Heft 65 2008
Joachim Ciupka
Marko Kuhla
Das methodische Vorgehen bei der Suche nach
Beweismitteln
Hausarbeit
Fachhochschule für
Verwaltung und Rechtspflege Berlin - University of Applied Sciences -
Fachbereich 3 (Polizeivollzugsdienst)
Beiträge aus dem Fachbereich 3
Joachim Ciupka, Marko Kuhla
Das methodische Vorgehen bei der Suche nach Beweismitteln Hausarbeit im Fach Kriminaltechnik
Beiträge aus dem Fachbereich 3 der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege Berlin
Herausgeber Dekan des Fachbereichs 3 Alt-Friedrichsfelde 60, 10315 Berlin Telefon: (0 30) 90 21 44 16, Fax: (0 30) 90 21 44 17 E-Mail: [email protected] (Sekretariat)
© copyright Bei den jeweiligen Autorinnen und Autoren.
Nachdruck Mit Quellenhinweis gestattet. Belegexemplar erwünscht.
ISBN 978-3-940056-38-2
Anmerkungen zur Hausarbeit Marko Kuhla
Analysiert man die kriminalistische Fachliteratur im Hinblick auf das Thema der nachfolgenden Hausarbeit, dann fällt auf, dass für terminologische und semantische Begrifflichkeiten gleiche oder ähnliche Auffassungen vertreten werden, von der unlängst m. E. nach völlig überflüssigen Debatte darüber, ob Versionen und Hypothesenbildungen sich unterscheiden, einmal abgesehen.1 Die letzte Literaturanalyse zum Thema „Arbeit am Ereignisort“, wurde von Furch und Grimpe für die sozialistische Kriminalistik in der ehemaligen DDR vorgenommen und umfasst den Zeitraum von 20 Jahren, nämlich von 1968 bis 1988.2 Dem föderativen System der BRD geschuldet, gab und gibt es keine hochschuladäquate Zentralstelle, wie sie die Humboldt-Universität – Sektion Kriminalistik für Forschung und Lehre – einst in der DDR hatte. Zahlreiche Arbeiten zu dem o. a. Thema wurden in den Fachhochschulen des Bundes und der Länder erarbeitet, aber regelmäßig nicht veröffentlicht, da sie meist nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt sind. An der FHVR z. B. die Arbeiten von Rohrmann, Weiß aus dem Jahr 1998 sowie von Lotsch und Przybyl im Jahr 2003. 3 In allen hier bekannten Diplom- und Hausarbeiten wird auf das faktisch-methodische Vorgehen bei der Sicherung, Besichtigung, Untersuchung, einschließlich der operativen Spurenauswertung und Dokumentation im Rahmen der Ereignisortarbeit sowie auf weitere, vom Ereignisort angelehnte, operative, kriminalistische Maßnahmen eingegangen. Ein Mangel war und ist es auch noch heute, dass zahlreiche DDR-Fachbücher oder z., B. auch der bundesrepublikanische Leitfaden 385, Tatort/Spuren VS-NfD eingestuft waren/sind. Heute gelten deshalb die im Buchhandel erhältlichen Veröffentlichungen von Leonhardt/Roll/Schurich4 und Ackermann/Clages/Roll5 sowie Kube/Störzer/Timm6 als Standardlektüre, die jeder kriminalistische arbeitende Sachbearbeiter kennen und deren Inhalte weitestgehend beherrschen sollte. Entscheidend für die polizeiliche Praxis ist es, dass die Qualität der Indizstärke eines Beweises, ganz wesentlich von der Person bestimmt wird, die deliktbezogen und am Einzelfall orientiert Spuren suchen und sichern, damit diese ggf. als Beweismittel in das spätere Verfahren eingeführt und zur Wahrheitsfindung durch den Tatrichter genutzt werden können. Während man davon ausgehen kann, dass bei Verbrechenstatbeständen alle Anforderungen an eine gerichtsfeste Beweisführung regelmäßig erfüllt werden, gilt dies für große Teile der Straftaten, die insbesondere der Massenkriminalität zugeordnet werden, regelmäßig nicht. Hier stehen ausgebildete Spezialisten der PTU nicht zur Verfügung. Darum müssen insbesondere die Streifenbeamten der Dienstgruppen oder die Mitarbeiter der Sofortbearbeitung sowie der Sachbearbeitung in den örtlichen Direktionen verinnerlichen, dass nur eine genaue Befundsaufnahme am Ereignisort dazu beitragen kann, eine Straftat aufzuklären. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen dem Spurensuchenden Ermittler jedoch die dafür erforderlichen Gerätschaften und Hilfsmittel zur Verfügung stehen, was in der Praxis der Polizei in Berlin häufig nicht der Fall ist (z. B. Gipskoffer für Abschnittsbeamte).
1 Weihmann, Robert Kriminalistik 1/2008, S. 28 ff und Erwiderung von Gundlach, Thomas, Kriminalistik 3/2008, S 187 ff.
2 Furch, Axel; Grimpe, Egbert, unveröffentlichte Diplomarbeit HU-Sektion KR v. 05. 05. 1988 im Bestand der FHVR Bibliothek, Nr. 679/98) 3 Rohrmann, Pamela und Weiß, Jesko, Hausarbeiten SS 1998 sowie Lotsch, Manuel und Przybyl, Max, Hausarbeit WS 2002/03.) 4 Leonhardt, Rainer; Roll, Holger; Schurich, Frank-Rainer Kriminalistische Tatortarbeit, Grundlagen der Kriminalistik Bd. 40, 1995 5 Ackermann, Rolf; Clages, Horst; Roll, Holger; Handbuch der Kriminalistik, Boorberg 2000 6 Kube, Edwin; Störzer, Hans; Timm, Klaus; Kriminalistik Booberg, Bd. 1 und Bd. 2, 1992
Diese Ausstattungsmängel kompensieren nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dieser Grundsatz fordert, dass alle Maßnahmen unerlässlich sind, die in einer angemessenen Relation zur Schwere der Tat stehen und die Stärke des bestehenden Tatverdachtes sie auch rechtfertigen.7 Timm ist zuzustimmen8, dass die aufwendigsten technischen Untersuchungsmöglichkeiten in den Laboren der PTU wirkungslos bleiben, wenn das entsprechende Untersuchungsmaterial fehlt, es unzureichend gesichert, nicht zweifelsfrei beschriftet wurde oder wegen dilletantischer Lagerung unbrauchbar wird. In diesem Sachzusammenhang ist in Berlin auf die GA Durchsuchung, Beschlagnahme und Asservierung in der jeweils gültigen Fassung hinzuweisen. Beim Sachbeweis bedeutet die Verhältnismäßigkeit, dass der Aufwand und die Kosten für den Sachbeweis nicht im Missverhältnis zur Schwere der Tat stehen. Weihmann ist ebenfalls zuzustimmen9, dass sich die Schwere der Tat an der Höchststrafe orientieren sollte die vorgesehen ist, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen eines Gesetzes erfüllt wurden. Dies ist deshalb erforderlich, weil bei der Tatbefundsaufnahme regelmäßig nicht bekannt ist, welche Straftat tatsächlich vollendet wurde und welche Milderungs- oder Verschärfungsgründe das Gericht in der späteren Hauptverhandlung berücksichtigt wird. Die Suche, Sicherung und Bewertung von spurenbezogenen Indizien soll dazu beitragen, Versionen zu bilden sowie Verdachtsstrategien zu entwickeln. Sie sollen unbekannte Täter/Täterinnen identifizieren helfen. Kuhla hat sich in seiner Arbeit mit der zuvor beschriebenen Thematik auseinandergesetzt. Die Arbeit wurde mit Prädikat bewertet. Prof. Joachim Ciupka
7 Timm, Klaus, Gedanken über Grenzen der Kriminalistik, Kriminalistik 2/1995 S. 111. 8 s. BGHST 17, 117 9 Weihmann, Robert, Kriminalistik I, VDP, 2007 S. 20
1
Fachhochschule für Verwaltung und
Rechtspflege Berlin
WS 2007/2008
Hausarbeit im Fach
Kriminaltechnik
Thema:
Das methodische Vorgehen bei der Suche nach
Beweismitteln an Ereignisorten
Prof. Joachim Ciupka
Vorgelegt von: Marko Kuhla Möthlower Str. 19 13591 Berlin Erarbeitet im: 5. Semester Abgegeben am: 01.04.2008
2
Literaturverzeichnis
Ackermann/Clages/Roll Handbuch der Kriminalistik Richard Boorberg Verlag 2. Auflage 2003 Berthel/Mentzel/Neidhardt/Schröder/ Grundlagen der Kriminalistik/Kriminologie Spang/Weihmann Band 1 Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH 1. Auflage 2005 Clages Der rote Faden Kriminalistik Verlag 11. Auflage 2004 Clages Kriminalistik Lehrbuch für Ausbildung und Praxis Richard Boorberg Verlag 3. Auflage 1997 Fickardt Die gedankliche Arbeit des Kriminalisten
am Ereignisort Humboldt-Universität zu Berlin Diplomarbeit im Fach Kriminalistik 1994 Koch/Schmidt Einsatzlehre der Polizei Band 2 Richard Boorberg Verlag 6. Auflage 2003 Kriminalisten Fachhandbuch Kriminalistische Kompetenz Verlag Schmidt-Römhild 2. Auflage 2002, Stand 11/2007 Leonhardt/Roll/Schurich Kriminalistische Tatortarbeit Kriminalistik Verlag 1. Auflage 1995 Meyer/Wolf/Müller Kriminalistisches Lehrbuch der Polizei Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH 8. Auflage 2003 PDV 100 „Führung und Einsatz der Polizei“ aus Polizeifachhandbuch Berlin Band 5 Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH Ausgabe 1999, Stand 2005
3
Pfefferli Die Spur Kriminalistik Verlag 4. Auflage 2005 Walder Kriminalistisches Denken Kriminalistik Verlag 7. Auflage 2006 Weihmann Kriminaltechnik I Band 2 Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH 1. Auflage 2005 Weihmann Kriminaltechnik II Band 3 Verlag Deutsche Polizeiliteratur GmbH 1. Auflage 2005 Zirk/Vordermaier Kriminaltechnik und Spurenkunde Lehrbuch für Ausbildung und Praxis Richard Boorberg Verlag 1. Auflage 1998
4
Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung ..................................................................................................................6 2 Begriffsbestimmung .................................................................................................7 2.1 Ereignisort .............................................................................................................7 2.2 Beweismittel..........................................................................................................8 3 Schutz und Sicherung des Ereignisortes ................................................................9 3.1 Allgemeines...........................................................................................................9 3.2 Schutz von Wahrnehmungsinhalten....................................................................10 3.3 Schutz des materiellem Milieus ..........................................................................11 4 Feststellung und Analyse der Ausgangslage ........................................................12 4.1 Allgemeines.........................................................................................................12 4.2 Besichtigung des Ereignisortes ...........................................................................12 4.3 Befragungen zur Informationsgewinnung...........................................................13 4.4 Einsichtnahmen in Unterlagen und Informationssysteme...................................14 4.5 Feststellung und Analyse durch Aufklärung.......................................................14 4.6 Kriminalistische Beurteilung der Lage ...............................................................15 5 Einsatz des Fährtenhundes ...................................................................................15 6 Die Suche und Sicherung materieller Beweismittel ............................................17 6.1 Allgemeines.........................................................................................................17 6.2 Methodik der Spurensuche und -sicherung.........................................................19 6.2.1 Spurensuche ........................................................................................................20 6.2.1.1 Suchmethoden .....................................................................................................20 6.2.1.1.1 Systematische Suchmethode ...............................................................................20 6.2.1.1.2 Heuristische Suchmethode..................................................................................23 6.2.1.1.3 Zusammenfassung beider Methoden...................................................................24 6.2.1.2 Suche nach latenten Spuren ................................................................................25 6.2.1.3 Einsatz von Hilfsmitteln bei der Spurensuche ....................................................27 6.2.1.3.1 Suchhunde ..........................................................................................................27 6.2.1.3.2 Beleuchtung.........................................................................................................28 6.2.1.3.3 Metalldetektoren .................................................................................................29 6.2.1.3.4 Zusammenfassung der Hilfsmittel ......................................................................29 6.2.2 Spurenschutz .......................................................................................................30 6.2.3 Spurenmarkierung ...............................................................................................31 6.2.4 Lichtbildaufnahmen und Videografie .................................................................31 6.2.4.1 Lichtbildaufnahmen ............................................................................................31 6.2.4.2 Videografie..........................................................................................................33 6.2.5 Beschreibung und Zeichnung von Spuren ..........................................................33 6.2.6 Planzeichnungen und Skizzen.............................................................................34 6.2.7 Spurensicherung..................................................................................................35 6.2.7.1 Konkurrierende Spurensicherung .......................................................................36
5
6.2.8 Operative Auswertung aufgefundener Spuren am Ereignisort ...........................36 6.2.9 Verpackung der Spur ..........................................................................................37 6.2.10 Sicherung von Vergleichsmaterial ......................................................................38 7 Zeugen- und Verdächtigenermittlung..................................................................39 7.1 Ermittlungen im Wahrnehmbarkeitsbereich .......................................................40 7.1.1 Festlegung des Wahrnehmbarkeits- und Ermittlungsbereiches ..........................40 7.1.2 Entscheidung über Art und Methodik der Ermittlungen.....................................41 7.1.3 Befragung von möglichen Zeugen oder Tatverdächtigen...................................42 7.2 Aufklärung des Beziehungsfeldes.......................................................................43 7.2.1 Merkmale von Beziehungstaten..........................................................................44 7.2.2 Aufklärungsmöglichkeiten von Beziehungstaten ...............................................45 7.3 Feststellung und Analyse von Bewegungsabläufen............................................46 7.3.1 Weg-Zeit-Skala ...................................................................................................47 7.3.2 Weg-Zeit-Parallele ..............................................................................................47 7.3.3 Weg-Zeit-Diagramm...........................................................................................48 7.3.3.1 Methodische Schritte zur Erfassung von Bewegungsabläufen ...........................48 7.3.3. Anfertigung des Weg-Zeit-Diagramms...............................................................49 8 Ergebnisbewertung ................................................................................................50 9 Durchsuchung zur Beweismittelsuche in Gebäuden und Geländeteilen ..........51 9.1 Allgemeine Grundsätze.......................................................................................51 9.2 Durchsuchung von Gebäuden und Wohnungen..................................................52 9.3 Durchsuchung von Geländeteilen .......................................................................55 10 Fazit .........................................................................................................................56 11 Anhang ....................................................................................................................58
6
1 Einleitung
Gesetzlicher Auftrag der Strafverfolgungsbehörden, Staatsanwaltschaft und Polizei, im
Ermittlungsverfahren ist die beweiskräftige Feststellung des tatsächlichen Geschehens,
dass heißt ob ein Geschehen auch so abgelaufen ist wie es sich zeigt.10
Um diesem Auftrag gerecht zu werden ist eine lückenlose und abschließende
Sachverhaltserforschung notwendig. Dazu ist eine Suche nach Beweismitteln an
Ereignisorten unabdingbare Aufgabe und Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Arbeit
eines Kriminalisten.
Die Beweismittelsuche bedarf hier besonderer kriminalistischer Fähigkeiten und
Methoden. Insbesondere spielt die gedankliche Arbeit des Kriminalisten eine wesentliche
Rolle. Sie ermöglicht eine genaue Vorstellung vom Ereignis zu erhalten. Beispielsweise
kann sich der Kriminalist somit Versionen vom Ereignis bilden, welche die weitere Suche
nach Spuren entscheidend beeinflussen und erleichtern können.
Schon kleinste oder unbedeutend wirkende Spuren können entscheidend zur Ermittlung der
Wahrheit beitragen. Daher sollte der Kriminalist überlegt und gezielt vorgehen, da sonst
Beweismittel übersehen oder gar vernichtet werden können und ein Sachverhalt somit
unaufgeklärt bleibt.
Somit kommt es bei der Suche nach Beweismitteln auf ein fehlerloses und methodisches
Vorgehen an. Nur so kann eine erfolgreiche Ermittlungsarbeit gewährleistet werden. Denn
einmal gemachte Fehler sind nur sehr schwer zu korrigieren.
Bei der Beweismittelsuche übersehene Beweise können schon wenige Minuten später nicht
mehr vorhanden oder unbrauchbar sein. Somit werden diese Spuren später bei der
Wahrheitsfindung fehlen, sodass die folgenden Ermittlungen in die falsche Richtung
verlaufen können. Dies kann dazu führen, dass bei einem Anderen Zweifel an der
eigentlichen Wahrheit übrig bleiben und der Beweis nicht erbracht werden kann.
Mit folgender Arbeit stelle ich nun das methodische Vorgehen bei der Suche nach
Beweismitteln an Ereignissorten dar. Ziel ist es einen umfassenden Überblick über die
Beweismittelsuche zu geben und die Wichtigkeit eines überlegten und gezielten Vorgehens
hervorzuheben.
10 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 91.
