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Biologie 3: BIOCHEMIE – METABOLISMUS

HS 2011

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INHALT:

1. Proteine

2. Dreidimensionale Struktur von Proteinen

3. Enzyme

4. Grundlagen der Bioenergetik 5. Glykolyse

6. Tricarbonsäurezyklus

7. Lipide

8. Biologische Membranen

9. Membrangekoppelte ATP-Synthese

10. Photosynthese

11. Gluconeogenese

12. Signalübertragung

Ziel der Vorlesung – Die Vorlesung soll die Grundlagen der enzymatischen Katalyse vermitteln

und die wichtigsten metabolischen Mechanismen und Reaktionswege des Energiestoffwechsels und einiger

Synthesen erarbeiten. Das vorliegende Skript umfasst den Stoff, der in der Vorlesung behandelt wird, und

soll Ihnen das Mitschreiben während der Vorlesung weitgehend ersparen. Es ist aber nicht eine 1:1-

Wiedergabe der Vorlesung und soll auch nicht ein Lehrbuch ersetzen. Wir empfehlen z.B. Biochemie von L.

Stryer oder Lehninger's Principles of Biochemistry als Ergänzung und Vertiefung.

Prüfung – Für Studierende der Biologie ist die Vorlesung Biochemie/Metabolismus Teil des Moduls

Biologie 3 zusammen mit den Vorlesungen Makromoleküle/Grundlagen der Genetik und Entwicklungsbiologie.

Die Prüfung zu diesem Modul (schriftlich, 3 x 45 min, d.h. 45 min für die Biochemie) findet im Januar statt

(20.1.2012).

Man beachte fachspezifische Vorschriften.

Die Prüfung besteht aus kurzen Essayfragen und Fragen, die mit einem Wort, einem Satz oder mit

Richtig/Falsch beantwortbar sind.

Eine gute Art, sich den Stoff anzueignen, ist es, selbst Prüfungsfragen zu erfinden. Solche Fragen werden

gern entgegen genommen und als Übungsaufgaben verbreitet.

Webseite – Das Skript als pdf-Dokument ist erhältlich von EVA. Eine Webseite mit alten

Prüfungen und verschiedenen Links wird im Laufe des Semesters zugänglich werden.

Prof. Martin Spiess, Biozentrum, 577A, Tel 061-267 2164, [email protected]

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1 PROTEINE

Es ist das Ziel der Biochemie, biologische Prozesse zurückzuführen auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften der beteiligten Moleküle: Proteine, Kohlenhydrate, Nukleinsäuren (DNA, RNA) und Lipide. • Chemische Bausteine • Prinzipien der zellulären Organisation • Stoffwechselwege • Mechanismus von Replikation, Transkription und Translation • Genetischer Code sind universell, im Wesentlichen identisch für Prokaryonten, Archae und Eukaryonten: → Allgemeingültigkeit biochemischer Prinzipien. Einfachheit der Bausteine: 20 Aminosäuren, 5 Nukleotide, wenige Zucker, Polyole und Fettsäuren Molekulare Komponenten der E. coli-Zelle (% des Gesamtgewichts):

H2O (70%) Proteine (15%) DNA (1%) RNAs (6%) Kohlenhydrate (3%) Lipide (2%) Intermediate des Stoffwechsels (2%) anorganische Ionen (1%).

→ Wasser als Hauptbestandteil: Lösungsmittel, und Reaktand. Die anomalen physikochemischen Eigenschaften des Wassers sind für das Leben auf der Erde von besonderer Bedeutung und beruhen auf dem hohen Dipolmoment von H2O und partiellem Ionencharakter: → H-Bindungen → Hohe Dielektrizitätskonstante: Lösungsvermögen für Ionen, polare Verbindungen; polar-apolare Phasentrennung → Anomale Protonenleitfähigkeit

FN
FN
Archeae
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1. Proteine 2

1.1 Struktur von Proteinen

1. Primärstruktur: Aminosäure-Sequenz 2. Sekundärstruktur: Kettenkonformation 3. Tertiärstruktur: 3D Faltung 4. Quartärstruktur: Assoziation mehrerer Ketten 5. Suprastrukturen (Mutliproteinkomplexe, Protein-RNA und Protein-DNA Komplexe)

1.2 Aminosäuren

20 Aminosäuren (direkt in Genen codiert):

Mittleres Molekulargewicht: ~110 kD

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1. Proteine 3

Achtung: Ladungszustand hängt vom pH ab: pH7: Seitenketten von Glu und Asp sind negativ, von Lys, Arg und (in geringem Mass) His sind positiv geladen. pH11: Seitenketten von Glu, Asp, Cys und Tyr sind negativ, von Arg positiv geladen. pH 2: Keine Seitenketten sind negativ, jene von Lys, Arg und His sind positiv geladen. (siehe Tabelle der pKa-Werte weiter unten)

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(nicht aromatisch)
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1. Proteine 4

Weitere Aminosäuren: • Selenocystein (21. Aminosäure, UGA [normalerweise Stopcodon] plus mRNA-Struktur) • Post-translationell modifizierte Aminosäuren (Phosphotyrosin, Phosphoserin, Phosphothreonin, Hydroxyprolin, Hydroxylysin, u.a.) • Seltene Aminosäuren in kurzen, nicht-ribosomal hergestellten Peptiden (z.B. Ornithin, β-Alanin). Eigenschaften von Aminosäuren (siehe organische Chemie): - Polarität, Ladung, Aromatizität - Konfiguration: tetraedrisch bzgl. Cα, asymmetrisches Cα (ausser Gly) → optisch aktiv (Spiegel-

bildisomerie: D-, L-Konfiguration) - In Proteinen nur α-L-Aminosäuren; in bakteriellen Peptiden oft L- und D-Konfiguration. - 2 zusätzliche asymmetrische C in Thr und Ile

Lösungseigenschaften: 1. Ampholyt-Charakter („Zwitterionen“), pKa-Werte von α-COOH, α-NH2 und R. 2. Hydrophobizität („hydrophobe WW“) je nach R. Analytische Verwendung der Lösungseigenschaften: 1. Elektrophorese 2. Ionenaustauscher-Chromatographie 3. Träger-Chromatographie (Papier u. dgl.) 4. Acidimetrische Titration

pH < IP +H3N-CHHR-COOH z > 0 pH = IP +H3N-CHR-COO- z = 0 IP: Isoelektrischer Punkt pH > IP H2N-CHR-COO- z < 0

pH = pKa + log α/(1-α) α = [A–]/([A]+[HA]) := Dissoziationsgrad → bei pH = pKa : α = 0.5 (bei diesem pH sind 50% (de)protoniert)

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(elektrisches Feld)
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(Ladung)
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(Säure-Base-Titration)
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1. Proteine 5

Säure-Base Eigenschaften:

Gruppe Säure ⇔ Base pKa

Asparaginsäure (Seitenkette) β–COOH ⇔ –COO– + H+ 4.4 Glutaminsäure (Seitenkette) γ–COOH ⇔ –COO– + H+ 4.4 Tyrosin (Seitenkette) –OH ⇔ –O– + H+ 10.0 Cystein (Seitenkette) –SH ⇔ –S– + H+ 8.5 Lysin (Seitenkette) ε-Aminogruppe –NH3

+ ⇔ –NH2 + H+ 10.0

Arginin (Seitenkette)

12.0

Histidin (Seitenkette)

6

α-Aminogruppe (Peptidkette) –NH3

+ ⇔ –NH2 + H+ 8.0 α-Carboxylgruppe (Peptidkette) –COOH ⇔ –COO– + H+ 3.1

Der pKa-Wert von Histidin liegt im neutralen pH-Bereich und kann darum als physiologischer pH-Sensor dienen. pKa-Werte können jedoch durch die Mikro-Umgebung in einem Protein um mehrere Einheiten verschoben werden. Spektroskopische Eigenschaften: Die aromatischen Aminosäuren (Trp, Tyr, Phe) absorbieren im nahen UV. Deswegen weisen reine Proteine ein Absorptionsmaximum bei 280 nm auf. Die Basen der DNA absorbieren dagegen maximal bei 260 nm. Nur Tryptophan hat eine signifikante Fluoreszenzemission.

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(pKs)
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(je kleiner, desto stärker die Säure)
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1. Proteine 6

1.3 Die Primärstruktur von Proteinen

Die Peptid-Bindung

Wasserabspaltung (d.h. Kondensation) zwischen der α-Carboxylgruppe einer Aminosäure mit der α-Aminogruppe einer anderen Aminosäure führt zur Peptidbindung (= Säureamidbindung).

Die Peptidbindung ist planar wegen des partiellen Doppelbindungscharakters (Resonanz-stabilisierung). Dadurch ist die freie Beweglichkeit einer Polypeptidkette erheblich eingeschränkt, denn nur die beiden Einfach-Bindungen zum α-Kohlenstoffatom (NH–Cα; Cα–CO) sind frei drehbar.

Für eine planare Peptidbindung beträgt der Cα-Cα Abstand 3.8Å. Sterisch stark bevorzugt ist das trans-Isomere. Eine Ausnahme ist Prolin: 8–38% cis (abhängig von der vorangehenden Aminosäure):

Die Peptidbindung ist nicht ionisiert, besitzt aber eine Polarität. Dadurch erhält die gesamte Polypeptidkette eine Polarität (N- → C-Terminus). Die in vivo Synthese am Ribosom verläuft ebenfalls von N → C.

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1. Proteine 7

Wichtig für die Struktur von Proteinen sind zudem die H-Bindungsdonor und -akzeptoreigen-schaften der Peptidbindung (siehe Sekundärstruktur). Die N- und C-terminalen Aminosäuren der Kette besitzen noch eine freie Amino- bzw. Carboxylgruppe. • Kombinatorik: Ein Peptid aus n Aminosäuren hat bei Verwendung aller 20 natürlichen

Aminosäuren 20n verschiedene mögliche Sequenzen. • Oxidation von 2 Cys-SH Seitenketten führt zu Cystin (Cys-S–S-Cys), d.h. zur Querver-

netzung der Kette. Nomenklatur n < 20 Di-, Tri-, Tetra-, Penta-, ... = Oligopeptide n > ~20 Polypeptide; n > ~50 Proteine Nicht ribosomal synthetisierte Peptide: Glutathion = γ-Glu-Cys-Gly (Redox-System im Cytosol) Gramicidin: L- und D-Aminosäuren u. seltene Aminosäuren

1.4 Charakterisierung der Primärstruktur

1.4.1 Quervernetzung durch S–S-Brücken beseitigen Häufig wird die schrittweise Reduktion und Blockierung verwendet: • Reduktion der S–S-Brücke mit einem Mercaptan (R-SH, z.B.Mercaptoethanol: R = HO-

CH2-CH2-)

• Blockieren heisst, die freien SH-Gruppen mit einer chemisch inerten Schutzgruppe

versehen. Jodessigsäure reagiert mit freien SH-Gruppen zu einem Thioether. Alle Cystein-Seitenketten sind praktisch irreversibel nun zu Carboxymethyl-Cystein verändert und die Zahl der Carboxymethylgruppen kann durch Analyse des Molekulargewichts bestimmt werden.

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1. Proteine 8

1.4.2 Mit welcher Aminosäure beginnt die Sequenz? Proteine haben nur zwei verschiedene Klassen von primären Aminogruppen: Eine einzige α-Aminogruppe am Amino-Terminus (pKa ≈ 8) und je eine ε-Aminogruppe pro Lysinrest (pKa ≈ 10). Diese Gruppen lässt man mit chromogenen Reagenzien, wie z.B. das Edman-Reagens Phenyulisothiocyanat, reagieren. Anschliessend werden alle Peptidbindungen Peptidbindungen hydrolysiert (6 N HCl für 24 h bei 110°C im Druckrohr). Durch Chromatographie wird die modifizierte, farbige Aminosäure identifiziert..

Welches Problem ergibt sich bei Lysin?

1.4.3 Bestimmung der Aminosäure-Zusammensetzung

Hydrolyse wie oben. Dabei werden Trp sowie Gln (→ Glu + NH4Cl) und Asn (→Asp + NH4Cl) irreversibel zerstört; Trennung der einzelnen Aminosäuren durch Chromatographie. Die Aminosäuren werden unmittelbar anschliessend durch Reaktion mit Phenylisothiocyanat spektroskopisch detektierbar und quantifizierbar gemacht.

Wie könnte man den Gehalt an Tryptophan (mol/mol Protein) bestimmen?

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1. Proteine 9

• Die aus der Fragmentierung entstehenden Peptide werden durch Chromatographie getrennt.

1.4.4 Bestimmung der N-terminalen Aminosäuresequenz: Edman-Abbau Die α-Aminogruppe der N-terminalen Aminosäure wird mit Phenylisothiocyanat markiert. Mit wasserfreier Säure findet in einem zweiten Schritt eine Zyklisierung statt, bei der die benachbarte Peptidbindung gespalten wird. Dabei wird die nächste Aminosäure N-terminal und die Reaktion kann wiederholt werden. Die bei jedem Zyklus als Phenylthiohydantoin (PTH) abgespaltene Aminosäure wird durch Chromatographie identifiziert, u.s.w., bis ca. 40 Zyklen.

NB: Die chemische Sequenzierung wird zunehmend durch massenspektroskopische ersetzt (Bestimmung der Masse von Peptiden und ihrer Kollisionsfragmente)

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1. Proteine 10

1.4.5 Fragmentierung von Proteinen Weil die Sequenzierung auf relative kurze Peptide beschränkt ist, müssen Proteine zur vollständigen Sequenzanalyse fragmentiert werden. Dazu gibt es chemische und enzymatische Methoden. • CNBr reagiert ausschliesslich mit der Seitenkette von Methionin und führt zu einer

Zyklisierung, die die nachfolgende Peptidbindung spaltet.

• Spezifische Proteasen katalysieren die sequenzabhängige Hydrolyse von Peptidbindungen,

z.B. das Enzym Trypsin spaltet nur die Peptidbindungen nach Lys oder Arg.

1.4.6 Überlappende Teilsequenzen ergeben die Gesamtsequenz

Überlappungsanalyse: Spaltung mit verschiedenen Reagenzien/Enzymen und Vergleich der Fragmente:

Insulin

Reagiert Insulin mit Jodessigsäure?

Wie kann man zeigen, dass Insulin aus zwei Oligopeptiden besteht?

Wie trennt man die beiden Oligopeptide?

Fluoresziert Insulin?

Absorbiert Insulin bei 280 nm?

Was ist die Nettoladung von Insulin bei pH 7 (ohne Faltungseffekte)?

Wo spaltet Trypsin?

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2 DIE DREIDIMENSIONALE STRUKTUR VON PROTEINEN

Trotz der Einschränkungen der Drehbarkeit um die Peptidbindung ist die Anzahl verschiedener räumlicher Anordnungen einer Polypeptidkette enorm gross. An Oligopeptiden wurden energetisch günstige Bindungslängen und -winkel berechnet (Ramachandran). Modellbau machte die wasserstoffverbrückten Sekundärstrukturen α-Helix und β-Faltblatt plausibel (Pauling). Die Prognosen wurden durrch Kristall- und NMR-Strukturen bestätigt. Contour Energiediagramm (Ramachandran Plots) für φ und ψ Winkelpaare:

L -Gly L-Ala Exp (Creatinaminohydrolase)

Zusätzlich wird die dreidimensionale Struktur von Proteinen durch verschiedene kovalente (Cys-Cys Brücken) und nichtkovalente intramolekulare Wechselwirkungen zwischen den Seitenketten sowie zwischen dem Rückgrat und den Seitenketten bestimmt und stabilisiert.

2.1 Molekulare Wechselwirkungen

Reichweite (Å) Wechselwirkung Energie (kJ/mol) 1-2 kovalente WW 100-800 2.8-3.0 H-Brücken (~Dipol-Dipol) 5-20 3-5 van der Waals 1-3 2-4

Coulomb (w(r) =Q1 ⋅Q24εε 0r

) 10-40

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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 2

Wasserstoffbrücken: Van der Waals-Wechselwirkung

2.2 Sekundärstruktur

Die rechtsgängige α-Helix: Die Polypeptidkette bildet eine rechtsdrehende Helix, wobei intramolekulare H-Brücken (>C=O...H-N<) zwischen (CO)i und (NH)i+4 gebildet werden. Die Seitenketten ragen nach aussen (minimale sterische Hinderung) und stabilisieren die Helix oft durch intrahelikale Wechselwirkungen (z.B. Salzbrücken). Abstand zwischen 2 Aminosäuren entlang der Helixachse: 1.5Å Aminosäuren pro Helixwindung: 3.6 Progression entlang der Helix pro Windung: 3.6 x 1.5Å = 5.4Å

Prolinhaltige Peptide können wegen der zyklischen Seitenkette die Geometrie der α-Helix nicht einnehmen. Prolin führt zu Krümmung/Knickung der Helix.

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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 3

Die β-Faltblattstruktur (β-pleated sheet): Ausbildung von H-Brücken zwischen verschiedenen Kettensträngen des Proteins, die parallel oder antiparallel zueinander laufen können. Die Stränge müssen gestreckt und im gleichen Raster gefaltet sein, damit die Seitenketten (Restgruppen = R groups) senkrecht zum Faltblatt ausgerichtet sind (minimale sterische Hinderung). Wie bei α-Helices werden Faltblätter oft durch Seitenkettenwechselwirkungen stabilisiert (oft van-der-Waals Wechselwirkungen grosser hydrophober Aminosäuren).

