Download - Mischoke e.V
Mischpoke e.V.Kommunikationskonzept für einen Kunstverein
Diese Diplomarbeit ist an der Bergischen Universität
Wuppertal entstanden — bei Prof. Hans Günter Schmitz
und Dr. Bernhard Uske.
Vielen Dank für die Unterstützung.
Mein weiterer, ganz besonderer Dank gilt:
Meiner Mischpoke
Meiner Kiki
Meiner lieben Familie
Meiner Musik
Vanessa Tjardes
Druckerei Ackermanns
Peter Boden
Andreas Roffmann
Sabine Koch
Allen Kommilitonen
Kristina Berthold
Steffen Szary
Christopher Ledwig
Petra Specht
Druckerei Wartmann
Firma Memo
Kulturbüro M‘gladbach
Ariane Haddad
Druckerei Scan+Proof
5 Einleitung
7 Vorwort
9 Exposition
10 Projektbeschreibung
13 Mischpoke e.V.
15 Kommentar
17 Satzung des Kunstvereins
21 Mitwohnkunstzentrale in Mönchengladbach*
23 Kunst mit Subversion*
25 Paradiesische Kammerspiele*
27 Kunst in der sterilen Zahnarztpraxis*
29 Kammerspiele in alter Zahnarztpraxis*
31 Ausstellung „Kammerspiele“
53 Kunstvereine
55 Gründungsgeschichte
59 Querschnitt
69 Erscheinungsbilder
69 im Vergleich
79 Konzeption & Gestaltung
81 Zielsetzung
83 Zur Gestaltung
85 Logo
91 Visitenkarten
95 Briefpapier
101 Website
105 Internet-Forum
107 Plakate
115 Einladungskarten
123 Lageplan zur Vorbereitung
129 Lageplan zur Ausstellung
139 Losverfahren
143 Gästebuch
145 Kunst und Kontext
151 Entstehung
163 Anhang
165 Literaturverzeichnis
* Zeitungsartikel
Inhaltsverzeichnis
4
Ein
leitu
ng
5
6
Einleitung > Vorwort
7
Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass
das Blättern von Design-Blogs und -zeitschriften eher
vom Kern der eigenen Aufgabe ablenkt, als dass es zu
guten Ideen führt und habe mich deswegen weder im
praktischen, noch im theoretischen Teil dieser Diplom-
arbeit stark von äußeren Einflüssen leiten lassen.
Vielmehr habe ich versucht, Konzeption und Gestaltung
ganz konkret an den Möglichkeiten und Bedürfnissen von
„Mischpoke e.V.“ auszurichten und somit auf die realen
Gegebenheiten zu reagieren.
Eine Besonderheit: Ich war (und bin) kein Außenste-
hender, sondern Teil des inneren Zirkels, Gründungsmit-
glied des Kunstvereins. Oft war es deshalb nicht leicht,
zwischen Diplomarbeit und Vereinstätigkeit zu unterschei-
den — beides war eng miteinander verzahnt.
Mal habe ich die Satzung des Vereins verfasst, mal
habe ich ein Logo entworfen. Mal habe ich Räume besich-
tigt, mal Visitenkarten perforiert, mal Besucher durch die
Ausstellung geführt und mal Plakate gestaltet.
Ein klarer Vorteil: Als Kommunikationsdesigner ist man
selten so nah dran, dass man die gesamte Identität einer
Unternehmung mitgestalten darf, statt sie (wie sonst) „nur“
visuell zu interpretieren. Idealbedingungen für die Konzep-
tion einer „Corporate Identity“.
Ein Nachteil: Die unzähligen Vorstandstreffen und
die Vorbereitungen zur Ausstellung „Kammerspiele“ (28.
Januar — 13. Februar 2011) haben viel Zeit geraubt und
Nerven gekostet.
Manchmal tat’s gut, manchmal tat’s weh.
Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich fünf Jahre Studium
ausgerechnet mit diesem Projekt zum Abschluss bringe
— keine Erfahrung im Elfenbeinturm, sondern eine auf der
Straße.
Der konzeptionelle und theoretische Teil dieser Diplom-
arbeit spiegelt den abwechslungs- und facettenreichen
praktischen Prozess authentisch wider und versteht sich
als Collage rund um das Thema „Mischpoke e.V.“:
Mal geht es um Corporate Identity, mal um Kunst, mal
um Mischpoke und mal um mich und die Reflexion der
eigenen Arbeit.
Jedes Kapitel habe ich so interpretiert, wie es mir
am passendsten erschien: Mal sehr förmlich, mal eher
gelassen — manchmal aus der Ich-Perspektive; hier eine
Schlagzeile, dort ein Gedankenexperiment.
Hier und da war es unmöglich den oft intuitiven
Arbeitsprozess nachträglich in Theorie und Praxis, in Kon-
zeption und Gestaltung zu zerteilen.
Eine Erkenntnis möchte ich an dieser Stelle noch
loswerden:
An die Größe des visuellen Kosmos ist man als De-
signer gewöhnt: Durch wachsende Ortskenntnis fällt es
hier mit der Zeit immer leichter, bewusst bestimmte Wege
einzuschlagen, um das richtige Ziel zu erreichen.
Wenn man die leeren Seiten aber plötzlich mit Worten
füllen soll — statt mit Zeichen — dann beginnt man zu
ahnen, dass es in der Wortwelt ebensoviele Werkzeuge
gibt, um Bilder hervorzurufen, wie in der Bildwelt.
Mir hat das wieder mal Respekt eingeflößt: Was ein
Text alles sein kann, ist unglaublich.
Vorwort
Statement zur Vorgehensweise
Philipp Königs
+49.163.428583
1
philipp@mischp
oke.eu
www.mischpoke.
eu
8
Einleitung > Exposition
9
Im März 2009 lud mich ein Freund, der Kunst studiert, zu seiner Ausstellung
ein. Pension Flora war ihr Titel und stattgefunden hat sie in einer leerstehen-
den Villa im Gründerzeitviertel von Mönchengladbach — Goethestraße 95.
Das Gebäude war tatsächlich mal eine Pension, angeblich hat es eine Zeit
lang sogar als Stundenhotel gedient. Als ich dort eintraf war es jedenfalls
schon seit geraumer Zeit unbewohnt und dennoch brannte rotes Licht über der
Eingangstür. Und es wimmelte von Leuten.
Elf Künstler hatten in den vergangenen Wochen im Haus gewohnt und gear-
beitet. Die Ergebnisse ihres Schaffens konnte man sich nun ansehen.
Einige gute Freunde waren da und ich hatte einen wunderbaren Abend:
Lange, intensive Gespräche sind immer ein sicheres Indiz dafür. Ausgedacht
und organisiert hatte das alles Alex Hermanns — ein guter Bekannter, selbst
auch Künstler.
An die Kunst kann ich mich heute kaum erinnern, mehr noch an die Tapete
und an die Waschbecken in jedem Zimmer.
Die Räume erzählten ihre Geschichte. Gute Atmosphäre — genau mein Ding.
Ein gutes Jahr später bekam ich wieder einen Flyer in die Hand:
Castle Of Discipline — Gruppenausstellung im alten Van-Laack-Gebäude,
wieder in Mönchengladbach, Eröffnung am 9. Juli 2010.
Es war heiß. Dieses Mal hatten 37 Künstler Platz gefunden. Wieder war ich
mit Freunden da, wieder hatte ich meinen Spaß, und wieder war ich beein-
druckt von den Räumen.
Wieder auch hatte Alex die Ausstellung organisiert. Diesmal allerdings mit Un-
terstützung von zwei Freunden: Das Projekt setzte sich also fort und wuchs an.
Kurz nach Ende dieser zweiten Ausstellung habe ich Alex dann zufällig
getroffen, ihn für die Aktion gelobt und meine Hilfe angeboten — für den Fall,
dass ein Grafikdesigner gebraucht würde. Wir vereinbarten, in Kontakt zu blei-
ben, haben das auch tatsächlich geschafft, und ich war völlig unverhofft nicht
mehr auf der Suche nach einem Diplom-Thema.
Exposition
10
Den Kunstverein „Mischpoke e.V.“ gab
es schon bevor er ein Kunstverein war
und „Mischpoke e.V.“ hieß.
Die beiden Mönchengladbacher Ausstellungen Pension Flora (2009) und
Castle Of Discipline (2010) sind bei Künstlern, Publikum und Presse auf
großes Interesse gestoßen. Ein Grund hierfür liegt in der Besonderheit des
Ausstellungskonzeptes:
Beide Veranstaltungen fanden in leerstehenden Gebäuden statt. Keine
hermetischen Räume, sondern Tapeten, Kabel und flackerndes Licht — einfach
anders als Museum und Galerie, und deshalb schon sehenswert. Außerdem
durfte man plötzlich Häuser und Räume betreten, mit denen man als Mön-
chengladbacher durchaus eine Geschichte verbindet: Die alte Pension auf der
Goethestraße (angeblich mit Rotlicht-Vergangenheit) und die Ex-Firmenzen-
trale von van Laack. Beinahe Grund genug hier vorbeizuschauen. Und dann
auch noch bespielt mit Kunst: Bei Pension Flora waren es 11 Künstler, die die
Etagen füllten, bei Castle Of Discipline 37 — aus Deutschland, Norwegen,
Japan und Israel. Alle hatten Lust mitzumachen und mit einer eigenen Idee auf
die Räume zu reagieren.
Über 1.000 Besucher und sehr viel Zuspruch waren für die Initiatoren
schließlich der Anlass das Projekt fortzuführen und ihm darüber hinaus ein soli-
des Fundament zu verpassen.
Eines war nämlich klar: Weder alleine (2009) noch zu dritt (2010) kann man
den Aufwand, den jede Ausstellung verursacht, dauerhaft betreiben: Räume
finden, Künstler fragen, Termine abstimmen, Aufbauen helfen, Flyer drucken,
Presse bedienen, Ordnungsamt beschwichtigen, Besucher begrüßen, Erfolg
feiern, Aufsicht führen, abbauen, putzen und durchatmen ist einfach zu viel für
wenige.
Dafür braucht es eine Gruppe, oder besser noch: eine Bande, eine Misch-
poke. Also vergrößerte sich das Team.
Zum Erfinder Alexander Hermanns und seinen Mitstreitern Stefan Sturm
und Taka Kagitomi stießen nun: Denise Mungan, Heiko Räpple, Wolfgang
Hahn, Ulrike Lua und ich, Philipp Königs.
Wir trafen uns, verstanden uns und gründeten einen Verein.
Projektbeschreibung
Einleitung > Projektbeschreibung
11
Das ist der Ausgangspunkt dieser Diplomarbeit, die sich mit der Entwick-
lung eines Kommunikationskonzeptes für den Kunstverein „Mischpoke e.V.“
befasst. Ziel war es, dem Verein eine visuelle Identität zu geben.
Die Diplomarbeit umfasst den gesamten Prozess — von der Konzeption
über die Gestaltung bis hin zur konkreten Umsetzung aller erdachten Medien
und Maßnahmen.
Entwickelt wurden neben einem Schriftzug und den klassischen Medien —
wie Briefpapier, Visitenkarten und Plakaten — auch eine Website, ein Internet-
Forum, Einladungskarten, Lagepläne, verschiedene Stempel, ein Gästebuch
und eine Maßnahme zur Verlosung von Kunst, samt der Lose.
Nach ausführlicher Recherche gaben insbesondere drei Erkenntnisse Im-
pulse für die Gestaltung:
(1) Ein junger Kunstverein hat kein Geld,
(2) das Erscheinungsbild repräsentiert nicht nur den Verein, sondern auch
die ausstellenden Künstler, und
(3) das prägnanteste Merkmal der Mischpoke ist ihr Ausstellungskonzept.
Die Herausforderung bestand nun darin,
(1) preiswert zu produzieren ohne billig zu wirken,
(2) grafisch zurückhaltend aufzutreten, um der Kunst visuell keine Konkur-
renz zu machen, und
(3) das Wesen der Mischpoke — das Temporäre, Provisorische — im Er-
scheinungsbild zu verankern.
Philipp Königs+49.163.4285831
Wolfgang Hahn+49.2161.467454
Heiko Räpple+49.170.3426333
Alexander Hermanns+49.179.7052423
Taka Kagitomi+49.1577.4020821
Stefan Sturm+49.172.2070930
Ulrike Lua+49.2161.467444
Denise Mungan+49.2161.9374963
Mis
chpo
ke e
.V.
13
14
15
Ich selbst habe in der Einleitung schon viel über die Mischpoke
geschrieben. Und auch überall sonst in dieser Arbeit schwingt meine
persönliche Einschätzung der Gruppe mit.
Damit der Eindruck nicht zu subjektiv bleibt, und neben dem
Selbstbild auch Fremdbilder sichtbar werden, folgen hier einige Pers-
pektiven auf den Verein:
(1) In der Vereinssatzung formuliert „Mischpoke e.V.“ rechtsver-
bindlich sein Konzept — eine Kurzfassung davon ziert jedes Printme-
dium des Vereins, ( 2 ) die Journalisten Carl Friedrich Schröer und Ar-
min Kaumanns fällen ein Urteil über das Vorhaben des Vereins und
( 3 ) Armin Kaumanns und seine Kolleginnen Jutta Finke-Gödde und
Sigrid Blomen-Radermacher schildern ihre Eindrücke von der Aus-
stellung „Kammerspiele“, mit der „Mischpoke e.V.“ — im Januar 2011
— die eigene Gründung besiegelt hat.
Kommentar
16
Mischpoke e.V. > Satzung des Kunstvereins
17
Name und Sitz
Der Verein führt den Namen „Mischpoke e.V.“. Er hat
den Sitz in Mönchengladbach. Er wird die Eintragung in
das Vereinsregister und die Anerkennung “gemeinnützig”
beantragen.
Zweck und Konzept
Der Verein ist selbstlos tätig; er verfolgt nicht in erster
Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.
Der Verein verfolgt das Ziel, zeitgenössische, natio-
nal und international tätige Künstler zu fördern. Darüber
hinaus besteht sein Ziel darin, das kulturelle Angebot der
Stadt Mönchengladbach und der umliegenden Region
zu bereichern. Beide Ziele sind eng verknüpft mit dem
besonderen Ausstellungskonzept: Der Verein hat keinen
festen Standort, sondern nutzt leerstehende Gebäude
als temporäre Ausstellungsfläche — im Schwerpunkt für
Gruppenausstellungen. Für die Dauer jedes Projekts sol-
len die teilnehmenden Künstler in dem jeweiligen Objekt
arbeiten können. Hierdurch soll insbesondere der kreative
Austausch untereinander — in einem experimentellen
Umfeld — ermöglicht werden. Zur Ausstellung werden
der Ort und die Arbeiten der Öffentlichkeit zugänglich
gemacht.
Der Verein verfolgt keine parteipolitischen, weltan-
schaulichen oder wirtschaftlichen Ziele.
Gemeinnützigkeit
Der Verein verfolgt ausschließlich und unmittelbar
gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts „Steuer-
begünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung.
Der Verein darf nur Ausgaben machen, die dem Zweck
der Körperschaft dienlich sind.
Es darf keine Person, die dem Zwecke der Körper-
schaft fremd ist, durch Ausgabe oder unverhältnismäßig
hohe Vergütung begünstigt werden.
Kein Mitglied hat bei Ausscheiden aus dem Verein
— aus welchen Gründen auch immer — Anspruch auf
Auszahlung seiner Beiträge, auf nachträgliche Vergütung
für eventuell dem Verein geleistete Tätigkeit oder Heraus-
gabe von Gegenständen, Geräten etc., die dem Verein zur
satzungsgemäßen Tätigkeit gestiftet worden sind.
