung und Zusammenfassung sowie für ein Konzept über die Fortführungsfähigkeit
angehängt.
Im IDW S6 steht die Sanierung eines Unternehmens im Mittelpunkt. Das Sanierungskonzept
nach IDW S6 erfüllt sowohl die betriebswirtschaftlichen als auch rechtlichen Anforderungen
nach deutschem Standard. Im ersten Teil werden Aussagen über die wichtigsten Unter-
nehmensdaten, Ursachen- und Wirkungszusammenhänge sowie rechtliche und ökonomische
Einflussfaktoren getroffen. Danach werden die umzusetzenden Sanierungsmaßnahmen fest-
gelegt und die Auswirkungen derer im Rahmen einer integrierten Liquiditäts-, Ertrags- und
Vermögensplanung dargestellt. Die Realisierbarkeit des Sanierungskonzepts muss vorhanden
sein. (Vgl. IDW (2012), S. 2 f.) Außerdem hat das Management den Sanierungswillen
schriftlich zu dokumentieren. Eine weitere Grundlage stellt das Vorhandensein einer über-
wiegenden Wahrscheinlichkeit der Durchfinanzierung des Sanierungskonzepts zum Zeitpunkt
seiner Erstellung dar. Um eine Aussagefähigkeit zur Sanierungsfähigkeit ableiten zu können,
kann sich ein Unternehmen an folgender Gliederung orientieren.
1. Die Beschreibung von Auftragsgegenstand und –umfang
2. Basisinformationen über die wirtschaftliche und rechtliche Ausgangslage des
Unternehmens in seinem Umfeld, einschließlich der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage
3. Die Analyse von Krisenstadium und –ursachen, einschließlich der Analyse, ob eine
Insolvenzgefährdung vorliegt
4. Darstellung des Leitbilds mit dem Geschäftsmodell des sanierten Unternehmens
5. die Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise und Abwendung einer
Insolvenzgefahr
6. ein integrierter Unternehmensplan
7. die zusammenfassende Einschätzung der Sanierungsfähigkeit
(IDW (2006), S. 3 f.)
27
Bis zur Fertigstellung des Sanierungskonzeptes müssen offenkundige Insolvenzantrags-
pflichten wie Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auszuschließen sein, beispielsweise
mit Hilfe einer Überbrückungsfinanzierung. Das Sanierungskonzept hat zunächst die
Fortführungsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Danach muss dargestellt werden, wie
diese Fortführungsfähigkeit, mit Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit, nachhaltig
erreicht werden kann. Im Prognoseurteil wird dann in Form einer Wahrscheinlichkeitsaussage
die Einschätzung der Erfolgsaussichten einer Sanierung niedergeschrieben. Unter Berück-
sichtigung plausibler Annahmen muss das Unternehmen, aus Sicht des Erstellers am
Erstellungszeitpunkt, mit überwiegender Wahrscheinlichkeit saniert werden können. Das
Sanierungskonzept muss auf objektiven bzw. zumindest objektivierbaren Kriterien basieren.
Dieses ist zusätzlich vom Krisenstadium abhängig, welche nicht unabhängig voneinander,
sondern meist aufbauend, agieren. Hierbei wird zwischen der Stakeholder-, Strategie-,
Produkt-, Absatz- sowie Erfolgs- und Liquiditätskrise bis hin zur Insolvenzlage
unterschieden.
Der IDW S6 geht auf die einzelnen Krisenstadien ein, beschreibt diese ausführlich und stellt
die verschiedenen Warnsignale detailliert dar. (Vgl. IDW (2012), S. 5 ff.) Es ist zu beachten,
dass Krisenursachen, welche weder identifiziert noch behoben wurden, weiter wirken und
damit einzelne Krisenstadien, ohne der vorhandenen Sicherstellung einer nachhaltigen
Sanierung, nur vorübergehend überwunden werden können (vgl. IDW (2012), S. 14.). Eine
sachgerechte Aussage über die Sanierung eines Unternehmens kann nur dann erfolgen, wenn
die Probleme aller bereits durchlaufenden Krisenstadien erkannt und aufgearbeitet wurden.
Deshalb legt der Leitfaden großen Wert auf die Erkennung, Analyse und Überwindung dieser
Krisenstadien. Zusätzlich wird daher nochmal auf jede einzelne Krise eingegangen um
darstellen zu können, wie diese überwunden werden. Zusammenfassend soll sich ein
Sanierungskonzept in erster Stufe darauf konzentrieren, die positive Fortführungsfähigkeit zu
erlangen. In Stufe zwei wird, vorwiegend mit Beihilfe externer Berater, versucht, geeignete
Maßnahmen zu erarbeiten, welche dann zur Wettbewerbs- und Renditefähigkeit führen sollen.
(Vgl. IDW (2012), S. 5 ff.) Zunächst liegt also die Beseitigung von Insolvenzgründen im
Vordergrund, anschließend wird das Erreichen der Gewinnzone fokussiert, um dann die
strategische (Neu-)Ausrichtung des Unternehmens umsetzen zu können. (Vgl. IDW (2012), S.
22.)
28
ii. Darstellung und Analyse des Unternehmens
IDW S6 geht folglich auf die Darstellung des Unternehmens, welche die wesentlichen
rechtlichen Eckpunkte sowie die wirtschaftlichen Ausgangsdaten beinhaltet, sowie auf die
Analyse des Unternehmens, welche die Lagebeurteilung, das eingetretene Krisenstadium und
deren Ursachen umfasst, ein. Neben der Voraussetzung der Erfassung aller wesentlichen
Informationen dürfen Zufälligkeiten, persönliche Vorurteile usw. keinen Einfluss auf das
Ergebnis des Sanierungskonzepts haben. Finanzielle Informationen aus der Vergangenheit
bilden hierbei die Grundlage der Plandaten. Bei künftig geplanten Maßnahmen ist der Grad
der Umsetzung zu erläutern. Der Leitfaden geht dann auf die Ausgangslage des
Unternehmens und die Analyse der Unternehmenslage, des Umfelds, der Branchen-
entwicklung und der internen Unternehmensverhältnisse ein. Dabei werden die wichtigsten
Kriterien und Bereiche der Informationsgewinnung beschrieben und die Ziele der einzelnen
Analysen formuliert. (Vgl. IDW (2012), S. 9 f.) Nachdem der Leitfaden Aussagen zur
Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung und der Annahmen zur Fortführung der
Unternehmenstätigkeit niederschreibt, widmet sich dieser dem Leitbild des Unternehmens.
iii. Ausrichtung am Leitbild des Unternehmens
Das Leitbild eines Unternehmens ist Bestandteil eines Sanierungskonzepts und umschreibt die
Darstellung des Unternehmens, das nachhaltig eine branchenübliche Rendite sowie eine
angemessene Eigenkapitalausstattung aufweist. Es zeigt also das Bild des zukünftigen
Unternehmens, welches für Eigen- und Fremdkapitalgeber interessant geworden ist. Gleich-
zeitig dient ein Leitbild zur Identifizierung geeigneter Sanierungsmaßnahmen, welche dazu
führen sollen, konkurrenzfähig zu werden. Der Leitfaden beschreibt daraufhin die Eckdaten
eines solchen realisierbaren, zukünftigen Geschäftsmodells. Ein Unternehmensleitbild wirkt
durch das positive Zukunftsbild integrierend und motivierend, ein für die Krisenbewältigung
notwendiger Stimmungsumschwung wird eingeleitet. Das durch Kennzahlen konkretisierende
Leitbild beschreibt das Ziel der Unternehmensentwicklung. Diese Ziele werden im Leitfaden
des IDW dargestellt. Um Wettbewerbsvorteile realisieren zu können, muss sich das Unter-
nehmen also an den Strategien, welche im Leitbild darzustellen sind, orientieren. (Vgl. IDW
(2012), S. 20 ff.)