7
2 Begriffsbestimmung
2.1 Ereignisort
Der kriminalistische Erkenntnisprozess beginnt mit dem Bekanntwerden eines Ereignisses,
dass eine strafbare Handlung vermuten lässt. In vielen Fällen ist die Ausgangslage unklar.
Ob z.B. ein Mord, Unfall oder Suizid vorliegt muss erst geklärt werden. In anderen Fällen
steht sicher fest, dass eine Straftat vorliegt, und in wiederum anderen Fällen kann zwar von
einer Straftat ausgegangen werden, aber nicht eindeutig von welcher.11
Beispiel:
Bei einer Anzeige eines Wohnungseinbruchs erklärt der Geschädigte, dass ihm ein
Fernsehapparat gestohlen wurde. Den aufnehmenden Polizeibeamten fällt jedoch auf, dass
sich an dem Ort, wo der Fernseher gestanden haben soll, eine dicke Staubschicht auf dem
Schrank befindet. Hier stellt sich die Frage, handelt es sich entweder um einen realen oder
vorgetäuschten Wohnungseinbruch durch den Inhaber, wobei es sich dann eventuell um
einen Versicherungsbetrug handeln würde.
Auch steht in vielen Fällen nicht fest, ob es sich hier um den Tatort einer strafbaren
Handlung oder um einen Fundort von Beweismitteln handelt.
Beispiel:
In einem Waldstück wurden Leichenteile aufgefunden, welche auf ein Verbrechen
hindeuten. Zu Beginn der Ermittlungen wird sich in der Regel nicht sagen lassen, ob es
sich hierbei um den Tatort eines Verbrechens handelt, oder ob die Leichenteile hier durch
einen Täter nach einem Verbrechen, welches an einem anderen Ort stattfand, abgelegt
wurden. Dann würde es sich hier nicht um den sog. „engeren“ Tatort, sondern um einen
Fundort handeln (auch Tatort im weiteren Sinne).12 Der eigentliche Tatort müsste dann erst
gefunden werden.
Zur Erläuterung:
Der Begriff des Tatortes lässt sich in zweifacher Hinsicht unterscheiden:
11 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 3. 12 Siehe folgende Erläuterung zum Kriminalistischen Tatort.
8
• Dem Tatort im juristischen Sinne nach § 9 I StGB, also um den Ort, wo die
Tatbestandsmerkmale verwirklicht wurden.
• Dem Tatort im kriminalistischen Sinne. Das ist der Ort, an dem sich kriminalistisch
relevante Handlungen ereignet haben.
Der Kriminalistische Tatort wird wiederum unterschieden nach:
• Dem Tatort im engern Sinne, d.h. dem eigentlichen Ort der Tat.
• Dem Tatort im weiteren Sinne, z.B. dem Fundort, dem Zugangsort, dem
Vorbereitungsort oder dem Verbergungsort.13
Der Tatort im kriminalistischen Sinne lässt sich auch als Ort, an dem sich Tatverdächtige
vor der Tat, während der Tat oder nach der Tat, aufgehalten, gehandelt oder Spuren
hinterlassen haben oder hinterlassen hätten müssen, definieren.14
Ein Ereignisort ist demnach ein Sammelbegriff, der als Bezeichnung für den Ort benutzt
wird, an dem ein kriminalistisch bedeutsames Geschehen stattfand. Der Ereignisort steht
somit als Oberbegriff für sämtliche Tatorte, Fundorte, Brandorte, Unfallorte und
Katastrophenorte.15
Eine genauere Bezeichnung wird ein Kriminalist erst vornehmen, wenn er die konkrete
Situation analysiert hat und ihm schließlich der Ort, z.B. als Tat- oder Fundort, bekannt ist.
2.2 Beweismittel
„Beweismittel sollen das Gericht von einer bestimmten Tatsache überzeugen. Sie müssen
rechtlich zulässig sein und in das Hauptverfahren (§ 244 StPO) eingebracht werden.“16
Zulässige Beweismittel nach der Strafprozessordnung sind:
• Sachverständiger, §§ 72 ff. StPO,
• Augenschein, § 86 StPO,
13 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 47. 14 Siehe auch Meyer, Wolf, Müller, S. 48. 15 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 4. 16 Weihmann, Kriminaltechnik I Band 2, S. 13.
9
• Urkunde, § 249 StPO,
• Zeuge, §§ 48 ff. StPO,
• Beschuldigter, § 157 StPO.17
Diese werden in persönliche Beweismittel, Personalbeweis genannt, und in
Beweisgegenstände, Sachbeweis genannt, unterteilt.
Sachverständiger, Zeuge und Beschuldigter sind Personalbeweis. Augenscheinsobjekte
und Urkunden sind Sachbeweise.
Demnach sind unter dem Begriff Beweismittel nicht nur Spuren oder materielle
Gegenstände zu verstehen, sondern auch Personen. Somit sollte sich eine
Beweismittelmittelsuche nicht nur auf Sachen, sondern auch auf Personen, wie z.B.
Zeugen, erstrecken.
3 Schutz und Sicherung des Ereignisortes
3.1 Allgemeines
Zunächst wird sich ein Ermittlungsbeamter nach dem Eintreffen am Ereignisort immer
einen groben Überblick verschaffen, indem er erste Befragungen an anwesende Personen
richtet und eine erste grobe Besichtigung durchführt.
Schon hier sind ggf. Rettungsfahrzeuge zur Rettung von Personen, Versorgung eventuell
verletzter Personen oder zur Schadensminimierung (z.B. Löschen eines Feuers)
anzufordern. Werden Hinweise zu eventuell flüchtigen Tätern, wie Personenbeschreibung
oder Beschreibung eines Fluchtfahrzeugs, oder sonstigen relevanten Umständen bekannt,
so sind diese umgehend an andere Kräfte, z.B. über eine Leitstelle, zu übermitteln. Auch
kann durch die Polizei eine Tatortbereichsfahndung18 ausgelöst werden.
Bevor mit der Beweismittelsuche an Ereignisorten begonnen werden kann, ist es
notwendig diesen zu schützen und zu sichern. Im Vordergrund stehen hier der Schutz
17 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 93. 18 In Berlin: Tatortnahbereichsfahndung.
10
vorhandener Spuren vor äußeren Einflüssen und das Bewahren des Zustandes beim
Eintreffen am Ereignisort, sowie der Schutz von Wahrnehmungsinhalten.
„Bestehen neben der Spurensicherung die Pflichten zur Hilfeleistung und/oder
Gefahrenabwehr, so haben diese Vorrang. Die zwingend notwendigen Veränderungen sind
ausführlich zu dokumentieren.“19
Sollten Verletzte in Krankenhäuser überführt werden ist ggf. eine polizeiliche Begleitung
zu veranlassen. Besonders dann, wenn der Verletzte einer Tat verdächtig ist, eine
Spurensicherung an der Person des Verletzen oder an seiner Kleidung erforderlich ist,
wenn es sich um Opfer handelt die durch Angriffe gefährdet sind oder bedeutsame
Informationen von Verletzten eingeholt werden müssen.20
3.2 Schutz von Wahrnehmungsinhalten
Am Ereignisort oder in dessen Nähe befindliche Personen können Wahrnehmungen
gemacht haben, welche für die weitere Ermittlung von positiver Bedeutung sein können.
Es ist möglich, dass diese Personen Angaben zum Ereignis selbst oder zu Geschehnissen,
welche mit dem Ereignis im Zusammenhang stehen, machen können.
Von Personen die sich an einem Ereignisort befinden sind zunächst die Personalien
festzustellen und ggf. zu überprüfen. In diesem Zusammenhang wird eine erste
informatorische Befragung durchgeführt, wobei die Personen nach dem Grund ihrer
Anwesenheit befragt werden. Auch hier sind die Personalien, sowie die gemachten
Angaben, zu dokumentieren.
Soweit möglich ist bereits hier eine Feststellung zu treffen, bei welchen Personen es sich
um Tatbeteiligte, Zeugen oder Unbeteiligte handelt. Erkannte Tatbeteiligte sind von
Zeugen zu trennen und ggf. in vorläufige Haft zu nehmen. Ebenfalls ist zur Vermeidung
wechselseitiger Vermittlungen und Beeinflussungen eine Trennung von Zeugen
untereinander durchzuführen. Um Täterwissen zu schützen und
Wahrnehmungsumdeutungen zu vermeiden, ist bei der Platzierung darauf zu achten, dass
Gespräche zwischen den Ermittlern und Dritten nicht mitgehört werden können. An
potentielle Zeugen wird nun in aller Regel eine Aufforderung ergehen, am Ereignisort,
19 Weihmann, Kriminaltechnik I Band 2, S. 66. 20 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 51 ff.
11
zwecks späterer Vernehmung und Nutzung wichtiger Aussagen für aktuelle
Ermittlungsansätze, zu verbleiben.21 Sollten Zeugen doch zunächst vor Ort entlassen
werden, was meiner Meinung nach durchaus unter Beachtung des Grundsatzes der
Verhältnismäßigkeit und Abwägung ihrer eigenen Interessen erfolgen kann, so sind sie
zumindest informatorisch zu befragen. Des weiteren ist deren Erreichbarkeit festzustellen
und zu dokumentieren. Vorher sollte jedoch eine Abwägung über eine erforderliche oder
nichterforderliche Anwesenheit stattgefunden haben. Unbeteiligte Personen sind nach
Feststellung ihrer Identität am Ort zu entlassen.
3.3 Schutz des materiellem Milieus
Um Gefahren für Beweisgegenstände zu minimieren, insbesondere um Spuren vor
Unbeteiligten – auch neugierigen Vorgesetzten – zu schützen, sollte ein Ereignisort
unmittelbar nach dem Eintreffen weiträumig abgesperrt werden. Dies kann z.B. unter
Einbeziehung örtlicher Gegebenheiten, wie Häuserfronten, Zäune, Flüsse, mittels
Absperrband oder durch Sicherungskräfte, z.B. mittels einer Polizeikette, durchgeführt
werden. Hierbei sollten schon Sicherungsgrenzen, sowie Zu- und Abgangswege, festgelegt
werden. Es ist darauf zu achten, dass unbeteiligte aus dem abzusperrenden Bereich geführt
werden und Spuren nicht vernichtet werden. Es kann nur selbstverständlich sein, dass
hierbei durchgeführte Veränderungen, ob absichtlich oder unabsichtlich, dokumentiert
werden. Es ist zu vermerken welche Personen den Ereignisort auf welchem Weg betreten
haben.
Drohen Umwelteinflüsse, insbesondere Sonne, Wind, Regen oder Schnee, so sind
gefährdete Spuren abzudecken. Das kann mittels einfachen Hilfsmitteln, wie Gläsern und
Tüten, bis hin zum Aufstellen von Zelten, durch THW oder Feuerwehr, geschehen und
hängt im Wesentlichen von der Bedeutung der Straftat ab.22
Des weiteren können Beweisgegenstände sofort (vorgezogen) fotografiert werden. Sollte
die Gefahr bestehen, dass insbesondere Umwelteinflüsse, wie Regenwasser, eine Spur
21 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 91 ff. 22 Siehe auch Weihmann, Kriminaltechnik I Band 2, S. 65.
12
vernichten, so muss eine Notsicherung23 erfolgen. Auch in diesen Fällen sind
Schutzmaßnahmen und eingetretene Veränderungen präzise zu dokumentieren.
4 Feststellung und Analyse der Ausgangslage
4.1 Allgemeines
„Die Feststellung und Analyse der Ausgangslage am Tatort ist eine wichtige
Voraussetzung, um die Spezifik des Tatortes zu erfassen und eine entsprechende Methodik
für die Aufnahme des objektiven und subjektiven Tatbefundes zu entwickeln.“24
Diese Aussage lässt sich meiner Meinung nach auf alle Ereignisorte anwenden, denn zu
einer umfangreichen Feststellung und Analyse der Ausgangslage gehört eine Besichtigung,
welche in dieser Phase des Geschehens an jedem Ereignisort stattfinden sollte.
Nur durch Analyse der Ausgangslage können die richtigen Suchmethoden und Mittel zur
Spurensuche gewählt werden. Zu wahrscheinlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten durch
Zeugen und vermutlichen Wahrnehmbarkeitsbereichen können Aufschlüsse gewonnen
werden.
4.2 Besichtigung des Ereignisortes
Bei Ereignisorten mit einer größeren Anzahl von Verletzten oder einer großen
erforderlichen Anzahl von Einsatzkräften, wird eine gute Einsatzbewältigung ohne
Ortsbesichtigung kaum möglich sein. Es erscheint nur notwendig sich bei einer größeren
Schadenslage zu überlegen, wo eine Leichensammelstelle, eine Verletztensammelstelle
oder Zeugensammelstelle eingerichtet wird. Denn keiner kann erwarten, dass sich
Verletzte neben einem Toten, oder Zeugen neben Toten und schreienden Verletzten wohl
fühlen und sich nicht der Gefahr einer Traumatisierung oder eines Schockzustandes
aussetzen. Nur durch Besichtigung kann festgestellt werden, ob weitere Kräfte, wie
Hundeführer mit Suchhunden oder Gerichtsmediziner, erforderlich sind oder einen
Ermittlungserfolg versprechen.
23 Notsicherung ist die fotografische und kriminaltechnische Sicherung von Spuren in der Sicherungsphase. 24 Leonhardt/Roll/Schurich, S. 92.
13
Ebenfalls kann hier bei allen Ereignisorten schon grob ermittelt werden, von welchem Ort
aus, welche Personen etwas gehört, gesehen oder gerochen haben könnten. Durch
Besichtung können Veränderungen am Tatort und offensichtliche Spuren festgestellt
werden, Tatortgrenzen können festgelegt oder aktualisiert werden. Um nicht wiederholt
den Tatort in seiner Gesamtheit abzulaufen, ist es ratsam hierbei schon erforderliche
Übersichtsaufnahmen, sowohl vom Tatort als auch von der Gesamtspurenlage zueinander,
anzufertigen.
Ein guter Ermittlungsbeamter, wird sich hierbei nicht nur auf das beschränken was er sieht,
sondern genauso seine anderen Sinnesorgane einsetzen. Er wird sich fragen, was er nicht
sehen aber hören oder riechen kann. So kann z.B. Brandbeschleuniger an einem Brandort
oder an den Händen eines am Tatort festgenommenen Tatverdächtigen gerochen werden
und die Spurensicherung dementsprechend durchgeführt werden.
4.3 Befragungen zur Informationsgewinnung
Um sich ein genaues Bild vom Ereignis machen zu können und eine notwendige
Rekonstruktion des Tathergangs zur Spurenentstehung durchführen zu können, ist es
sinnvoll jetzt am Ereignisort angetroffene Personen zu befragen. Dabei kann es sich um
Rettungskräfte, Beamte die zuerst an einem Tatort waren, Zeugen oder sonstige
Tatortberechtigte handeln. Ziel ist es herauszufinden, ob es weitere Zeugen gibt oder geben
könnte und welche Personen Spuren am Ort hinterlassen haben könnten.
So können beispielsweise Spurenverursacher ermittelt oder Personen als solche
ausgeschlossen werden. Notfalls müssen dazu Vergleichsspuren, z.B.
Vergleichsfingerspuren vom Hauswart, genommen werden. Auch kann der o. g.
Personenkreis oftmals Auskünfte über Veränderungen am Ereignisort und ihre Ursachen,
bezogen auf den Ort vor einem Ereignis, bei der Ereignisfeststellung und Veränderungen
danach, geben.25
25 Siehe auch Leonhardt/Roll/Schurich, S. 94.
14
4.4 Einsichtnahmen in Unterlagen und Informationssysteme
Ebenso gehört zur Analyse der allgemeinen Situation die Einsichtnahme in vorhandene
Unterlagen, wie Lage- oder Baupläne, und polizeiliche Informationssysteme.26 So können
Erkenntnisse über die Größe eines Objekts oder die Mieteranzahl eines Wohngebäudes
gewonnen und dementsprechend weitere Maßnahmen, wie Durchsuchung, Spurensuche
oder Räumung eines Hauses, geplant und vorbereitet werden.
4.5 Feststellung und Analyse durch Aufklärung
Die Wichtigkeit der Feststellung und Analyse der Ausgangslage wird durch den Begriff
der Aufklärung27 in der Polizeidienstvorschrift der Polizei hervorgehoben. Danach dient
Aufklärung unter anderem dem Erheben von Informationen über Objekte, Einsatzräume,
Umstände und Geschehensabläufe, die zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind.28
Demnach erfordert es jeder polizeiliche Anlass neben anderen Einsatzmaßnahmen auch
Aufklärung zu betreiben. Das sofortige weitere Vorgehen am Einsatzort basiert auf
vorhandenen Informationen. Um erfolgreich vorzugehen muss das Defizit zwischen
vorhandenen und notwendigen Informationen ausgeglichen werden. Um notwendige und
geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr und/oder zur Strafverfolgung zeitgerecht
einleiten, durchführen und beenden zu können, sind anlassbezogene Informationen
möglichst schnell und umfassend erforderlich.29
Bei genauerer Betrachtung des Begriffs „Aufklärung“ wird man feststellen, dass
Aufklärung auch die unter den Punkten 4.2, 4.3 und 4.4 genannten Maßnahmen umfasst
und wichtiges Instrument zur Feststellung und Analyse der Ausgangslage an Ereignisorten
ist.
