Download - Nora Jacobi - Malerei & Druckgrafik
Nora JacobiMalerei & Druckgrafik
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Für Matteo.
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Aus der Wolke | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2009 | 130 x 110 cm >
> Malen ist eine Art, über das Leben nachzudenken. Nachdenken ist aktiver als blosses Betrachten.
Malen ist ein Wille, die Wirklichkeit zu sehen,
sie zu vertiefen, an ihrer Entdeckung und an ihrem Verständnis mitzuarbeiten.
Auch Malen schafft Wirklichkeit. <
Antoni Tàpies 1967
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Mit einer umfangreichen Präsentation im Kunstforum Georg-Scholz-Haus in Waldkirch im März 2010, der bereits zwei
wichtige Einzelausstellungen in den Jahren 2007 und 2008 vorausgegangen waren, hat Nora Jacobi den Ertrag zwanzigjähriger
künstlerischer Tätigkeit einem breiten Publikum vorgestellt. Allen, die rechtzeitig gekommen waren, um an der hoffnungslos
überfüllten Vernissage in Waldkirch teilnehmen zu können, wurde eine klare Botschaft vermittelt: Hier ist eine Malerin und
Grafikerin nach zwei Jahrzehnten zielstrebiger künstlerischer Arbeit angekommen. Was immer die Zukunft für sie bringen mag:
Diese Bilder werden bleiben! Die Lebensmitte der Künstlerin ist somit unübersehbar und beglückend mit einer beeindruckenden
Serie großformatiger Malerei und einem umfangreichen Konvolut subtiler Grafik markiert. Schon dieser Umstand würde für sich
allein als Gelegenheit und Motivation ausreichen, ihr künstlerisches Werk rückblickend zu dokumentieren und den aktuellen
Stand in detaillierter Momentaufnahme festzuhalten. Zwei weitere Gründe kommen hinzu.
Zum einen hat es von Anfang an und kontinuierlich über die Jahre hinweg viele an Nora Jacobis Arbeiten Interessierte
gegeben, die ihre Bilder – gelegentlich schon von der Staffelei weg – gekauft haben. Ein wesentlicher Teil ihres Œuvres, darunter
wichtige Schlüsselwerke, ist weit über den ganzen Globus bis nach Südamerika und Australien verteilt. Anstelle einer aus
organisatorischen und Kosten-Gründen nicht mehr realisierbaren umfassenden Retrospektiv-Ausstellung ist deshalb eine für
das derzeitige Gesamtwerk repräsentative Katalog-Dokumentation wünschenswert.
Nora Jacobi: Malerei und Grafik von Dr. Wolfgang Jantz
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Zum anderen ist der künstlerische Werdegang von Nora Jacobi für die Beurteilung ihrer Arbeiten der wichtigste, aber
doch nur ein unvollständiger Teil eines an Herausforderungen und signifikanten Erfahrungen reichhaltigen Lebenslaufs, der ihre
malerische und grafische Entwicklung maßgeblich beeinflusst hat. Auch wenn ihre Arbeiten für sich sprechen müssen und dies
auch überzeugend tun, ist es doch sehr hilfreich, die Biografie bei der Einordnung und Interpretation zu berücksichtigen.
Diese knappe Beschreibung ihres Œuvres hat also eine doppelte Zielsetzung: einerseits auf die prägenden Erfahrungen
ihres Lebensweges hinzuweisen und sie mit den zeitgleichen künstlerischen Entwicklungsschritten zu verbinden, andererseits
dabei immer wieder innezuhalten und die wesentlichen Merkmale der jeweils entstandenen Malerei und Grafik zusammen-
hängend zu diskutieren. Wir laden Sie, liebe Leser und Betrachter, herzlich ein, uns auf diesem Weg zu begleiten.
< Höhle (Ausschnitt) | 2004 | Acrylmischtechnik auf Leinwand
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toros Serie | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 1997 | je 40 x 40 cm
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grièta (Spalte) | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 1998 | 70 x 70 cm >
Nora Jacobi war kein zeichnendes oder malendes Wunderkind.
Trotzdem ist ihr schon in jungen Jahren, und deshalb mit prä-
gender Kraft die Gegenwartskunst intensiv und sehr persönlich
vermittelt worden. Ihr Vater Walter Jacobi, obwohl selbst nicht
bildend künstlerisch tätig, war über viele Jahre bis zu seinem
Tod als Kurator, Organisator und kundiger Einführungssprecher
von Ausstellungen und als kritischer Sammler ein geachtetes
und beliebtes Mitglied der Freiburger Künstlergemeinde. We-
gen der zahlreichen Aktivitäten des Vaters war seine Tochter
schon als Heranwachsende am aktuellen örtlichen und, dank
vieler gemeinsamer Ausstellungsbesuche, auch am überregio-
nalen Kunstgeschehen beteiligt. Wenn es für den bildenden
Künstler zwar keineswegs hinreichend, aber ganz bestimmt
notwendig ist, professionell sehen zu lernen, so darf man sagen,
dass Nora Jacobi diesen Teil ihrer künstlerischen Ausbildung
schon sehr früh und sehr nachhaltig absolviert hat.