Abstand zwischen 2 Aminosäuren: 3.5Å (maximal gestreckte Kette wäre 3.8Å/Aminosäure) Antiparalleles Faltblatt:

Paralleles Faltblatt:

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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 4

β Hairpins ("β-Haarnadeln"): verbinden zwei in der Proteinsequenz benachbarte, antiparallele β-Elemente (Haarnadelstruktur).

Typ I

Typ II

β-Hairpins enthalten oft Glycin (klein und flexibel) oder Prolin (erzwingt Richtungsänderung wegen zyklischer Struktur) sowie hydrophile Aminosäuren (Ser, Asn). „Loop“ Strukturen Die Verbindungsschlaufen zwischen α-Helices und β-Strängen (oder α-Helix und α-Helix) haben eine durchschnittliche Länge von 6-10 Aminosäuren. Weil die Tertiärstruktur im Allgemeinen durch Bündelung von α-Helices und β-Strängen erfolgt, liegen die meisten Verbindungsschlaufen notwendigerweise an der Oberfläche des Proteins.

2.3 Tertiärstruktur

Als Tertiärstruktur bezeichnet man die räumliche Anordnung sämtlicher Atome der Polypeptidkette. Aus der Analyse von hochaufgelösten Proteinstrukturen (<2Å) können verschiedene strukturelle Prinzipien für die Ausbildung einer räumlich definierten 3-D Struktur zusammengefasst werden: 1. Peptidbindungen sind planar und meistens, aber nicht immer, trans. Cis-Bindungen sind

besonders häufig bei Prolin. 2. Drehbarkeit um die φ- und ψ-Winkel ist eingeschränkt. Ausnahme: hohe Flexibilität um Glycin 3. Stabilisierung des Peptidgerüsts durch maximale Zahl H-Brücken, die oft auch nicht-linear sind 4. Reste R normal zur Faltblattebene in β-Struktur bzw. zur Tangente der α-Helix 5. Faltblattebenen sind oft verbogen (twisted), Helices leicht geknickt 6. „Helix-brechende“ Aminosäuren (Pro, Gly) beenden meist Helices, kommen aber gelegentlich

auch im Helixinnern vor 7. Unpolare Aminosäuren innen und polare aussen führen zu minimaler Energie 8. Dichte Packung; innerer hydrophober Kern nicht hydratisiert, flüssig-kristallin, Festkörper-

Eigenschaften; ρ∼1.3 g/cm3. Selten findet man “Löcher“ mit H2O oder Ionen im Molekülinneren.

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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 5

Beispiel: Myoglobin ist ein kleines Protein (153 AS), welches nur α-helikale Sekundärstrukturen und Verbindungsschlaufen enthält. Die Tertiärstruktur lässt sich formal als eine Zusammenlagerung von Sekundärstrukturelementen (bei Myoglobin α-Helices) auffassen, die durch Peptid-schlaufen (loops) an der Oberfläche des Proteins miteinander verbunden sind. Deshalb kommen in der Tertiärstruktur auch Seitenketten miteinander in Berührung, die in der Primärstruktur weit auseinander liegen (Fernordnung). Amphipathische α-Helices: Die Zylinderfläche jeder α-Helix des Myoglobins ist zur Hälfte an der Oberfläche (polare Seitenketten). Die andere Hälfte des Zylinders ist vom Lösungsmittel abgeschirmt, weil sie nach innen ausgerichtet ist (apolare Seitenketten). Es gibt viele Strukturtypen (Faltungstypen, engl. folds) , die nur α-Helices oder β-Faltblätter + Verbindungsschlaufen enthalten. 0% Faltblatt: z.B. Myoglobin, Myo-hemerythtrin, Tropomyosin, Rhodopsin, Cytochrom b562 (Membranproteine)

0% Helix: z.B. Immunoglobulindomänen, Superoxid-Dismutase

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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 6

Am häufigsten ist jedoch die Kombination aller Strukturelemente, z.B. Triosephosphatisomerase (TIM, links) oder die Coenzym-Bindungsdomänen vieler Dehydrogenasen (rechts). Mehrdomänenproteine Ab ca. 100-150 Aminosäuren bilden Proteine oft mehrere Domänen, d.h. unabhängig faltende Abschnitte der Polypeptidkette, z.B. Pyruvatkinase:

A (~120 AS)

B (~230 AS)

C (~140 AS)

Domäne A liegt in einem Loop der Domäne B. Bei der Biosynthese falten sich Domänen zunächst unabhängig voneinander und assoziieren schliesslich zur Tertiärstruktur. Proteine mit mehreren Domänen sind wahrscheinlich durch zufällige Fusion der entsprechenden Gene und Selektion entstanden. Entspricht die Kristallstruktur der Struktur in Lösung (in vivo)? Proteinkristalle sind solvatisiert und enthalten ca. 50% Mutterlauge (Kristallwasser). Hydratation in Lösung (∼0.4 g H2O/g Protein) liegt in der gleichen Grössenordnung wie der Wassergehalt im Kristall. → geringe Unterschiede der Protein-Lösungsmittel Wechselwirkungen; keine signifikanten Änderungen der Gleichgewichts-Eigenschaften (mittlere Abstände von Resten, Ligandenbindung).

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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 7

Proteine sind oft auch im Kristall enzymatisch aktiv. Unterschiede im dynamischen Verhalten, Enzymkinetik wegen der Fixierung von flexiblen Molekülteilen. Die Aufklärung von Proteinstrukturen in Lösung mittels NMR hat zudem gezeigt, dass diese mit Röntgenstrukturen weitgehend identisch sind. Unterschiede finden sich meist nur in den Loopbereichen, die in Röntgenstrukturen besser definiert sind als in Lösung (Kristallkontakte).

2.4 Quartärstruktur

Übergang von der Ebene des (chemischen) Moleküls zur Makrostruktur aufgrund von Wechsel-wirkungen nicht-kovalent miteinander verknüpfter Polypeptidketten („Untereinheiten“); Bildung stöchiometrisch und geometrisch definierter Asssoziatstrukturen, meist verbunden mit Ausbildung biologischer Funktion. Die Kräfte, die Quartärstrukturen stabilisieren, sind identisch mit den schwachen intermolekularen Wechselwirkungen, die für die Ausbildung der Sekundär- und Tertiär-struktur verantwortlich sind: H-Bindungen, hydrophobe WW, Ionenpaare. Beispiele: homogene

Quartärstrukturen heterogene Quartärstrukturen

Dimer Myosin Tubulin (αβ) Trimer Kollagen Trimere G-Proteine (αβγ) Tetramer

Haemoglobin (α2β2); Proteinkinase A (R2C2)

Kollagen-Triplehelix: besteht aus repetitiven Tripeptiden (Gly-Pro-Pro- oder Gly-Pro-Hypro)n und bildet lange Filamente (wie Seile). An der Kontaktoberfläche sind keine Seitenketten

Hydroxyprolin entsteht als posttranslationelle Modifikation von Prolin:

Coiled-coils: sind häufig vorkommende Oligomerisierungsdomänen. Di-, tri-, tetra- und pentamere Coiled-coils sind bekannt. Homo- und Hetero-oligomere, meist parallel, selten antiparallel. Die Polypeptidketten bilden α-Helices, wobei in jeder Heptade a-b-c-d-e-f die AS a und d hydrophobe Seitenketten besitzen. Dadurch entsteht auf der Helixoberfläche ein "hydrophober Streifen" der sich langsam um die α-Helix windet. Zwei oder mehr solcher Helices können sich mit ihren hydrophoben Oberflächen aneinanderlagern, sodass sie sich umeinanderwinden (eben "coiled coils").

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(erst nachdem das Protein synthetisiert wurde)
FN
FN
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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 8

Vorteile von Oligomeren Proteinen: Kooperativität → Regulation der Aktivität Geringere osmotische Aktivität. Der Dissoziations-Assoziations-Zustand (GluDH, Hb, etc) wird durch Gleichgewichtskonstante/n Kd definiert. Häufig korreliert der Assoziationszustand mit der Änderung oder dem Verlust der Aktivität: Assoziation ermöglicht Kommunikation (Kooperation) von Untereinheiten durch Konformationsänderungen: positive oder negative Effektoren verschieben Konformations- oder Assoziations-Gleichgewichte und bewirken Affinitätserhöhung oder -erniedrigung.

Allosterie am Beispiel der O2-Bindung an Hämoglobin Myoglobin (Mb) und Hämoglobin (Hb) haben fast identische 3-D Strukturen, aber Myoglobin ist monomer während Hämoglobin tetramer (α2β2) ist.

Die Sauerstoffbindung erfolgt über die prosthetische Gruppe Häm, die nicht-kovalent an das Protein gebunden ist. Auf Grund starker Absorptionsbanden um 550 nm der Häm haben beide Proteine eine rote Farbe. Die Apo-Proteine sind dagegen farblos.

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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 9

Die Quartärstruktur von Hämoglobin ermöglicht allosterische Wechselwirkungen zwischen den Untereinheiten. Sauerstoffbindung an einer Untereinheit beeinflusst die Bindung an den anderen: Die Bindungstellen verhalten sich kooperativ. Die Bindung des ersten O2 hat geringe Affinität (geringe Zunahme der Bindung bei steigender O2-Konzentration). Die Bindung des zweiten, dritten und schliesslich vierten O2 wird immer leichter, wodurch die Bindungskurve steiler wird, bevor sie sich dann asymptotisch dem Maximum annähert. Es ergibt sich eine sigmoidale Sauerstoffbindungskurve für Hämoglobin. Dies ermöglicht eine effizientere Sauerstofffreisetzung im Muskel und die Übertragung des Sauerstoffs auf Myoglobin.

Für allosterische Wechselwirkungen, wie sie in Hämoglobin vorkommen, wurden verschiedene Modelle vorgeschlagen. Die wichtigsten sind das sequentielle Modell und das konzertierte oder Alles-oder-Nichts Modell:

Die Sauerstoffbindung an Hb kann mit konzertiertem Modell gut beschrieben werden. Der tatsächliche Mechanismus liegt zwischen den beiden Modellen. Die O2 Bindung an Häm wird durch verschiedene Parameter reguliert. Dabei sind der pH-Wert und das in Erythrozyten in hohen Konzentrationen vorkommende 2,3-Bisphosphoglycerat (BPG) am wichtigsten: Der pH-Wert in der Nähe von Gewebe mit aktivem Metabolismus (z.B. Muskeln) ist niedriger als in der Lunge. Dies erhöht die Effizienz der Saurestoffabgabe von Hämoglobin and Myoglobin. BPG bindet spezifisch an einen Bereich mit positiv geladenen Aminosäuren. Dadurch verringert sich die Sauerstoffaffinität (Stabilisierung der niedrigaffinen T-Form, s.u.).

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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 10

Durch den Effekt von BPG wird die Sauerstoffaufnahme und -abgabe bei physiologisch relevantem p(O2) möglich. Foetales Hämoglobin besteht aus α2γ2. Die γ-Untereinheiten reduzieren BPG-Bindung, was zu erhöhter Affinität für O2 führt, d.h. zu effizienterer Übertragung vom mütterlichen zum foetalen Blut.

2.5 Superstrukturen (Makrostruktur)

Funktionelle Einheiten werden zu mikroskopischen bzw. makroskopischen Assoziaten zusammen-gefügt: Haut, Haare, Horn Keratin Bänder Elastin Knochen, Sehnen, Bindegewebe, Haut Kollagen Muskel Actin, Myosin, Tropomyosin Flagellen Flagellin Cytoskelett, Spindelapparat Actin, Tubulin Virenpartikel virale Hüllproteine Struktur-Funktionsbeziehung makroskopisch erkennbar: Muskelkontraktion („sliding filament“-Mechanismus). Assoziation ist häufig „Entropie-getrieben“, obgleich „Ordnung“ entsteht: Freisetzung von Wasser-molekülen!

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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 11

2.6 Faltung der 1D Sequenz zur 3D Struktur

Nur die wenigsten Zufallssequenzen können sich zu einer definierten Tertiärstruktur falten. Die Evolution hat einige Milliarden Jahre Zeit gehabt, faltbare Sequenzen zu entdecken. Dennoch sind native Proteine unter physiologischen Bedingungen (T = 25 ± 10°C, pH = 7.0 ± 0.5, Ionenstärke = 0.2 ± 0.15 M) nur marginal stabil. In den 60er Jahren wurde von Anfinsen gezeigt, dass alleine die Primärstruktur die 3D Struktur determiniert. Es gelang ihm, reduzierte, entfaltete RNase A durch Änderung der Lösungsmittelbedingungen ohne zusätzliche zelluläre Komponenten rückzufalten (analog zum „Entkochen eines Eies“).

Nach der „thermodynamischen Hypothese“ stellt die 3D Struktur den Zustand minimaler potentieller Energie dar. Die „kinetische Hypothese“ dagegen nimmt an, dass die 3D Struktur das kinetisch zugängliche Minimum der potentiellen Energie ist, also nicht unbedingt das „globale Minimum“. Theoretische Strukturberechnungen sowie experimentelle Daten zur Rückfaltung ausgehend von den verschiedensten Entfaltungsbedingungen sprechen für die thermodynamische Hypthese. In manchen Proteinen scheint es jedoch alternative Zustände (lokale Energieminima) zu geben, die durch Änderungen der (Lösungsmittel-)Bedingungen zum globalen Minimum werden (vgl. Faltungskrankheiten: Alzheimer, BSE, …).

Das Gleichgewicht der Proteinfaltung

Der ungefaltete Zustand (U) eines Proteins besteht aus einem Ensemble von sehr vielen (n >> 1030) statistischen Konformationen (random coil) und steht in einem dynamischen Gleichgewicht mit dem nativen Zustand (N):

[3-1]

Im Gleichgewicht sind die Vorwärts- und Rückwärtsreaktion gleich schnell, also

k f ⋅[U ]eq = ku ⋅[N ]eq [3-2] und es wird eine Gleichgewichtskonstante (Keq) definiert als:

U Nkf

ku

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2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 12

Keq0 :=

[N]eq[U]eq

=k fku

[3-3]

Die freie Enthalpie (∆G°) für die Bildung von N ergibt sich aus (siehe allg. Chemie):

ΔG0 =−RT lnKeq [3-4] Sie liegt für Proteine typischerweise im Bereich von –10 bis –40 kJ/mol, was einer Keq von 50 bis 107 entspricht. Dieser Wert entspricht beispielsweise der Stabilisierungsenergie von nur wenigen H-Brücken oder Salzbrücken und zeigt, dass im Gleichgewicht ein signifikanter Teil der Moleküle im ungefalteten Zustand vorliegt. Die Labilität der Proteine ist offenbar der Preis für die Ausübung einer bestimmten Funktion. Spezifische Bindung eines Hormons ("Erkennung"), Katalyse einer Stoffwechselreaktion, oder Signaltransduktion erfordern allgemein eine diskrete Konformations-umwandlung des Proteins (siehe Kapitel 3: Enzyme). Stabile, d.h. starre Strukturen sind für diese Aufgabe ungeeignet. Zudem ist die Regulation der Proteinmengen in der Zelle mit zu stabilen Strukturen schwierig (N meist resistent gegen Abbau durch Proteasen).

Proteindenaturierung Wenn die äusseren Bedingungen zu stark von den physiologischen Werten abweichen, verlieren Proteine ihre definierte native Struktur (N): • Zugabe von HCl (pH<2) oder KOH (pH>12) denaturiert viele Proteine auf Grund der

Abstossung gleicher Ladungen. • Erwärmen führt zur reversiblen Entfaltung von Proteinen. Beim Abkühlen wird die native

Struktur jedoch wieder erreicht. Beispiel: Ribonuklease A • Hohe Konzentrationen chaotroper Substanzen wie Harnstoff (NH2-CO-NH2) oder Guanidinium

Chlorid (GdmCl; [NH2-CNH-NH2]+Cl-) binden an die Polypeptidekette. Dadurch wird der entfaltete Zustand relativ zum nativen Protein stabilisiert.

FN
FN
Page 29: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 13

Welche Kräfte stabilisieren den nativen Zustand? Der geringe Wert von ∆G° (~ –(10-40) kJ/mol, siehe oben) zwischen N und U ist die kleine Differenz zwischen grossen Summen von destabilisierenden und stabilisierenden Energie-Beiträgen:

ΔG0 =−RT lnKeq = ΔH 0 −TΔS 0 [3-5] Da der Faltungsprozess in wässriger Lösung abläuft, müssen Änderungen in ΔH0 und ΔS0 im Protein und im Lösungsmittel berücksichtigt werden: • Destabilisierung durch die enorm hohe Anzahl (n >> 1030) räumlicher Konformationen des

denaturierten Zustands (Kettenentropie): → T∆S0Kette < 0.

• Stabilisierung durch den hydrophoben Effekt. Im denaturierten Zustand bilden sich geordnete

Wasserstrukturen um jede hydrophobe Seitenkette. Diese Ordnung wird bei der Faltung zur nativen Struktur aufgehoben (Wasserentropie): → T∆S0

Wasser> 0. • Stabilisierung durch die Ausbildung eines hydrophoben Inneren (van-der-Waals Wechsel-

wirkungen hydrophober Seitenketten), sowie von H-Brücken und Salzbrücken: → ΔH0Kette < 0.

