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„Wozu brauchen wir das?“ –Eine legitime Schülerfrage
� Taucht auf, wenn die Algebra einsetzt.
� Erledigt sich bei Fermi-Aufgaben von selbst.
Dieser Aufgabentyp ist nach
Enrico Fermi (1901-1954)
benannt, einem italienischen Physiker.
Fermi liebte diese Art von Aufgaben und warb für sie bei seinen Studenten.
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Wer war Fermi?
Enrico Fermi (1901-1954)
� machte mit 17 Abitur und
� promovierte mit 21 in Physik
� lehrte ab 1925 Mathematikan der Uni Florenz
� wurde 1927 als Professor fürtheoretische Physik an die Uni Rom berufen
� emigrierte 1938 in die USA, um den Faschisten zu entgehen
� erhielt im selben Jahr den Nobelpreis für Physik
Ø Durch Beschuss von Radium mit langsamen Neutronen gelang ihm die
Erzeugung zahlreicher neue Isotope.
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Nach Fermi benannt …
� Fermion (Teilchen mit halbzahligem Spin)
� Fermi-Dirac-Statistik (gültig für Fermionen)
� Fermi-Geschwindigkeit (näherungsweise temperatur-unabhängige Geschwindigkeit der Elektronen)
� Fermium (chemisches Element der Ordnung 100)
� Fermi (Längeneinheit 10-15 Meter)
� Fermilab (Teilchenbeschleuniger in Illinois, USA)
� Fermi-Aufgabe (Abschätzung der Größenordnung einergesuchten Zahl)
� …
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Eine typische Fermi-Aufgabe
Schätze die Zahl der DIN-A4-Blätter, die von den Studierenden der UDE im Laufe eines Semesters verschrieben werden.
Kennzeichnend ist
� niemand kennt die genaue Antwort
� das Ergebnis hängt von den Annahmen ab
� wichtiger als das Ergebnis ist der Weg, der Findungsprozess
� nur die Größenordnung des Ergebnisses interessiert
� eine rasche Antwort mit wenig Aufwand.
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Fermi-Aufgaben …
� stärken den Bezug zur Realität (Daten werden selbst erhobenund nicht – wie bei Textaufgaben – ungeprüft übernommen)
� fordern zum vereinfachenden Modellieren heraus
� sind Anlass zum umsichtigen Umgang mit Größen undEinheiten
� fördern selbstständige und kooperative Lernformen
� regen zum Kommunizieren und Argumentieren an
� belohnen kritischen Vernunftgebrauch
� lassen differierende Lösungswege – und Ergebnisse – alsnatürlich erscheinen
� werfen mehr Fragen auf als Antworten
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Was zeichnet Fermi-Aufgaben aus?
Sie sind …
� realitätsbezogen
� von eher spielerischem Charakter(was den typisch mathematischen Blick auf die Welterleichtert – und schult)
� herausfordernd(auf einer eher inhaltlichen als technischen Ebene)
� offen (viele Zugänge und Lösungswege)
Genau das macht sie für Lernende so attraktiv!
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Warum Fermi-Aufgaben im Unterricht?
Fermi-Aufgaben …
� stärken das Selbstbewusstsein(„Wir können was!“)
� entwickeln wichtige Kompetenzen(Modellieren, Argumentieren, Validieren, Kommunizieren, …)
� regen zum Weiterfragen an(„Was wäre, wenn …“)
� motivieren zur Beschäftigung mit Mathematik(Sinnfrage!)
� stärken die Beziehung Mensch-Mathematik(Gewinnen eines eigenen Standpunktes)
Genau das macht sie für Lehrende so attraktiv!
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Wie entwickele ich Fermi-Aufgaben?
Den Weg weisen typische Fragen:
� Wie viele ( … Blätter hat dieser Baum)?
� Wie groß ( … müsste ein Parkplatz sein, der alle Autos vonEssen fasst)?
� Wie weit ( … geht ein Mensch im Laufe seines Lebens)?
� Wie oft ( … pfeifen die Schiedsrichter während einerBundesligasaison)?
� Wie schwer ( … ist der Eifelturm)?
� …
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Richtige Mathematik?
Ja, denn
� die Art des Fragens und
� die Art des Herangehens
sind typisch mathematisch.