Bei Auflösung des Vereins, bei seiner Aufhebung oder
bei Wegfall seines bisherigen Zwecks, fällt sein Vermö-
gen, seine Sammlung etc. dem Verein „Zornröschen, Ver-
ein gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen
e.V.“ mit Sitz in Mönchengladbach zu, der frei darüber
verfügen darf.
Mittel und Beiträge
Mittel des Vereins dürfen nur für satzungsgemäße
Zwecke verwendet werden. Die Mitglieder erhalten keine
Zuwendungen aus Mitteln des Vereins.
Die für die Vorhaben des Vereins benötigten Mittel
werden durch Mitgliedsbeiträge und Spenden sowie
durch den Erlös aus Veranstaltungen erworben.
Der Vorstand regelt die Beitragsordnung.
Der Mitgliedsbeitrag wird für das ganze Jahr im Voraus
bezahlt. Er wird bei Eintritt für das laufende halbe Jahr
sofort fällig.
Das Geschäftsjahr ist das Kalenderjahr.
Die in einem Geschäftsjahr erworbenen, jedoch nicht
verbrauchten Mittel müssen als Rücklagen für Vorhaben
des folgenden Jahres angesammelt werden.
Mitgliedschaft
Jede natürliche und jede juristische Person des pri-
vaten oder öffentlichen Rechts, die den Verein in seinen
Bestrebungen unterstützen will und dessen Satzung
anerkennt, kann Mitglied werden.
Nach schriftlicher Anmeldung entscheidet der Vor-
stand über die Aufnahme als Mitglied. Der Vorstand setzt
den Anwärter über die Entscheidung in Kenntnis. Die
Aufnahme erfolgt nach dem Eingehen der Beitragszahlung.
Sie findet ihre Bestätigung durch Zusendung des Mit-
gliedsausweises und Eintrag in das Mitgliederverzeichnis.
Die Mitgliedschaft findet ihr Ende durch Austritt, Aus-
schluss oder den Tod eines Mitglieds.
Der Austritt kann nur zum Jahresende erfolgen. Er muss
schriftlich zum jeweiligen 30. September erklärt werden.
Ein Mitglied, das in erheblichem Maße gegen die Ver-
einsinteressen verstoßen oder dem Verein durch Worte
und Taten in seinem Ansehen geschadet hat, kann durch
Beschluss des Vorstands aus dem Verein ausgeschlossen
werden. Vor dem Ausschluss ist das betroffene Mitglied
Satzung des Kunstvereins
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Mischpoke e.V. > Satzung des Kunstvereins
persönlich oder schriftlich zu hören. Die Entscheidung
über den Ausschluss ist schriftlich zu begründen und dem
Mitglied per Einschreiben zuzustellen. Es kann innerhalb
einer Frist von einem Monat ab Zugang schriftlich Beru-
fung beim Vorstand einlegen. Über die Berufung entschei-
det die Mitgliederversammlung. Macht das Mitglied vom
Recht der Berufung innerhalb der Frist keinen Gebrauch,
unterwirft es sich dem Ausschließungsbeschluss.
Auf Vorschlag des Vorstands und durch Beschluss der
Mitgliederversammlung können Ehrenmitglieder ernannt
werden. Sie haben die Rechte der Mitglieder, sind jedoch
von der Beitragspflicht befreit.
Organe des Vereins
Organe des Vereins sind der Vorstand und die Mitglie-
derversammlung.
Die Mitgliederversammlung
Die Mitgliederversammlung wird mindestens einmal
pro Kalenderjahr — mittels Rundschreiben oder elektroni-
scher Mail — unter Bekanntgabe der Tagesordnung, min-
destens 14 Tage vorher, durch den Vorstand einberufen.
Eine außerordentliche Mitgliederversammlung muss
einberufen werden, wenn dies 20% der Mitglieder schrift-
lich unter Angabe des Zwecks und der Gründe verlangen.
Die ordentliche Mitgliederversammlung beschließt über
die Wahl des Vorstands. Sie wählt den Vorstand für die
Dauer von drei Jahren.
Die Mitgliederversammlung ist beschlussfähig, wenn
sie form- und fristgerecht einberufen worden ist.
Die Mitgliederversammlung fasst Beschlüsse mit
einfacher Mehrheit. Bei Stimmgleichheit ist der Antrag ab-
gelehnt. Für die Änderung der Satzung ist eine Mehrheit
erforderlich. Änderungen der Satzung, die den Zweck des
Vereins oder seine Gemeinnützigkeit berühren, bedürfen
der Zustimmung aller Vereinsmitglieder.
Die ordentliche Mitgliederversammlung kann dem Vor-
stand das Misstrauen aussprechen. Dazu bedarf es der
absoluten Mehrheit aller Vereinsmitglieder.
Mitgliederversammlungen werden protokolliert. Be-
schlüsse werden den Mitgliedern zusätzlich per elektro-
nischer Mail zugesandt oder auf der Website des Vereins
zugänglich gemacht.
19
Der Vorstand
Der Vorstand ist für alle Angelegenheiten des Vereins
zuständig.
Der Vorstand besteht aus dem ersten Vorsitzenden,
dem zweiten Vorsitzenden und dem Kassenwart. Die
Mitgliederversammlung wählt einen Beirat, der aus fünf
Beisitzern besteht. Insoweit wird der Vorstand vergrößert
um fünf Beisitzer, die bei allen Entscheidungen gleichbe-
rechtigt entscheiden.
Der Vorstand beschließt über die Durchführung von
Projekten und die Verwendung von Geldern entsprechend
den Zwecken des Vereins und den Beschlüssen der Mit-
gliederversammlung.
Der Vorstand beschließt über die Aufnahme von Mit-
gliedern.
Der Vorstand ist bei Anwesenheit von fünf Mitgliedern
beschlussfähig. Er entscheidet mit einfacher Stimmen-
mehrheit. Der Vorstand ist berechtigt, einzelne Mitglieder
und/oder Angestellte des Vereins zu seinen Sitzungen
hinzuzuziehen.
Der erste Vorsitzende, der zweite Vorsitzende und der
Kassenwart sind gemäß § 26 BGB zur Vertretung des
Vereins in der Öffentlichkeit berechtigt.
20
Mischpoke e.V. > Mitwohnkunstzentrale in Mönchengladbach
Mitwohnkunstzentrale in Mönchengladbach
21
„Wenn wir dauerhaft wahrgenommen werden wollen,
kommen wir um eine kontinuierliche Arbeit nicht herum”
lautet die Einsicht der Künstler Alexander Hermanns,
Stefan Sturm und Taka Kagitomi. Also gründeten sie einen
Kunstverein.
Nach den ersten beiden erfolgreichen Ausstellungen
„Pension Flora” und „The Castle of Discipline” im alten
Van-Laack-Gebäude in Mönchengladbach stand für
sie fest, „dass wir auf jeden Fall weiter machen wollen.”
Arbeit wird es nun auf alle Fälle geben, ob sich aber auch
der Spaß im Verein steigern lässt, ist so eine Frage.
Um der bürgerlichen Veranstaltung Kunstverein nicht
völlig anheim zu fallen, wollen die Künstler das alte Vehikel
Kunstverein neu auf die Schiene setzen. Schon der Name
sagt es: „Mischpoke”. Das sind doch die, zu denen man
lieber auf Abstand geht!
Anders als gewöhnliche Kunstvereine will Mischpoke
kein Mitgliederverein werden, der möglichst viele zahlende
Mitglieder aufnimmt. Auch strebt man keine eigenen
Räume an. Die Suche nach wechselnden Ausstellungssi-
tuationen ist Programm. Im Idealfall soll die Kunst „vor Ort”
entstehen. Dass wiederum ist so neu nicht. Im Van-Laack-
Gebäude gelang im letzten Sommer ein Prototyp, ein
„zeitweiliges Zuhause” der rund 40 beteiligten Künstler,
Arbeitsplatz, Aufenthaltsort und Atelier in einem.
„Im Idealfall hieße das soviel, wie am Ausstellungsort
nicht nur zu arbeiten, sondern auch zu wohnen. Einzelaus-
stellungen sind damit natürlich so gut wie ausgeschlossen.
Auch das unterscheidet uns von anderen Kunstvereinen.”
Zum Auftakt von Mischpoke e.V. wird im Januar 2011
eine leer stehende Zahnarztpraxis in zentraler Lage der
Mönchengladbacher Innenstadt (Sandradstraße 12)
genutzt. Mit Victor Alimpiev (Moskau) und Shirley Wegner
( New York) werden zwei Stipendiaten der Stadt Mönchen-
gladbach mitmachen. „Kammerspiele” ( Arbeitstitel) soll
eine vergleichsweise intime Ausstellung mit zehn Künst-
lern auf 140 Quadratmetern werden.
Mit Alexander Hermanns (1. Vorsitzender) Wolfgang
Hahn, Taka Kagitomi und Heiko Räpple setzt sich der Vor-
stand aus Künstlern zusammen. Flankiert werden sie von
der Rechtsanwältin Denise Mungan, (2. Vorsitzende), dem
Fotografen Stefan Sturm (Schatzmeister), dem Kommuni-
kationsdesigner Philipp Königs und der Kunsthistorikerin
Ulrike Lua.
Ob Kunstvereins WG oder Künstlerkarriereverein ist in
Mönchengladbach noch offen. […]
www.eisbergkeller.tv, 22. Dezember 2010, von Carl Friedrich Schröer
Wenn Künstler einen Kunstverein gründen, ist dann die Krise des
Kunstvereins komplett? Oder etwa die Rettung?
22
Mischpoke e.V. > Kunst mit Subversion
Kunst mit Subversion 23
Was ist eigentlich ein Kunstverein? Diese Frage haben
acht Gladbacher Künstler und Kunstförderer vor ein paar
Wochen mit dem Gang zum Notar beantwortet, sich den
Namen „Mischpoke“ gegeben.
Einer von ihnen, Philipp Königs, erklärt: „Entstanden
im 19. Jahrhundert, diente der Kunstverein bürgerlichen
Kreisen zum Kunsterwerb“, hebt er an und verweist dann
auf 40 Seiten Sachtext, auf die seine entstehende Diplom-
arbeit als Grafik-Designer bereits angewachsen ist.
Mit jener Ursprungsidee hat „Mischpoke“ allerdings
nichts mehr zu tun, eher mit der Diplomarbeit, die das
Entstehen, seine grafische, öffentliche, inhaltliche Ent-
wicklung des Vereins dokumentiert. Statt ums Kaufen
geht’s Mischpoke ums Machen. Das Besondere dabei:
es gibt keinen Raum, kein Budget, dafür viele Ideen auch
aus Künstlerköpfen. Und so etwas wie ein Netzwerk von
Kontakten.
Kurz: Mischpoke hat seine Wurzeln in der Kunst. Der
Kern liegt in der Ausstellung Pension Flora, bei der ein
Dutzend Kreativer 2009 leer stehende Räume an der
Goethestraße bespielten. Der harte Kern der Initiatoren,
die Künstler Alexander Hermanns, Stefan Sturm und Taka
Kagitomi, organisierten vergangenen Sommer die Aktion
„The Castle of Discipline“ im ehemaligen Van-Laack-Ge-
bäude an der August-Pieper-Straße. Das schon mit inter-
nationaler, großer Besetzung und der klaren Ausprägung
eines Konzepts: dass junge Künstler Leerstand bespielen,
Werke auf die Architektur hin entwickeln, im Idealfall in
den Räumen temporär Leben und Arbeiten.
„Da dürfen auch schon mal Wände eingerissen wer-
den“, beschreibt Alexander Hermanns die konkrete Situ-
ation vor Ort und das künstlerische Konzept in einem. Als
sie merkten, dass solche Kunstaktionen nicht von wenigen
Menschen gestemmt werden können, gründeten sie den
Verein, indem zunächst acht Schultern die Organisation
tragen.
Ende Januar wird aus einer ehemaligen Zahnarztpraxis
an der Sandradstraße ein Kunstaktionsraum. Die Misch-
poke-Mischung aus vier Künstlern und vier Kreativen
bürgt Chancen, was die Qualität der an den Aktionen
beteiligten Künstlern angeht. „Wir haben schon etliche
Bewerbungsmappen vorliegen“, berichtet Kunsthisto-
rikerin Ulrike Lua, die die Resonanz auf die bisherigen
Ausstellungen beachtlich findet. „Künstler mögen unser
Konzept, verzichten dafür auch auf Honorare und bringen
teils sogar Material ein“, sagt sie. „Natürlich würden wir
sie gerne honorieren, aber dazu braucht es Sponsoren“,
ergänzt Fotograf Stefan Sturm. Geld ist bei einem Jah-
resbeitrag für Mitglieder von 40€ naturgemäß sehr knapp,
die Ausstellungsräume dürfen nichts kosten.
Gleichwohl lassen sich aus dem gerade in Mönchen-
gladbach reichlich vorhandenen Leerstand künstlerisch
Funken schlagen. Dafür steht auch der Name des Kunst-
vereins. Mischpoke steht im Jiddischen für Familie, Klan.
Hierzulande hat es die abfällige Nebenbedeutung von
Sippschaft. Von den Beteiligten wird er jedoch als eine
Art Netzwerk verstanden. „Ruhig mit subversivem Beige-
schmack“, sagt Königs.
Rheinische Post, 22. Januar 2011, von Armin Kaumanns
„Mischpoke“ ist ein Kunstverein ohne Haus, ohne Geld, ohne Kunst.
Die aber soll entstehen, in leerstehenden Häusern, mit möglichst
kreativen Blüten. Also gründeten acht Gladbacher Künstler und
Kunstfans eine Art Familie.
24
Mischpoke e.V. > Paradiesische Kammerspiele
Paradiesische Kammerspiele 25
Heute um 19 Uhr soll alles schön und schräg und krea tiv
und kommunikativ sein in den Räumen, die sich in einem
Flachbau an die Tiefgarage des Rathauses Sandradstra-
ße quetschen. Gestern zieht Lösungsmittelgeruch dem
Besucher schon im Flur in die Nase, irgendwo heult eine
Bohrmaschine, Künstler-Asservaten überall. So ist das am
Tag vor einer Gruppenausstellung, an der zehn Künstler
aus aller Herren Länder beteiligt sind.
Gespenstisches in der Dunkelkammer
Mischpoke, der neue Gladbacher Kunstverein, hat zu
„Kammerspiele“ eingeladen, der ersten Ausstellung nach
Eintrag ins Vereinsregister. Diesmal ist eine leere Zahnarzt-
praxis Ort der kreativen Aktion. Ein paar sind schon fertig:
Barbara Dörfflers quadratische Fotos unscharfer
Kuben hängen gespenstisch grau in der ehemaligen
Dunkelkammer der Praxis, die anthrazit gestrichen ebenso
im unübersichtlichen Raumprogramm gefangen ist wie
das Zimmer, dass der einzige Gladbacher im Team, Lars
Wolter, gerade mit schwarzer Farbe streicht. Die lässt
schroff und spitz weiße Winkel frei. Sechs Rechtecke hat
er durch die Tür herein gelassen, die an der Wand einge-
froren scheinen, wenn man sich aus der ersten Verwirrung
geklärt hat.
Im Foyer hängen drei merkwürdig eingebeulte Gips-
Kuben an der Wand, deren Schauseite Johannes Döring
mit Innenansichten von Zimmern belichtet hat — Raum im
Raum im Raum.