iv. Integrierte Sanierungsplanung
Nach dem Leitfaden des IDW S6 sind in der integrierten Sanierungsplanung die
Restrukturierungserfordernisse unter den finanziellen Aspekten anzugeben. Es handelt sich
29
hierbei um eine Prognose der Zukunftsentwicklung ohne Berücksichtigung geplanter
Sanierungsmaßnahmen. Dabei sind ausgehend von der Ist-Lage und den erkannten Problem-
und Verlustbereichen Maßnahmeneffekte zu quantifizieren, um diese in einem Unter-
nehmensplan zusammenzuführen. Zusätzlich sind die voraussichtlichen Maßnahmeneffekte
auf die künftige Ergebnis-, Finanz- und Vermögensentwicklung des Unternehmens dar-
zustellen. Neben der Darstellung der Verantwortlichkeiten ist im Sanierungskonzept anzu-
geben, ob mit der Umsetzung des schlüssigen Konzepts schon begonnen wurde. Der im
Sanierungskonzept verankerte Sanierungsplan besteht aus Ergebnis-, Finanz- und Vermögens-
plan, in welcher eine Plan-Gewinn- und Verlustrechnung, eine Plan-Bilanz und ein
Finanzplan entwickelt werden. Im Leitfaden werden die wesentlichen Annahmen für die
Planung aufgezählt. Des Weiteren beschreibt der Leitfaden jene Kennzahlen, welche die
Aussage zur Sanierungsfähigkeit stützen. (Vgl. IDW (2012), S.29 f.) Abschließend werden
die Dokumentation und die Berichterstattung beschrieben.
c. Unterschiede österreichischer Leitfaden / Leitfaden IDW S6
Um auf die wesentlichen Unterschiede der beiden Leitfäden eingehen zu können, sind
zunächst einige Grundlagen zu erwähnen. Der österreichische Leitfaden hat sich zur Aufgabe
gemacht, explizit auf die Fortbestehensprognose einzugehen, um Unternehmen eine
Orientierungshilfe für die Erstellung der Fortbestehensprognose zu geben. Das 18-seitige
Dokument durchleuchtet dabei alle wesentlichen Punkte einer solchen Fortbestehensprognose.
Nachdem Grundlagen, wie die Frage nach dem Zeitpunkt der Erstellung oder Krisenindizien
beschrieben werden, geht der österreichische Leitfaden auf die einzelnen Bestandteile einer
Fort-bestehensprognose ein und schließt den Leitfaden folglich mit einer Vorlage für einen
Finanzplan ab. Der wesentliche Unterschied zum Leitfaden des IDW S6 ist, dass sich dieser
ganz dem Sanierungskonzept widmet, welches den Hauptteil der Fortbestehensprognose
ausmacht. Der 33 Seiten umfassende Leitfaden durchleuchtet demnach nicht alle Bestandteile
einer Fortbestehensprognose, den Sanierungsteil jedoch umso detaillierter. Durch die
Gespräche mit einigen Adressaten der Fortbestehensprognose kann jedoch gesagt werden,
dass das Sanierungskonzept nach IDW S6 den österreichischen Leitfaden inhaltlich deckt. In
der Praxis werden hier keine großen Unterschiede gesehen, die Tiefe, Formulierungen und der
Umfang der beiden Leitfäden sind jedoch nicht ident.
Der IDW S6 richtet sich nach einer klar definierten Reihenfolge, welche eine Sanierung eines
Unternehmens ermöglichen soll. Nachdem die Unternehmenslage analysiert wird, hat die
30
Feststellung des Krisenstadiums zu erfolgen. Dabei müssen alle Krisenursachen analysiert
und definiert werden, um dann Maßnahmen zur Bewältigung der Unternehmenskrise einleiten
zu können. Die Sanierungsmaßnahmen stellen dann direkte Antworten auf die festgestellten
Krisenstadien dar. Die Neuausrichtung des Unternehmens hat sich nach einem Leitbild zu
orientieren. Dabei ist eine integrierte Sanierungsplanung mit Darstellung der Problem- und
Verlustbereiche sowie der vorgesehenen Maßnahmeneffekte zu erstellen. Abschließend hat
eine Einschätzung der Sanierungsfähigkeit zu erfolgen.
Die erste Stufe sollte demnach die Fortführungsfähigkeit sichern, indem dargestellt wird, dass
keine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, zumindest für das aktuelle und folgende
Geschäftsjahr, vorliegt. Die zweite Stufe des Sanierungskonzepts beschäftigt sich mit der
überwiegend wahrscheinlichen Rückkehr zur Wettbewerbsfähigkeit. Dabei wird eine
gefestigte Marktposition angestrebt. Um Zins- und Tilgungszahlungen begleichen zu können,
wird eine mittelfristige Renditefähigkeit forciert. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass
der IDW ein zusätzliches Positionspapier erstellte, welches sich detailliert mit den
Unterschieden der handelsrechtlichen Fortführungsannahme und der insolvenzrechtlichen
Fortbestehensprognose beschäftigt. Dieses 13-seitige Papier durchleuchtet dabei einige Teil-
bereiche, welche im IDW S6 Standard nicht ausführlich beschrieben werden. Aufgrund
dessen kann eine Kombination des IDW S6 und deren Positionspapier als umfangreichste,
wenn nicht sogar vollständigste, Orientierungshilfe gesehen werden. Die Frage ist, inwieweit
eine solch detaillierte Orientierungshilfe für Unternehmen mit verschiedenen
Unternehmensgrößen in verschiedenen Branchen notwendig ist.
Zur besseren Darstellung folgt nun eine Übersicht, welche zeigen soll, welche Teilbereiche
der Fortbestehensprognose in welchem Leitfaden beschrieben werden. Das Positionspapier
des IDW wird dabei als hilfreiches Zusatzpapier dargestellt.
31
Ja wird ausführlich dargestellt
Nein wird nicht (ausführlich) darauf eingegangen
Österreichischer
Leitfaden
Leitfaden IDW S6 Positionspapier IDW
Analyse
Unternehmenslage
Nein Ja Nein
Krisenindizien Ja Nein Ja
Krisenstadien Nein Ja Nein
Krisenursachen Nein Ja Nein
Krisenbewältigung Nein Ja Nein
Prognosezeitraum Ja Nein Ja
Verbale Begründung Ja Ja Ja
Sanierungsmaßnahmen Ja Ja Nein
Gliederung, Struktur Ja Ja Nein
Unternehmensleitbild Nein Ja Nein
Darstellung
Maßnahmeneffekte
Nein Ja Nein
Integrierte Planung Nein Nein Nein
Handelsrechtliche
Fortführungsannahme
vs. Insolvenzrechtliche
Fortbestehensprognose
Nein Nein Ja
Ein wesentlicher Unterschied der beiden Leitfäden stellt der Detaillierungsgrad der
Krisenanalyse dar. Hauptbestandteil des Sanierungskonzepts nach IDW S6 ist die ausführ-
liche Beschäftigung mit der Krisenanalyse und der Überwindung der einzelnen Krisenstadien.
