Physikalische Chemie - Atombau undChemische Bindung
Dr. Carsten Baldauf und Prof. Dr. Beate Paulus
Wintersemester 2015/16
Inhaltsverzeichnis
1 Klassische Atommodelle 51.1 Historisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
1.2 Schwarzer Strahler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.3 Photoeffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.4 Compton-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.5 Rutherfordsches Atommodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
1.6 Experimente für Elektronen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
1.7 Bohrsches Atommodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
2 Welle-Teilchen-Dualismus 212.1 Beschreibung von Wellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.2 Materiewellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
3 antentheorie 293.1 Teilchen im Kasten als Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
3.2 Mathematische Grundlagen der Quantentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.3 Schrödinger-Gleichung für Systeme mit konstantem Potential . . . . . . . . . . 46
4 Wasserstoatom 594.1 Separation der Kern- und Elektronenbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
4.2 Hamilton-Operator in Kugelkoordinaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
4.3 Bahndrehimpuls in der Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66
4.4 Radiale Lösung des H-Atoms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73
4.5 Wasserstofforbitale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76
5 Magnetische Eigenschaen von Atomen 815.1 Magnetisches Moment der Bahnbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
5.2 Stern-Gerlach-Versuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
5.3 Spin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
5.4 Spin-Bahn-Kopplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
6 Mehrelektronenatome 956.1 Elektronenabstoßung und Pauliprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
6.2 Aufbau des Periodensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98
3
Inhaltsverzeichnis
6.3 Spin-Bahn-Kopplung in Mehrelektronenatomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99
6.4 Störungsrechnung zur Behandlung der Elektron-Elektron-Wechselwirkung . . 103
6.5 Variationsverfahren um Elektron-Elektron-Wechselwirkung zu behandeln . . . 107
6.6 Slater-Orbitale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110
7 Chemische Bindung 1137.1 Hamilton-Operator für Moleküle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
7.2 Born-Oppenheimer-Näherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116
7.3 Kernbewegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
7.4 Molekülorbitaltheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
7.5 Hückel-MO-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
4
1 Klassische Atommodelle
1.1 Historisches
• Griechen: Atom = unzerschneidbar
Demokrit, Plato, Aristoteles (≈ 400 v. Chr.)
• Atom spalten⇒ Kern↔ Elektronen
⇒ Keine Spektrallinien mehr⇒ kein Atom
a) Atomistik der Materie
• Prout (1801), Dalton (1807): Gesetz der konstanten und multiplen Proportionen
⇒ Periodensystem der Elemente (Meyer, Mendelejev (1869))
b) Atomistik der Wärme
• Gay-Lussac (1809): Volumina gasförmiger Reaktionspartner verhalten sich wie kleine
ganze Zahlen
• Avogadro (1811): Hypothese⇒ Avogadro-Konstante
⇒ Kinetische Gastheorie (Clausius/Boltzmann (1870))
c) Atomistik der Elektrizität
• Faraday (1833): Elektrolyse von Flüssigkeiten
Abgeschiedene Stoffmenge proportional zur transportierten Ladung
Verschiedene Elemente werden von gleicher Elektrizitätsmenge in äquivalenten Ge-
wichten abgeschieden
⇒ ”Atome” der Elektrizität = Elektronen
d) Atomistik der Energie
• Max Planck (14.12.1900): Quantisierung der Energie
5
1 Klassische Atommodelle
(a) Strahlung des schwarzen Körpers. Intensität abhängig von Fre-quenz ν bzw Wellenlänge λ
Spektrometer
(b) Messapparatur. ∆Ω = Öffnungswinkel des Detektors, ϑ = Raum-winkel der Strahlung
Abbildung 1.1: Strahlung des Schwarzen Körpers
1.2 Schwarzer Strahler
• Gemessen in Aufbau (Abb. 1.1a, 1.1b): Spektrale Flussdichte:
P(ν,T )dν = Strahlungsleistung in [ν+dν]Raumwinkel ⋅Flache
(1.1)
• Strahlungsenergiedichte:
u(ν,T )dν = Strahlungsenergie in [ν+dν]Volumen
(1.2)
= 8π
c
1
A cosθ∆ΩP(ν,T )dν (1.3)
• Ausgedrückt als Funktion der Wellenlänge mit ν = cλ und dν =− c
λ2 dλ:
u(ν,T )dν =u(λ,T ) c
λdλ (1.4)
• Form der Messkurve unabhängig von Material des Hohlraums
• Gesamtstrahlung des Hohlraums pro Flächeneinheit des Hohlraums:
S =σT 4 (1.5)
• Wiensches Verschiebungsgesetz:
6
1.2 Schwarzer Strahler
Abbildung 1.2: Klassische und quantisierte Oszillatoren
λmaxT = const. = 0.29cmK (1.6)
Bsp: Sonne: T ≈ 6000K=480nm
• Rayleigh-Jeans-Gesetz:
u(λ,T ) ∼ T
λ4für große λ, aber keine Erklärung für kleine λ (1.7)
• Max Planck (1900): Atome in Wänden verhalten sich wie kleine, elektromagnetische
Oszillatoren (Prinzip Antenne)
⇒Dipolstrahlung
• Anregung der Oszillatoren hängt von Temperatur ab; Oszillatoren können nur diskrete
Werte annehmen (Abb. 1.2):
En =nhν (n ∈N, h = 6.626176×10−34 Js) (1.8)
• Für die Strahlungsenergiedichte ergibt sich damit:
u(T,λ)dλ = 8πhc
λ5
1
ehc
kTλ −1dλ (1.9)
u(T,ν)dν = 8πhν3
c3
1
ehνkT −1
dν (1.10)
• Zusammenfassend:
– Plancksche Formel erklärt Messkurve
7
1 Klassische Atommodelle
– Besonderheit: Energie quantisiert
– Oszillatoren mit höherer Frequenz schwerer anzuregen
Abbildung 1.3: Plancksches, Wiensches und Rayleigh-Jeanssches Strahlungsgesetz. Wien- und Rayleigh-Jeans-Kurven für T = 6000K
8
1.3 Photoeffekt
1.3 Photoeekt
• Hallwachs (1888): Befreiung von Elektronen aus Materie durch Licht (Photoeffekt)
• Anlegen einer Bremsspannung zur Bestimmung der kinetischen Energie der Elektro-
nen (Abb. 1.4d).
• Es gilt:
∣Emax∣ =1
2me v2 (1.11)
• Klassisch: Elektrisches Feld (= Spannung ∼√
Intensitat (Abb. 1.4b)) löst Elektronen
⇒ keine Grenzfrequenz. Sättigungsstrom ∼√
Intensität
• Erklärung: Einstein (1905, Nobelpreis 1921): Lichtquanten-Hypothese
– Energie der Photoelektronen frequenzabhängig: E = hν
– Anzahl der Photoelektronen intensitätsabhängig
• Photoelektronen treten nur auf, wenn
hν > hνGrenz = eUA (Austrittsarbeit (materialspezifisch)) (1.12)
• Energiebilanz:
hν = 1
2mv2+eUA (1.13)
(Mit hν = Energie des Lichtes, 12 mv2 = kinetische Energie der Elektronen, eUA = Aus-
trittsarbeit. Typische Austrittsarbeiten in Tab. 1.1).
Tabelle 1.1: Typische Austrittsarbeiten
Atom Austrittsarbeit WellenlängeLi 2.46eV 504nmCs 1.94eV 639nmCu 4.48eV 277nm
9
1 Klassische Atommodelle
(a) Versuchsaufbau (b) Photostrom in Abhängigkeit von Intensität
(c) Photostrom für die Intensitäten I1 < I2 (d) Anlegen einer Bremsspannung U0. Der Photostrom be-ginnt bereits bei U0 < 0
Abbildung 1.4: Photoeffekt
10
1.4 Compton-Effekt
1.4 Compton-Eekt
• Compton (1921): Streuversuche mit Röntgenlicht an Graphit (Abb. 1.5a)
• 2. Peak bei ϑ ≠ 0° mit anderer Frequenz (Abb. 1.5b)
• Fitformel:
∆λ =λC(1−cosϑ) (1.14)
λC = 2.4×10−12 m (1.15)
– ∆λ unabhängig von Primärwellenlänge λ0
– ∆λ unabhängig vom Material
– nur Intensität vom 2. Peak materialabhängig
⇒ nicht erklärbar mit Wellenbild des Lichtes
• Idee: Anwendung der Lichtquantenhypothese von Einstein
⇒ Licht als Teilchen mit Energie und Impuls
⇒ Lichtteilchen mit Elektron im Material: Elastischer Stoß (Abb. 1.5c)
• Energieerhaltung (Tab. 1.2):
hν+m0c2 = hν′+mc2 (1.16)
h(ν−ν′)+m0c2 =mc2 = m0c2
√1− v2
c2
(1.17)
h2(ν−ν′)2+2h(ν−ν′)m0c2+m20c4 = m2
0c4
c2−v2
c2
(1.18)
=m20c4 c2− v2+ v2
c2− v2(1.19)
=m20c4(1+ v2
c2− v2) (1.20)
h2(ν−ν′)2+2h(ν−ν′)m0c2 =m20c4 v2
c2− v2(1.21)
Tabelle 1.2: Energie- und Impulsbetrachtungen zum Compton-Effekt
Energie Impulsvor dem Stoß: Photon hν hν
cElektron m0c2 0 (relat. Ruheenergie)
nach dem Stoß: Photon hν′ hν′c
Elektron mc2 mv⎛⎝
m = m0√
1− v2
c2
⎞⎠
11
1 Klassische Atommodelle
(a) Aufbau (b) Intensität des Compton-Peaks
(c) Stoß zwischen Photon und Elektron
Abbildung 1.5: Compton-Effekt
12
1.4 Compton-Effekt
• Impulserhaltung (Tab. 1.2):
– x-Richtung:
hν
c= hν′
ccosϑ+mv cosϕ (1.22)
⇒ cosϕ = 1
mv(hν
c− hν′
ccosϑ) (1.23)
– y-Richtung:
0 = hν′
csinϑ−mv sinϕ (1.24)
⇒ sinϕ = 1
mv
hν′
csinϑ (1.25)
• Quadrieren und Addition von (1.23) und (1.25):
1 = 1
m2v2(hν
c− hν′
ccosϑ)
2
+ 1
m2v2(hν′
csinϑ)
2
(1.26)
m2v2c2 = (hν)2−2h2νν′ cosϑ+(hν′)2 cos2ϑ+(hν′)2 sin2ϑ (1.27)
m20c4 v2
c2− v2= (hν)2−2h2νν′ cosϑ+(hν′)2 (1.28)
• rechte Seite Energieerhaltung (1.21) ≡ linke Seite Impulserhaltung (1.28):
h2(ν−ν′)2+2h(ν−ν′)m0c2 = (hν)2−2h2νν′ cosϑ+(hν′)2 (1.29)
h2(ν2−2νν′+ν′2)+2h(ν−ν′)m0c2 = (hν)2−2h2νν′ cosϑ+(hν′)2 (1.30)
hνν′+(ν−ν′)m0c2 =−hνν′ cosϑ (1.31)
(ν−ν′)m0c2 = hνν′(1−cosϑ) (1.32)
• mit ∆λ = (λ′−λ) = cν′ −
cν =
c(ν−ν′)νν′ :
∆λ = h
m0c(1−cosϑ) (1.33)
hm0c =∶λC: ”Ruhewellenlänge” des Elektrons
• Erklärung des Compton-Effekts liefert neben Photoeffekt Bestätigung der Lichtquanten-
Hypothese
• Compton, Simon (1925): Nebelkammerexperimente
⇒ gestreute Elektronen durch Licht gesehen
13
1 Klassische Atommodelle
1.5 Rutherfordsches Atommodell
1.5.1 Durchgang von Elektronen
• Lenard (um 1890): Versuche mit Kathodenstrahl und Aluminiumfolie (Abb. 1.6)
• Ergebnis: langsame Elektronen werden gestreut, schnelle kommen unabgelenkt am
Schirm an
• Lenard: ”Das Innere eines Atoms ist so leer wie das Weltall.”
⇒ Atommodell ”feste Kugel” nicht mehr haltbar (z.B. Masse und Ladung körnig ver-
teilt, ”Plum-Pudding-Modell”)
1.5.2 Rutherfordsches Streuexperiment
• Rutherford, Geiger, Marsden (1911): Streuexperimente mit α-Teilchen und Goldfolie
(Abb. 1.7a,1.7b)
• Einzelne Ergebnisse mit ϑ = 180° (Rückwärtsstreuung)
• Qualitative Deutung:
– Atom hat Kern mit Radius ≤ 10−14 m
– α-Teilchen zeigen mit Elektronen keine Wechselwirkung
⇒Masse muss vollständig im Kern sein
• Quantitative Deutung:
– Ablenkung derα-Teilchen (Ladung = 2×e) im Coulombfeld des positiv geladenen
Kerns:
F = 1
4πε0
Z e2
r 2r (1.34)
Abbildung 1.6: Durchgang von Elektronen
14
1.5 Rutherfordsches Atommodell
(a) Aufbau (b) Streurate in Abhängigkeit des Winkels
Abbildung 1.7: Rutherfordscher Streuversuch
– Herleitung: Streutheorie→Wirkungsquerschnitt→ Streurate N
n ∼ 1
sin4 ϑ2
(1.35)
⇒ positive Ladung im Kern
→ aus Messergebnis Bestimmung von Z
– Chadwick (1920): Z = Ordnungszahl im Periodensystem. (Entdeckung des Neu-
trons erst 1932)
1.5.3 Bestimmung des Kernradius
• Rutherford: Punktförmiger Kern→ Gleichung (1.35)
• Abweichungen von Gleichung (1.35)
⇒ Kernpotential mit endlichem Kern (Abb. 1.8)
⇒ Rutherfordsches Atommodell
– Kern: ≈ 10−15 m
– Atomhülle: ≈ 10−10 m (Elektronen)
15
1 Klassische Atommodelle
Abbildung 1.8: Kernpotential
1.6 Experimente für Elektronen
a) Spezifische Ladung (Kaufman 1901, Classen 1907)
• Ablenkung eines Kathodenstrahls im Magnetfeld (Abb. 1.9a)
• Kräftegleichgewicht:
e
m= 2U
r 2B 2(1.36)
• Kaufman (1901): Spezifische Ladung em anhängig von Geschwindigkeit (4 Jahre vor
Relativitätstheorie)
(a) Kathodenstrahl im Magnetfeld (b) Öltröpfchenversuch
Abbildung 1.9: Experimente für Elektronen
16
1.7 Bohrsches Atommodell
b) Ladung des Elektrons
• Millikan (1911): Öltröpfchenversuch (Abb. 1.9b)
• Kräftegleichgewicht zwischen elektr. Anziehung und Gewichtskraft
→ e = 1.60219×10−19 C (1.37)em→m = 9.1091×10−31 kg (1.38)
1.7 Bohrsches Atommodell
1.7.1 Spektren
• Kirchhoff, Bunsen (1850): Spektralanalysen→ jedes Element hat ein charakteristisches
Spektrum.
• Ångström (1853): Emissionsspektren von H-Atomen
λ = 6563Å (Hα−Linie)λ = 4861Å (Hβ−Linie)λ = 4340Å (Hγ−Linie)
• Huggins (1881): Astronomische Beobachtungen (Sonne)
→weitere Linien des H-Spektrums
• Balmer (1885): Erste Erklärungsversuche. Serie im Sichtbaren:
λ = n21
n21 −4
×G (mit n1 = 3,4,5, G empir. Wert) (1.39)
• Wellenzahl:
ν = 1
λ= RH( 1
2n− 1
n2) (mit n = 3,4,5, RH = 4
G) (1.40)
1.7.2 Bohrsche Postulate
• Bohr (1913, aufbauend auf Rutherfordschem Atommodell): Elektronen bewegen sich
wie Planeten um die Sonne um den Atomkern
• Kräftegleichgewicht Coulombkraft↔ Zentrifugalkraft (H-Atom):
e2
4πε0r 2=mω2r (1.41)
17
1 Klassische Atommodelle
• Emission und Absorption von Licht nicht mit klassischen Gesetzen der Elektrodyna-
mik erklärbar
• Elektronen auf Kreisbahn = beschleunigte Ladung (Kontinuierliche Energieabgabe)
⇒ Aussenden von Strahlung
⇒ Energieverlust
⇒ Bahnen instabil
Postulate (Bohr):
• Nur bestimmte diskrete Bahnen mit En erlaubt
• Bahndrehimpuls des umlaufenden Elektrons ist gequantelt:
L = r × p (1.42)
∣L∣ =mvr =nh =nh
2π(mit n ∈Z) (1.43)
• Bewegung auf Bahnen ist strahlungslos
• Licht wird emittiert durch Übergang zwischen zwei Bahnen:
hν = En −En′ (1.44)
18
1.7 Bohrsches Atommodell
1.7.3 Wassersto und wasserstoähnliche ”Atome” (=Ionen) imBohrschen Atommodell
• Kräftegleichgewicht für Kreisbahn mit Radius rn
Abbildung 1.10: Elektron auf Kreisbahn. FC: Coulombkraft, FZ : Zentrifugalkraft, Z e: Kernladung,vn : Bahngeschwindigkeit, rn : Bahnradius
• für Wasserstoff im Grundzustand (Z = 1, n = 1):
ω(H)1 ≈ 1016 s−1 (1.45)
• ”Umlaufzeit”:
T (H)1 = 2π
ω(H)1
≈ 1×10−15 s (Attosekundenbereich) (1.46)
• Bahnradius:
rn =4πε0n2h2
Z e2me(1.47)
• Bahnenergie:
En = Eki n +Epot =1
2m0v2
n −Z e2
4πε0rn(1.48)
Mit vn =ωnrn = 14πε0
Z e2
hn :
En =1
2m0
Z 2e4
(4πε0)2h2n2− Z e4me
(4πε0)2n2h2(1.49)
=−1
2
Z 2e4m0
(4πε0)2h2
1
n2∼ Z 2
n2(1.50)
19
1 Klassische Atommodelle
Tabelle 1.3: Atomare Einheiten
Größe Symbol in SI-EinheitenLänge aB,a0 52.9177211pmEnergie Eh = 2RH 4.359744×10−18 JLadung e −1.602×10−19 CMasse u 1.660539×10−27 kg
m0 9.10938×10−31 kg
für Z = 1, n = 1:
E(H)
1 =−13.6eV =RH (Rydberg-Konstante) (1.51)
• Energiedifferenz E = 2RH (in atomaren Einheiten, Tab. 1.3):
ν = 1
hc(En −En′) =
Z 2e4m0
(4πε0)2×2×2πh3c( 1
n′2− 1
n2) (1.52)
• Quantenzahlen n im Bohrschen Atommodell: Laufzahl der Balmer-Serie (n′ = 2).
1.7.4 Bohr-Sommerfeldsches Atommodell
• Weitere Quantenzahl l
• Ellipsenbahnen mit gleicher Energie wie Bohrsche Kreisbahnen)
⇒ Erklärung der Feinstrukturaufspaltung
20
2 Welle-Teilchen-Dualismus
2.1 Beschreibung von Wellen
2.1.1 Ebene Wellen
• Grundbegriffe:
– Ausbreitungsrichtung er = kk
– k: Wellenvektor
– λ: Wellenlänge λ = 2πk
– ω: Kreisfrequenz, ν = ω2π
– T : Schwingungsdauer, T = 2πω
• Mathematische Schreibweise einer ebenen Welle in R3 (Abb. 2.1a):
Ψ(k, r , t) = Ae iωt e i k ⋅r = Ae i(ωt+k ⋅r) (A: Amplitude) (2.1)
• Sei A reell ( e iϕ = cosϕ+ i sinϕ):
Re(Ψ(r , t)) = A cos(ωt + k ⋅ r ) (2.2)
Im(Ψ(r , t)) = A sin(ωt + k ⋅ r ) (2.3)
(a) Real- und Imaginärteil einer ebenen Welle (b) Phasenverschobene Cosinusfunktion. ∆ϕ =−π4
Abbildung 2.1: Darstellung von Wellen
21
2 Welle-Teilchen-Dualismus
• Phase einer Welle (Abb. 2.1b): Vergleich der Welle
– zum Zeitpunkt t und t +∆t
– am Ort x und x +∆x
Ψ(r , t +∆t) = Ae iω(t+∆t)e i k ⋅r = Ae iωt e iω∆t e i k ⋅r (2.4)
=Ψ(r , t)e iω∆t =Ψ(r , t)e i∆ϕ (2.5)
⇒ Phase:
∆ϕ =ω∆t (2.6)
oder ∆ϕ = k∆x (2.7)
• Intensität einer ebenen Welle:
I = ∣Ψ(r , t)∣2 =Ψ∗Ψ (2.8)
= A∗Ae−iωt e−i k ⋅r e iωt e i k ⋅r (2.9)
= ∣A∣2 = const. für Ort und Zeit (2.10)
2.1.2 Stehende Welle
rechtslaufende Welle: Ψ+(r , t) = Ae iωt e i k ⋅r (2.11)
linkslaufende Welle: Ψ−(r , t) = Ae iωt e−i k ⋅r (2.12)
• Überlagerung (Superposition):
Ψ =Ψ++Ψ− = Ae iωt e i k ⋅r + Ae iωt e−i k ⋅r (2.13)
= Ae iωt (e i k ⋅r +e−i k ⋅r) (2.14)
• Mit e iϕ+e−iϕ = 2cosϕ:
Ψ = 2Ae iωt cos(k ⋅ r ) (stehende Welle) (2.15)
• Beispiel: Eigenschwingungen einer Saite (Abb. 2.2):
Ψ(x, t) = 2Ae iωt coskx (2.16)
22
2.1 Beschreibung von Wellen
Abbildung 2.2: Eigenschwingungen einer Saite
– Mit den RandbedingungenΨ(−d2 ) = 0 =Ψ(d
2 ):
cos(kd
2) = 0⇒λ = 2d
n(n ∈N+) (2.17)
2.1.3 Wellenpaket
• Definition: Überlagerung von ebenen Wellen. Ebene Wellen haben räumlich homo-
gene Intensität I :
I = ∣A∣2 (2.18)
• Räumlich und zeitlich inhomogene Welle durch Überlagerung von ebenen Wellen mit
verschiedenen k j und ω j :
ΨPaket(r , t) =N
∑j=1
A j exp(i(k j ⋅ r −ω j t)) (2.19)
• häufig verwendete Einhüllende:
– Gaußsche Einhüllende (Abb. 2.3a). A→ 0, aber immer ≠ 0
– cos2-Einhüllende (Abb. 2.3b). A = 0 für Anfang und Ende des Wellenpakets
• Phasengeschwindigkeit:
vPhase =ω
∣k ∣ek = νλek (2.20)
mit k = 2πν = 2πλ ≙ Geschwindigkeit mit der sich Welle mit fester Frequenz bewegt.