Das Arztzimmer, ein immer noch repräsentativ mit
Regalen und Einbauschränken restmöblierter Raum,
verfügt über eine Tageslichtdecke, in deren neun quad-
ratische Felder Shirley Wegner, ehemalige Atelierstipen-
diatin der Stadt, auf Pergament gezeichnete Skizzen von
Landschafts-Luftaufnahmen eingepasst hat. Aus ihrer
Erinnerung entstanden, erinnern sie an Fotos, wie sie die
Luftwaffe macht, bevor die Bomben fallen — oder an die
letzte Urlaubsreise.
Im Wartezimmer wächst ein metallener Gummibaum
aus der Hydrokultur-Wanne; in den Röntgenraum schaut
man durchs Fensterchen erst auf ein Foto desselben,
dann auf Pappkuben, die Neu-Kölnerin Kristina Köpp
zwischen die Wände verspannt hat — ein Vexierspiel zwi-
schen Raum und seiner Projektion in die Fläche.
Ein Behandlungszimmer ist mit einer Bierflaschensteh-
le bestückt, auf der eine große Kerze die Decke verrußt
(Seb Koberstädt) .
Nebenan lässt Berndnaut Smilde (Amsterdam) eine
Südseeinsel-Ansicht wie Fototapete aus den fleckigen
„Wunden“ quellen, die angerissene Lampen, Möbel und
der Behandlungsstuhl hinterlassen haben. „Schön, wenn
das Paradies hinter dem Interieur wäre“, meint Smilde.
Rheinische Post, 28. Januar 2011, von Armin Kaumanns
Der Kunstverein Mischpoke lädt ein zu seiner ersten Ausstellung
„Kammerspiele“. Zehn internationale bildende Künstler bespielen
eine ehemalige Zahnarztpraxis neben dem Verwaltungsgebäude
an der Sandradstraße. Mit Lars Wolter ist auch ein Gladbacher mit
von der Partie.
26
Mischpoke e.V. > Kunst in der sterilen Zahnarztpraxis
Kunst in der sterilenZahnarztpraxis
27
„Es entwickelt sich einfach ein bestimmtes Raumgefühl“,
sagt Kristina Köpp, die nach der Begehung der ehemaligen
Zahnarztpraxis den früheren Röntgenraum als den richtigen
Ort für ihr Kunstwerk entdeckte. „Er hat etwas geschlosse-
nes, sehr cleanes“, so die Kölner Künstlerin.
Für Ausstellungsbesucher ist der Raum nicht begeh-
bar. Durch ein kleines Glasfenster blicken sie auf eine
Installation aus Pappe, deren Wiedergabe auf einem Foto
wiederum an der Wand zu sehen ist. Der Betrachter neh-
me ein Bild vom Bild wahr. „Das Foto löst sich auf in der
Räumlichkeit“, sagt Kristina Köpp.
Der Kunstverein hat bewusst einen ungewöhnlichen
Ort ausgewählt.
Fotografie und Original, Wiedergabe und Verfrem-
dung sind Motive und Wirkungen, die in der Ausstellung
„Kammerspiele“ immer wieder auftauchen. Noch bis zum
13. Februar zeigen zehn Künstler in einer seit zwei Jahren
leerstehenden Zahnarztpraxis an der Sandradstraße 12
ihre Arbeiten. Der Gladbacher Kunstverein Mischpoke hat
für die dritte von ihm organisierte Ausstellung bewusst
wieder einen ungewöhnlichen Ort gewählt. Den Künstlern
standen auf 140 Quadratmetern neun Kammern und ein
Schaufenster zur Verfügung, um Arbeiten zu zeigen. Die
für den besonderen Rahmen ausgesucht oder geschaffen
wurden.
Der Niederländer Berndnaut Smilde hat sich für ein
ehemaliges Behandlungszimmer entschieden und mit
Fotos von blauer Südsee und Palmen ein kleines Paradies
geschaffen. „Solche Aufnahmen hat mein Zahnarzt über
seinem Behandlungsstuhl hängen“, erklärt der Künstler.
Was eigentlich ein Trostpflaster für die Patienten sein soll,
wird bei Smilde verfremdet und erst nach dem Fehlen der
Praxismöbel sichtbar.
Zu den ausstellenden Künstlern gehören auch zwei
Stipendiaten der Stadt Mönchengladbach. Vom russischen
Künstler Victor Alimpiev ist ein Videofilm von 2005 zum
Thema Macht und Herrschaft zu sehen. Dabei blickt der
Betrachter im völlig verdunkelten Raum von oben herab auf
den Bildschirm. Shirley Wegner ist dagegen aus New York
angereist: „Was mich interessiert, ist das Erinnern“, sagt
die Künstlerin, die Installationen und ihre Projektionen zeigt.
„Kammerspiele“ an der Sandradstraße 12 ist freitags von
16 bis 20 Uhr, samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr
geöffnet.
www.mischpoke.eu
Westdeutsche Zeitung, 4. Februar 2011, von Jutta Finke-Gödde
Ausstellung: Mischpoke zeigt „Kammerspiele“.
28
Mischpoke e.V. > Kammerspiele in alter Zahnarztpraxis
Kammerspiele in alter Zahnarztpraxis
29
In der vom neuen Kunstverein Mischpoke organisierten
Ausstellung „Kammerspiele“ führen die Auseinanderset-
zung mit den hässlich gewordenen, leer stehenden Räumen
einer ehemaligen Zahnarztpraxis zu witzigen, komplexen
und körperlich sowie hautnah erfahrbaren Lösungen.
So nimmt sich der Niederländer Berndnaut Smilde (geb.
1978) eines zu Teilen gekachelten Raumes an, der durch
den Auszug der Praxis stark gelitten hat. Er flickt die zer-
störten Stellen — aber auf eine Weise, dass der Betrachter
erst recht aufmerksam wird auf die kaputten Wände und
Stellen. Smilde klebt eine „paradiesische“ Landschafts-
Fototapete auf die Wände unter den Kacheln, auf den
Boden und an winzige, fast übersehbare Stellen oberhalb
der Kacheln. Mittendrin erhellt ein Deckenfluter das Zimmer.
Ein ironischer Eingriff, denn dieser Raum ist alles andere
als paradiesisch — trotz aller künstlerischer Bemühungen.
Möglicherweise mag sich der eine oder andere, der hier
ehemals unter den zahnärztlichen Bohrer geriet, in eine
solche Traumlandschaft hinein geträumt haben.
Alles andere als paradiesisch gut fühlt sich der Besucher
in Lars Wolters Raumgestaltung. Der Mönchenglad bacher
Künstler vom Jahrgang 1969 bemalte die Wände und
Decken eines fensterlosen Raums mit schwarzem Boden
vollständig mit schwarzer Farbe. Nur wenige Flächen wur-
den in Weiß ausgeführt. Aggressive, spitze Dreiecke, spitz
zulaufende Rechtecke durchschneiden das Schwarz wie
Schatten des Ungeheuren, die sich unerwünscht in den
Raum drängen. Das Dunkle ist bei Lars Wolter körperlich zu
spüren — als unangenehme Raumerfahrung. Die Enge und
Lichtlosigkeit des alten Zimmers wird durch Wolters Eingriff
extrem betont.
Umgang mit Erinnerungen
Shirley Wegner schließlich greift die Oberlichter des
Wartezimmers auf. Hier installiert sie ihre „Aerial Views“,
auf den ersten Blick neun zarte, an Fotografien erinnernde
Landschaftszeichnungen auf Architektenpapier, das geris-
sen, überklebt, mit Grafit und Kohlenstaub gezeichnet wird.
Shirley Wegners künstlerische Arbeiten beschäftigen
sich mit der Frage, wie Erinnerungen generiert und abge-
speichert werden.
Während Besucher an Landschaften denken mögen, die
sie während eines Fluges von oben sehen, hatte die Israelin
Wegner Bilder von Kriegsgebieten im Kopf, in denen Kämp-
fe und Panzer ihre Spuren hinterlassen haben — Seh- und
persönliche Erfahrungen schaffen Interpretationen von Bild-
welten.
Rheinische Post, 10. Februar 2011, von Ingrid Blomen-Radermacher
Räume stellen immer eine Herausforderung dar. Eine ganz be-
sondere für Künstler, deren Ziel es ist, mit ihren Arbeiten auf vor-
gegebene Alltagsräume zu reagieren.
Ausstellung „Kammerspiele“ 31
Tina TonagelEffektgerät
Johannes Döring
Düsseldorf im April 2007
Pieckzimmer im Herbst 2005
Atelier im März 2007
Berndnaut SmildeNeumanns Brücke
Victor Alimpievis it yours?
Shirley WegnerAerial Views|Home
Seb KoberstädtDortmunder Säule
Christine MehlTermin 3000
Lars Woltero.T.
Kristina Köppo.T., 2011
Barbara Dörfflerdisappearance 1-5
52
Kun
stve
rein
e
53
54
Kunstvereine > Gründungsgeschichte
55
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war der
Besitz von Kunst ein Privileg des Adels. Die
hohen Preise für Kunst, verursacht durch
das Ankaufsmonopol des Hofes, machten
es einem Großteil des Bürgertums unmög-
lich, selbst Kunst zu erwerben.
Mit der Gründung der Kunstvereine hat das aufstrebende Bürgertum eine
Strategie entwickelt, dieses System zu unterlaufen — mittels Poolfinanzierung.
Kunstlotterie
Die meisten Kunstvereine waren in ihren Satzungen als Aktiengesellschaf-
ten bzw. Losvereine ausgewiesen. Die Mitglieder eines Kunstvereins konnten
bzw. mussten ein oder mehrere Aktien kaufen. Aus dem Erlös speiste sich das
Kapital des Vereins, welches wiederum zum Kauf von Kunstwerken eingesetzt
wurde.
Das Losverfahren selbst funktionierte wie jede Tombola: Es konnten belie-
big viele Lose gekauft werden. Mit der Zahl der erworbenen Lose stieg auch
die Gewinnchance. Einmal im Jahr wurden die Kunstgewinner per Ziehung
ausgelost.*
Ein Teil der vom Verein erworbenen Arbeiten ging auf diese Weise in den
Besitz seiner Mitglieder über. Mit den übrigen Werken wurden vereinseigene
Sammlungen begründet.
Wer leer ausging, bekam sogenannte Nietenblätter. Wie bei jeder Verlosung
waren die Chancen auf einen Gewinn äußerst gering; nur die wenigsten profi-
tierten tatsächlich von ihrer Investition in die Kunst.
Die Geldanlage, die — als Aktienkauf — im Gewand einer profitorientierten,
ökonomischen Maßnahme daherkam, war insofern eigentlich eine wohltätige
Gabe: Die Belohnung der Nietenzieher war lediglich symbolischer Natur und
bestand in der Ehre, nun Kunstförderer geworden zu sein (Behnke, 2001).
Die Verlosung von Kunstwerken wurde — nach kleineren Startschwierigkei-
ten — über Jahrzehnte hinweg erfolgreich praktiziert.
Einen Einfluss darauf, welche Kunst verlost wurde, gab es übrigens nicht.
Den Loskäufern ging es wie Kindern auf der Kirmes: Mit etwas Glück gibt es
das flauschige Plüscheinhorn, manchmal das Gummigewehr, manchmal auch
nur den klebrigen Schlüsselanhänger oder eben eine Niete.
Gründungsgeschichte
* Neben den alljährlichen Verlo-
sungen gab es auch solche, die nur
zu speziellen Sonderausstellungen
stattfanden. Die Lose waren hier
günstiger, wodurch auch das Klein-
bürgertum „mitspielen“ konnte und
die Praxis der Verlosung von Kunst
noch populärer wurde.
56
Kunstvereine > Gründungsgeschichte
Ein Beispiel für Historienmalerei
Jan Matejko, Verabschiedung der Verfassung vom 3. Mai 1791 in Warschau,
gemalt anlässlich ihres hundertjährigen Jubiläums 1891.
Dargestellt ist, wie Mitgliedern des Sejm unter dem Jubel der Einwohner War-
schaus die Johanneskathedrale betreten, wo der Eid auf die soeben beschlosse-
ne Verfassung abgelegt werden soll.
Im Mittelpunkt ist Sejmmarschall Stanisław Małachowski zu sehen, der von
begeisterten Abgeordneten auf den Schultern getragen wird und den Verfas-
sungstext schwenkt.
Dem König Stanislaus II. August Poniatowski wird vom Maler nur eine Ne-
benrolle eingeräumt. Er ist am linken Bildrand (mit Hut) zu sehen, wie er seine
Mätresse Elżbieta Szydłowska begrüßt.
(Quelle: Wikipedia — Stichwort „Historienmalerei“)
Die nachvollziehbare Folge: Manch ungeliebter Kunstgewinn wurde rasch
wieder feil geboten.
Verlosung von Kunst, namenlose Gewinner, Weiterverkauf bei Nichtgefallen
— die Veränderungen, die mit dem Auftreten der Kunstvereine einher gingen,
waren enorm und hatten großen Einfluss auf die Marschrichtung der gesamten
Kunstwelt.
Auswirkungen auf die Kunstwelt
Bevor die Kunstvereine auf den Plan traten, verlief die Wunschkarriere eines
Künstlers in etwa so: Erst der Besuch der Akademie, dann die Beschäftigung
als Auftragskünstler zu Hofe. Man malte nach dem Briefing des Adels und
wurde folglich garantiert in die Sammlung integriert — und dadurch prominen-
ter. Die größte Anerkennung im Umkreis der Akademien fand zu dieser Zeit die
Historienmalerei (Behnke, 2001).
Auf dieses System hatten die Kunstvereine folgenden Effekt:
Kunstwerke, die die Vereine kauften, wanderten unter Umständen in den
Besitz eines glücklichen aber unbedeutenden Privatmannes. Das war nicht im
Interesse der etablierten Künstler.
Durch Los und Aktie wurde die Kunst versachlicht und bekam Warencha-
rakter, erst Recht wenn Werke weiterverkauft wurden: Zurecht sehen viele hier
den Ursprung des modernen Kunstmarktes.
Die ökonomische Perspektive des Bürgertums führte zu einer „Verbilligung“
der Kunst: Markt und Wettbewerb hielten Einzug in die Kunstwelt. Die Bilder
wurden kleiner. Außerdem fand mit einem Mal viel mehr nicht-akademische
Kunst Beachtung — ein Segen für die Nicht-Akademiker.
Auch ästhetisch und inhaltlich änderte die Kunst, gefärbt vom Geschmack
des Bürgertums, spürbar ihren Kurs. Manche setzen den nun eintretenden
Niedergang der höfischen Auftragskunst mit dem Beginn der Autonomie der
Künstler gleich.
Diese gesamte Entwicklung vollzog sich nicht plötzlich — aber merklich.
Und die Kunstvereine stellten hierbei zwar nicht die einzige, aber eine wichtige
Einflussgröße dar.
57
Die Ausläufer der beschriebe-
nen Entwicklung reichen bis in die
Gegenwart.
Auf der einen Seite steht die Kom-
merzialisierung der Kunst:
Der Warencharakter der Kunst ist
heute komplett. Längst wird Kunst
als echte Alternative zum Wertpapier
gehandelt. Mit Werken von Richter
und Rauch erzielte Gewinnspannen
lassen jeden Banker erblassen. Und
die Zeitschrift „Artinvestor“ mit Tipps
und Tricks zur Kapitalanlage gibt es
an jedem Kiosk.