Zu dieser Zeit war das Zentrum der grafischen Aktivitäten
(man kann durchaus von einer „Freiburger Schule“ sprechen)
die „Mehlwaage“, die einen stilvollen Ausstellungsraum und
technische Einrichtungen für Lithografie, Radierung und Holz-
schnitt beherbergte. Dort lernte Nora Jacobi mit Brügel, Ko-
vacs, Maier, Mutter, Neunzig-Schwind und Anderen eine Grup-
pe kreativer, hoch motivierter Grafiker kennen, deren Arbeiten
und menschliches Vorbild zweifellos dazu beigetragen haben,
dass Zeichnung und Radierung am Anfang von Nora Jacobis
eigenständiger künstlerischer Tätigkeit stehen und auch ihre
Malerei, wie wir sehen werden, enge Verbindung zur Grafik hält.
Als Walter Jacobi 1998 starb, hinterließ er seiner Tochter nicht
nur eine umfangreiche Kunstsammlung, sondern hatte ihr,
wertvoller noch, die Liebe zur Gegenwartskunst vermittelt.
Den Schritt zum kreativen Künstlertum musste sie selber
tun und verantworten, aber als Motivator für das, was sie
aus ihrem Leben gemacht hat, sei diesem klugen, streitbaren
und doch beispielhaft bescheidenen Mann (er wurde, seinem
Wunsch entsprechend, im „Feld der Ungenannten“ begraben)
hier ein ebenso bescheidenes Denkmal gesetzt.
Die frühen Jahre
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OT (Schnabelgestein) | Aquatinta-Radierung | 1998 | 14,6 x 9,7 cm
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cmNach dem Abitur studierte Nora Jacobi an der Pädagogischen
Hochschule Freiburg, wozu auch die praktische künstlerische
Ausbildung gehörte. Aus dieser Zeit gibt es, unbeschadet qua-
litativ respektabler Übungsblätter, keine Arbeiten, die sie ihrem
Œuvre zurechnen möchte. Die eigenständige Künstlerpersön-
lichkeit entwickelte sich erst nach dem Abschluss der forma-
len Ausbildung. Gleichwohl muss einer ihrer akademischen
Lehrer genannt werden, der über die formale Unterrichtung
hinaus wesentlichen Einfluss auf das Spätere genommen hat:
Prof. Eberhard Brügel, langjähriges, inzwischen emeritiertes
Mitglied des Lehrkörpers der PH Freiburg, hat als unermüdlich
schaffender Holzschneider, Radierer und begnadeter Zeichner
Nora Jacobis spontane Begeisterung für das zeichnerische
Detail erkannt und sie ermutigt, intensiv daran und damit zu
arbeiten.
Nach einem mit zwei mehrmonatigen Studienaufenthalten
in Paris und Perpignan bereicherten Studium schloss Nora
Jacobi 1994 ihre pädagogische und künstlerische Ausbildung
mit dem 2. Staatsexamen ab und begann ihre Berufstätigkeit
als Hauptschullehrerin in Lahr. Zugleich richtete sie sich ihr
erstes eigenes Atelier in Emmendingen ein und beschäftigte
sich mit speziellen Pigmenten, die farblich und strukturell ihre
Neugier erregten, um sich mit selbst entwickelten Techniken
die Malerei zu erschließen.
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Guapulo | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2000 | 120 x 100 cm >
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Ein Ereignis in Nora Jacobis Leben, das sich als wegweisend,
ja entscheidend für ihre künstlerische Entwicklung herausge-
stellt hat, war ihr mehrjähriger Auslands-Aufenthalt in Süd-
amerika, die meiste Zeit davon in Quito, der Hauptstadt von
Ecuador. Gedacht war er keineswegs als „Aussteigen“, son-
dern als Erweiterung ihres pädagogischen Erfahrungshori-
zontes und als Herausforderung zur beruflichen Bewährung
unter erschwerten Bedingungen. Indessen schenkte ihr diese
radikale Veränderung der äußeren Lebensumstände zugleich
in glückhafter Weise den Mut und das Selbstvertrauen, das
eigenständige kreative Künstlertum zu wagen und auch den
Schritt von der Grafik auf bescheidenem Format zur befrei-
enden Malerei auf großer Leinwand zu tun. Die ungewohnte,
exotische Umgebung, das lebensfreundliche Klima, die fremd-
artigen, stimulierenden Lebensumstände, dazu ein eigenes
großes Atelier und ein wachsender Kreis künstlerisch aktiver
und kunstinteressierter Freunde - alles trug bei und sum-
mierte sich zu nichts weniger als dem entscheidenden Durch-
bruch, der entschlossenes kreatives Arbeiten von vorberei-
tenden, aber noch unverbindlichen Versuchen unterscheidet.