Frequenz kann abhängig vom Wellenvektor sein (ω =ω(k)= Dispersion).
• Gruppengeschwindigkeit:
vGruppe =dω(k)
dkek (2.21)
23
2 Welle-Teilchen-Dualismus
(a) Gaußsche Einhüllende (b) cos2-Einhüllende
Abbildung 2.3: Wellenpaket
• Bsp: Licht (elektromagnetische Welle) im Vakuum:
– Phasengeschwindigkeit:
cPhase =ω
k=λν⇒ω(k) = ck (2.22)
– Gruppengeschwindigkeit:
vGruppe =dω(k)
dk= dck
dk= c (2.23)
Gilt nicht in Materie (ω nicht linear in k). Prisma: Rotes Licht schwächer gebro-
chen als blaues⇒ ”Regenbogen”
24
2.1 Beschreibung von Wellen
Abbildung 2.4: Doppelspaltexperiment
2.1.4 Interferenz
• Thomas Young: Interferenz- und Beugungsversuche von Licht am Doppelspalt (Abb.
2.4)
Ψ1(x, t) = A1e iωt+i kx+iϕ (2.24)
Ψ2(x, t) = A2e iωt+i kx+iϕ (2.25)
Ψ =Ψ1+Ψ2 (2.26)
• Intensität:
I = ∣Ψ∣2 = ∣Ψ1+Ψ2∣2 (2.27)
= ∣Ψ1∣2+ ∣Ψ2∣2+Ψ∗
1Ψ2+Ψ1Ψ∗
2 (2.28)
= ∣A1∣2+ ∣A2∣2+ A∗1 A2e i(−ϕ1+ϕ2)+ A1 A∗2 e i(ϕ1−ϕ2) (2.29)
Mit A1, A2 reell, ϕ2−ϕ1 =∶∆ϕ:
I = I1+ I2+ A1 A2(e i∆ϕ+e−i∆ϕ) (2.30)
= I1+ I2+2√
I1I2 cos∆ϕ (2.31)
25
2 Welle-Teilchen-Dualismus
Mit ∆ϕ = 0 ergibt sich:
Imax = I1+ I2+2√
I1I2 (2.32)
Imax(I1 = I2) = 4I1 (2.33)
2.2 Materiewellen
2.2.1 De Broglie-Beziehung
• Postulat Louis de Broglie (1924): Teilchen verhalten sich wie Wellen
• Experiment von Davisson und Germer: Interferenzen bei der Reflexion langsamer Elek-
tronen an Kristallen
• Annahme von de Broglie:
Impuls:
p =mv = hk (2.34)
Energie:
E = hν = hω (2.35)
⇒Materiewellen bestimmt durch Energie und Impuls des Teilchens:
Ψ(r , t) = A exp(i k ⋅ x + iωt) (2.36)
= A exp(ip
h⋅ r + i
E
ht) (2.37)
= A exp( h
i(p ⋅ r +Et)) (2.38)
2.2.2 Wahrscheinlichkeitsdeutung (Max Born)
• Beugung eines Elektronenstrahls: Elektronen erzeugen Beugungsbilder (Abb. 2.5a).
WellenfunktionΨ(x, t):
Ψ(x, t) = A exp(−i h(px +Et)) (2.39)
• Intensität I(x, t) am Ort x:
I(x, t) = ∣Ψ(x, t)∣2 (2.40)
(besser für Messung: Intensität in einer Umgebung dx um x zur Zeit t :
• Born: Intensität der Materiewelle = Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons (Abb.
2.5b)
26
2.2 Materiewellen
(a) Beugungsbild eines Elektronenstrahls. Beugungsbild wie beiLicht
(b) Intensität der Materiewelle im Intervall x0 +dx
(c) Volumenelement dV
Abbildung 2.5: Elektronenwellen
• 3-dimensional: Wahrscheinlichkeit, Elektron im Volumenelement dV = dxdydz zu
finden (Abb. 2.5c):
∣Ψ(r , t)∣2dV = ∣Ψ(x, y, z, t)∣2dxdydz (2.41)
• Wellenfunktion muss normiert sein, d.h. Elektron muss irgendwo zu finden sein:
∞
∫−∞
∞
∫−∞
∞
∫−∞
dxdydz∣Ψ(x, y, z, t)∣2 = 1 =∞
∫−∞
dV ∣Ψ(r , t)∣2 (2.42)
27
2 Welle-Teilchen-Dualismus
Abbildung 2.6: Orts-Impuls-Unschärfe bei Beugung am Spalt
2.2.3 Heisenbergsche Unschärferelation
• Beugungsexperiment (Abb. 2.6) mit Ortsunschärfe ∆x (Spaltbreite) und Impulsun-
schärfe ∆p. Beugungsminima:
sinϕ = λ
∆x(2.43)
• Impulsunschärfe ∆p:
∆p = p sinϕ (2.44)
• Mit p = hλ ergibt sich:
sinϕ = ∆p
p= ∆p
hλ = λ
∆x(2.45)
⇒∆p∆x = h (2.46)
⇒Heisenbergsche Unschärferelation:
∆p∆x ≥ h (2.47)
• Es gilt auch Energie-Zeit-Unschärfe:
∆E∆t ≥ h (2.48)
28
3 antentheorie
3.1 Teilchen im Kasten als Motivation
3.1.1 Wellenfunktion
• Eingesperrtes Teilchen (1-dimensional) (Abb. 3.1a)
⇒ Einfachstes Modell für Elektronen im linearen Molekül
• Teilchen wird mit WellenfunktionΨ(x) beschrieben, d.h.Ψ(x) = 0 für x < 0 und x > a
• Wellenfunktion im Kasten muss stetig an Wellenfunktion außerhalb anschließen:
Ψ(0) = 0, Ψ(a) = 0 (Randbedingungen) (3.1)
• Ansatz für Wellenfunktion:
Ψ(x, t) = Ae i kx+iωt mit E = hω, p = hk (de Broglie) (3.2)
• Kinetische Energie des Teilchens:
E = p2
2m= h2k2
2m(3.3)
(a) Kasten der Länge a
0
2
4
6
8
10
(b) Wellenfunktionen verschiedener Energieniveaus
Abbildung 3.1: Teilchen im 1D-Kasten
29
3 Quantentheorie
Ψk(x, t) gehört zur Energie Ek
auchΨ−k(x, t) =Be−i kx+iωt gehört zur Energie Ek , da Ek ∼ k2
• WederΨk nochΨ−k genügen Randbedingungen
⇒ Superposition:
Ψ(x, t) = c1Ψk + c2Ψ−k (3.4)
= (c1e i kx +c2e−i kx)e iωt (mit c1 = c1 A, c2 = c2B) (3.5)
=ϕ(x)e iωt (3.6)
• Aus Randbedingungen c1 und c2 bestimmen (t = 0):
ϕ(0) = c1+c2 = 0 ⇒ c1 =−c2 (3.7)
ϕ(x) = c1 (e i kx −e−i kx) = 2i c1 sinkx (3.8)
ϕ(a) = 0⇔ 2i c1 sin(ka) = 0 (c1 = 0unphysikalisch, d.h. kein Teilchen) (3.9)
⇒ sinka = 0⇔ ka =nπ (n ∈N+) (3.10)
• Fall k = 0:
ϕ(x) = 0∀ x⇒ kein Teilchen, s.o. (3.11)
⇒ k quantisiert durch Randbedingungen (= Obertöne):
k = πn
a(mit n ∈N+) (3.12)
• Energie des Teilchens (quantisiert mit Quantenzahl n):
En =h2k2
2m= h2π2
2ma2×n2 (3.13)
• Bestimmung der Konstanten c1 aus Normierung:
∫ ∣Ψ(x, t)∣2dx!= 1 (3.14)
”Es muss genau ein Teilchen irgendwo zu finden sein.”
30
3.1 Teilchen im Kasten als Motivation
• Einsetzen ergibt:
1 =a
∫0
∣ϕ(x)∣2e iωt e−iωt dx (3.15)
=a
∫0
22c21 sin2 kxdx = 4c2
1 [x
2− sin(2kx)
4k]
a
0(3.16)
= 4c21 [
x
2−
sin(2πna x)
4πna
]a
0
(3.17)
= 4c21 [
a
2−0−0+0] (3.18)
1 = 2ac21 (3.19)
⇒ c1 =1√2a
(3.20)
• Damit wird die Wellenfunktion:
ϕn(x) =√
2
ai sin(nπ
ax) (3.21)
• Auch reelles ϕn(x) Lösung:
ϕn(x) =√
2
asin(nπ
ax) (3.22)
⇒ ∣ϕn(x)∣2 = 2
asin2(nπ
ax) (3.23)
• Energie:
En =h2
2m
π2
a2n2
²k2
(3.24)
3.1.2 Beispiel: Farbe eines linearen Moleküls
– Butadien:
H2C−−CH−CH−−CH2 (3.25)
⇒delokalisiertesπ-System, 4π-Elektronen können sich nahezu frei bewegen auf
der Länge L des Moleküls
– Modellieren: Potential = Kasten der Länge L:
V =⎧⎪⎪⎨⎪⎪⎩
0 für x ∈ [0,L]∞ für x ∉ [0,L]
(3.26)
31
3 Quantentheorie
(a) Grundzustand (b) 1. angeregter Zustand
Abbildung 3.2: Elektronenzustände im Butadien-Molekül
– Lösung quantisiert mit Quantenzahl n:
En =h2
2m
π2
L2n2 (3.27)
– Annahme: Nicht wechselwirkende Elektronen. Energie aus Abb. 3.2a und 3.2b:
EGZ = 2E1+2E2 (3.28)
E1. AZ = 2E1+E2+E3 (3.29)
– Anregungsenergie ∆E :
∆E = E1. AZ−EGZ = E3−E2 (3.30)
= 5
2m
h2π2
L2(3.31)
– Berechnung der Länge L:
L ≈ 2d(C−−C)+1d(C−C) = 5.8Å (3.32)
– Einsetzen in 3.31 ergibt:
∆E = 9×10−19 J ≙λ = 220nm (Experiment: λ = 217nm) (3.33)
32
3.2 Mathematische Grundlagen der Quantentheorie
3.2 Mathematische Grundlagen der antentheorie
• Quantentheorie ist eine Theorie, die auf Postulaten beruht
• Bis jetzt keine Experimente gefunden, die diesen Postulaten widersprechen
3.2.1 Wellenfunktion
• Postulat 1: Für jeden möglichen Zustand eines Systems am Ort r zur Zeit t existiert ei-
ne komplexe FunktionΨ(r , t), die das System vollständig beschreibt.Ψ: Schrödingers
Wellenfunktion = Zustandsfunktion.
• Bedingungen an die Wellenfunktion:
– WF muss eindeutig sein (eindeutiger Zustand des Systems) (Abb. 3.3a)
– WF muss endlich sein (endliche Wahrscheinlichkeit) (Abb. 3.3b)
– WF muss stetig sein (muss nicht überall differenzierbar sein) (Abb. 3.3c, 3.3d)
– WF muss normierbar sein
* Wdh: Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation:
Ψ∗(r , t)Ψ(r , t)dV = ∣Ψ∣2dV ist Wahrscheinlichkeit, Teilchen im Volumenin-
tervall dV am Ort r zur Zeit t zu finden, d.h. Gesamtwahrscheinlichkeit, P ,
das Teilchen irgendwo zu finden, muss 1 sein:
∫V
∣Ψ∣2dV =∞
∫−∞
dx
∞
∫−∞
dy
∞
∫−∞
dzΨ∗(x, y, z)Ψ(x, y, z) != 1 (3.34)
* d.h. nur Funktionen erlaubt, die für x, y, z→±∞ so schnell gegen 0 gehen,
dass ∫ ∣Ψ∣2dV endlich
(Funktionen müssen quadrat-integrabel sein = L2-Norm endlich)
• Raum aller Wellenfunktionen = Hilbert-Raum. Mathematisch kann gezeigt werden,
dass Hilbert-Raum = Vektorraum mit Skalarprodukt ∫ Ψ1Ψ2dV
33
3 Quantentheorie
(a) Uneindeutige Funktion (b) Unendliche Funktion
(c) Unstetige Funktion (d) Nicht differenzierbare Funktion
Abbildung 3.3: Bedingungen an Wellenfunktionen
34
3.2 Mathematische Grundlagen der Quantentheorie
3.2.2 Operatoren und Erwartungswerte
• Postulat 2: Zu jeder klassischen Messgröße (Observable) gibt es einen entsprechen-
den Operator.
• Definition: Operator ist eine mathematische Operation (= Rechenvorschrift). Opera-
tor wirkt auf WF
• Klassische Größe A→Operator A
• Linearer Operator:
A(αΨ1+βΨ2) =αAΨ1+βAΨ2 (α,β ∈C) (3.35)
35
3 Quantentheorie
a) Korrespondenzprinzip
• Quantenmechanische Operatoren werden nach den gleichen Regeln zusammenge-
setzt wie die klassischen Messgrößen
• Klassische Größen eindeutig durch Ort r und Impuls p bestimmt
• Operatoren für diese Größen = Fundamentaloperatoren
– Ortsoperator (1d): xΨ= multipliziereΨmit x
– Ortsoperator (3d): ˆr (x, y , z)
– Impulsoperator (1d): px =−i h ∂∂x
pxΨ= bilde Ableitung vonΨ nach x und multipliziere mit i h
– Impulsoperator (3d): p =−i h∇
• Anwendung des Korrespondenzprinzips führt zu:
– Kinetische Energie. klassisch:
T = p2
2m(3.36)
⇒ Kinetische Energie, quantenmechanisch:
T = p2
2m= 1
2mp ⋅ p = i 2h2
2m∆ (3.37)
– Drehimpuls. klassisch:
L = r × p (3.38)
⇒Drehimpuls, quantenmechanisch:
ˆL = ˆr × ˆp =⎛⎜⎜⎜⎝
x
y
z
⎞⎟⎟⎟⎠×⎛⎜⎜⎜⎝
−i h ∂∂x
−i h ∂∂y
−i h ∂∂z
⎞⎟⎟⎟⎠=−i h
⎛⎜⎜⎜⎝
y ∂∂z − z ∂
∂y
z ∂∂x −x ∂
∂z
x ∂∂y − y ∂
∂x
⎞⎟⎟⎟⎠=⎛⎜⎜⎜⎝
Lx
Ly
Lz
⎞⎟⎟⎟⎠
(3.39)
b) Eigenwert und Eigenfunktion eines Operators
• Wenn gilt
AΨ =λΨ (mit λ ∈C) (3.40)
dann heißtΨ Eigenfunktion von A und λ Eigenwert von A.
c) Erwartungswert
36
3.2 Mathematische Grundlagen der Quantentheorie
Abbildung 3.4: Verteilungsfunktion und diskrete Werte
• Postulat 3: Der mittlere Wert einer Messgröße A, beschrieben durch den Operator A
in einer Reihe von Messungen, ist der Erwartungswert des Operators gebildet mit der
Wellenfunktion des Systems.
• Wiederholung: Statistik:
– Viele Messungen→Messergebnisse streuen. Variable kontinuierlich (Abb. 3.4):
– Mittelwert = Erwartungswert einer kontinuierlichen Verteilung für Messgröße O,
bzw. einer Verteilung von n diskreten Messwerten:
O =∞
∫−∞
f (x)O(x)dx =N
∑i=1
Oi Pi (3.41)
(Pi = Wahrscheinlichkeit des Ereignisses)
– Beispiel: Würfel
* 6 Ereignisse:
1,2,3,4,5,6 (Augenzahl)
* gleich wahrscheinlich: Pi = 16
6
∑i=1
i Pi =Pi(1+2+3+4+5+6) = 3,5 = 21
6(3.42)
– ∣Ψ∣2 entspricht Wahrscheinlichkeit = Verteilungsfunktion. Klassisch:
A =∫ ∣Ψ∣2dV =∫ A(r )Ψ∗ΨdV (3.43)
37
3 Quantentheorie
– Wenn A ein Operator ist, auf welchen Teil vonΨ∗Ψwirkt A?
für QM Operatoren gilt:
⟨A⟩ =∫ Ψ∗(r , t)AΨ(r , t)dV =∫ A®Adjungierter Operator
Ψ∗(r , t)Ψ(r , t)dV (3.44)
d.h. A ist hermitesch: A† = A
– Erwartungswert für ein System im Eigenzustand
AΨ =λΨ (3.45)
⟨A⟩ =∫ Ψ∗ A(r , t)ΨdV =∫ Ψ∗λΨdV =λ ∫ Ψ∗ΨdV
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶1, daΨ normiert
(3.46)
* Eigenwert ist Messwert zum Eigenzustand
* Messwerte sind reell⇒ λ reell ≡λ ∈R
⇒ hermitesche Operatoren haben reelle Eigenwerte
d) Basis eines Hilbertraums
• Die Eigenfunktionen eines Operators bilden eine Basis
• Beweis: Eigenfunktionssystem (alle Eigenfunktionen zu verschiedenen Eigenwerten)
ist vollständig
• Eigenfunktionen zu verschiedenen Eigenwerten sind orthogonal (≡ Skalarprodukt = 0)
AΨ1 =λ1Ψ1 (3.47)
AΨ2 =λ2Ψ2 (3.48)
λ1 ≠λ2 ∈R (3.49)
• Zu zeigen:
∫ Ψ∗
1Ψ2dV =∫ Ψ∗
2Ψ1dV = 0 (3.50)
∫ Ψ∗
2 AΨ1dV =∫ Ψ∗
2λ1Ψ1dV =λ1∫ Ψ∗
2Ψ1dV (3.51)
∫ Ψ∗
1 AΨ2dV =∫ Ψ∗
1λ2Ψ2dV =λ2∫ Ψ∗
1Ψ2dV (3.52)
38
3.2 Mathematische Grundlagen der Quantentheorie
• mit A hermitesch:
∫ Ψ∗
2 AΨ1dV =λ2∫ Ψ∗
2Ψ1dV (3.53)
• (3.51-3.53):
0 = (λ1−λ2)´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
≠0
∫ Ψ∗
2Ψ1dV (3.54)
⇒∫ Ψ∗
2Ψ1dV = 0 (3.55)
• Beliebige WF Φ(r , t) kann als Linearkombination von Basisfunktionen geschrieben
werden:
Ψ(r , t) =∞
∑i=1
ci®Entwicklungskoeffizient ∈C
Ψi(r , t) (Ψi : Basisfunktionen) (3.56)
e) System nicht im Eigenzustand
• Sei ϕi Eigenfunktion zu A mit ∫ ϕiϕ j dV = δi j
• beliebiger ZustandΨ:Ψ =∑∞i=1 ciϕi
• Normierung vonΨ:
∫ Ψ∗ΨdV =∫ (∞
∑i=1
ciϕi)⎛⎝∞
∑j=1
c jϕ j⎞⎠
dV (3.57)
=∞
∑i , j=1
c∗i c j ∫ ϕ∗i ϕ j dV
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶δi j
=∞
∑i=1
c∗i ci =∞
∑i=1
∣ci ∣2 = 1 (3.58)
39
3 Quantentheorie
Tabelle 3.1: Analogie Vektor-Wellenfunktion
Analogie Vektor WellenfunktionVektorraum Hilbertraum
Vektor a = (a1, a2, ...an)´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
diskret
Ψ(r )²
kontinuierlich
(r ∈R3)
Skalarprodukt a ⋅ b =∑i
a∗i bi ∫ Ψ∗(r )Φ(r )dV =∶ ⟨Ψ∣Φ⟩²
Dirac-Schreibweise
Orthogonalität a ⋅ b = 0 ⟨Ψ∣Φ⟩ = 0
Norm ∣a∣ =√
a2 ∣Ψ∣ =√
⟨Ψ∣Ψ⟩ =√∫ Ψ∗ΨdV
Basis x =n∑
k=1xk ek Ψ(r ) =
∞
∑k=1
ckϕk(r )mit ei ⋅ ek = δi k mit ⟨ϕk ∣ϕi ⟩ = ∫ ϕ∗kϕi dV = δi k
xk = x ⋅ ek ck = ⟨Ψ∣ϕk⟩ = ∫ Ψ∗ϕk dV´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
Projektion vonΨ auf Basisfunktion ϕk
Matrix wirkt auf Vektor: Operator wirkt auf Wellenfunktion:Ax = y AΨ =Φ
• Erwartungswert von A mitΨ:
⟨A⟩ =∫ Ψ∗ AΨdV (3.59)
=∫ (∞
∑i=1
c∗i ϕ∗
i ) A⎛⎝∞
∑j=1
c jϕ j⎞⎠
dV (3.60)
=∞
∑i , j=0
c∗i c j ∫ ϕ∗i Aϕ j dV (3.61)
• mit ϕi Eigenfunktionssystem zu A, d.h. Aϕi =λiϕi :
⟨A⟩ =∞
∑i , j=0
c∗i c j ∫ ϕ∗i λiϕ j dV =∞
∑i , j=1
c∗i c∗j λ j ∫ ϕ∗i ϕ j dV
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶δi j
(3.62)
⟨A⟩ =∑i
∣ci ∣2λi (3.63)
d.h. Erwartungswert ist eine statistische Überlagerung der Eigenwerte mit ∣ci ∣2 ≙Wahr-
scheinlichkeit, mit der λi gewichtet wird.
f) Matrixschreibweise von Operatoren
40
3.2 Mathematische Grundlagen der Quantentheorie
• Definition: Matrixdarstellung eines Operators (Tab. 3.1):
A =
⎛⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎝
A11 A12 ⋯ A1n ⋯A21 ⋮⋮ ⋮
An1 ⋯ ⋯ Ann ⋯⋮ ⋮
⎞⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎠
(3.64)
⇒∞-dimensionale Matrix mit
Ai j =∫ ϕ∗i Aϕi dV = ⟨ϕi ∣ A ∣ϕ j ⟩ (3.65)
• Matrixelemente sind Erwartungswerte des Operators mit Basisfunktion ϕi
• Definition: Dirac-Schreibweise:
⟨⋯∣°bra
A ∣⋯⟩°
ket
(3.66)
⟨Ψ∣ A ∣Ψ⟩ =∫ Ψ∗ AΨdV = ⟨A⟩ (3.67)
• Beispiel:
(1 1 1)´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
adj. Vektor
⎛⎜⎜⎜⎝
1 2 3
4 5 6
7 8 9
⎞⎟⎟⎟⎠
⎛⎜⎜⎜⎝
1
1
1
⎞⎟⎟⎟⎠
°Vektor
= Zahl (3.68)
• A hermitesch, d.h. Ai j = A∗j i :
A† = A = (A∗)T(3.69)
⇒ ⟨ϕi ∣ A ∣ϕ j ⟩ = ⟨Aϕi ∣ϕ j ⟩ (3.70)
41
3 Quantentheorie
g) Kommutatoren
• Kann die Anwendung von Operatoren vertauscht werden?