Der österreichische Leitfaden beschreibt mögliche Krisenindizien und stellt dabei eine
ausführliche Auflistung finanzieller, betrieblicher und sonstiger Umstände, welche eine
Auseinandersetzung mit der Thematik der Fortbestehensprognose erfordern, dar. Diese
Auflistung ist im IDW S6 nicht zu finden. Der Grund dafür könnte sein, dass der Thematik
der Krisenstadien große Aufmerksamkeit geschenkt wird und theoretisch auch aus diesen
Erkenntnissen abgeleitet werden kann, wann die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens
32
hinterfragt werden muss. Das Positionspapier des IDW hilft hier aus. Darin werden finanzielle
und betriebliche Umstände, welche mögliche Indizien für eine Krise sind, dargestellt.
Die Teilbereiche der Leitfäden sind aufgrund der verschiedenen Schwerpunkte
unterschiedlich ausgelegt. Der IDW S6 widmet sich hierbei mehrheitlich um die Neu-
strukturierung eines Unternehmens mit der Orientierung an einem Leitbild, während der
österreichische Leitfaden der Form und Struktur der Fortbestehensprognose mehr Beachtung
schenkt und auf detaillierte Vorgaben, wie beispielsweise die Forderung einer
Neustrukturierung des Unternehmens, verzichtet. Dabei wird die individuelle Gestaltung der
Fortbestehensprognose mit dem Hintergrund, dass auf die Besonderheiten jedes einzelnen
Unternehmens eingegangen werden soll, vereinfacht. Der österreichische Leitfaden unterteilt
die Fortbestehensprognose in eine Primär- und Sekundärprognose. Auch die allgemeine
Literatur vertritt diese Auffassung. Da sich der IDW S6 mit dem Sanierungskonzept eines
Unternehmens beschäftigt, wird hier der Aufbau eines Sanierungskonzepts beschrieben. Diese
Auffassung kann mit jener des österreichischen Leitfadens verglichen werden, in welcher die
Primärprognose die kurzfristige, detailliert geplante und mit Zahlen hinterlegte Sicherstellung
der Zahlungsfähigkeit beschreibt und durch Stufe 2 eine nachhaltige Fortführungsfähigkeit
erarbeitet werden soll.
Der Prognosezeitraum wird im österreichischen Leitfaden, mit einem Geschäftsjahr bei der
Primärprognose und zwei bis drei Geschäftsjahren in der Sekundärprognose, klar definiert.
Der Leitfaden des IDW S6 legt sich hier nicht fest, wobei im eigenen Positionspapier ein
Prognosezeitraum von 12 Monaten als angemessen beschrieben wird. Sollte es sich jedoch um
eine insolvenzrechtliche Fortbestehensprognose handeln, erweitert sich dieser nach IDW
grundsätzlich auf das laufende und das folgende Geschäftsjahr (vgl. IDW PP (2012), S. 8.).
Als zusätzliche Planungshilfe kann der österreichische Leitfaden mit einer Vorlage eines
Finanzplans dienen, der IDW S6 beinhaltet mehrere Vorlagen zur schriftlichen Schluss-
bemerkung des Sanierungskonzepts.
Da der Leitfaden des IDW S6 weitaus umfassender ist als jener aus Österreich werden
einzelne Teilbereiche vorwiegend detailliert dargestellt und ausführlich beschrieben. Einer
davon ist die Analyse des Krisenstadiums eines Unternehmens. Während hier über mehreren
Seiten beschrieben wird, wie diese analysiert, bearbeitet und überwunden werden können,
33
widmet der österreichische Leitfaden dieser Thematik nur einen einzigen Satz. Zur Analyse
des Unternehmens ist dieselbe Gewichtung zu erkennen. Der österreichische Leitfaden hält
sich hier weitgehend zurück, während im Leitfaden des IDW S6 die Analyse der
Unternehmenslage, des Umfelds, der Branchenentwicklung und der internen
Unternehmensverhältnisse ausführlich beschrieben werden. Außerdem durchleuchtet der
Leitfaden des IDW wesentliche Bereiche eines erfolgreichen Sanierungskonzepts, wie das
Leitbild des Unternehmens oder die geforderte Darstellung der Maßnahmeneffekte, sehr
genau. Der österreichische Leitfaden lässt diese zwei Teilbereiche der Sanierung außen vor –
außer einem kurz erwähnten erforderlichen Abgleich der Soll- und Istdaten wird diesen
Bestandteilen kaum Aufmerksamkeit geschenkt.
Da das Positionspapier des IDW die wesentlichen Unterschiede der handelsrechtlichen
Fortführungsannahme sowie der insolvenzrechtlichen Fortbestehensprognose detailliert
behandelt, ist zu erwähnen, dass diese Differenzierung weder im Leitfaden der Wirtschafts-
kammer noch im Leitfaden des IDW S6, was auch der Grund für die Erstellung des
Positionspapieres gewesen ist, näher beschrieben wird. Zusammenfassend können folgende
Punkte erkannt werden:
Österreichischer Leitfaden IDW S6
• Umfeld und haftungsrelevante
Rahmenbedingungen sind inhaltlich
bearbeitet
• Fokus liegt auf formalen Voraus-
setzungen und der Struktur, die an
Ersteller und Adressaten der Fort-
bestehensprognose gerichtet sind
• Inhalt der Fortbestehensprognose
(wie z.B. das strategische Konzept)
sind nur beiläufig erwähnt
• Grundlagen zum Konzept sind ungen-
ügend beschrieben (wie z.B. Krisen-
stadien)
• Integrierte Planung kommt zu kurz
• Ausführliche Bearbeitung der Krisen-
stadien
• Das Restrukturierungskonzept, wie
das strategische Unternehmens-
konzept und das Leitbild, werden
betont und inhaltlich bearbeitet
• Vernachlässigung formaler Gestal-
tung
• Für österreichische Klein- und Mittel-
betriebe kaum umsetzbar (Kosten-
und Zeitaufwand)
• Das Umfeld der Erstellung und
haftungsrelevante Aspekte werden
nicht berücksichtigt
34
• Anforderungen an die integrierte
Planung werden nicht ausführlich
genug beschrieben
(Vgl. Strobl/Sauerwein (2013), S.18.)
Zu erkennen ist, dass der strategischen Neuausrichtung, welche für eine erfolgreiche
Sanierung nicht unwesentlich ist, im österreichischen Leitfaden kaum Beachtung geschenkt
wird. Der Leitfaden des IDW S6 beschäftigt sich hiermit ausführlich. Einer der Gründe dafür
könnte sein, dass zwischen österreichischen und deutschen Unternehmen ein nicht
unwesentlicher Größenunterschied vorhanden ist und eine strategische Neuausrichtung für
Klein- und Mittelbetriebe in Österreich nicht immer sinnvoll oder manchmal unmöglich ist.
3. Fortbestehensprognosen in der Praxis
Um die Aussagefähigkeit von Fortbestehensprognosen in der Praxis untersuchen zu können,
wurden mehrere Interviews mit verschiedenen Adressaten einer Fortbestehensprognose
geführt. Es handelt sich hierbei um 19 hochrangige Experten aus mehreren Bundesländern
Österreichs, deren Aussagen in Folge anonymisiert dargestellt werden. Folgende Erkenntnisse
und Ausführungen stammen aus mehreren Gesprächen mit Bankern, Steuerberatern,
Wirtschaftstreuhändern, Anwälten, Richtern und Unternehmensberatern. Dargestellte Zitate
und Meinungen werden folglich nicht namentlich zitiert, da ohne anonymisierte Befragung
keine Terminvereinbarung mit ausgewählten Experten möglich gewesen wäre. Alle
Erkenntnisse stammen aus dem Frühjahr 2013. Die Gespräche führten zu durchwegs
interessanten Ergebnissen, auf diese ich nun näher eingehen werde.