Ein überzeugender Beleg für diesen exemplarischen Auf- und
Durchbruch und zugleich ein erster früher Höhepunkt ihres
künstlerischen Schaffens ist die 1997 in Quito entstandene
vierteilige Serie „toros“ (S.10-11). Sie gehört zu den Schlüs-
sel-Werken, die schon vor langer Zeit ihre beneidenswerten,
inzwischen in weiter Ferne lebenden Besitzer gefunden ha-
ben. In vier dicht aufeinander folgenden Momentaufnahmen
wird die wilde Aggressivität und tödliche Gefahr des Stier-
kampfes in emotional aufgeladener Malerei wiedergegeben.
Heftig ausgreifende Pinselschwünge fügen sich dramatisch
zu kraftvollen Farbflächen. Die kompromisslose Entschlos-
senheit der Kontrahenten, das ausweglose Gefangensein in
der Wahl zwischen Töten oder Sterben, wird faszinierend im
diabolischen schwarz-roten Farbkontrast ausgedrückt, des-
sen abstrahierende Beschränkung zugleich die höchstmög-
liche Ausdruckskraft der Farbe hervorbringt. Das Quartett
ist ein singuläres Werk in Nora Jacobis �uvre, das zweifellos
dem zugleich fremdartigen und anregenden Ambiente der
neuen Heimat auf Zeit geschuldet ist. Es gibt keine darauf
hinführenden, vorbereitenden Arbeiten, ebenso wenig wie
es nachfolgende Bilder gibt, welche die expressiv-gestische
Malweise und aktionsbezogene Thematik dieser kleinen Serie
weiterführen. Sie steht als Fanal des Aufbruchs am Beginn
der Künstlerkarriere.
Die Jahre der Entscheidung
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OT (für Patricia – sin mirar atras) | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2000 | 130 x 110 cm >
Zweifellos wäre es spannend und aussichtsreich gewesen,
diese gestisch-expressive „reine“ Malerei fortzusetzen und zu
nachhaltigem Erfolg zu führen, denn es gelang hier auf Anhieb
ein überzeugender bildnerischer Ausdruck, der unverkennbar
ein großes malerisches Talent offenbart. Indessen hat Nora
Jacobi anstelle dieser durchaus denkbaren Entwicklung ei-
nen dezidiert anderen Weg beschritten: Zwar konzentrierte
sich ihr Schaffen in den folgenden Jahren tatsächlich auf die
Malerei; insoweit muss man die Stierkampf-Serie als weg-
weisenden Aufbruch verstehen. Um diesen Weg jedoch in der
thematischen und handwerklichen Basis der Ausbildungs-
und Versuchsjahre zu verankern, verband und befruchtete sie
die spontan gewonnene Lust am Malen mit ihren grafischen
Kenntnissen und Bestrebungen. Sie erreichte damit eine ganz
persönliche, kreative Symbiose dieser beiden Ausdrucksfor-
men, die in den nun folgenden Jahren des künstlerischen
Reifens konsequent ausgearbeitet, bereichert und verfei-
nert wurde. Aus diesem Ansatz ist, wie wir sehen werden,
schlussendlich ihre unverwechselbare künstlerische Hand-
schrift hervorgegangen.
Bereits während der Berufstätigkeit in Ecuador und eines da-
ran anschließenden Freistellungs-Jahres sind eine Reihe gra-
fischer und malerischer Arbeiten entstanden, die dieses du-
ale Schaffensprinzip überzeugend vor Augen führen. Bei den
mit zunehmender gestalterischer und technischer Sicherheit
ausgeführten Radierungen ist es zum einen der verstärkte
Einsatz der Aquatinta, der malerische Merkmale in die Druck-
grafik einbringt, insbesondere aber die von ihr entwickelte
Technik des Zweifarbendrucks mit nur einer Platte, die vor
dem Andruck partiell in freier Form, meist rot und schwarz,
eingefärbt wird (S. 64). Zugleich finden wir in der Acrylmale-
rei dieser Jahre, in signifikantem Unterschied zur Stierkampf-
Serie, eine nahezu gleichgewichtige Mitsprache der zeichne-
rischen Gestaltung (S. 13). Thematisch nehmen diese Bilder
das in der Studienzeit entwickelte Interesse an auffälligen
Besonderheiten im Wachstum und Verfall natürlicher und
künstlich geschaffener Strukturen wieder auf. In akribischer
Beschreibung und freiem Nachempfinden entstehen reich-
haltig vernetzte, teils geheimnisvoll verschlossene, teils ana-
lytisch sezierende Bildkompositionen.