ABΨ?= B AΨ (3.71)
• Für Matrizen gilt AB ≠B A
⇒Da Matrixdarstellung existiert, kommutieren Operatoren im Allgemeinen nicht!
• Definition: Kommutator:
[A, B] ∶= AB − B A (3.72)
• Satz: Kommutieren zwei Operatoren, [A, B] = 0, dann haben sie dasselbe Eigenfunkti-
onssystem und sind simultan messbar.
Simultan messbar:
– Standardabweichung ∆A ∶=√
⟨A2⟩− ⟨A⟩2, ∆B ∶=
√⟨B 2⟩− ⟨B⟩2
– simultan messbar:
∆A∆B ≥ 0 (3.73)
– für hermitesche Operatoren kann gezeigt werden:
∆A∆B ≥ 1
2∣⟨Ψ∣ [A, B] ∣Ψ⟩∣ (3.74)
(Allgemeine Heisenbergsche Unschärferelation)
• Beispiel: Orts-Impuls-Unschärfe
∆x∆y ≥ 1
2∣⟨Ψ∣ [x, px] ∣Ψ⟩∣ (3.75)
– Berechnen des Kommutators ergibt:
[x, px] = x (−i h∂
∂x)Ψ(x)−(−i h
∂
∂x)xΨ(x)
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶Produktregel
(3.76)
=−i hx∂Ψ
∂x+ i hΨ(x)+ i hx
∂Ψ
∂x(3.77)
= i hΨ (3.78)
– Damit:
∆x∆p ≥ 1
2∣⟨Ψ∣ i h ∣Ψ⟩∣ = h
2∣⟨Ψ∣Ψ⟩∣ = h
2(3.79)
42
3.2 Mathematische Grundlagen der Quantentheorie
3.2.3 Schrödingergleichung
• Postulat 4: Die Wellenfunktion Ψ(r , t) eines Systems ist die Lösung der zeitabhängi-
gen Schrödingergleichung (SG)
i h∂Ψ
∂t= HΨ (3.80)
wobei H der Hamiltonoperator des Systems ist, der der totalen Energie des zugehöri-
gen klassischen Systems entspricht.
• Fundamentaloperatoren:
– t → t (Zeit)
– E → E = i h ∂∂t
H = T®Eki n
+ V®Epot (nur V (r , t) erlaubt)
(3.81)
• Beispiel: 1 Teilchen mit Masse m im statischen Potential V (r , t):
H =− h2
2m∆+V (r ) (3.82)
• Erstellen eines Hamiltonoperators:
– Bestimmen der kinetischen und der potentiellen Energie des klassischen Systems
– Korrespondenzprinzip:
r → r
p→ p
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭Einsetzen in H → H
Separation von Ort und Zeit
• Für nicht explizit zeitabhängige Hamiltonoperatoren
∂H
∂t= 0 (d.h. für statische Potentiale
∂T
∂t= 0) (3.83)
ist Produktansatz möglich:
Ψ(r , t) =Θ(t)Φ(r ) (3.84)
• Es gilt: Variablen, die nicht explizit in H vorkommen, können von Gesamt-Wellenfunktion
in einem Produktansatz (= Separationsansatz) abgespalten werden.
43
3 Quantentheorie
• Ansatz in Schrödingergleichung:
HΦ(r )Θ(t) = i h∂
∂tΦ(r )Θ(t) (3.85)
Θ(t)HΦ(r ) = i hΦ(r )∂Θ(t)∂t
(3.86)
HΦ(r )Φ(r )
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶f (r)
= i h
Θ(t)∂Θ(t)∂t
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶f (t)
= E (3.87)
• Da Wellenfunktion für alle r und t existieren soll ist Gleichheit nur erfüllt wenn beide
Seiten der Gleichung die gleiche Konstante ergeben:
HΦ(r ) = EΦ(r ) (3.88)
(Zeitunabhängige Schrödingergleichung = Eigenwertgleichung)
• Lösen des zeitabhängigen Teils der Schrödingergleichung:
i h∂Θ(t)∂t
= EΘ(t) (3.89)
Θ
∫Θ0
i hdΘ′
Θ′=
t
∫0
Edt (3.90)
i h lnΘ
Θ0= Et (3.91)
⇒ Θ(t) =Θ0e−i Eh t (3.92)
(Schwingung in Zeit mit ω = E
h)
⇒Ψ(r , t) =Φ(r )e−iωt (3.93)
44
3.2 Mathematische Grundlagen der Quantentheorie
Zeitabhängigkeit eines Erwartungswertes (Ehrenfest-Theorem)
• Sei A ein Operator, der nicht explizit von der Zeit abhängt (∂A∂t = 0) und Ψ(r , t) Wel-
lenfunktion mit i h ∂Ψ∂t = HΨ:
⟨A⟩(t) = ⟨Ψ∣ A ∣Ψ⟩ =∫ Ψ∗(r , t)AΨ(r , t)dV (3.94)
d
dt⟨A⟩(t) = ∂
∂t⟨A⟩(t) (3.95)
= ⟨∂Ψ∂t
∣ A ∣Ψ⟩+⟨Ψ ∣ ∂ A
∂t∣Ψ⟩+⟨Ψ ∣ A ∣ ∂Ψ
∂t⟩ (3.96)
• Mit ∂Ψ∂t = H
i hΨ (SG) und ∂ A∂t = 0:
∂
∂t⟨A⟩(t) =− 1
i h⟨HΨ∣ A®
hermitesch
∣Ψ⟩+ 1
i h⟨Ψ∣A∣HΨ⟩ (3.97)
=− 1
i h⟨Ψ∣H A∣Ψ⟩+ 1
i h⟨Ψ∣AH ∣Ψ⟩ (3.98)
∂⟨A⟩∂t
= 1
i h⟨Ψ∣ [A, H] ∣Ψ⟩ (Ehrenfest-Theorem) (3.99)
• Für Operator der mit Hamiltonoperator vertauscht ([A, H] = 0) ist der Erwartungs-
wert des Operators (=Messwert) nicht zeitabhängig:
∂⟨A⟩∂t
= 0⇒ ⟨A⟩(t) = const. (3.100)
45
3 Quantentheorie
3.3 Schrödinger-Gleichung für Systeme mit konstantemPotential
3.3.1 Freies Teilchen
• Freies Teilchen mit Masse m im Potential V = 0 für x ∈R
• Hamilton-Operator:
H = T =− h2
2m
d2
dx21-D (3.101)
• Zeitunabhängige Schrödinger Gleichung HΦ = EΦ:
− h2
2m
d2Φ
dx2= EΦ(x) (3.102)
• Lösungsansatz:
Rechtslaufende Welle: Φ+ = A+e i kx (3.103)
Linkslaufende Welle: Φ− = A−e−i kx (3.104)
• Einsetzen in SG:
− h2
2m
d2
dx2(A+e i kx) = h2k2
2mA+e i kx = E A+e i kx (3.105)
⇒ E = h2k2
2m(3.106)
⇒Dispersionsrelation ω(k) (Abb. 3.5a):
hω = h2k2
2m⇒ω(k) = hk2
2m(3.107)
• Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines freien Teilchens:
∣Φ(x)∣2dx =Φ∗Φdx = A∗+
e−i kx A+e i kxdx = ∣A∣2°const.
dx (3.108)
⇒ freies Teilchen konstant über ganzen Raum verteilt (Abb. 3.5b)
• Problem:
∫ ∣Φ∣2dx =∞ (3.109)
⇒ nicht normierbar
46
3.3 Schrödinger-Gleichung für Systeme mit konstantem Potential
(a) k-Abhängigkeit der Dispersion (b) Aufenthaltswahrscheinlichkeit des freien Teilchens
Abbildung 3.5: Freies Teilchen
• Lösung: Normierung und Orthogonalität über δ-Funktion:
∫ e i k(x−x′)dk = δ(x −x′) =⎧⎪⎪⎨⎪⎪⎩
∞ für x = x′
0 sonst(3.110)
∫ f (x)δ(x −x′)dx = f (x′) (3.111)
47
3 Quantentheorie
Abbildung 3.6: Verteilungsfunktion der Amplituden
(a) Gaußverteilung um k0 mit ”Breite” σ (b) Gaußsche Einhüllende
Abbildung 3.7: Gaußsches Wellenpaket
3.3.2 Lokalisiertes Teilchen
• Überlagerung von ebenen Wellen, Basis e i kx =ϕk(x):
Φ(x) =∞
∑k=1
akϕk(x) (3.112)
• Kontinuierliche Darstellung (Abb. 3.6):
Φ(x) =∞
∫−∞
A(k)²
Verteilungsfunktion der Amplituden
ϕk(x)dk (3.113)
• Gaußsches Wellenpaket (Abb. 3.7a, 3.7b):
A(k) =C exp(−(k −k0)2
2σ2) (3.114)
48
3.3 Schrödinger-Gleichung für Systeme mit konstantem Potential
• Fouriertransformation von A(k) in Ortsraum:
Φ(x) =∞
∫−∞
C exp(−(k −k0)2
2σ2)e i kxdk = C exp(−x2σ2
2)
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶Gaußkurve im Ortsraum
e i k0x (3.115)
• Fouriertransformation einer Gaußkurve ergibt wieder eine Gaußkurve
• Einhüllende:
∣Φ(x)∣2 = C 2e−x2σ2(3.116)
3.3.3 Teilchen im zweidimensionalen Kasten
• Modell für Quantenpunkte, Überstrukturen auf Oberflächen (in 3D-Metallcluster)
• Bsp: Quadrat mit Kantenlänge L (Abb. 3.8):
V (x, y) =Vx(x)×Vy(y) =⎧⎪⎪⎨⎪⎪⎩
0 für x ∈ [0,L], y ∈ [0,L]∞ sonst
(3.117)
• Hamilton-Operator:
H = h2
2m( ∂2
∂x2+ ∂2
∂y2)+Vx(x)+Vy(y) (3.118)
• Lösung der Schrödinger-Gleichung HΦ(x, y) = EΦ(x, y) innerhalb des Kastens (V =0):
h2
2m( ∂2
∂x2+ ∂2
∂y2)Φ(x, y) = EΦ(x, y) (3.119)
Abbildung 3.8: Quadratischer Kasten der Länge L
49
3 Quantentheorie
• Falls H(x)+H(y) = H(x, y) dann führt LösungsansatzΦ(x, y) =Φx(x)Φy(y) zum Ziel
(= Lösen der SG):
− h2
2mΦy
∂2Φx
∂x2− h2
2mΦx
∂2Φy
∂y2= EΦxΦy (3.120)
Division durchΦxΦy ergibt:
− h2
2m
1
Φx
∂2Φx
∂x2
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶f (x)
− h2
2m
1
Φy
∂2Φy
∂y2
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶f (y)
= E = const. (3.121)
• Nur zu erfüllen, wenn für alle x, y Terme einzeln Konstanten sind.
⇒ Zwei separate 1D-Schrödinger-Gleichungen mit E = Ex +Ey :
− h2
2m
∂2Φx
∂x2= ExΦx (3.122)
− h2
2m
∂2Φy
∂y2= EyΦy (3.123)
• Lösung analog 1D-Kasten führt zu:
Φx =√
2
Lsin
nxπ
Lx nx = 1,2,3, ... Ex =
h2n2x
8mL2(3.124)
Φy =√
2
Lsin
nyπ
Ly ny = 1,2,3, ... Ey =
h2n2x
8mL2(3.125)
• Gesamtenergie:
E = h2
8mL2(n2
x +n2y) (3.126)
• Grundzustand (nx = 1, ny = 1):
⇒ E1 =h2
8mL2
²ε
×2 = 2ε (3.127)
• Erster angeregter Zustand:
nx = 2 ny = 1
nx = 1 ny = 2
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭⇒ E2 = ε×5 (2-fach entartet) (3.128)
• Definition: Entartung: Der gleiche Energieeigenwert wird mit verschiedenen Eigen-
funktionen erreicht (Vgl. Tab. 3.2)
50
3.3 Schrödinger-Gleichung für Systeme mit konstantem Potential
Tabelle 3.2: Energieniveaus im zweidimensionalen Kasten
nx ny Energie Entartungsgrad1 1 E1 = 2ε 11 2 E2 = 5ε 22 12 2 E3 = 8ε 11 3 E4 = 10ε 23 13 2 E5 = 13ε 22 31 4 E6 = 17ε 24 13 3 E7 = 18ε 1
• Beispiel: Quantenpunkt mit 10 Elektronen:
Singulett: Triplett:
18ε
17ε
13ε
10ε ↑ ↓8ε ↑ ↓5ε ↑ ↓ ↑ ↓2ε ↑ ↓
18ε
17ε
13ε
10ε ↑ ↑8ε ↑ ↓5ε ↑ ↓ ↑ ↓2ε ↑ ↓
51
3 Quantentheorie
(a) Potentialbarriere der Höhe V0 und der Länge a (b) Potentialstufe
Abbildung 3.9: Potentialbarriere
3.3.4 Potentialbarriere
• Modell für Tunneln, Reflexion, Transmission von Teilchen
• Potential aus Abb. 3.9a:
V =
⎧⎪⎪⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎪⎪⎩
0 [−∞,0]V0 ]0, a[0 [a,∞]
⎫⎪⎪⎪⎪⎪⎬⎪⎪⎪⎪⎪⎭
(3.129)
3.3.4.1 Potentialstufe
• Bereich I: Wellenfunktion aus einlaufender WelleΨl und reflektierter WelleΨr :
ΨI(x) = e i kIx
±Ψl
+Re−i kIx
´¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¶Ψr
(3.130)
• Eine Amplitude aus Normierung bestimmt
• Freies Teilchen mit Energie E :
E =h2k2
I
2m⇒ kI =
√2mE
h(3.131)
• Bereich II:
ΨII(x) = Te i kIIx (3.132)
• Schrödingergleichung:
(− h2
2m
∂2
∂x2+V0)ΨII(x) = EΨII(x) (3.133)
− h2
2m
∂2II
∂x2= (E −V0)ΨII(x) (3.134)
⇒ kII =√
2m(E −V0)h
(3.135)
52
3.3 Schrödinger-Gleichung für Systeme mit konstantem Potential
• 1. Fall: E >V0 (d.h. Energie des einfallenden Teilchens höher als Stufe, Abb. 3.10a)
⇒ kII reell
⇒ Bereich II eine Welle mit
λI I =2π
kII(3.136)
– Bestimmung der Koeffizienten aus Randbedingungen:
ΨI(0) =ΨII(0) (3.137)
– stetig differenzierbar:∂ΨI
∂x∣0= ∂ΨII
∂x∣0
(3.138)
– mit 1+R = T (Gleichung (3.137)ergibt sich daraus:
i kI(1−R) = i kIIT = i kII(1+R) (3.139)
⇒R = kI−kII
kI+kII(3.140)
T = 1+R = 2kI
kI+kII(3.141)
– Reflexionskoeffizient (Wahrscheinlichkeit, dass Teilchen reflektiert wird)
R ∶= ∣R ∣2 (3.142)
– Transmissionskoeffizient:
T = 1− ∣R ∣2 = 1− R (3.143)
= 1− (kI−kII)2
(kI+kII)2=
k2I +2kIkII+k2
II−k2I +2IkII−k2
II
(kI+kII)2(3.144)
= 4kIkII
(kI+kII)2= kII
kI∣T ∣2 (3.145)
⇒ quantenmechanisches Teilchen wird zum Teil reflektiert, obwohl E >V0
– Für E ≫V0⇒ kI ≈ kII
R→ 0 ⇒ R→ 0
T → 1 ⇒ T → 1
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭keine Reflexion (3.146)
– Für E =V0⇒ kII = 0:R = 1 ⇒ R = 1
T = 2 ⇒ T = 0
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭Totalreflexion (3.147)
53
3 Quantentheorie
(a) Teilchen über Potentialstufe (b) Teilchen unter Potentialstufe
Abbildung 3.10: Potentialstufe
• 2. Fall: E <V0 (Teilchen unter Potentialstufe, Abb. 3.10b):
kII =√
2m(E −V0)h
= i
√2m(V0−E)
h´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶=∶κ∈R
= iκ (3.148)
– Exponentiell gedämpftes Eindringen des Teilchens in Stufe:
ΨII(x) = Te−κx (3.149)
– Aus den Randbedingungen folgt:
R = kI− iκ
kI+ iκ(3.150)
T = 2I
I+ iκ∣ΨI+ΨII∣2 (3.151)
= R + T = ∣ΨI∣2+ ∣ΨII∣2 (3.152)
3.3.4.2 Potentialschwelle (=Barriere)
• Aus Abb. 3.11a:
V (x) =⎧⎪⎪⎨⎪⎪⎩
0 x <−a, x > a
V0 x ∈ [−a, a](3.153)
• Betrachte nun Teilchen mit E <V0:
ΨI = Ae i kx +Be−i kx
ΨII =Ce−κx +Deκx
ΨIII = Fe i kx +Ge−i kx
⎫⎪⎪⎪⎪⎪⎬⎪⎪⎪⎪⎪⎭
k =√
2mE
h, κ =
√2m(V0−E)
h(3.154)
54
3.3 Schrödinger-Gleichung für Systeme mit konstantem Potential
(a) Potentialschwelle der Höhe V0 und der Breite 2a (b) Wellenfunktionen an der Potentialschwelle
(c) Tunneleffekt
Abbildung 3.11: Potentialschwelle
55
3 Quantentheorie
• Randbedingungen für x = a, x =−a:
ΨI(−a) =ΨII(−a) ΨII(a) =ΨIII(a)∂ΨI∂x ∣
−a= ∂ΨII
∂x ∣−a
∂ΨII∂x ∣
a= ∂ΨIII
∂x ∣a
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭4 Gleichungen für 6 Unbekannte (3.155)
• von links kommende Welle⇒ Bereich III keine nach links laufende Welle, d.h. G = 0
• weitere Bestimmungsgleichung aus Normierung vonΨI
• Nach länglicher Rechnung (z.B. Schwabl, S.58,59), (Abb. 3.11b):
• Interesse an Transmissionswahrscheinlichkeit
≈
T ≡ ∣F ∣2∣A∣2 (3.156)
• mit ε ∶= κk − k
κ und 2cosh x = ex +e−x , 2sinh x = ex −e−x :
F
A= e−2i ka
cosh(2κa)+ i ε2 sinh(2κa) (3.157)
• Damit:
≈
T = ∣F ∣2∣A∣2 = ∣F
A∣2
= 1
cosh2(2κa)+ ε2
4 sinh2(2κa)(3.158)
= 1
1+(1+ ε2
4 )sinh2(2κa)(3.159)
• Diskussion:
– sehr hohe und sehr breite Barriere, d.h. κa ≫ 1:
sinh2κa = 1
2(e2κa −e−2κa) ≈ 1
2e2κa ≫ 1 (3.160)
≈
T = [1+(1+ ε2
4)(1
2e2κa)
2
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶≫1
]−1
≈ (1+ ε2
4)−1
4e−4κa (3.161)
– Betrachte Transmission in Abhängigkeit der Einfallsenergie E (Abb. 3.11c):
T (E) = 16(κk)2
(κ2+k2)2e−4κa = 16E(V0−E)
V 20
e−4 ah
√
2m(V0−E) (3.162)
≈
T (E) ∼ e−4 ah
√
2m(V0−E)= Tunnelwahrscheinlichkeit (3.163)
– Teilchen tunneln durch Barriere, obwohl klassisch verboten
56
3.3 Schrödinger-Gleichung für Systeme mit konstantem Potential
(a) Rastertunnelmikroskop (b) α-Zerfall
(c) Feldemission von Elektronen (d) Barriere mit unterschiedlichen Niveaus
Abbildung 3.12: Beispiele zum Tunneln
• Beispiele zum Tunneln (Abb. 3.12a-3.12d:
57
4 Wasserstoatom
4.1 Separation der Kern- und Elektronenbewegung
• Wasserstoff-Atom (Abb. 4.1, Tab. 4.1)
• 2-Teilchen-Problem mit Coulomb-Wechselwirkung:
V = −e
4πε0∣r1− r2∣(4.1)
• 6 Koordinaten⇒ 6 Freiheitsgrade
• Gesamtenergie:
H = T +V = 1
2mp
˙r 21
´¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¶E p
ki n
+ 1
2me
˙r 22
´¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¶E e
kin
− e2
4πε0∣r1− r2∣´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
Coulomb-WW
(4.2)
• Einführung von Schwerpunkts- und Relativkoordinaten, da V (r1, r2) =V (∣r1− r2∣):
r ∶= ∣r1− r2∣ (4.3)
• Schwerpunktskoordinaten:
R =mp r1+me r2
mp +me(4.4)
Tabelle 4.1: Wasserstoffatom