Das andere Ende — der selben
Entwicklung — ist die Liberalisierung
der Kunst:
Die Kunstwelt ist heute weit
ausdifferenziert. Kunst ist überall,
in klein, groß, teuer und billig — für
jeden was dabei. Neben Museen,
Galerien und vielen Institutionen, die
in keine Schublade passen, spielen
auch die Kunstvereine noch ihre Rolle
als Vermittler zwischen Kunst und
Bürger — mit Erfolg.
Viele Privatleute betätigen sich
heute als Sammler: Kunst ist im
Wohnzimmer angekommen und zum
privaten Luxusgegenstand geworden.
Die Kunst ist nicht nur inhaltlich
freier denn je, sie ist auch gesell-
schaftlich weit verbreitet.
58
Kunstvereine > Querschnitt
59
Kunst im Verein? Das klingt falsch. Fußball
im Verein klingt richtiger, oder besser noch:
Kegeln. „Vereinsleben“ lässt an finstere wö-
chentliche Kneipenabende denken. Man
könnte sagen: Der Verein als solcher hat
kein gutes Image, spießbürgerlich eben.
Einzelne haben allerdings mehr zu bieten: Nicht alle, aber einige Kunstver-
eine sind reizende öffentliche Orte, an denen Künstler, Publikum, Vorstand,
Mitglieder, Geldgeber und Kulturpolitiker aufeinandertreffen, um dem Schönen
zu huldigen.
Daten und Fakten
Wenige wissen: Der Verein ist eine typisch deutsche Institution. Im Inland
oft belächelt, vom Ausland beneidet — zumindest um die Kunstvereine. Eine
derart emsige und weit verzweigte Kunstszene, wie sie die Vereine verkörpern,
gibt es tatsächlich nur in Deutschland.
120.000 Vereinsmitglieder sponsern per Mitgliedsbeitrag die Ausstellungen
von 6.000 Künstlern pro Jahr — wahrgenommen von mehr als 1,5 Millionen
Besuchern (Schepers, 2001).
Aktuell (2011) gibt es deutschlandweit mehr als 280 Kunstvereine, die bei
der ADKV *, dem Dachverband der Kunstvereine, verzeichnet sind. Jahr für
Jahr kommen einige hinzu. Das Bundesland mit den meisten Kunstvereinen ist
Nordrhein-Westfalen: Zwischen Bocholt und Siegen, Heinsberg und Detmold
widmen sich über 60 Vereine der Gegenwartskunst.
Der jüngste Kunstverein, just 2011 gegründet, nennt sich „Mischpoke e.V.“
und agiert in Mönchengladbach. Der älteste ist genau 218 Jahre älter: Der
Geburtstag des Kunstvereins Nürnberg (Albrecht Dürer Gesellschaft) ist der
13. Oktober 1792.
Kunstvereine gibt es in kleinen, mittleren und in großen Städten. Düsseldorf
hat mit 350 qm Ausstellungsfläche und 3.500 Mitgliedern den größten; den
mit 8,5 qm kleinsten stellt Gießen (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2010). In
einigen Städten sind zwei und mehr Kunstvereine aktiv — so auch in Mönchen-
gladbach.
Die meisten Kunstvereine agieren lokal. Wenngleich viele internationale
Kunst zeigen, verstehen sie sich doch als regionales Kulturangebot und
Querschnitt
* Die Arbeitsgemeinschaft Deut-
scher Kunstvereine ist der Dachver-
band der in Deutschland ansässigen,
nicht kommerziellen Kunstvereine, die
sich der Präsentation und Förderung
zeitgenössischer Kunst widmen. Die
ADKV verbindet die Kunstvereine
durch ein kulturpolitisches Netzwerk
und vertritt ihre Interessen in politi-
schen Gremien, gegenüber Zuwen-
dungsgebern, durch das gemeinsame
Internet- und Presseportal sowie auf
den internationalen Kunstmessen in
Deutschland: Art Karlsruhe und Art
Cologne (ADKV, 2011a).
60
Kunstvereine > Querschnitt
werden auch dementsprechend wahrgenommen.
Jahresbudgets reichen von 0 bis weit über 500.000€ — die Identität vom
Hobby-Club bis zur international renommierten Kulturstätte.
Wirklich bekannt sind nur die Vereine in den Großstädten, die dank eigener
Häuser, festangestellter Mitarbeiter und hoher Etats ein ununterbrochenes und
hochkarätiges Programm gewährleisten können. Unter den fast 300 deutschen
Kunstvereinen sind das nicht mehr als etwa 35 (Berg, 2001).
Die Bedeutung der Kunstvereine für die gesamten Kunstszene ist größer
als man zunächst glaubt und ihr Einfluss auf die Kunst und das Geschehen ist
nicht zu unterschätzen.
Sinn, Zweck und Absichten
Was haben nun 280 Vereine gemeinsam, die im Laufe von zwei Jahrhun-
derten gegründet wurden und über ganz Deutschland verteilt sind? Anders
gefragt: Worin besteht der Sinn eines Kunstvereins? Aus unterschiedlichen
Perspektiven betrachtet, ergibt sich ein Bild:
1. Aus Sicht des Kunstvereins
Verschiedene Institutionen widmen sich der „Vermittlung“ von Kunst.
Während (1) Museen etablierte Kunst sammeln, um sie zu zeigen und kunst-
historisch zu durchleuchten und (2) Galerien etablierte Kunst zeigen, um sie zu
verkaufen, zeigen (3) Kunstvereine häufig ausschließlich zeitgenössische Kunst,
die noch nicht vom Markt absorbiert ist. Dadurch bieten sie dem Publikum
Ungesehenes und den Künstlern die Möglichkeit zu Experimentieren (ADKV,
2011b).
Ziel eines Kunstvereins ist demnach Kunst zu vermitteln und Künstler zu
fördern.
Im Unterschied zu Museen und Galerien stehen keine wissenschaftlichen
oder finanziellen Interessen im Vordergrund, sondern der oft rein idealistische
Anspruch der Initiatoren, ein kulturelles Angebot zu schaffen.*
2. Aus Sicht des Publikums
Die Gründe des Publikums, eine Ausstellung im Kunstverein zu besuchen,
variieren zweifellos stark und reichen von der Freude am Schönen über die
Kontaktpflege bis zum kalkulierten Kunstkauf.
Die Zielgruppe eines Kunstvereins ist demnach einigermaßen heterogen:
Laien, Liebhaber und Experten — egal ob jung oder alt — besuchen Kunstaus-
stellungen. Ihre Schnittmenge ist das Interesse an Kunst und Kontemplation.
3. Aus Sicht der ausstellenden Künstler
Die Gründe für Künstler, in Kunstvereinen auszustellen, sind ebenfalls viel-
fältig. Auch hier spielt die Funktion der Kunstvereine im Vergleich zu Museen
und Galerien eine wichtige Rolle: Kunstvereine sind meist kleine, flexible Un-
ternehmungen — oft ehrenamtlich verwaltet und ohne bitterernste Absichten.
Das birgt für alle Künstler die Chance, sich abseits der großen Öffentlichkeit
auszuprobieren und Ideen und Wirkung zu testen.
Vor allem die jungen bzw. unbekannten Künstler sammeln auf diese Weise
61
* Hinzu kommt sicher die indivi-
duelle Motivation jedes einzelnen
Mitglieds, sich ausgerechnet auf die-
sem Gebiet zu betätigen. So knüpfen
viele während der Betätigung für den
Verein auch geschäftlich wichtige
Kontakte.
62
Kunstvereine > Querschnitt
erste Erfahrungen und speisen überdies die eigene Vita. Im besten Fall knüpft
man Kontakte zu Kuratoren und Sammlern, die zu wichtigen Ausstellungen
einladen könnten oder gar Arbeiten kaufen.
In ihrer Funktion als Übungsplatz der Kunstszene gelten Kunstvereine wohl
zurecht als die „Kaderschmieden der Museen“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung,
2010).
4. Aus Sicht von Förderern
Kunstvereine sind Non-Profit-Organisationen, verfolgen also keine wirt-
schaftlichen Gewinnziele. Einnahmen werden in der Regel einerseits durch
Mitgliedsbeiträge und andererseits durch öffentliche Fördergelder oder Spon-
soring erzielt.
Private Sponsoren fördern kulturelle Projekte in erster Linie mit der Absicht,
das eigene Image zu pflegen und um (in der Schnittmenge der Zielgruppen
vermutete) Kunden zu gewinnen.
„Kunst zu fördern ist im Grundgesetz verankerte staatliche Aufgabe. Da in
Deutschland die Kulturhoheit bei den Ländern liegt, werden Kunstvereine […]
regional von der öffentlichen Hand unterstützt.“ (Schepers, 2001)
Aber auch Länder, Kommunen und Stiftungen fördern Projekte nur dann,
wenn sie eine kulturelle Bereicherung darstellen. Im besten Fall sollten sie ein
einigermaßen großes Publikum erreichen und die Attraktivität des Standorts
steigern.
Rechtliches
Der Verein ist eine Rechtsform, die sich aus dem Grundrecht zur Vereini-
gungsfreiheit herleiten lässt. Um einen Verein gründen zu dürfen, gilt es, einige
Auflagen erfüllen:
Die Eintragung ins Vereinsregister muss bei Finanzamt und Amtsgericht be-
antragt werden und ist an relativ strenge Voraussetzungen geknüpft. Insbeson-
dere die „Uneigennützigkeit“ bzw. „Gemeinnützigkeit“ muss beteuert werden
und in der Vereinssatzung verankert sein.
Jeder Verein braucht eine Satzung, mindestens sieben Gründungsmitglieder,
einen ersten und einen zweiten Vorsitzenden und einen Schatzmeister. Erst mit
Erfüllung dieser und vieler weiterer Voraussetzungen wird ein Verein zum „e.V.“
und genießt steuerrechtliche Vorteile, ohne die sein Betrieb unmöglich wäre.
Ein Verein darf also nicht gewinnorientiert arbeiten. Demnach profitiert auch
kein Vereinsmitglied finanziell von der Arbeit, die er in den Verein investiert. En-
gagement im Kunstverein ist deshalb in den allermeisten Fällen Ehrenamt und
daher nur neben der eigentlichen beruflichen Tätigkeit möglich und machbar.
Die gesamte Vereinsstruktur sollte dem Rechnung tragen und den Aufwand
dauerhaft gering halten.
Nicht wenige Vereine kriseln oder zerbrechen sogar an einem unverhältnis-
mäßig hohen Arbeits- und Kostenaufwand.
Um etwas freiwillig zu tun, muss es Spaß machen und darf keine Belastung
darstellen.
63
64
* Christoph Behnke über den
Kampf der Kunstvereine um die Le-
gitimität öffentlicher Förderung — of-
fenbar argumentiert man zunehmend
mit der Logik der Besucherquote und
streicht Gelder:
„Wenn heute Diskussionen um
die Staatszuwendungen entstehen,
liegt das Problem häufig darin, zu
zeigen, dass im Prozeß der Instituti-
onalisierung das Modell der persön-
lichen Poolfinanzierung verdinglicht
worden ist — ein mühsamer, lang-
samer und gegen die Übermacht
des ‚herrschenden Tauschprinzips‘
(Adorno) zu bestehender Kampf
wurde schließlich zu Gunsten der
Kunst entschieden — durch die
Sicherheit staatlicher Zuwendung
und der dahinter stehenden staatli-
chen Autorität. Diese besteht darauf,
dass die zur Verfügung gestellten
Mittel ausschließlich der Kunst
dienen — so wie es im persönlichen
Verkehr denjenigen beleidigen würde,
dessen Geschenk entweder weiter
verschenkt oder für andere Zwecke
funktionalisiert wird.“ (Behnke, 2001)
** Die ADKV hat in diesem Jahr
zehn Vereine für seinen — mit 8.000€
dotierten — Kunstvereinspreis nomi-
niert. Die Preisverleihung findet am
16. April 2011 im Rahmen der „Art
Cologne“ statt. Kriterien sind — laut
ADKV — unter anderem (1) die För-
derung experimenteller künstlerischer
Ansätze, (2) die Entwicklung neuer
Präsentations- und Vermittlungsfor-
men und (3) die Erprobung neuer
Kommunikationsformen über Kunst —
drei Gebiete, auf denen „Mischpoke
e.V.“ mit seinem Ausstellungskonzept
punkten könnte (ADKV, 2011c).
Kunstvereine > Querschnitt
Kosten und Finanzierung
Die wichtigsten Mittel der Finanzierung bei Kunstvereinen wurden bereits
genannt: Mitgliedsbeiträge, öffentliche Förderung und Sponsoring.
Die meisten Kunstvereine haben zwischen 100 und 200 Mitglieder — teil-
weise über Jahrzehnte herangewachsen, bei Neugründung also in weiter Ferne.*
Der reguläre jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt in den meisten Fällen unge-
fähr 40€. Diese Summe ist offenbar daran bemessen, was die Menschen zu
zahlen bereit sind — vollständig kostendeckend sind Mitgliedsbeiträge jeden-
falls bei keinem Verein.
Wenn 100 Mitglieder 40€ im Jahr bezahlen, kommen 4.000€ zusammen.
Mit diesem Betrag lassen sich — auch bei minimalem Aufwand — maximal zwei
Ausstellungen finanzieren: (1) Fahrt- und Materialkosten der Künstler, (2) nach
Möglichkeit ein Honorar, (3) Gestaltung und (4) Produktion von Werbemitteln,
(5) Pressearbeit, (6) Porto, (7) Betriebskosten der Ausstellungsräume und
vieles mehr treiben die Ausgaben für eine einzelne Ausstellung schnell in die
Tausende — selbst wenn manche Kosten durch ein Ehrenamt wegfallen.**
Weitere Einnahmen, z.B. durch Eintrittsgelder und Getränkeverkauf bei
Ausstellungen oder in Form einer Marge beim Verkauf von Kunstwerken und
Editionen sind minimal und steuerrechtlich zudem schwer zu rechtfertigen.
Fazit: Auch beim Verein für das Schöne dreht sich Vieles um das liebe Geld.
Status Quo
In Interviews sprechen Vorsitzende momentan häufig von der Krise der
Kunstvereine — und Journalisten schreiben darüber.
Einige Kunstvereine haben offenbar mit Problemen zu kämpfen: Manche
plagt die „linksschiefe“ Mitgliederstruktur, sprich die fehlende Jugend; andere
müssen sich gegen Kürzungen wehren — Kulturetats fallen in Krisenzeiten
bekanntermaßen dem Rotstift oft als erstes zum Opfer.*
Wieder andere überzeugen durch neue Strategien und gewinnen Preise für
ihre Ideen zur Kunstvermittlung.**
Vielleicht kann das Konzept Kunstverein von der „wieder entflammten Vorlie-
be für Partizipation“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2010) profitieren, wie sie
sich bei Facebook und Co. gerade ankündigt. Das Prinzip „Gefällt mir, ich bin
dabei“ scheint gut zu funktionieren.
65
* Hinzu kommt, dass es nicht im
Interesse jedes Vereins ist, hohe
Mitgliederzahlen zu erreichen oder
überhaupt Mitglieder aufzunehmen,
denn große Gruppen neigen zu Träg-
heit und Bürokratie
** Die Kosten sind stark abhän-
gig von Größe und Konzept jedes
einzelnen Kunstvereins und deshalb
an dieser Stelle nicht pauschal auf
alle Kunstvereine bezogen, sondern
insbesondere auf kleine, wie Misch-
poke e.V.
66
Kunstvereine > Querschnitt
67
Fazit
Das Thema „Kunstvereine“ hat zahlreiche Facetten. Die
zuvor genannten ergeben ein ausreichend geschlossenes
Bild, um Anhaltspunkte für die Entwicklung eines Erschei-
nungsbildes zu bieten.