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Positives Glanzstück (nach Günter Kunert) | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2001 | 130 x 200 cm >
End- und Höhepunkt dieser ersten Schaffensperiode in den
letzten Jahren des alten Jahrtausends ist die 1999 entstan-
dene „Hommage an Richard Serra“ (S. 16-17). Wie die bei ei-
nem Museumsbesuch in Bilbao entdeckten und bewunderten
Stahlskulpturen Serras ist auch die „Hommage“ ein gewal-
tiges Werk: Die dreiteilige Leinwand misst zusammen nicht
weniger als 180 x 350 cm; schon das Mittelteil hat eine Breite
von über zwei Metern. Die etwas auf Abstand zu hängen-
den schmaleren Seitenflügel erzeugen die Anmutung eines
Triptychons, jedoch ist die Komposition zusammenhängend
über alle drei Teile geführt. Den Vorbildern entsprechend ist
der Grundton der in Acryl – Mischtechnik ausgeführten Ma-
lerei ein rostiges Braun, das sich allerdings durch tiefenwirk-
same Aufhellungen und Übergänge ins Rötliche lebhaft von
gleichmäßig gewachsenen Rostflächen unterscheidet. Die
Formensprache der wogenden rotbraunen Wolken ist hoch
dramatisch, wobei sich – hier zum ersten Mal – diese Bewegt-
heit durch die absichtlich stehen gebliebenen Verlaufsspuren
als Ergebnis einer ebenso dynamischen Malweise zu erken-
nen gibt. Vor dieser wogenden Wolkenszenerie tobt ein hef-
tiges Gewitter diagonal und kreuzweise zuckender schwarze
Blitze, die den malerisch betonten rotbraunen Farbflächen ei-
nen streng grafischen Akzent entgegensetzen. Dadurch wird
die dramatische Spannung der Komposition entscheidend
verstärkt. Assoziationen von Brand, Rauch und verkohlten
Stämmen drängen sich auf, lassen den Eindruck gewaltiger,
triumphaler Zerstörung entstehen. Man muss fürwahr Richard
Serra heißen, um einer solchen Hommage würdig zu sein! Es
handelt sich hier ganz zweifellos um ein weiteres Meister-
werk der Künstlerin.
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Nach Beendigung ihrer Unterrichtstätigkeit in Quito hielt sich
Nora Jacobi ein weiteres Jahr ohne berufliche Verpflichtungen
in Süd- und Mittelamerika auf. Sie nutzte diese Zeit zur inten-
siven Weiterarbeit in ihrem Atelier in Quito (die „Hommage an
Richard Serra“ entstand in dieser Zeit), aber auch für Reisen
nach Bolivien, Kolumbien, Mexiko und Peru, mit denen sie ihre
Lebens- und Seh-Erfahrungen bereicherte.
Ende 2000 kehrte sie zurück nach Deutschland, wohnte zu-
nächst in Emmendingen und unterrichtete in Hauptschulen in
Lahr und Wyhl. Sie lernte den Fotografen Roland Krieg kennen,
zog um in sein Haus in Kollnau und mietete ein Atelier im nah
gelegenen Gebäude einer stillgelegten Weberei, das zu einem
Kultur- und Atelierhaus ausgebaut wurde. 2002 kam Sohn
Matteo zur Welt. Mit bewundernswerter Entschlossenheit
und Zähigkeit schaffte es Nora Jacobi, neben Mutterschaft
und Brotberuf kontinuierlich künstlerisch tätig zu sein, um die
Kenntnisse und Erfahrungen der zurückliegenden Jahre auf-
zuarbeiten, in Bilder umzusetzen, weiter zu führen und da-
durch stetig ihre unverwechselbare künstlerische Handschrift
auszuformen. Erst das Zusammenwirken der befreienden
Auslandsjahre und der nun folgenden, konsequent durchge-
haltenen Arbeitsjahre brachte schließlich den Durchbruch und
den nachhaltigen Erfolg.
Wir empfehlen, die Lektüre hier zu unterbrechen und zuerst
die im Jahrzehnt nach der Jahrtausendwende 2000 entstan-
denen, hier in repräsentativer Auswahl gezeigten Arbeiten zu-
sammenhängend zu betrachten. Die überwiegend in großem
Format ausgeführte Malerei weist ebenso wie die begleitend
entstandene Grafik überzeugend die drei Merkmale nach-
haltig erfolgreichen künstlerischen Schaffens auf: Kraft und
ästhetischer Reichtum der einzelnen Arbeiten, Beständigkeit
im Verfolgen des künstlerischen Ansatzes und konsequen-
tes, schlüssig aus dem jeweils Erreichten abgeleitetes Voran-
schreiten des �uvres insgesamt.
Im dritten Jahrtausend
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Auch Paul Klee war am Anfang seiner Karriere hauptsächlich
als Grafiker tätig und kam zu befreiter Malerei erst dank einer
Reise in ein fremdes, exotisches, farb- und lichterfülltes Land.