Teilchen Masse LadungProton mp eElektron me −e
59
4 Wasserstoffatom
Abbildung 4.1: Wasserstoffatom
• mit M ∶=me +mp ergibt sich:
r1 = R + me
Mr (4.5)
r2 = R −mp
Mr (4.6)
˙r1 = ˙R + me
M˙r (4.7)
˙r2 = ˙R −mp
M˙r (4.8)
(4.9)
• Einsetzen in Gesamtenergie:
H = 1
2mp ( ˙R2+2
me
M˙r ˙R + m2
e
M 2˙r 2)+ 1
2me ( ˙R2−2
mp
M˙r ˙R +
m2p
M 2˙r 2)− e2
4πε0∣r ∣(4.10)
= 1
2M ˙R2+ 1
2
mp m2e +me m2
p
M 2
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶µ
˙r 2− e2
4πε0∣r ∣(4.11)
• Reduzierte Masse:
µ = m1m2
m1+m2(4.12)
– für m1 ≫m2 (z.B. H-Atom):
µ ≈ m1m2
m1=m2 (4.13)
– für m1 ≈m2 (z.B. Positronium):
µ ≈ m21
2m1= 1
2m1 (4.14)
60
4.1 Separation der Kern- und Elektronenbewegung
• Mit der reduzierten Masse ergibt sich:
H = 1
2M ˙R2+ 1
2µ ˙r 2− e2
4πε0∣r ∣(4.15)
61
4 Wasserstoffatom
• Schwerpunkt bewegt sich wie freies Teilchen mit konstanter Energie
⇒ Galileitransformation→ Schwerpunkt in Ruhe
• Problem in 3 Freiheitsgraden der Relativbewegung
• Übergang zum Hamiltonoperator r → ˆr :
˙r = p
µ→ 1
µ(−i h∇) (4.16)
ˆp2 =−h2∆ (4.17)
⇒ Hr el =−h2
2µ∆− e2
4πε0∣ ˆr ∣(4.18)
4.2 Hamilton-Operator in Kugelkoordinaten
4.2.1 Motivation
• Motivation: Für H-Atom mp ≫me ⇒µ ≈me =∶m:
H =− h2
2m∆− e2
4πε0∣ ˆr ∣(4.19)
=− h2
2m( ∂2
∂x2+ ∂2
∂y2+ ∂2
∂z2)
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶separabel in x, y, z
− e2
4πε0
√x2+ y2+ z2
(4.20)
(4.21)
• Potential nur von ∣r ∣ = r = Abstand abhängig
⇒ Sphärische Koordinaten
62
4.2 Hamilton-Operator in Kugelkoordinaten
4.2.2 Sphärische Koordinaten
2D - Polarkoordinaten
• Kartesische Koordinaten (Abb. 4.2a):
r = xex + yey (mit ex = (1,0), ey = (0,1)) (4.22)
• Transformation der Basisvektoren:
er = cosϕex + sinϕey (4.23)
eϕ =−sinϕex +cosϕey (4.24)
⇒Drehung des Koordinatensystems mit Drehmatrix ( cosϕ sinϕ−sinϕ cosϕ)
• mit x = r cosϕ und y = r sinϕ ergibt sich:
r =√
x2+ y2 (4.25)
ϕ = arctany
x(4.26)
Zylinderkoordinaten
• 2D-Polarkoordinaten in x, y , ez bleibt (Abb. 4.2b)
• Umrechnung in kartesische Koordinaten:
x = ρ cosϕ (4.27)
y = ρ sinϕ (4.28)
z = z (4.29)
Kugelkoordinaten
• Umrechnung in kartesische Koordinaten (Abb. 4.2c):
x = r sinϑcosϕ (4.30)
y = r sinϑsinϕ (4.31)
z = r cosϑ (4.32)
63
4 Wasserstoffatom
(a) Polarkoordinaten (b) Zylinderkoordinaten
(c) Kugelkoordinaten
Abbildung 4.2: Nichtkartesische Koordinatensysteme
64
4.2 Hamilton-Operator in Kugelkoordinaten
• Umrechnung von kartesischen Koordinaten in Kugelkoordinaten:
r =√
x2+ y2+ z2 (4.33)
ϑ = arccosz
r(”Poldistanz”) (4.34)
ϕ = arctany
x(”Azimut”) (4.35)
65
4 Wasserstoffatom
Laplace-Operator in Kugelkoordinaten
• Vorgehensweise: Anwenden der Kettenregel:
∂
∂x= ∂r
∂x
∂
∂r+ ∂ϑ∂x
∂
∂ϑ+ ∂ϕ∂x
∂
∂ϕ(4.36)
• für r ergibt sich:
∂r
∂x= 1
2
2x√x2+ y2+ z2
= r sinϑcosϕ
r= sinϑcosϕ (4.37)
• nach länglicher Rechnung:
∆ = ∂2
∂r 2+ 2
r
∂
∂r+ 1
r 2( ∂2
∂ϑ2+cotϑ
∂
∂ϑ+ 1
sin2ϑ
∂2
∂ϕ2)
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶O(ϑ,ϕ)
(4.38)
• Hamilton-Operator:
H = h
2m( ∂2
∂r 2+ 2
r
∂
∂r)− h
2m
1
r 2O(ϑ,ϕ)´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
Winkel nur hier
− e2
4πε0r(4.39)
⇒ zerfällt in Anteil nur von r abhängig und Winkelanteil
⇒ SeparationsansatzΨ(r,ϑ,ϕ) =R(r )Y (ϑ,ϕ) mit HΨ = EΨund OY (ϑ,ϕ) = AY (ϑ,ϕ)
4.3 Bahndrehimpuls in der antenmechanik
• In der klassischen Physik gilt im Zentralpotential Drehimpulserhaltung,
d.h. L = r × p = const.
L = (Lx , Ly , Lz) =−i h
⎛⎜⎜⎜⎝
y ∂∂z − z ∂
∂y
z ∂∂x −x ∂
∂z
x ∂∂y − y ∂
∂x
⎞⎟⎟⎟⎠
(4.40)
• ist Drehimpuls auch Erhaltungsgröße in Quantenmechanik?
• Kommutatoren:
[Lx , Ly] = i hLz (4.41)
[Ly , Lz] = i hLx (4.42)
[Lz , Lx] = i hLy (4.43)
66
4.3 Bahndrehimpuls in der Quantenmechanik
d.h. einzelne Komponenten untereinander kommutieren nicht (nicht simultan messbar)
⇒ L ist nicht erhalten
• Suche Operatoren, die miteinander vertauschen:
[ ˆL, Lz] = [L2x + L2
y + L2z , Lz] (4.44)
= [L2x , Lz]+ [L2
y , Lz]+ [L2z , Lz]
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶=0
(4.45)
mit [B 2, A] = [B , A]B + B[B , A] ergibt sich:
[L2x , Lz] = [Lx , Lz]
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶−i hLy
Lx + Lx [Lx , Lz]´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶−i hLy
(4.46)
[L2y , Lz] = [Ly , Lz]
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶i hLx
Ly + Ly [Ly , Lz]´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
i hLx
(4.47)
⇒ [ ˆL2, Lz] =−i hLy Lx − i hLx Ly + i hLx Ly + i hLy Lx = 0 (4.48)
⇒ ˆL2, Lz simultan messbar
⇒ gemeinsames Eigenfunktionssystem
• Analog für [ ˆL2, Lx] = 0, [ ˆL2, Ly] = 0
• Welche Eigenfunktionen haben L2 und Lz?
• Berechne L2 und Lz in Kugelkoordinaten:
Lz =−i h∂
∂ϕ(4.49)
L2 =−h2( ∂2
∂ϑ2+cotϑ
∂
∂ϑ+ 1
sin2ϑ
∂2
∂ϕ2) = h2O(ϑ,ϕ) (4.50)
• Eigenfunktionen:
O(ϑ,ϕ)Y (ϑ,ϕ) = AY (ϑ,ϕ) (4.51)
ˆL2Y (ϑ,ϕ) = h2 AY (ϑ,ϕ) (4.52)
O(ϑ,ϕ) = ∂2
∂ϑ2+cotϑ
∂
∂ϑ´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶nur ϑ
+ 1
sin2ϑ
∂2
∂ϕ2
±nur ϕ
(4.53)
67
4 Wasserstoffatom
⇒ Separationsansatz in ϑ und ϕ:
Y (ϑ,ϕ) =Θ(ϑ)Φ(ϕ) (4.54)
mit∂2
∂ϕ2Φ(ϕ) = const.²
−m2
Φ(ϕ) (4.55)
• Lösen des ϕ-Anteils
– Schwingungsgleichung:
Φ(ϕ) =Φ0e i mϕ (4.56)
∂2Φ
∂ϕ2= (i m)2
´¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¶−m2
Φ0e i mϕ (4.57)
– RandbedingungΦ(ϕ+2π) =Φ(ϕ):
Φ0e i mϕe i m2π =Φ0e i mϕ (4.58)
e i m2π = 1⇔m ∈Z (4.59)
⇒ Bewegung in ϕ quantisiert mit m ∈Z
• Lösen des ϑ-Anteils:
[ ∂2
∂ϑ2+cotϑ
∂
∂ϑ−(A′− m2
sin2ϑ)]Θ(ϑ) = 0 (4.60)
– komplizierte DG, durch Substitution z ∶= cosϑ entsteht bekannte DG nach Le-
gendre:
d
dz[(1− z2) d
dz]−(A− m2
1− z2)Θ(z) = 0 (4.61)
– Lösungen nur möglich für A = l(l +1) mit l ∈N0 und m =−l ,−l +1, ...,0, ..., l
– Lösungen sind die Legendre-Polynome Pl m(z) (Tab. 4.2, Abb. 4.3):
m = 0 ∶ Pl(z) = 1
2l l !
dl
dz l(z2−1)l (4.62)
m ≠ 0 ∶ Pl ∣m∣(z) = (1− z2)
∣m∣2
d∣m∣
dz ∣m∣Pl(z) (4.63)
• Zusammensetzen der ϑ- und ϕ-Lösung und Normieren
(2π
∫0
dϕπ
∫0
sinϑdϑ ∣Ylm(ϑ,ϕ)∣2 = 1)
68
4.3 Bahndrehimpuls in der Quantenmechanik
Tabelle 4.2: Legendre-Polynome
l ∣m∣ P(z) Nullstellen0 0 P0(z) = 1
200!(z2−1)0
= 1 01 0 P1(z) = 1
211!d
dz (z2−1)= z = cosϑ 1
1 1 P1,1(z) = (1− z2) 12 d
dz z
=√
1−cos2ϑ
= sinϑ
2 0 P2,0(z) = 1222!
d2
dz2 (z2−1)2
= 18
ddz (2(z2−1)×2z)
= 12(3z2−1) 2
Abbildung 4.3: Legendre-Polynome l -ten Grades mit l reellen Nullstellen
69
4 Wasserstoffatom
Abbildung 4.4: Präzessionskegel verschiedener Bahndrehimpulse
liefert:
Ylm(ϑ,ϕ) =√
2l +1
4π
¿ÁÁÀ(l −m)!
(l +m)!Pl m(cosϑ)e i mϕ (4.64)
mit l ∈N0, m =−l ,−l +1, ...,0, ...l
⇒ zu jedem l gibt es 2l +1 m-Werte: Jede l-Quantenzahl ist (2l +1)-fach in m entartet
• ∣L∣ und Lz simultan messbar, aber nicht Lx ,Ly
⇒Quantenmechanisch präzediert der Drehimpulsoperator um die z-Achse (Abb. 4.4)
Ploen von Kugelflächenfunktionen
• Kugelflächenfunktionen werden als Polarplots dargestellt
• Für jeden Wert (ϑ,ϕ) wird der Funktionswert Y (ϑ,ϕ) als Radius aufgetragen (Abb.
4.5):
70
4.3 Bahndrehimpuls in der Quantenmechanik
Abbildung 4.5: Polarplot
• Aus Abb. 4.5, mit ϑ =ϕ = π4 :
Y1,1 =1
2e iϕ
√3
2πcosϑ±
12
√
2
(4.65)
mit e iϕ = cosϕ+ i sinϕ
• Für jeden Wert (ϑ,ϕ) wird der Funktionswert Y
x = ∣Ylm(ϑ,ϕ)∣sinϑcosϕ (4.66)
y = ∣Ylm(ϑ,ϕ)∣sinϑsinϕ (4.67)
z = ∣Ylm(ϑ,ϕ)∣cosϑ (4.68)
• für ϑ =ϕ = π4 :
x = ∣Ylm(ϑ,ϕ)∣× 1
2(4.69)
x = ∣Ylm(ϑ,ϕ)∣× 1
2(4.70)
x = ∣Ylm(ϑ,ϕ)∣× 1
2
√2 (4.71)
Wie gehe ich mit komplexen Ylm um?
• 1. Möglichkeit: ∣Ylm ∣ auftragen
• 2. Möglichkeit: Bilden reeller Linearkombinationen aus Ylm und Yl−m :
71
4 Wasserstoffatom
– Ausnützen:
e iϕ = cosϕ+ i sinϕ (4.72)
1
2(e iϕ+e−iϕ) = cosϕ (4.73)
1
2i(e iϕ−e−iϕ) = sinϕ (4.74)
(4.75)
• Es ergibt sich:
Yl m+ =1√
2°
Normierung
(Ylm(ϑ,ϕ)+Yl−m(ϑ,ϕ)) (4.76)
Yl m− =1√2i
(Ylm(ϑ,ϕ)−Yl−m(ϑ,ϕ)) (4.77)
(4.78)
d.h. aus 2 komplexen Kugelflächenfunktionen Ylm und Y−lm werden 2 reelle Funktio-
nen
• Werden oft Orbitale genannt (falsch!)
→ reeller Winkelanteil eines Orbitals
• Reelle Linearkombinationen keine Eigenfunktionen zu Lz :
Lz(Yl m +Yl−m´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶=∶υ
) = hmYlm − hmYl−m = hm(Ylm −Yl−m´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶≠υ
) (4.79)
aber Eigenfunktionen zu L2:
L2(Ylm +Yl−m´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶∶=υ
) = h2l(l +1)Ylm + h2l(l +1)Yl−m = h2l(l +1)(Yl m +Yl−m´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶=υ
) (4.80)
• Spektroskopische Bezeichnung:
l = 0 1 2 3 ...
s p d f g , h, i
72
4.4 Radiale Lösung des H-Atoms
• Beispiel:
Px =1√
2(Y11+Y1−1) (4.81)
= 3√2π
sinϑ(1
2e iϕ+e−iϕ) (4.82)
= 3√2π
sinϑcosϕ = 3√2π
x
r(4.83)
Py =1√2i
(Y11−Y1−1) =3√2π
y
r(4.84)
4.4 Radiale Lösung des H-Atoms
• Hamiltonoperator:
H =− h2
2m( ∂2
∂r 2+ 2
r
∂
∂r)+ h2
2mr 2O(ϑ,ϕ)− e2
4πε0r(4.85)
• Wellenfunktion:
Ψ(r ) =R(r )Yl m(ϑ,ϕ) (mit O(ϑ,ϕ)Ylm = l(l +1)Yl m) (4.86)
• Einsetzen:
H =− h2
2m(...)+ h2l(l +1)
2mr 2− e2
4πε0r´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶Veff(r) (Effektives Potential)
(4.87)
• Im effektiven Potential ergibt sich Minimum, d.h. Elektron kommt durch Zentrifugal-
potential ”nicht beliebig nah an Kern” (Abb. 4.6a)
(a) Radiales Potential des H-Atoms (b) Laguerre-Polynome
Abbildung 4.6: Radiale Lösung des H-Atoms
73
4 Wasserstoffatom
• DG für R(r ):
HR(r ) = ER(r ) (4.88)
• Lösung:
R(r ) = Nnl°Normierung
exponentieller Abfalle−
rna0 ( 2r
na0)
l
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶Verhalten für r → 0
Laguerre-Polynome³¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹·¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹µL2l+1
n−l−1(2r
na0) (4.89)
74
4.4 Radiale Lösung des H-Atoms
Tabelle 4.3: Laguerre-Polynome
n l Ls=2l+1p=n−l−1 Nullstellen
1 0 L10 = x−1exe−x x1 = 1 0
2 0 L11 = x−1ex d
dx e−x x2
= x−1ex(2xe−x −x2e−x)= 2−x 1
2 1 L03 = x−3exe−x x3 = 1 0
3 0 L12 = x−1ex d2
dx2 e−x x3
= x−1ex ddx (e−x3x2−x3e−x)
= x−1ex (e−x6x −e−x3x2−3x2e−x x3e−x)= 6−6x +x2 2
• Mit:
– a0 = Bohrscher Radius:
a0 =ε0h2
mπe2(4.90)
⇒ ra0
dimensionslos
n = 1,2,3,4, ... (4.91)
l = 0,1,2, ...,n−1 (4.92)
• Assoziierte Laguerre-Polynome mit s = 2l +1 und p =n− l −1 (Tab. 4.3, Abb. 4.6b):
Lsp(x) = 1
p !x−sex dp
dxpe−x xs+p (4.93)
• Eigenwertgleichung:
H(r )Rnl(r ) = −RH
n2
±En Eigenwert des Hamiltonoperators
Rnl(r ) (mit RH = h2
2m0a20
= 13.6eV (Rydbergkonstante)) (4.94)
⇒ Eigenwert hängt nicht von Bahndrehimpuls-Quantenzahl l ab
75
4 Wasserstoffatom
4.5 Wasserstoorbitale
• Orbital: 1-Teilchen-Wellenfunktion (nicht unbedingt Aufenthaltswahrscheinlichkeit)
• Wasserstofforbitale = quantenmechanische Lösung des H-Atoms:
Ψnlm = (r,ϑ,ϕ) = Nnl P∣m∣
l (cosϑ)e i mϕ
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶Kugelflächenfunktion (unnormiert)
Radialanteil³¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹·¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹µ( 2r
na0)
l
L2l+1n−l−1(
2r
na0)e
−2r
na0 (4.95)
a) Eigenwertgleichung und Entartung
• Operator angewandt auf Wellenfunktion:
HΨnlm =−RH
n2Ψnlm (n = 1,2,3, ...: Hauptquantenzahl) (4.96)
L2Ψnlm = h2l(l +1)Ψnlm (l = 0,1,2, ...,n−1: Nebenquantenzahl) (4.97)
LΨnlm =mhΨnlm (m =−l ,−l +1, ...0, ...l : Magnetische Quantenzahl) (4.98)
• Energieeigenwert hängt nur von n ab⇒ n-fach entartet
• Drehimpulseigenwert hängt nur von l ab⇒ 2l −1-fach entartet in m
• Energie istn−1∑l=0
(2l +1)-fach entartet (Abb. 4.7)
Abbildung 4.7: Energieeigenwerte des Wasserstoffatoms
76
4.5 Wasserstofforbitale
(a) ”s”-Funktionen (haben endlichen Wert bei r = 0) (b) Radialfunktionen höherer Quantenzahlen
Abbildung 4.8: Radiale Wellenfunktionen des Wasserstoffatoms
b) Knoten in Wasserstoorbitalen
• Definition: Knoten: Flächen der dreidimensionalen Funktion Ψnlm für die Ψnlm = 0
gilt
• Knoten können auftreten in:
– Legendre-Polynomen P∣m∣
l
⇒ Knoten in Winkelanteil
– Laguerre-Polynomen L2l+1n−l−1
⇒ Knoten im Radialanteil
• P∣m∣
l (cosϑ) hat l Knoten:
– l − ∣m∣ Knotenkegelflächen bezüglich z-Achse
– ∣m∣ Knotenebenen ⊥ zur x y-Ebene
• L2l+1n−l−1 (
2ra0
) hat n− l −1 Knoten
⇒Orbital hat insgesamt n−1 Knoten
c) Darstellung der Orbitale
• Winkelanteil→ Polarplots (4.3)
• Radialteil (eindimensionale Funktion von r ): Abb. 4.8a,4.8b
77
4 Wasserstoffatom
Abbildung 4.9: Radiale Wahrscheinlichkeitsdichte im H-Atom
d) Radiale Wahrscheinlichkeitsdichte Pnl(r )
• Definition: Wahrscheinlichkeit Elektron in Kugelschale mit Radius r +dr zu finden
(Abb. 4.9):
Pnl(r )dr =π
∫0
2π
∫0
∣Ψnlm(r,ϑ,ϕ)∣2r 2dr sinϑdϑdϕ (4.99)
= ∣Rnl ∣2r 2dr
π
∫0
2π
∫0
∣Yl m(ϑ,ϕ)∣2 sinϑdϑdϕ (4.100)
• mitπ
∫0
2π
∫0∣Ylm(ϑ,ϕ)∣2 sinϑdϑdϕ = 1 (wegen Normierung):
Pnl = r 2∣Rnl ∣2 (4.101)
• Gesamtansicht: dreidimensionale Funktion im Dreidimensionalen darstellen, Äqui-
knotenflächen
⇒ alle Punkte markieren, für die gilt Ψnlm(r,ϑ,ϕ) = ±const. (+ eine Farbe, − andere
Farbe)
78
4.5 Wasserstofforbitale
e) Parität eines Orbitals
• Was passiert wenn ich von r →−r gehe (Inversion)?