35
a. Erkenntnisse aus den Interviews
i. Zeitpunkt der Erstellung von Fortbestehensprognosen
„Wann gehen Sie zum Zahnarzt? Man sollte einmal im Jahr gehen – man geht üblicherweise
aber dann, wenn der Zahn schmerzt“ (Wirtschaftstreuhänder)
Unternehmer neigen dazu zu sagen: „Das bekommen wir schon hin.“ Der Wunschgedanke,
dass Unternehmen deren Krisensituation schon bei ersten Krisenindizien erkennen oder die
Erstellung einer Fortbestehensprognose frühzeitig in Erwägung ziehen, hat rein gar nichts mit
der Realität zu tun. Der Zeit- und Kostenaufwand ist hierfür zu groß. Man ist erst dann bereit,
etwas auf die Beine zu stellen, wenn es Kapitalgeber, wie beispielsweise eine Bank, ein-
fordern. Da Unternehmen meist mit mehreren Banken in Geschäftsverbindung stehen, wird
der Ernst der Lage auch seitens der Bank häufig erst spät erkannt.
Der Großteil der Unternehmen befindet sich bei Erstellung einer Fortbestehensprognose
bereits in der Liquiditätskrise. Zahlungs- bzw. eine drohende Zahlungsunfähigkeit sind in der
Regel schon präsent. Dadurch ergibt sich eine Situation, die eine erfolgreiche Sanierung des
Unternehmens massiv erschwert. Doch warum lassen sich Unternehmen so viel Zeit? Dafür
gibt es mehrere Gründe. Einerseits ist die Erstellung einer Fortbestehensprognose mit einem
nicht zu unterschätzenden Kosten- und Zeitaufwand versehen. Bei Beiziehung von Beratern,
welche von allen Adressaten ausdrücklich empfohlen wird, sind diese logischerweise auch zu
bezahlen. Des Weiteren spielt die Persönlichkeit der Geschäftsführung eine wesentliche
15,38%
84,62%
Erstellung von Fortbestehensprognosen
erste Krisenindizien
rechtzeitig
rechtzeitig - spät
EinforderungKapitalgeber - sehr spät
36
Rolle. Das nicht eingestehen wollen, Fehler gemacht zu haben oder die gängige
Ausredenkultur im Zusammenspiel mit vorhandenem Selbstverständnis und Stolz sind nur
wenige Beispiele.
Praxisgesehen wird sich also erst dann mit der Fortbestehensprognose auseinander gesetzt,
wenn das Unternehmen sprichwörtlich „mit dem Rücken zur Wand steht“ – wenn nicht sogar
schon zwei Schritte darüber. Man versucht so lange „weiter zu wurschteln“, wie nur möglich.
Wenn das Wasser dann praktisch über dem Kopf steht und Banken eine weitere finanzielle
Unterstützung von der Erstellung einer Fortbestehensprognose abhängig macht, wird
gehandelt. Aus den Interviews war der Trend zu erkennen, dass der Zeitpunkt der Erstellung
auch mit der Größe des Unternehmens variiert. Dabei neigen große, professionell geführte
Unternehmen mit integrierten Controlling-Systemen oder einem Fremdmanagement, zur
früheren Erkennung von Krisensituationen und folglich auch zu einer früheren Beschäftigung
mit Fortbestehensprognosen. Hinweise der betriebseigenen Steuerberater oder Anwälte lassen
zu wünschen übrig, hier gibt es großen Nachholbedarf. Die meisten Unternehmer haben von
einer Fortbestehensprognose noch nie gehört.
Ein weiterer Grund für die zu späte Auseinandersetzung ist die Erkennung der Krisenindizien
aufgrund einzelner Kennzahlen im Jahresabschluss. Da dieser meist erst Monate nach
Jahresende abgeschlossen wird, rutscht das Unternehmen unaufhaltsam vom einen
Krisenstadium in das andere – ohne den Ernst der Lage zu realisieren. Da aber meist schon
längere Zeit vorher Krisenindizien vorhanden sind, darf dies nicht als Ausrede verwendet
werden. Die Fortbestehensprognose wird folglich als „lästiges Arbeitspaket“ gesehen,
welches den Banken vorgelegt werden muss, um an benötigte finanzielle Mittel
heranzukommen. Dabei rückt das Ziel einer solchen Fortbestehensprognose, die erfolgreiche
Sanierung des Unternehmens, zumeist in den Hintergrund.
37
ii. Qualität eingereichter Fortbestehensprognosen
„Größere Unternehmen erstellen tendenziell früher und besser, kleinere Unternehmen
dagegen später und schlechter“ (Unternehmensberater)
Kein einziger Interviewpartner empfindet die Qualität bei Ersteinreichung der
Fortbestehensprognose als gut oder sehr gut. Im Gegenteil, sie wird mehrheitlich als qualitativ
schlecht wahrgenommen.
Hier wird größeren Unternehmen eine bessere Qualität nachgesagt, kleine
Unternehmen hingegen besitzen enormen Aufholbedarf.
Gründe dafür sind, dass der Ersteller einer Fortbestehensprognose meist erstmals mit dieser zu
tun hat und oft noch nichts von bestehenden Leitfäden oder den Grundkenntnissen einer
Fortbestehensprognose weiß. Nicht selten wird hier über ein Wochenende ein dreiseitiges
Excel-Sheet erstellt, welches nicht annähernd dem Sinn oder der Erwartung an eine
Fortbestehensprognose genügt. Die Fortbestehensprognose ist ein nicht einmal erstelltes
Dokument, sondern mehr als laufender Prozess zu sehen. Nach mehrfacher Überarbeitung und
einigen Ergänzungen steigt die Qualität – hier wird dann nicht selten von guten
Fortbestehensprognosen gesprochen. Generell ist in den letzten Jahren ein Qualitätsanstieg zu
beobachten, da der Fortbestehensprognose – speziell nach der Erstellung des österreichischen
Leitfadens – immer größere Bedeutung zukommt.
41,67%
33,33%
25,00%
Qualität eingereichter Fortbestehensprognosen
sehr gut
gut
befriedigend
schlecht
sehr schlecht
38
iii. Sanierungserfolg nach positiver Fortbestehensprognose
„95% der Unternehmen beschäftigen sich viel zu spät, nämlich erst im Liquidationsstadium,
mit der Krise. Da gehört das tägliche Scheitern dazu. Oft wird zu spät gesagt: Es hat keinen
Sinn mehr“ (Banker, Unternehmensberater)
Es ist zu erkennen, dass die Erstellung einer positiven Fortbestehensprognose keine
erfolgreiche Sanierung garantiert. Des Weiteren kann eine erfolgreiche Sanierung unter-
schiedlich gesehen werden. Nicht selten befinden sich sanierte Unternehmen noch mehrere
Jahre am Markt, bis dann der tatsächliche wirtschaftliche Ruin eintritt. Dies kann mehrere
Gründe haben. Äußere Umstände, die Umsetzung geplanter Sanierungsmaßnahmen und die
Neustrukturierung eines Unternehmens sind mit hohen Unsicherheiten belastet. Trotz aller
Unsicherheiten, der Geschäftsführer hat in über 90% der Fälle die Möglichkeit über Erfolg
und Nichterfolg zu entscheiden.