Mehr als eine interessante biografische Parallele wollen wir
darin nicht sehen; sie soll uns aber Anlass sein, den berühm-
ten Satz „Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder; Kunst macht
sichtbar“ der Interpretation von Nora Jacobis malerischem
und graphischem �uvre nach 2000 als Leitgedanke voranzu-
stellen.
Über die Kernaussage dieses tiefgründigen Doppelsatzes,
dass die bildende Kunst eine Grenzüberschreitung der sichtba-
ren Realität erfordert, die mit handwerklichen Mitteln (Malen,
Zeichnen, Formen) visuell ausgedrückt und vermittelt werden
muss, ist schon viel gesagt und geschrieben worden. Ergän-
zend, im Hinblick auf das Folgende, sei angemerkt, dass dieser
Aussage ein merkwürdiger, wie so oft der Selbstbezüglichkeit
geschuldeter Widerspruch innewohnt, der zugleich aber ihren
entscheidenden Wert ausmacht. Denn indem der Künstler
imaginär Erschautes und zunächst „nur“ gedanklich Erarbei-
tetes mit seinen handwerklichen Mitteln sichtbar macht, fügt
er dieses Werk ja gerade dem Sichtbaren, d.h. der realen Ge-
genständlichkeit hinzu. Folglich ist z.B. für den von Corot und
Constable geschulten Betrachter eine Landschaft gerade in
der Weise „das Sichtbare“, wie es erst diese Künstler mit ihrer
Malerei „sichtbar“ gemacht haben. Diese Wechselbeziehun-
gen zwischen direkter Realitätswahrnehmung, bildnerischer
Gestaltung dessen, was jenseits visueller Wahrnehmung liegt,
und schließlich rückbezüglicher Veränderung der Realität und
Realitätswahrnehmung durch das künstlerisch sichtbar Ge-
schaffene – sie sind nichts weniger als der Kern dessen, was
Kunst beabsichtigt und im Glücksfall zu leisten vermag. Sie
sind somit auch für das Verständnis von Nora Jacobis Arbeiten
grundlegend bedeutsam.
Fragt man sie nach ihren Vorbildern, so sind es in erster Linie
die Pioniere und Gestalter des europäischen Informel (Wols,
Tàpies, Schumacher und andere), deren anregenden Einfluss
sie dankbar anerkennt. Diese Anregungen hat sie ausgewählt,
adaptiert und souverän zur Bereicherung der eigenen maleri-
schen und zeichnerischen Ausdrucksfähigkeit genutzt. Zwei-
fellos hat sie in diesem breit fließenden Strom, der für einen
weiten Bereich der klassischen Moderne und des gegenwär-
tigen Kunstschaffens bestimmend ist, einen fruchtbaren An-
satz und eine eigenständige malerische Sprache gefunden.
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Krake | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2002 | 100 x 120 cm >
Wenn man das Informel als Nora Jacobis künstlerische Heimat
bezeichnet, muss man einen verbreiteten Irrtum benennen
und vermeiden, der daraus entstanden ist, dass der franzö-
sische Begriff mangels eines geeigneten deutschen Wortes
als Fremdwort übernommen wurde und leider oft als Form-
losigkeit oder gar Beliebigkeit (miss)verstanden wird. Der in-
formell arbeitende Künstler malt oder zeichnet aber keines-
wegs formlos, vielmehr verweigert er sich nur der von Natur
und menschlichem Nützlichkeitsdenken gesetzten Beschrän-
kung auf gegenständliche Formen. Er wählt stattdessen aus
der Menge möglicher Formen, was ihm persönlich wichtig er-
scheint und verdichtet es zu neuer, eigenständiger Realität.
Da auch die freieste visuelle Erfindung (selbstverständlich)
auf der visuellen Erfahrung gründet, sind graduelle Übergänge
zwischen realen und informellen Formen möglich und es ist
die Aufgabe des Künstlers, zwischen Erfahrung und Erfindung
seine persönliche Position zu finden.
Anfänglich diente der Künstlerin als Schaffensanreiz meist ein
Fundstück, das ihre Neugierde erregt, ihre Aufmerksamkeit für
technisch-gegenständliche oder natürlich-pflanzliche Objekte
angesprochen hatte. Es konnte etwas sein, das tatsächlich
aufgesammelt und heimgetragen wurde, z.B. ein rostzerfres-
senes Stück Eisen, ein skurril zerquetschtes Blech, ein Stück
Rinde (S. 14), ein verwachsener Ast, eine auffällig verdrehte
Baumfrucht oder sonst etwas Besonderes, das ihr Interesse
am Wachsen und Zerfallen, am Werden und Vergehen reizte.
Aber auch rein visuelle „Fundstücke“ wie brüchiges Mauer-
werk, schadhafter Putz und blätternde Tünche wurden gern
in der optischen Erinnerung als anregende Vorlage mitgenom-
men, um sie akribisch zu vernetzen oder zu teils geheimnisvoll
verschlossenen, teils analytisch sezierenden Bildkompositio-
nen zusammenzufügen (S. 27).