• Paritätsoperator:
Π f (r ) = f (−r ) (4.102)
• Eigenschaften des Paritätsoperators:
Π f (r ) =λ f (r ) (4.103)
ΠΠ f (r )´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
f (r)
=λ2 f (r ) = f (r ) (4.104)
⇒λ2 = 1⇒λ = 1,−1 (4.105)
• Für Wasserstofforbitale gilt:
Ψnlm(−r ) = (−1)lΨnlm (4.106)
– l = 0,2,4 (s,d,g)→ gerade Parität = Eigenwert 1
– l = 1,3,5 (p,f,h)→ ungerade Parität = Eigenwert −1
a) Wasserstoähnliche Ionen (”Atome”)
• Zwei-Teilchen-System mit Kern Z und einem Elektron:
e2
4πε0r→ Z e2
4πε0r(4.107)
in allen Gleichungen e2 durch Z e2 ersetzen
→Winkelanteil ändert sich nicht
• Radialteil (Abb. 4.10a, 4.10b):
Rnl(r ) = Nnl (2Z r
na0)L2l+1
n−l−1(2Z r
na0)e
−Z r
na0 (4.108)
⇒ Energie:
E =−RHZ 2
n2(4.109)
• Beispiel: Grundzustandsenergie:
E1(He+) =−4RH (4.110)
E1(Li2+) =−9RH (4.111)
79
4 Wasserstoffatom
(a) ”s”-Radialfunktionen (b) Radiale Wahrscheinlichkeiten
Abbildung 4.10: Radiale Wellenfunktion und Aufenthaltswahrscheinlichkeit von He+-Ion und H-Atom
• Ionisierungsenergie I E für 1-Elektronen-Systeme: Energie, um Elektronen in nicht ge-
bundenen Zustand zu bringen (r →∞):
I E =−En (positiver Energiewert) (4.112)
80
5 Magnetische Eigenschaen vonAtomen
5.1 Magnetisches Moment der Bahnbewegung
• Aus klassischer Physik bekannt: Kreisstrom besitzt ein magnetisches Moment µ:
µ =− e
2mL (5.1)
• Übergang zu Operatoren:ˆµ =− e
2mˆL (5.2)
• Erwartungswert im H-Atom:
⟨ ˆµ⟩ = ⟨Ψnlm ∣ ˆµ∣Ψnlm⟩ (5.3)
=− e
2m⟨Ψnlm ∣ ˆL∣Ψnlm⟩ (5.4)
=− e
2m
√⟨Ψnlm ∣ ˆL∣Ψnlm⟩
2(5.5)
=− e
2m
√⟨Ψnlm ∣ ˆL∣Ψnlm⟩
∗
⟨Ψnlm ∣ ˆL∣Ψnlm⟩ (5.6)
da ˆL mit H vertauscht:
⟨ ˆµ⟩ =− e
2m
√⟨Ψnlm ∣ ˆL2∣Ψnlm⟩ (5.7)
=− e
2mh
²µB , Bohrsches Magneton
√l(l +1) (5.8)
⟨ ˆµ⟩l =−µB
√l(l +1) (5.9)
– magnetisches Bahnmoment quantisiert
– s-Orbitale haben kein magnetisches Bahnmoment:
l = 0⇒ ⟨ ˆµ⟩ = 0 (5.10)
81
5 Magnetische Eigenschaften von Atomen
Abbildung 5.1: Präzessionskegel des magnetischen Moments. B in z-Richtung
• Orientierung des magnetischen Moments im Magnetfeld:
– Wechselwirkung magn. Moment↔Magnetfeld
Hmagn. ∼ µ ⋅ B (5.11)
– Teilchen richten sich so aus, dass Energie minimiert (Abb. 5.1)
– Nur z-Komponente messbar:
⟨µz⟩ =−µB⟨Lz⟩
h=−µB m (mit m =−l , ..., l) (5.12)
82
5.2 Stern-Gerlach-Versuch
5.2 Stern-Gerlach-Versuch
• Experimenteller Nachweis des Eigendrehimpulses (= ”Eigen-magnetisches-Moment”)
des Elektrons
• Schon bekannt: Alkaliatome (ns1) zeigen magnetisches Moment, obwohl l = 0
• Stern, Gerlach (1921): Ablenkung von Ag-Atomstrahlen (5s1) im inhomogenen Ma-
gnetfeld (Abb. 5.2a-5.2c)
• Neutrale Teilchen⇒ Lorentz-Kraft = 0
• Kraft:
Fz =−µzdB
dz(5.13)
• Klassische Erwartung (Abb. 5.3a): Kontinuierliche Verteilung, alle µz vertreten
• Tatsächliches Ergebnis (Abb. 5.3b): Nur 2 Linien
⇒ Richtungsquantisierung, d.h. magnetisches Moment des Elektrons ist quantisiert
in 2 Richtungen parallel und antiparallel zum Magnetfeld
• Wiederholung der Messung mit anderen Alkaliatomen: Gleiche Messkurve
⇒Magnetische Momente der inneren Schalen heben sich auf
83
5 Magnetische Eigenschaften von Atomen
(a) Seitenansicht
(b) Frontansicht (c) Kavalierperspektive
Abbildung 5.2: Stern-Gerlach-Versuch, Aufbau
(a) Klassische Erwartung (b) Tatsächliche Messkurve
Abbildung 5.3: Ergebnis des Stern-Gerlach-Versuchs
84
5.3 Spin
5.3 Spin
• Stern-Gerlach-Versuch: Elektronen zeigen im inhomogenen Magnetfeld Aufspaltung:
µs →⎧⎪⎪⎨⎪⎪⎩
+µz
−µz(diskret) (5.14)
• Magnetisches Moment:
µs = g®
Faktor, für Elektron g = 2
( e
2m) ˆS (5.15)
• ˆS: Eigendrehimpulsoperator des Elektrons (= Spin)
• ˆS soll sich wie ein Drehimpulsoperator verhalten
• Postulat: ˆS hat die gleichen Kommutatorrelationen wie Drehimpuls ˆL, d.h.:
[ ˆS2, Sz] = 0 (5.16)
[Sx , Sy] = i hSz (5.17)
[Sy , Sz] = i hSx (5.18)
[Sz , Sx] = i hSy (5.19)
85
5 Magnetische Eigenschaften von Atomen
Abbildung 5.4: Präzessionskegel des Spins
• aus Stern-Gerlach-Versuch:
µz = gµsS
h(5.20)
nur zwei Einstellungsmöglichkeiten im Magnetfeld (Abb. 5.4)
⇒ Entartung:
2s +1 = 2⇒ s = 1
2(5.21)
⇒ Spin ist halbzahlig:
ms =±1
2(5.22)
– Teilchen mit halbzahligem Spin = Fermionen
– Teilchen mit ganzzahligem Spin = Bosonen
• Betrag:
∣S∣ = h√
s(s +1) =√
3
4h (5.23)
• Darstellung (Schreibweise) des Spinfreiheitsgrades: Bis jetzt H-Atom (ein Elektron) in
R3 mitΨnlm(r,ϑ,ϕ)
• in Diracschreibweise:
∣nlm⟩ (5.24)
• durch Spin kommt nun Freiheitsgrad hinzu (für ein Elektron):
∣s,ms⟩ =®s = 1
2
∣ms⟩ (5.25)
86
5.3 Spin
(a) Allgemeiner Fall (b) Anwendung auf Elektronenspin
Abbildung 5.5: Leiteroperatoren
• H-Atom mit Spin
∣nlml ms⟩ (5.26)
• Eigenwertgleichungen für Spin:
S2 ∣s,ms⟩ = h2s(s +1)∣s,ms⟩ (5.27)
Sz ∣s,ms⟩ = hms ∣s,ms⟩ (5.28)
• mögliche Darstellungsformen für Elektron:
∣1
2⟩ = ∣↑⟩ = ∣α⟩ = (1
0) (5.29)
∣−1
2⟩ = ∣↓⟩ = ∣β⟩ = (0
1) (5.30)
• Sx , Sy liefern keine Eigenwertgleichung
• Bilden von Leiteroperatoren (Abb. 5.5a):
S+ = Sx + i Sy (erhöht den ms-Wert um 1) (5.31)
S− = Sx − i Sy (erniedrigt den ms-Wert um 1) (5.32)
Sx =1
2(S++ S−) (5.33)
Sy =1
2i(S+− S−) (5.34)
87
5 Magnetische Eigenschaften von Atomen
• Anwenden auf Spinfunktion:
S+ ∣s,ms⟩ = h√
(s +ms −1)(s −ms)∣s,ms +1⟩ (5.35)
S− ∣s,ms⟩ = h√
(s −ms +1)(s +ms)∣s,ms −1⟩ (5.36)
∣s,ms⟩ = ∣ϕs ,ms⟩ (5.37)
Sz ∣s,ms⟩ = hms ∣s,ms⟩ (5.38)
⇒ für Elektron (s = 12 , ms =±1
2 , Abb. 5.5b):
S+ ∣1
2⟩ = 0 S+ ∣−
1
2⟩ = h ∣1
2⟩ (5.39)
S− ∣1
2⟩ = h ∣−1
2⟩ S− ∣−
1
2⟩ = 0 (5.40)
• in 2×2-Matrix-Schreibweise (∣12⟩ = (1
0) , ∣−12⟩ = (0
1)):
S+ (10) = (0
0) S− (10) = ( 0
h ) Sz (10) = ( h
20) (5.41)
S+ (01) = ( h
0 ) S− (01) = (0
0) Sz (01) = ( 0
−h2) (5.42)
⇒ S+ = (0 h0 0 ) ⇒ S− = ( 0 0
h 0) ⇒ Sz = (h2 0
0 −h2
) (5.43)
(5.44)
• bilde aus S+ und S− wieder Sx und Sy :
Sx = ( 0 h2
h2 0
) = h
2(0 1
1 0)±σx
(5.45)
Sy = ( 0 h2i
−h2i 0
) = h
2(0 −i
i 0 )²σy
(5.46)
Sz =h
2(1 0
0 −1)²σz
(5.47)
σ: Pauli-Matrizen
88
5.4 Spin-Bahn-Kopplung
5.4 Spin-Bahn-Kopplung
• Herleitung aus Bohrschem Atommodell (quantenmechanische Herleitung aus Dirac-
Gleichung)
• ”Kreis”bewegung des Elektrons um Proton induziert Magnetfeld BL (Abb. 5.6):
BL =eµ0
4πr 3m0´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶ξ(r)
L (5.48)
• Ausrichtung des Spin-Moments des Elektrons in BL
• Minimierung der Energie des Elektrons:
VLS = µs ⋅ BL =e2µ0
8π2m20r 3
S ⋅ L (5.49)
⇒ zusätzlicher Term im Hamiltonoperator:
H = H0¯T − e2
4πε0r
+VLS (5.50)
im H-Atom: H0 ∣nlml ⟩ = En ∣nlml ⟩
⇒ durch Kopplung sind Lz , Sz keine Erhaltungsgrößen mehr, d.h.
[H , Sz] ≠ 0 (5.51)
[H , Lz] ≠ 0 (5.52)
Abbildung 5.6: Magnetfeld der Elektronenbewegung
89
5 Magnetische Eigenschaften von Atomen
(a) Ohne Kopplung (b) Mit Kopplung
Abbildung 5.7: Gesamtspin
• Beweis:
[H , Sz] = [H0, Sz]+ [Vl s , Sz] = ξ(r )[S ⋅ L, Sz] (5.53)
= ([Sx Lx , Sz]´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶[L j ,S j ]=0
+[Sy Ly , Sz]+ [Sz Lz , Sz])×ξ(r ) (5.54)
= (Lx [Sx , Sz]´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶−i hSy
+Ly [Sy , Sz]´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
i hSx
+Lz [Sz , Sz]´¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¶
0
)×ξ(r ) (5.55)
= (−i hLx Sy + i hLy Sx)×ξ(r ) ≠ 0 (5.56)
analog [H , Lz] ≠ 0
• Vertauschungsrelationen:
– im ungekoppelten Fall: L2, Lz , S2, Sz vertauschen mit H
– im gekoppelten Fall: L2, S2 vertauschen mit H
– Lz , Sz vertauschen nicht
• suche neuen Operator, dessen z-Komponente mit H vertauscht
• Definition: Gesamtdrehimpuls (Abb. 5.7a, 5.7b):
J = L+ S (5.57)
• neue Quantenzahl, für die gilt:
J 2 ∣nl s j ,m j ⟩ = h2 j( j +1)∣nl s j ,m j ⟩ (5.58)
Jz ∣nl s j ,m j ⟩ = hm j ∣nl s j ,m j ⟩ (5.59)
90
5.4 Spin-Bahn-Kopplung
(a) Maximaler Gesamtdrehimpuls J = L+ S (b) Minimaler Gesamtdrehimpuls J = L− S
Abbildung 5.8: Kopplung zum Gesamtdrehimpuls
• welche Quantenzahl für j (Abb. 5.8a, 5.8b)?
j = l + s, l + s −1, ..., ∣l − s∣ (5.60)
m j =− j ,− j +1, ...,0, ... j (5.61)
• Ziel: Energie mit Spin-Bahn-Kopplung (sB):
⟨H⟩ = ⟨nl s j m j ∣H ∣nl s j m j ⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
En
+⟨nl s j m j ∣VSL ∣nl s j m j ⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
∆ESB
(5.62)
• Trick:
J = L+ S (5.63)
J 2 = L2+2 L ⋅ S°L ⋅ S = S ⋅ L
+S2 (5.64)
⇒ L ⋅ S = 1
2( J 2− L2− S2) (5.65)
91
5 Magnetische Eigenschaften von Atomen
(a) Energieniveaus im p-Zustand (b) Feinstrukturaufspaltung
Abbildung 5.9: Aufspaltung im H-Atom
• damit ergibt sich:
Vsl ∣nl s j m j ⟩ = ξ(r )1
2(J 2−L2−S2)∣nl s j m j ⟩ (5.66)
= 1
2h2 (( j( j +1))−L(L+1))− s(s +1))∣nl s j m j ⟩ (5.67)
∆ESB = ⟨nl s j m j ∣VSL ∣nl s j m j ⟩ (5.68)
= 1
2⟨ξ(r )⟩´¹¹¹¹¸¹¹¹¹¶a (Zahl)
h2 ( j( j +1)− l(l +1)− s(s +1)) (5.69)
mit a ∼ Z 4
n3L(L+ 12)(l+1)
Anwendung auf H-Atom: Aufspaltung
• s-Zustand (L = 0, S = 12 ):
⇒ j = 1
2(5.70)
∆ESB(s) = 0 (5.71)
92
5.4 Spin-Bahn-Kopplung
Tabelle 5.1: Multiplizität
Multiplizität 2S +1 Bezeichnung1 Singulett2 Dublett3 Triplett
• p-Zustand (L = 1, S = 12 , Abb. 5.9a):
⇒ j1 =3
2(5.72)
∆ESB( j1) =a
2(3
2× 5
2−2− 1
2× 3
2) = a
2(5.73)
m j1 =−3
2,−1
2,
1
2,
3
2(4-fach entartet) (5.74)
j2 =1
2(5.75)
∆ESB( j2) =a
2(3
2× 1
2−2− 1
2× 3
2) =−a (5.76)
m j2 =−1
2,
1
2(2-fach entartet) (5.77)
• Größenordnung von a (Hα-Linie):
a ≈ 0.33cm−1 (5.78)
aber a ∼ Z 4: bei H-ähnlichen Ionen größerer Effekt bei schwereren Kernen
⇒Natrium D-Linie:
a ≈ 17cm−1 (5.79)
• Termsymbol (bezeichnet Zustand):
2S+1L J (5.80)
mit Multiplizität 2s +1 (Tab. 5.1), Bahndrehimpuls l = 0,1,2, ... ≙ s, p,d ... und Gesamt-
drehimpuls j
93
6 Mehrelektronenatome
6.1 Elektronenabstoßung und Pauliprinzip
• Wechselwirkungen im He-Atom (2 Elektronen):
V (r1, r2) =−Z e2
4πε0r1− Z e2
4πε0r2+ e2
4πε0∣r1− r2∣(6.1)
• Schrödingergleichung für 2-Elektronen-Atom nicht geschlossen lösbar
• betrachte vereinfachtes Modell ohne Elektron-Elektron-Wechselwirkung:
H =− h2
2m(∆1¯
∂2
∂x21+ ∂2
∂y21+ ∂2
∂z21
+∆2)−Z e2
4πε0r1− Z e2
4πε0r2(6.2)
=− h2
2m∆1−
Z e2
4πε0r1´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶H1(r1)
− h2
2m∆2−
Z e2
4πε0r2´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶H2(r2)
(6.3)
• Schrödingergleichung:
HΨ(r1, r2) = EΨ(r1, r2) (6.4)
• Separationsansatz :
Ψ(r1, r2)´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
2-Teilchen-WF
=Φ1(r1)Φ2(r2)´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶Produkt aus 1-Teilchen-WF
(6.5)
• Lösung der Schrödingergleichung:
H1(r1)Φ1(r1) = E1Φ1(r1)H2(r2)Φ2(r2) = E2Φ2(r2)
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭E = E1+E2 (6.6)
95
6 Mehrelektronenatome
• Energie wasserstoffähnlicher Atome:
E2 = E1 =−Z 2
n2RH =−4RH =−54.4eV (6.7)
⇒ E = 108.8eV (6.8)
⇒ Elektron-Elektron-Wechselwirkung ausschalten, dann Grundzustandsenergie
• Messergebnis: 2-fache Ionisation von Helium:
1. I E = 24.6eV (6.9)
2. I E = 54.4eV (6.10)
I EGes = 79.0eV < 108.8eV (6.11)
Differenz ≙ Effekt der Elektron-Elektron-Abstoßung
• Beobachtung aus Helium-Spektrum:
– Annahme: Zwei Elektronen in 1s-Schale, beide s = 12
– Klassisch: Spin = Magnetisches Moment
addieren: ms =ms1 +ms2 = 1 ↑ ↑ (6.12)
subtrahieren: ms =ms1 −ms2 = 0 ↑ ↓ (6.13)
– Falls beide Zustände möglich, unterschiedliche Energie, z.B. durch Spin-Bahn-
Kopplung
⇒würde Aufspaltung der Linien bedeuten (Abb. 6.1)
⇒ nur eine Linie beobachtbar
• Behauptung von Pauli (Postulat 5:) Die Elektronenzustände eines Atoms können nur
so besetzt werden, dass nie zwei oder mehr Elektronen in allen Quantenzahlen über-
einstimmen. (nlm-Quantenzahlen beschreiben den Ort des Elektrons)
⇒ Allgemeine Formulierung: Zwei Elektronen mit gleichem Spin können nicht am
gleichen Ort sein
• Noch allgemeiner (Antisymmetrieprinzip): Die Wellenfunktion von n Elektronen ist
antisymmetrisch. Kein Vertauschen von zwei Elektronen mit x1 ∶= (r1,ms1 :
Ψ(x1, x2) =−Ψ(x2, x1) (6.14)
96
6.1 Elektronenabstoßung und Pauliprinzip
Abbildung 6.1: Heliumspektrum
• Vertausche identische Teilchen und Vorzeichen der Wellenfunktion ändert sich (aber
nicht Aufenthaltswahrscheinlichkeit ∣Ψ∣2)
• Lösung des nicht wechselwirkenden Heliumatoms:
Ψ(x1, x2) = Φ1
1sα
(x1)Φ2
1sβ
(x2 (6.15)
• Vertausche:
Ψ(x2, x1) =Φ1(x2)Φ2(x1) ≠−Ψ(x1, x2) (6.16)
⇒ Pauli-Prinzip verletzt
• Lösung von Slater: Mathematisches Konstrukt, das sich völlig antisymmetrisch verhält
• Determinante liefert Vorzeichenänderung beim Vertauschen von Zeilen und Spalten
⇒ 2-Teilchen-Wellenfunktion als Slaterdeterminante
ΨSD(x1, x2) =1√
2
RRRRRRRRRRR
Φ1(x1) Φ2(x1)Φ1(x2) Φ2(x2)
RRRRRRRRRRR= 1√
2(Φ1(x1)Φ2(x2)−Φ1(x2)Φ2(x1)) (6.17)
ΨSD(x2, x1) =1√
2
RRRRRRRRRRR
Φ1(x2) Φ2(x2)Φ1(x1) Φ2(x1)
RRRRRRRRRRR= 1√
2(Φ1(x2)Φ2(x1)−Φ1(x1)Φ2(x2)) (6.18)
=−ΨSD(x1, x2) (6.19)
97
6 Mehrelektronenatome
• Allgemein (n Elektronen):
ΨSD(x1, ..., xn) =1√n!