• Destabilisierung durch den Verlust von Wechselwirkungen mit dem Lösungsmittel (z.B. H-

Brücken) und im Lösungsmittel (Klathratstrukturen von Wasser um hydrophobe Seitenketten): ΔH0

Kette/LM > 0. Der Verlust von H-Brücken mit dem Lösungsmittel kann nur kompensiert werden, wenn die >N-H und >C=O Gruppen aller internen Peptidbindungen im nativen Zustand auch Wasserstoffbrücken bilden. Dieser Zwang erklärt die Ausbildung von α-Helices und β-Faltblättern im Innern nativer Proteine. Disulfidbrücken zwischen Cystein-Seitenketten stabilisieren Proteine zusätzlich, weil der Konformationsraum des ungefalteten Proteins eingeschränkt ist (entropische Destabilisierung von U), und weil in der Umgebung der Disulfidbrücken die Wechselwirkungen im nativen Protein stärker sind (enthalpische Stabilisierung von N). Schlussfolgerungen: Die Struktur eines nativen Proteins wird ausschliesslich durch dessen Aminosäuresequenz bestimmt. Oft reicht eine Punktmutation aus, um ein Protein aus energetischen Gründen unfaltbar zu machen; z.B. durch Austausch eines Leucins im Innern des Proteins durch ein Arginin. Vererbbare Krankheiten (inaktive Enzyme) können auf solchen Mutationen beruhen.

Page 30: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

2. Die dreidimensionale Struktur von Proteinen 14

Wie faltet sich ein Protein bei der Biosynthese? Versuche zur Rückfaltung von künstlich denaturierten Proteinen beweisen, dass sich kleine Proteine innerhalb von Millisekunden bis Sekunden zurückfalten können. Dabei wird oft ein kompakter Zwischenzustand (I, molten globule) durchlaufen.

[3-6]

In I ist ein Teil der Sekundärstruktur bereits ausgebildet, aber die exakten Seitenketten-wechselwirkungen sind noch nicht vorhanden. Das Protein im U- und im I-Zustand hat die starke Tendenz, in unproduktiven Nebenreaktionen unlösliche Aggregate zu bilden, da die hydrophoben Seitenketten noch nicht im Innern des Proteins vor unspezifischen intermolekularen Wechsel-wirkungen geschützt sind.

[3-7]

Im Cytoplasma (d.h. in der Umgebung der Ribosomen) befindet sich eine Klasse von Proteinen, die bei der richtigen Faltung grösserer Proteine sowie beim Transport von Proteinen in und durch Membranen helfen. Sie binden an lösungsmittelzugängliche hydrophobe Bereiche der frisch synthetisierten Proteine (in U oder I), wodurch die Aggregation verhindert und somit die korrekte Faltung zu N begünstigt wird. Weil sie die Faltung kanalisieren, werden sie molekulare "Chaperones" (Anstandsdamen) genannt (z.B. Hsp70, GroE). Andere zelluläre Proteine greifen direkt in den Faltungsprozess ein, indem sie langsame Schritte der Proteinfaltung wie Isomerisierungsreaktionen um Xaa-Pro Peptidbindungen (Prolylisomerasen) oder die Bildung der korrekten Disulfidbrücken (Protein-Disulfid-Isomerasen) katalysieren oder Aggregation verhindern (Chaperones, Heat-shock-proteins).

U I NkUI kINkIU kNI

U I NkUI kIN

kIU kNI

Aggr. Aggr.

kagg k'agg

Page 31: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

3 ENZYME

3.1 Enzyme: Katalysatoren elementarer Stoffwechselreaktionen

Für den koordinierten Ablauf des Stoffwechsels sind katalytisch wirksame Proteine – Enzyme – verantwortlich. Enzyme sind echte Katalysatoren: chemische Reaktionen werden durch ihr Einwirken sowohl vorwärts als auch rückwärts beschleunigt. D.h., das thermodynamische Gleichgewicht wird nicht verändert, aber die Energiebarriere für den Uebergang zwischen Substrat und Produkt wird herabgesetzt. Enzyme greifen direkt in die Reaktion ein, gehen aber dennoch unverändert aus ihr hervor. Das Enzym bindet das Substrat am aktiven Zentrum. Im gebundenen Zustand ist die Energiebarriere geringer, um das Substrat in den Uebergangszustand zu überführen. Auch das Produkt wird gebunden, denn das Enzym katalysiert ja auch die Rückreaktion. Weil Enzyme einen neuen Reaktionsweg anbieten, eben in der Umgebung des aktiven Zentrums, kann die katalysierte Reaktion rascher ablaufen als die unkatalysierte.

3.2 Struktur/Funktionsbeziehung in Proteinen

Besondere Eigenschaften

• Enzyme können extrem effizient sein: bis zu 109-fache Beschleunigung. • Enzyme sind meist sehr spezifisch: pro Stoffwechselreaktion ein Enzym ("ein Enzym, ein

Substrat, ein Produkt"). • Die Funktion eines Enzyms kann reguliert werden. Enzyme an strategisch wichtigen Knoten-

punkten des Netzwerks von Stoffwechselreaktionen können durch chemische Signalsubstanzen (sog. Effektoren) an- oder abgeschaltet werden (Regulation der Aktivität bei gleichbleibender Enzymkonzentration).

Page 32: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

3. Enzyme 2

Beispiel: Biosynthese von Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan Bei genügender Konzentration des Endprodukts einer komplizierten Biosynthese-Route (z.B. Tryptophan) wird ein Enzym gehemmt, das am Eingang zu dieser Einbahnstrasse steht, (z.B. DHAP-Synthasen sowie eine der drei Anthranilatsynthasen; negative Rückkopplung). Synthese und Abbau von Enzymen können ebenfalls reguliert werden (Regulation der Enzymmenge bei gleichbleibender Aktivität).

Das aktive Zentrum

• Die Bildung eines Enzym–Substratkomplexes ist der erste Schritt jeder enzymkatalysierten Reaktion. Das Substrat bindet an das aktive Zentrum, meist eine Vertiefung an der Oberfläche des Enzyms (z.B. durch ionische Wechselwirkung, H-Brücken, etc.).

• Bindung bedeutet, dass Kräfte zwischen dem Protein und dem Substrat wirken. Proteinen und Substrat sind nicht absolut starr. Deshalb sind Substrat und aktives Zentrum nicht exakt komplementäre Abbilder voneinander (Lock-and-key), sondern es ergibt sich eine Anpassung zwischen Substrat und dem aktiven Zentrum: eine induzierte Konformationsänderung (Induced-fit).

Lock-and-key-Modell Induced-fit-Modell

Induced-Fit bei der Substratbindung an Hexokinase. Glukose induziert jene

Konformation, welche überhaupt erst in der Lage ist, das 2. Substrat (ATP) zwischen der dunklen

und hellen Domäne zu binden. Im geschlossenen Zustand ist Wasser vom Zugang zum aktiven

Zentrum ausgeschlossen.

Page 33: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

3. Enzyme 3

Aminosäuren mit potentiell reaktiven Seitenketten können direkt an der Katalyse beteiligt sein: Lys, His, Ser, Tyr, Cys, Glu und Asp. Alle Aminosäuren können zur Bindung des Substrats und zu den Eigenschaften der Umgebung beitragen (Salzbrücken, H-Brücken, van der Waals-Wechselwirkung, etc.).

Koenzyme und Kofaktoren

Die chemische Reaktionsfähigkeit der elf polaren Aminosäure-Seitenketten ist ungenügend für die Katalyse einiger Stoffwechselreaktionen, vor allem Redoxreaktionen. Kleine organische Moleküle oder anorganische Kationen erweitern das katalytische Repertoir. Metallionen als Kofaktoren. Metallion Enzym Na+, K+ ATPase, Pyruvatkinase Mg++ Phosphohydrolasen, Phosphotransferasen, Malatsynthase Cu++ Tyrosinase, Cytochromoxidase Zn++ ADH, Carboanhydrase, Carboxypeptidase Mn++ Pyruvatcarboxylase Ni++ Urease Fe++/Fe+++ Cytochrome, Ferrodoxin, Peroxidase, Katalase Koenzyme und dazugehörige Vitamine (behandlt in späteren Kapiteln). Koenzym Enzym/Funtion Vitamin PLP = Pyridoxalphosphat Transaminase, Decarboxylase Pyridoxin TPP = Thiaminpyrophosphat Decarboxylase, Thiamin CoA = Coenzym A Acyl-Transfer Pantothensäure Lipoamid Acyl-Transfer Liponsäure Biotin Carboxylase Biotin FH4 = Tetrahydrofolat C1-Transfer Folsäure NAD+ = Nicotin-adenin-dinukleotid Oxidoreduktase Niacin FAD = Flavin-adenin-dinukleotid Oxidoreduktase Riboflavin FMN = Flavin-monomukleotid Oxidoreduktase Riboflavin Beispiel: Carboxypeptidase A ist ein Metallo-Enzym: Das Zn2+ polarisiert die C=O Gruppe des Substrats und erleichtert somit die Addition eines H2O.

Page 34: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

3. Enzyme 4

3.3 Katalysemechanismus von Proteasen

Spezifität am Beispiel von Serin-Proteasen

Proteasen hydrolysieren die Peptidbindungen von denaturierten Proteinen. In nativen Proteinen sind die meisten Peptidbindungen durch die kompakte Faltung vor Proteasen geschützt.

Trypsin hydrolysiert die Peptidbindung auf der Carbonyl-Seite von (dh "nach") positiv geladenen Aminosäuren: Lys und Arg. Chymotrypsin hydrolysiert nach grossen, hydrophoben Seitenketten: hauptsächlich Trp, Phe, Tyr. Elastase hydrolysiert nach kleinen, ungeladenen Seitenketten. Die Spezifität beruht auf der unterschiedlichen Ausstattung einer Vertiefung (specificity pocket), in

Page 35: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

3. Enzyme 5

die die kritische Aminosäure Seitenkette des Protein-Substrats hineinpassen muss:

Katalysemechanismus von Chymotrypsin

• Das aktive Zentrum: Die OH-Gruppe von Ser195 wird durch ein H-Brücken-System mit His57 und Asp102 aktiviert (Verringerung des pKa-Wertes, Erhöhung der Nukleophilie). Die “katalytische Triade” Asp --- His ---Ser*.

• Spezifische Bindung, so dass die Peptidbindung optimal zu Ser195 positioniert wird ist nur bei

Trp, Phe, oder Tyr möglich. • Kovalente Katalyse: His57 (unterstützt von Asp102) deprotoniert partiell Ser195, das die

Carbonylgruppe nucleophil angreift; das N-terminale Polypeptid ist vorübergehend ans Enzym verestert, während das C-terminale Polypeptid dissoziiert.

Hydrolyse: Wasser erhält Zugang zum Ester, wird durch His65 aktiviert und greift den Ester an. Das N-terminale Peptid dissoziiert als zweites Produkt und hinterlässt unverändertes Enzym.

Page 36: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

3. Enzyme 6

3.4 Enzymkinetik

Einfache Stoffwechselreaktionen

Die Chorismatmutase katalysiert die praktisch irreversible Umwandlung von Chorismat in Prephenat. Ein Substrat → ein Produkt.

Geschwindigkeitsgesetz der spontanen (unkatalysierten), irreversiblen Reaktion

[4-1]

• Umsatzkurve: Die Konzentration von A (Anfangskonzentration [A0]) fällt nach einem

exponentiellen Zeitgesetz gegen Null ab.

Verlauf einer sponatenen, irreversiblen Reaktion erster Ordnung.

Die Geschwindigkeit (v) der Reaktion ist gegeben durch:

v = −d A[ ]dt

= k A[ ] mit k s−1[ ] [4-2]

Integration von Gleichung 4-2 ergibt:

A[ ] = A[ ]0e

− k⋅t [4-3]

Aus Gl. 4-3 wird der exponentielle Abfall der Konzentration von A ersichtlich. • Aus Gl. 4-2 folgt, dass die Anfangsgeschwindigkeit (v0) proportional zur bekannten Anfangs-

konzentration ([A]0) ist:

v0 = −d A[ ]dt

" #

$ % t=0

= k A[ ]0 [4-4]

A Pk

[At] (µM)

t (min)

[Ao]

00 1/k

k

Page 37: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

3. Enzyme 7

Abhängigkeit der Geschwindigkeit einer unkatalysierten Reaktion 1. Ordnung von der Substratkonzentration ([S]0)

Geschwindigkeitsgesetz der enzymkatalysierten Reaktion (Michaelis-Menten Gleichung)

In einer enzymkatalysierten Reaktion bindet das Enzym (E) sein Substrat (S) und es kommt zur Bildung eines Enzym-Substrat-Komplexes (ES). Nach Umwandlung vom Enzym-Substrat-Komplex zum Enzym-Produkt-Komplex EA → EP dissoziiert EP sofort zu E+P, sodass sich EP nicht anhäuft:

[4-5]

Sättigungskurve: Der charakteristische Unterschied zwischen der enzymkatalysierten und der spontanen Reaktionen besteht in der Form der Substratabhängigkeit der Anfangsgeschwindigkeit, v0. Trotz Ähnlichkeit mit der Umsatzkurve der spontanen Reaktion handelt es sich nicht um eine Exponentialkurve. Bei der spontanen Reaktion ist v0 proportional zur Anfangskonzentration. Bei der enzymkatalysierten Reaktion weicht die Substratabhängigkeit rasch von der Geraden ab und nähert sich einer horizontalen Asymptote (Vm, die maximale Geschwindigkeit). Die Kurve ist Teil einer Hyperbel (hyperbolische Sättigungskurve):

v0 = k23 ⋅ [ES] =[S]0 ⋅ [E]0KM + [S]0

⋅ k23 [4-6]

Abhängigkeit der Geschwindigkeit einer katalysierten Reaktion von der Substratkonzentration ([S]0)

Das Sättigungsverhalten ist typisch für katalysierte Reaktionen, bei denen der Katalysator in geringer, aber konstanter Konzentration ([E0]) vorliegt.

Page 38: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

3. Enzyme 8

Kurvendiskussion: • Bei [S]0 >> KM nähert sich v0 asymptotisch der maximalen Geschwindigkeit vmax: Die

Geschwindigkeit der katalysierten Reaktion ist direkt von der Enzymkonzentration abhängig. [E]0 ist die totale Konzentration der aktiven Zentren. Bei oligomeren Enzymen muss also die Zahl der identischen Untereinheiten berücksichtigt werden.

v0( )[S ]0>>KM= vmax = k23 ⋅ [E]0 [4-7]

Unter diesen Bedingungen ist das Enzym mit Substrat gesättigt. Das gesamte Enzym liegt als Enzym-Substrat-Komplex vor: [ES] ≈ [E]0. Die Geschwindigkeitskonstante k23 ist die katalytische Konstante oder Wechselzahl und hat die Dimension einer Frequenz (s-1). Sie bedeutet die durchschnittliche Anzahl von katalytischen Zyklen, die ein einzelnes aktives Zentrum pro Sekunde maximal durchführen kann.

• Bei [S]0 = KM erreicht v0 die halbmaximale Geschwindikgeit (v0 = 1/2·vmax; siehe Gl. [4-6]). Zu

Ehren von Michaelis wird die Konstante KM Michaelis-Konstante genannt. • Bei [S]0 << KM liegt nur ein geringer Teil der Enzym-Moleküle als ES-Komplex vor. Es gilt:

v0( )[S] 0<<K M=k23KM

[E]0 ⋅[S ]0 [4-8]

• k23/KM hat die Dimension einer Geschwindigkeitskonstante 2. Ordnung (M-1s-1). Sie dient als

quantitative Kennziffer sowohl für die relative Spezifität als auch für die relative Effizienz eines Enzyms. Sie ist ein wichtiges Kriterium zum Vergleich von mutierten Enzymen mit dem Wild-Typ.

3.5 Wie kann die Enzymaktivität reguliert werden?

Kompetitive Hemmung

Die effiziente Umwandlung von Substrat in Produkt im aktiven Zentrum eines Enzyms erfordert eine genaue und komplementäre Wechselwirkung zwischen funktionellen Gruppen des Substrats (-OH, -NH3+, -OPO3– Gruppen, etc.) und den Aminosäureseitenketten des Enzyms. Weil die Strukturen von Produkt und Substrat oft sehr ähnlich sind, führt die Anwesenheit von Produkt bei der Substrat → Produkt Reaktion häufig zu einer Hemmung der Enzymreaktion. Beispiel: Phosphoglucoisomerase

Page 39: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

3. Enzyme 9

Wenn sich das Produkt anhäuft, bindet es an einen Teil der vorhandenen Enzymmoleküle und blockiert damit die Bindung von Substratmolekülen. Produkthemmung ist kompetitiv: Konkurrenz um denselben Bindungsort, nämlich das aktive Zentrum. Kompetitive Hemmstoffe: Chemische Substanzen, die dem Substrat oder Produkt strukturell ähnlich sind (Substratanaloga), aber selbst keine enzymkatalysierte Reaktion durchlaufen. Zugang durch chemische Synthese. Viele Medikamente (z.B. Sulfonamid, ein Antibiotikum, oder Azidothymidin, ein Chemotherapeutikum gegen HIV-Virus) sind kompetitive Hemmstoffe für essentielle Enzyme des pathogenen Organismus.