26 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 94. 27 PDV 100, Nr. 3.2. 28 Vgl. PDV 100, Nr. 3.2.1 sowie Anlage 20. 29 Vgl. Koch/Schmidt, Band 2, S. 24 ff.
15
4.6 Kriminalistische Beurteilung der Lage
Eine Beurteilung der Lage spielt sich mit jeder neuen Erkenntnis gedanklich im Kopf ab
und sollte insbesondere an dieser Stelle der Ermittlungshandlungen durchgeführt werden,
um sich so über das Ereignis und weitere „dringliche“ Maßnahmen im Klaren zu werden.
Die gedankliche Arbeit des Kriminalisten ist wichtiges Instrument jeder Untersuchung am
Ereignisort. Sie dient unter anderem der Suche, Sicherung und Auswertung von Spuren
und anderen kriminalistisch relevanten Veränderungen.30 Dabei geht es darum die bisher
vorliegenden Informationen gedanklich zu verarbeiten, um so eine möglichst genaue
Vorstellung vom Ereignis zu erhalten.
Der Kriminalist stärkt oder revidiert bereits erstellte Tatversionen oder fasst diese erst
komplett neu. Er wird versuchen den Tatablauf gedanklich zur Spurenentstehung zu
rekonstruieren. In der Regel wird dies mit einer Ereignisortbegehung einhergehen.
Um eine möglichst klare Vorstellung von der Ausgangslage und den Veränderungen zu
erhalten, scheint es sinnvoll Geschädigte und Opfer hinzuzuziehen. Denn diese können
Veränderungen benennen und meist ohne große Überlegungen auf Fragen des Ermittlers
antworten. Erst dann wird er darüber entscheiden, wie bei der weiteren Tatortarbeit
vorzugehen ist.31
Das heißt, er denkt sich in ein bestimmtes Ereignis hinein und überlegt, wie ein Täter
vorgegangen ist, wo er wie, welche Spuren verursacht haben könnte und führt anhand
dieser Überlegungen seine weitere Ereignisortarbeit durch.32 Er wird Entscheidungen über
weitere notwendige Kräfte, zur Methodik der Tatortuntersuchung und zu notwendigen
Einsatzmitteln, wie den Einsatz eines Fährtenhundes, treffen.
5 Einsatz des Fährtenhundes
Da ein Ereignisort bei der Spurensuche betreten werden muss, wodurch frühere
Geruchsspuren vernichtet oder überlagert werden und neue tatzusammenhanglose
Geruchsspuren entstehen, sollte der Einsatz eines Fährtenhundes vor der Spurensuche
30 Siehe auch Diplomarbeit, Fickardt, S. 15. 31 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 57 ff. 32 Vgl. Diplomarbeit, Fickardt, S. 16.
16
erfolgen. Die Entscheidung dazu wird bereits im Rahmen der Feststellung und Analyse der
Ausgangslage getroffen. Der eigentliche Einsatz des Fährtenhundes hingegen hat meiner
Meinung nach nichts mehr damit zu tun und wird daher von mir an dieser Stelle erläutert.
„Der Einsatz des Fährtenhundes erfolgt, um
• den oder die Täter möglichst schnell ermitteln und festnehmen zu können,
• ggf. zumindest die Fluchtrichtung zu erkennen,
• kriminalistisch relevante Fluchtpunkte, wie zwischenzeitliche Aufenthaltsorte oder
Punkte, an denen ein Wechsel der Fluchtrichtung erfolgte oder nunmehr ein
Fahrzeug zur Flucht genutzt wurde, zu erkennen,
• Gegenstände aufzufinden, die der Täter verlor, von denen er sich bewusst trennte
oder die er zwischenzeitlich versteckte.“33
„Der Fährtenhund kann Spuren nach dem Alter und dem Geruch unterscheiden. So kann
ein Weg verfolgt werden, bei dem die Vegetation und Mikroorganismen im Boden durch
den Schuheindruck beeinträchtigt werden, ohne dass der Geruch des Menschen durch das
Schuhwerk auf den Boden gelangt.
Darüber hinaus kann der Hund dem Geruch des Spurenverursachers folgen, wenn er den
Vergleichsgeruch kennt, z.B. das Taschentuch. Dies setzt aber voraus, dass das Schuhwerk
den Eigengeruch des Menschen überträgt.“34
Günstige Bedingungen für den Einsatz eines Fährtenhundes sind ein möglichst kurzer
Zeitraum zwischen dem Ereignis und der Einsatzzeit und eine geringe Verkehrsdichte im
Einsatzbereich, wie kaum Fahrzeug- oder Personenaufkommen. Das Vorhandensein
anderer Tiere kann den Geruchssinn des Hundes oder seine Psyche beeinflussen. Auch
sollten günstige Bodenbedingungen, wie weicher Boden, Acker, Wiese, Wald, und
günstige Witterungsbedingungen, wie hohe Luftfeuchtigkeit, mäßige Luftbewegung und
schwache Sonnenstrahlung, herrschen.35
33 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 95. 34 Weihmann, Kriminaltechnik I, Band 2, S. 61. 35 Leonhardt/Roll/Schurich, S. 96.
17
6 Die Suche und Sicherung materieller Beweismittel
6.1 Allgemeines
Nachdem nun der Ereignisort gesichert und besichtigt wurde und sich der Kriminalist
gedanklich ein erstes Bild gemacht hat, kann er zur Untersuchung der Örtlichkeit
übergehen.
Die Untersuchung eines Ereignisortes wird im Wesentlichen von drei miteinander
verflochtenen Aufgabenstellungen geprägt:
• der Suche nach Spuren und materiellen Beweismitteln,36
• deren Sicherung mit den technischen Verfahren, die den potentiellen
Informationsgehalt der Spur optimal bewahren,
• ihrer operativen Auswertung zum Erkennen unmittelbar nutzbarer
Ermittlungsansätze.37
„Bezogen auf die Einzelspur erfolgen Spurensuche, -sicherung und Spurenbewertung
nacheinander. Nach Abschluss der Spurensicherung erfolgt in der Regel eine operative
Bewertung der Gesamtspurenlage.“38
Ziel der Spurensuche ist das Auffinden von Spuren zum Zweck der Rekonstruktion des
Ereignisses, der Erlangung von Hinweisen zur Ermittlung unbekannter Täter und der
Überführung oder Entlastung von Tatverdächtigen.39
Zu Beginn der Spurensuche sollte sich jeder Kriminalist darüber im Klaren sein, dass es
neben den Tatspuren, die im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten entstehen,
noch Trugspuren und fingierte Spuren gibt.
Trugspuren sind materielle Veränderungen aller Art, die durch Handlungen vor oder nach
der Tat entstanden sind und die nicht im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten
36 Im weiteren Zuge der Darlegung wird nur der Begriff Spur als Synonym verwendet. 37 Siehe auch Leonhardt/Roll/Schurich, S. 96. 38 Leonhardt/Roll/Schurich, S. 96. 39 Vgl. Zirk/Vordermaier, S. 63.
18
stehen. Jedoch werden sie als Tatspuren gedeutet und führen den Kriminalisten in die Irre.
Dadurch kann der Ermittlungsverlauf erheblich beeinflusst werden.40
Beispiel:
Polizeibeamte werden zu einem gegenwärtigen Einbruch in ein Einfamilienhaus gerufen.
Die Täter haben jedoch das Haus und das dazugehörige Grundstück schon längst
unbemerkt verlassen. Da die Täter noch im Haus vermutet werden, umstellen die Beamten
das Haus, wobei einer von ihnen seine Zigarettenkippe in den Vorgarten des betroffenen
Grundstücks wirft. Nach erfolgloser Durchsuchung rücken die Umstellungsbeamten ab.
Bei der späteren Spurensuche findet der durchführende Kriminalbeamte die Kippe und
sichert sie, da DNA-Spuren zu erwarten sind, als Spurenträger. Die Kippe steht somit in
keinem Zusammenhang zur eigentlichen Tat. Dies ist dem Kriminalbeamten jedoch nicht
bekannt. Es handelt sich um eine Trugspur.
Fingierte (vorgetäuschte) Spuren wurden absichtlich verursacht um eine Straftat
vorzutäuschen, den Ablauf eines Geschehens zu verschleiern oder um den Tatverdacht auf
eine andere Person zu lenken.41
Beispiel:
Ein in Geldnöte geratener Angestellter schlägt die Wohnzimmerscheibe seines Hauses von
außen nach innen ein. Um das Geld der Versicherung zu kassieren behauptet er später, dass
hier Einbrecher am Werk gewesen sind, welche unter anderem Bargeld und einen
Fernsehapparat entwendet haben. Hier wurde die Spur (das eingeschlagene Fenster)
absichtlich vom Täter gelegt, um so eine andere Straftat vorzutäuschen. Es handelt sich
also um eine fingierte (vorgetäuschte) Spur.
Der Kriminalist darf sich somit nicht nur auf den ersten Eindruck verlassen. Vielmehr
muss er nach weiteren Spuren suchen und schließlich alle Spuren zusammen betrachten
und bewerten. So sollte er im o. g. Beispiel nach der Rechnung zum Fernseher fragen und
sich die Stelle zeigen lassen, wo der Fernseher gestanden haben soll. Dort wird er
40 Vgl. Meyer/Wolf/Müller, S. 189. 41 Vgl. Berthel, Grundlagen der Kriminalistik/Kriminologie, Band 1, S. 88.
19
schließlich auf sog. Staubmarken42 achten und deren Vorhandensein oder
Nichtvorhandensein zum Zweck des späteren Beweises fotografisch sichern.
Auch sollte der Kriminalist die einzelnen Spuren und Spurenarten kennen. Sonst kann es
leicht dazu kommen, dass wesentliche Spuren nicht entdeckt werden, weil nach ihnen nicht
gesucht wird. Andererseits werden sie trotz Entdeckung zurückgelassen, da sich der
Beamte nicht im Klaren darüber ist, dass es sich um relevante Spuren handeln könnte.
Dadurch könnte der weitere Ermittlungsverlauf ins Stocken geraten oder erheblich
beeinflusst werden.
Beispielsweise können auch kleinste textile Spuren später als Vergleichsmaterial dienen.
Durch sie könnte die frühere Anwesenheit einer Person an einem Ort beweisen werden,
womit solche Spuren erheblich zur Tataufklärung beitragen können. Ein Beamter der die
Existenz solcher Spuren überhaupt nicht in Erwägung zieht oder den späteren Vergleich
mit einem Textil nicht für möglich hält, wird große Schwierigkeiten haben den zur
Aufklärung einer Straftat benötigten Beweis zu finden.
6.2 Methodik der Spurensuche und -sicherung
Um eine erfolgsversprechende Spurensuche durchführen zu können, sollte zunächst der
Tatablauf gedanklich rekonstruiert werden.43 Darauf basierend ist die Spurensuche
durchzuführen, wobei latente (nicht sichtbare) Spuren mit geeigneten Mitteln erkennbar
gemacht werden. Erkannte Spuren sind zu schützen und einzeln, als auch in ihrer
Gesamtheit, zu fotografieren. Soweit erforderlich sind Spuren zu beschreiben und ihre
Lage zueinander (z.B. ein Greifakt) zu skizzieren. Erst jetzt ist die eigentliche Spur zu
sichern, wobei darauf zu achten ist, dass Spuren durch Mitnahme des Originals zu sichern
sind. Sollte dies nicht möglich sein oder zum Zweck außer Verhältnis stehen, so sind die
erkannten Spuren mit geeignetem Spurensicherungsmaterial zu sichern. Nachdem darauf
die Spuren operativ ausgewertet wurden, sind diese so zu verpacken, dass sie weder
42 Staubmarken werden sichtbar, wenn ein Gegenstand von seiner Abstellfläche weggenommen wird. Am
Abstellort wird kaum Staub zu sehen sein. Dagegen wird um die Abstellfläche herum viel Staub oder kurz nach dem Wischen kein Staub zu sehen sein. Es kann also nachvollzogen werden, ob dort ein Gegenstand aufgestellt war oder nicht.
43 Die gedankliche Rekonstruktion wurde bereits mit der kriminalistischen Beurteilung der Lage abgehandelt.
20
zerstört noch anderweitig unbrauchbar gemacht werden können. Später sind diese
zusammen mit dem Untersuchungsantrag zur Untersuchung einzusenden.44
6.2.1 Spurensuche
6.2.1.1 Suchmethoden
Methodisch werden bei der Spurensuche zwei Vorgehensweisen unterschieden, und zwar
• die systematische (objektive) und
• die heuristische (subjektive)
Suchmethode.
6.2.1.1.1 Systematische Suchmethode
„Bei der Anwendung der systematischen Suchmethode wird der gesamte Tatortbereich
lückenlos nach Spuren der Tat angesucht. Die Wahl der systematischen Suchmethode wird
bevorzugt
• grundsätzlich bei Kapitalverbrechen oder
• in Fällen, in denen nur wenige Erkenntnisse über den Tatverlauf und das Vorgehen
des Täters vorliegen.“45
Folgende Einzelmethoden werden dabei unterschieden:46
Zentripetales Vorgehen47
Der Ereignisort wird spiralförmig von außen zum Zentrum hin nach Spuren abgesucht,
wobei unter Zentrum weniger die geografische Mitte, sondern vielmehr das Tatzentrum
mit dem im Allgemeinen höchsten Spurenaufkommen gemeint ist.
44 Siehe dazu Ackermann/Clages/Roll, S. 64, Handlungsalgorithmus der Spurensuche / -sicherung. 45 Ackermann/Clages/Roll, S. 65. 46 Vgl. zu den folgenden aufgezählten Einzelmethoden, Leonhardt/Roll/Schurich, S. 101 ff. 47 Siehe Anhang, Bild 1.
21
Vorteil ist hier, dass Spuren nahe am Zentrum nicht der Gefahr der Vernichtung ausgesetzt
werden. Da entscheidende kriminalistische Erkenntnisse meist am Zentrum zu finden sind,
können diese erst nach längerer Suche gewonnen werden.
Zentrifugales Vorgehen48
Der Ereignisort wird spiralförmig von seinem Zentrum nach außen hin nach Spuren
abgesucht.
Hierbei können schnell entscheidende Erkenntnisse rund um das Zentrum des Ereignisortes
aufgefunden werden. Allerdings muss hier der Ort vor der Spurensuche betreten werden,
wobei bisher nicht erkannte Spuren zerstört werden können.
Linienförmiges Vorgehen49
Der Ort wird in festgelegten Bahnen oder Linien nach Spuren abgesucht. Je nach
Kräftelage kann die Absuche der einzelnen Bahnen gleichzeitig oder Schritt für Schritt
erfolgen.
Die Methode gelangt zur Anwendung, wenn nur sehr wenige Erkenntnisse zum Tatablauf
vorliegen und ein Tatzentrum noch nicht festgestellt werden konnte.
Diagonales Vorgehen50
Der Ort wird durch mindestens zwei Beamte von unterschiedlichen Grenzen (Seiten)
systematisch nach Spuren abgesucht, wobei sich die Suchwege überschneiden.
Die Methode wird sowohl bei besonders übersichtlichen Ereignisorten angewendet als
auch, wenn anzunehmen ist, dass es kaum leicht übersehbare Spuren gibt.
Sektorales Vorgehen51
Der gesamte Ort wird in Abschnitte oder Sektoren eingeteilt, die dann systematisch,
eventuell linien- oder spiralförmig, untersucht werden.
Diese Methode ist besonders gut geeignet für ausgedehnte, im Freien liegende
Ereignisorte.
48 Siehe Anhang, Bild 2. 49 Siehe Anhang, Bild 3. 50 Siehe Anhang, Bild 4. 51 Siehe Anhang, Bild 5.
22
Bei allen Einzelmethoden ist es unerlässlich, dass eingesetzte Ermittler untereinander
verbindliche Absprachen über Zuordnungen treffen. Sonst kann es leicht dazu kommen,
dass Bereiche nicht oder mehrfach abgesucht werden oder das ein Ermittler seine
Vorbereitungen auf dem zu durchsuchenden Sektor eines anderen durchführt und dabei
Spuren unbeabsichtigt vernichtet.
Vor- und Nachteile der systematischen Suchmethoden
Die Bei den systematischen Suchmethoden wird ein Ereignisort umfassend und gründlich
nach Spuren abgesucht. Die Wahrscheinlichkeit, dass viele Spuren gefunden werden ist
recht groß.
Allerdings sind systematische Suchmethoden sehr Zeit- und/oder kräfteaufwendig. Zur
Umsetzung werden viele Kräfte, beispielsweise zur Bildung einer Durchsuchungskette,
benötigt oder ein einzelner müsste den Ort nacheinander Linie für Linie absuchen. Ein
weiterer Nachteil besteht in der Beurteilung der Einzelspuren des großen
Spurenaufkommens. Ob diese relevant oder irrelevant sind, ist häufig problematisch. Das
Erkennen der Zusammenhänge zwischen den Einzelspuren erfordert Erfahrung und
Phantasie.