RRRRRRRRRRRRRRRRR
Φ1(x1) Φ2(x1) ⋯ Φn(x1)⋮ ⋯ ⋮
Φ1(xn ⋯ ⋯ Φn(xn)
RRRRRRRRRRRRRRRRR
(6.20)
Zeilen: Elektronenkoordinaten
Spalten: Orbitale´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
1-Elektronen-WF
(Spinorbitale)
6.2 Aufbau des Periodensystems
• Betrachte Mehrelektronenatome ohne Coulomb-Wechselwirkung aber mit Pauli-Prinzip
(Tab. 6.1)
• Periodensystem: Auffüllen der Schalen nach dem Schema (n+ l) von 0,1,2
• Falls gleiches (n+ l) dann niedrigstes n zuerst
(n+ l) 1 2 3 4 5 6 7
1s 2s 2p3s 3p4s 3d4p5s 4d5p6s 4 f 5d6p7s
• Elektronenkonfiguration: Auffüllen der Schalen mit zugehöriger Elektronenzahl, z.B:
N ∶ n = 7 1s22s22p3 (6.21)
Ti ∶ n = 22 1s22s22p63s23p64s23d2 (6.22)
• Abgeschlossene (sp)-Konfiguration: Edelgaskonfiguration (Tab. 6.2)
Tabelle 6.1: Bezeichnung der Unterschalen
Schale Elektronenanzahl Magnetische Quantenzahl ml
s-Schale 2 0p-Schale 6 −1,0,1d-Schale 10 −2,−1,0,1,2f -Schale 14 −3, ...,3
98
6.3 Spin-Bahn-Kopplung in Mehrelektronenatomen
Tabelle 6.2: Edelgaskonfigurationen
Edelgas ElektronenkonfigurationHe: 1s2
Ne: 1s22s2p6
Ar: 1s22s2p63s2p6
Kr: [Ar]3d104s2p6
6.3 Spin-Bahn-Kopplung in Mehrelektronenatomen
• In Mehrelektronenatomen hat jedes Elektron Bahndrehimpuls li und Spin si
• Frage: Wie koppeln all diese Drehimpulse zu Gesamtdrehimpuls?
6.3.1 LS-Kopplung (Russell-Saunders-Kopplung)
• Anwendbar für Atome, wo Spin-Bahn-Wechselwirkung schwach gegenüber Elektron-
Elektron-Wechselwirkung ist, d.h. für leichte Atome (Z ≤ 30)
• Betrachte zwei Elektronen mit l1 = l2 = 1, s1 = s2 = 12 :
1. Alle Bahndrehimpulse koppeln zu L (Abb. 6.2a)
Quantenzahl für Gesamtdrehimpuls L = l1+ l2, ...∣l1− l2∣ in ganzen Zahlen
2. Alle Spins koppeln zu Gesamtspin S (Abb. 6.2b)
Quantenzahl für S: s1+ s2, ...∣s1− s2∣
3. Gesamtdrehimpuls:
J = L+ S (mit J = L+S, ..., ∣L−S∣) (6.23)
• Zustand wird festgelegt durch
– Hauptquantenzahl n
– Gesamtbahndrehimpuls L (L = 0,1,2, ... ≙ S,P,D)
– Gesamtspin S (liefert Multiplizität 2S +1, Tab. 6.3)
– Gesamtdrehimpuls J
⇒ Bezeichnung des Zustands durch Termsymbol:
n 2s+1l j (6.24)
99
6 Mehrelektronenatome
(a) Kopplung der Bahndrehimpulse (b) Kopplung der Spins
Abbildung 6.2: Russell-Saunders-Kopplung
Tabelle 6.3: Mögliche Multiplizitäten
Elektronen Gesamtspin S Multiplizität 2S +1 Bezeichnung1 1
2 2 Dublett2 0 1 Singulett
1 3 Triplett3 3
2 4 Quartett12 2 Dublett
4 2 5 Quintett1 3 Triplett0 1 Singulett
• Beispiel: Grundzustand und erster angeregter Zustand von Helium:
1s2 ∶l1 = l2 = 0´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
s1 = s2 = 12´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
L = 0 S = 0, 1®Pauli-verboten
⇒1 S0 (6.25)
1s12s1l1 = l2 = 0´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
s1 = s2 = 12´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
L = 0 S = 0,1⇒1 S0, 3S1 (6.26)
100
6.3 Spin-Bahn-Kopplung in Mehrelektronenatomen
• Beispiel: Alle Zustände für Kohlenstoff (1s22s2p2):
– geschlossene Schalen: L = 0, S = 0
– mögliche Zustände:
ml ML MS
-1 0 1
↑ ↓ -2 0
↑ ↓ 0 0
↑ ↓ 2 0
↑ ↓ -1 0
↑ ↓ 0 0
↑ ↓ 1 0
↓ ↑ -1 0
↓ ↑ 0 0
↓ ↑ 1 0
↑ ↑ -1 1
↑ ↑ 0 1
↑ ↑ 1 1
↓ ↓ -1 -1
↓ ↓ 0 -1
↓ ↓ 1 -1
Slaterdiagramme
ML
-2 -1 0 1 2
-1 | | |
MS 0 | || ||| || |
1 | | |
ML
-1 0 1
-1 | | |
MS 0 | || |
1 | | |
1. a) Suche maximales ML
ML = 2⇒ L = 2⇒D (6.27)
b) suche zugehöriges maximales MS
MS = 0⇒ S = 0⇒ 2S +1 = 1 (6.28)
c) bestimme J
d) streiche alle zum Termsymbol gehörenden Zustände aus dem Slaterdia-
gramm, dabei gilt:
ML =−L,−L+1, . . . ,0, . . . ,L−1,L (6.29)
MS =−S,−S +1, . . . ,0, . . . ,S −1,S (6.30)
(6.31)
⇒ 1D2 (5× in m j entartet)
101
6 Mehrelektronenatome
2. a) Suche nächstes maximales ML
1⇒P (6.32)
b) suche zugehöriges maximales MS
S = 1⇒ 2S +1 = 3 (6.33)
c) bestimme J
d) streiche alle zum Termsymbol gehörenden Zustände aus dem Slaterdia-
gramm
⇒ 3P2 (5× entartet), 3P1 (3× entartet), 3P0 (1× entartet)
insgesamt 9 ”Zustände”
3. verbleibender Zustand:
⇒ 1S0 (1× entartet)
• Was ist der Grundzustand?
⇒Hundsche Regeln (empirisch gefunden von Friedrich Hund 1927)
0. Volle Schalen haben L = 0, S = 0, tragen nicht bei
1. Gesamtspin S nimmt maximalen Wert an, d.h. Spins möglichst parallel
⇒ Spins parallel: Spinanteil in Wellenfunktion symmetrisch
⇒Ortsanteil antisymmetrisch⇒weiterreichend
⇒ besseres Ausweichen der Elektronen
⇒ Elektron-Elektron Wechselwirkung kleiner
Beispiel:
d3 ↑ ↑ ↑ml = −2 −1 0 1 2
(6.34)
2. bei maximalem Spin wären ml so besetzt, dass L maximal:
d3 ↑ ↑ ↑ml = −2 −1 0 1 2
⇒ L = 3 ⇒ 4F 92
, 4F 72
, 4F 52
, 4F 32
(6.35)
3. J minimal für weniger als halbvolle Schalen, maximal sonst
102
6.4 Störungsrechnung zur Behandlung der Elektron-Elektron-Wechselwirkung
Grundzustand für d3-Konfiguration:
4F 32
(6.36)
für halbvolle Schalen:
p3 ↑ ↑ ↑ml = −1 0 1
⇒ S = 3
2, L = 0⇒ J = S ⇒ 4S 3
2(6.37)
d5 ↑ ↑ ↑ ↑ ↑ml = −2 −1 0 1 2
⇒ S = 5
2, L = 0⇒ J = S ⇒ 6S 5
2(6.38)
6.3.2 J-J-Kopplung
• Für schwere Kerne (Z > 60) ist die Spin-Bahn-Kopplung stärker als die Elektron-Elektron-
Wechselwirkung
⇒ erst für jedes Elektron
ji = li + si (6.39)
dann alle ji zu Gesamtdrehimpuls J
6.4 Störungsrechnung zur Behandlung derElektron-Elektron-Wechselwirkung
6.4.1 Allgemeiner Formalismus(Zeitunabhängige Schrödingergleichung, Rayleigh-Schrödinger)
• Hamiltonoperator:
H = H0¯ungestörter Teil, Lösung bekannt
+StörungªHs (6.40)
• z.B.
– H-Atom im elektrischen Feld(Stark-Effekt)
– H-Atom im magnetischen Feld (Zeemann-Effekt)
– H-Atom mit Spin-Bahn-Kopplung
– He-Atom:
H0 nicht wechselwirkende Elektronen
Hs Elektron-Elektron-Wechselwirkung
103
6 Mehrelektronenatome
• Regel: Zerlegung von H , sodass Lösung von H0 bekannt und Hs klein
• Idee: Graduelles Einschalten der Störung (mathematisch Hs =λw mit λ ∈ [0,1]
λ = 1 volles Problem
λ = 0 ungestörtes Problem
⇒ Schrödingergleichung in Abhängigkeit von Parameter λ:
H(λ)Ψ(λ) = E(λ)Ψ(λ) (mit H(0) = H0, H(1) = H) (6.41)
6.4.2 Herleitung der Störungstheorie
• Eigenfunktion ∣Ψn⟩ und Eigenwerte En nach Potenzen von λ entwickeln:
En(λ) = E(0)n +λE
(1)n +λ2E
(2)n + ... (6.42)
∣Ψn(λ)⟩ = ∣Ψ(0)n ⟩+λ ∣Ψ(1)
n ⟩+λ2 ∣Ψ(2)n ⟩+ ... (6.43)
• Einsetzen in Schrödingergleichung:
H(λ)∣Ψn(λ)⟩ = En(λ)∣Ψn(λ)⟩ (6.44)
• Für jede Potenz vergleichen:
0. Ordnung (λ0): H0 ∣Ψ(0)n ⟩ = E
(0)n ∣Ψ(0)
n ⟩ (ungestörtes Problem) (6.45)
1. Ordnung(λ1): (H0−E(0)n )∣Ψ(1)
n ⟩ = (E(1)n −W )∣Ψ(0)
n ⟩ (6.46)
(a) 1:1-Zuordnung der Zustände von H(0) und H(1) (b) Berechnete und gemessene Energieniveaus des Heliumatoms
Abbildung 6.3: Störungsrechnung
104
6.4 Störungsrechnung zur Behandlung der Elektron-Elektron-Wechselwirkung
⋮
• Auflösen mit Orthogonalität der Eigenfunktion:
E(1)n = ⟨Ψ(0)
n ∣W ∣Ψ(0)n ⟩ (6.47)
(= Matrixelement der Störung mit ungestörter Wellenfunktion) (6.48)
• Energiekorrektur 2. Ordnung:
E(2)n = ∑
m≠n±
Summe über alle Zustände
(A)³¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹·¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹µ∣⟨Ψ(0)
m ∣W ∣Ψ(0)n ⟩∣
2
E(0)n −E
(0)m´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
(B)
(6.49)
(A): nicht-diagonales Matrixelement der Störung
(B): Energiedifferenz der ungestörten Eigenwerte
⇒ Problem bei Entartung, da dort E(0)n −E
(0)m = 0
• Störungsreihe konvergiert nicht für:
E(0)n −E
(0)m → 0 (quasientartete Zustände) (6.50)
⟨Ψ(0)n ∣W ∣Ψ(0)
n ⟩ groß (6.51)
6.4.3 He-Grundzustand in Störungsrechnung
• Hamiltonoperator (He-Kern in (0,0,0)):
H =
h(r1)
³¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹·¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹µ− h2
2m∆1−
Z e2
4πε0r1
h(r2)
³¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹·¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹µ− h2
2m∆2−
Z e2
4πε0r2´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶H0
+ e2
4πε0∣r1− r2∣´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
W
(6.52)
• Lösung von H0 im Grundzustand (beide Elektronen in 1s mit ↑ ↓ ):
∣Ψ(0)0 ( 1®
r1,ms1
,2)⟩ = 1√2
RRRRRRRRRRR
∣1s(1)⟩ ∣1s(1)⟩∣1s(2)⟩ ∣1s(2)⟩
RRRRRRRRRRR= 1√
2(∣s(1)s(2)⟩− ∣s(2)s(1)⟩) (6.53)
• mit∣s⟩ =Φ100(r ) ⋅α(σ)∣s⟩ =Φ100(r ) ⋅β(σ)
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭Φ100(r ) = 1√
π( Z
a0)
32
e−
Z ra0 (6.54)
105
6 Mehrelektronenatome
• Störungstheorie 1. Ordnung:
E(1)0 =⟨Ψ(0)
0 ∣W ∣Ψ(0)0 ⟩ (6.55)
=+ 1
2⟨s(1)s(2)∣W ∣s(1)s(2)⟩ (6.56)
− 1
2⟨s(1)s(2)∣W ∣s(2)s(1)⟩ (6.57)
− 1
2⟨s(2)s(1)∣W ∣s(1)s(2)⟩ (6.58)
+ 1
2⟨s(2)s(1)∣W ∣s(2)s(1)⟩ (6.59)
(6.60)
• Zerlegen in Orts- und Spinanteil:
E(1)0 =+ 1
2⟨Φ(1)
100Φ(2)100∣W ∣Φ(1)
100Φ(2)100⟩⟨α(1)∣α(1)⟩
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶1
⟨β(2)∣β(2)⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
1
(6.61)
− 1
2⟨Φ(1)
100Φ(2)100∣W ∣Φ(1)
100Φ(2)100⟩⟨α(1)∣β(1)⟩
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶0
⟨β(2)∣α(2)⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
0
(6.62)
− 1
2⟨Φ(1)
100Φ(2)100∣W ∣Φ(1)
100Φ(2)100⟩⟨β(1)∣α(1)⟩
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶0
⟨α(2)∣β(2)⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
0
(6.63)
+ 1
2⟨Φ(1)
100Φ(2)100∣W ∣Φ(1)
100Φ(2)100⟩⟨β(1)∣β(1)⟩
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶1
⟨α(2)∣α(2)⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
1
(6.64)
=⟨Φ(1)100Φ
(2)100∣W ∣Φ(1)
100Φ(2)100⟩ (6.65)
=N ∫ d3r1∫ d3r2e−
Za0
r1 e−
Za0
r2 e2
4πε0∣r1− r2∣e−
Za0
r1 e−
Za0
r2 (6.66)
• Längere Rechnung:
E(1)0 = 5
8
Z e2
4πε0a0(6.67)
E(1)0 (Z = 2) = 34eV (6.68)
• Grundzustandsenergie (Abb. 6.3b):
E0 = E(0)0 +E
(0)0 (6.69)
= 2(−Z 2
h2RH)+ 5
4Z RH (6.70)
106
6.5 Variationsverfahren um Elektron-Elektron-Wechselwirkung zu behandeln
6.5 Variationsverfahren umElektron-Elektron-Wechselwirkung zu behandeln
6.5.1 Allgemeines zum Verfahren
6.5.1.1 Variationstheorem
• Sei H zeitunabhängiger Hamiltonoperator, E0 Grundzustandsenergie undΦ beliebige
Wellenfunktion mit Normierung ⟨Φ∣Φ⟩ = 1, dann gilt:
⟨Φ∣H ∣Φ⟩ ≥ E0 (6.71)
• Beweis: Eigenfunktionssystem ∣Ψk⟩ mit:
H ∣Ψk⟩ = Ek ∣Ψk⟩ (mit E0 ≤ E1 ≤ ...) (6.72)
• ∣Ψk⟩ bilden Basis:
⇒ ∣Φ⟩ =∑k
ck ∣Ψk⟩ (Entwicklung nach Basisfunktionen) (6.73)
⟨Φ ∣ H ∣Φ⟩ =∑k,l
c∗l ck ⟨Ψl ∣ H ∣Ψk⟩´¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¶Ek ∣Ψk⟩
(6.74)
=∑k,l
c∗l ck Ek ⟨Ψl ∣Ψk⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
δlk
(6.75)
=∑k
∣ck ∣2Ek ≥∑k
∣ck ∣2E0 = E0∑k
∣ck ∣2
´¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¶1
= E0 (6.76)
⇒ Egal wie wir Ansatz fürΦ verbessern, wir bleiben immer über E0
⇒ Variationstheorem gibt obere Schranke (Abb. 6.4a)
6.5.1.2 Variationsprinzip
• Betrachten vonΦ als Testfunktion, die von Parametern cµ abhängt:
Φ(xi ,cµ) (6.77)
• Verändere cµ so, dass
⟨Φ(cµ)∣ H ∣Φ(cµ)⟩ = E(cµ) (6.78)
minimal wird
107
6 Mehrelektronenatome
(a) Berechnung von Energieniveaus über Variationsprinzip (b) Abschirmung der Kernladung
Abbildung 6.4: Variationsprinzip
• Nach Variationstheorem gilt Emin(cµ) ≥ E0
⇒ beste Wellenfunktion mit gewähltem Parametersatz
• Test-WellenfunktionΦ(xi ,cµ)
⟨Φ ∣ H ∣Φ⟩ = E(cµ) (6.79)
• Bestimmung der optimalen Parameter:
∂E
∂cµ= 0 (6.80)
• Falls M Parameter⇒M Bestimmungsgleichungen für cµ
• Rayleigh-Ritzsches Variationsprinzip (lineares Variationsprinzip): Funktion hängt nur
linear von Parametern cµ ab
⇒ Bestimmungsgleichung für cµ linear
⇒ Lösen eines linearen Gleichungssystems (lineare Algebra)
108
6.5 Variationsverfahren um Elektron-Elektron-Wechselwirkung zu behandeln
6.5.2 Variationsprinzip für He-Atom
• Bekannt: Lösung des nicht wechselwirkenden Systems: H-ähnlich skaliert mit Kernla-
dung Z
• Ansatz für Test-Wellenfunktion: Abschirmung der Kernladung von einem Elektron,
wenn Energie des zweiten Elektrons berechnet wird (Abb. 6.4b)
⇒ effektive Kernladung:
Zeff = Z − σ®Abschirmkonstante
(6.81)
• Ansatz für Test-Wellenfunktion im Grundzustand 1s2 (Ortsanteil)
Produkt-Wellenfunktion:
Φ(r1, r2) = Neff ⋅e−Zeffr1a0 ⋅e−Zeff
r2a0 (6.82)
• Variationsprinzip:
E(Zeff) = ⟨Φ ∣ H ∣Φ⟩ (6.83)
=∫ d3r2∫ d3r1e−Zeff
r1+r2a0 ( H1¯− h2
2m∆1 −Z e2
4πε0r1
+H2+ H12°e2
4πε0∣r1−r2∣
)e−Zeff
r1+r2a0 (6.84)
• Nach längerer Rechnung ergibt sich:
E(Zeff) =−2( Z 2eff°
Kinetische Energie
Elektron-Kern-Wechselwirkung³¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹·¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹µ−2Z Zeff+
5
8Zeff
²Elektron-Elektron-Wechselwirkung
) ⋅RH (6.85)
• Minimum bestimmen:
∂E(Zeff)∂Zeff
= 2Zeff−2Z + 5
8= 0 (6.86)
⇒ Zeff = Z − 5
16(6.87)
• Helium (Z = 2):
Zeff =27
16= 1.6875 (6.88)
Emin =−77.46eV (6.89)
Abweichung vom Experiment ≈ 2%
109
6 Mehrelektronenatome
6.6 Slater-Orbitale
• Bekannt: Idee von abgeschirmter Ladung funktioniert
• Vorschlag von Slater: Ansatz für den Radialanteil der 1-Teilchen-Wellenfunktionen,
die zusammengesetzt als Slaterdeterminante die Vielteilchen-Wellenfunktion des Atoms
beschreiben, kann man annähern (STO=Slater-type-orbitals):
RST Onl = Nnl r n∗−1 exp(−(Z −σ)r
n∗a0) (6.90)
1. keine Laguerre-Polynome⇒ keine radialen Knoten
2. n∗ entspricht Hauptquantenzahl n:
n = 1 2 3 4 5 6
n∗ = 1 2 3 3.7 4.0 4.2
⇒ stärkere Kontraktion der äußeren Schalen durch relativistische Effekte
3. σnl Abschirmungskonstante, die sich für jedes Elektron einer Unterschale nach
folgenden Regeln berechnet:
– Die Unterschalen werden in folgende Gruppen eingeteilt:
1s/2s2p/3s3p/3d/4s4p/4d/4f/5s5p/5d/6s6p
– Elektronen in äußeren Schalen schirmen nicht ab
– Geschlossene Schalen eine unter der zu bestimmenden:
s, p ∶ x ⋅0.85 (x = Anzahl der Elektronen in Schale) (6.91)
d , f ∶ x ⋅1.00 (6.92)
– Schalen mehr als zwei unter der zu bestimmenden:
s, p,d , f ∶ x ⋅1.00 (6.93)
– Elektronen in selber Schale:
1s ∶ x ⋅0.3 (6.94)
sonst: x ⋅0.35 (6.95)
110
6.6 Slater-Orbitale
• Beispiel: Sauerstoff (1s22s2p4). Abschirmkonstante für 2p-Elektron:
σ = 2 ⋅0.85´¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¶1s
+5 ⋅0.35 = 3.45 (6.96)
⇒ Zeff = Z −σ = 4.55 (6.97)
• Schwefel (1s22s2p63s2p4):
σ = 2 ⋅1.00+8 ⋅0.85+5 ⋅0.35 = 10.55 (6.98)
⇒ Zeff = 16−σ = 5.45 (6.99)
111
7 Chemische Bindung
7.1 Hamilton-Operator für Moleküle
• Molekül aufgebaut aus Atomkernen und Elektronen mit Coulomb-Wechselwirkung
(Tab. 7.1)
• Beispiel: H2O (N = 3, n = 10, ZO = 8, ZH = 1, Abb. 7.1):
• Kinetische Energie der Kerne:
TK =N
∑α=1
ˆp2α
2Mα(7.1)
• Kinetische Energie der Elektronen:
Te =n
∑i=1
ˆp2i
2m(7.2)
• Coulomb-Abstoßung der Kerne:
VKK =N
∑α=1
N
∑β>α
ZαZβe2
4πε0∣Rα− Rβ∣(7.3)
• Coulomb-Abstoßung der Elektronen:
Vee =n
∑i=1
n
∑j>i
e2
4πε0∣ri − r j ∣(7.4)
Tabelle 7.1: Hamilton-Operator für Moleküle
Atomkerne ElektronenAnzahl N nNummerierung α,β, .. i , j , ...Ladung Zα ⋅e −eMasse Mα mOrt Rα ri
113
7 Chemische Bindung
Abbildung 7.1: Wassermolekül
Abbildung 7.2: Wasserstoffmolekül
• Coulomb-Anziehung Kern-Elektron:
VeK =N
∑α=1
n
∑i=1
−Zαe2
4πε0∣Rα− ri ∣(7.5)
• Gesamt-Hamiltonoperator:
H = TK+ Te+ VKK+ Vee+ VeK (7.6)
• Beispiel: Wasserstoffmolekül (Abb. 7.2):
H =− h2
2M∆R1
− h2
2M∆R2
− h2
2m∆r1 −
h2
2m∆r2 (7.7)
+ e2
4πε0∣R1− R2∣+ e2
4πε0∣r1− r2∣(7.8)
− e2
4πε0( 1
∣R1− r1∣+ 1
∣R1− r2∣+ 1
∣R2− r1∣+ 1
∣R2− r2∣) (7.9)
114
7.1 Hamilton-Operator für Moleküle
• Hamiltonoperator hängt von allen Kernkoordinaten Rα und allen Elektronenkoordi-
naten ri ab
• Abkürzende Schreibweise:
R = (R1, R2, ..., RN) (3N -Vektor) (7.10)
r = (r1, r2, ..., rN) (3n-Vektor) (7.11)
(7.12)
• Zeitunabhängige Schrödingergleichung:
H(R, r )Ψ(R, r ) = EΨ(R, r ) (3(N +n)-dimensionales Problem) (7.13)
• 3N Freiheitsgrade für Kerne
⇒Molekülstruktur (Bindungslängen, Bindungswinkel)
• 3n Freiheitsgrade für Elektronen
Elektronenstrukturen (Orbitale, Ionisierungsenergien, Ortsanteil)
• Freiheitsgrade der Kerne und Elektronen hängen über VeK zusammen
115
7 Chemische Bindung
7.2 Born-Oppenheimer-Näherung
• Idee: Kern- und Elektronenkoordinaten separieren, sodass Probleme nacheinander
gelöst werden können
• Max Born, Robert Oppenheimer (1927): Masse der Kerne ≫ Masse der Elektronen
( Mαm ≥ 2000)
⇒ Elektronen bewegen sich viel schneller als Kerne
⇒ Kerne können als fest betrachtet werden für Bewegung der Elektronen: Kinetische
Energie der Kerne für Bewegung der Elektronen = 0:
H BOAel = Te+ VeK+ Vee (+VKK)
´¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¶const.