Wenn während der Erstellung der Fortbestehensprognose Wahrnehmung, Wille und Mut zu
Veränderungen entstehen, hat ein Unternehmen gute Chancen, zur Wettbewerbsfähigkeit
zurückzukehren. Falls die Fortbestehensprognose jedoch ohnehin als lästiges Paper gesehen
wird, dass Kapitalgebern vorgelegt werden muss, wird sich kein Sanierungserfolg einstellen.
Nicht allein deshalb ist es ein Hauptziel von Unternehmensberatern, das Bewusstsein und den
Willen zum Projekt „erfolgreiche Sanierung“ beim Unternehmer zu wecken. Dabei sind
Kommunikation und Unternehmenskultur von entscheidender Bedeutung. Das gesamte
22,22%
33,33%22,22%
11,11%
11,11%
Sanierungserfolg nach positiver Fortbestehensprognose
immer
meistens
50%
gegen 30%
nie
39
Unternehmen muss davon überzeugt werden, dass die eingeleiteten Maßnahmen dem
gemeinsamen Nutzen dienen. Es bringt nichts, eine perfekte Fortbestehensprognose zu
erstellen und dabei auf die notwendige Kommunikation im eigenen Unternehmen und die
Miteinbeziehung seiner Mitarbeiter und Mitglieder zu vergessen.
iv. Orientierung an verschiedenen Leitfäden
„Ich denke, ein österreichischer Geschäftsführer sollte sich nach dem österreichischen
Regelwerk orientieren.“ (Anwalt)
In Österreich wird die Fortbestehensprognose vorwiegend nach dem österreichischen
Leitfaden erstellt. Einerseits, weil ein Großteil der Adressaten den Leitfaden IDW S6 nicht
kennt bzw. sich mit diesen bis dato nicht beschäftigt hat, andererseits weil für den Großteil
der Unternehmen in Österreich die Orientierung nach IDW S6 inhaltlich zu ausführlich,
detailliert & zeitlich nicht zu bewältigen wäre, wenngleich auch der Umfang strategischer
Konzepte unternehmensgrößenspezifisch angepasst werden kann. Bei Klein- und
Mittelbetrieben zeigt sich der Trend, dass gar kein Leitfaden verwendet wird. Hier werden
Teilbereiche aus dem österreichischen Leitfaden entnommen und Schwerpunkte gesetzt. Die
Bestandteile der Fortbestehensprognose werden dann vorwiegend von Beratern oder
Kapitalgebern wie einer Bank vorgeschrieben, da der Unternehmer meist ohnehin nicht weiß,
wie eine Fortbestehensprognose auszusehen hat. Diese Fortbestehensprognosen richten sich
individuell nach den einzelnen Unternehmen und können sehr unterschiedlich gestaltet sein.
60,00%40,00%
Orientierung an Leitfäden
Wirtschaftskammer
IDW S6
keinen
andere
40
Größere Unternehmen mit internationaler Ausrichtung orientieren sich eher am Leitfaden des
IDW S6, regionale und mittelständische Betriebe liefern einem Kapitalgeber jene Dokumente,
die gefordert werden. Ein Leitfaden ist hier gleichgültig.
Die Neustrukturierung, welche im Leitfaden des IDW S6 stark fokussiert wird, ist bei Klein-
und Mittelbetrieben in Österreich nicht immer sinnvoll – was ein Grund dafür ist, dass der
österreichische Leitfaden hier mehrheitlich bevorzugt wird. Dies lässt bei kleineren
Unternehmensgrößen den notwendigen individuellen Spielraum.
v. Präferierter Leitfaden
„Wenn man ein Sanierungskonzept nach IDW S6 erarbeitet – Chapeau!“ (Banker)
„Der Leitfaden nach IDW S6 ist für österreichische Unternehmen zum Teil nicht
umsetzbar, da dieser zu umfangreich ist und der Zeitaufwand zu groß wäre.“
(Unternehmensberater)
Jene Experten, welche mit beiden Leitfäden zu tun haben, bevorzugen mehrheitlich den IDW
S6 Standard. Es ist zu beobachten, dass dieser einem beachtlichen Teil der Adressaten nicht
(genauer) bekannt ist. Dies ist insofern interessant, da den meisten Adressaten Teilbereiche,
welche im Leitfaden des IDW S6 detailliert behandelt werden, sehr wichtig sind.
Beispielsweise wurden die Analyse der Krisensituation und Aufarbeitung der Krisenursachen
sowie die daraus abgeleiteten Sanierungsmaßnahmen bei über 80% der Interviewpartner als
36,36%
27,27%
36,36%
Welcher Leitfaden wird präferiert?
IDW S6
Wirtschaftskammer
kenne nur denLeitfaden derWirtschaftskammer
41
Kernpunkt einer Fortbestehensprognose gesehen. Nicht selten war zu hören, dass die
ungenügend detaillierte Befassung des österreichischen Leitfadens mit eben genannten
Themen kritisiert wird – gleichzeitig die Inhalte des Leitfadens des IDW S6 aber nicht
bekannt sind. Unterschiedliche Meinungen und „Geschmäcker“, auch innerhalb der einzelnen
Adressatengruppen, waren zu beobachten. Banker tendieren dazu, den IDW S6 zu
bevorzugen. Dieser besitze ein gutes Level, an dem man sich orientieren sollte. Auch jene
Banker, die sich nicht mit dem IDW S6 befassen, erwähnten mehrheitlich, dass ihnen
Teilpunkte, wie die Analyse der Unternehmenssituation und Krisenstadien, im
österreichischen Leitfaden zu schwammig erläutert werden. Dies deutet darauf hin, dass sich
jene Adressaten mit dem Leitfaden des IDW S6 anfreunden könnten – würden sie sich mit
diesem beschäftigen.
Dem österreichischen Leitfaden wird vorgeworfen, zu theoretisch zu sein. Das Grundkonzept
sei gut, jedoch gehöre hier links und rechts noch einiges dazu gebracht. Man sollte mehr daran
arbeiten, wichtige Aspekte detaillierter darzustellen. Der österreichische Leitfaden wird daher
nicht selten als „zu löchrig“ gesehen. Die unzureichende Beschäftigung mit einem
Maßnahmenpaket oder die fehlende, grundlegende Überprüfung der strategischen
Ausrichtung und der Positionierung der Marke in der Branche wurde ebenfalls kritisiert. Der
IDW S6 hingegen wird als detaillierter und, hinsichtlich der Anforderungen an den Ersteller,
strenger gesehen. Nicht selten wurde die Ursachenanalyse als überbetont abgegolten,
Unternehmer würden sich bei Anwendung des österreichischen Leitfadens leichter tun.
Andererseits wird am österreichischen Leitfaden kritisiert, dass dieser zu viel Spielraum gebe.
Wiederum wurde gesagt, dass ein Sanierungs-konzept nach IDW S6 für österreichische
Unternehmen zum Teil nicht umsetzbar wäre, da dieser zu umfangreich ist. Für eine solche
Bearbeitung fehle in der Krise schlicht und einfach die Zeit. Einen großen Punkt stellt auch
der Kostenaufwand dar – dieser ist bei der Orientierung nach IDW S6 tendenziell höher als
bei der Orientierung nach dem Leitfaden der Wirtschafts-kammer.