Systematische Suchmethoden sind für das Auffinden zunächst nicht erkennbarer Spuren
(z.B. von Mikrospuren) nur bedingt geeignet. Sie werden meist angewendet, wenn
• keine oder nur sehr wenige Anhaltspunkte über den Tatverlauf und die
Täterhandlungen vorliegen und der notwendige Ansatz für die heuristische
Suchmethode nicht erkennbar ist,
• ein Ereignisort mit großer Ausdehnung abgesucht werden muss und die
Handlungen des Täters nicht oder nur unsicher lokalisiert werden können,
• die Suche primär auf das Auffinden äußerlich erkennbarer Objekte, wie
Tatwerkzeuge, Projektile von Waffen, Diebesgut usw., gerichtet ist. 52
52 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 102.
23
6.2.1.1.2 Heuristische Suchmethode
„Bei der Anwendung der heuristischen Suchmethode wird der Suchbereich auf den
mutmaßlich oder erkennbaren spurentragenden Tatortbereich beschränkt. Dieses
Vorgehen setzt voraus, dass der Kriminalist hinreichende Informationen über den
Tatablauf und das Handeln des Täters hat….“53 Weil die Spurensuche am Handeln des
Täters und an seinem Motiv orientiert ist, wird die Methode auch als „subjektiv“
bezeichnet.
„Ausgangspunkt für die Spurensuche sind der Zu- oder Abgangsweg des Täters, Anfangs-
oder auch Endpunkte seines Handelns (die Begehungsweise wird zurückverfolgt) oder
offensichtliche, durch das Täterhandeln verursachte, signifikante Spuren oder
Tatortveränderungen. Die Spurensuche erfolgt dort, wo der Täter sicher oder vermutlich
gehandelt hat. Sie ist deshalb in starkem Maße selektiv angelegt.“54
Vor- und Nachteile der heuristischen Suchmethode
Das Vorgehen nach einem heuristischen Suchplan ermöglicht einerseits eine gezielte
Spurensuche bei relativ geringem Kräfte- und Zeitaufwand, was insbesondere bei
ausgedehnten Orten von Vorteil ist.55 Die Beurteilung der Spurenlage erfolgt im Ganzen.
Die Relevanz oder Irrelevanz von einzelnen Spuren kann präziser bewertet und bestimmt
werden. Die Methode ist somit geeignet, auch nach nicht direkt wahrnehmbaren Spuren,
wie latente Spuren, zielgerichtet und vor allem erfolgversprechend zu suchen.56
Andererseits besteht die Möglichkeit, dass Tatablauf und Handeln des Täters vom
Kriminalisten falsch beurteilt werden und sich die Begehungsweise anders dargestellt hat
als vermutet. Somit besteht die Gefahr, dass bei der Spurensuche von falschen
Voraussetzungen ausgegangen wird und das Ergebnis lückenhaft und fehlerbehaftet ist.
Der Kriminalist sucht dann schlichtweg an den falschen Orten.
53 Ackermann/Clages/Roll, S. 65. 54 Leonhardt/Roll/Schurich, S. 103. 55 Siehe auch Ackermann/Clages/Roll, S. 67. 56 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 104.
24
6.2.1.1.3 Zusammenfassung beider Methoden
„In der kriminalistischen Alltagspraxis sind systematische und heuristische Suchmethoden
in „reiner“ Form selten sinnvoll. Situationsgerechtes Vorgehen erfordert häufig die
flexible Kombination beider Methoden, indem je nach Tatortsituation und Erkenntnisstand
zunächst systematisch entscheidende Spuren gesucht werden, die es gestatten, die weitere
Suche dann heuristisch fortzuführen.“57
Beispiel:
Nachdem in eine Schule eingebrochen wurde, stellt der aufnehmende Beamte im Rahmen
der Tatortarbeit fest, dass der/die Täter durch die Haupteingangstür eingebrochen sind.
Anschließend sind die Täter im dortigen Flur an die Sekretariatstür herangetreten und
haben diese ebenfalls aufgebrochen. Im Sekretariat wurde eine Kassette aufgebrochen in
welcher sich Schein- und Hartgeld befunden haben. Andere unverschlossene Räume
wurden offensichtlich nicht betreten, da nichts durchwühlt und entwendet wurde. Die
Kassette wurde im Rahmen der Tatortbegehung auf dem Schulgelände in einem größeren
Blumenbeet aufgefunden.
Meines Erachtens wäre es bei solch einem Sachverhalt schlichtweg unwirtschaftlich und
unnötig zeitraubend hier jeden Raum und die darin befindlichen Möbel, sowie den
gesamten Schulhof, nach Spuren abzusuchen. Vielmehr wird der Beamte den Ort
abschnittsweise gliedern. Sinnvoll erscheint zunächst ein zentripetales oder linienförmiges
Vorgehen bei der Spurensuche im Blumenbeet, da hier weitere Spuren, wie
Schuheindruckspuren, zurückgelassene Gegenstände, Spuren an der Kassette, zu erwarten
sind. Es genügt, wenn der restliche Schulhof nur grob nach weiteren Spuren, auch hier
insbesondere nach verlorener Tatbeute, abgesucht wird. Dann kann die Spurensuche und
Spurensicherung im Eingangsbereich stattfinden, wobei hier insbesondere
Schuhabdruckspuren, Fingerspuren und Werkzeugspuren zu erwarten sind. Anschließend
wird der Beamte seine Spurensuche auf den Bereich des Sekretariats verlegen, wobei diese
an der Tür und im Innenraum akribisch durchgeführt werden sollte, da hier die meisten
Spuren zu erwarten sind. Der Beamte wird andere Räume der Schule nur grob besichtigen,
nicht aber anfangen mit Rußpulver nach Fingerspuren zu suchen. Dies würde
erfahrungsgemäß nicht zur Auffindung von Tatspuren, sondern nur zur Auffindung von
Trugspuren, führen.
57 Leonhardt/Roll/Schurich, S. 104.
25
„Variiert werden kann die Spurensuche auch in Abhängigkeit davon, ob der Tatort im
engeren oder weiteren Sinne abgesucht wird, wobei beide Methoden je nach konkreter
Ausgangslage von Vorteil sein können.“58
Beispiel:
Bei einem groß angelegten Diebstahl in einem Einkaufsmarkt konnten mehrere Täter
beobachtet werden, welche jedoch vor dem Eintreffen der Polizei mit einem Fahrzeug
flüchteten. Der Tatort wurde nach heuristischen Methoden abgesucht. Später wurden das
Fluchtfahrzeug und Teile der Diebesbeute in einem ca. 10 000 qm großen Waldstück
aufgefunden. Die weitere Fluchtrichtung aus dem Wald heraus ist unbekannt. Es besteht
also die Möglichkeit, dass im gesamten Wald entsprechende Spuren, welche auf die Täter
hindeuten, aufgefunden werden und Diebesbeute versteckt wurde. Daher ist es zwingend
notwendig den gesamten Wald systematisch abzusuchen, wobei hier meiner Meinung nach
ein linienförmiges oder diagonales Vorgehen zu empfehlen wäre.
6.2.1.2 Suche nach latenten Spuren
Bei den so genannten latenten Spuren handelt es sich um visuell nicht sichtbare Spuren,
welche erst mit Hilfsmitteln der Spurensuche oder bei der Auswertung im Labor, z.B.
mittels Vergrößerung, sichtbar gemacht werden können.
Latente Spuren sind insbesondere DNA-Suren, daktyloskopische Spuren und kleinste
Materialspuren, wie Textil- und Werkzeugspuren. Gerade diese spuren haben meist einen
hohen Beweiswert.
So gehören Fingerspuren (daktyloskopische Spuren) zu den wichtigsten
personenidentifizierenden Spuren, weshalb ihnen bezüglich Spurenschutz, Spurensuche
und Spurensicherung kompromisslos oberste Priorität einzuräumen ist.59 Dies liegt an der
Einmaligkeit und natürlichen Unveränderbarkeit der Papillarleistengebilde, welche sich an
den Handinnenseiten und Fußunterseiten eines Menschen befinden. Jeder Mensch
hinterlässt durch dieses Papillarleistengebilde seine eigene individuelle Fingerspur beim
Anfassen von Gegenständen.
58 Leonhardt/Roll/Schurich, S. 105. 59 Siehe auch Pfefferli, S. 86.
26
Fingerspuren müssen meistens am Ereignisort vor der eigentlichen Sicherung erst sichtbar
gemacht werden. Dies kann, je nach Material, mittels Rußpulver oder Magna Brush
geschehen, indem diese Materialien auf eine Fläche, wo der Täter seine Spur hinterlassen
haben könnte, aufgetragen werden. Dazu sind ein Zephirpinsel für Rußpulver und ein
Magnetstab für Magna Brush zu verwenden. Dies gilt natürlich nicht für alle Materialien.
So werden Papier, Klebebänder, die meisten Kunststoffe, Leder und Schusswaffen im
Original gesichert.60 Später wird die Suche nach Fingerspuren an solchen Materialien im
Labor mit geeigneten Verfahren durchgeführt.
Auch Blut, Speichel, Schweiß und Nasensekret haben einen sehr großen Beweiswert für
die Personenidentifizierung, da an diesen später eine DNA-Analyse durchgeführt werden
kann.61 Auch die DNA eines Menschen ist mit Ausnahme von eineiigen Zwillingen
einzigartig und kann somit zumindest die Anwesenheit einer bestimmten Person (außer
eineiige Zwillinge) an einem Ort beweisen.
Oftmals wird gerade DNA - trächtiges Material mit dem bloßen Auge sichtbar sein, wie
der Bluttropfen an der Wand oder die Sekretspur im Taschentuch. Es ist aber auch
möglich, dass sich Blutspuren nicht auf den ersten Blick zeigen, wo dann Hilfsmittel bei
der Spurensuche eingesetzt werden müssen. Dazu wären ggf. Spezialisten heranzuziehen.
Auch textile Mikrospuren können einen hohen Beweiswert besitzen, indem z.B. durch sie
nachgewiesen werden kann, dass sich ein bestimmtes Textil, z.B. blaue Jeans der Fa. X,
an einem Ort befunden hat. Solche Spuren sind am Ort der Spurensicherung kaum sichtbar
und müssen später im Labor mit einem Mikroskop gesucht werden. Daher sollten
Gegenstände, auf welchen Textilspuren zu vermuten sind, im Original gesichert werden.
Nur bei nicht transportierbaren Gegenständen kommt eine Sicherung, mittels Abkleben des
Spurenträgers, in Frage.
Somit bleibt hier festzustellen, dass sie die Spurensuche an einem Ereignisort nicht nur auf
das beziehen darf, was mit bloßem Auge erkennbar ist. Gerade nicht sofort sichtbare
Spuren können später den Beweis der Täterschaft erbringen oder erheblich zur Aufklärung
eines Ereignisses beitragen.
Bei der Suche nach solchen Spuren sind auch hier die Suchmethoden, heuristisch und
systematisch, erfolgsorientiert anzuwenden. So bringt es nichts, wenn nach einem
60 Vgl. Pfefferli, S. 86. 61 Vgl. Pfefferli, S. 76, 132.
27
Wohnungseinbruch die gesamte Wohnung mit Rußpulver nach Fingerspuren abgesucht
wird, da hierbei eine erheblich große Anzahl von Trugspuren aufgefunden werden würde.
Vielmehr wird sich der Spurensuchende meiner Meinung nach fragen müssen, wo der
Täter seine Fingerspuren hinterlassen haben könnte oder sollte. Erst anhand dieser
Überlegungen sollte er seine Spurensuche durchführen.
6.2.1.3 Einsatz von Hilfsmitteln bei der Spurensuche
Wie bereits bei der „Suche nach latenten Spuren“ festgestellt wurde, sind kriminalistische
Spuren oft nur schwer aufzufinden, so z.B. Fingerabdrücke oder Sekrete. Um sie zu
erkennen, zu sichern und auszuwerten, müssen sie sichtbar gemacht werden. Um der
gerichtsfesten Beweisfindung, Beweissicherung und Beweisführung gerecht zu werden,
bedient sich der Kriminalist einiger Hilfsmittel.62 Beispielhaft möchte ich einige aufzählen
und kurz erläutern.
6.2.1.3.1 Suchhunde
Neben dem Einsatz von Fährtenhunden, welche i. d. R. vor der eigentlichen Suche nach
Spuren eingesetzt werden, besteht die Möglichkeit anderweitig ausgebildete Hunde zum
Zwecke der Spurensuche heranzuziehen.
Insbesondere werden Suchhunde für Leichen, Drogen, Brandbeschleuniger oder
Sprengstoffe regelmäßig im Rahmen der Tatortarbeit eingesetzt.63
Beispiel:
In der Vergangenheit wurde durch die Presse immer wieder über Kapitalverbrechen
berichtet, wobei durch die Verbrechen zu Tode gekommene Opfer verschart wurden, sei es
durch die eigenen Eltern oder durch Triebtäter. Die Suche nach den Opfern stellt die
Staatsanwaltschaft und Polizei meist vor Probleme, da die Vergrabungsorte durch die Täter
nicht bekannt gegeben werden oder die vermuteten Orte zu groß sind. Um die getöteten
Opfer aufzufinden, werden in solch einem Fall Leichenspürhunde herangezogen, welche
die Vergrabungsorte durch den spezifischen Leichengeruch auffinden können. So 62 Vgl. Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 37. 63 Siehe auch Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 61.
28
aufgefundene Leichen können dann den ausschlaggebenden Beweis zur Aufklärung eines
Verbrechens liefern.
6.2.1.3.2 Beleuchtung
Die Spurensuche muss oftmals an Orten erfolgen, welche nur schwach oder gar nicht
beleuchtet sind. Um dennoch erfolgreich arbeiten zu können, bietet es sich an
Beleuchtungsmittel einzusetzen. So sollte eine Taschenlampe zur Standartausrüstung eines
Beamten gehören. Wenn dies nicht ausreichen sollte, können sog. Lichtgiraffen
angefordert und aufgestellt werden. Im Berliner Raum kann die dafür zuständige
technische Einsatzbereitschaft über die Polizeieinsatzleitzentrale angefordert werden.
Licht ist aber nicht nur Voraussetzung zum Sehen, sondern es kann auch in verschiedenen
Spektralbereichen eingesetzt werden, sodass seine Wirkung in Bezug auf bestimmte
Spuren erhöht wird.
So wird Streulicht zur gleichmäßigen Ausleuchtung des Suchbereiches und Verhinderung
von Reflexionen eingesetzt. Andererseits wird reflektierendes Licht eingesetzt um feine
Metall- oder Glassplitter aufzufinden. Zur Auffindung von verborgenen daktyloskopischen
Spuren kann neben Rußpulver oder Magna Brush auch Fluoreszenzlicht eingesetzt werden,
welches das Spurenmaterial zum Leuchten anregt. Durch Schräglicht können
Unebenheiten besser hervorgehoben werden, wodurch z.B. Staubspuren auf glatten
Flächen erkannt werden können. Hierbei muss die Lichtquelle fast parallel zum
Spurenträger gehalten werden. Dagegen bringt ultraviolettes Licht bestimmte Substanzen,
wie Körpersekrete, zum Selbstleuchten.64
Beispiel:
Ein Mann hat seine Frau im Badezimmer umgebracht, verscharrte diese in einem Wald und
meldete diese als vermisst. Später wird die Leiche aufgefunden. Tiefe Schnittverletzungen
an ihrem Körper deuten auf ein Kapitalverbrechen hin, worauf die Wohnung des Mannes
durchsucht wurde. Mit bloßem Auge sind zunächst keine Spuren eines Verbrechens
erkennbar, da der Ehegatte das gesamte Blut im Badezimmer weggewischt hat. Da sich die
Ermittler damit nicht zufrieden gaben, haben sie die Wände und Fußböden mit
64 Vgl. Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 41 ff.
29
fluoreszierenden Mitteln eingesprüht. Anschließend wurde die Wohnung mit UV-Licht
ausgestrahlt, wobei durch das zuvor versprühte fluoreszierte Mittel großflächige
Blutanhaftungen an den Badezimmerwänden sichtbar wurden. Später wurde festgestellt,
dass es sich bei den Anhaftungen um das Blut der getöteten Frau handelte. Des weiteren
waren die Wände so großflächig mit Blut versehen, dass mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass die Frau hier getötet wurde.
Somit konnte dem Ehegatten die Tat nachgewiesen werden.
6.2.1.3.3 Metalldetektoren
„Detektoren sind Geräte zum Nachweis elektromagnetischer, korpuskularer
(Elementarteilchen) oder atomarer Strahlung. In der Kriminalistik sind insbesondere die
Geräte von Bedeutung, die Metalle nachweisen. Sie können z.B. beim Auffinden von
vergrabenen Waffen, Munition oder Tatwerkzeugen eingesetzt werden.