(7.14)
⇒Elektronische Schrödingergleichung in Born-Oppenheimer-Näherung mit Parame-
ter R:
HelΨBOA(ri , R) = E(R)ΨBOA(ri , R) (7.15)
• Für die Bewegung der Kerne (= chemische Reaktion, Schwingung der Kerne→ IR) wird
Elektronenbewegung gemittelt
⇒ d.h. Sie berechnen E(R) in BOA für jedes R (Abb. 7.3)
Abbildung 7.3: Potential der Kernbewegung im BOA
116
7.3 Kernbewegung
7.3 Kernbewegung
7.3.1 Motivation
• Annahme: Schrödingergleichung HelΨBOA = E(R)ΨBOA gelöst für alle Kernkoordina-
ten R:
HK = TK+E(R)+VKK(R)´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
U(R) Energiepotentialfläche
(7.16)
• Beispiel: H +2 (Abb. 7.4a)
• nur eine Kernkoordinate ändert Elektronenstruktur = Abstand der Protonen, 5 Frei-
heitsgrade für Translation und Rotation in linearem Molekül
• Abschätzung von Eel im Grundzustand (Abb. 7.4b):
R→∞ H +
2 →H·+H+ (el. Energie = Energie des H=−RH) (7.17)
R→ 0 H +
2 →He+ (H-ähnliches Atom. Energie des He+=−4RH) (7.18)
• Minimum R0: Chemische Bindung
⇒H +2 stabil als getrenntes System
(a) H +2 -Ion (b) Potential des H +
2 -Ions
Abbildung 7.4: H +2 -Ion
117
7 Chemische Bindung
Abbildung 7.5: Zweiatomiges Molekül
Abbildung 7.6: Morsepotential
7.3.2 Zweiatomige Moleküle
• Nur eine Relativkoordinate R (Abb. 7.5):
R→∞ separierte Kerne. Def. U = 0
R→ 0 U0→∞ Abstoßung der Kerne
R0 Gleichgewichtsabstand
De Dissoziationsenergie
• Mögliche Beschreibung der Funktion: Morsepotential (Abb. 7.6):
U(R) =De (1−e−β(R−R0))2(7.19)
U(0) =De (1−eβR0)2 ≈D2βR0e ≫De (aber endlich) (7.20)
U(R0) = 0 (7.21)
U(R→∞) =De (7.22)
118
7.3 Kernbewegung
• Falls man nur an Auslenkung nahe Minimum interessiert ist, kann man Parabel im
Minimum anfitten (1. Term ≠ 0 in Taylor-Reihe, Abb. 7.7a):
VHO = 1
2β(R −R0)2 (β = k = Kraftkonstante) (7.23)
7.3.3 Harmonischer Oszillator
• zweiatomiges Molekül mit Auslenkung der Kerne nahe Minimum
• Einführung einer Relativkoordinate (= Auslenkung) x =R −R0 (Abb. 7.7b)
• Potential:
VHO = 1
2kx2 (7.24)
• Bewegte Masse = reduzierte Masse µ:
µ = MA MB
MA +MB(7.25)
• Hamiltonoperator für Relativkoordinaten:
HHO =− h2
2µ
∂2
∂x2+ 1
2kx2 (7.26)
(Hamiltonoperator für eindimensionalen harmonischen Oszillator mit k = µω2, ω ≙Schwingungsfrequenz)
(a) Harmonisches Potential (b) Zweiatomiges Molekül
Abbildung 7.7: Harmonischer Oszillator
119
7 Chemische Bindung
Tabelle 7.2: Hermite-Polynome H(q)mit q = xx0
n Polynom Nullstellen Symmetrie0 H0(q) = 1 0 gerade1 H1(q) = 2q 1 ungerade2 H2(q) = 4q2−2 2 gerade3 H3(q) = 8q3−12q 3 ungerade
• Lösung der Schrödingergleichung HHOΦ(x) = EΦ(x):
En¯Eigenwert
= hω(n+ 1
2) (n: Quantenzahl mit n = 0,1,2, ...) (7.27)
• Eigenfunktionen:
Φn(x) = Nn Hn(q)´¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¶
Hermite-Polynome mit q = xx0
Gaußfunktion³¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹·¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹µe−
12(
xx0
)
2
(7.28)
• mit Hermitepolynomen (Tab. 7.2) und Normierungsfaktor Nn :
Nn = ( (µω) 12
2nn!√π√
h)
12
(7.29)
• Nullstellen nehmen zu, Anzahl der Nullstellen =n
• n gerade: gerade Funktion
• n ungerade: ungerade Funktion
• Diskussion der Lösung (Abb. 7.8):
– Energieniveaus äquidistant:
∆E = En+1−En = hω(n+1+ 1
2)− hω(n+ 1
2) = hω (7.30)
⇒Nur eine Linie im IR-Spektrum
– Nullpunktsenergie (T = 0K):1
2hω (7.31)
– n gerade:
Φn(x) =Φn(−x) (7.32)
120
7.3 Kernbewegung
Abbildung 7.8: Wellenfunktionen und Aufenthaltswahrscheinlichkeiten des Harmonischen Oszillators
– n ungerade:
Φn(x) =−Φn(−x) (7.33)
– ∣Φn ∣2 am größten für:
n = 0 x = 0 (7.34)
n→∞ verschoben zum Rand des Potentials (= klassisches Ergebnis) (7.35)
7.3.4 Lösung des Anharmonischen Oszillators
• Hamiltonoperator des Morsepotentials:
H =− h2
2µ
∂2
∂R2+De (1−e−β(R−R0))2
(7.36)
• Entwickeln der Exponentialfunktion in Taylor-Reihe:
1−β(R −R0)+1
2β2(R −R0)2+ ... (7.37)
121
7 Chemische Bindung
Abbildung 7.9: Harmonischer und anharmonischer Oszillator
• Es ergibt sich:
H =− h2
2µ
∂2
∂R2+De (+β(R −R0)−
1
2β2(R −R0)2+ ...)
2
(7.38)
=− h2
2µ
∂2
∂R2+Deβ
2(R −R0)2
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶harmonisch
−Deβ3(R −R0)3
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶Korrekturterm 1. Ordnung zum HO (anharmonischer Term)
+... (7.39)
• Lösung des anharmonischen Oszillators:
En = hω(n+ 1
2)− hωxe (n+ 1
2)
2
(7.40)
• Frequenz ω der Schwingung:
β2De =1
2µω2⇒ω =
√2Deβ2
µ(7.41)
• Anharmonizitätsparameter xe :
xe =ωh
4De≪ 1 (7.42)
• Energiedifferenzen ∆EAHO (Abb. 7.9):
∆EAHO =En+1−En (7.43)
=hω(n+1+ 1
2)− hωxe (n+1+ 1
2)
2
(7.44)
− hω(n+ 1
2)+ hωxe (n+ 1
2)
2
(7.45)
=hω−2hωxe −2hωxe n (7.46)
⇒∆E(n)
AHO ∼−n (7.47)
122
7.3 Kernbewegung
⇒ Energieabstand nimmt linear mit n ab⇒mehrere Linien im Spektrum
• Dissoziation des Moleküls (∆EAHO = 0) bei n0:
n0 =hω−2hωxe
2hωxe= 1
2xe−1 (7.48)
• n0 entspricht Anzahl der Schwingungsquanten, die angeregt werden können, ehe Mo-
lekül dissoziiert
7.3.5 Zweidimensionaler harmonischer Oszillator
• Hamiltonoperator mit Potential aus Abb. 7.10:
H =− h2
2µ1
∂2
∂x2+ 1
2µ1ω
21x2− h2
2µ2
∂2
∂y2+ 1
2µ2ω
22 y2 (7.49)
= H1(x)+ H2(y) (7.50)
• Separation der Variablen (Ψ(x, y) =Φ1(x)Φ2(y)):
H1Φ1 = E1Φ1 (7.51)
H2Φ2 = E2Φ2 (7.52)
E = E1+E2 (7.53)
Abbildung 7.10: Zweidimensionales harmonisches Potential
123
7 Chemische Bindung
Tabelle 7.3: Energieniveaus im zweidimensionalen harmonischen Oszillator (ω1 =ω2)
Zustand n1 n2 Gesamtenergie EntartungsgradGrundzustand 0 0 E = 1
2 hω+ 12 hω = hω 1
1. angeregter Zustand 1 0 E = 32 hω+ 1
2 hω = 2hω 20 1
2. angeregter Zustand 2 0 E = 3hω 30 21 1
• Wellenfunktionen:
Φ(n1)
1 (x) = Nn1 Hn1 (x
x0)e
−12(
xx0
)
2
(mit x0 =√
h
µ1ω1) (7.54)
Φ(n2)
2 (y) = Nn2 Hn2 (y
y0)e
−12(
yy0
)
2
(mit y0 =√
h
µ2ω2) (7.55)
(7.56)
• Eigenwerte:
E1 = hω1(n1+1
2) (mit n1 = 0,1,2, ...) (7.57)
E2 = hω2(n2+1
2) (mit n1 = 0,1,2, ...) (7.58)
(7.59)
• Zustand beschreiben mit zwei Quantenzahlen n1,n2 (Tab. 7.3)
• Nullpunktsenergie wird höher, ∆E = hω
⇒ eine Linie im Spektrum
7.3.6 Nullpunktsenergie
• Eindimensionaler harmonischer Oszillator:
E0 =1
2hω (7.60)
d.h. quantenmechanisch kein Zustand mit E = 0 möglich
⇒Messung der Dissoziationsenergie (Abb. 7.11):
D0 =De +1
2hω (7.61)
124
7.4 Molekülorbitaltheorie
Abbildung 7.11: Nullpunktsenergie
• Molekül mit N Kernen⇒ 3N −6 Schwingungsfreiheitsgrade
→ Entkoppeln⇒Normalschwingungen
→ jede Normalschwingung ωi kann durch harmonischen Oszillator angenähert wer-
den
• Nullpunktsenergie des Moleküls (= Summe über alle Schwingungsfreiheitsgrade):
EZ PE =3N−6
∑i=1
1
2hωi (7.62)
• Beispiel: Wasserstoff, H2:
ν0 = 4409cm−1 ≈ 0.5eV (7.63)
EBindung(H2) ≈ 4.5eV (7.64)
• Sauerstoff, O2:
ω =√
k
µ→ ν0 = 3115cm−1 (Isotopeneffekt) (7.65)
• Iod, I2:
ν0 = 214cm−1 (7.66)
7.4 Molekülorbitaltheorie
• Lösen des elektronischen Teils der Born-Oppenheimer-Wellenfunktion:
HelΨ( ri®Elektronenkoordinaten
,
Parameter©R ) = EelΨ(ri , R) (7.67)
125
7 Chemische Bindung
Abbildung 7.12: Wasserstoffmolekül-Ion
7.4.1 Wasserstomolekül-Ion (H +2 )
• Einfachstes Beispiel für Bildung eines MOs (nur ein Elektron, keine Elektron-Elektron-
Wechselwirkung)
• Hamiltonoperator des Wasserstoffmolekül-Ions (Abb. 7.12):
Hel =−h2
2m∆− e2
4πε0( 1
∣RA − r ∣+ 1
∣RB − r ∣) (7.68)
• Schrödingergleichung:
HelΨ(ri , R) = EelΨ(ri , R) (7.69)
HΨ(ri) = EΨ(r ) (7.70)
• Welcher Ansatz ist sinnvoll?
• für große Kern-Kern-Abstände Elektron nahe eines Kerns:
H +
2 H·®
Lösung von H-Atom
+H+
• nicht bekannt, ob Elektron bei A- oder B-Kern
⇒ Sinnvoller Ansatz: Linearkombination der Atomorbitale
mitΦA =Φ1sA (RA − r ), ΦB =Φ1s
B (RB − r ):
Ψ(r ) = cAΦA +cBΦB = N(ΦA +kΦB) (mit k =±1) (7.71)
da identische KerneΨ(r ) symmetrisch/antisymmetrisch inΦA↔ΦB
126
7.4 Molekülorbitaltheorie
• Wellenfunktion:
Ψ±(r ) = N(ΦA ±ΦB) (7.72)
• Bestimmen von Normierungsfaktor N :
⟨Ψ∣Ψ⟩ = 1 (7.73)
= N 2(⟨ΦA ∣ΦA⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
1
+k2 ⟨ΦB ∣ΦB⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
1
+2k ⟨ΦA ∣ΦB⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
S Überlappintegral
) (7.74)
⇒N =√
1
2(1+kS) (7.75)
⇒N± =√
1
2(1±S) (7.76)
• S abhängig vom Kernabstand:
R→∞∶ S→ 0 (7.77)
R→ 0 ∶ S→ 1 (7.78)
• H +2 am Gleichgewichtsabstand R0 = 1.06Å:
S = 0.59 (7.79)
• Elektronenenergie:
Eel = ⟨Ψ∣H ∣Ψ⟩ (7.80)
= N 2 (⟨ΦA ∣H ∣ΦA⟩+k2 ⟨ΦB ∣H ∣ΦB⟩+k ⟨ΦA ∣H ∣ΦB⟩+k ⟨ΦB ∣H ∣ΦA⟩) (7.81)
• Anteil abhängig vom ersten Term:
⟨ΦA ∣H ∣ΦA⟩ =
=−RH (Lösbar durch lineare Substitution r ′ ∶= RA − r)³¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹·¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹µ
∫ d3 r®r ′Φ∗A(RA − r
²r ′
)(− h2
2m∆®∆′− e2
4πε0
1
∣ RA − r²
r ′
∣)ΦA(RA − r
²r ′
) (7.82)
+∫ d3rΦ∗A(RA − r )(− e2
4πε0
1
∣RB − r ∣)ΦA(RA − r )
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶Coulomb-Integral (Wechselwirkung der Ladungsdichte am Atom A mit Punktladung am Kern B)
(7.83)
=−RH+C (7.84)
• analog:
⟨ΦB ∣H ∣ΦB⟩ =−RH+C =−RH+C (für homonukleare Dimere) (7.85)
127
7 Chemische Bindung
(a) Überlagerung von Atomorbitalen (b) Abschätzung CA
Abbildung 7.13: Molekülorbitale
• Lösung der Überlappintegrale:
⟨ΦA ∣H ∣ΦB⟩ =⟨ΦB ∣H ∣ΦA⟩ (7.86)
=∫ d3rΦ∗A(−h2
2m∆
´¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¶TB
− e2
4πε0∣RA − r ∣− e2
4πε0∣RB − r ∣´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
VB
)ΦB (7.87)
• mit (TB + VB)ΦB = HBΦB =−RHΦB ergibt sich:
⟨ΦA ∣H ∣ΦB⟩ =−RH∫ d3rΦ∗AΦB
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶S
−∫ d3rΦ∗A (− e2
4πε0∣RA − r ∣)ΦB
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶A (Austauschintegral, rein q.m. Term)
(7.88)
• Energie:
E = N 2(−2RH+2C +2k(−SRH+ A)) (7.89)
= 2N 2(−RH(1+kS)+C +k A) (7.90)
E± =1
1±S(−RH(1±S)+C ± A) =−RH+
C ± A
1±S(7.91)
⇒ zwei Energiewerte:
HΨ+ = E+Ψ+
HΨ− = E−Ψ−
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭2 Zustände (7.92)
128
7.4 Molekülorbitaltheorie
• Addition der Wellenfunktionen:
E+ =−RH+C + A
1+S(7.93)
C , A < 0, 1+S > 0 (7.94)
⇒ E+ <−RH (7.95)
Energieabsenkung gegenüber freiem Atom
⇒ bindender Zustand (Abb. 7.14a,7.14c)
• Subtraktion der Wellenfunktionen:
E− =−RH+C − A
1−S(7.96)
A <C ⇒C − A > 0, (7.97)
1−S > 0 (7.98)
E− >−RH (7.99)
Energieanhebung gegenüber freiem Atom
⇒ antibindender Zustand (Abb. 7.14b,7.14c)
• H +2 (Abb. 7.14d):
R0 = 1.06Å (7.100)
−De =C + A
1+S= 2.8eV (7.101)
129
7 Chemische Bindung
(a) Addition der Wellenfunktionen,Ψ+ (b) Subtraktion der Wellenfunktionen,Ψ−
(c) MO-Diagramm (d) Potential des H +2 -Ions bei bindendem und antibindendem Zu-
stand
Abbildung 7.14: LCAO-Methode
130
7.4 Molekülorbitaltheorie
7.4.2 MO-LCAO-Ansatz
• Definition: MO-LCAO: Ansatz für Molekülorbitale als Linearkombination aus Atomorbitalen
der Atome, die das Molekül aufbauen (MOs werden als Basissatzentwicklung mit Basis-
AOs geschrieben, daher werden AOs auch Basissatz genannt)
• Beispiel: Sauerstoffmolekül: Bindung nur durch Valenzorbitale:
2s2p4→ pro Atom 2s2px2py2pz als Basis (7.102)
⇒ für O2 acht Basisfunktionen: Vier von OA, vier von OB
• Allgemein: BasisΦk , mit k = 1,2, ..., M , AtomorbitalenΦk und Koeffizienten ck :
ΨMO =M
∑k=1
ckΦk (7.103)
131
7 Chemische Bindung
• Möchte mit MO-LCAO-Ansatz SG des Moleküls (HΨMO = EΨMO,ΨMO =12-Elektronen-
WF) lösen:
hΨMO(r ) = εΨMO(r ) (1-Teilchen-SG) (7.104)
• mit BasisfunktionenΦk ergibt sich:
hM
∑k=1
ckΦk = εM
∑k=1
ckΦk (7.105)
M
∑k=1
ck h ∣Φk⟩ = εM
∑k=1
ck ∣Φk⟩ (7.106)
(7.107)
• Multiplikation mit der komplex konjugierten WF ⟨Φi ∣ ergibt:
M
∑k=1
ck ⟨Φi ∣h∣Φk⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
hi k (Hamilton-Matrix-Element)
= εM
∑k=1
ck ⟨Φi ∣Φk⟩´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶
Si k (Überlappmatrix)
(7.108)
M
∑k=1
hi k ck = εM
∑k=1
ck Si k (7.109)
M
∑k=1
ck(hi k −εSi k) = 0 (7.110)
• lineares Gleichungssystem
• nicht triviale Lösung des linearen Gleichungssystems für ck falls
det ∣hi k −εSi k ∣ = 0 (Eigenwertgleichung, Säkulargleichung) (7.111)
• Eigenwerte εk bestimmen!