Nicht-kompetitive Wechselwirkungen

Ein wichtiger Mechanismus zur Weiterleitung von Information ist die Konformationsumwandlung von Proteinen (z.B. Enzymen, Rezeptoren) durch kleine Moleküle (chemische Signale oder Effektoren). Auf diese Weise verändert die Bindung eines regulatorischen Metaboliten oder Hormons an eine regulatorische Bindungsstelle auch die Struktur des aktiven Zentrums und umgekehrt (indirekte Wechselwirkung). Die Kommunikation zwischen den beiden nichtüberlappenden Bindungsstellen ist nicht-kompetitiv: Beide können gleichzeitig besetzt sein. Daraus folgt, dass diese Form von Signalübertragung nicht wie im Fall kompetitiver Hemmung notwendigerweise zu einer Hemmung führen muss. Im Gegenteil: Nicht-kompetitive Wechselwirkung kann auch zur Aktivierung eines Enzyms führen.

Allosterische Regulation

Bei oligomeren Enzymen kann die vom Substrat oder Effektor in einer Untereinheit induzierte Konforma-tionsumwandlung an die anderen, noch unbesetzten aktiven Zentren der übrigen Untereinheiten weiter-geleitet werden. Wie bei der Sauerstoffbindung ans tetramere Hämoglobin (siehe oben) ergibt sich eine sigmoide Aktivitätskurve. Am Beispiel des allosterischen Enzyms Aspartat Carbamoyl-Transferase ACT (Pyrimidinsynthese) ist die sigmoide Sättigungskurve bezüglich des Substrats (Aspartat) durch den allosterischen Aktivator ATP zu niedriger und durch den allosterischen Inhibitor CTP zu höherer Substratkonzentration verschoben. Bei derselben Aspartatkonzentration ist der Umsatz in Gegenwart von ATP grösser (Aktivierung), in Gegenwart von CTP jedoch niedriger (Hemmung).

Page 40: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

3. Enzyme 10

Experimentell kann die Reaktionskinetik besonders einfach verfolgt werden, wenn einer der Reaktionspartner eine Änderung der Absorptionseigenschaften erfährt. Dies is zB bei Reaktionen der Fall, bei denen NAD+/NADH oder NADP+/NADPH beteiligt sind. NAD+ und NADP+ nehmen ausschliesslich Elektronenpaare auf. Die zwei Elektronen werden gleichzeitig aufgenommen (vergleiche mit FAD und FMN weiter unten). In den meisten Fällen sind auch zwei Protonen beteiligt, wobei eines zusammen mit den Elektronen auf NAD(P)+ übertragen und das andere in die Lösung abgegeben wird. Man kann formell schreiben:

NAD+ + H – + H + NADH +H +

oder NAD+ + 2H + + 2e− NADH +H + Die Enzyme sind generell Oxidoreductasen, werden oft Dehydrogenasen genannt.

Im Gegensatz zu NAD+ absorbiert NADH bei 340 nm (Ultraviolett). So kann man zB die Lactatdehydrogenase einfach und sensitiv verfolgen:

Page 41: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

1

4 GRUNDLAGEN DER BIOENERGETIK

4.1 Der Energiefluss in der Biosphäre

Von etwa 2·1021 kJ Lichtenergie, die pro Jahr von der Sonne auf die Erde gelangen, werden etwa 0.1% durch photosynthetische Organismen eingefangen und als chemische Energie in Form von organischen Verbindungen in Pflanzen gespeichert. Diese chemische Energie ist die Grundlage fast aller Lebensprozesse unserer Biosphäre. Beim Abbau und der Oxidation zu CO2 wird die Energie wieder (letztlich als Wärme) freigesetzt.

In allen Organismen finden sich einige wenige fundamentale Prozesse, um chemische Energie zu nutzen und zu speichern.

4.2 Energiereiche Verbindungen

"Kurzfristige" Energie Der unmittelbare Energiespender für viele biologische Reaktionen ist Adenosintriphosphat (ATP). ATP besteht aus Adenin, einer organischen Base Ribose, einem C5-Zucker Triphosphat, eine Kette von drei Phosphoprylgruppen Verbindungen wie ATP werden als energiereiche Verbindungen bezeichnet. Dies bedeutet nicht, dass das Molekül an sich einen hohen Energiegehalt hat, sondern dass es eine stark exergone (= energieliefernde) Reaktion mit Wasser oder mit einem anderen Phosphorylakzeptor eingehen kann.

Page 42: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

4. Bioenergetik 2

Die C-Atome am Adeninring werden mit normalen Ziffern, die am Ribosering mit apostrophierten Ziffern, und die Phosphorylreste mit griechischen Buchstaben bezeichnet.

In der Zelle ist die gesamthaft in ATP gespeicherte Energie sehr klein; ATP muss deshalb schnell erneuert werden, wobei diese energiebedürftige Synthese auf Kosten langfristiger Energiereserven erfolgt. Ein Mensch synthetisiert täglich das Aequivalent von ~100 kg ATP aus ADP und Pi! ATPasen, können Phosphorylgruppen von ATP auf Wasser übertragen, was auch als Hydrolyse, d.h. als Spaltung von ATP durch Wasser betrachtet werden kann. Die meisten ATPasen können einen Teil der dabei frei werdenden chemischen Energie in andere Energieformen umwandeln, z.B. die Kontraktion einer Muskelfaser, Transport von Molekülen durch eine Membran und die Lichtproduktion eines Glühwürmchens. Die spontane Hydrolyse von ATPgeschieht vernachlässigbar langsam. Kinasen sind Enzyme, die die Phosphorylgruppe des ATP nicht auf Wasser, sondern auf andere organische Akzeptoren (z.B. Zucker oder Proteine) übertragen "Mittelfristige" Energie Einige energiereiche, phosphorylierte Verbindungen können energiebedürftige Reaktionen in Zellen nicht direkt treiben, können aber ihre Phosphorylgruppe schnell (gewöhnlich in einem einzigen enzymatisch katalysierten Reaktionsschritt) auf ADP übertragen und ATP produzieren. Z.B.:

NH

NH2+

NH

PO

OO

O

O

P OO

OO

CH2O

O

CH3

O

O PO

OO

Phosphocreatin = Creatinphosphat Phosphoenolpyruvat (PEP) Acetylphosphat "Langfristige" Energie Die wichtigsten Energiereserven lebender Zellen sind Fette und Kohlehydrate (Glycogen, Stärke). Auch Proteine können als Energiereserven fungieren, werden jedoch seltener verwendet, da dies einer "Verbrennung des Mobiliars" gleichkommt. Diese organischen Verbindungen können energiebedürftige Prozesse in lebenden Zellen nicht direkt antreiben; sie werden durch komplexe exergone Reaktionsfolgen zu kleineren Bruchstücken abgebaut. Bei diesem Abbau wird entweder direkt ATP aus ADP und Pi gebildet, oder die entstandenen Bruchstücke werden oxidiert und die bei dieser Verbrennung freiwerdende Energie wird zur Synthese von ATP verwendet. Die wichtigsten dieser Reaktionsfolgen sind Glykolyse, Fettsäureabbau (β-Elimination) und oxidative Phosphorylierung.

Page 43: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

4. Bioenergetik 3

4.3 Biochemische Gleichgewichte

Der Standardzustand von ΔG

Die freie Enthalpie G (Gibbs-Energie, engl. free energy) eines Systems setzt sich aus einer Enthalpie- (H) und einer Entrropie-Komponente (S) zusammen (T = absolute Temperatur):

G = H −TS Die Änderung der freien Enthalpie, z.B für eine chemische Reaktion, bei konstatem Druck und Volumen ist

ΔG = ΔH −TΔS ΔG bestimmt die Gleichgewichtslage der Reaktion: ΔG = 0 Gleichgewicht ΔG < 0 spontane Reaktion ΔG > 0 nicht spontan Um unterschiedliche Reaktionen einfach vergleichen zu können, betrachtet man jeweils den Standardwert ∆G0, der dem ∆G einer Reaktion entspricht, wenn alle Reaktanden (Edukte und Produkte) mit der chemischen Aktivität a = 1 M in Wasser bei 298.15 K (25°C) und 1 atm vorliegen. Die Aktivität entspricht der "effektiven Konzentration" und ist bei idealem Verhalten identisch mit der Konzentration. Bei von 1 M abweichenden Konzentrationen gilt für eine Reaktion mit Reaktionspartnern i und stöchiometrischen Koeffizienten νi

ΔG = ΔG0 + RT ⋅ νii∑ ln ai1M

Die νi der Ausgangsstoffe sind negativ und die der Produkte positiv. Für biochemische Reaktionen die H+ oder OH– involvieren, würden ∆G0-Werte allerdings für unsinnig tiefen bzw. hohen pH gelten. Deshalb wurden biochemische Standardbedingungen definiert für pH 7, d.h. H+ und OH– Konzentrationen von 10–7 M: ∆G0'. Wenn wir ideales Verhalten annehmen, kann a durch die Konzentration ersetzt werden:

ΔG = ΔG0 '+ RT ⋅ ν ii∑ ln [i] [i] bedeutet hier die tatsächliche Konzentration dividiert durch die Standardkonzentration (1 M bzw. 10–7 M). Also z.B. für die Reaktion

2A + B 3C + 2H+ gilt

ΔG = ΔG0 '+RT 3ln[C]+ 2ln[H +]− 2ln[A]− ln[B]( )

Page 44: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

4. Bioenergetik 4

oder umgeformt

ΔG = ΔG0 ' +RT ln [C]3[H +]2

[A]2[B]

Hier die ∆G0'-Werte einiger Reaktionen, bei denen Phosphat durch Hydrolyse abgespalten wird:

Alle Werte sind negativ, d.h. die Hydrolysen sind exergon und laufen spontan ab (unter Standardbedingungen). Beachte: Die Hydrolyse von ATP zu ADP und Pi hat nicht das negativste ∆G0', sondern ein mittleres.

Standardwerte und Gleichgewichtskonstante

Bei ΔG = 0 liegt Gleichgewicht vor, also

0 = ΔG0 ' +RT ln [C]3[H +]2

[A]2[B] Für die Gleichgewichtskonstante K gilt also

K =[C]3 ⋅ [H +]2

[A]2 ⋅ [B]=e

−ΔG 0

RT

Page 45: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

4. Bioenergetik 5

ATP und bioenergetische Kopplung

Viele Reaktionen sind unter Standardbedingungen und bei den im Organismus herrschenden Konzentrationen endergonisch (ΔG > 0), laufen daher nicht spontan ab. Ein Beispiel ist die Phosphorylierung von Glucose (der erste Schritt der Glykolyse): Glucose + Pi

- → Glucose-6-phosphat ΔG0' = +13.4 kJ/mol Dagegen: ATP → ADP + Pi

ΔG0' = –30.5 kJ/mol Bei Kopplung der beiden Reaktionen: Glucose + ATP → Glucose-6-phosphat + ADP ΔG " 0 = –17.1 kJ/mol Dabei spielt es für die Energetik auch keine Rolle, dass im Verlauf der enzymatischen Reaktion gar kein freies Phosphat entsteht. Es ist in diesem Beispiel nicht H2O, was das γ-Phosphat angreift, sondern die 6-Hydroxylgruppe der Glucose. Die Edukte und Produkte der summierten Hydrolysereaktionen und der tatsächlichen Reaktion sind aber die gleichen und damit ist die Berechnung des ∆G0' durch Summation der formalen Teilreaktionen möglich. Auch bei anderen Reaktionen wird die Phosphatgruppe eingeführt und von diesem "energiereichen" Phosphat (Zwischenprodukt) läuft die Reaktion weiter Beispiel 2: Die Reaktion

Glucose + Fructose → Saccharose (=Rohrzucker) + H2O Hat ein ΔG0 = ΔG0' = 23 kJ/mol. Mit Hilfe der Energieübertragung von ATP:

1) ATP + Glucose → ADP + Glucose-1-phosphat (Zwischenprodukt)

2) Glucose-1-phosphat + Fructose → Saccharose + Pi

somit ergibt sich die "gekürzte" Gesamtreaktion:

ATP + Glucose + Fructose → ADP + Saccharose + Pi

mit ΔG0'= 23 -30.5 = –7.5 kJ/mol. Beispiel 3: Unter ATP-Verbrauch wird Glutaminsäure mit Ammoniak in Glutamin umgewandelt:

Page 46: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

4. Bioenergetik 6

Diesmal ist es die γ-Carboxylat-Gruppe von Glutaminsäure, die das γ-Phosphat von ATP angreift und in einem ersten Schritt ADP produziert. Phosphoglutamat entspricht einem"aktivierten Glutamat" dessen Ammonolyse zu Glutamin ebenfalls exergon ist. ATP eignet sich sehr gut als kurzfristiger Energieträger, weil sein ΔG0' in der Mitte zwischen denen der "Hochenergie-" und "Niederenergie-" Phosphate steht (siehe Tabelle auf p. 4): Es kann viele Phosphorylierungsreaktionen ausführen, viele andere Reaktionen antreiben, aber danach als ADP auch schnell von den mittelfristigen Energielieferanten, den "Hochenergie-Phosphaten" wieder zu ATP regeneriert werden. Wird mehr Energie für eine Reaktion benötigt, kann ATP auch zwischen der α- und β-Phosphatgruppe gespalten werden, wobei Pyrophosphat (PPi) und AMP entsteht:

OHOH

OO

N

N N

N

NH2

PO

OOP

O

OOP

OO

O

γ β α

HO HO

Das Pyrophosphat wird in der Zelle durch das Enzym Pyrophosphatase sehr rasch weiter hydrolysiert in einer Reaktion, die auch wieder sehr exergon ist: ATP + H2O→ AMP + PPi +H

+ ∆G°' = -30.6 kJ/mol PPi + H2O→ 2Pi +H

+ ∆G°' = -33.5 kJ/mol

Summe: ATP + 2H2O→ AMP + 2Pi + 2H+ ∆G°' = -64.1 kJ/mol

Das ∆G°' der Gesamtreaktion ist entsprechend stark negativ. Die Hydrolyse von Pyrophosphat muss bei Reaktionen, die ATP zu AMP hydrolysieren, energetisch immer miteinbezogen werden. Die reine Hydrolyse von ATP ist physiologisch selten sinnvoll, weil dabei nur Wärme produziert wird. Normalerweise ist ATP-Hydrolyse in der Zelle an eine Konformationsänderung des Proteins gekoppelt (z.B. bei der Muskelkontraktion) oder an andere Reaktionen, die so "angetreiben" werden. Wegen

ATP4- + H2O → ADP3- + H+ + Pi ist der ΔG-Wert der ATP-Hydrolyse pH-abhängig!

Page 47: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

4. Bioenergetik 7

Grenzen der Thermodynamik

Alle Aussagen der Thermodynamik gelten für reversiblen Verlauf der Prozesse. Praktisch wird dies nicht erreicht und ein Teil der Energie wird für irreversible Prozesse verbraucht. So liefert im Organismus die totale Oxidation von 1 Mol Glucose 32 Mol ATP

C6H12O6 + 32 H+ + 32 ADP3-+ 32 Pi + 6 O2 → 32 ATP4-+ 6 CO2+ 38 H2O Der Wirkungsgrad (W) ist

W =ΔG0© in ATP gespeichert

total ΔG0© aus Zuckerverbrennung=

32 ⋅ 30.5 kJ/mol2879kJ/mol

= 34%

Der theoretische Wirkungsgrad bei reversibler Prozessführung wäre 100%, entspricht also mehr als der doppelten ATP-Menge. Die richtige Verbrennung von Glucose ohne angekoppelte oxidative Phosphorylierung würde natürlich kein ATP liefern (W = 0). Die Thermodynamik liefert daher Aussagen über Maximalwerte bei 100% Wirkungsgrad. Und natürlich macht die Thermodynamik keine Aussagen über die Kinetik einer Reaktion und spontane Reaktionen brauchen daher aus kinetischen Gründen nicht abzulaufen. Nicht anwendbar ist die klassische Thermodynamik auf offene Systeme mit Stoffaustausch.

4.4 Redox-Potentiale

Redox-Reaktionen sind Elektronentransfer-Reaktionen: Reduktion = Aufnahme von Elektronen Oxidation = Abgabe von Elektronen

Elektronentransfer

• als freie Elektronen, z.B.

V 2+ → V 3+ + e− . • zusammen mit Wasserstoffatomen (formal als Hydridanionen:H + e− → H − ), z.B.

Hydrochinon Benzochinon Transfer von Protonen (H+) ist keine Redoxreaktion!