Da die Bedienung der Geräte Übung und Erfahrung verlangt, ist es zweckmäßig, die
Geräte mit Bedienungspersonal anzufordern. Besonders erfahren ist der staatliche
Kampfmittelräumdienst.“65 66
6.2.1.3.4 Zusammenfassung der Hilfsmittel
Letztendlich könnte ich an dieser Stelle noch weitere Hilfsmittel, wie Kontrastmittel,
optische Hilfsmittel (z.B. Lupen) und sämtliche Inhalte eines Spurensicherungskoffers, der
Spurensuche vorstellen, was sicherlich den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Doch
schon anhand dieser wenigen, hier und bei der Suche nach latenten Spuren, vorgestellten
Hilfsmittel sollte jedem bewusst werden, dass eine erfolgreiche Spurensuche ohne solche
Mittel nicht möglich wäre. Viele Spuren blieben unentdeckt, wodurch man einer
gerichtsfesten Beweisfindung, Beweissicherung und Beweisführung nicht gerecht werden
würde.
Dennoch möchte ich an dieser Stelle auf die Wichtigkeit eines vorhandenen, aufgeräumten
und vollständigen Spurensicherungskoffers hinweisen. Diese Koffer sind nahezu in jedem
65 Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 61. 66 In Berlin: Pol Präs Berlin, LKA KT.
30
Funkwagen als fester Ausrüstungsbestand enthalten.67 In ihnen sind Hilfsmittel der
Spurensuche enthalten, die bei den häufigsten Fällen des kriminalistischen Alltags benötigt
werden. So sind z.B. Rußpulver, Magna Brush, Pipettenfläschen zur Sicherung von DNA-
Spuren und Silicon-Abformmasse zur Sicherung von Werkzeugspuren im Koffer enthalten.
Von ausschlaggebender Bedeutung ist, dass diese Koffer stets vollständig und sauber
sind.68
Häufig ist jedoch leider festzustellen, dass die Spurensicherungskoffer bei wechselnden
Einsatzkräften nach Rückkehr zur Dienststelle nicht wieder in den ursprünglichen Zustand
gebracht und mit fehlendem Material aufgefüllt werden. Es wird dabei vorausgesetzt, dass
der nächste Mitarbeiter sich schon um eine Überprüfung des Spurensicherungsgerätes
kümmern wird.69
Daher sollten die Koffer, wie alle anderen Funk- und Einsatzmittel, zu Dienstbeginn
überprüft werden und ggf. mit fehlenden Spurensicherungsmaterialien aufgefüllt werden.
Sonst kann es leicht passieren, dass man an einem Tatort eine Werkzeug- oder Fingerspur
sichern möchte, dies aber auf Grund fehlender Sicherungsmittel nicht möglich ist.
6.2.2 Spurenschutz
Nachdem eine Einzelspur erkannt wurde und aus zwingenden Gründen, z.B. drohende
Vernichtung von Spuren, keine Notsicherung erforderlich ist, erfolgt die Sicherung aller
Spuren erst nach Beendigung ihrer Suche am gesamten Ereignisort. Die Schrittweise
Sicherung von einzelnen Spuren im Verlauf der Tatortuntersuchung und die damit
verbundenen Aktivitäten würden immer die Gefahr in sich bergen, noch nicht gefundene
Beweismittel zu beschädigen oder zu vernichten.70
Daher ist es wichtig, einzelne Spuren bis zu ihrer Sicherung vor Vernichtung oder
Beschädigung, z.B. durch Umwelteinflüsse oder menschliches Fehlverhalten, zu schützen.
So kann vorsorglich über eine aufgefundene Zigarettenkippe ein herumstehendes oder
eigens dafür mitgeführtes Gefäß (Glas, Topf) gelegt werden. Gleiches bietet sich bei
aufgefundenen Schuhabdrücken und Schuheindruckspuren an. Sonst kann es leicht
67 Diese Aussage gilt für Berlin, dort sind seit Einführung des „Berliner Modells“ Spurensicherungskoffer
auf den Funkstreifenwagen vorhanden. 68 Vgl. Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 39. 69 Vgl. Kriminalisten Fachhandbuch, KT 24.1. 70 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 105.
31
passieren, dass der Spurensuchende oder ein anderer auf die Spur tritt und diese
unbrauchbar macht.
6.2.3 Spurenmarkierung
Spurenschutz wird durch eine deutliche Markierung der Spur unterstützt, wobei Sinn und
Zweck der Markierung der späteren Sicherung und der Zuordnung von Spuren dient. Eine
häufig verwendete Methode liegt im Aufstellen von Nummerntafeln an den aufgefundenen
Spuren. Diese können fortlaufend oder systematisch, z.B. nach Bereichen,
durchnummeriert sein. Diese Methode vereinfacht erheblich die Fertigung von
schriftlichen Arbeiten, da hierbei nur noch auf gefertigte Fotos, Skizzen und den
Beweismitteln zugeordnete Nummern verwiesen werden muss.
Sollten keine Nummerntafeln zur Verfügung stehen oder unvorteilhaft sein, so können
Spuren auch mittels Kreide, Sprühfarbe oder sonstigen Stiften eingezeichnet werden.
Häufig wird diese Methode im Bereich der Verkehrsunfallaufnahme angewendet. Bei
Verkehrsunfällen ohne Straftatverdacht oder ohne schwer verletzte/getötete Personen
werden die Unfallstellen in der Regel zeitnah nach dem Ereignis geräumt. Um später die
Standorte der Fahrzeuge ausmessen zu können, sollten vorher die Standorte der Fahrzeuge
und sonstige Spuren (Fahrzeugteile) eingezeichnet werden. Aber auch nach anderen
Ereignissen werden häufig Spuren, wie Patronen nach einer Schussabgabe in der
Öffentlichkeit, eingezeichnet und so ihre Lage markiert.
6.2.4 Lichtbildaufnahmen und Videografie
6.2.4.1 Lichtbildaufnahmen
Die Aufgabe der Ereignisortfotografie ist es, den Zustand und die Verhältnisse am
Ereignisort und/oder in dessen Umgebung sowie vorhandene Spuren fotografisch zu
sichern. Sie dient dazu, die Situation am Ereignisort zu erfassen, festgestellte Spuren
fotografisch zu sichern und die Lage von Spuren zu anderen Sachbeweisen zu
dokumentieren. Des weiteren können so Zusammenhänge im Rahmen der Dokumentation
der Arbeit am Ereignisort dargestellt werden, indem sie ein verbindendes Element zur
32
Beschreibung des Ereignisortes im Tatortbefundbericht71 bzw. zur bildlichen Darstellung
in Skizzen/Zeichnungen ist.72
In der Regel eignen sich Digitalkleinbildkameras, da sie sofort das fertige Bild liefern,
wodurch schon vor Ort überprüft werden kann, ob die Aufnahme gelungen ist. An
Ereignisorten, bei denen die normale unprofessionelle Fotografie nicht ausreichend
erscheint, wie z.B. Tatorte von Kapitalverbrechen, sind zur Fotografie Spezialisten der
Kriminaltechnik heranzuziehen.73
Im Rahmen der Fotografie an einem Ereignisort werden zunächst Orientierungsaufnahmen,
welche einen Überblick über die Lage des Ortes zu seiner Umgebung geben,
beispielsweise zu benachbarten Gebäuden, Straßen und Grundstücken, gefertigt.
Anschließend sind Übersichtsaufnahmen zu fertigen, damit der Gesamteindruck vom
Ereignisort festgehalten wird. Dies kann auch von erhöhter Stelle oder ggf. aus dem
Hubschrauber heraus erfolgen. Dabei ist zu beachten, dass der Rotor in Bodennähe
erhebliche Veränderungen am Spurenmaterial verursachen kann.
Sollte es aus räumlichen Gründen nicht möglich sein den gesamten Ort auf einem Bild zu
erfassen, werden Teilübersichtsaufnahmen gefertigt, die es gestatten einen exakten
Überblick über Teilbereiche des Ortes zu erhalten.
Danach erfolgen so genannte Detailaufnahmen, worunter Aufnahmen einzelner relevanter
Spuren, Teile von Spuren, Gegenstände und Veränderungen zu verstehen sind. So sollen
vor allem Zusammenhänge zwischen angetroffenen Veränderungen, wie vom Täter
zurückgelassenes Werkzeug oder umgeworfene Gegenstände, vermittelt werden.
Erst jetzt erfolgt die Fotografie einzelner Spuren in Form von Nahaufnahmen. Die
Spurenfotografie ist einerseits Teil der Tatortfotografie sowie auch direktes Mittel der
Spurensicherung. Es gibt Spuren, die ausschließlich fotografisch und nicht mittels anderer
Verfahren gesichert werden können.74
Als Beispiel wäre hier die Schuheindruckspur im Schnee zu nennen. Bei der
Spurenfotografie ist zu beachten, dass die Einzelspur mit deutlich sichtbarer Markierung,
71 In Berlin: Tatort- und Ermittlungsbericht. Es besteht die Möglichkeit Digitalfotos im Vorgang
abzuspeichern und so jederzeit auf diese zurückzugreifen. 72 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 68 ff. 73 Vgl. Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 43. 74 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 69.
33
der Spurennummer und angelegtem Maßstab, mit dessen Hilfe die Größe der Spur
verdeutlicht wird, fotografiert wird.75
6.2.4.2 Videografie
Seit einiger Zeit hat neben der Fotografie insbesondere die Videografie am Ereignisort an
Bedeutung gewonnen. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, noch andauernde dynamische
Prozesse am Ereignisort anschaulich und beweiskräftig zu dokumentieren. Die Technik
ermöglicht es, fließend von Orientierungs-, Übersichts-, und Teilübersichtsaufnahmen zur
Spurenfotografie überzugehen und Detailaufnahmen fertigen zu können.
Durch die dokumentarische Erfassung dynamischer Prozesse können Handlungs- und
Bewegungsabläufe sowie Folgen von Straftaten in ihrer Komplexität dargestellt werden.
Die Aufnahmen können sofort wiedergegeben werden und somit für das weitere taktische
Vorgehen bei der Spurensuche und Spurensicherung genutzt werden.
Durch synchrone Bild- Tonaufzeichnung bietet die Videografie die Möglichkeit, den
wesentlichen Teil der Erhebung des objektiven Tatbefundes sprachlich originär und
bildhaft zu dokumentieren.76
6.2.5 Beschreibung und Zeichnung von Spuren
Nachdem aufgefundene Spuren fotografiert wurden, sind diese vor ihrer Sicherung zu
beschreiben.
„Dadurch werden eine doppelte Sicherung erreicht und Informationen gegeben, die anders
nicht dokumentiert werden können, z.B. den Aggregatzustand von Materialien,
reflektierende Wirkungen oder Gerüche.“77
Auch kann dies für Zwecke der Fertigung des Tatortbefundberichts oder für Zwecke des
späteren Beweises notwendig sein.
75 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 107. 76 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 71. 77 Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 64.
34
Beispiel:
Ein Beschuldigter eines Tötungsdelikts behauptet in seiner Vernehmung, dass er die
Flasche während der Streitigkeiten mit dem Getöteten bereits in der Hand hielt und daraus
trank. Als er durch den Getöteten gereizt wurde, schlug er im Affekt die Flasche gegen
dessen Kopf. Im Rahmen der Tatortbefundaufnahme wurden Fingerspuren an der Flasche
aufgefunden und der sog. Greifakt skizziert und beschrieben. Die nun herangezogene
Skizze zeigt eindeutig, dass der Beschuldigte die Flasche nicht mit der Öffnung nach oben
hin anfasste, sondern das die Öffnung nach unten zeigte (Daumen weit entfernt von der
Öffnung; kleiner Finger nah an der Öffnung). Diese Griffsituation ist eindeutig nicht zum
Trinken aus einer Flasche geeignet, womit die Aussage des Beschuldigten widerlegt wäre.
6.2.6 Planzeichnungen und Skizzen
Soweit erforderlich sind Planzeichnungen und Skizzen von einem Ereignisort anzufertigen.
Dies kann zur Wiedergabe einer Tatortsituation von Bedeutung sein, wobei z.B. der
Standort von Einrichtungsgegenständen in Räumen oder der Standort von
Sichthindernissen bei Verkehrsunfällen genau festgehalten werden muss.
Die Planzeichnung ist eine maßstabsgerechte Zeichnung vom Ereignisort. Sie stellt hohe
Anforderungen an die Exaktheit der zeichnerischen Darstellung. Hierbei ist zu beachten,
dass die Messdaten in die Skizze aufzunehmen sind.78
„Bei Tatorten in geschlossenen Räumen wird eine Kreuzprojektion … gefertigt.
Vereinfacht dargestellt, muss man sich den Raum als Karton vorstellen, der nach allen
Seiten auseinandergefaltet wird und nun die Form eines kreuzes hat. In diese
Kreuzprojektion können alle Gegenstände und die Maße in der Draufsicht und in der
Seitenansicht eingetragen werden.“79
Sollte die umrisshafte Skizzierung eines Ereignisortes für die Dokumentation genügen, so
ist nur eine Skizze, also eine nicht maßstabsgerechte zeichnerische Darstellung, zu
fertigen.80
78 Siehe auch Ackermann/Clages/Roll, S. 72. 79 Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 63. 80 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 72.
35
6.2.7 Spurensicherung
Nachdem aufgefundene Spuren markiert, fotografiert, beschrieben und ggf. skizziert
wurden, erfolgt jetzt die eigentliche Spurensicherung, wobei Spuren grundsätzlich im
Original zu sichern sind.
„Die Sicherung der Spur durch Mitnahme (u. U. Beschlagnahme) des Spurenträgers ist
insofern besonders günstig, als die Spur im Originalzustand zur Verfügung steht und
Datenverluste durch Veränderung der Spur weitgehend ausgeschlossen werden können.
Allerdings ist es vielfach nicht möglich, die Spur mit dem Spurenträger zu sichern.“81
Wie bereits festgestellt, lassen sich einige Spuren weder im Original noch als Kopie
sichern. Diese sind dann zumindest durch Lichtbildaufnahmen und/oder Beschreibung zu
sichern.
Andere Spuren sind nach ihrer Art, Eigenschaft und dem Träger mittels entsprechenden
Spurensicherungsmitteln zu sichern. Bei dieser kriminaltechnischen Spurensicherung ist es
besonders wichtig, die Sicherungsmethode anzuwenden, die den Informationsgehalt der
Spur optimal bewahrt.82
So werden beispielsweise mittels Rußpulver oder Magna Brush sichtbar gemachte Finger-
und Handflächenabdrücke mit Spurensicherungsfolie gesichert. Werkzeugspuren werden
mittels 2-Komponentenabformmasse gesichert. DNA-Spuren sind mit einem
angefeuchteten Wattestäbchen zu sichern und anschließend nicht Luftdicht zu verpacken.83
Auch die Aufzählung der Spurensicherungsmittel kann, ähnlich der Hilfsmittel bei der
Spurensuche, nur beispielhaft sein, da der Rahmen der Arbeit sonst nicht eingehalten
werden könnte. Jedem sollte aber deutlich geworden sein, dass eine umfassende Kenntnis
der entsprechend anzuwendenden Spurensicherungsmittel und Methoden vorausgesetzt
sein muss. Nur dann kann eine erfolgreiche Spurensicherung durchgeführt werden.
81 Leonhardt/Roll/Schurich, S. 107. 82 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 106. 83 Einen umfassenden Überblick über die entsprechenden Spurensicherungsmethoden bietet Pfefferli.
36
6.2.7.1 Konkurrierende Spurensicherung
„Bietet eine Spur verschiedene Möglichkeiten der Beweisführung, so ist zu prüfen, ob die
Sicherung die Auswertung aller Möglichkeiten zulässt. Ist dies nicht der Fall, so hat die
Entscheidung für den höheren Beweiswert zu erfolgen.“84
Dies kann z.B. eintreten, wenn ein blutiger Fingerabdruck vorhanden ist. Hier könnte
einerseits das Material des Blutes (DNA) gesichert, andererseits die Formung der
Papillarlinien (die Fingerabdruckspur) sichtbar gemacht werden. Das Problem entsteht,
weil die beiden Sicherungsmethoden die jeweils andere Art der Spur zerstört. Das
Abkratzen des Blutes ermöglicht dessen chemische Analyse, zerstört aber die Form des
Fingerabdrucks. Das Sichtbarmachen des Fingerabdrucks beeinträchtigt die chemische
Zusammensetzung des Blutes und macht es für eine Analyse unbrauchbar.
Generell ist in solch einem Fall zunächst die Gesamtsituation zu analysieren. Welche Spur
besser gesichert werden kann und welche den größeren Beweiswert hat, ist ggf. mit
Spezilisten abzusprechen.85
Im o. g. Beispiel ist wiederum eine genaue Kenntnis der einzelnen Spuren, insbesondere
ihres Beweiswertes, erforderlich. Sollte hier die Sicherung im Original nicht möglich sein,
die Analyse zu keinem Ergebnis führen und kein Spezialist des Erkennungsdienstes vor
Ort sein, so hat meiner Meinung nach die Sicherung der Fingerabdruckspur vorrangig zu
erfolgen. Denn eine Fingerspur ist im Gegensatz zur DNA-Spur, welche eben nur mit
Ausnahme von eineiigen Zwillingen einzigartig ist, einmalig und bietet somit einen
größeren Beweiswert.