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recreación (Pause) | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2002 | 100 x 110 cm >
Mit zunehmender Sicherheit der freien malerischen Gestaltung
ging Nora Jacobi jedoch schrittweise dazu über, ihre Formen
informell zu definieren und auszugestalten. In einem lang
andauernden Prozess, der aus zahlreichen auf- und abtragen-
den Schritten besteht, wird zunehmend eine ausschließlich
malerische bzw. zeichnerische Realität hergestellt (S. 35). Eine
Verbindung zur gegenständlichen Realität entsteht dagegen
rückbezüglich in der Imagination des Betrachters. Verant-
wortlich dafür, dass uns Nora Jacobis Bilder oft so „natürlich“
erscheinen, dass wir gewachsene Strukturen, ja ganze Land-
schaften mühelos assoziieren können (S. 42-43), sind die ein-
fühlsame Wahl der Farbwerte und die Art ihres Auftrags. Es
dominieren zunächst die naturnahen Farbtöne Braun, Ocker
und Schwarz, deren Materialbezug durch Beimischung von
Sand und anderen Feststoffen, durch reliefartigen Auftrag
und durch tiefe Kratzspuren erfahrbar gemacht wird (S. 45).
Mit der Ausbreitung der Malerei über die gesamte Bildfläche
kommen in Abstimmung mit dem bereits Vorhandenen wei-
tere freie Formakzente und Farbwerte hinzu, die manchmal
in hartem Kontrast (z.B. Hellrot gegen Blau) nebeneinander
gesetzt werden (S. 39). Das Ergebnis ist ein rein malerisch er-
zeugter konkreter Gegenstand, der allein für sich selber steht
und nicht als abstrahierend modifiziertes Abbild von etwas
bereits anderswo Vorhandenem missverstanden werden darf.
Die Eigenständigkeit des Farbauftrags und der Formensprache
wird durch frei schwingende Schlieren und zufällig entstande-
ne, absichtlich belassene Verlaufsspuren betont (S. 36-37). In
dem Maße, wie sich das Bild der Vollendung nähert, wird auch
die Tätigkeit des Malens selbst und damit das persönliche
Engagement der Malerin Inhalt und Thema des Bildes. Die-
ser wachsende, immer intimer werdende Bezug zwischen der
bearbeiteten Leinwand und der tätigen Künstlerin lässt sich
in jedem Bild, aber auch in der Sequenz der Bilder, im maleri-
schen Fortschritt insgesamt, feststellen. In dem Maße, wie im
fertigen Endprodukt der Prozess des Malens nachlebt, vermit-
teln die Bilder dieses dynamische Geschehen, enthalten also
auch eine zeitliche Dimension, besonders deutlich (S. 51-52).
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Drachenblut | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2003 | 110 x 130 cm >
In zahlreichen Einzelschritten, mit denen immer wieder neue
Wirkungen erprobt, bewertet, korrigiert, übermalt und wieder
freigelegt werden, entsteht sukzessive ein ungemein leben-
diges, detailreiches malerisches und zeichnerisches Gewebe,
dessen Schichtung als Protokoll der malerischen Tätigkeit,
der einmaligen, auch von der Künstlerin selbst in dieser Form
nicht wiederholbaren Kreation zu lesen ist. Sie verdichtet sich
einerseits zu markanten makroskopischen Formen mit starken
Vertikalen und Horizontalen (S. 54-57, S. 72), spricht aber an-
dererseits noch im kleinsten Ausschnitt eine ungemein leben-
dige Sprache. Als Betrachter hat man die Wahl, sich durch das
Bild im Ganzen, hauptsächlich also durch die Gesamtkomposi-
tion der großen Formen, inspirieren zu lassen oder die lokalen
farblichen und zeichnerischen Einzelheiten zu studieren. Am
besten tut man beides, nacheinander.
Die einleitend erwähnte große Ausstellung im März 2010 in
Waldkirch zeigte zwar auch einige Arbeiten aus früherer Zeit,
konzentrierte sich aber auf das ganz aktuell Entstandene. Zur
Einführung dieser Ausstellung sprach die Kunsthistorikerin
Antje Lechleiter. Ihr nachfolgender Text erläutert diese jüngs-
ten Entwicklungen.
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OT (fließende Landschaft) | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2004 | 120 x 180 cm >
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Höhle | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2004 | 80 x 100 cm >
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2005
| 1
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Römisches Quadrat | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2005 | 40 x 40 cm
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90
x 70
cm
Die Malerei von Nora Jacobi bringt Gedanken und Empfindun-
gen zusammen. Die Gedanken kreisen häufig um ein Thema,
die Empfindungen entstehen während des Malvorganges,
durch den Umgang mit Farbe und Material.
Betrachtet man die Werke, die in den vergangenen zehn Jahren
entstanden sind, so kann man anhand dieses Materials sehr
schön nachvollziehen, dass sich gerade in den letzten beiden
Jahren einige entscheidende Veränderungen ergeben haben.