Teilweise wurde auch auf die individuelle Gestaltung einer Fortbestehensprognose
hingewiesen, eine Abarbeitung „Punkt für Punkt“ ist für manche Adressaten nicht
wünschenswert, da sich der Geschäftsführer ausführlich mit dem eigenen Unternehmen
beschäftigen sollte, um dann von sich aus seine eigenen Fehler eingestehen zu können. Hier
kommt es vor, dass Teilaspekte des österreichischen Leitfadens in einen individuell gestaltet
Leitfaden eingebunden werden, um dann individuell besser auf das jeweilige Unternehmen
42
eingehen zu können. Diese Methode lässt sich vorwiegend bei kleineren Unternehmen
beobachten. Der IDW S6 wird oft als zu detailliert, auf deutsche Großunternehmen orientiert
und zeitlich, vor allem für österreichische Unternehmen, zu umfangreich gestalteter
Sanierungsleitfaden betitelt.
Anderen Adressaten ist die Orientierung an einem Leitfaden generell gleichgültig. Hier
werden Dokumente, wie beispielsweise ein detaillierter, dreimonatiger Finanzplan auf
Wochenbasis, gefordert – der Rest interessiert nicht. Durch die verschiedenen Aussagen in
den Interviews konnte hier keine generelle Bevorzugung von einem der beiden Leitfäden
erkannt werden. Tendenziell zielt der IDW S6 auf größere, international gerichtete
Unternehmen. Kleinere, regionale Unternehmen bevorzugen mehrheitlich den
österreichischen Leitfaden.
vi. Weitere Erkenntnisse
a. Rolle von Beratern
„Der Fisch stinkt am Kopf“ (Banker)
Der Rolle von Beratern wird eine enorme Wichtigkeit zugeteilt. Die Ansichten zwischen
Banken und Unternehmern, wie eine Krise zu meistern ist, sind nicht immer ident. Da es
Banken bevorzugen, nicht aktiv in die Geschäftsführung einzugreifen, kommt es zur
Beiziehung geeigneter Berater. Dabei sind die Kosten zu berücksichtigen. Einige Banker
können sich vorstellen, dass einzelne Banken bereit sind, die Kosten der Berater zu
übernehmen, um nicht in den Umstand zu geraten, aktiv in die Geschäftsführung eingreifen zu
müssen. Der Berater soll in den Betrieb voll integriert sein. In der Praxis ist es häufig schwer,
geeignete Unternehmensberater zu finden. Es gibt Berater, die für die Erstellung von
Fortbestehensprognosen perfekt sind, aber bei der Umsetzung dieser Schwächen besitzen.
Deshalb wird häufig eine Auswahl von geeigneten Beratern seitens der Bank vorgeschlagen,
der Unternehmer wählt sich folglich den von sich aus präferierten Berater aus.
Da die Unternehmenskrise meist durch den Geschäftsführer und nicht durch den „Arbeiter an
der Maschine“ zu verantworten ist, ist es Aufgabe des Beraters, auch schmerzhafte
Sanierungsmaßnahmen zu planen und umzusetzen.
43
b. Wichtigste Bestandteile der Fortbestehensprognose
„Die Primärprognose ist die Grundlage einer positiven Fortbestehensprognose, diese
muss Hand und Fuß haben.“ (Banker)
Bei der Analyse der wichtigsten Bestandteile der Fortbestehensprognose zeigt sich, dass der
Analyse der Unternehmenssituation, Krisenstadien, des Marktumfelds und der Krisen-
ursachen wesentliche Bedeutung zugeordnet wird. Aufbauend darauf sollen Maßnahmen
entwickelt werden, welche zum Sanierungserfolg führen. Banker legen ihren Fokus zusätzlich
auf die Darstellung mehrerer Varianten. Daraus wird der Mittelwert berechnet und ein
Risikoabschlag abgezogen. Auf Grundlage der Primärprognose wird auch die Darstellung des
„Turn around“ als wichtig empfunden. In der Primärprognose liegt der Fokus jedoch auf dem
Finanzplan, welcher, idealerweise auf Wochenbasis, erstellt werden soll. Das Sanierungs-
konzept hat zudem schlüssig zu sein. Bei jeder eingereichten Fortbestehensprognose zeigt die
Entwicklung nach oben, „wie das Amen im Gebet“. Es muss daher plausibel dargestellt
werden, warum diese Entwicklung so zu erwarten ist. Auf Basis der Ursachenanalyse soll
dann ein Maßnahmenkonzept und eine Planrechnung erstellt werden.
c. Unterschiede zwischen den Leitfäden
„Meiner Meinung nach deckt das Sanierungskonzept des IDW S6 die
Anforderungen der Fortbestehensprognose nach der Wirtschaftskammer ab.“
(Unternehmensberater)
Die Leitfäden werden in der Praxis als inhaltlich deckend beurteilt. Während der Leitfaden
des IDW S6 als Standard für größere Unternehmen gesehen wird, wird der österreichische
Leitfaden vorwiegend von kleineren Unternehmen präferiert.
d. Kritik: Gesetzliche Verankerung
„Das Hauptproblem ist, dass der Leitfaden der Wirtschaftskammer vom obersten
Gerichtshof noch nicht bestätigt wurde.“ (Wirtschaftstreuhänder)
44
Der gesetzliche Druck für Unternehmen, eine Fortbestehensprognose rechtzeitig und richtig
zu erstellen, fehlt. Dies wird von der Mehrheit der Adressaten stark kritisiert. Das Wort
„Fortbestehensprognose“ findet im Gesetz keine Berücksichtigung. Eine Ausnahme stellt die
Vorschrift dar, dass beim Unterschreiten bestimmter Kennzahlen Stellung zur Unternehmens-
fortführung genommen werden muss. Es kommt jedoch üblicherweise vor, dass der Jahres-
abschluss erst Monate nach Jahresende abgeschlossen ist, und die Unternehmen dadurch noch
weiter in die Krise schlittern.
Als die Wirtschaftskammer & deren Partner den Leitfaden der Fortbestehensprognose 2006
erstellte, war dies der Anfang einer immer besser werdenden Wahrnehmung und Entwicklung
der Verwendung von Fortbestehensprognosen zur erfolgreichen Sanierung eines
Unternehmens. Jedoch ist dieser Leitfaden vom obersten Gerichtshof noch nicht bestätigt
worden, was bedeutet, dass das Projekt „Fortbestehensprognose“ gesetzlich noch vorwiegend
im Dunkeln tappt. Darüber hinaus ist den meisten Unternehmern die Fortbestehensprognose
vollkommen unbekannt. Nach welchen Kriterien eine Fortbestehensprognose beurteilt wird,
ist gesetzlich nicht festgelegt. Die Gegenmeinung stellt dar, dass nicht alles gesetzlich in
Beton gegossen werden kann und den Experten, Wirtschaftsprüfern und Sachverständigen die
nötige Flexibilität gegeben werden muss, um die Fortbestehensprognose individuell auf das
einzelne Unter-nehmen anwenden zu können. Zusätzlich läge es womöglich nicht im
Interesse der Banken, dies gesetzlich zu konkretisieren. Dadurch besteht die Variante, eine
etwaige negative Fortbestehensprognose bewusst nicht erstellen zu lassen, um durch andere
Weise einen eventuell profitableren Weg aus der Krise einzuleiten. Dies lässt sich womöglich
mit dem Ar-gument widerlegen, dass sich Masseverwalter in der Insolvenz immer mehr auf
die Banken konzentrieren, um dort an Geld heranzukommen. Aufgrund dessen achten Banken
immer öfter darauf, die Beteiligung an einer Insolvenzverschleppung durch bewusste
Nichterstellung einer Fortbestehensprognose zu vermeiden.