6.2.8 Operative Auswertung aufgefundener Spuren am Ereignisort
Um weitere Erkenntnisse über die Vorbereitung und die Planung der Tat sowie das
Tatgeschehen und den Handlungsablauf zu gewinnen, sind alle aufgefundenen sachlichen
Beweismittel und bisher gewonnene Informationen zu beurteilen, also operativ
auszuwerten.
„Die Ziele der operativen Auswertung von Spuren bestehen darin, dass 84 Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 66. 85 Vgl. Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 66.
37
• eine Relevanzprüfung der vorgefundenen Spuren durchgeführt wird,
• Anhaltspunkte für Versionsbildung und Untersuchungsplanung gefunden werden,
• Anhaltspunkte für die Feststellung weiterer Spuren zu finden sind,
• Anhaltspunkte für die Beschaffung von Vergleichsmaterial gegeben werden,
• Anhaltspunkte für den Ausschluss von Tatortberechtigten festgestellt werden,
• eine Präzisierung für die Sachverständigenanforderung vorgenommen werden
kann,
• neue Ermittlungsrichtungen festgelegt werden können,
• Anhaltspunkte für Fahndungsrelevante Informationen gefunden werden.“86
So kann beispielsweise im Rahmen der operativen Auswertung an einem Einbruchstatort,
mit aufgefundener großer Blutlache, gefolgert werden, dass sich ein Täter verletzt haben
muss und sich daher in ärztliche Behandlung begeben haben könnte. Hier wären
dementsprechend Ermittlungen bei in der Umgebung liegenden Krankenhäusern
durchzuführen.
6.2.9 Verpackung der Spur
Grundsätzlich sind Spuren mit dem Spurenträger zu asservieren. Davon darf nur aus
abgesehen werden, wenn der Gegenstand nicht transportabel ist oder nicht transportabel
gemacht werden kann, oder eine Verpackung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht
in Frage kommt.
„Die Asservierung muss die Spur vor Verlust, vor Zerstörung, und vor Spurenübertragung
schützen. Das Verpackungsmaterial muss so beschaffen sein, dass die Spur nicht chemisch
und nicht mechanisch verändert wird.“87
Tat- und Vergleichsmaterial ist stets voneinander zu trennen und auch jeweils als solches
zu kennzeichnen.
86 Ackermann/Clages/Roll, S. 68. 87 Weihmann, Kriminaltechnick I, Band 2, S. 67.
38
Diese Grundsätze gelten bereits für die Fahrt vom Ereignisort zur Dienststelle. Somit ist
bereits bei der Anfahrt zu einem Ereignisort, mit eventuell durchzuführender Spurensuche,
geeignetes Verpackungsmaterial mitzuführen.
Die Verpackungen sind zu kennzeichnen. In jedem Fall ist die entsprechende
Vorgangsnummer, der Versender und der Empfänger auf der Verpackung zu vermerken.
Sollten sich in Verpackungen Spuren befinden, die bei Öffnung beschädigt oder vernichtet
werden könnten, so sind diese dementsprechend zu kennzeichnen.
Beispielsweise ist die Verpackung bei zu erwartenden Fingerabdruckspuren mit dem gut
lesbaren und großen Schriftzug „Fingerabdruckspuren“ zu versehen. Gleiches gilt für
Verpackungen mit gefährlichem Inhalt, wie scharfkantigen Werkzeugen oder Messern.
Hier sollte z.B. der Schriftzug „Inhalt: Scharfes Messer“ für jeden gut und auf den ersten
Blick sichtbar auf der Verpackung vorhanden sein. Zusätzlich sind solche Gegenstände so
zu verpacken, dass Verletzungen Dritter ausgeschlossen sind. So ist eine Klinge zu
verkleben oder mehrfach mit Papier zu umwickeln.
6.2.10 Sicherung von Vergleichsmaterial
„Vergleichsmaterial besteht aus Spuren, die beim Verursacher vorhanden sind, z.B. seine
Fingerabdrücke, Haare oder sein Blut. Aber auch Gegenstände, die bei ihm gefunden
werden, z.B. Kleidung, Schuhe, Tatwerkzeug oder Beute. Dieses Vergleichsmaterial wird
zu verschiedenen Zwecken benötigt.“ 88
Insbesondere wird Vergleichsmaterial mit einer am Ereignisort vorgefundenen Spur
verglichen. So wird z.B. die Hebelspur an der Einstiegstür mit dem später gefundenen
mutmaßlichen Tatwerkzeug oder die an der Scheibe haftenden Fingerabdrücke mit denen
des Tatverdächtigen verglichen. Ziel ist es, die Übereinstimmung zwischen Tatspur und
Spurenverursacher herzustellen.
Vergleichsmaterial kann aber auch von befugten Spurenverursachern erforderlich sein.
Dies können tatortberechtigte Personen, Zeugen, hilfeleistende Personen (Arzt, Feuerwehr)
oder eingesetzte Ermittlungsbeamte sein, welche ihre Fingerabdrücke, DNA oder andere
Spuren am Ereignisort hinterlassen haben. Um am Ereignisort gesicherte Spuren dem
88 Berthel, Grundlagen der Kriminalistik/Kriminologie, Band 1, S. 92.
39
Ereignis zuzuordnen oder sie als irrelevant (Trugspuren) zu klassifizieren, ist es notwendig
solches Vergleichsmaterial bei den entsprechenden Personen zu sichern.89
Beispielsweise könnten an einem Safe in einem Büro, bei der Spurensuche nach einem
Einbruch in dieses Büro, diverse Fingerabdruckspuren aufgefunden werden. Um
herauszufinden ob die Spuren vom Täter hinterlassen wurden, sollte eine verantwortliche
Person danach befragt werden, welche berechtigten Personen den Safe vor oder nach der
Tat berührt haben könnten. Von den genannten Personen sind anschließend
Vergleichsfingerabdruckspuren zu nehmen. Nur so können die aufgefundenen
Fingerabdruckspuren durch einen späteren Vergleich mit den Vergleichsfingerspuren der
Tat zugeordnet oder als Trugspuren klassifiziert werden.
Das gesicherte Vergleichsmaterial ist als solches zu kennzeichnen und dem Vorgang
beizulegen, bzw. zur Auswertung einzusenden. Auch hier gelten die Grundsätze der
Spurenverpackung.
7 Zeugen- und Verdächtigenermittlung
Die Zeugen- und Verdächtigenfeststellung erfolgt im Allgemeinen nach der Besichtigung
des Ortes im Verlaufe der Untersuchung am Ereignisort. Ohne die bis dahin erworbenen
Erkenntnisse wäre ein zielgerichtetes Vorgehen nicht möglich.
Die Aufgabe, Zeugen und Verdächtige ausfindig zu machen, wird im wesentlichen von
drei Methoden bestimmt, die allerdings in der Realität oft nicht voneinander zu trennen
sind:
1. Den Ermittlungen im Wahrnehmbarkeitsbereich.
2. Den Ermittlungen im Beziehungsfeld von Tatort und Tatopfer, da eine bestimmte
Beziehungslage vermutet wird.
3. Dem Feststellen und analysieren von Bewegungsabläufen.90
89 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 67 ff. 90 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 109.
40
7.1 Ermittlungen im Wahrnehmbarkeitsbereich
Als Wahrnehmbarkeitsbereich wird der räumliche Bereich bezeichnet, innerhalb dessen
Äußerungen oder Handlungen eines Täters, das Verhalten des Opfers oder eingetretene
Folgen eines Ereignisses wahrgenommen werden konnten. Die Bestimmung dieses
Bereichs ist eine wesentliche Voraussetzung für die Ermittlung von Zeugen und
Verdächtigen.91
7.1.1 Festlegung des Wahrnehmbarkeits- und Ermittlungsbereiches
Wesentliche Grundlagen für die Bestimmung von Wahrnehmbarkeitsbereichen sind die
gesicherten Erkenntnisse bzw. Versionen zur Begehungsweise. Es ist also zu fragen, wie
(akustisch, optisch, oder auf andere Weise), durch wen und wo die gesicherte bzw.
vermutete Begehungsweise, oder einzelne Phasen der Tat, wahrgenommen werden konnte.
Ein Ermittlungsbeamter wird sich an einem Tatort also immer Fragen müssen, ob es
beispielsweise angrenzende Wohnungen, Häuser, Geschäfte, Haltestellenbereiche, Firmen,
Joggingwege usw. gibt, von denen aus jemand etwas gehört, gesehen, gerochen oder sonst
wahrgenommen haben könnte, was mit dem Ereignis im Zusammenhang steht.
Hierbei ist zu beachten, dass einzelne Wahrnehmungen von unterschiedlichen Orten und
aus unterschiedlicher Entfernung wahrgenommen werden können. So kann beispielsweise
ein Schrei noch hinter einem Sichthindernis wahrgenommen, aber die Tat nicht beobachtet
werden.
Die Bereiche, in denen Zeugen und Verdächtige ermittelt werden sollen, müssen mit den
zuvor festgelegten Wahrnehmbarkeitsbereichen nicht völlig identisch sein, sondern können
aus Effektivitätsgründen enger gefasst werden. Die Festlegung kann nach territorial-
baulichen Kriterien (Wohngebiet, Parkgelände, Straßen, Gebäude, Etagen etc.), aber auch
nach personenbezogenen Aspekten (z.B. bestimmte Alters- oder Berufsgruppen)
erfolgen.92
Abschließend sei hier noch zu erwähnen, dass sich Zeugen die während eines Ereignisses
im Wahrnehmbarkeits- und Ermittlungsbereich aufgehalten haben, nun nicht mehr dort
91 Vgl. Diplomarbeit, Fickardt, S. 7. 92 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 111 ff.
41
befinden müssen. Dies können beispielsweise Insassen von öffentlichen Verkehrsmitteln
oder sonst vorbeilaufende Passanten sein.
Um solche Zeugen auswendig zu machen, könnten z.B. die durchfahrenden Buslinien
ermittelt und die Fahrer befragt werden. Auch könnten solche Verkehrsmittel einen
Wochentag später, zur selben Uhrzeit, am Ereignisort angehalten und überprüft werden.
Dabei sind die Insassen zu befragen, ob sie am Vortag auch dieses Verkehrsmittel benutzt
haben und daher Angaben zum entsprechenden Vorfall machen können.
7.1.2 Entscheidung über Art und Methodik der Ermittlungen
Nachdem die Ermittlungsbereiche festgelegt wurden, ist über die zweckmäßige Methodik
der folgenden Ermittlungen zu entscheiden. Dabei spielen das Ereignis, der zeitliche
Abstand zwischen dem Ereignis und der Untersuchung, die Dringlichkeit der
Zeugenfeststellung und die Wirkung des Ereignisses in der Öffentlichkeit eine wesentliche
Rolle.
Beispielsweise könnten alle potentiellen Zeugen einzeln befragt werden, wodurch positiv
auf die Aussagebereitschaft eingewirkt werden kann und Widersprüche sofort geklärt
werden könnten. Da diese Ermittlungen recht aufwendig sein können, wäre andererseits an
allgemeine Aufrufe zur Mitwirkung an eine breitere Öffentlichkeit, z.B. durch Nutzung
von Medien, zu denken. Dabei könnten relativ schnell größere Personenkreise
angesprochen werden, wobei jedoch ein direktes Eingehen auf den potentiellen Zeugen
kaum möglich ist. Der Ermittlungserfolg hängt hierbei vom Willen des Zeugen ab sich bei
den Ermittlungsbehörden zu melden.
Weiterhin sind Überlegungen zu treffen, ob alle Personen im festgelegten
Ermittlungsbereich oder nur bestimmte, nach besonderen Kriterien ausgesuchte, Personen
befragt werden. In der ersten Alternative ist der Aufwand im Allgemeinen recht groß,
wobei aber auch mit größerer Wahrscheinlichkeit bessere Ermittlungsergebnisse zu
erwarten sind. Befragt man nur einen bestimmten Personenkreis, können zwar die
Ermittlungen direkter und effektiver erfolgen, jedoch könnten potentielle Zeugen
übersehen werden und unberücksichtigt bleiben.
Andere taktische Möglichkeiten bestehen z.B. im offenen oder verdeckten Vorgehen. Dazu
sollte sich der Ermittlungsbeamte vorher überlegen, ob tatverdächtige Personen von den
42
Ermittlungshandlungen etwas mitbekommen oder sogar mitbekommen sollen, denn dies
kann zur psychischen Beeinflussung und Verunsicherung des Täters genutzt werden.93
Auch könnten die Ermittlungen primär täterbezogen oder primär tatbezogen erfolgen.
„In der ersten Variante wird der Täter im Allgemeinen im unmittelbaren Umfeld des
Tatortes vermutet, im zweiten Fall fehlen Anhaltspunkte zu seinem Lebensbereich.“94
7.1.3 Befragung von möglichen Zeugen oder Tatverdächtigen
Nachdem der Ermittlungsbereich und die Methoden der Ermittlungen festgelegt wurden,
sind nun die eigentlichen Befragungen durchzuführen, welche zunächst zur
Zeugenfeststellung nur Orientierungscharakter haben. Hierbei ist darauf zu achten, dass
noch nicht alle Details zum Sachverhalt in Erfahrung zu bringen sind, sondern nur
Aufschluss darüber erlangt werden soll, ob die befragte Person tatsächlich Zeuge ist und
vernommen werden soll, ob sie nützliche Hinweise geben kann, ob die Person eventuell als
Täter in Frage kommt oder ob die Aussagen der Person irrelevant sind.
Befragungen sind in der StPO nicht geregelt und unterliegen somit auch keinen
Formvorschriften. Jedoch sind die Übergänge von der formalienfreien informatorischen
Befragung zur Zeugenvernehmung oft fließend. Solange nur die mögliche strafprozessuale
Position der befragten Person festgestellt werden soll, handelt es sich um eine Befragung.
Der Ermittlungsbeamte muss dabei aber stets darauf achten, wann der auskunftswillige
Bürger zum Zeugen oder die befragte Person zum Tatverdächtigen wird. Nach dieser
Feststellung muss der Ermittlungsbeamte die befragte Person zumindest auf seine Rechte
und Pflichten hinweisen.
Da diese sog. Erstbekundungen für die Beurteilungen späterer Zeugenaussagen
entscheidend sein können oder der Beamte in einem späteren Verfahrensstadium eventuell
Aussagen zum Inhalt der Erstbekundungen machen muss, sollten die Befragungen und die
darauf basierenden Äußerungen der Befragten detailliert dokumentiert werden. Denn nicht
selten kommt es vor, dass befragte Personen zum Schutz der Täter oder zum Selbstschutz
die Wahrheit verschweigen oder lügen, wodurch die Ermittlungen in die falsche Richtung
verlaufen.
93 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 113 ff. 94 Leonhardt/Roll/Schurich, S. 115.
43
Auch sollte nicht nur im Rahmen der Befragungen, sondern in allen Verfahrensstadien
darauf geachtet werden, dass Täter- und Tatwissen zu schützen sind. Eine breite Streuung
von Täterwissen führt zur Beeinflussung von Zeugen und verhindert die spätere
Geständnisabsicherung. Individualisierende Details der Tat könnten letztendlich auch aus
anderen Quellen stammen und müssen nicht zwangsläufig nur dem Täter bekannt sein.95
Beispiel:
Der Polizeibeamte X befragte nach einem Einbruch die vermeintliche Zeugin A. Dabei
schilderte er ihr, dass der Täter auf dem Weg zum Tatort einen Hammer als Tatwerkzeug
mit sich getragen haben muss und diesen bei der Tat verwendete. Ziel war es hier die A
speziell zu dem Hammer zu befragen. Einige Zeit später wurde noch der T, welcher der
Zeugin A bekannt ist, befragt. Dieser war der Täter und äußerte versehentlich, dass der
Täter ja einen Hammer bei der Tat verwendete, worauf er zwei Tage später als
Beschuldigter vernommen wurde. Dennoch konnte ihm die Tat nicht nachgewiesen
werden. Denn er behauptete bei seiner Vernehmung, dass er durch A von dem
verwendeten Hammer wusste, welche ja wiederum durch den Beamten X davon erfuhr. In
Wahrheit erfuhr er erst eine Stunde vor seiner Vernehmung, dass der X gegenüber der A
vom verwendeten Hammer berichtete. Hätte der X also bei der Befragung der A darauf
geachtet kein Täterwissen preis zu geben, so hätte dem T die Tat nachgewiesen werden
können.
7.2 Aufklärung des Beziehungsfeldes
Viele Straftaten werden vor dem Hintergrund persönlicher Beziehungen zwischen den
Beteiligten oder von Bindungen agierender Personen an sachliche Gegebenheiten
begangen. Kriminalistisch relevant sind nicht nur Täter-Opfer-Beziehungen, sondern auch
sachliche Bindungen des Täters an den Tatort, an bestimmte Tatobjekte oder an
Tatwerkzeuge.
95 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 115 ff.
44
7.2.1 Merkmale von Beziehungstaten
Auf die Möglichkeit einer Beziehungstat können verschiedene Tatortmerkmale hindeuten.