Einige der Anforderungen sind — aus gestalterischer
Sicht — eher spezifisch, andere gelten in gleichem Maße
auch für jedes andere Unternehmen.
Kunstvereine sind ernst zu nehmen und verdienen Res-
pekt — auch gestalterisch.
In der Regel sind sie kommunale kulturelle Angebote.
Insofern spielt nationale Konkurrenz kaum eine Rolle —
der eine Kunstverein versucht nicht „besser“ zu sein als
der andere.
Es gibt knapp 300 in Deutschland, 60 in NRW, und mit
„Mischpoke e.V.“ den zweiten in Mönchengladbach. Die
Mischpoke muss sich also visuell von anderen Kunstverei-
ne unterscheiden, insbesondere mit dem „MMIII“ (Kunst-
verein Mönchengladbach) darf „Mischpoke e.V.“ nicht
verwechselt werden können.
Konkurrenten sind „MMIII“ und „Mischpoke e.V.“ im
Übrigen nicht. Die Beteiligten beider Kunstvereine sind
untereinander gut bekannt und haben sich sogar bereits
darauf verständigt, in Zukunft aktiv zusammen zu arbeiten.
Das Erscheinungsbild repräsentiert nicht nur den
Kunstverein selbst, sondern auch die ausstellenden
Künstler und deren Arbeiten. Das Erscheinungsbild eines
Kunstvereins muss also schlicht bzw. neutral genug sein,
um nicht in visuelle Konkurrenz zur Kunst zu treten — ohne
jedoch seinen Sinn einzubüßen, nämlich dem Verein seine
visuelle Identität zu stiften. Hierin liegt eine besondere
Herausforderung.
Darüber hinaus muss der Auftritt (1) das Interesse des
Publikums wecken und (2) potentielle Geldgeber von
Qualität und Seriosität der Unternehmung überzeugen
können.
Viele Kunstvereine, auch Mischpoke e.V., arbeiten
gänzlich ehrenamtlich. Die Zeit, die für Vereinstätigkeit
zur Verfügung steht, ist dementsprechend knapp. Folglich
sollte das Erscheinungsbild darauf ausgerichtet sein, den
wiederkehrenden Aufwand klein zu halten.
Andererseits ist die Motivation, Freizeit zu investieren,
groß. Das folgt schon aus der Freiwilligkeit, die ein Ehren-
amt voraussetzt.
Insbesondere kleine und neue Vereine haben kleine
Budgets.
Auch dieser Umstand sollte bei der Planung des Er-
scheinungsbildes Beachtung finden.
Viele Kunstvereine haben ein Nachwuchsproblem.
Andere überzeugen durch zeitgemäße Konzepte auch
junges Publikum: Ausschlaggebend für das Interesse am
Kunstverein ist immer dessen Inhalt, sein Programm.
Das Erscheinungsbild kann hier nur unterstützend
wirken, indem es konzeptionelle Besonderheiten aufgreift
und kommuniziert.
68
Kunstvereine > Erscheinungsbilder im Vergleich
Erscheinungsbilderim Vergleich
69
Wie sehen die Erscheinungsbilder von
Kunstvereinen aus? Welche sind gut,
welche sind schlecht, und warum? Und
was ergibt sich daraus für Mischpoke?
264 erste Eindrücke
Schon bei einer groben Sichtung der 264 Internet-Auftritte fällt auf:
Ganz viele werden dem hohen ästhetischen Anspruch ihres Themas, näm-
lich der Kunst, gestalterisch nicht gerecht. An dieser Stelle kann nicht darauf
eingegangen werden, woran das im Einzelnen liegt — deshalb pauschal:
Negativ fällt insbesondere auf, wenn die Gestaltung der Websites selbst
(durch überflüssige Ornamentik, grelle Farben oder falsche visuelle Hierarchie)
die Inhalte, nämlich Künstler, Kunst und Ausstellungen, in den Hintergrund
treten lassen. Viele Websites sehen deshalb einfach nicht so aus, als gehörten
sie zu einer Gemeinschaft, die sich Kunst und Ästhetik verpflichtet fühlt.*
Auffällig aber nicht überraschend: Die Kunstvereine der größten deutschen
Städte wirken — auf die eine oder andere Weise — meist überzeugend.
Erklärung
Ganz am Anfang meiner Diplom-
recherche habe ich mir — im Hinblick
auf Logo und Erscheinungsbild — die
Websites aller 264 (beim ADKV ver-
zeichneten) Kunstvereine angesehen.
Die 30 Logos, die mir am besten
gefielen, habe ich dann näher unter
die Lupe genommen und kategorisiert.
Außerdem habe ich die Websites
fünf anerkannter Kunstvereine durch-
stöbert und auf ihren Aufbau und die
gestalterische Qualität hin überprüft.
Als frischgebackener Gründer eines
eigenen Kunstvereins, waren auch
die konkreten Inhalte, also das kultu-
relle Programm der Vereine, für mich
von Interesse.
Einem Kunstverein, nämlich dem
in Bielefeld, habe ich anschließend
sogar einen Besuch abgestattet:
Bei einem neunstündigen Workshop
habe ich viel über Finanzierungsmo-
delle von Kunstvereinen erfahren.
Außerdem konnte ich vor Ort alle
Printmedien des Vereins ansehen und
mitnehmen, um auf diese Weise ein
Gefühl dafür zu bekommen, welche
„Informationseinheiten“ ein (profes-
sionell betriebener) Kunstverein zu
brauchen glaubt.
* Ein Grund hierfür liegt sicherlich
darin, dass die wenigsten Kunst-
vereine über die finanziellen Mittel
verfügen, um professionelle Gestalter
zu beschäftigen: Kunstvereine sind
prinzipiell non-profit und meistens
auch low-budget.
sie eher Tradition als Innovation. Man fühlt sich erinnert an
die Ursprünge des Kunstvereins.
(2) Die Logos der Kunstvereine in Braunschweig, Frei-
burg, Krefeld und Moers zeigen das jeweilige Kunstvereins-
und Ausstellungshaus. Diese Kunstvereine gründen ihre
symbolische Identität also auf ihre Wirkungsstätte.
(3) Dortmund, Frankfurt, Münster und Nürnberg haben
die im Vergleich „neutralsten“ Logos, denn ihre Logos sind
30 aus 264 Logos
Bei einem Vergleich der 30 überzeugendsten Kunstver-
einslogos, fallen einige Übereinstimmungen auf, anhand
derer sich Kategorien bilden lassen:
(1) Einige Kunstvereine, z.B. Düsseldorf, Graz und
Regensburg, tragen wappenartige Elemente im Logo und
haben dadurch eine feudale Wirkung. Hiermit verkörpern
Aachen Berlin Bielefeld
Braunschweig
Dresden Essen
Graz Gütersloh
Frankfurt
Bremerhaven
Düsseldorf
Hannover
Freiburg
Dortmund
Gera
reine Schriftzüge. Sie verzichten im Logo auf Bildelemente.
Und nicht nur visuell bewahren diese vier die Neutra-
lität: „Kunstverein Nürnberg“, „Dortmunder Kunstverein“,
„Frankfurter Kunstverein“ und „Westfälischer Kunstverein“
sind bloße Bezeichnungen, nicht einmal Namen im enge-
ren Sinne.
(4) Die Logos der vierten Gruppe erinnern deutlich
an solche von Firmen, d.h. Wirtschaftsunternehmen. So
wirken Stuttgart und Wiesbaden wie Geldinstitute oder
Versicherungen, Dresden und Frankfurt wie Mobilfunkun-
ternehmen, Essen wie eine Werbeagentur und Berlin wie
ein Lifestyle-Magazin.*
(5) Die fünfte und letzte Gruppe ist der bunte Rest —
alle auf ihre Weise einem Kunstverein angemessen.
* Diese Assoziationen entsprechen meinem spontanen
Eindruck.
Heidelberg Jena
Krefeld Leipzig Leipzig
Leipzig MoersMönchengladbach
WilhelmshavenStuttgart
Regensburg
Wiesbaden
Nürnberg Salzburg
Köln
72
Kunstvereine > Erscheinungsbilder im Vergleich
73
Aus den Beobachtungen lassen sich
Schlüsse ziehen — ganz allgemein, aber
auch konkret für Logo und Erscheinungs-
bild von „Mischpoke e.V.“. Folgende Ge-
danken waren für mich richtungsweisend:
(1) Ein Logo mit Wappencharakter kommt nicht in Frage: „Mischpoke e.V.“
hat keine historischen Wurzeln.
(2) Die Mischpoke ist nicht sesshaft, sondern bezieht von Mal zu Mal andere
Räumlichkeiten. Als Nomade unter den Kunstvereinen widerspräche die Wir-
kungsstätte als Signet dem Konzept also unmittelbar. Es sei denn, dass Signet
verändert sich mit der Ausstellungsstätte.
(3) Die Neutralität des eigenen Auftritts erachten offenbar viele Kunstverei-
ne als wichtig — ein nahe liegender und gangbarer Weg, allerdings immer auch
mit der „Gefahr“ verbunden, nichts-sagend anzumuten. Auch wenn Kunstverei-
ne — als Vermittler — prinzipiell eher Bühne als Akteur sind und insofern selber
nicht sprechen, so haben sie doch etwas zu sagen.
„Mischpoke e.V.“ trifft mit dem Konzept, ausschließlich in leerstehenden
Gebäuden auszustellen, eine Aussage. Und wer etwas zu sagen hat, der muss
auch Farbe bekennen.*
Es gilt also, für das Erscheinungsbild der Mischpoke eine Kombination von
Botschaften zu finden, die spricht ohne zu schreien. Eine Stelle auf halbem
Weg zwischen Neutralität und Identität gewissermaßen.
(4) Zu guter letzt: Ein Kunstverein ist keine Firma und sollte deshalb auch
nicht so aussehen.
* Die Analogie zum Ausstellungs-
konzept ist einleuchtend: Auch hier
stehen dem „White Cube“ — dem
Nicht-Raum der Museen und Galeri-
en — echte, bunte Zimmer entgegen,
die Geschichten von früher erzählen.
74www.bielefelder-kunstverein.de
www.salzburger-kunstverein.at
www.fkv.de
www.westfaelischer-kunstverein.de
www.kunstverein-duesseldorf.de
5 Websites
Bei der Sichtung der Websites anderer Kunstvereine ging es mir weniger
um das Aussehen als um die Inhalte. Insbesondere eine Frage war für mich von
Interesse: Welche Menüpunkte sind üblich und nötig? Die folgenden Websites
boten in diesem Punkt wertvolle Erkenntnisse für die Planung der Mischpoke-
Website:
Bielefeld
Salzburg
Frankfurt
Münster
Düsseldorf
Neben den Kategorien, die jede Website braucht (Über uns, Kontakt und
Impressum, ferner: Suche, Sitemap und Archiv), gab es folgende — für einen
Kunstverein spezifische — Menüpunkte:
Ausstellungen
Mitgliedschaft
Presse
Publikationen
Partner und Förderer
Jahresgaben
Veranstaltungen
Die ersten drei Punkte muss die Website jedes Kunstvereins abdecken,
auch „Mischpoke e.V.“. Ebenfalls Publikationen — sofern es welche gibt —
sollten auf der Website zu finden sein. Partner und Förderer zu erwähnen ist
nötig; genau hierin besteht der Dank und die Gegenleistung für die Förderung.
Jahresgaben* sind bei der Mischpoke nicht vorgesehen und auch Veran-
staltungen jenseits des Ausstellungsbetriebs sind nicht geplant: Diese beiden
Punkte charakterisieren eher den konventionellen, klassischen Kunstverein —
zum schlanken Prinzip der Mischpoke passen weder exklusive Verkaufsveran-
staltungen noch Wochenend-Ausflüge für Mitglieder.
Einige Kunstvereine bieten mit dem Punkt „Vorschau“ zudem einen Ausblick
auf kommende Ausstellungen — die Mischpoke könnte so beispielsweise anvi-
sierte Gebäude und Projekte kundtun.
Hier und da werden Email-Newsletter angeboten: Meinem Eindruck zufolge,
ist diese Praxis in Zeiten des Spam ein Auslaufmodell.
Anders als noch vor ein paar Jahren, hütet man sich heute, die eigene
Email-Adresse bekannt zu geben. Wer sich informieren möchte, tut dies lieber
initiativ.
Die Social Media sind dieser Tage eher ein Muss als ein Kann — auf einen
Facebook-Account sollte „Mischpoke e.V.“ daher nicht verzichten. Millionen
kommunizieren und informieren sich hier — besonders über anstehende Veran-
staltungen. Hier fern zu bleiben würde den Verein gerade vom jungen Teil der
Zielgruppe regelrecht abschneiden.
Zur Analyse der Besucherstruktur der eigenen Website wäre (zu guter letzt)
ein Anschluss an „Google Analytics“ empfehlenswert.
75
* Viele Kunstvereine erhalten jedes
Jahr von den KünstlerInnen, die bei
ihnen ausgestellt haben, so genannte
Jahresgaben. Das sind Kunstwerke
einer geringen Auflage für die Verga-
be oder den Verkauf an die Mitglieder
des jeweiligen Kunstvereins — nicht
selten aber auch für den freien Ver-
kauf zu äußerst günstigen Preisen.
Der Bielefelder Kunstverein
Der Bielefelder Kunstverein über sich selbst:
„1929 gegründet von einer Bürgerinitiative als »Freun-
deskreis des Bielefelder Kunsthauses« feiert der Biele-
felder Kunstverein in diesem Jahr [2009] sein 80-jähriges
Jubiläum.
Seit 1984 befindet sich der Kunstverein im Gebäude
des ehemaligen kulturhistorischen Museums Waldhof,
einem Adelshof aus dem 16. Jahrhundert im Stil der We-
serrenaissance und damit in einem der ältesten Gebäude
der Stadt.
Mit circa 1.000 Mitgliedern zählt der Bielefelder Kunst-
verein zu den bedeutendsten und größeren Kunstvereinen
in Deutschland.“ (Bielefelder Kunstverein, 2011)
Bei meinem Besuch in Bielefeld habe ich folgende
Print-Medien entdeckt und mitgenommen: (1) Das Jahres-
programm des Vereins, (2) einen Flyer mit Informationen
zur Mitgliedschaft, (3) einen Lageplan, mit dem man sich
in der Ausstellung zurecht findet: Grundriss, Kunstwerks-
und Künstlernamen, (4) Informationen zur Wanderaus-
stellung „Von A nach B, von B nach P“ — in Form eines
Faltplakates und (5) eine Broschüre, mit der die besagte
Ausstellung dokumentiert wurde.
Folgendes ist mir erst auf- und dann dazu eingefallen:
Ein über 80-jähriger Verein mit 1.000 Mitgliedern und
Sitz in einem der ältesten Häuser von Bielefeld ist mit
„Mischpoke e.V.“ nur in wenigen Punkten vergleichbar: Ein
wichtiger Unterschied liegt im Budget, ein anderer in Kon-
zept und Programm der Vereine. Der größte Unterschied
allerdings liegt darin, dass „Mischpoke e.V.“ zum Zeitpunkt
dieser Diplomarbeit (Anfang 2011) gerade drei Monate alt
und intensiv mit der eigenen Entstehung beschäftigt ist.
77
Jahresprogramme beispielsweise wird es bei „Misch-
poke e.V.“ vorerst nicht geben: Projekte entstehen spontan
und richten sich unter anderem danach, ob und wann inte-
ressante Ausstellungsräume gerade zur Verfügung stehen.