Der Vergleich der Bilder „Mögliche Säulen (der Gesellschaft)“ von
2006 und „Pigment Drachenblut“ von 2003 mit dem Diptychon
„Beautiful day“ von 2009 zeigt es deutlich: Zum einen integriert
die Künstlerin seit dem Jahr 2008 auch Textfragmente – oft
sind es Liedzitate – in ihre Bilder und zum anderen hat sich
ihre Palette verändert. Die dunklen Erd- und Rosttöne sind
verschwunden, Nora Jacobis Kompositionen sind farbiger,
leuchtender, heiterer geworden. Das mag daran liegen, dass
früher oftmals ein Natureindruck, eine Wurzel, ein Rindenstück
oder ein Stein, Auslöser des Malaktes war. Inzwischen ist
dieser Aspekt eher in den Hintergrund getreten, die Künstlerin
zeigt statt dessen Bereiche, die frei sind von Reminiszenzen
ans Gegenständliche und deren Formensprache aus der
Spontaneität der Bewegung entsteht. Durch das Aufstreuen
des körnigen, reinen Pigmentes, sowie durch das Eincollagieren
von übermalten Schmirgelpapierfragmenten („Beautiful day“)
entstehen ganz neue Bildeindrücke, es entstehen Sehzonen,
die mit den Augen begangen werden können.
Es wurde bereits angesprochen, dass Nora Jacobi inzwischen
auch Textfragmente ins Bild bringt. Oftmals verschwimmt die
Realität der Schrift jedoch mit der sich nach vorne, in den Raum
hinein verströmenden Farbigkeit, es entsteht eine Welt, die
über das Sichtbare und Lesbare hinaus Sinn gibt. Die Künst-
lerin setzt ein inneres dynamisches Moment ein, sie verfügt
über eine emotionale Kraft, deren Ziel das Finden von neuen
Formen ist. Dazu bedarf es eines zähen Ringens, man sieht
den Bildern an, dass sie nicht an einem Nachmittag entstan-
den sind. Nora Jacobi malt und übermalt, sie kratzt Teile der
Neuere Werke von Nora Jacobi von Antje Lechleiter
50
Farbschichten wieder weg, legt wie eine Archäologin tiefere
Schichten frei, und erforscht dort Akzentuierungsmöglichkei-
ten ihrer Bildidee. Nicht nur das fertige Bild, auch der Prozess
der Entstehung ist also Teil des Kunstwerkes. Die nach unten
rinnenden Farbspuren, die heftig gegeneinander gesetzten
Kontraste, die mit dem Nagel fast gewaltsam in den Unter-
grund geritzten Gravuren erzählen von der Künstlerin, berich-
ten über Erlebnisse, Wünsche und Erfahrungen. Es mag zu-
nächst erstaunen, dass sich Nora Jacobi, die eigentlich von der
Grafik her kommt, so stark mit Malerei und Farbe beschäftigt.
Druckgrafiken entstehen im Augenblick gar nicht. Beim inten-
siven Betrachten der Werke ist jedoch erkennbar, dass sich
Malerisches hier durchaus mit Zeichnerischem verbindet und
dass in den abstrakten Werken doch nicht alles abstrakt ge-
meint ist. Die Bildstruktur wird aber als ein fließendes System
farbiger Akzente und freier grafischer Zeichen gesehen und
Einzelformen werden daher auch ausschließlich selbständig
behandelt.
Nora Jacobi gestaltet oftmals Diptychen, also zweiteilige
Kompositionen. Sie empfindet diese Bildform wie ein Buch,
vielleicht sogar wie ein Tagebuch mit zwei aufgeschlagenen
Seiten. Betrachtet man exemplarisch das Diptychon „Geh’
nicht“ aus dem Jahr 2000, so zeigt sich, dass die linke Hälfte
aus warmen Rot- und Orangetönen besteht. Die rechte Tafel
präsentiert sich dagegen in einem kühlen Violett. Trotz dieses
vehementen Farbkontrastes gehören beide Hälften zusam-
men. Der linke Teil braucht den rechten, er verlangt nach Fort-
setzung des Begonnenen, möglicherweise sogar nach einem
ganz neuen Kapitel.
Für Nora Jacobi besitzen viele der eingeritzten Zeichen, Wor-
te, Farben und Formen eine Bedeutung, doch möchte sie die
Assoziationen des Betrachters auf keinen Fall durch eigene
Erklärungen stören. In Übereinstimmung mit den Zielen von
Antoni Tàpies, einem von ihr überaus geschätzten Vertreter
des Informel, ist es ihr wichtiger, dass das Bild den Geist des
Betrachters in Schwingung versetzt. Ihre Kunst soll weniger
den Verstand als die Empfindungswelt des Beschauers an-
sprechen.