Insbesondere dann, wenn die Tatortsituation auf konkrete Ortskenntnisse des Täters
schließen lässt, weil offensichtlich zielgerichtet vorgegangen wurde, dem Täter das
Vorhandensein bestimmter Gegenstände bekannt sein musste oder er Kenntnisse über
bestimmte Bedingungen am Tatort hatte, die er offensichtlich bewusst ausnutzte.
Beispiel:
Bei einem Wohnungseinbruch öffnete der Täter nur eine Schublade im Schlafzimmer und
entnahm aus dieser die darin versteckten Geldscheine. Bei der Spurensuche am Tatort wird
durch die Ermittlungsbeamten festgestellt, dass andere Schränke in der Wohnung nicht
geöffnet wurden. In diesem Fall sind die Geschädigten dahingehend zu befragen, wer von
den dort versteckten Geldscheinen wusste oder hätte wissen können. Dementsprechend
sind dann die Ermittlungen fortzusetzen.
Ebenfalls können auch gewisse Tatortsituationen vorhanden sein, die darauf hindeuten,
dass Täter und Opfer sich kannten. Dies kann sein, wenn die Tatbegehung unter
zielgerichteter Nutzung von Lebensumständen des Opfers erfolgte, die der Täter gekannt
haben musste oder wenn vor der Tat Bedingungen geschaffen wurden, die zur
Tatbegehung erforderlich waren.
Beispiel:
Am Tatort eines Einbruchs in ein Einfamilienhaus stellt der Spurensicherungsbeamte fest,
dass die Täter durch eine unverschlossene Kellertür oder mit einem Zweitschlüssel zu
dieser Tür ins Haus gelangt sind. Die 76-jährige Geschädigte äußerte, dass sie zur Tatzeit
im Wohnzimmer ihren Mittagsschlaf hielt. Kurz vorher sei noch ihr 23-jähriger Enkel zu
Besuch gewesen, wobei er auch kurz im Keller war. Nach ihren Angaben ist die Kellertür
immer verschlossen und wurde seit mehreren Monaten nicht mehr geöffnet. Weiter erklärte
sie, dass ihr Enkel, nachdem er aus dem Keller kam, gegangen ist, da er um den täglichen
Mittagsschlaf seiner Oma weiß. Später stellt sich heraus, dass der Enkel seit längerer Zeit
finanzielle Schwierigkeiten hat. Die Geschädigte äußert, dass sie auch dann Strafantrag
stellt, wenn der Täter ihr Enkel ist. In diesem Fall sollten sich die folgenden Ermittlungen
„auch“ gegen den Enkel richten. Zu denken wäre an eine zeitnahe Durchsuchung seiner
Wohnung zur Auffindung der Diebesbeute und an eine Vernehmung.
45
Aber auch gewisse Motive der Tat, wo z.B. nur eine Beziehungsperson Nutzen aus der Tat
ziehen kann oder eine Konfliktsituation zu Grunde liegt, die nur aus persönlichen
Beziehungen entstanden sein konnte, können auf eine Beziehungstat hindeuten.
Beispiel:
A hört durch Zufall ein Gespräch mit, wobei sein Arbeitskollege B dem Arbeitskollegen C
davon erzählt, wie er gestern Abend einen Trickdiebstahl bei G durchführte. Von der
Masche des B empört, gab sich A zu erkennen und sagte dem B, dass er ihn nach der
Arbeit anzeigen würde. Als sich A später im Umkleideraum der Fa. Umzog, kam plötzlich
ein Maskierter Täter herein und schlug mehrfach auf A mit einem Holzknüppel ein. Das
der Täter im Umfeld des A zu suchen ist wird jedem klar sein, denn wer sonst hat Zutritt
zur Umkleidekabine der Firma. Insbesondere sollten hier B und C zur Tat vernommen
werden, wobei vorher zu überlegen ist, ob nicht weitere Beweise zur
Verdächtigenermittlung zu finden sind.
7.2.2 Aufklärungsmöglichkeiten von Beziehungstaten
Ermittlungsansätze sind zunächst in den verwandtschaftlichen Beziehungen des Opfers zu
finden. Diese können unter anderem über vorhandene Melderegister und Standesämter
oder durch Befragungen im sozialen Umfeld aufgeklärt werden.
Auch die berufliche Stellung des Opfers oder dessen soziales Umfeld können eine
wesentliche Rolle spielen. Um hier Kontaktpersonen auswendig zu machen, sollten
Ermittlungen im Arbeitsumfeld (Vorgesetzte, Mitarbeiter, Kunden), sowie bei Freunden,
Nachbarn und sonstigen Bekanntschaften durchgeführt werden.
Wie in den o. g. Beispielen angedeutet sind natürlich auch immer die Motive einer Tat
herauszuarbeiten. Hier könnte der Geschädigte nach möglichen Konflikten oder nach
seinen Interessenlagen befragt werden. Gegebenfalls kann er auch Hinweise zu konkreten
Bereicherungen einer Tat geben.
Des weiteren können an einem funktional bedeutungsvollen Tatort (Verkaufseinrichtung,
Gaststätte, Wohnung) Ermittlungen im Beziehungsfeld durchgeführt werden. Dies ist am
besten durch Befragungen, beispielsweise von Mitarbeitern oder Nachbarn, möglich. Auch
46
wäre hier an Einsichtnahmen in Personallisten, Kundenverzeichnisse oder
Meldeverzeichnisse zu denken.
Bei den Ermittlungen im Beziehungsfeld ist zu beachten, dass sich unter den
festzustellenden Personen sowohl Zeugen als auch Verdächtige befinden können. Daher
sollte auch hier auf den Schutz von Täter- und Tatwissen geachtet werden.
Bei den Ermittlungsüberlegungen sollten auch vergangene Beziehungen, wie frühere
Freunde, Arbeitskollegen, Kunden, eine Rolle spielen, denn auch diese können damals
gewonnene Informationen noch heute zur Tatbegehung nutzen oder frühere Streitigkeiten
als Anreiz nehmen.
Befragungen im Beziehungsumfeld sollen zunächst nur als Grundlage zur
Orientierungshilfe und zur Datenerlangung dienen. Erst wenn sich eine befragte Person als
Zeuge oder möglicher Täter herausstellt, sind meiner Meinung nach weiterführende
Fragen, unter Beachtung strafprozessualer Formvorschriften, an die Personen zu richten.96
7.3 Feststellung und Analyse von Bewegungsabläufen
Die Feststellung der Bewegungsabläufe von Personen zu Fuß oder mit einem Fahrzeug an
einem Ereignisort und in seiner Umgebung im tatrelevanten Zeitraum ist eine
kriminalistische Standartmaßnahme. Dabei erfolgt regelmäßig eine gedankliche
Aufbereitung und Auswertung der Daten zu den Bewegungen. In einer Vielzahl von Fällen
kann eine rein gedankliche Aufbereitung auf Grund zu großer Datenmengen nicht mehr
geleistet werden. Daher müssen dann grafische Methoden zu Hilfe genommen werden,
welche dann wesentlich präzisere Aussagen und Aufschlüsse darüber vermitteln, ob
bestimmte Personen nach den festgestellten zeitlichen und räumlichen Umständen Zeuge
oder Täter sein können.97
96 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 119 ff. 97 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 122.
47
7.3.1 Weg-Zeit-Skala
Unter anderem wäre hier eine Weg-Zeit-Skala98 ein Hilfsmittel zur Analyse von
Bewegungsabläufen. Diese stellt eine Umrechnungshilfe für die Bestimmung von
zurückgelegten Wegstrecken unter Zugrundelegung von Geschwindigkeiten dar. Sie wird
vor allem zu einer ersten Überschlagsrechnung genutzt und ist für beliebige
Geschwindigkeiten und Entfernungen aufstellbar.99
Beispielsweise kann auf einer vorgefertigten Weg-Zeit-Skala vermerkt sein, dass ein
Fahrzeug, welches 30 km/h fährt, in einer Minute 500 m Wegstrecke zurücklegt, sich dabei
mit 8,3 m/s fortbewegt und 12 Sek. benötigt um eine Wegstrecke von 100 m
zurückzulegen. Mit Hilfe einer solchen Skala kann ein Ermittler, sofern er denn
entsprechende Informationen vorliegen hat, erste Überlegungen zu benötigten Zeiten
treffen und diese ggf. bestimmen.
Beispiel:
Im Rahmen der Ermittlungen zu einem Kapitalverbrechen befragt der Ermittlungsbeamte
einen Busfahrer. Dieser erklärt, dass er um 12.25 Uhr an einer in 1500 m Entfernung
liegenden Haltestelle abgefahren ist. Anschließend fuhr er mit genau 30 km/h ohne
anzuhalten weiter und erreichte zu einer ihm unbekannten Zeit den Tatort, wo er noch den
Täter hat wegrennen sehen. Auf Grund der Weg-Zeit-Skala kann der Beamte nun
erkennen, dass der Bus bei dieser Geschwindigkeit 500 m je Minute zurücklegte. Also
muss der Busfahrer um 12.28 Uhr am Tatort eingetroffen sein. Der Täter verließ also
gegen 12.28 Uhr den Tatort.
7.3.2 Weg-Zeit-Parallele
Eine Form der grafischen Darstellung von Bewegungsabläufen ist die Weg-Zeit-Parallele.
Sie dient der Darstellung einer Bewegungskomponente und hat vor allem praktische
Bedeutung. Mit ihr können Bewegungen über einen längeren Zeitraum, Aufenthalte von
Personen an verschiedenen Orten oder wiederkehrende Bewegungsabläufe grafisch
dargestellt werden. So können z.B. Ergebnisse über observierte Personen dokumentiert
98 Siehe Anhang, Bild 6. 99 Siehe auch Ackermann/Clages/Roll, S. 204.
48
oder Rückschlüsse über wiederkehrende Bewegungen eines Botendienstes gewonnen
werden.100
7.3.3 Weg-Zeit-Diagramm
Die häufigste Form zur grafischen Darstellung und Interpretation von Bewegungsabläufen
ist das Weg-Zeit-Diagramm101. Mit ihm lassen sich Bewegungen, Bewegungsrichtungen,
Begegnungspunkte, Aufenthaltspunkte mit Verweildauer, Geschwindigkeiten und
Wegstrecken anschaulich und genau darstellen.102
Auch dient das Weg-Zeit-Diagramm der Überprüfung von Aussagen Verfahrensbeteiligter,
dem Ausschluss von Tatverdächtigen und der Aufdeckung vorhandener Widersprüche.
Insgesamt können Erkenntnisse über territoriale oder zeitliche Anhaltspunkte zum Ablauf
eines Ereignisses und den damit verbundenen Vor- und Nachtatphasen gewonnen werden.
Es besteht nur die Möglichkeit ein Weg-Zeit-Diagramm zu fertigen, wenn orts-, zeit-, und
geschwindigkeitsbezogene Mindestinformationen vorliegen. Jedoch müssen nicht alle drei
Parameter vorhanden sein, zwei Kombinationsmöglichkeiten, z.B. Ort und Zeit, sind
ausreichend.103
„Die Möglichkeiten der Interpretationen und die Sicherheit der Schlüsse hängen nicht
zuletzt davon ab, wie genau die Entfernungen der einzelnen Bewegungsabläufe tatsächlich
feststehen und in welchem Maße sich die zugrunde gelegten Geschwindigkeiten annähern
oder mit ihnen übereinstimmen. Generell kann die Anfertigung von Weg-Zeit-Diagrammen
auch mit variablen (nicht sicher feststehenden) Daten erfolgen, sofern zu anderen
Komponenten konstante, also sichere Daten vorliegen.“104
7.3.3.1 Methodische Schritte zur Erfassung von Bewegungsabläufen
Zu Beginn ist das Ziel der Aufzeichnung der Bewegungsabläufe im konkreten Fall zu
definieren. Ausgehend von den bisherigen Erekenntnissen zum Ereignisort und zum
100 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 204 ff. 101 Siehe Anhang, Bild 7. 102 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 123. 103 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 205 ff. 104 Leonhardt/Roll/Schurich, S. 123-124.
49
Ereigniszeitraum sind der räumliche Bereich und der Zeitraum festzulegen, innerhalb derer
die Bewegungsabläufe festgestellt und erfasst werden sollen.
Anschließend sind die Bewegungsabläufe für diesen Bereich, z.B. durch Befragungen oder
durch Mithilfe der Medien, zu ermitteln und zum Nachweis ihrer Herkunft, beispielsweise
als Zeugenprotokoll oder Ermittlungsbericht, zu dokumentieren.
Danach sind die gewonnen Erkenntnisse in spezifischer Form zu erfassen und
aufzubereiten. Dies kann durch Anfertigung einer tabellarischen Informationsübersicht, in
der Personen mit numerischer Kennzeichnung ihrer Bewegungsabläufe, deren Ausgangs-,
Ziel-, Aufenthalts-, und Begegnungspunkte, der Tatort und andere interessante Orte und
die entsprechenden Zeiten festgehalten werden.
Auch kann ein sog. Entfernungsbild105 als lineare Darstellung der feststehenden oder
angenommenen Entfernungen zwischen allen Ausgangs- und Zielpunkten, den
Aufenthalts- und Begegnungspunkten und allen anderen relevanten Punkten, gefertigt
werden.106 Nach Roll ist die Anfertigung eines Entfernungsbildes nicht unbedingt
zwingend erforderlich, empfiehlt sich aber bei einer Vielzahl von darzustellenden
Bewegungsabläufen.107 Da sich somit Bewegungsabläufe und Entfernungen leichter
darstellen und jederzeit vor Augen halten lassen, kann ich dieser Aussage nur folgen.
Des weiteren könnte eine Arbeitsskizze, mittels eines schematisierten Lageplans, über den
territorialen Bereich aller Bewegungen gefertigt werden. Dazu können beispielsweise
vorhandene Karten oder Lagepläne von Betrieben genutzt werden. In solchen
Arbeitsskizzen sollten Ausgangs- und Zielpunkte, maßstabsgerechte Entfernungen mit
Richtungsänderungen sowie alle anderen relevanten Orte und Punkte (Tatort, Begegnungs-
und Aufenthaltspunkte) erfasst sein.108
7.3.3.2 Anfertigung des Weg-Zeit-Diagramms
Die herausgearbeiteten Bewegungsabläufe sind nun in einem Koordinatensystem
darzustellen, wodurch jetzt die Interpretation der Angaben durch grafische Aufarbeitung
möglich ist. Dazu sind die Maße auf den jeweiligen x- und y-Achsen zu bestimmen und die
105 Siehe Anhang, Bild 8. 106 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 125 ff. 107 Vgl. Ackermann/Clages/Roll, S. 216. 108 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 126.
50
Bezugspunkte festzulegen. Ein Bezugspunkt sollte eine Orts- und eine Zeitangabe
enthalten, die als gesichert gelten kann. Anschließend sind alle zeit-, orts-, und
personenbezogene Daten der Bewegungsabläufe in das Diagramm zu übertragen.
Das Diagramm ist anschließend mit interpretierenden Erläuterungen und einem Protokoll
zu ergänzen. Das Diagramm selbst sollte inhaltlich einer Überschrift mit Angabe des
Ereignisses, dem Koordinatensystem mit Darstellung der Bewegungsabläufe, einer
Legende und den Formaldaten, wie Dienststelle, Aktenzeichen und Anfertigender Beamter,
bestehen.
Das Protokoll sollte unter anderem die zugrunde gelegten Ausgangsdaten und deren
Interpretation enthalten.109 Meiner Meinung nach ist das Protokoll für die spätere
Beweisführung genauso wichtig anzusehen wie das eigentliche Weg-Zeit-Diagramm. Denn
das Protokoll wird in der Hauptverhandlung verlesen, wobei die Gedanken und Ergebnisse
des Ermittlers den zu bewertenden Verfahrensbeteiligten übermittelt werden. Das
Diagramm dient dagegen der grafischen Erfassung und besseren Veranschaulichung der
Bewegungsabläufe, womit es auch eine wichtige Rolle spielt und natürlich nicht in den
Hintergrund gestellt werden sollte.
8 Ergebnisbewertung
Wie schon nach der Spurensicherung eine operative Auswertung aufgefundener Spuren am
Ereignisort erfolgte, so ist nach Abschluss der Zeugen- und Verdächtigenermittlung eine
Analyse und Bewertung der bisherigen Erkenntnisse über das Ereignis und dessen
Mitwirkende vorzunehmen. Dabei sollen erfolgsversprechende Ermittlungshandlungen
erkannt und anschließend umgesetzt werden. Zeugen- und Verdächtigenfeststellung sind
sowohl einzeln auf ihre Relevanz als auch in ihrer Gesamtheit zu beurteilen, um so
bisherige Versionen über das Ereignis, seinen Ablauf und beteiligte Personen zu
präzisieren.110
109 Siehe auch Ackermann/Clages/Roll, S. 218 ff. 110 Vgl. Leonhardt/Roll/Schurich, S. 135 ff.
51
9 Durchsuchung zur Beweismittelsuche in Gebäuden
und Geländeteilen
Gebäude-, Wohnungs-, Zimmer-, oder Geländedurchsuchungen werden oftmals
unüberlegt, unsystematisch und/oder unvorbereitet durchgeführt. Dies kann während der
Durchsuchung zu Missverständnissen zwischen den einzelnen Kräften führen oder
letztendlich nicht zum gewünschten Erfolg, da Räumlichkeit oder Geländeteile
versehentlich oder aus Mangel an Kräften nicht durchsucht werden. Daher möchte ich im
folgenden Abschnitt näher auf die Durchsuchungsplanung und Durchführung eingehen.