In Zukunft, wenn die Orte womöglich lange im Voraus
feststehen, könnte eine „Vorschau“ sinnvoll werden.
Die Akquise von Mitgliedern hat bei Mischpoke zum
jetzigen Zeitpunkt ebenfalls keine Priorität.
Lagepläne hingegen sind für Mischpoke gleich doppelt
wichtig: Zum einen ersetzen sie Namensschilder am
Kunstwerk, zum anderen muss speziell in — teils eigen-
tümlich aufgeteilten — leer stehenden Gebäuden die
Orientierung gewährleistet werden.
Viele Informationen werden bei Mischpoke ausschließ-
lich online zugänglich sein, wo sehr spontan und ohne
Druckkosten publiziert werden kann. An anderer Stelle
wiederum werden Angaben — zum Beispiel zum Konzept
von „Mischpoke e.V.“ — auf das Wesentliche verkürzt und
auf den zwingend erforderlichen Printmedien, wie Einla-
dungskarten und Ausstellungsplänen, mit untergebracht.
Last but not least: Die eigenen Ausstellungen zu doku-
mentieren macht eindeutig Sinn. Was sonst bleibt von ver-
gangenen Projekten — besonders wenn man Nomade ist?
78
Kon
zept
ion
&G
esta
ltung
79
80
Konzeption & Gestaltung > Zielsetzung
81
Meine Aufgabe bestand darin, ein Erscheinungsbild für den Kunstver-
ein „Mischpoke e.V.“ zu entwerfen: Ein Erscheinungsbild — keine Wer-
bekampagne. Für einen Kunstverein und nicht für die Telekom. Und für
die Mischpoke und keinen anderen Kunstverein.
Ein Erscheinungsbild dient dazu, eine Viel-
heit als Einheit erscheinen zu lassen. Einer
Gruppe Identität zu verleihen, ist das über-
geordnete Ziel.
Kunstvereine unterscheiden sich in vielen Punkten von anderen Unterneh-
men: Dieser Fakt wirkt sich entscheidend auf das Aussehen des Erscheinungs-
bildes aus.
Die Absicht hingegen, die hinter einem Erscheinungsbild steckt, ist hier wie
dort die selbe: Eine visuelle Identität dient immer dazu, ein Projekt sichtbar, also
bekannt, also erfolgreich zu machen. Ob mittelbar oder unmittelbar — dieser
Erfolg hat auch immer mit Geld zu tun:
Ein Mobilfunkunternehmen möchte hip und fresh aussehen, damit die Teenies
Verträge abschließen; ein Kunstverein ist auf die Zuwendung von Förderern an-
gewiesen, um sein Programm aufrecht erhalten zu können. Das können Mitglieder
sein, Sponsoren, oder die öffentliche Hand.
Ein Erscheinungsbild ist in der Lage, aufmerksam zu machen und Publikum
anzulocken. Und wenn viele sich für etwas interessieren, dann ist es auch — oder
wirkt zumindest — wichtig und förderungswürdig.
Wie jeder Kunstverein stellt „Mischpoke e.V.“ Künstler aus. Im Unterschied
zu anderen Kunstvereinen zeigt Mischpoke aber immer nur Gruppenausstel-
lungen — und dass nicht im statischen, sterilen „White Cube“, sondern an
wechselnden Orten — in verlassenen Gebäuden.
In diesem Konzept verbirgt sich das Wesen der Mischpoke und mit diesem
Konzept überzeugt der Verein (1) Künstler davon teilzunehmen, (2) Besucher
davon zu kommen und (3) Förderer davon das Projekt zu finanzieren.
Ein Erscheinungsbild kann hier (lediglich) unterstützend wirken, indem es
das Konzept visuell kommuniziert. Dieses Ziel verfolgt die Diplomarbeit.
Zielsetzung
82
Konzeption & Gestaltung > Zur Gestaltung
83Zur Gestaltung
Vor dem Hintergrund, dass dem Verein nur ein kleines Budget zur Ver-
fügung steht und die Weiterverarbeitung einiger Druckmedien in Handarbeit
erfolgt, waren (1) die günstige Realisierbarkeit und (2) die Angemessenheit
des Aufwandes zwei wichtige Kriterien für Konzeption und Gestaltung.
Das Regelwerk ist kurz:
1. Die einzig radikale Konstante in der Gestaltung ist der perforierte Schriftzug.
2. Die Formate der Papiermedien richten sich danach, was Standard ist oder
günstig zur Verfügung steht.
3. Texte sind bei „Mischpoke e.V.“ prinzipiell rein informativ und immer so kurz
und knapp wie möglich.
4. Um die visuelle Konkurrenz zur Kunst zu vermeiden, wird auf Bilder jeder
Art weitestgehend verzichtet.
5. Zwei Schriften kommen zum Einsatz, weil sie zu den neutralsten zählen: Die
Courier (nur in 8 Punkt) und die Akzidenz Grotesk (überall dort, wo Schrift
groß sein muss — zum Beispiel auf Plakaten).
6. Wann immer möglich, wird einfarbig schwarz gedruckt. Nur wenn die Über-
sichtlichkeit — zum Beispiel durch viel Text — in Gefahr gerät, kommen
Magenta und Cyan* zum Einsatz, um Unterscheidungen zu treffen.
7. Alles verwendete Papier stammt aus Restbeständen, ist Druckausschuss,
Altpapier, oder sogar Papiermüll. Daher ist es meistens grau oder braun
und immer haptisch außergewöhnlich.
8. Produziert wird wenn möglich „zu Hause“. Nur Einladungskarten (wegen
der hohen Auflage) und Plakate (wegen der Größe) werden extern produ-
ziert. Alles andere kommt aus dem Farblaserdrucker und wird dann hän-
disch veredelt.
* Die Wahl der Farben ist nicht mit
ihrer Wirkung begründet, sondern nur
damit, dass diese beiden Farben —
neben Yellow — als die günstigsten
„Sonderfarben“ bezeichnet werden
können: Cyan und Magenta sind
reine Druckfarben, müssen also nicht
gemischt bzw. gerastert werden. Far-
bige Schrift ist deshalb — auch bei
sehr kleinen Schriftgrößen — immer
noch gut lesbar.
An dieser Stelle münden (1) die Einschätzung des Kunstvereins
„Mischpoke e.V.“, (2) Gedanken zum Thema Corporate Identity,
(3) die Recherche zum Thema Kunstvereine und (4) meine Mei-
nung, in ein gestalterisches Konzept.
84
Konzeption & Gestaltung > Logo > Schriftzug
PENSION FLORA
Goethestraße 95
13.–22.3.09
41061 Mönchengladbach
www.mischpoke.eu
85
Das Logo ist das Herzstück jedes Erschei
nungsbildes. Es ist so etwas wie die DNA
einer visuellen Identität.
Das Logo der Mischpoke besteht aus zwei Elementen, nämlich dem perfo
rierten Schriftzug „Mischpoke e.V.“ und dem jeweils aktuellen Ausstellungs
stempel. Beide Elemente können entweder alleine oder in Kombination einge
setzt werden — je nach Lust und Laune.
Schriftzug
Der perforierte Schriftzug ist der Kern des Erscheinungsbildes von „Misch
poke e.V.“. Jedes Druckprodukt — also Visitenkarten, Einladungskarten und
Briefe, Plakate und Lagepläne, Mitgliedsausweise und Lose — werden damit
verziert.
Extra zu diesem Zweck hat der Verein ein Perforiergerät der Firma „Pernu
ma“ angeschafft, das mit genau 120 Stahlnadeln (Ø 0,8 mm) den Schriftzug
„Mischpoke e.V.“ in einen Papierstapel von bis zu 15 Blatt à 70g perforiert.*
Der Schriftzug ist 6 mm hoch und 73 mm breit. Der Vorgang passiert im Hand
betrieb. Der perforierte Text ist unveränderlich.
Der optische Effekt, den die Perforation hervorruft, ist groß. Wenn man
eines der Medien in die Hände bekommt, nimmt man den Schriftzug — durch
jede Veränderung der Helligkeit im Hintergrund — sofort war. Man ist geneigt,
den Effekt zu ergründen, indem man das Papier vor eine Lichtquelle hält. Die
Aufmerksamkeit, die der Name „Mischpoke e.V.“ dadurch bekommt, ist enorm.
Die Schriftart als solche ist schnörkellos und neutral — dass sie allerdings
aus Löchern besteht, verleiht ihr Unverwechselbarkeit.
Wollte man sehr abstrakt argumentieren, könnte man sogar sagen, die Lö
cher korrespondierten mit dem Ausstellungskonzept von Mischpoke, indem sie
einen Blick hinter die Fassade freigeben.
Die hohen Kosten von fast 800€, die die Sonderanfertigung verursacht hat,
sind (für die junge Vereinskasse) damit zu rechtfertigen, dass das Perforierge
rät aufgrund seiner Robustheit und Qualität über Jahrzehnte hinweg eingesetzt
werden kann.
Wenn der Schriftzug digital eingesetzt, oder als Abbildung an Dritte weiter
gegeben wird, erscheinen die Löcher als schwarze Punkte.
* Das Durchlöchern ist eine ver-
gleichsweise radikale Methode, seine
Marke zu setzen und lässt an den
Begriff des „Branding“ aus dem Mar-
keting denken. Der ästhetische Effekt,
den die „Gucklöcher“ hervorrufen,
wirkt am Ende jedoch wenig brachial.
Logo
PERNUMA PERFOSET I/T
Die maximale Perforierleistung pro
Hub beträgt ca. 15 Blatt 70 g Papier
bei bis zu 7 Buchstaben.
Der gewünschte Text ist fest in die
Maschine eingebaut. Er kann bis zu
78 mm lang und bis zu 24 mm hoch
sein.
Die Einfuhrtiefe beträgt ca. 75 mm.
88
Konzeption & Gestaltung > Logo > Ausstellungsstempel
PENSION FLORA
Goethestraße 95
13.–22.3.09
41061 Mönchengladbach
www.mischpoke.eu
CASTLE OF DISCIPLINE
August-Pieper-Straße 4–10
9.–24.7.10
41061 Mönchengladbach
www.mischpoke.eu
KAMMERSPIELE
Sandradstraße 12
www.mischpoke.eu
28.1.–13.2.11
41061 Mönchengladbach
89
Ausstellungsstempel
Zu jeder Ausstellung wird ein Stempel angefertigt. Immer zeigt er die Fassa-
de* des kommenden bzw. aktuellen Ausstellungshauses. Außerdem sind Titel,
Datum und Adresse zu lesen, sodass jeder Stempel kompakt aber vollständig
über die nächste bzw. laufende Ausstellung informiert.
Zum Einsatz kommen sie ganz nach Belieben — z.B. auf Briefen. Wer den
Stempel kennt und die Ausstellung besucht, kann Gebäude und Abbildung
vergleichen. Dem ein oder anderen weist die Übereinstimmung womöglich
sogar den Weg.
Mit den Stempeln wird das Hauptmerkmal der Mischpoke, nämlich der
wechselnde Ausstellungsort, zum Bild-Element im Erscheinungsbild und be-
tont auf diese Weise (explizit) das Konzept des Kunstvereins.
Die Ausstellungstempel sind das flexible Element des Logos, während der
Schriftzug ein statisches ist. Beide Elemente gehören zum Logo.** Die „Wort-
marke“ wird perforiert, die „Bildmarke“ gestempelt.
Die Fassade der Gebäude nachzuzeichnen und als Stempel produzieren
zu lassen, nimmt jedes Mal einige Stunden in Anspruch. Da „Mischpoke e.V.“
allerdings nie mehr als 2-3 Ausstellungen pro Jahr realisieren möchte, ist der
Aufwand vertretbar. Hinzu kommt die Freude an der wachsenden Sammlung.***
Ein Stempel kostet 8€ und wird innerhalb von 24 Stunden produziert.
Die Farbe des Stempelabdrucks spielt keine entscheidende Rolle — man
bedient sich des gerade verfügbaren Stempelkissens.
* Eine sinnvolle Alternative zur
Fassadenansicht wäre der Grundriss
der Ausstellungsräume gewesen.
Allerdings haben Grundrisse im Ver-
gleich zur Fassade wenig Individua-
lität, sodass die wachsende Samm-
lung Mönchengladbacher Gebäude
schlichtweg attraktiver wirkt, als die
Sammlung geometrischer Formen.
** Laut Wikipedia (2011a) besteht
ein „Logo“ immer aus Wortmarke
und Bildmarke. Ein Logo ohne Bil-
delement wäre demnach eine reine
„Wortmarke“, ein Logo ohne Schrift-
element wäre eine „Bildmarke“ oder
„Signet“. In Kombination heißt beides
erst „Logo“
*** Zukunftsvision: Wenn „Misch-
poke e.V.“ in absehbarer Zeit auf
seine fünfzigjährige Vereinsgeschich-
te zurückblickt, ist die Sammlung
auf über hundert Exemplare ange-
wachsen und die ersten Stempel
werden als kostbare Sammlerstücke
gehandelt.
90
Konzeption & Gestaltung > Visitenkarten
91Visitenkarten
Visitenkarten benötigt man als Kunstver-
einsvorstand ebenso wie jeder Bank-An-
gestellte: Um professionell aufzutreten,
um den Kontakt zu Interessierten herzu-
stellen, und um bei diesen — auch durch
das Erscheinungsbild — im Gedächtnis
zu bleiben, sind die Karten gut geeignet.
Für eine Mischpoke-Visitenkarte braucht man nur ein Stück Pappe, das
Perforiergerät und einen individuellen Visitenkarten-Stempel. Jedes Vor-
standsmitglied besitzt einen solchen Stempel, der den Namen, die eigene
Telefonnummer, die Email- und die Webadresse abdruckt.
Die Karten werden nicht extern produziert, sondern selbst angefertigt —
mit Lineal, Schere, Pernuma und Stempel.* So fallen hierfür keine Kosten an.
Die Standardgröße für Visitenkarten beträgt 85 × 55 mm. Hierauf pas-
sen sowohl der Schriftzug, als auch der persönliche Stempel. Das Format
ist allerdings keine Maßgabe, sondern ein Vorschlag.
Für das Material der Karten gibt es ebenfalls kaum Regeln — jeder kann
ein eigenes wählen.**
Durch Grammatur, Farbe und Beschaffenheit des Papiers wird jede
Karte individuell. Perforation und Stempel gewährleisten umgekehrt die
Einheitlichkeit des Erscheinungsbildes.
Abstrakt argumentiert, spiegelt sich in der Wiederverwendung und
dem relativen Zufall des Materials auch das Konzept der Mischpoke wider:
„Recycelt“ und ganz nach Gelegenheit gewählt, werden schließlich auch
die Ausstellungsräume.
* Um Zeit und Aufwand zu sparen
kann die Mischpoke ihre Visiten-
karten aber auch bei der Druckerei
„Ackermann“ (in Mönchengladbach)
auf Format schneiden lassen. Außer-
dem sammelt „Ackermann“ Papier
für den Verein, das sonst wegge-
worfen würde, sich für Mischpoke-
Visitenkarten aber noch eignet. Dort
sind alle so nett und freundlich den
Kunstverein mit solchen Gefallen zu
unterstützen.
** Ulrike Lua schwärmt beispiels-
weise für ein bläuliches, beschich-
tetes Papier, welches bei ALDI
zwischen den Waschpulver-Kartons
liegt, damit nichts verrutscht.
92
Konzeption & Gestaltung > Visitenkarten
93
95
Ein Kunstverein ist eine juristische Person.