Page 48: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

4. Bioenergetik 8

Reduzierende und oxidierende Substanzen

Eine reduzierende Substanz hat die Tendenz, Elektronen an einen Elektronenakzeptor abzugeben. Dabei wird die reduzierende Substanz (der Elektronendonor) oxidiert und der Akzeptor reduziert. V2+ ist z.B. eine "reduzierende Substanz". Eine oxidierende Substanz hat die Tendenz, Elektronen von einem Elektronendonor aufzunehmen. 1,4-Benzochinon ist z.B. eine "oxidierende Substanz". Offensichtlich sind die Begriffe "reduzierende Substanz" und "oxidierende Substanz" nicht absolut, sondern relativ. Jeder Redoxpartner kann entweder als reduzierende oder als oxidierende Substanz dienen abhängig vom Partner in der Redoxreaktion. Zusammen mit einem extrem starken Oxidationsmittel wie K2Cr2O7 wird auch Benzochinon als reduzierende Substanz reagieren und oxidiert werden. Es ist deshalb essentiell, das Oxidations- bzw. Reduktionspotential einer Substanz zu quantifizieren. Das Redozpotential (ε) wird in einer Halbzelle unter Standardbedingungen (je 1 M oxidierte und reduzierte Form der Substanz, 25°C, pH 7) gemessen gegenüber einer Standard-Halbzelle H2 → 2H + + 2e− (1 N HCl gesättigt mit H2-Gas), deren Potential ε0' = 0 definiert ist. Das Redoxpaar V++/V+++ besitzt gegenüber der Standardelektrode ein Standard-Redox-Potential von –0.255 V (d.h. es gibt Elektronen an die Standard-Halbzelle ab). Umgekehrt beträgt das Standard-Redox-Potential von Benzochinon/ Hydrochinon +0.699 V (d.h. es nimmt Elektronen von der Standard-Halbzelle auf). Je "reduzierender" eine Substanz, desto niedriger ihr Standard-Redox-Potential. Je "oxidierender" eine Substanz, desto höher ihr Standard-Redox-Potential. Das Redoxpaar V++/V+++ besitzt gegenüber dem Redoxpaar Benzochinon/ Hydrochinon ein Redox-Potential von –0.954 V (d.h. es wirkt reduzierend und wird oxidiert).

Konzentrationsabhängigkeit des Redoxpotentials

Gemäss Massenwirkungsgesetz hängt das Redox-Potential einer Redoxpaars von den Konzentrationen der beiden Formen ab. Gemäss der Nernst-Gleichung gilt:

εh = ε0' +

RT

zFln[ oxidiert ][ reduziert ]

R = Gaskostante = 8.31 J/deg·mol T = absolute Temperatur z = Anzahl Elektronen transferiert F = Faraday-Konstante (die Ladung eines Mols Elektronen) = 96'406 J/V·mol [= C/mol]

Page 49: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

4. Bioenergetik 9

Für einen Zwei-Elektronen-Transfer bei Raumtemperatur erhält man somit:

εh = ε0

' + 0.013ln[ oxidiert ][ reduziert ]

Wenn beide Formen in gleicher Konzentration vorliegen gilt:

εh = ε0'

Anwendung auf die Atmungskette

Die folgende Tabelle zeigt die Redoxpaare, die an der Atmungskette beteiligt sind, und ihre Standard-Redox-Potentiale:

Redox-Paare ε0’

NADH/NAD+ –0.32 V FMNH2/FMN (an die NADH-Dehydro-genase gebunden)

–0.21 V

QH2/Q +0.11 V Cytochrom c++/Cytochrom c+++ +0.26 V Cytochrom aa3++/Cytochrom aa3+++ +0.29 V

O--/O +0.82 V Wenn eine FMNH2/FMN Halbzelle (ε0’ = –0.21 V) elektrisch verbunden wird mit einer Ubichinol/Ubichinon (QH2/Q) Halbzelle (ε0’ = +0.11 V), werden die Elektronen von der ersten zur zweiten fliessen. Prinzipiell das selbe geschieht, wenn die Redox-Paare in engem Kontakt in der mitochondriellen Membran sitzen. (Man beachte, dass sich das Redoxpotential von FMN gebunden an die NADH-Dehydrogenase erheblich von jenem von freiem FMN unterscheidet). Die Redoxkomponenten der mitochondriellen Atmungskette sind in der Tabelle nach ihren Standard-Redoxpotentialen angeordnet. Das ist die gleiche Reihenfolge, in der die Elektronen in den Mitochondrien weitergegeben werden. Die Redoxkomponenten bilden eine eigentliche Elektronen-Transfer-Kette: Die Elektronen treten am "negativen Ende" ein und "fliessen hinunter" zum "positiven Ende", bis sie sich mit Sauerstoff vereinigen. Sauerstoff wird formal von O zu O--

reduziert, das mit 2 H+ Wasser bildet, die bei der Oxidation der Substrate freigesetzt worden sind.

Page 50: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

4. Bioenergetik 10

Änderung der freien Energie in Redox-Reaktionen

Wenn ein Mol NADH oxidiert wird durch ein Mol Coenzym Q unter Standardbedingungen, werden "zwei Mol" Elektronen (= 2·6·1023 Elektronen) eine Potentialdifferenz von 0.42 V (+0.1 – (-0.32) = +0.42) durchlaufen. Diese Ladungsbewegung entspricht einer freiwerdenden Energie, die dem Produkt der Menge der elektrischen Ladung (n·F) und der beschleunigenden Spannung (∆ε0’) entspricht. Also:

ΔG° ' = −zFΔεo ' = −2 ⋅96406Cmol−1 ⋅0.42V = −81 kJ / mol

Da die Synthese von ATP aus ADP und Pi unter Standardbedingungen nur 30.6 kJ/mol benötigt, sollte diese Redoxreaktion ausreichen ATP-Synthese zu ermöglichen. Und sie tut es auch.

Page 51: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

5. GLYKOLYSE

Zucker = Kohlehydrate: Summenformel (CH2O)n Aldosen = Aldehydzucker:

Ketosen = Ketonzucker:

Hier sind wichtig: Glucose, Ribose, Glycerinaldehyd und ihre isomeren Ketosen, nämlich… ……………………………………………………………………………………………………………………………

Page 52: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

5. Glykolyse 2

Glykolyse ist wohl der älteste und einfachste Reaktionsweg für die Produktion von ATP in lebenden Zellen. Zucker werden ohne Sauerstoff zu kleineren Molekülen abgebaut. Die Energiedifferenz wird zum Teil für die Synthese von ATP aus ADP und Pi verwendet. Die Energieausbeute ist relativ gering, da die Endprodukte der Glykolyse (z.B. Aethylalkohol oder Milchsäure) noch mehr als 90% der potentiellen chemischen Energie des Startmaterials (z.B. Glucose) enthalten.

1. Hexokinase Bei dieser exergonen Reaktion wird das Glucosemolekül durch Phosphorylierung aktiviert. Kinasen = Enzyme, die eine Phosphorylgruppe von ATP auf einen Akzeptor übertragen. 2. Phosphoglucoisomerase (Aldose-P ⇌ Ketose-P) 3. Phosphofructokinase Der Zucker wird durch diese zweite Phosphorylierung noch weiter aktiviert. 4. Aldolase (1 Hexose-bisP ⇌ 2 Triose-P) 5. Triosephosphatisomerase Durch diese Isomerisierung können beide Bruckstücke von Fructose-1,6-bisP in den nach-folgenden Reaktionen umgesetzt werden.

Page 53: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

5. Glykolyse 3

Aldolase katalysiert eine Aldolkondensation/-spaltung. Die Ketose wird vorübergehend als Schiff'sche Base kovalent an die Seitenkette eines Lysins gebunden.

6. Glycerinaldehyd-3-P-dehydrogenase (Triose-P-dehydrogenase)

Die SH-Gruppe eines Cysteins des Enzyms greift den Aldehyd an. Durch Oxidation entsteht ein Thioester, der nicht durch Wasser (Hydrolyse) sondern durch Phosphat (Phosphorolyse) gespalten wird. Die Elektronen werden vom Coenzym NAD+ übernommen.

Page 54: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

5. Glykolyse 4

7. Phosphoglyceratkinase Das "energiereiche" Phosphat wird auf ADP übertragen: Das erste ATP (x2) ist gewonnen! 8. Phosphoglyceratmutase 9. Enolase Die reversible Entfernung von H2O ändert die freie Energie des Moleküls nur geringfügig, sie wird aber gewissermassen anders verteilt, sodass das ∆G'° der Phosphatübertragung viel stärker negativ wird. 10. Pyruvatkinase Phosphoenolpyruvat ist eine besonders "energie-reiche" Verbindung, da die instabile Enolform sich nach Abspaltung der Phosphorylgruppe exergon zur stabilen Ketoform (Pyruvat) isomerisieren kann. In dieser Reaktion wird ein zweites ATP (x2) gewonnen.

Page 55: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

5. Glykolyse 5

Unter anaeroben Bedingungen wird NADH durch folgende Reaktionen regeneriert (d.h. zu NAD+ zurück oxidiert):

In Säugetierzellen durch die Lactatdehydrogenase.

Lactat wird über das Blut in die Leber transportiert, wo es wieder zu Glucose umgewandelt werden kann.

In Hefe wird in 2 Schritten Aethylalkohol und Kohlendioxid gebildet:

In der Glykolyse von Glucose bis Pyruvat würde man nach den ∆G°'-Werten 4 praktisch irreversible Reaktionen erwarten (deutlich negatives ∆G°') und eine Reaktion, die kaum ablaufen sollte (stark positiv).

Unter tatsächlichen Bedingungen (inkl. zelluläre Konzentrationen der beteiligten Moleküle; ∆G) erweisen sich nur noch 3 Reaktionen als stark exergon: Diese müssen bei der Gluconeogenese durch andere Reaktionen "umgangen" werden. Alle anderen Reaktionen (auch die Aldolase-Reaktion) führen zu sehr geringen Energieänderungen und sind deshalb reversibel. Die Reaktion Glucose → 2 Lactat ist unter Standardbedingungen von einem Abfall der freien Energie ∆G°' von –197 kJ/mol begleitet. Da gleichzeitig 2 ATP aus ADP und Pi gebildet werden (∆G°' = +30.6 kJ/mol pro ATP), wäre die Effizienz der Glykolyse unter Standardbedingungen nur 31% (2 x 30.6/197 = 0.31). Unter

Page 56: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

5. Glykolyse 6

physiologischen Bedingungen dürfte das für die Synthese von ATP notwendige ∆G' fast doppelt so hoch wie ∆G°' sein. Entsprechend ist die Effizienz der Glykolyse mit ~60% recht beachtlich. Dennoch ist der Ertrag der Glykolyse relativ gering, weil die Produkte noch viel chemische Energie enthalten. Beim vollständigen Abbau von Glucose zu CO2 und H2O wird fast 20 mal so viel Energie (∆G°'= –2840 kJ/mol) frei (siehe Tricarbonsäurezyklus und Atmungskette).

P

O

O

O

O

OO

O

OHO

OHO

OHO

OOHO

P

P

P

P

P

P

P

P

P

P

ATP

ATP

ATP (2)

ATP (2)

NADH (2)

OHO

(2) NADH

Glykolyse erfolgt in praktisch allen Zellen im löslichen Zytosol. Lediglich einige eukaryontische Parasiten (z.B. Trypanosomen, Erreger der Schlafkrankheit) haben einige Glykolyseenzyme in spezialisierten Organellen (Glycosomen; Abarten von Peroxisomen) kompartimentiert.

Aufwand Ertrag

Glucose 1 ATP ↓

G-6-P ↓ F-6-P

1 ATP ↓ FDP ↓ 2x GAP ↓ 2 NADH 2x 1,3-PGA ↓ 2 ATP 2x 3-PGA ↓ 2x 2-PGA ↓ 2x PEP ↓ 2 ATP 2x Pyruvat

2 NADH ↓ 2x Lactat

Total: 2 ATP

Page 57: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

5. Glykolyse 7

Regulation der Glykolyse Die Glykolyse wird am ersten spezifischen exergonen Schritt reguliert: Phosphofructokinase (PFK). ATP und Citrat (aus dem Tricarbonsäurezyklus) sind allosterische Hemmstoffe dieses tetrameren Enzyms, ADP oder AMP sind allosterische Stimulatoren. Da Phosphofructokinase das geschwindigkeitsbestimmende Enzyme ist, wird die Glykolyse bei aerobem Stoffwechsel (→ hoher ATP-Spiegel) gehemmt ("Pasteur-Effekt"). Zusätzlich wird Phosphofructokinase durch β-D-Fructose-2,6-bisphosphat stimuliert, das als second messenger (siehe Kapitel Signalübertragung) wirkt. Dieser Metabolit erhöht die Affinität des Enzyms für Fructose-6-phosphat und verringert die allosterische Hemmung des Enzyms durch ATP. Fructose-2,6-bisphosphat wird durch Phosphofructokinase 2 (PFK2) durch Phosphorylierung von Fructose-6-phosphat gebildet. PFK2 ist gleichzeitig eine Phosphatase, welche den 2-Phosphorylrest wieder abspalten kann. Welche der beiden gegensätzlichen Reaktionen in diesem "Tandem-Enzym" überwiegt, wird durch die Konzentration von Fructose-6-phosphat sowie durch Phosphorylierung von PFK2 an einem Serinrest bestimmt. Fructose-2,6-bisphosphat reguliert in umgekehrter Weise die Fructose-1,6-bisphosphatase in der Gluconeogenese (siehe später).

Sauerstoffmangel hat also zwei verschiedene Effekte: (1) Weil die oxidative Phosphorylierung blockiert ist, sinkt der intrazelluläre ATP-Spiegel, PFK wird stimuliert und der Glucoseverbrauch steigt. Das ist der Pasteur-Effekt. (2) Weil das in der Glykolyse gebildete NADH nicht mehr durch die Atmung verbraucht wird, kann es nur mit Pyruvat (Hefe: Acetaldehyd) als Elektronenakzeptor zu NAD+ zurückoxidiert werden. Die Endprodukte ändern sich: statt CO2 und Wasser wird anaerob Lactat (Hefe: Aethanol und CO2) produziert.

Page 58: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus
Page 59: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

6. TRICARBONSÄURE-ZYKLUS

1. Der Tricarbonsäurezyklus koppelt die Glykolyse an die Atmungskette Die Glykolyse Glucose → 2 Lactat ∆G°' = –197 kJ/mol liefert nur 2 ATP pro Mol Glucose, d.h. nur 4-5% des Abfalls an freier Energie, der die vollständige Verbrennung von Glucose zu CO2 und H2O begleitet: Glucose + 6 O2 → 6 CO2 + 6 H2O ∆G°' = -2'871 kJ/mol Die Endprodukte der Glykolyse werden durch Übertragung von Elektronen auf NAD+ und FAD oxidiert. Dies geschieht durch eine zyklische Reaktionsfolge, in der Tricarbonsäuren als Zwischenprodukte vorkommen, den Tricarbonsäurezyklus (engl. Tricarbonic acid [TCA] cycle), Citronensäurezyklus oder (zu Ehren des Entdeckers Hans A. Krebs) Krebs-Zyklus.

Page 60: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

6. Tricarbonsäure-Zyklus 2

Der Zyklus zerlegt die Endprodukte der Glykolyse und des Fettsäureabbaus in zwei Komponenten: • in reduzierende Elektronen, die auf NAD+ und FAD übertragen werden, und • Kohlenstoff in oxidierter Form als CO2. In Prokaryonten ist der Tricarbonsäure-Zyklus im Cytoplasma, in Eukaryonten in der Mitochondrien-Matrix lokalisiert. Ein Enzym, die Succinatdehydrogenase, ist fest in die innere Mitochondrienmembran bzw. die bakterielle Plasmamembran integriert und wurde ursprünglich als Komplex II der Atmungskette beschrieben. Ausser NAD+/NADH dient im Tricarbonsäure-Zyklus das Flavin-Adenin-Dinukleotid (FAD/FADH2) als Elektronenüberträger, wobei das Flavin-Ringsystem hintereinander zwei Elektronen einzeln aufnehmen kann (Semichinon-Radikal als Zwischenstufe):

.

N

N N

NHCH3

CH3

O

O

OHOH

OHOP

OO

OHOH

OHOH

OO

N

N N

N

NH2

PO

O

O

FADFlavin-Adenin-Dinukleotid

N

N

NHCH3

CH

O

O N

NH

O

O

R

H

•+ NCH3

CHN

R

H

N

H

e– + H+ e– + H+

3 3

Zucker werden meistens "aktiviert" durch Phosphorylierung (z.B. Glucose-6-phosphat). Acetat (= Essigsäure), Fettsäuren und Succinat werden aktiviert mit dem Cofaktor Coenzym A via "energiereiche" Thioesterbindung:

OHO

OO

N

N N

N

NH2

PO

OOP

O

OO

P OOO

OHNH

OO

NH

SH

Pantothenatβ-Mercaptoäthylamin

Coenzym A

Page 61: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

6. Tricarbonsäure-Zyklus 3

2. Umwandlung von Pyruvat zu Acetyl-CoA und CO2: Pyruvatdehydrogenase-Komplex Das unmittelbare Edukt des Tricarbonsäure-Zyklus ist Acetyl-CoA. Pyruvat aus der Glykolyse wird in die Mitochondrein transportiert und dort durch die Pyruvatdehydrogenase in Acetyl-CoA umgewandelt. Die Reaktion ist stark exergon (∆G°' = - 33.5 kJ/mol). Die Hydrolyse des Thioesters CH3–CO~SCoA + H2O → CH3–COOH + HS–CoA besitzt ein ∆G°' = -31.4 kJ/mol. Der Pyruvatdehydrogenase-Komplex besteht aus 3 verschiedenen Enzymen (jedes in mehreren Kopien) und 5 verschiedenen Coenzymen (total ca. 7·106 D). Die eigentliche Pyruvatdehydrogenase-Untereinheit katalysiert die Decarboxylierung von Pyruvat. An dieser Reaktion ist Vitamin B1

= Thiamin in der Form von Thiamin-pyrophosphat (TPP) beteiligt. TPP besitzt ein besonders reaktionsfähiges C-Atom, das Pyruvat angreifen kann. Das Additionsprodukt wird dann zum Hydroxyäthyl-Derivat decarboxyliert. Hydroxyäthyl-TPP wird auch als "aktivierter Acetaldehyd" bezeichnet. (Eine ähnliche Reaktion ist die einfache Decarboxylierung von Pyruvat zu Acetaldehyd in der alkoholischen Gärung.) Dihydrolipoyltransacetylase: Dieses Enzym enthält als Cofaktor Liponsäure, die als Amid kovalent an einen Lysinrest des Enzyms gebunden ist. Das Enzym katalysiert zwei aufeinanderfolgende Reaktionen: Die Bildung eines Acetyl-thioesters und die Übertragung der Acetylgruppe auf Coenzym A. Dabei wird die Disulfidbindung reduziert. Durch die Dihydrolipoyldehydrogenase wird die oxidierte (S–S) Form der Liponsäure regeneriert und ein Elektronenpaar auf FAD übertragen. Danach werden durch das gleiche Enzym die beiden Elektronen von FADH2 auf NAD+ übertragen. In Säugerzellen konkurriert der Pyruvat-dehydrogenase-Komplex mit Lactatdehydro-genase. In Hefezellen konkurriert er mit Pyruvatdecarboxylase.