Gem. PDV 100 ist die Durchsuchung eine planmäßige, lückenlose Suche nach Personen,
Tieren, Sachen, Daten oder Spuren.111 Sie dient insbesondere dem Ergreifen von
Verdächtigen, dem Auffinden und Sichern von Beweismitteln, dem Auffinden von
flüchtigen, vermissten, verletzten Personen oder von Leichen /-teilen, dem Auffinden von
gefahrbringenden Gegenständen, wie Handgranaten oder sonstigen Sprengmitteln und
Waffen.112
„Die Durchsuchung macht es möglich, Sachbeweismittel der unterschiedlichsten Art zu
finden, die häufig einen deutlich höheren Beweiswert haben als Personalbeweise in Form
von Aussagen des Beschuldigten oder von Zeugen oder Sachverständigen.“113
9.1 Allgemeine Grundsätze
Größere Durchsuchungen sind sorgfältig und systematisch vorzubereiten. Aber auch
kleinere bzw. ad hoc erforderlich werdende Durchsuchungen sollten grundsätzlich nicht
gänzlich ohne Vorbereitung durchgeführt werden. Je nach Lage sind hierzu alle
verfügbaren Informationen, wie z.B. über Personen, Objekte, oder Geländeeigenarten zu
beschaffen und auszuwerten. Erforderlichenfalls sind Durchsuchungen mit der
Staatsanwaltschaft, Fachdiensten und Objektverantwortlichen abzustimmen. Der
Grundsatz der Geheimhaltung, ggf. auch den eigenen Kräften gegenüber, ist
Voraussetzung für eine überraschende Durchsuchung und ist im Einzelfall zu prüfen. Die
111 Vgl. PDV 100, Anlage 20. 112 Vgl. Koch/Schmidt, Band 2, S. 40. 113 Kriminalisten Fachhandbuch, KR 18.2.
52
Durchsuchung ist unter Beachtung von Zeitpunkt, Kräftegliederung, Anfahrt, Vorgehen
usw. zu planen.114
Insbesondere sollte geregelt werden, ob der zu durchsuchende Ort vor der Durchsuchung
freigemacht und/oder freigehalten werden soll. Das Freimachen erfolgt in der Praxis meist
durch Räumung des Gebiets. Dies kann durch selbstständiges Ansprechen,
Lautsprecherdurchsage oder durch speziell dafür angeforderte Kräfte geschehen. Sofern
dies geschehen ist, sollte dafür gesorgt werden, dass der Bereich nicht mehr betreten wird.
In der Regel wird hierfür das Anbringen von Absperrband genügen. Nur im Ausnahmefall,
z.B. beim Vorhandensein von vielen Schaulustigen oder Pressevertretern, empfiehlt es
sich, dass hierzu Personal eingesetzt wird.
Durchsuchungskräfte sind vor Beginn genau in die zu durchsuchenden Abschnitte oder in
ihre Einsatzabschnitte einzuweisen. Somit wird vermieden, dass Räumlichkeiten mehrfach
oder versehentlich gar nicht durchsucht werden.
Des weiteren ist vor der Durchsuchung zu klären, wie sich die Kräfte beim Auffinden von
Gegenständen, insbesondere beim Auffinden einer gesuchten Spur, zu verhalten haben.
Beispielsweise könnte dies bei der Durchsuchung eines Waldstücks durch lauten Zuruf und
Halten der Durchsuchungskette geschehen.115
Gerade längerfristig geplante Durchsuchungen machen es wegen der fehlenden „Gefahr im
Verzug“ erforderlich Durchsuchungsbeschlüsse einzuholen. Um dann sorgfältig und
systematisch planen zu können, sollte dies rechtzeitig geschehen.
Bei vermuteter Anwesenheit der Täter oder ihnen nahe stehenden Personen ist ein
Überraschungseffekt anzustreben, wobei das verdeckte Heranführen der Einsatzkräfte
zweckmäßig sein kann. Somit kann die Beseitigung und Vernichtung von belastendem
Material verhindert werden.116
9.2 Durchsuchung von Gebäuden und Wohnungen
Gebäudedurchsuchungen sind systematisch durchzuführen, es ist zweckmäßig
114 Sieh auch Koch/Schmidt, Band 2, S. 41. 115 Vgl. Koch/Schmidt, Band 2, S. 41. 116 Siehe auch Koch/Schmidt, Band 2, S. 43.
53
• Gebäude von oben nach unten, von Stockwerk zu Stockwerk,
• von Raum zu Raum,
• Räume im Uhrzeigersinn,
• größere Räume sektorenweise,
• größere Gebäude abschnittsweise,
• Wasserfahrzeuge und Gebäude mit „Minusebenen“ von unten nach oben
zu durchsuchen.117
Anlassbezogen kann von diesen Grundsätzen je nach Situation abgewichen werden.
Beispielsweise wird dies bei einem hohen Spurenaufkommen im Treppenhaus und
gleichzeitiger hoher Gefahr der Spurenvernichtung beim Betreten des Hauses erforderlich
werden. In diesem Fall sollte die Spurensuche und Spurensicherung von unten nach oben
erfolgen. Gleiches gilt bei konkreten Hinweisen auf bestimmte Räume oder bei der
Androhung von Anschlägen.118
Auch bei der Tatortbefundaufnahme eines Einbruchsdiebstahls wird eine gut durchdachte
Spurensuche am Briefkasten beginnen und im äußersten Zimmer der Wohnung enden.
Hierbei sei darauf hingewiesen, dass Verschlusssituationen von Türen und ggf. Fenstern
festzustellen sind, wobei die Verschlusssituation vor der Tat vom geschädigten zu erfragen
ist.
Die Durchsuchung einer Wohnung sollte im Uhrzeigersinn erfolgen. Stehen zur
Durchsuchung mehrere Beamte zur Verfügung ist eine sektorenweise Aufteilung, hier pro
Beamten ein Zimmer, sinnvoll. Somit kann ausgeschlossen werden, dass Zimmer nicht
durchsucht werden oder dass sich die Beamten im Zimmer gegenseitig auf die Füße treten.
Gerade kleinere Zimmer können oftmals mit vielen Möbelstücken und sonstigem Hausrat
überfüllt sein. Um hier nicht den Überblick zu verlieren ist es besonders wichtig
systematisch vorzugehen. Wie bereits oben erwähnt ist die Durchsuchung, hier im Rahmen
der Beweismittelsuche, im Uhrzeigersinn durchzuführen. Größere Schränke sollten dann
von oben nach unten oder von unten nach oben durchsucht werden. Ich bin der Meinung,
117 Vgl. Kriminalisten Fachhandbuch, KR 18.13.3.3. 118 Vgl. Koch/Schmidt, Band 2, S. 43.
54
dass es letztendlich egal ist, ob eine Wohnung im Uhrzeigersinn durchsucht wird oder nach
einer anderen Systematik. Hauptsächlich kommt es darauf an, dass nicht einfach drauf los
durchsucht wird, sondern ein Schema im Kopf des zu durchsuchenden Beamten vorhanden
ist, sodass nichts vergessen wird.
Da sich Verstecke und/oder Spuren einer Tat an den seltsamsten Orten befinden können,
sollte beim Betreten eines Zimmers immer ein Blick an die Zimmerdecke gerichtet
werden. Des weiteren sollte, je nach gesuchtem Beweismittel, mit Verstecken unter dem
Teppich, auf dem Balkon, im Keller, auf dem Dachboden oder im Erdreich in der nähe der
Wohnung gerechnet werden.
Bei der Suche nach Verdächtigen ist bereits vor Beginn der Durchsuchung, soweit möglich
während einer längerfristigen Planungsphase, zu beurteilen, ob Spezialkräfte, wie SEK
oder Beamte einer Einsatzhundertschaft, heranzuziehen sind. Dies gilt insbesondere dann,
wenn mit Bewaffnung von Verdächtigen zu rechnen ist oder es Hinweise auf Neigungen
zu Gewalttaten der gesuchten Personen gibt.
Insbesondere eine Hausdurchsuchung sollte für das polizeiliche Gegenüber unvorbereitet
stattfinden. Gegebenenfalls ist schlagartig, auf ein zuvor gewähltes und allen
Einsatzkräften bekanntes Stichwort, eine äußere und/oder innere Hausabsperrung
einzunehmen. Erst dann sind die eigentlichen Durchsuchungskräfte an das Objekt
heranzuführen. Die Durchsuchung von Wohnungen sollte dann durch sog.
Durchsuchungsteams stattfinden. Die Teams sollten sich vorher darüber abstimmen, wer
einzelne Räume betritt und wer als Sicherungsbeamter vor den bereits durchsuchten oder
noch undurchsuchten Räumen im Flur bleibt.
Um sich vorher einen Überblick über den Grundriss der Wohnung und die Anzahl der
Räume zu verschaffen, sollten bei kurzfristigen Aktionen darüber oder darunter liegende
Wohnungen besichtigt werden. Bei längerfristig geplanten Durchsuchungen kann
beispielsweise ein Bauplan mit dem Grundriss der betreffenden Wohnung bei der
zuständigen Wohnungsbaugesellschaft angefordert werden.
55
9.3 Durchsuchung von Geländeteilen
Eine Abschnittsbildung richtet sich nach Kräftelage und Größe des
Durchsuchungsbereichs. Hierbei sind Wege, Schneisen und Freiflächen für
abschnittsweises Vorgehen bzw. auch zum Ordnen der Kräfte zu nutzen. In der Regel wird
die Absuche von Geländeteilen systematisch unter Nutzung einer so genannten Polizeikette
durchgeführt, wobei der Anschluss grundsätzlich nach rechts zu halten ist und sich die
Geschwindigkeit nach dem langsamsten Glied richtet. Sofern die Durchsuchung in einem
Waldgebiet stattfindet, sind Baumbeobachter, welche ständig nach oben schauen und in
den Baumkronen nach Gegenständen suchen, einzusetzen.
Insbesondere sind Form, Bewuchs, Begrenzung und Bebauung des Geländes, aber auch
Licht- und Sichtverhältnisse, sowie der Stand der Sonne, zu berücksichtigen. Auch die
Windrichtung beim Einsatz von Diensthunden und eine mögliche Eigengefährdung und die
Gefährdung von unbeteiligten Personen spielen eine wesentliche Rolle und dürfen daher
nicht unberücksichtigt bleiben.119
„Die Durchsuchungsrichtung ist unter Berücksichtigung dieser Faktoren eindeutig
festzulegen, wie z.B.
• zur schmalen Seite hin (eine Kräftereduzierung ist leichter zu vollziehen, als das
Verstärken der Kette während der Durchsuchung),
• von Ortschaften weg (in Richtung von Ortschaften nur, wenn nicht mit
Waffengebrauch zu rechnen ist),
• zum übersichtlichen Gelände hin (Deckungs- bzw. Versteckmöglichkeiten zuerst
durchsuchen; insbesondere wenn mit bewaffnetem Widerstand zu rechnen ist, sind
diese Gebiete vorzugsweise von Spezialeinheiten zu durchsuchen),
• mit der Sonne im Rücken
• bergab (insbesondere bei der Suche nach Rechtsbrechern; bei der Suche nach
Leichen, Sachen, Beweismitteln und Spuren, kann auch bergauf durchsucht
werden),
119 Vgl. Koch/Schmidt, Band 2, S. 44.
56
• beim Einsatz des Diensthundes gegen den Wind (Aufnehmen und Halten von
Fährten)
• bei möglichem Schusswaffeneinsatz nicht aus mehreren Richtungen
(Kreuzfeuer).“120
Wird ein Gegenstand gefunden, so ist dies durch einen lauten Ruf „Fund“ bekannt zu
geben, worauf die Polizeikette zunächst anhält. Hierbei bleibt jeder Beamte auf seiner
Position stehen und läuft nicht einfach zum Fundort. Nachdem der aufgefundene
Gegenstand oder die gefundene Spur entsprechend gesichert oder zunächst nur markiert
und geschützt wurde, ist die Durchsuchung fortzusetzen. Ggf. ist ein Sicherungsbeamter
am Fundort zurückzulassen.
10 Fazit
Nicht nur die Suche nach Beweismitteln, sondern die gesamte Arbeit an einem Ereignisort
ist Bestandteil eines methodischen Vorgehens. Ohne vorherige Sicherung des Ortes mit
Schutz des materiellen Milieus und der Wahrnehmungsinhalte, sowie ohne Feststellung
und Analyse der Ausgangslage wird sich eine erfolgsversprechende Beweismittelsuche
nicht gestalten lassen.
Die Suche nach materiellen Beweismitteln wird ohne die gedankliche Arbeit im Kopf eines
Kriminalisten zu umfangreich oder kaum möglich sein, da ein zielorientiertes Arbeiten
ausgeschlossen ist.
Ebenso wird es unmöglich sein, ohne Hilfsmittel der Spurensuche auszukommen. Viele
Beweismittel würden unentdeckt bleiben und der Wahrheitsfindung fehlen. Die vielfältigen
Möglichkeiten und Hilfsmittel der Spurensuche sollten jedem Kriminalisten bekannt sein.
Sich nur auf vermeintliche Fingerabdruck- oder Formspuren zu konzentrieren wäre
schlichtweg fatal und ließen die eigentlichen Möglichkeiten unausgeschöpft.
Eine Beweismittelsuche darf sich nicht nur auf das materielle Milieu erstrecken. Auch
Zeugen und Beschuldigte zählen zu den Beweismitteln. Zeugen liefern oftmals wichtige
120 Koch/Schmidt, Band 2, S. 44.
57
Hinweise zu Ereignissen, sie zu ermitteln muss daher genauso akribisch umgesetzt werden
wie die Spurensuche.
Hierbei ist zu beachten, dass sich der Ermittler nicht nur auf den Tatort konzentriert,
sondern auch andere Möglichkeiten zur Ermittlung, wie die Festsetzung des gesamten
Wahrnehmbarkeitsbereichs, in Betracht ziehen muss.
Letztendlich ist das hier von mir vorgestellte Modell ein Grundgerüst, welches beim
methodischen Vorgehen bei der Suche nach Beweismitteln genutzt werden kann.
Sicherlich muss beispielsweise die Suche nach materiellen Beweismitteln nicht zwingend
vor der Zeugen- und Verdächtigenermittlung erfolgen.
Auch die umgedrehte Variante ist möglich, wobei jedoch immer mit Spurenvernichtung,
sei es durch Personen oder Umwelteinflüsse, gerechnet werden muss.
Die sinnvollste Variante ist und bleibt meiner Meinung nach ein arbeitsteiliges Vorgehen.
Dies bedeutet, dass nicht einer allein, sondern mehrere Beamte einen Ereignisort, sei er
auch noch so klein oder unbedeutend, aufsuchen. So können sich einer um die
Spurensuche und der andere um die Aufnahme des Sachverhaltes und die Zeugen- und
Verdächtigenermittlung kümmern.
58
11 Anhang
Bild 1 Bild 2
Zentripetales Vorgehen: Zentrifugales Vorgehen:
Spiralförmiges Suchen von außen zum Spiralförmiges Suchen vom Zentrum des Zentrum des Ereignisortes. Ereignisortes nach außen hin.
Bild 3 Bild 4
Linienförmiges Vorgehen: Diagonales Vorgehen:
Paralleles Suchen in festgelegten Bahnen. Suche in festgelegten Bahnen von verschiedenen Seiten mit Überkreuzung.
Bild 5
Sektorales Vorgehen:
Abschnittsweises Suchen, wobei innerhalb der Abschnitte wieder zentripetal, zentrifugal linienförmig oder diagonal durchsucht werden kann.
59
Bild 6 121
Weg-Zeit-Skala:
Umrechnungshilfe für die Bestimmung von zurückgelegten Wegstrecken.
Bild 7 122
Weg-Zeit-Diagramm:
Dient der grafischen Darstellung und Interpretation von Bewegungsabläufen.
121 Ackermann/Clages/Roll, S. 205, Abb. VIII.2. 122 Ackermann/Clages/Roll, S. 221, Abb. VIII.7.
60
Bild 8
Entfernungsbild:
Dient als lineare Darstellung der feststehenden oder angenommenen Entfernungen zwischen allen Ausgangs- und Zielpunkten.
61
Selbstständigkeitserklärung
Hiermit versichere ich die vorliegende Arbeit selbstständig und nur unter Verwendung der
angegebenen Quellen angefertigt zu haben.
Mit einer Veröffentlichung erkläre ich mich einverstanden.
Berlin, den 27.03.2008 ____________________________ Marko Kuhla