Für die Korrespondenz mit Mitgliedern, För-
derern und dem Finanzamt, ist Briefpapier
von Nöten. Zudem taugt es auch als Formu-
lar für die Anmeldung zur Mitgliedschaft.
Das Briefpapier von „Mischpoke e.V.“ steht dem Vorstand als PDF zur Verfü-
gung. Der Aufbau entspricht dem Normbriefbogen.
Wer einen Brief im Namen des Vereins verschickt, druckt sich den Bogen zu
Hause aus, druckt dann in einem zweiten Schritt den Inhalt des Briefes auf das
Papier*, falzt jetzt den Bogen — mit Hilfe der dafür vorgesehenen Markierun-
gen — und kuvertiert zum Schluss das Schriftstück. Anschließend erst wird der
Brief perforiert, sodass der Schriftzug alle fünf Papierschichten durchlöchert —
zwei Schichten Umschlag, drei Schichten Brief.
Handschriftlich** wird der Mischpoke-Schritzug dann noch durch die
übrigen Absenderdaten, und der Brief durch die Empfängeradresse, ergänzt.
Marke drauf, vielleicht noch ein Häuser-Stempel, und ab die Post.
Wenn nicht schon am Umschlag, dann spätestens beim Entfalten des
Briefes, fällt dem Empfänger die Perforation ins Auge, die den Brief aufgrund
seiner Faltung gleich dreifach ziert.
Dass der Schriftzug auch den Text des Briefes durchlöchert, tut der Les-
barkeit keinen Abbruch: Die Löcher sind klein genug, um auch 8 Punkt Schrift
nicht zu gefährden.
Das Papier für Brief und Umschlag ist — wie schon bei den Visitenkar-
ten — frei wählbar. Gut sieht aus: Der Brief auf grauem Recyclingpapier, der
Umschlag aus braunem Natron. Hauptsache nicht gestrichen und hochweiß:
Auch wenn es absichtlich kein Regelwerk gibt — die Haptik und der Liebreiz
des Papiers sollten bei Materialwahl und -kombination immer Aufmerksamkeit
erfahren.
Formulare, zum Beispiel die Anmeldung zur Mitgliedschaft, werden über
kurz oder lang und je nach Bedarf — als PDF — ergänzt.
Briefpapier
* Die Schriftart „Courier“, die
bei „Mischpoke e.V.“ hauptsächlich
zum Einsatz kommt, steht auf jedem
Computer dieser Welt zur Verfügung.
Der Inhalt des Briefes kann zudem
mit jedem beliebigen Textverarbei-
tungsprogramm erstellt und auf den
(vorgedruckten) Briefbogen gedruckt
werden.
** Durch die Handschrift bleibt
jeder Brief persönlich.
9797
99
Konzeption & Gestaltung > Biefpapier
101Website
Die Website von „Mischpoke e.V.“ basiert
auf dem kostenlosen Dienst „Tumblr“, der
vieles vereinfacht, was sonst kompliziert ist.
Als Blog-System (ähnlich „Blogspot“, „MySpace“ und „Wordpress“) um-
schließt „Tumblr“ ein so genanntes „CMS“* und ist damit so konzipiert, dass
jedermann — ganz ohne Programmierkenntnisse — Websites erstellen kann.
Das System im Hintergrund ist bei jedem Tumblr-User identisch, die
visuelle Erscheinung der Website hingegen lässt sich auch mit geringer
Fachkenntnis bis ins Detail konfigurieren: Das Erscheinungsbild der Mischpoke
(samt Schriftart und Farben) konnte so ohne großen Aufwand ins Internet über-
tragen werden. Selbst das — teils zufällige — Layout der Printmedien findet
hier seine Entsprechung.
Die vorkonfigurierten Möglichkeiten von „Tumblr“ umfassen zum Beispiel
das Einstellen von (1) Fotos und Foto-Slideshows, (2) Videos, (3) Audio-Datei-
en und (4) Textbeiträgen.
Von großem Vorteil sind auch die Möglichkeiten (1) die Seite mit „Facebook“
zu synchronisieren und (2) mittels „Google Analytics“ zum Beispiel die Zahl
der monatlichen Besucher festzustellen. Insbesondere um auf bevorstehende
Veranstaltungen hinzuweisen, ist neben der Website ein Mischpoke-Facebook-
Account unabdingbar.
Die Website von „Mischpoke e.V.“ informiert über den Verein, über kommen-
de Ausstellungen und dokumentiert vergangene.
Das Augenmerk liegt dabei auf der Dokumentation vergangener Ausstel-
lungen, die immer möglichst umfangreich stattfinden soll. So kann der Besu-
cher der Website zu jeder Ausstellung folgende Informationen finden: (1) Ein
kurzes Mischpoke-Statement zur Ausstellung, (2) die Liste aller teilnehmenden
Künstler samt Links zu deren Websites, (3) Fotos der leeren Räume vor Aus-
stellungsbeginn, (4) Fotos der installierten Kunstwerke im Raum und (5) Fotos
oder ein Video von der Ausstellungseröffnung, um die Atmosphäre vor Ort
wiederzugeben, außerdem (6) die Berichterstattung der Presse.
Die Mischpoke ist online — in der Aufbauphase vorerst — unter
www.flipnix.tumblr.com zu finden.
Sobald die Inhalte vollständig eingepflegt sind, zieht die Seite um
und ersetzt die alte auf www.mischpoke.eu.
* Ein Content-Management-Sys-
tem (kurz: CMS, übersetzt: Inhalts-
verwaltungssystem) ist ein System
zur gemeinschaftlichen Erstellung,
Bearbeitung und Organisation von
Inhalten. Diese können aus Text- und
Multimedia-Dokumenten beste-
hen. Ein Autor kann ein solches
System in den meisten Fällen ohne
Programmier- oder HTML-Kennt-
nisse bedienen. Der darzustellende
Informationsgehalt wird in diesem
Zusammenhang als Content (Inhalt)
bezeichnet (Wikipedia, 2011b) .
105Internet-Forum
Das Internet-Forum von „Mischpoke e.V.“ ist — neben dem Lageplan zur
Vorbereitung — das zweite rein interne Medium. Das Forum dient dem Verein
zur Sam mlung und Archivierung wichtiger Daten: Hier werden beispielsweise
(1) Künstler-Portfolios online gestellt, (2) Künstler-Kontaktlisten eingepflegt,
(3) für den Verein interessante Links gesammelt und (4) für zukünftige Ausstel-
lungen geeignete Gebäude aufgelistet. Auch die aktuelle Version des Lage-
plans zur Planung kann hier jederzeit abgerufen werden.
Insofern dient es in erster Linie als Datenbank und in zweiter Linie zur inter-
nen Kommunikation.
Jedes Vorstandsmitglied kann das passwortgeschützte Forum betreten und
Einträge dort verfassen. Für die Öffentlichkeit ist es nicht zugänglich.
107
Plakate zu produzieren und zu plakatieren
ist verhältnismäßig aufwendig und teuer —
jedenfalls für einen jungen, nahezu mittel-
losen Verein. Wirklich nötig sind sie daher
nicht, könnten aber hier und da sinnvoll zum
Einsatz kommen.
Mischpoke-Plakate werben entweder für die kommende Ausstellung, oder
machen den Verein selbst publik. Immer mit Hilfe von Bildern der leeren Aus-
stellungsräume, die die Ästhetik der „Geisterhäuser“ vermitteln, besonders
typische Stellen im Gebäude zeigen und dadurch neugierig machen sollen, die
Ausstellung zu besuchen.
Selbstverständlich finden — im Falle der Ausstellungsplakate — auch alle
Informationen zur Ausstellung ihren Weg auf das Plakat: Künstler, Titel der
Ausstellung, Eröffnung und Zeitraum. Ebenso die Förderer.
Die Mischpoke-Plakate sind neben den Einladungskarten das einzige Me-
dium, welches die Mischpoke nicht selbst produziert — weil das Plakatformat
nicht durch den Farblaserdrucker passt. Stattdessen werden sie in geringer
Auflage günstig im Digitaldruck produziert.
Das für die Plakate verwendete Papier nennt sich „Druckausschusspapier“
und ist (mit 50g pro qm) sehr dünn. Der Name verrät es: Das Papier gilt als
Müll und ist deshalb unglaublich günstig.
Der Vorteil der geringen Papierstärke besteht darin, dass man den Bogen
deutlich öfter falten — und dann noch perforieren — kann, als bei dickerem Pa-
pier. Eine einzelne Perforation des gefalteten Plakates erzeugt auf diese Weise
32 Mischpoke-Schriftzüge.
Eine besondere Wirkung entfalten die Plakate bei Dunkelheit, wenn sie vor
hinterleuchtetem Glas aufgehängt werden — zum Beispiel in Fensterscheiben.
Im Vorbeigehen fällt Licht, das durch die Löcher scheint, ungewöhnlich stark auf.
Plakate
113
114
Konzeption & Gestaltung > Einladungskarten
115Einladungskarten
Einladungskarten sind ein übliches und
wichtiges Medium jedes Kunstvereins:
Zu Ausstellungen muss man manuell einladen, wenn man möchte,
dass ein bestimmter Kreis von Personen informiert ist und kommt.*
An öffentlichen Orten ausgelegt, erreichen sie als Flyer zusätzlich Interes-
senten.
Die Einladungskarten von „Mischpoke e.V.“ gibt es in zwei Ausführungen:
Neben der zweiseitigen Karte gibt es noch eine vierseitige Version, die als
Klappkarte (1) hochwertiger wirkt und (2) mehr Platz für Text bietet.
Beide informieren (mit: Was? Wo? Wer? Wann? Warum?) so kurz und
knapp wie möglich über die kommende Ausstellung: Titel, Adresse, Namen der
Künstler, Zeitraum und Öffnungszeiten, außerdem ein Dank an die Förderer —
auf der Klappkarte zusätzlich: Kurz-Informationen über Mischpoke und das
Ausstellungshaus.
Das Format beider Karten ist „DIN lang“, das üblichste Einladungskarten-
Format.
Wie die Plakate, zeigen auch die Einladungskarten eine Innenansicht der
noch leeren Ausstellungsräume, mit der Absicht, einen ersten Einblick zu ge-
währen und dadurch Neugier zu wecken.
Neben den Plakaten, sind die Einladungskarten auch das einzige Medium,
welches — aufgrund der hohen Auflage — außer Haus produziert werden
muss: An 1.500 Pappkarten à 300g verzweifelt jeder Laserdrucker.
Graupappe als Druckträger fällt allein deshalb schon auf, weil sonst selten
auf nicht-weißes Papier gedruckt wird. Das raue und schmutzig graue Material
passt außerdem wesentlich besser zum Konzept von „Mischpoke e.V.“, als
hochglänzend weißes Papier.
Fertig geliefert wird von Hand perforiert: Wenn man zwei oder drei Karten
gleichzeitig durchlöchert, braucht man für die gesamte Auflage nicht länger als
drei Stunden.**
Da immer wieder internationale Künstler bei der Mischpoke ausstellen und
Gäste einladen, wird in Zukunft ein Teil der Auflage auch in englischer Sprache
produziert.
* Zwar könnte man heute auch
ausschließlich via Facebook und
Email einladen, um Kosten zu sparen
— die haptische Überzeugungskraft
und die implizite Wertschätzung des
Empfängers, die eine gedruckte (und
handperforierte) Karte vermittelt,
kompensiert das aber nicht. Außer-
dem gibt es immer noch Menschen,
die nicht oder kaum online kommu-
nizieren.
** Wie an anderer Stelle bereits
betont, sind Weiterverarbeitungs-
Schritte wie (1) mehrfache Falzungen
und (2) Perforation immer sehr teuer,
wenn man sie in Auftrag gibt, weil
sich solche Schritte nur aufwendig
automatisieren lassen bzw. eine sehr
spezifische Ausrüstung dafür von
Nöten ist. Diese Art von Veredlung
kann „Mischpoke e.V.“ deshalb nur
von Hand vornehmen. Und das wie-
derum ist nur möglich, weil Ehrenamt
auch Freiwilligkeit bedeutet und weil
alle acht Mischpoker ab und zu Spaß
daran haben, bei einer guten Flasche
Wein und guter Musik 1.500 Karten
zu perforieren. Der Gegenwert ist die
Wirkung: Es entstehen Unikate, die
als „Werbemittel“ selten sind.
116
Konzeption & Gestaltung
Einladungskarte (zweiseitig)
117
119
Konzeption & Gestaltung
Einladungskarte (vierseitig)
119
120 121
Lageplan zur Vorbereitung 123
Der Lageplan zur Vorbereitung ist kein ex-
ternes Kommunikationsmedium der Misch-
poke, sondern ein internes. Das Dokument
dient dem Zweck, alle wichtigen Informatio-
nen zu einer bevorstehenden Ausstellung
zu bündeln:
Sobald die Räumlichkeiten feststehen, wird der Grundriss gezeichnet;
sobald Zutritt besteht, wird der Plan um Fotos und Maße der Räume ergänzt;
sobald Künstler zusagen und sich für ihr Eckchen entscheiden, wandert der
Hinweis auf den Plan. Ebenso geht es mit allen Terminen.
Auf diese Weise sind (1) alle Beteiligten immer auf dem aktuellsten Stand
der Planung und (2) die Künstler können sich — auch auf die Entfernung — ei-
nen Überblick verschaffen: Denn nicht alle Künstler kommen aus der Umge-
bung und können spontan zur Besichtigung erscheinen. Viele kommen von weit
weg und tauchen erst kurz vor der Eröffnung auf, um ihre Arbeiten zu installie-
ren. Insbesondere zum Zweck der Vorbereitung für die Künstler, ist der Plan
unerlässlich.*
Als PDF steht der Plan dem Vorstand und den Künstlern jederzeit online
zum Download bereit.
* Einer der Künstler der Ausstel-
lung „Kammerspiele“ (Berndnaut
Smilde) hat den Grundriss sogar als
Vorlage für eine Arbeit verwendet:
Winzig klein hat er die Zahnarztpraxis
aus Papier konstruiert und mit einem
Stück „Aerogel“ — dem leichtesten
Material der Welt — gekrönt. Wun-
derschön.
129Lageplan zur Ausstellung
Zu jeder Mischpoke-Ausstellung gibt es
einen Lageplan für das Publikum, der den
Grundriss der Ausstellungsräume zeigt.
Dieser Plan dient gleich mehreren Zwecken: Weil er verrät, welcher Künstler
welchen Raum bespielt und wie das entstandene Kunstwerk heißt, ersetzt er
die typischen (oft aber störenden) Namensschilder neben den Kunstwerken.
Darüber hinaus dient der Plan zur Orientierung in den — teils kurios verwin-
kelten — leer stehenden Gebäuden.
Zusätzlich informiert der Plan über das Losverfahren der Mischpoke und
zeigt, wo das zu verlosende Kunstwerk zu finden ist.
Da die Besucher den Plan mit nach Hause nehmen, enthält er außerdem —
wie schon die Einladungskarten — alle Informationen zur Ausstellung und über
„Mischpoke e.V.“, sodass der Plan auch nachträglich noch vollständig informiert.
Das Papier, auf das die Pläne gedruckt werden, ist eigentlich Abfall und
wird dem Verein freundlicherweise von der Firma „Memo“ (die damit sonst ihre
Versand-Kartons ausstopft) kostenlos zur Verfügung gestellt.