CCH

O

3SS

O

NH

H

S–CoAH

FAD

SS

O

NH

FADH2

FAD NADH + H+

NAD+

CCCH

O

O O

3

Pyruvat

NADH + H+ +CO2

CoA-SH + NAD+

S-CoACCH

O

3

Acetyl-CoA

Pyruvatdehydrogenase

. N

N

S

N+

NH2

OPO

OOP

OO

OH+

CCCH

O

O O

3

N

N

S

N

NH2

OPO

OOP

OO

O

H CCH

O

3

C OO

+

SS

O

NH

CCH

O

3SS

O

NH

HHS–CoA

Page 62: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

6. Tricarbonsäure-Zyklus 4

3. Die einzelnen Schritte des Tricarbonsäurezyklus Eine C4-Dicarbonsäure und Acetyl-CoA werden zu einer C6-Tricarbonsäure kondensiert. 4 Elektronenpaare werden auf 3 NAD+ und 1 FAD übertragen und 2 Kohlenstoffe als CO2 freigesetzt. Die ursprüngliche C4-Dicarbonsäure wird dabei regeneriert. Citratsynthase ("condensing enzyme") Aconitase (Isomerisierung via Aconitat) Isocitratdehydrogenase Ein erstes Elektronenpaar wird auf NAD+ übertragen. Das erste CO2 wird freigesetzt.

S-CoACCH

O

3

Acetyl-CoA

Tricarbonsäure-Zyklus

CO2

CO2

C4 C6

C4

C6

C5

C4

C4

C4

NADH

NADH

NADH

FADH2

GTP

COO-

CH2

CHCOO-

COO-C

Citratsynthase

Aconitase

Isocitratdehydrogenase

S-CoACCH

O

3Acetyl-CoA

COO-

CH2

COO-

C O

COO-

CH2

CH2

COO-

OH COO-CCitrat

Oxaloacetat

cis-Aconitat

COO-

CH2

CHCOO-

COO-CHOH

H2O

COO-

CH2

CCOO-

CO

H2

H2O

CO2 + NADH + H+

NAD+

Isocitrat

α-Ketoglutarat

Aconitase

CoA

Page 63: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

6. Tricarbonsäure-Zyklus 5

α-Ketoglutaratdehydrogenase-Komplex Ein zweites Elektronenpaar wird auf NAD+ übertragen. Das zweite CO2 wird freigesetzt. Ein Teil der Energie wird als Thioester mit CoA aufgefangen. Dieser Enzymkomplex ist dem Pyruvatdehydrogenase-Komplex sehr ähnlich. Succinyl-CoA-Synthetase Eine Substratphosphorylierung! Pi wird über ein energiereiches Histidinphosphat am Enzym mit GDP kondensiert. GTP kann in einer Gleichgewichtsreaktion durch Nucleosid-phosphokinase in ATP "umgewechselt" werden: GTP + ADP GDP + ATP Succinatdehydrogenase Succinatdehydrogenase ist fest an die Innenseite der inneren Mitochondrienmembran (in Bakterien: der Plasmamembran) gebunden und überträgt ein drittes Elektronenpaar via ein nicht-kovalent gebundenes FAD und Eisen-Schwefel-Zentren auf Ubi-chinon. Es kann deshalb auch als Enzym der Atmungskette betrachtet werden (Komplex II). Fumarase Wasseranlagerung an die Doppelbindung. Malatdehydrogenase Ein viertes Elektronenpaar wird auf NAD+ übertragen. Dabei wird Oxaloacetat regeneriert für einen neuen Zyklus.

α-Ketoglutarat-dehydrogenase

Succinyl-CoA-Synthetase

Succinatdehydrogenase

Fumarase

Malatdehydrogenase

COO-

CH2

CCOO-

CO

H2α-Ketoglutarat

COO-

CH2

CC

OH2

S-CoA

Succinyl-CoA

COO-

CH2

COO-

C O

COOCH2

CCH2

OO-

Succinat

COO-

CH

CCH

OO-

Fumarat

COO-

CH

CCH2

OO-

OH

GDP + Pi

GTP + CoA-SH

Malat

Oxaloacetat

CO2 + NADH + H+

NAD+ + CoA-SH

FADH2

FAD

H2O

NADH + H+

NAD+

Page 64: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

6. Tricarbonsäure-Zyklus 6

4. ATP-Ausbeute der Oxidation von Glucose zu CO2 und H2O Die Elektronen, die von den Zwischenprodukten auf NAD+ und FADH2 übertragen wurden, werden von diesen auf die Atmungskette und somit letztlich auf Sauerstoff übertragen. Die frei werdende Energie wird zur Synthese von ATP genutzt. Ein Elektronenpaar von NADH liefert dabei 1.5 oder 2.5 ATP, von FADH2 1.5 ATP (siehe Kapitel 9) Pro 1/2 Glucose: ATP 1 ATP aus der Glykolyse → 1 1 cytosolisches NADH aus der Glykolyse → 1.5 1 NADH aus der Pyruvatdehydrogenase → 2.5 3 NADH aus dem Tricarbonsäurezyklus → 7.5 1 FADH2 aus dem Tricarbonsäurezyklus → 1.5 1 GTP → 1 Total: 15 ATP Jedes Glucosemolekül ergibt also 2 x l5 = ~30 ATP Die Energieausbeute unter Standardbedingungen ist 30 x 30.55 x 100 / 2'871 = ~33% unter den tatsächlichen Bedingungen sogar noch wesentlich höher. 5. Regulation des Tricarbonsäurezyklus Pyruvatdehydrogenase und TCA-Zyklus werden streng reguliert in allen exergonen Reaktionsschritten: Pyruvatdehydrogenase, Citratsynthase, Isocitrat-dehydrogenase und α-Ketoglutaratdehydro-genase. Aktivierung durch "Low energy"-Indikatoren (ADP, AMP). Inhibition durch "Hgh energy"-Indikatoren (ATP, NADH, Succinyl-CoA). Pyruvat-DH zusätzlich durch die Verfügbarkeit von Acetyl-CoA (aus Fettsäureabbau). Hormonelle Ragulation beeinflusst die Aktivität von Pyruvat-DH und α-Ketoglutarat-DH via Phosphorylierung des Enzyms (siehe Kapitel Signalübertragung).

Page 65: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

7. LIPIDE

1. Fette und Fettsäuren Lipide sind eine heterogene Klasse von Biomolekülen, die unlöslich sind in Wasser, aber gut löslich sind in organischen Lösungsmitteln, z.B. Methanol–Chloroform. Fette sind Ester des Glycerins mit drei – meist verschiedenen – langkettigen Fettsäuren

CHCH2

CH2

O

OO

OO

O

Triacylglycerin

Fette werden als wasserfreie Tröpfchen (lipid droplets) im Cytoplasma gespeichert, besonders in Adipocyten (Fettgewebe) und Hepatocyten (Leberzellen). Sie dienen hauptsächlich als Energievorrat, aber auch als Wärmeisolations- und Stützmaterial. Fettsäuren sind langkettige, unverzweigte Carbonsäuren mit einer geraden Anzahl C-Atomen. Dies ist auf ihre Biosynthese aus Essigsäure-Einheiten zurückzuführen. Es gibt gesättigte Fettsäuren (d.h. ohne Doppelbindungen) und ungesättigte (d.h. mit einer oder mehreren C=C Doppelbindungen): Einige natürlich vorkommende tierische Fettsäuren Anzahl

C Anzahl

C=C Trivialname Systematischer Name Formel

12 0 Laurinsäure n-Dodecansäure CH3(CH2)10COOH

14 0 Myristinsäure n-Tetradecansäure CH3(CH2)12COOH

16 0 Palmitinsäure n-Hexadecansäure CH3(CH2)14COOH

18 0 Stearinsäure n-Octadecansäure CH3(CH2)16COOH

20 0 Arachidinsäure n-Eicosansäure CH3(CH2)18COOH

16 1 Palmitoleinsäure cis-∆9-Hexadecansäure CH3(CH2)5CH=CH(CH2)7COOH

18 1 Oleinsäure cis-∆9-Octadecansäure CH3(CH2)7CH=CH(CH2)7COOH

18 2 Linolsäure cis,cis-∆9,∆12- Octadecadiensäure

CH3(CH2)4(CH=CHCH2)2(CH2)6COOH

18 3 Linolensäure all cis-∆9,∆12,∆15- Octadecatriensäure

CH3CH2(CH=CHCH2)3(CH2)6COOH

20 4 Arachidonsäure all cis-∆5,∆8,∆11,∆14- Eicosatetraensäure

CH3(CH2)4(CH=CHCH2)4(CH2)2COOH

Page 66: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

7. Lipide 2

Palmitinsäure Oleinsäure

Durch die cis-Konfiguration von Doppelbindungen entsteht ein "Knick", der die Packung von Fettsäure-ketten in Phospholipiden in Membranen stört und deren Fluidität erhöht. Seifen und Detergentien Lipide und Fettsäuren sind amphipathisch = amphiphil, d.h. sie enthalten sowohl hydrophile als auch hydrophobe Oberflächen. Fettsäuren besitzen hydrophobe uind hydrophile Anteile in einer solchen Anordnung, dass sie als Detergentien wirken, d.h. zwischen hydrophoben und hydrophilen Phasen vermitteln und so Fette in Lösung bringen können. Wegen ihres hydrophoben Teils sind amphipathische Moleküle nur in geringer Konzentration als Einzelmoleküle in Wasser löslich. Steigt die Konzentration über einen Grenzwert, die sog. kritische Mizellarkonzentration (cmc = critical micellar concentration), so formen die Moleküle reversibel lockere Aggregate, sog. Mizellen, in denen die apolaren Teile nach innen gerichtet sind und die polaren Teile nach aussen ragen. Die cmc ist für jedes amphiphile Molekül eine charakteristische Konstante, die allerdings von der Temperatur, Ionenstärke etc. abhängt.

unter der cmc über der cmc Die klassischen Detergentien, die Seifen, werden aus Lipiden gewonnen: Durch alkalische Hydrolyse (Verseifung) von Fett entstehen Natriumsalze von Fettsäuren. Wegen ihrer Detergenseigenschaften sind freie Fettsäuren (z.B. Laurinsäure) toxisch und kommen in vivo nur in sehr geringen Konzentrationen vor. Natriumlaurylsulfat = Natriumdodecyl-sulfat = SDS ist ein experimentell viel verwendetes Detergens, das im Gegensatz zu "milden" Detergentien wie Triton oder Octylglucosid, Proteine (lösliche oder membranverankerte) denaturiert (siehe SDS-Gelelektrophorese, weiter unten). Cholsäure und verwandte Moleküle (z.B. Deoxycholsäure) sind physiologische Detergentien, die von der Galle produziert und zur Emulgierung der Nahrungsfette in den Darm ausgeschüttet werden.

.

O

OH

OHO

OH

OH

OH

OHCOO–

LaurinsäureO

O

S OO

OO

Dodecylsulfat= Laurylsulfat

(SDS = sodium dodecylsulfate)

OO

OHOTriton-X

Deoxycholat

Octylglucosid

Cetyltrimethylbromid N+

Br–

Na+

Page 67: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

7. Lipide 3

Das "starke" Detergens SDS denaturiert Proteine (besonders in Kombination mit Hitze). Es entstehen dabei Komplexe der entfalteten Polypeptidketten mit den negativ geladenen SDS-Molekülen. Die Ladung pro Masse des Proteins ist dabei recht einheitlich. Die Komplexe sind aber umso sperriger, je länger die Polypeptidkette ist. Das ermöglicht die elektrophoretische Auftrennung von SDS-denaturierten Proteinen nach der Grösse in Polyacrylamidgelen, die wie ein Filter die grösseren Komplexe mehr zurückhalten als die kleinen (SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese). 2. Phospholipide und Shingolipide Phospholipide bezeichnet man auch als Phosphoglyceride oder Glycerolipide, weil sie wie die Fette (= Triglyceride) aus einem zentralen Glycerin bestehen, das mit Fettsäuren (allerdings nur 2) verestert ist. Die dritte Hydroxylgruppe des Glycerins ist über eine Phosphodiestergruppe mit einem polaren Alkohol verestert:

CHCH2

CH2

O

OO

OOPO

OO

N+

Phosphatidyl-cholin= Lecithin

H3N+

Phosphatidyl-äthanolamin CHCH2

CH2

O

OO

OOPO

OO

NH 3

O

O

+

Phosphatidyl-serin

CHCH2

CH2

O

OO

OOPO

OO

OHOH

Phosphatidyl-glycerin CHCH2

CH2

O

OO

OOPO

OO

OHOH

OHOH

OH

Phosphatidyl-inositol

CHCH2

CH2

O

OO

OOPO

OO

Zwischenstufen der Synthese oder des Abbaus sind (u.a.):

CHCH2

CH2

O

OO

OOPO

OO

Phosphatidsäure

H

CHCH2

CH2

O

OO

OPO

OO

Lysophosphatidsäure

HH

Page 68: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

7. Lipide 4

Die Zusammensetzung der Fettsäuren ist komplex, sodass die Gesamtzahl verschiedener Phospholipide sehr gross ist (>100). E. coli enthält hauptsächlich 3 Typen von Phospholipiden: Phosphatidyläthanolamin (~80%) Phosphatidylglycerin (~15%) Cardiolipin (~5%). Sphingolipide haben Sphingosin (statt Glycerin und einer Fettsäure) als "Rückgrat". Die Membranen von Nervenzellen sind besonders reich an Glycolipiden. 3. Hydrolyse von Fetten Triacylglyceride werden zunächst schrittweise durch Lipasen zu Glycerin und freien Fettsäuren hydrolysiert. Ähnlich werden Phospholipide zu 3-P-Glycerin und freien Fettsäuren hydrolysiert. Glycerin wird zu 3-P-Glycerin phosphoryliert, welches nach Dehydrierung mit NAD+ in die Glykolyse eingeschleust werden kann.

In der entgegengesetzten Richtung kann 3-P-Glycerin für die Biosynthese von Fetten und Phospho-glyceriden aus Glucose bereitgestellt werden (s.u.). 4. Oxidation von Fettsäuren Abbau (Katabolismus) und Biosynthese (Anabolismus) von Fettsäuren sind ein gutes Beispiel für die Regulation von zwei gegenläufigen Stoffwechselwegen. Ein gleichzeitiges Wirken von Ana- und Katabolismus würde nur zur Hydrolyse von ATP (Wärme) führen: Kurzschluss. Es gibt Regulations-Strategien, die — je nach physiologischem Bedarf — entweder nur anabolische oder nur katabolische Prozesse zulassen. Dies geschieht durch subtile Regulation einzelner chemischer Prozesse, sowie durch Kompartimentierung.

Page 69: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

7. Lipide 5

Freie Fettsäuren sind toxisch und werden rasch mit Coenzym A verestert (Thioester):

OHO

OO

N

N N

N

NH2

PO

OOP

O

OO

P OOO

OHNH

OO

NH

SH

Pantothenatβ-Mercaptoäthylamin

Coenzym A

Dies geschieht unter Aufwendung von chemischer Energie (ATP) in zwei Schritten: Zuerst entsteht ein Fettsäure-Adenylat, das als gemischtes Anhydrid sehr reaktiv ist, analog zu den Aminosäure-Adenylaten bei der Biosynthese von Proteinen. Das Fettsäure-Adenylat wird dann in einen Thioester der Fettsäure übergeführt. Die Thioester von Fettsäuren sind an der α-CH2-Gruppe relativ reaktiv. Die β-Oxidations-Spirale

CoAS

β

H H

H H

Acyl-CoA-Dehydrogenase

FAD

FADH2

CoAS

OH

H

Acyl-CoA

Trans-∆2-Enoyl-CoA

H2OEnoyl-CoA-Hydratase

CoAS

O

3-Hydroxyacyl-CoA

H OH

H H

3-Hydroxyacyl-CoA-Dehydrogenase

NAD+

NADH + H+

CoAS

O

β-Ketoacyl-CoAH H

O

β-Ketoacyl-CoA-Thiolase

CoAS

OΑcyl-CoA+Acetyl-CoA

CoASH

CoAS

O

+

ATP

PPi

OPO

O

OHO

O

N

N N

N

NH2

H

AMP

CoASH

CoAS

O

O

O

O

O

Page 70: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

7. Lipide 6

Im ersten Oxidationsschritt dient FAD als Elektronenakzeptor, im zweiten NAD+. FADH2 und NADH werden über die Atmungskette für die Synthese von ATP verwendet. Nur die thiolytische Spaltung der -CO-CH2-Bindung durch die SH-Gruppe eines Coenzym A ist stark exergon (irreversibel). Acetyl-CoA wird über den Tricarbonsäurezyklus zu CO2 und weiterem FADH2 und NADH fertig oxidiert. Energiebilanz Die Oxidation von Fettsäuren erzeugt sehr viel chemisch verwertbare Energie (ATP). Diese hohe ATP-Ausbeute sowie die Möglichkeit, Triacylglyceride intrazellulär als Fett-Tröpfchen zu speichern erklärt, warum Neutralfette für Zellen die wirksamsten Energiespeicher sind.