e. Unbekanntheit von Fortbestehensprognosen
„Viele Unternehmer wissen gar nicht, dass es eine Fortbestehensprognose gibt, dieses
Thema ist in vielen Fällen noch nicht angekommen.“ (Unternehmensberater)
Es konnte festgestellt werden, dass viele Unternehmer noch nicht mit der Thematik der
Fortbestehensprognose vertraut sind. Dabei wird vor allem von Anwälten und Steuerberatern
45
verabsäumt, rechtzeitig auf das Thema hinzuweisen. Die Stellungnahme bei negativen
Eigenkapital im Jahresabschluss umfasst folglich vorwiegend nicht mehr als folgende zwei
Zeilen: „Eine insolvenzrechtlich relevante Überschuldung liegt nicht vor, weil der Geschäfts-
führer von einer positiven Fortführung des Unternehmens ausgeht.“ Damit kann niemand
etwas anfangen, der Sinn einer womöglich notwendigen Sanierung rückt dabei vollkommen
in den Hintergrund.
f. Relevanz von Haftungsthemen
„Haftungsthemen spielen keine unwesentliche Rolle. Die Frage ist, wie weit dies den
Geschäftsführern bewusst ist.“ (Anwalt)
Haftungsthemen spielen in der Erstellung der Fortbestehensprognose, vor allem aufgrund
einer möglichen Insolvenzverschleppung, eine nicht zu unterschätzende Rolle. Oftmals ist den
Unternehmer diese Thematik jedoch nicht bewusst – Steuer- bzw. Rechtsberater vernach-
lässigen hier des Öfteren ihre Informationspflicht. Haftungsthemen betreffen fortlaufend dann
auch andere Beteiligte der Fortbestehensprognose, wie beispielsweise Banken oder Berater.
g. Wahrnehmung der Unternehmer
„Anfangs heißt es immer: Die Bank ist schuld. Doch Schuld an der Krise ist allein
der Unternehmer.“ (Unternehmensberater)
Eine Studie belegt, dass äußere Umstände in über 90% der Fälle als Insolvenzgrund gesehen
werden. Dabei wird „vorwiegend das Wetter für das Scheitern eines Unternehmens verant-
wortlich gemacht“. Dies richtet sich, meiner Meinung nach, nach den verschiedenen
Branchen. Unternehmer tendieren dazu, eigene Fehler nicht eingestehen zu wollen, um ihr
eigenes Ego nicht unnötig strapazieren zu müssen. Die Fortbestehensprognose wird von
Unternehmen als „lästiges Papier“ gesehen, dass erstellt werden muss, um finanzielle Mittel
von Kapitalgeber zu bekommen. Das eigentliche Ziel der erfolgreichen Sanierung kommt
dabei meistens zu kurz. Die Fortbestehensprognose stellt für die Unternehmen eine Belastung
und äußerst nervige Aufgabe dar.
46
Dabei dient eine Fortbestehensprognose als gute Chance, sich intensiv mit seinem eigenen
Unternehmen auseinanderzusetzen. Es ist zu beobachten, dass die detaillierte Beschäftigung
der Unternehmer mit den Zahlen ihres Unternehmens eine völlig andere Herangehensweise
hervorruft. Dabei führt die Wahrnehmung von „erstellen wir eine Fortbestehensprognose,
wenn es unbedingt notwendig ist“ hin zur Motivation, eine erfolgreiche Sanierung schaffen zu
wollen und eigene Fehler einzugestehen.
4. Fazit
Die Fortbestehensprognose nimmt seit Herausgabe des Leitfadens 2006 immer mehr an
Bedeutung zu, ein konstanter Qualitätsanstieg ist zu beobachten. Großen Anteil daran haben
die Wirtschaftskammer und deren Partner mit der Erstellung des in Österreich gängigen
Leitfadens im Jahr 2006. Hierbei fehlt noch die Absegnung des obersten Gerichtshofs, welche
den Quantensprung des österreichischen Leitfadens dementsprechend würdigen würde. Ein
weiterer Effekt wäre, dass zusätzliche Unklarheiten bezüglich der Anerkennung des
österreichischen Leitfadens beseitigt werden könnten. Parallel dazu entwickelte sich mit dem
deutschen, mittlerweile betitelten IDW S6, ein Orientierungsleitfaden, welcher sich detailliert
mit der Erstellung von Sanierungskonzepten auseinandersetzt.
Es kann gesagt werden, dass sich das Sanierungskonzept des IDW S6 mit dem
österreichischen Leitfaden im Wesentlichen deckt. Die Unterschiede liegen vor allem im
Detaillierungsgrad der Ausführungen, dabei zielt der IDW S6 deutlich mehr auf die
Neustrukturierung eines Unternehmens ab. Während der österreichische Leitfaden aufgrund
der Unternehmensgrößen für österreichische Unternehmen geeigneter ist, ist der IDW S6 eher
auf große Unternehmen mit internationaler Ausrichtung oder deutsche Größenstandards
optimiert.
Unabhängig davon kann eine Kombination der beiden gängigen Leitfäden als
optimale Orientierungsgrundlage gesehen werden.
Einige Experten, welche den IDW S6 nicht kennen, kritisieren im österreichischen Leitfaden
vorwiegend jene Punkte, welche im IDW S6 detailliert beschrieben werden. Somit würde eine
Kombination der beiden Leitfäden den Bedürfnissen jener Adressaten entsprechen. In der
Praxis ist vorwiegend festzustellen, dass die Fortbestehens-prognose von den zu erstellenden
Unternehmen als lästiges Arbeitspaket gesehen wird, demnach ist die Bewusstseinsförderung
47
der Wichtigkeit einer Fortbestehensprognose noch lange nicht abgeschlossen. Dabei spielen
Unternehmensberater, Anwälte oder Steuerberater eine wichtige Aufgabe. Deren Aufgabe es
ist, die Geschäftsführer in Zukunft zeitgerecht und ausführlich über die Thematik der
Fortbestehensprognose zu informieren.
Mein Ziel war es, herauszufinden, ob die Orientierung an einen der beiden Leitfäden
die Sanierungschance beeinflusst. Dies kann ganz klar ausgeschlossen werden.
Die Leitfäden stellen eine gute Orientierung und Inhaltsvorgabe für Fortbestehensprognosen
dar – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dabei sind die Unternehmen individuell zu
betrachten, ein Bäcker im Bundesland Vorarlberg wird andere Schwerpunkte setzen müssen
als ein Großunternehmen mit Sitz in Wien und internationaler Ausrichtung. Dabei spielen die
Leitfäden eine kleinere Rolle als vielleicht angenommen.