RRRRRRRRRRRRRRRRR
h11−εS11 ⋯⋮ h22−εS22 ⋮
⋯ h33−εS33
RRRRRRRRRRRRRRRRR
(7.112)
132
7.4 Molekülorbitaltheorie
Abbildung 7.15: Drehimpulsquantenzahl λ
7.4.3 MO-Theorie für zweiatomige Moleküle
a) Welche Atom-Orbitale kann ich ”gut” zu Molekülorbitalen kombinieren?
• Linearkombination von Atomorbitalen:
ΨMO = cAΦA +cBΦB (7.113)
1. Energieeigenwerte vonΦA,ΦB (in getrennten Atomen) ähnlich
2. Prinzip des maximalen Überlapps S AB = ⟨ΦA ∣ΦB⟩:
E+ =−RH+
negativ für S großC + A
1+S(7.114)
b) Klassifizierung und Bezeichnung der MO
• Klassifizierung nach Drehimpuls. Quantenzahlλ für Bewegung um Molekülachse (Abb.
7.15)
i) Vorzeichen ändert sich nicht:
λ = 0⇒σ (7.115)
ii) Vorzeichen ändert sich einmal:
λ = 1⇒π (7.116)
iii) Vorzeichen ändert sich zweimal:
λ = 2⇒ δ (7.117)
133
7 Chemische Bindung
(a) σ-Orbitale (b) π-Orbitale
(c) δ-Orbital (z.B. bei Übergangsmetall-Dimeren)
Abbildung 7.16: Molekülorbitale
• Symmetrie (Abb. 7.16a-7.16c):
– g: gerade bei Inversion
– u: ungerade bei Inversion
• Auffüllen der Molekülorbitale nach Aufbauprinzip
• 1. Hundsche Regel gilt auch für MO’s, d.h. parallele Spins (Triplett) energetisch gün-
stiger als antiparallele (Singulett)
• Bindungsordnung (Tab. 7.5):
Elektronen in bindenden Orbitalen−Elektronen in antibindenden Orbitalen (7.118)
Tabelle 7.4: Welche Kombinationen ergeben welche Molekülorbitale? (Molekül in z-Richtung)
ΦA ΦB
σ s s, pz ,dz2
pz s, pz ,dz2
dz2 s, pz ,dz2
π px px
py py
dxz dxz
δ dx y dx y
dx2−y2 dx2−y2
134
7.4 Molekülorbitaltheorie
(a) MO-Diagramm für zweiatomige homonukleare Moleküle mitAtomen der zweiten Periode
(b) Elektronenkonfiguration von Stickstoff⇒ Singulettzustand→ diamagnetisch
(c) Elektronenkonfiguration von Sauerstoff⇒ Triplettzustand→ paramagnetisch
Abbildung 7.17: MO-Schemata
135
7 Chemische Bindung
Tabelle 7.5: Bindungsordnungen und -energien verschiedener Moleküle/Ionen
Molekül(-Ion) Elektronenkonfiguration Bindungsordnung BindungslängeÅ
Bindungsenergie
kcal ⋅mol−1
H +2
σu
↑ σg
12 1.06 61
H2σu
↑ ↓ σg
22 0.74 103
He +2
↑ σu
↑ ↓ σg
12 1.08 60
He +2
↑ ↓ σu
↑ ↓ σg0 — 0
7.4.3.1 Heteronukleare zweiatomige Moleküle
• Atomorbitale der beteiligten Atome haben verschiedene Energie (mit Slaterregeln ab-
schätzen)
• Beispiel: Lithiumhydrid, HLi
– 1s (Z∗ = 3−0.3 = 2.7):
E1s ≈−1
2
Z∗2
n∗2 RH = 1
2
2.72
12≈−4 RH (7.119)
– 2s (Z∗ = 3−2 ⋅0.85 ≈ 1.3):
E2s ≈−1
2
1.32
22RH ≈−0.2 RH (7.120)
→ Chemische Bindung zwischen 1s (H) und 2s (Li) (Abb. 7.18a)
(a) Lithiumhydrid (b) Fluorwasserstoff
Abbildung 7.18: Heteronukleare zweiatomige Moleküle
136
7.4 Molekülorbitaltheorie
(a) Singulett (b) Triplett
Abbildung 7.19: Mögliche Elektronenkonfigurationen des Bornitrids
• Fluorwasserstoff, HF (Abb. 7.18b)
• A,B aus zweiter Periode (Bornitrid, BN (Abb. 7.19))
• bei nahem σ,π im MO nicht klar, was Grundzustand ist
⇒ Bei BN Triplett Grundzustand (Abb. 7.19b)
7.4.3.2 Termsymbole für zweiatomige Moleküle
• Projektion des Gesamtdrehimpulses auf Molekülachse (→ LAchse)
• →QuantenzahlΛ zu LAchse (Tab. 7.6)
– Multiplizität (2S +1)
– Verhalten unter Inversion (gerade/ungerade)
– Verhalten unter Spiegelung an Ebene ⊥Molekülachse (+/−)
• ⇒ Termsymbol (Tab.7.7):2S+1Λ
+/−
g/u(7.121)
Tabelle 7.6: QuantenzahlΛ
Λ Termsymbol0 Σ
1 Π
2 ∆
137
7 Chemische Bindung
Tabelle 7.7: Termsymbole
Molekül/Ion Elektronenkonfiguration Termsymbol
H2σ∗u
↑ ↓ σg
1Σ+g
HeH↑ σ∗
↑ ↓ σ2Σ
O +2
↑ π∗g↑ ↓ ↑ ↓ πu
2Π−g
O2↑ ↑ π∗g↑ ↓ ↑ ↓ πu
3Σ+g
7.4.4 Moleküle mit mehreren Atomen
• Ziel der Atome, solche Moleküle zu bilden, dass möglichst alle Atome geschlossene
Schalen haben
• Beispiel: Hydride der zweiten Periode (CH4, NH3, H20, HF, (Ne)
• wie sieht chemische Bindung in diesen Molekülen aus?
7.4.4.1 Hybridorbitale
• Definition: Hybridorbitale sind Orbitale, die als Linearkombination von Atomorbita-
len am selben Atom gebildet werden
• Ziel: Bildung ”atomzentrierter” Orbitale, die zum Bindungspartner stärker ausgerich-
tet sind und durch größeren Überlapp stärkere Bindung haben
• Beispiel: sp3-Hybrid (Linearkombination aus s, px, py, pz). Für vier Bindungspartner
(Abb.7.20a, 7.20b):
(a) Beteiligte s- und p-Atomorbitale (b) sp3-Hybridorbital in (1, 1, 1)-Richtung
Abbildung 7.20: sp3-Hybridisierung
138
7.4 Molekülorbitaltheorie
∣h1⟩ =1
2®Normierung
(∣s⟩+ ∣px⟩+ ∣py⟩+ ∣pz⟩) (zeigt in (1,1,1)-Richtung) (7.122)
∣h2⟩ =1
2(∣s⟩+ ∣px⟩− ∣py⟩− ∣pz⟩) (zeigt in (1,−1,−1)-Richtung) (7.123)
∣h3⟩ =1
2(∣s⟩+ ∣px⟩− ∣py⟩+ ∣pz⟩) (zeigt in (−1,1,−1)-Richtung) (7.124)
∣h4⟩ =1
2(∣s⟩− ∣px⟩+ ∣py⟩− ∣pz⟩) (zeigt in (−1,−1,1)-Richtung) (7.125)
• Winkel zwischen zwei sp3-Hybridorbitalen = Winkel zwischen Vektoren (1,1,1) und
(1,−1,−1):
⎛⎜⎜⎜⎝
1
1
1
⎞⎟⎟⎟⎠⋅⎛⎜⎜⎜⎝
1
−1
−1
⎞⎟⎟⎟⎠=−1 =−
√3 ⋅
√3 ⋅cosγ (7.126)
cosγ =−1
3⇒ γ = 109.47° (7.127)
⇒ Tetraederwinkel, d.h. sp3-Hybride zeigen in Ecken eines Tetraeders
• was passiert für NH3, H2O?
• ”sp3”-Hybride mit variablen Koeffizienten:
∣h1⟩ = cs,1 ∣s⟩+cpx ,1 ∣px⟩+cpy ,1 ∣py⟩+cpz ,1 ∣pz⟩ (7.128)
∣h2⟩ = cs,2 ∣s⟩+cpx ,2 ∣px⟩+cpy ,2 ∣py⟩+cpz ,2 ∣pz⟩ (7.129)
• Symmetriebetrachtung: NH3:
– 3 Hybride gleich (Bindung zu H)
← höherer p-Anteil
←Winkel zwischen Bindungen < Tetraederwinkel
– 1 Hybrid leicht anders (”lone pair”)
← hoher s-Anteil
• sp2-Hybrid, z.B. BF3, C2H4, CH +3 (3 Bindungspartner, aber kein lone pair)
139
7 Chemische Bindung
Tabelle 7.8: Weitere mögliche Hybridorbitale
Bindungspartner Hybridisierung Beispiel Geometrie5 d sp3 PClF4 pyramidal/trigonal bipyramidal6 d 2sp3 SF6 regelmäßiger Oktaeder
(a) Beteiligte s- und p-Atomorbitale (b) sp2-Hybridorbitale
Abbildung 7.21: sp2-Hybridisierung
⇒ planare Moleküle ( Abb.7.21a, 7.21b):
∣h1⟩ =1√
3∣s⟩+ 2√
6∣px⟩ (7.130)
∣h2⟩ =1√
3∣s⟩− 1√
6∣px⟩+
1√2∣py⟩ (7.131)
∣h3⟩ =1√
3∣s⟩− 1√
6∣px⟩−
1√2∣py⟩ (7.132)
(7.133)
⇒ pz nicht an Hybriden beteiligt (nicht besetzt)
⇒ BF3, CH +3 , C2H4 → π-Bindung, Hückel, 7.5
• sp-Hybride (bei zwei Bindungspartnern, z.B. BeH2, C2H2):
∣h1⟩ =1√
2(∣s⟩+ ∣px⟩) (7.134)
∣h2⟩ =1√
2(∣s⟩− ∣px⟩) (7.135)
(7.136)
• für Elemente der dritten Periode und höher auch Hybride mit d-Orbitalen möglich
(Tab. 7.8)
140
7.4 Molekülorbitaltheorie
Tabelle 7.9: Molekülorbitale im Kohlenstoffdioxid (Abb. 7.22a, 7.22b)
MO Knoten Symmetrie bindend/antibindendi σs+ = sO1
+ sC+ sO20 gerade bindend
ii σ∗s− =−sO1+ sC− sO2
2 gerade antibindendiii σp+ = sO1
+pC− sO21 ungerade bindend
iv σp−∗ = sO1+pC+ sO2
3 ungerade antibindendv σs+ =−pO1
+ sC+pO22 gerade bindend
vi σ∗s− = pO1+ sC−pO2
4 gerade antibindendvii σp+ =−pO1
+pC−pO23 ungerade bindend
viii σ∗p− = pO1+pC+pO2
5 ungerade antibindendix πu = px,O1
+px,C+px,O2 1 ungerade bindendπu = py,O1
+py,C+py,O2 1 ungerade bindendx π∗u =−px,O1
−px,C+px,O2 3 ungerade antibindendπ∗u =−py,O1
−py,C+py,O2 3 ungerade antibindendxi πu = px,O1
+px,O2 1 gerade nicht bindend (lone pair)πu = py,O1
+py,O2 1 gerade nicht bindend (lone pair)xii πg = px,O1
−px,O2 2 ungerade nicht bindend (lone pair)πg = py,O1
−py,O2 2 ungerade nicht bindend (lone pair)
7.4.4.2 MO-Theorie für mehratomige Moleküle
• Für größere Moleküle MO-LCAO-Ansatz
⇒Determinante zur Bestimmung der MO-Koeffizienten numerisch lösen
• für kleinere Moleküle Symmetriebetrachtung
falls Kerngerüst Symmetrie aufweist⇒MO-Elektronenorbitale gleiche Symmetrie
• Beispiel: CO2 (Tab. 7.9, Abb. 7.22a, 7.22b):
1. Molekül linear⇒ σ- und π-Trennung
2. O−−C−−O Inversionszentrum
3. C hat zwei Bindungspartner⇒ sp-Hybride:
∣h1⟩ =1√
2(∣s⟩+ ∣px⟩) (7.137)
∣h2⟩ =1√
2(∣s⟩− ∣px⟩) (7.138)
(7.139)
141
7 Chemische Bindung
(a) σ-Orbitale
(b) π-Orbitale
142
7.5 Hückel-MO-Theorie
• energetische Überlegung→welche Orbitalenergien?
– Anzahl der Knoten→mehr Knoten = höhere Orbitalenergien
– Größe des Überlapps → größere Aufspaltung = bindendes MO tiefere Orbital-
energie, antibindendes höhere
• energetische Anordnung der Orbitale und Auffüllen mit Valenzelektronen (4+2×6 =16):
3σu
3σg
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭sp, antibindend
πuantibindend
πu
↑ ↓ ↑ ↓ πg
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭lone pairs
↑ ↓ ↑ ↓ πubindend
↑ ↓ 2σu
↑ ↓ 2σg
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭sp, lone pairs
↑ ↓ 1σu
↑ ↓ 1σg
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭sp, bindend
7.5 Hückel-MO-Theorie
7.5.1 Allgemeines zum Berechnen von Orbitalenergien
• Bis jetzt qualitative Aussagen zu MO-Energien
→quantitative Aussagen: Hamiltonoperator H mit Elektron-Kern-Anziehung und Elektron-
Elektron-Abstoßung:
HΨ = E Ψ®n-Teilchen-Wellenfunktion
(7.140)
• Ansatz für n-Teilchen Wellenfunktion Ψ(r1, r2, ...rn) als Slaterdeterminante gebildet
von Molekülorbitalenϕa(r ), wobei Molekülorbitale aus Atomorbitalen aufgebaut sind
(MO-LCAO):
ϕMOa (r )
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶Molekülorbital
=M
∑k=1
ckΦAOk (r )
´¹¹¹¹¹¹¹¹¹¸¹¹¹¹¹¹¹¹¹¶Atomorbitale
(7.141)
Variationsprinzip zur Bestimmung der ck (= Hartree-Fock-Hall)
143
7 Chemische Bindung
• ⇒ Bestimmungsgleichung für ck :
F®M ×m-Fock-Matrix = Hamiltonoperator
Koeffizientenmatrix©C = ε®
Matrix (diagonal) der Orbitalenergien
Überlappmatrix Skl = ⟨Φk ∣Φl ⟩©S (7.142)
• Umstellen:
(F −εS) ⋅C = 0 (7.143)
M-dimensionales lineares Gleichungssystem
⇒ nicht triviale Lösung:
det ∣F −εS∣ = 0 (7.144)
⇒ ε berechnen
• mit berechneten ε in (7.143) C bestimmen
• Rechnung schon für kleine Moleküle sehr aufwendig. Problem vereinfachen:
– Auswahl der Orbitale
– Näherungen an Hamilton- und Überlappmatrix
7.5.2 Hückel-Näherung
• Näherung der Bestimmungsgleichungen für Molekülorbitale für konjugierteπ-Systeme
1. Betrachte nur pz-Orbitale an den konjugierten Atomen (z.B. Benzol, Hexen: 6-
dimensionales Problem)
⇒ pz-Orbitale bilden π-System der Molekülorbitale. Energetisch liegen HOMO
und LUMO im π-System
2. Näherung an Überlappmatrix:
S = 1 (7.145)
3. Näherung an Hamiltonmatrix:
– größtes Matrixelement ist am selben Atom:
⟨Pz,i ∣H ∣Pz,i ⟩ =∶α (7.146)
– nächstgrößtes Matrixelement am benachbarten Atom:
⟨Pz,i ∣H ∣Pz,i+1⟩ =∶β < 0 (7.147)
(Elektron-Kern-Anziehung ist > Elektron-Elektron-Abstoßung)
144
7.5 Hückel-MO-Theorie
– weitere Matrixelemente = 0
145
7 Chemische Bindung
(a) Ethenmolekül und anπ-System betei-ligte Orbitale
(b) Eigenwerte des π-Systems im Ethen (c) Wellenfunktionen im Ethenmolekül
Abbildung 7.23: Hückel-Näherung
• Hückelmatrix:
H =
⎛⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎜⎝
α β 0 ⋯ Z
β α β 0 ⋮0 β α β ⋮⋮ 0 β α ⋮
Z ⋯ ⋯ ⋯ α
⎞⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎟⎠
(7.148)
mit Z =β für zyklische und Z = 0 für lineare Systeme
Beispiel: Ethen (Abb. 7.23a)
• Hückelmatrix:
H =⎛⎝α β
β α
⎞⎠
(7.149)
• Bestimmungsgleichung für Koeffizienten und Eigenwerte:
H C®2×2-Matrix
= εC ⇔ (H −ε) ⋅C = 0 (7.150)
• nicht triviale Lösung (det(H −ε) = 0):
det(H −ε) =RRRRRRRRRRR
α−ε β
β α−ε
RRRRRRRRRRR(7.151)
= (α−ε)2−β2 != 0 (7.152)
(α−ε)2 =β2 (7.153)
α−ε1,2 =±β (7.154)
⇒ ε1,2 =α∓β (7.155)
⇒ Energieeigenwerte ε1,2 (Abb. 7.23b)
146
7.5 Hückel-MO-Theorie
• Koeffizienten der Molekülorbitale:
– 1. MO zu ε1:
⎛⎝α−ε1 β
β α−ε1
⎞⎠⎛⎝
c11
c12
⎞⎠=⎛⎝
0
0
⎞⎠
(7.156)
⎛⎝β β
β β
⎞⎠⎛⎝
c11
c12
⎞⎠=⎛⎝
0
0
⎞⎠
(7.157)
βc11+βc12 = 0 (7.158)
⇒ c11 =−c12 (7.159)
– Beide Bestimmungsgleichungen aus Matrix identisch. Bestimmung von c aus
Normierung:
c211+c2
12 = 1 (7.160)
⇒ c11 =1√
2,c12 =−
1√2
(7.161)
– analog für ε2:
⎛⎝−β β
β −β⎞⎠⎛⎝
c21
c22
⎞⎠=⎛⎝
0
0
⎞⎠
(7.162)
c21 = c22 =1√
2(7.163)
– Wellenfunktionen (Abb. 7.23c):
Ψ1(ε1) =1√
2(p1−p2) (7.164)
Ψ1(ε2) =1√
2(p1+p2) (7.165)
• Besetzungszahl inΨ1: 2, inΨ2: 0
• π-Elektronenladung am Atom i :
qi =∑a
¯Summe über alle Orbitale
mac2ai (7.166)
• Bindungsordnung zwischen Atom i und j :
pi j =∑a
nacai ca j (7.167)
147
7 Chemische Bindung
• Für Ethen:
q1 = 2(( 1√2)
2
+( 1√2)
2
) = 2 (7.168)
p12 = 2 ⋅ 1√2
1√2= 1 (7.169)
Hückel-MO für zyklische Systeme
• Konjugierter Cn-Ring
• Allgemeine Lösung:
εk =α+2βcos(2πk
n) (mit k = 0,1, ...,n−1, k nummeriert Eigenwerte) (7.170)
• Einsetzen:
k = 0 ε0 =α+2β (7.171)
k = 1
k = n−1
⎫⎪⎪⎬⎪⎪⎭ε1 = εn−1 =α+2β (7.172)
(7.173)
• cos gerade:
cos(2π(n−1)n
) = cos(2π− 2π
n) = cos(2π
n) (7.174)
d.h. Eigenzustände mit h = x und h =n−x sind entartet (≡ Eigenwerte sind gleich)
148
7.5 Hückel-MO-Theorie
(a) Cyclopropenylkation (b) Benzol (c) Cyclopentadienylanion
Abbildung 7.24: Aromaten
(a) Cyclobutadien (b) Cyclopentadienylkation
Abbildung 7.25: Antiaromaten
• Orbitale:
n ungerade n gerade (7.175)
⋮ε2,εn−2
ε1,εn−1
ε0 =α+2β
ε 12
⋮ε1,εn−1
ε0
(7.176)
• Auffüllen mit Elektronen
• besonders stabil mit 4n+2 Elektronen (Aromaten Abb. 7.24a, 7.24b, 7.24c):
• besonders instabil mit 4n Elektronen (Antiaromaten, Abb. 7.25a, 7.25b)
149