Römische Landschaft I | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2005 | 70 x 90 cm >
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rouge | Acrylmischtechnik auf Leinwand | 2005 | 110 x 120 cm >
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55 Säulen (der Gesellschaft) I | Acrylmischtechnik auf Leinwand 2006 | 160 x 110 cm
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DialogmiteinerNachtvon Beatrice Schütz
Es sieht mich an aus roten Augen
Ich sehe – Den Sonnentag zerrinnen, von Sternenspitzen aufgenommen
Wir sinken
Es sagt zu mir, mein Schnee ist für die Ewigkeit
Ich sage – ein wenig Frühlingsgrün lässt hoffen, von gelber Kraft genährt
Wir sinken ein
Es lässt mich den Orangenhund laut bellen hören
Ich lasse – die grellen Fastnachtsfalter fliegen, in Astgestalten sich verirren
Wir sinken tiefer
Es droht mir, morgen ist die Woche schon vorüber
Ich drohe – im Chaos wegzulaufen, in Farbgeflechten eingesponnen
Wir sinken tiefer ein
Es bietet mir die Schleife aus Damast zur Rettung
Ich biete – den Blick aus blauen Augen, von deinen Spielen angenommen
Wir stehen auf dem Grund
Ich möchte dich berühren, fühlen Ich höre deinen Schnee von dunkelroten Ziegeln rutschen Ich rieche feuchte Tannennadeln
Du kennst – den Raum in dem die Farben tanzen – in einer Neumondnacht
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OT (Blattgeäder) | Aquatinta-Radierung | 1998 | 19,5 x 19,5 cm
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Monte Sacrado (heiliger Berg) | Aquatinta-Radierung | 1998 | 19,7 x 19,5 cm
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Salar de Uyuni (Salzwüste von Uyuni, Bolivien)| Aquatinta-Radierung | 1999 | 19,2 x 19,2 cm
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Salar (Durchätzung) | Aquatinta-Radierung | 2003 | 10 x 15 cm
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cm
streamers | Aquatinta-Radierung | 2005 | 2 x 4,8 x 4,8 cm
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OT | Aquatinta-Radierung | 2010 | 14,7 x 14,7 cm
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1996 Atelier-Ausstellung in Emmendingen
1998 Quito/Ecuador: muestra de jovenes pintores,
Casa de las tres Manuelas
1999 Quito/Ecuador: Humboldt-Gesellschaft
2000 Quito/Ecuador: Guzman
2001 Liège/Belgien: Espace d‘Art Contemporain les Brasseurs
2002 Molsheim/Frankreich: „Wort und Bild“
2002 Kunstverein March
2003 Galerie im A(r)telier, Ehrenkirchen
2003 Feminale, Waldkirch
2004 „Offensichtlich 04“, Offene Ateliers in
Freiburg und Umgebung
2005 „Schöpfungsschichten“, Karl-Rahner-Haus, Freiburg
2006 expo Waldkirch, Praxis Dr. Varljen/Bodirsky, Freiburg
2006 „Offensichtlich 06“, Offene Ateliers in
Freiburg und Umgebung
2007 Galerie ArtPraxis, Waldkirch
2008 Praxiszentrum Innere Medizin, Emmendingen
2010 „Durchsicht“, Georg-Scholz-Haus, Waldkirch
2011 "exposition d art et de science", Sélestat, Frankreich
Ausstellungen
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Biografie
Geboren 1967 in Freiburg i.Brsg.
Studium an der Pädagogischen Hochschule
in Freiburg (Bildende Kunst und Deutsch)
1990 Studienaufenthalt in Perpignan
1992 Stipendium in Paris
seit 1994 freies künstlerisches Arbeiten
seit 1996 verschiedene Gruppenausstellungen
1997 Abschluss Erweiterungsstudium
Museumspädagogik
1997 – 1999 Auslandsdienstlehrkraft an der
Deutschen Schule Quito, Ecuador
1999 – 2000 Reisen in Süd- und Mittelamerika,
Atelier in Quito
2001 Mitglied im Berufsverband Bildender Künstler
2002 Atelier in der ehemaligen Kollnauer
Spinnerei/Weberei, Fabrikstr. 17 in
Waldkirch-Kollnau
Ausstellungen
Autoren:
Dr. Wolfgang Jantz
Dr. Antje Lechleiter
Beatrice Schütz
Fotografie:
Roland Krieg Fotodesign, Frank Rapp
Lithografie:
Caledonia Bildbearbeitung, Waldkirch
Gestaltung:
quad.rat Corporate Communications GmbH, Freiburg
Gesamtherstellung:
Burger Druck GmbH, Waldkirch-Kollnau
© Texte bei den Autoren
© 2011 Nora Jacobi, Waldkirch
Impressum
76Besonders herzlichen Dank an:
Dr. Wolfgang Jantz
Karl-Heinz Grimm
Roland Krieg
Danke den Sponsoren:
Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau
Stadtwerke Waldkirch GmbH
77