Reaktion ATP-Produktion Aktivierung von Palmitat zu Palmitoyl-CoA –2 Oxidation von 8 Acetyl-CoA im Tricarbonsäure-Zyklus 8x10 = 80 Oxidation von 7 FADH2 in der Atmungskette 7x1.5 = 10.5 Oxidation von 7 NADH in der Atmungskette 7x2.5 = 17.5 Total 106

5. Biosynthese von Fettsäuren

Page 71: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

7. Lipide 7

Die 3 Reaktionen zwischen -CH2-CH2- und -CO-CH2- sind chemisch identisch. Der kritische Unterschied besteht in der Bildung bzw. Spaltung der CO-CH2 Bindung: Acetyl-CoA wird zunächst mit CO2 zu Malonyl-CoA carboxyliert. Hierbei überträgt das Coenzym Biotin die (durch Hydrolyse von ATP aktivierte) Kohlensäure (HCO3– = in Wasser gelöstes CO2). Weitere Unterschiede, die das kontrollierte Nebeneinander der zwei Reaktionswege ermöglichen: 1. Die zelluläre Lokalisation: Mitochondrien vs. Zytoplasma. (Auch die Enzyme der chemisch identischen

Reaktionen sind nicht identisch, weil die Lokalisation in ihrer Sequenz festgelegt ist. Es handelt sich um Isoenzyme, die von separaten Genen codiert werden.)

2. Der Acyl-Carrier: CoA vs. ACP. 3. Elektronen-Akzeptor/Donor: FAD und NAD+ vs. NADP+. 4. Stereochemie der Hydrations-/Dehydrationsreaktion: 3-L- vs. 3-D-Hydroxyacyl-Carrier. Im Gegensatz zur β-Oxidation sind die Substrate der Synthesespirale nicht Thioester des CoA, sondern Thioester eines kleinen Proteins: Acyl Carrier Protein (ACP) Die kritische SH-Gruppe des ACP ist identisch mit Phosphopantothein, welches von CoA auf eine SerinSeitenkette des ACP übertragen worden ist. Der Acetyl-Rest wird von Acetyl-CoA auf ACP übertragen. In Form des AcetylACP ist die aktivierte Essigsäure eindeutig für die Synthese von langen Fettsäuren bestimmt und dem Tricarbonsäurezyklus entzogen. Diese Unterscheidung ist in Bakterien wie Escherichia coli wichtig, weil der Zitronensäurezyklus, sowie die β-Oxidation und Biosynthese der Fettsäuren im gleichen Kompartiment, nämlich im Cytoplasma, ablaufen.

OHO

OO

N

N N

N

NH2

PO

OOP

O

OO

P OOO

OHNH

OO

NH

SH

Pantothenatβ-Mercaptoäthylamin

Coenzym A

SerH2

COPO

OO

OHNH

OO

NH

SH

Pantothenatβ-Mercaptoäthylamin

Acyl-Carrier-Protein

ACP

Nachdem der Malonyl-Rest ebenfalls von Malonyl-CoA auf ein ACP übertragen worden ist, kondensiert Acyl-ACP mit Malonyl-ACP zu β-Ketoacyl-ACP. Die Reaktion wird durch die stark exergone Abspaltung von CO2 praktisch irreversibel. CO2 spielt also bei der Biosynthese der Fettsäuren eine katalytische Rolle.

O

O

OH

S

NH NHO

O

NH

S

N NHO

O

NH

O

O

ATP

ADP + Pi

CoAS

O

CoASO

OO

S

NH NHO

O

NH

Page 72: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

7. Lipide 8

6. Biosynthese von Lipiden Phosphatidsäure und Fett

CH2O

HC OCH2O

PO32

Dihydroxyaceton-P

Glycerin-3-P wird aus Dihydroxy-Aceton-Phosphat durch Hydrierung mit NADH erhalten. In zwei weiteren Schritten werden die beiden freien OH-Gruppen durch AcylCoA mit Fettsäuren verestert.

CH2O

HCOCH2O

PO32

H HCH2OCOCH2O

PO32

H HCH2OCOCH2O

PO32

C H

NADH

NAD+

Glycerin-3-P

R2

OC R1

O

C R1

O

Acyl-CoA CoA Acyl-CoA CoA

Lysophosphatidsäure Phosphatidsäure Fette (Triglyceride = Triacylglycerine) entstehen aus Phosphatid-säure durch Ersatz des Phosphats durch eine dritte Fettsäure: Eine Phosphatase und eine Transacylase katalysieren den Austausch.

CH2OCOCH2O

C HR2

O C R1

O

CH2OCOCH2O

C HR2

O C R1

O

H

H2O

Pi

Acyl-CoA

CoA

C R3

O

Diacylglycerin

Triacylglycerin

Phospholipide Um die Phosphatgruppe der Phosphatidsäure mit einem polaren Alkohol verestern zu können, muss sie erst durch Bildung einer Pyrophosphorsäure-Anhydrid-Bindung aktiviert werden:

CH2OCOCH2O

PO32

C HR2

O C R1

O

Phosphatidsäure

CTP PPi

CH2

COCH2O

C HR2

O C R1

O

CDP-Diacylglycerin

OHOH

OO

N

N

NH2

PO

OOP

O

OO

O

Page 73: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

7. Lipide 9

Dies geschieht im Fall der Phospholipid-Biosynthese durch Reaktion mit CTP. Anschliessend wird die aktivierte Phosphatidsäure (CDP-Diacylglycerin) entweder auf L-Serin oder auf ein weiteres Molekül Glycerin-3-P übertragen, wobei CMP freigesetzt wird. Phosphatidylserin wird zu Phosphatidyläthanolamin (PE) decarboxyliertund durch Einführung von drei Methylgruppen in Phosphatidylcholin (PC, Lecithin) überführt. Phosphatidylglycerin entsteht aus Phosphatidylglycerinphosphat durch die Wirkung einer Phosphatase. Cardiolipin (= Diphosphatidyl-glycerin), entsteht in einer Umesterungs-Reaktion aus 2 Molekülen Phosphatidylglycerin, wobei Glycerin freigesetzt wird.

Serin

CMP

Phosphatidylserin

CDP-Diacylglycerin

CO2

Phosphatidyläthanolamin

Phosphatidylcholin

3x Methylierung

CDP-Diacylglycerin

Glycerinphosphat

CMP

Phosphatidylglycerinphosphat

Pi

Phosphatidylglycerin

Phosphatidylglycerin

Glycerin

Cardiolipin

OPO

OOCH2

COCH2OH

C

O

C

O

HC

CH2OH

CH2PO

OO

CH2

CO

CH2O HC

O

C

O

O

Page 74: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus
Page 75: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

8. BIOLOGISCHE MEMBRANEN

1. Allgemeines Membranen sind ein essentieller Bestandteil aller Zellen. Bei Prokaryoten ist das Cytoplasma von mindestens einer Zellmembran umgeben; bei Eukaryoten ist zusätzlich das Cytoplasma durch Membranen in Kompartimente (Organellen) unterteilt. Biologische Membranen sind …

a. … Trennflächen, die die Zellen von der Umwelt abtrennen oder in Kompartimente unterteilen b. … biochemische Maschinen, die Energietransformationen und Transportprozesse katalysieren c. … biochemische "Antennen", die chemische oder physikalische Signale von aussen (Hormone,

Licht etc.) empfangen, verstärken und weiterleiten. Biologische Membranen sind zweidimensionale asymmetrische Lösungen von amphiphilen Proteinen in einer Lipiddoppelschicht aus Phospholipiden, Cholesterin und Sphingolipiden. Fast alle biologischen Funktionen werden von den Membranproteinen katalysiert. Membranen können bis zu 75% aus Protein bestehen, wie z.B. die innere Mitochondrienmembran, oder nur zu 25%, z.B. die den Sehpurpur (Opsin) tragende Membran der Sehstäbchen. 2. Phospholipid-Bilayer Phospholipide sind weder in Wasser noch in völlig apolaren Lösungsmitteln gut löslich. Gute Lösungsmittel sind 90% Aceton oder Chloroform/Methanol-Mischungen. Wegen ihrer Geometrie bilden Phospholipide in wässriger Lösung allerdings meist nicht Micellen (oben) wie die üblichen Detergentien, sondern flächige Strukturen. An der wässrigen Oberfläche bilden die Phospholipidmoleküle dabei einen Monolayer, bei dem die polaren Kopfgruppen der Lipide in das Wasser eintauchen und die apolaren Fettsäurereste in die Luft stehen. Im Wasser bilden sich flächige Doppelschichten = Bilayer aus (mitte). Künstlich hergestellte Membranen bilden meist kugelförmige Doppelschichten (in sich geschlossene Fläche), sog. Liposomen (unten).

Mizellen und Doppelschichten werden vorwiegend durch den Entropie-Effekt zusammengehalten: Die Wassermoleküle, die relativ fest über H-Brücken verbunden sind, schliessen die hydrophoben Acylreste aus. Bei beiden dieser Anordnungen wird vermieden, dass hydrophobe Regionen direkt mit Wasser in Kontakt sind. Aus diesem Grund sind planare Bilayer mit "offenen" Rändern nicht stabil. Alle biologischen Membranen sind in sich geschlossen und trennen Räume voneinander ab. Da die Acylreste z.T. ungesättigt und daher sperrig sind, ist eine Doppelschicht umso "flüssiger", je höher der Anteil an ungesättigten Fettsäuren und je höher die Temperatur ist. Ähnlich normalen Flüssigkeiten "schmelzen" und "gefrieren" Membranen: bei niedrigen Temperaturen existierende Lebewesen (Kaltwasserfische) enthalten deshalb besonders stark ungesättigte Phospholipide.

Page 76: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

8. Biologische Membranen 2

Jede Phospholipid-Doppelschicht hat also einen hydrophoben Kern, der als elektrischer Isolator wirkt und etwa die Viskosität von Olivenöl hat. In proteinfreien Phospholipid-Doppelschichten können die einzelnen Phospholipid-Moleküle um die eigene Achse rotieren und in der Membranebene diffundieren, nicht jedoch von einer Seite auf die andere Seite überwechseln: ein flip-flop ist in proteinfreien Phospholipid-Doppelschichten energetisch "verboten", da geladene Kopfgruppen durch den hydrophoben Membrankern wandern müssten. In vielen biologischen Membranen scheinen spezifische Membranproteine (Flippasen) den Flip-flop von Phospholipiden zu katalysieren. Phospholipide können also schnell in der Membranebene diffundieren und um ihre Längsachse rotieren, aber nur bedingt von einer Seite der Membran auf die andere wechseln. In den meisten biologischen Membranen haben die beiden Monolayer des Phospholipid-Bilayers eine quantitativ verschiedene Phospholipidzusammen-setzung: Der Bilayer ist partiell asymmetrisch, durch die Aktivität energiegetriebener Flippasen. 3. Cholesterin Ein wichtiger Bestandteil von tierischen Membranen ist Cholesterin, das insbesondere in der Plasmamembran bis zu einem Drittel der Lipide ausmachen kann. Pflanzen, Protozoen und Pilze enthalten geringere Mengen von verwandten Sterinen. Den Bakterien fehlt diese Stoffklasse.

OH

Page 77: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

8. Biologische Membranen 3

Die Fluidität von Membranen wird durch die Sterine (engl. sterols) wegen ihrer steifen Struktur verringert. Die Hydroxylgruppe von Cholesterin wirkt als relativ polare Kopfgruppe. Cholesterin wird aus C5-Isopreneinheiten aufgebaut, die wiederum aus Acetyleinheiten gebildet werden. Die Cholesterin-Biosynthese gliedert sich in 3 Hauptabschnitte:

1. Synthese von Mevalonsäure aus Acetyl-CoA. 2. Umwandlung von Mevalonsäure in aktivierte Isopreneinheiten. 3. Kondensation von 6 Isopreneinheiten zu Squalen. 4. Ringbildung zu einem 4-Ring-Steroidgerüst.

1. Synthese von Mevalonsäure aus Acetyl-CoA Zwei Acetyl-CoA-Moleküle werden durch eine Thiolase zu Acetoacetyl-CoA kondensiert. s HMG-CoA-Synthase kondensiert ein drittes Acetyl-CoA dazu, sodass β-Hydroxy-β-methyl-glutaryl-CoA entsteht. Diese beiden ersten Reaktionen sind reversibel. Die Reduktion zu Mevalonsäure dagegen ist der erste irreversible Schritt. Die HMG-CoA-Reductase ist deshalb das Schlüsselenzym für die Regulation der Cholesterinsynthese! 2. Umwandlung von Mevalonsäure zu aktivierten Isopreneinheiten Mevalonsäure wird unter Aufwendung von 3 ATP durch dreifache Phosphorylierung aktiviert. Die Phosphatgruppe an der β-Hydroxylgruppe erleichtert die Decarboxylierung und gleichzeitige Dephosphorylierung, wobei eine Doppelbindung entsteht. Es ergeben sich zwei isomere und durch Pyrophosphat aktivierte Isoprene.

CoAS

OO

CoAS

O2 x

CoAHS

CoAS

O

OH

2 NADPH

2 NADP+ + HS-CoA

–OOC CH2 C CH2 C

O

CoAS

CH3

OH

–OOC CH2 C CH2 CH2 OH

CH3

Acetyl-CoA

Acetoacetyl-CoA

Hydroxy-methyl-glutaryl-CoA(HMG-CoA)

Mevalonat

3 ATP

3 ADP

–OOC CH2 C CH2 CH2

CH3

OP

O

OO

O OPO

OOP

O

O

3-Phospho-5-pyrophospho-mevalonat

CO2 + Pi

O OPO

OOP

O

O

O OPO

OOP

O

O

AktivierteIsoprene

HMG-CoA-reductase

CoAHS

Page 78: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

8. Biologische Membranen 4

3. Kondensation von 6 Isopreneinheiten zu Squalen Durch zwei Kopf-zu-Schwanz-Kondensationen von 3 aktivierten Isoprenpyrophosphaten entsteht Geranylpyrophosphat und dann Farnesylpyrophosphat. Zwei Farnesylpyrophosphate werden schliesslich Kopf-zu-Kopf und unter Reduktion mit NADPH zu Squalen vereinigt. 4. Ringbildung zu einem 4-Ring-Steroid-gerüst Die Squalenstruktur lässt sich leicht so darstellen, dass die mögliche Bildung von drei 6-Ringen und einem 5-Ring sichtbar wird. Zuerst wird durch die Squalen-Monooxygenase ein Sauerstoff als Epoxid eingeführt. Die Epoxidgruppe ist reaktiv und die Doppelbindungen sind so positioniert, dass in einer konzertierten Reaktion die zyklische Struktur von Lanosterol entstehen kann. Durch etwa 20 weitere Reaktionen, die insbesondere verschiedene Methylgruppen verschieben oder entfernen, entsteht schliesslich Cholesterin, das wiederum das Ausgangsprodukt für die Synthese von Steriodhormonen und Gallensäuren ist.

P P

P P

P P

P P

PPi

P P

PPi

2 PPi + NADP+

P P

+ NADPH

Geranyl-PP

Farnesyl-PP

Squalen

Prenyl-transferase

Prenyl-transferase

Squalen-synthase

OH

O

NADP+ + H2O

NADPH + O2Squalen-

monooxygenase

Squalen

Squalen 2,3-epoxid

Cholesterin

Cyclase

OH

Lanosterol

Page 79: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

8. Biologische Membranen 5

4. Membranproteine Nicht nur die Llipide, sondern auch die Proteine einer Membran sind amphiphil: sie enthalten sowohl hydrophile als auch hydrophobe Oberflächen. Letztere sind in die Lipiddoppelschicht eingebettet. Im einfachsten Fall ist der hydrophobe Teil eine ununterbrochene Sequenz von apolaren Aminosäuren, die als α-Helix in die Membran eingelagert sind. Da bei dieser Anordnung jede Aminosäure die Länge der Helix um 1.5Å verlängert und der apolare Kern einer Membran etwa 30 Å dick ist, benötigt ein Protein dafür etwa 20 Aminosäuren. Diese apolaren Abschnitte lassen sich meist in einem Hydrophobizitäts-Plot darstellen: Jeder Aminosäure wird ein Wert für die Hydrophopbizität ihrer Seitenkette zugeordnet. Für jede Position in der Polypeptidkette wird dann die durchschnittliche Hydrophobizität der 7–15 benachbarten Aminosäuren aufgetragen (um die Kurve zu glätten).