Die Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Sanierung sind abhängig von der richtigen
Wahrnehmung, den Umsetzungswillen und den verantwortlichen Personen hinter dem
Sanierungsprojekt. Dabei spielen die richtigen Berater eine wichtige Rolle. Das Ziel ist es, die
Unternehmenssituation genau zu analysieren und dabei den Willen zu entwickeln etwas
ändern zu wollen:
„Von selbst ändert sich nichts, ich muss etwas anders machen, ansonsten geht der Weg so
weiter wie zuletzt – und dieser war nicht erfolgreich und hat uns in diese Situation gebracht“
(Unternehmensberater)
Erst wenn der Geschäftsführer die Fähigkeit entwickelt, eigene Fehler einzugestehen,
Ursachen für die Krise bei sich selbst zu suchen, eine Fortbestehensprognose nicht als
Aufwand, sondern als (vielleicht letzte) Chance zu sehen und bereit dazu ist, auch
schmerzhafte Sanierungsmaßnahmen umzusetzen, hat das Unternehmen eine gute Chance, auf
die Erfolgsspur zurückzukehren. Welcher Leitfaden dabei zugrunde gelegt wird, ist hierbei
(vorwiegend) nicht relevant. Die Schwierigkeit liegt darin, dass Unternehmer, bestenfalls von
selbst, den Ernst der Lage rechtzeitig erkennen und im Zuge der Auseinandersetzung mit dem
eigenen Unternehmen, mit Hilfe der Fortbestehensprognose, den Willen entwickeln, den
nötigen Zeitaufwand betreiben zu wollen, um das Unternehmen erfolgreich zu sanieren.
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Bei perfekt erstellter Fortbestehensprognose aber falschen Personen oder Einstellung, sinkt
die Sanierungschance gegen null. Bei erstellter Fortbestehensprognose ohne Orientierung an
einem der gängigen Leitfäden und der Erstellung der geforderten Unterlagen der Kapitalgeber
oder Berater mit realistischer Wahrnehmung, Mut zur Veränderung und konsequenter
Umsetzung entsprechender Sanierungsmaßnahmen sowie Einbringung des nötigen Einsatz-
willens und intensiver Auseinandersetzung mit dem eigenen Unternehmen ist die Sanierungs-
chance hingegen um einiges höher.
Der Erfolg oder Misserfolg hängt dementsprechend von den umzusetzenden Personen
ab und nicht davon, ob eine Fortbestehensprognose nach IDW S6 Standard oder dem
österreichischen Leitfaden erstellt wird.
In einer Fortbestehensprognose sind „Must-Kriterien“ zu erstellen, welche sowohl im
österreichischen Leitfaden als auch im Leitfaden des IDW S6 berücksichtigt werden. Dabei
sollten sich Unternehmen mit ihren individuellen Eigenschaften zusätzlich benötigte Inhalte
aus den beiden Leitfäden individuell herausarbeiten. Im Allgemeinen ist also nicht zu
beantworten, welche Inhalte das für die Allgemeinheit der Unternehmen sind, da sich diese
stark unterscheiden und die Aufgabenstellung variiert. Hauptpunkt dabei ist neben der
Aufstellung eines detaillierten Finanzplanes die Ursachenforschung der Krisensituation und
darauf aufgebaute Sanierungsmaßnahmen, welche zurück zur Wettbewerbsfähigkeit führen
sollen.
Ich schließe aus, dass die Orientierung am österreichischen Leitfaden oder dem des
IDW S6 unterschiedliche Auswirkungen auf die Möglichkeit einer positiven
Sanierung haben.
Ziel ist es, dass Geschäftsführer eigene Fehler rechtzeitig eingestehen und nicht die eigene
Person in den Mittelpunkt gestellt wird. So kann früher damit begonnen werden, mit Hilfe der
Fortbestehensprognose und der Orientierung an (neben der Bearbeitung der Must-Kriterien)
individuell ausgewählten Inhalten der beiden Leitfäden, das Unternehmen, mit Hilfe von
Beratern und Durchsetzungsvermögen sowie Wille zu Veränderungen, zurück in die
Erfolgsspur zu führen.
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Dabei zu erkennen, dass die Fortbestehensprognose dem Unternehmen nicht schaden,
sondern im Interesse des Unternehmens mit den notwendigen Voraussetzungen zur
erfolgreichen Sanierung verhelfen kann, ist der schwierigste, aber entscheidende
Faktor.
Wenn ein Zusammenhalt zwischen den beteiligten Adressaten der Fortbestehensprognose
entsteht und folglich gemeinsam, mit Unterstützung der beiden Leitfäden, an einer
erfolgreichen Sanierung gearbeitet wird mit dem Bewusstsein, dass alle Beteiligten profitieren
können, hat die Fortbestehensprognose ihr Ziel erreicht.
Zusammenfassend konnten folgende Anregungen und Erkenntnisse gewonnen werden:
• Ziel der Berater (Steuerberater, Anwälte, Unternehmensberater) muss es sein, Unter-
nehmer früher und ausführlicher mit der Fortbestehensprognose vertraut zu machen.
Dabei sind dem Geschäftsführer der Ernst der Lage sowie die Möglichkeit, gemeinsam
etwas erreichen zu können, zu übermitteln. Dem Geschäftsführer soll klar gemacht
werden, dass alle Adressaten profitieren können, wenn ein „Wir-Gefühl“ entsteht.
• Der österreichische Leitfaden soll durch Inhalte des IDW S6 ergänzt, adaptiert und auf die
Bedürfnisse der österreichischen Klein- und Mittelbetriebe angepasst werden.
• Steuerberater, Anwälte und Unternehmensberater müssen besser informiert und geschult
werden um die Unternehmen rechtzeitig und ausreichend über die Fortbestehensprognose
informieren zu können.
• Eventuell ist eine Einführung zwei unterschiedlicher Leitfäden, einerseits für die
Beraterebene und andererseits für die Geschäftsführerebene, zielführend. Dabei ist es die
Aufgabe des Beraters die vorhandenen Leitfäden individuell auf das jeweilige
Unternehmen umzumünzen und dementsprechend zu kommunizieren.
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Literaturverzeichnis
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Anforderungen an Strategie, Markt- und Wettbewerbsausrichtung. Wien: Dr. Wieselhuber &
Partner GmbH
Grabner, Gerhard / Karollus, Martin / Weber, Anna (2006): Leitfaden Fortbestehensprognose:
Gemeinsame Stellungnahme. Wien: Wirtschaftskammer, Wirtschaftstreuhänder, KMU
Österreich
Groß, Paul / Amen, Matthias (2002): Die Fortbestehensprognose – Rechtliche Anforderungen
und ihre betriebswirtschaftlichen Grundlagen – in „Die Wirtschaftsprüfung“ Heft 5/2002,
S.225.
IDW (2012): IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten –
IDW S 6, Stand: 20.08.2012. Düsseldorf: IDW Verlag GmbH
IDW Positionspapier (2012): Positionspapier des IDW: Zusammenwirken von
handelsrechtlicher Fortführungsannahme und insolvenzrechtlicher Fortbestehensprognose,
Stand: 13.08.2012. (Ort unbekannt): IDW Verlag GmbH
Karollus, Martin / Huemer, Daniela (2006): Die Fortbestehensprognose im Rahmen der
Überschuldungsprüfung. Wien: Linde Verlag Wien Ges.m.b.H.
Strobl, Christoph / Sauerwein, Elmar (2013): Fortbestehensprognosen – Anforderungen und
Gestaltungsoptionen in der Praxis, Vortrag: 04.06.2013. Klagenfurt
Wöber, Andrè / Siebenlist, Oliver (2009): Sanierungsberatung für Mittel- und Kleinbetriebe:
Erfolgreiches Consulting in der Unternehmenskrise. Berlin: Erich Schmidt Verlag GmbH &
Co
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Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre hiermit an Eides statt, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit selbständig
angefertigt habe. Die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind
als solche kenntlich gemacht. Die Arbeit wurde bisher weder in gleicher noch in ähnlicher
Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht.
Innsbruck, 17.06.2013
Matthias Washington