Das Papier ist ungeeignet für den Offset-Druck, weil es zu oft recycelt
wurde und die Papierfasern deshalb zu kurz geworden sind, um eine marktübli-
che Papier-Stabilität zu gewährleisten. Das Papier ist daher rau und porös und
geht schnell kaputt — außerdem ist es eingefärbt.
Zurechtgeschnitten auf DIN A3 passt das Papier allerdings durch den Farb-
laserdrucker und kann anschließend per Hand (1) auf DIN A6 herunter gefaltet,
(2) mit dem Schriftzug perforiert und (3) zum Schluss mit dem Ausstellungs-
stempel geschmückt werden.
Die Produktion von 150 Plänen entspricht einem Arbeitsaufwand von etwa
zwei Stunden — die meiste Zeit benötigt das Falten.
Qualität, Farbe und Haptik machen das Material exotisch und dadurch auf-
fällig. Hier wird die mangelnde Qualität regelrecht zum Vorteil.
Die händische Veredlung macht zudem jedes Exemplar zum Unikat, genau
wie bei den Visiten- und Einladungskarten. Einzelstücke sind wertvoll — ver-
schickt man ein solches, oder händigt es aus, übermitteln man implizit auch
immer eine hohe Wertschätzung des Empfängers.
131
135
137
139Losverfahren
Bei jeder Ausstellung von „Mischpoke e.V.“
wird ein ausgestelltes Kunstwerk verlost.
Als Besucher kann man während der gesamten Ausstellungsdauer Lose im
Wert von 5€ pro Stück kaufen. Am letzten Tag der Ausstellung wird dann der
Gewinner ausgelost und auf der Website bekannt gegeben.
Von dem eingenommenen Geld wird das Kunstwerk dann bezahlt; ein mög-
licher Überschuss wandert in die Vereinskasse. Sollte jemals zu wenig Geld
eingenommen werden, bezahlt Mischpoke die Differenz.
Mit dieser Methode — die zum identitätsstiftenden Merkmal taugt — kann
„Mischpoke e.V.“ gewährleisten, dass wenigstens ein Kunstwerk eines Künst-
lers pro Ausstellung verkauft wird.* Insofern ist das Losverfahren eine Maßnah-
me zur Künstlerförderung. Zusätzlich aber dient sie der Vereinskasse, wenn
ausreichend Lose verkauft werden. Selbst wenn man als Loskäufer also nicht
gewinnt, hat man doch die Gewissheit, dem Verein mit einem kleinen Betrag
unter die Arme gegriffen zu haben — die symbolische Entschädigung Kunstför-
derer geworden zu sein.
Die Idee zu dem Verfahren stammt aus der Recherche zum Thema Kunstver-
eine und geht auf ihr ursprüngliches Prinzip zurück.
Das Verfahren kam zum ersten Mal bei der Ausstellung „Kammerspiele“ im
Januar 2011 zum Einsatz und ist auf reges Interesse gestoßen, so wurden 70
von 100 Losen für 5€ pro Stück verkauft. Mit dem Ertrag konnte das Kunst-
werk im Wert von 150€ bezahlt werden. Weitere 200€ sind in die Vereinskas-
se geflossen.
Womöglich lässt sich das Verfahren (als Einnahmequelle des Kunstvereins)
sogar zu einer echten Alternative zu Mitgliedsbeiträgen weiterentwickeln: Sich
zu einer langfristigen Mitgliedschaft zu entschließen fällt üblicherweise schwer.
Die spontane Unterstützung einer lobenswerten Sache hingegen ist schnell
entschieden — immerhin ja auch noch mit Gewinnchance.
Die Lose werden mit dem Farblaserdrucker bedruckt und anschließend zer-
schnitten, perforiert und mit Hilfe eines Tackers zu Blöcken zusammengefasst.
Beim Loskauf muss jeder seinen Kontakt hinterlassen. Jedes Los hat zwei
Abschnitte: Den einen (mit Nummer und Info-Text) nimmt der Käufer mit nach
Hause, der andere (mit Kontakt und Nummer) bleibt beim Kunstverein und
dient später zur Auslosung.
Um auch an sich attraktiv zu wirken, tragen die Lose ein wenig Dekor, an-
sonsten fügt sich die Gestaltung nahtlos in das Erscheinungsbild ein.
* Aus langjähriger Erfahrung mit
dem Betrieb des ersten Mönchen-
gladbacher Kunstvereins kann ich
sagen, dass Künstler bei Kunstver-
eins-Ausstellungen selten überhaupt
eine Arbeit verkaufen.
141
142
Konzeption & Gestaltung > Gästebuch
143
Ein Gästebuch erklärt sich von selbst.
Hier können Gäste bei der Ausstellung Grüße hinterlassen — und ihre
Kontaktdaten, für den Fall, dass sie über das Programm des Vereins informiert
werden möchten.
Das Gästebuch von „Mischpoke e.V.“ ist aus dem Verschnitt der Lagepläne
gebunden, wieder also aus eingefärbtem Abfallpapier. Gebunden hat das Buch
Peter Boden — aus Sympathie für das Projekt ganz umsonst. Dankeschön.
Gästebuch
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Kun
st u
ndK
onte
xt
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Die logische Eigentümlichkeit des Ge-
schmacksurteils besteht darin, daß es
zwar Allgemeingültigkeit beansprucht,
doch nicht eine logische Allgemeinheit
nach Begriffen, weil sonst der notwen-
dige allgemeine Beifall durch Beweise
würde erzwungen werden können. (Kant)
147
Peter Bürger — ganz kurz
Peter Bürgers Theorie der Avantgarde (1974) vermittelt die Konsequenzen der histori-
schen Avantgardebewegungen für die Marschrichtung von Kunst und Gesellschaft.
Bürger beschreibt zunächst, wie die Avantgarde den künstlerischen Stil (an sich) li-
quidiert, wie sie die Fusion von Kunst und Leben anstrebt und daran scheitert; dann
stellt er — mit Benjamin — fest, dass die Kunst und ihr Kontext untrennbar verbunden
sind und blickt zum Schluss — mit Adorno — auf eine Welt, die langsam aber sicher zu
irrational wird, um sie noch theoretisch erfassen zu können.
Seine Thesen skizzieren ein Koordinatensystem der Kunst, in dem auch „Mischpoke
e.V.“ einen Platz einnimmt.
Was uns reizen soll, ist nicht der Inhalt
und seine Realität, sondern das in Rücksicht
auf den Gegenstand ganz interessenlose Schei-
nen. Vom Schönen wird gleichsam das Schei-
nen als solches für sich fixiert, und die Kunst
ist die Meisterschaft in der Darstellung al-
ler Geheimnisse des sich in sich vertiefenden
Scheinens der äußeren Erscheinungen. (Hegel)
Anders als die
großen Apparate
der Museen und
Großinstitutionen
mit ihrem Hang zu
institutionel-
ler Erstarrung
und auf das bür-
gerliche Reprä-
sentanz-Bedürfnis
gerichteten Groß-
projekten, for-
dert der Kunst-
verein zwar das
permanente Im-
provisieren als
Existenzgrund-
lage, bietet da-
für aber auch
eine sonst nir-
gendwo gegebene
Flexibilität,
eine sozusagen
auf alle Eventu-
alfälle hin mo-
difizierbare
Selbst-Verfas-
sung. Angesichts
einer Kunst, die
jeden Ansatz ih-
rer eigenen Dog-
matisierung stets
durch neue Vol-
ten unterläuft
und ein spiele-
risches Vergnügen
dabei entwickelt,
sich perma-
nent neu zu ver-
flüssigen, auf-
zulösen, um sich in überraschenden Aggregatformen temporär wieder zu kontextualisieren, erscheint
das Bricolage-Prinzip, dem die meisten Kunstvereine durch ihre ökonomisch wie personell defizitäre
Fundamentierung unterliegen, nicht - oder jedenfalls nicht ausschließlich — als Limitierung, son-
dern auch als Chance, der Kunst mit einer Struktur zu begegnen, die dem tastend-pluralen, notwen-
digerweise stets uneindeutigen Charakter heutiger Kunstprozesse ähnlich ist. (Dr. Stephan Berg)
Das Wohlgefallen, wel-
ches das Geschmacksur-
teil bestimmt, ist ohne
alles Interesse. (Kant)
Kunst versus Leben
Die Avantgardisten leben und wirken in einer Zeit des Um-
bruchs: Adel und Herrschaft sind out. Bürgertum und Demo-
kratie zunehmend in. Man wird nicht mehr regiert, sondern re-
giert sich selbst. Mehr Freiheit, weniger Kommandos.
Die Selbstbestimmung beschert allerdings auch Proble-
me: Der Gebrauch der Vernunft ist nämlich Arbeit — Kopfar-
beit; und wenn man die nicht beherrscht, wenn die Orientie-
rung fehlt, läuft man im schlimmsten Fall blind in die falsche
Richtung.
So trägt das Credo der bürgerlichen Ökonomie auch im
ersten Weltkrieg ein Antlitz: Auf dem Hinweg ein Lied auf den
Lippen und voll Nationalstolz. Auf dem Rückweg bis ins Mark
erschüttert von der Logik des Maschinengewehrs.
Die Weltanschauung macht einen Ruck, die Kunst ebenso.
Die Avantgarde reagiert auf die Blindheit des Bürgertums
mit ihrer Strategie, um Augen zu öffnen: Sie stellt dem Positi-
vismus den Un-Sinn und die Magie entgegen. Sie schockiert,
um wachzurütteln und Alternativen zu zeigen: Die Avantgardis-
ten brechen radikal mit den Sehgewohnheiten und ernten da-
mit zuverlässig Empörung. Spätestens Duchamps Pissoir ist
eine offene Provokation.
Mit der Absicht, das Leben in Frage zu stellen und Verhal-
tensänderung zu bewirken torpediert jetzt die Kunst ihren ei-
genen Sinn, ihre Stellung.
Hier will Kunst auf das Leben abfärben und ganz konkret
Einfluss üben, anstatt nur zu zeigen, zu dokumentieren.
Gemessen an diesem Anspruch, hat die Avantgarde wohl
versagt, hat zwar Schlachten gewonnen, den Krieg aber den-
noch verloren: Kubismus, Surrealismus und Dadaismus mar-
kieren rückblickend nicht das Ende der Kunst, sondern sind
— als stinknormale Stilrichtungen — in ihr aufgegangen. Die
Dissidenten sind assimiliert.
Nicht die Kunst hat sich das Leben genommen, sondern
das Leben sich die Kunst: Als Freizeitvergnügen und Wert-
anlage spielt sie heutzutage die Nebenrolle. Ihr protagonisti-
sches Potential hat sie jedenfalls nicht bewiesen.
Zeitgeistbiografie
Um Kunst — auch ohne Hintergrundwissen — ergründen
zu können, muss man sie einfach betrachten, beschreiben und
vergleichen.
Dann stellt man Unterschiede und Zusammenhänge fest
und erkennt einen Weg, dem die Kunst folgt. Diese Route
lässt sich nachzeichnen: sie verläuft parallel zu Zeitgeist und
Weltgeschehen.
Gründe für radikale Richtungsänderungen in der Kunst ge-
hen immer einher mit einem gravierenden Wandel der gesell-
schaftlichen Rahmenbedingungen: Politische Großereignisse
(wie Kriege und Revolutionen) und Reformationen der Weltan-
schauung (wie Aufklärung und Industrialisierung) haben immer
fundamentale Auswirkungen auf Leben und Kunst.
Kunst und Leben sind siamesische Zwillinge.
Wenn sich in der Kunst also die Lebens-Erfahrungen spie-
geln, dann sind Künstler Zeitgeistbiografen.
Sie nehmen ihn auf und bilden ihn ab. Nicht absichtlich,
sondern einfach weil sie Zeitgenossen sind.
Kunst ist Geschichtsschreibung, nur abstrakter.
*
Das Prinzip der idealistischen Ästhe-
tik, Zweckmäßigkeit ohne Zweck, ist die
Umkehrung des Schemas, dem die bürger-
liche Kunst gesellschaftlich gehorcht:
der Zwecklosigkeit für Zwecke, die der
Markt deklariert. (Horkheimer & Adorno)
Das System weiß, dass seine
vergangene Gegenwart sich
von seiner gegenwärtigen
Vergangenheit unterschei-
det […]. (Elena Esposito)
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Schluss mit Lustig
Die Kunst besteht im Bruch mit der Logik. Als Widersa-
cherin der Ratio, ist sie eine der letzten Bastionen wider Logik
und Zahlenregime.
Kunst versus Wissenschaft! David versus Goliath! Das sind
die Parolen.
Deshalb ist es egal, was Kunst ist und kann. Der Kunst ist
es egal. Kunst ist Spontaneität des Denkens.
Kunst ist nicht „Warum?“, sondern „Warum eigentlich
nicht?“ — Ohne Ernst und Argumente.
Ende oder Reanimation?
Die Kunst hat sich — der Reihe nach — von Metaphysik
gelöst, von Geschichte, von Objektivität, von Realität, vom
Motiv und — mit der Avantgarde — schließlich vom Stil, vom
Werk und der Urheberschaft.
Nicht mehr viel übrig. Was nun?
Es gibt zwei Möglichkeiten: (1) Entweder die Auflösung
schreitet fort — dann fällt auch die letzte Domäne der Kunst,
oder (2) ein neues Band wird geschmiedet — dann geht es
(egal wohin) wenigstens weiter.
„Mischpoke e.V.“ hat beides im Angebot:
(1) Was der Kunst noch bleibt ist Absicht. Selbst avantgar-
distischer Unsinn hat seinen Sinn im Ziel.
Wenn Intention verschwindet, dann ist endgültig alles vor-
bei. Oder alles ist Kunst, auch die Klebstoffreste an der Tür
einer alten Zahnarztpraxis.*Kunst kann dann purer Zufall sein und braucht weder Künst-
ler noch Publikum. Dann ist das ganze Leben Kunst — und die
Avantgardisten haben klammheimlich gewonnen, oder?
(2) Die andere Möglichkeit liegt in der Umkehr — hin zum
Konkreten, zur Welt und zum Leben.
Die Extreme sind ausgelotet, der Stil liquidiert, der White
Cube längst absurd. Innovation gibt es nur noch in Form von
Remix, als Neukombination von Bestehendem.
Mischpoke verknüpft die Kunst mit dem Kontext: Der Raum
wird zum Nebendarsteller der Kunst und erleichtert ihr das
Dasein.
Denn er ist diesseits und sie jenseits. Ein gutes Gespann. Die Kunst ist das Reservat für eine, sei
es auch nur virtuelle Befriedigung je-
ner Bedürfnisse, die im materiellen Le-
bensprozeß der bürgerlichen Gesellschaft
gleichsam illegal werden. (Habermas)
Hiermit sind wir bei dem Schlusse der romantischen Kunst
angelangt, bei dem Standpunkte der neuesten Zeit, de-
ren Eigentümlichkeit wir darin finden können, daß die
Subjektivität des Künstlers über ihrem Stoffe und ih-
rer Produktion steht, indem sie nicht mehr von den gege-
benen Bedingungen eines an sich selbst schon bestimmten
Kreises des Inhalts als die Gestaltungsweise dessel-
ben ganz in ihrer Gewalt und Wahl behält. (Hegel)
Daß Hegel schon in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts prognostizieren konnte,
was definitiv erst nach dem Scheitern der historischen Avantgardebewegungen ein-
getreten ist, zeigt, daß Spekulation ein Modus der Erkenntnis ist. (Peter Bürger)
Berge sollte man mit möglichst wenig
Anstrengung und ohne Ehrgeiz ersteigen.
(Robert M. Pirsig)
Ent
steh
ung
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