Genau das macht nicht zuletzt die Faszination der Fermi-Aufgaben für alle Beteiligten aus.
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Lernen fürs Leben?
Ja, denn auch im „echten“ Leben geht es meist eher ums
Schätzen als ums Rechnen
� Wie viel Zeit wird mich das kosten?
� Werde ich genug Geld im Alter haben?
� Ist das Angebot den Preis wert?
� Lohnt sich für mich der Kauf eines Hauses?
� …
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Fermi-Aufgaben schon für Grundschüler?
Ja, auch für sie! – Mögliche Fragen:
� „Wie oft dreht sich das Vorderrad, wenn du von Sulzbachnach Heidelberg fährst?“
� „Wenn alle Autos Deutschlands hintereinander stehenwürden, wie lang wäre die Schlange?“
� „Wie viele Reiskörner sind ungefähr in einer Kilopackung?“
� „Wie viele Kühe brauchen wir für unsere Stadt, damit jederEinwohner täglich ein Glas Milch trinken kann?“
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Wie strukturiere ich den Lösungsweg?
Das suche ich:
Das weiß ich:
Das nehme ich an:
So gehe ich vor:
� zeichnen� überschlagen� schätzen� messen� rechnen� …
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Worauf kommt es an?
� Wie bin ich zu meinem Ergebnis gekommen?(Annahmen, Folgerungen, Rechnungen, …)
� Wie hängt mein Ergebnis von meinen Annahmen ab?(„Was wäre, wenn …?“)
� Stimmt die Größenordnung meines Ergebnisses?(„Kann das sein?“ – „Untere Schranke, obere Schranke?“)
� Habe ich alle Hilfsmittel ausgeschöpft?(Internetrecherche, Ausprobieren, Messen, …)
� Bieten sich alternative Lösungswege?(Gegencheck)
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Die Fermi-Box
Autoren:
� Andreas Büchter, Wilfried Herget, Timo Leuders, Jan Müller
Verlag:
� Friedrich Verlag
Inhalt:
� Lehrerheft
� Box mit 80 Fermi-Fragen zu acht Themen:
Ah! Oh! – KuriosesHStadt, Land, FlussD
Sport und FreizeitGNatur und UmweltC
BerufsweltFIch und mein KörperB
Wirtschaft und TechnikEUnsere SchuleA
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Was sagt das Lehrerbuch weiter?
Wir übergehen, dass dann noch die Fermi-Karten aufgezählt werden, die sich ebenfalls ums Abzählen drehen.
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Rückblick
Wir gehen zurück und fragen, ob das Stufen Zählen eine gute Fermi-Aufgabe ist.
Vergegenwärtigen wir uns dazu nochmals den Anfang:
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Fermi-Aufgaben …
� stärken den Bezug zur Realität (Daten werden selbst erhobenund nicht – wie bei Textaufgaben – ungeprüft übernommen)
� fordern zum vereinfachendem Modellieren heraus
� sind Anlass zum umsichtigen Umgang mit Größen undEinheiten
� fördern selbstständige und kooperative Lernformen
� regen zum Kommunizieren und Argumentieren an
� belohnen kritischen Vernunftgebrauch
� lassen differierende Lösungswege – und Ergebnisse – alsnatürlich erscheinen
� werfen mehr Fragen als Antworten auf
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Ich hoffe, Ihr Appetit ist geweckt!
Die Übungen mögen ihn verstärken, denn:
Der Appetit kommt beim Essen …
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LiteraturAndreas Büchter et al.: Die Fermi-Box. 84 Karteikarten in einer Box mit Lehrerkommentar. Seelze-Velber 2007.
Gerd Hinrichs: Modellieren im Mathematikunterricht. Heidelberg 2008.
Sabine Kaufmann: Umgang mit unvollständigen Aufgaben. Fermi-Aufgaben in der Grundschule. In: Die Grundschulzeitschrift. Heft 191 (2006), Seite 16-20 inkl. Beihefter.
Heinrich Winter: Alltag und mathematische Begriffswelt – ein Beispiel aus dem Tennis. In: Selter/Walther: Mathematik lernen und gesunder Menschenverstand. Stuttgart 2001, Seite 211-221.