(Die Hydrophobizitätsskala nach Goldman, Engelman und Steitz.)

In den obigen Hydrophobizitäts-Plots erkennt man in allen drei Fällen einen ersten hydrophoben Abschnitt ganz am N-Terminus (schwarz), der der Signalsequenz entspricht. Diese Sequenz "dirigiert" das Protein zum ER (Eukaryoten) bzw. zur Plasmamembran (Prokaryoten), wird dann abgespalten (Pfeil) und ist im fertigen Protein nicht mehr vorhanden. Im übrigen sieht man klar, dass Glycophorin die Membran ein einziges Mal durchspannt. Bacteriorhodopsin besitzt sieben Transmembranhelices, die z.T. nicht sehr deutlich von einander separiert sind. Das Porin OmpF ist mit dieser Methode nicht als Membranprotein erkennbar.

Page 80: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

8. Biologische Membranen 6

Mehrfach die Membran durchspannende Proteine (multi-spanning oder polytopic membrane proteins) sind fast immer Bündel von Transmembranhelices. Eine Ausnahme bildet eine Gruppe von Porenproteinen in der äusseren Membran von Bakterien, Mitochondrien und Chloroplasten. Dabei bildet die Polypeptidkette ein β-Faltblatt in Form eines Zylinders. Um ausgestreckt die hydrophobe Phase der Membran zu durchspannen, braucht es nur 7–9 Aminosäuren. Jede zweite Seitenkette im Faltblatt ist nach aussen gerichtet und apolar. Es braucht deshalb eine aufwendigere Sequenzanalyse um β-Barrel-Proteine zu erkennen. Ausser den typischen integralen Membranproteinen sind auch sog. periphere Proteine mit Membranen assoziiert. Sie sind nicht-kovalent an integrale Proteine, gelegentlich auch direkt an die Phospholipid-Kopfgruppen, gebunden. Sie lassen sich meist mit hoher Salzkonzentration oder chaotropen Substanzen wie Harnstoff ablösen. Proteine können sich in der Membran ähnlich wie Phospholipide bewegen. Rotation und Diffusion in der Membranebene sind jedoch langsamer. Proteine können nicht durch die Membran rotieren (flip-flop). Sie sitzen asymmetrisch in der Membran. Membranproteine können aus der Lipidmembran weder durch hohe Salzkonzentrationen noch durch denaturierende Stoffe wie Harnstoff, sondern nur durch Detergentien herausgelöst werden. Diese bilden mit den Phospholipiden gemischte Mizellen und decken die apolaren Domänen der Membranproteine ab.

Beim Entfernen des Detergens bilden die Lipide spontan wieder Doppelschichten in Form von Liposomen, in denen die Proteine oft wieder korrekt eingebettet sind. Das erlaubt funktionelle Studien mit gereinigten Membranproteinen (z.T. Messung von Ionentransport ins Innere der Liposomen).

Page 81: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

8. Biologische Membranen 7

5. Transport durch biologische Membranen Eine Phospholipid-Bilayer ist für elektrisch geladene oder polare Moleküle weitgehend undurchlässig. Nur kleine, polare, ungeladene Moleküle sind von dieser Regel ausgenommen.

Bei ungeladenen Substanzen steigt die Permeationsfähigkeit mit der Löslichkeit in apolaren Lösungsmitteln.

Der Transport von geladenen oder polaren Molekülen durch biologische Membranen kann im Prinzip durch zwei grundsätzlich verschiedene Mechanismen erfolgen: durch Carrier / Transporter oder durch Kanäle (channels). Ein Carrier ähnelt einer Schleuse: die zu transportierende Substanz wird auf einer Seite der Membran an das Carrier-Protein gebunden, worauf der Carrier seine Konformation so ändert, dass die zu transportierende Substanz auf der anderen Seite der Membran freigesetzt werden kann. Wenn für diesen Vorgang Energie aufgewendet wird (was es dann auch erlaubt, Substanzen gegen ihren Konzentrations-gradienten zu transportieren), spricht man von einer Pumpe. Ein Kanal ist dagegen eine mit Wasser gefüllte Pore, die für bestimmte Substanzen durchlässig ist.

Page 82: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

8. Biologische Membranen 8

ATP-getriebene Pumpe Ionenkanal Transporter / Carrier Ein Beispiel für einen Carrier ist der Glucose-Transporter in der Plasmamembran u.a. von Erythrozyten: Glucose kann, dem Konzentrationsgefälle folgend, vom Blut durch den Transporter in die Zellen "diffundieren". Diese erleichterte Diffusion (facilitated diffusion) unterscheidet sich von einer einfachen Diffusion dadurch, dass sie der Michaelis-Menten-Kinetik gehorcht. Detaillierteres Modell eines "facilitated diffusion"-Transporters:

Um Substanzen gegen das Konzentrationsgefälle durch Membranen zu pumpen (z.B. Aufnahme von Nährstoffen aus der Umgebung durch freilebende Bakterien), muss Energie aufgewendet werden: man spricht von aktivem Transport. Oft kann das Transportsystem selbst ATP spalten und die dabei freiwerdende Energie für den aktiven Transport einer Substanz verwenden (ATP-getriebene Pumpe). Manchmal kann ein Transportsystem auch indirekt durch ATP angetrieben werden: ein durch eine ATP-getriebene Ionenpumpe erstellter Ionengradient kann in einer Symport- (oder Antiport-)Reaktion die konzentrative Aufnahme einer anderen Substanz über einen Transporter treiben, der die Energie des Ionengradienten als Energiequelle benützt.

Uniporter Symporter Antiporter

Page 83: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

8. Biologische Membranen 9

Ein Beispiel ist die aktive Aufnahme von Glucose im Darm. Durch eine ATP-getriebene Pumpe wird ein Na+-Gradient aufgebaut, der dann den Symport mit Glucose auch gegen einen Glucosegradienten antreibt.

Ionophoren sind toxische Moleküle, die Ionen durch biologische Membranen transportiert können. Ein typischer Ionophor ist das zyklische Oligopeptid Valinomycin, das spezifisch mit K+-Ionen einen lipophilen Komplex bildet, und deshalb K+ (aber nicht Na+ oder H+) durch Membranen transportiert. Das mit K+ beladene oder leere Valinomycin diffundiert hin und her wie eine Fähre. Solche Ionophoren sind natürlich toxisch.

Page 84: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

8. Biologische Membranen 10

Repräsentieren biologische Membranen genetische Information? Die Bausteine biologischer Membranen werden, ebenso wie die anderen Bausteine einer Zelle, durch die in DNA gespeicherte Information determiniert: Proteine direkt, Lipide und Zucker indirekt (über die sie synthetisierenden Enzymproteine). Zusätzlich zu der Information, die durch ihre Bausteinen repräsentiert wird, enthalten biologische Membranen aber noch Information, welche durch die räumliche Anordnung dieser Bausteine gegeben ist. Ein Beispiel: selbst wenn wir alle Informationen zur Synthese der einzelnen Bestandteile der Plasmamembran von Menschenzellen verfügbar hätten, wüssten wir a priori nicht, wie ein bestimmtes Protein der Plasmamembran in diese eingebettet ist. Man nimmt deshalb heute an, dass biologische Membranen als Matrize (template) für ihre eigene Synthese fungieren. Ohne bereits vorhandene Plasmamembran kann also keine Plasmamembran gebildet werden. Mit anderen Worten: biologische Membranen vermehren sich durch Wachstum der bereits bestehenden gleichartigen Membranen. Dieses Vermehrungsprinzip entspricht im Wesentlichem dem von DNA. Wenn also durch Eingriff von aussen ein Membrantyp in einer Zelle verloren geht, kann sich diese Membran nicht mehr regenerieren, selbst wenn in der Zelle alle dafür notwendigen Bausteine vorhanden sind. Die in unserer DNA schlummernde genetische Information repräsentiert also nur einen Teil unseres Erbguts. Ein anderer, ebenso wichtiger Teil ist in unseren verschiedenen Membransystemen niedergelegt. Beide Arten von Information werden bei Zellteilung an die Tochterzellen weitervererbt. Ein weitere, nicht direkt genetische Information ist das Kulturgut, das Menschen ihren Kindern durch Beispiel, durch akustische Vermittlung (Sprache, Musik), und durch Schrift und Bild weitergeben. All diesen Informationen ist gemeinsam, dass sie für unsere Identität notwendig sind und bei Deletion irreversibel verloren gehen.

Page 85: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

9. MEMBRANGEKOPPELTE ATP-SYNTHESE

1. Substratphosphorylierung — Photophosphorylierung — Oxidative Phosphorylierung ATP-Synthese in der Glykolyse erfolgt durch chemische Reaktionen mit Substratmolekülen an löslichen Enzymen (Substratphosphorylierung). Diese ATP Synthese ist nicht sehr effizient und die Anhäufung von Glykolyseendprodukten (Aethanol, Milchsäure) wirkt zudem hemmend oder gar toxisch. Effizientere ATP-Synthesewege haben sich entwickelt, die an Membranen ablaufen: A. Lichtgetriebene ATP-Synthese (= Photophosphorylierung) in Halobakterien mit Bacteriorhodopsin. B. Oxidations-getriebene ATP-Synthese (oxidative Phosphorylierung) in Pro- und Eukaryoten C. Photophosphorylierung in Pflanzen und gewissen Bakterien Die für die endergone Reaktion ADP + Pi ————> ATP + H2O notwendige Energie wird also entweder durch Sonnenlicht (a, b) oder durch exergone Redoxreaktionen (c) gewonnen. Ein membranumhülltes Kompartiment enthält in der Membran zwei Enzymsysteme: 1. Eine H+-Pumpe, die unter Energieverbrauch H+ von einer Seite der Membran auf die andere pumpt und dabei einen H+-Gradienten und gleichzeitig ein elektrisches Membranpotential aufbaut. 2. Eine H+-getriebene ATP-Synthase, welche den exergonen Rückfluss von H+ durch die Membran an die Synthese von ATP koppelt. Trennung und Rückfluss von H+ finden in folgenden Membranen statt: a. Prokaryoten: in der Zellmembran (Gram-negative Bakterien: in der inneren Zellmembran) b. Eukaryoten: in der innere Mitochondrien-membran (oxidative Phosphorylierung) und in der Thylakoidmembran (Photophosphorylierung).

H+

H+H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+H+ H+

H+

H+

H+

H+H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+ H+

H+

H+H+

H+

H+

H+

H+-Pumpe

ATP

ADP + Pi

ATP-SynthaseH+

H+

H+

H+

H+

H+H+

H+

H+

H+H+

H+

H+H+

H+H+

H+

H+H+

H+H+

H+

H+H+

H+H+

H+

H+H+

H+H+

H+

H+H+

H+H+

H+

H+H+

H+H+

H+

H+H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+

H+

Energie

Page 86: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

9. Membrangekoppelte ATP-Synthese 2

2. Die H+-getriebene ATP-Synthase Die verschiedenen membrangekoppelten ATP-Syntheseprozesse unterschieden sich hauptsächlich in der H+-Pumpe. Die ATP-Synthase ist in allen Systemen sehr ähnlich. Alle bekannten Zellen enthalten mindestens eine H+-getriebene ATP-Synthase, die im Verlauf der Evolution sehr konserviert geblieben ist. Sie besteht aus mehr als 20 Polypeptiden mit einem Gesamtgewicht von etwa 500 kD. Der Komplex besteht aus einem membranintegrierten Teil Fo und einem globulären Teil F1, der in die Matrix ragt. F1 besteht aus fünf verschiedenen Polypeptiden mit der Stöchiometrie α3β3γδε. Je 3 α und β Untereinheiten abwechselnd im Kreis bilden die Hauptmasse des F1-Komplexes. Die β Untereinheiten enthalten je eine katalytische Stelle für ATP-Synthese bzw. -Hydrolyse. Zuoberst sitzt eine δ-Untereinheit. Die γ-Untereinheit ragt ins Zentrum des α3β3-Komplexes und ist noch mit ε verbunden. (In der Abbildung wurden die vorderen α- und β-Ketten durchsichtig gezeichnet.) Der F1-Komplex lässt sich von der Membran ablösen und besitzt in dieser Form ATPase-Aktivität (Hydrolyse von ATP zu ADP). Nebenstehend ist die Kristallstruktur des α3β3γ-Komplexes.

Der membranintegrierte Fo-Komplex besteht hauptsächlich aus den 3 Proteinen a, b und c mit der Stöchiometrie a b2 c10-14. Protein c besteht aus zwei haarnadelförmig die Membran durchspannenden Helices. In E.coli bilden 12, in Hefemitochondrien 10 und in Chloroplasten 14 c-Proteine einen kreisförmigen Komplex. Die Protonen passieren den Fo-Komplex zwischen den c-Proteinen und dem Protein a. Dabei werden Konformationsänderungen induziert, die zu einem Drehen des c-Komplexes gegenüber a führt (wie das Schaufelrad in einer Turbine). Die Drehung wird über γε ins Innere von F1 übertragen. Die α- und β-Ketten drehen sich nicht mit, sondern werden über die b-Proteine und δ gegenüber a stationär gehalten. (γε und cn bilden den Rotor, a b2 α3β3δ bilden den Stator der Turbine.)

αα ββ

γ

cn

a

ε

F1

Fo

δ

b

Page 87: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

9. Membrangekoppelte ATP-Synthese 3

Die Drehung der γ-Untereinheit zwingt den β-Untereinheiten verschiedene Konformationen auf: • L = loose: ADP und Phosphat können binden.

• T = tight: Die Bindungsstelle schliesst sich; die hydrophobe Umgebung fördert die Kondensation von ADP+Pi zu ATP.

• O = open: ATP kann dissoziieren.

Wieviele Protonen müssen durch Fo fliessen, um ein ATP zu synthetisieren? Jedes c-Protein transportiert ein Proton pro Drehung. Bei 10 c-Proteinen in Mitochondrien wäre also von 10 Protonen pro Drehung auszugehen. Pro Drehung werden 3 ATP synthetisiert. Das entspricht 31/3 H+/ATP. Weil die ATP-Synthase von E.coli 12 und von Chloroplasten 14 c-Proteine besitzt, ist anzunehmen, dass dort pro ATP 4 oder mehr H+ benötigt werden. Wenn kein ADP vorhanden ist, lässt sich die Kurbel nicht mehr weiter drehen — sinnvollerweise. Die ATP-Synthase kommt zum Stillstand, ebenso der Protonenfluss. Das ist ein wichtiger Aspekt der Atmungskontrolle (siehe weiter unten). Umgekehrt wird die ATP-Synthese durch Stoffe gehemmt, die den Fo-Kanal für H+ blockieren: • In Mitochondrien das Antibiotikum Oligomycin. • In allen Systemen (Bakterien, Chloroplasten, Mitochondrien): Dicyclohexyl-carbodiimid (DCCD). DCCD bindet sich kovalent an einen Glutamatrest der hydrophoben c-Untereinheiten von Fo.

— N = C = N —

Stoffe, welche die Membran gegenüber Protonen durchlässig machen, zerstören den H+-Gradienten und verhindern ebenfalls die ATP-Synthese. Solche Stoffe nennt man Entkoppler, weil sie die Protonenpumpe von der ATP-Synthase enkoppeln. Es sind meist schwache, lipophile Säuren, die durch Membranen diffundieren können. Sie wirken als H+-Träger (Protonophoren) über die Kopplungsmembran. Das bekann-teste Beispiel ist 2,4-Dinitrophenol. Detergentien entkoppeln auch (warum?). Entkoppler setzen die Energie, die in den H+-Gradienten gespeichert wurde, als Wärme frei. Im braunen Fett von neugeborenen Säugern und von Tieren, die einen Winterschlaf machen, wird dieser Mechanismus zur Wärmeproduktion genutzt. Das braune Fett sind spezialisierte Adipozyten (Fettzellen), die das Protein Thermogenin, auch Entkoppler-Protein genannt, enthalten, das ein kontrolliertes Protonenleck bildet.

OH

NO2

O2NO –

NO2

O2N

H+

OH

NO2

O2NO –

NO2

O2N

H+

.

Page 88: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

9. Membrangekoppelte ATP-Synthese 4

3. H+-Pumpen A. Bacteriorhodopsin In stark salzhaltigen Lösungen (Ränder des Toten Meeres) leben halophile (salzliebende) Archaebakterien. Halobacterium halobium trägt in seiner Plasmamembran ein aus 248 Aminosäuren bestehendes purpurfarbenes Protein, das die Membran 7 mal durchspannt. Die Farbe wird durch die prosthetische Gruppe all-trans-Retinal erzeugt. Dieser Aldehyd ist als Schiff'sche Base an eine ε-Amino-gruppe eines Lysinrests gebunden. Da dieses Chromoprotein dem Sehpurpur (Rhodopsin) unserer Sehstäbchen sehr ähnlich ist, wird es Bacteriorhodopsin genannt. Mehrere Aminosäureseitenketten, darunter besonders 2 Aspartate, bilden eine Anordnung von negativen Teilladungen, die eine Kette von H+ binden. Eines davon ist auch mit der Schiff'schen Base assoziiert. Bei Absorption eines Photons wird eine trans-C=C-Bindung zur cis-Konformation isomerisiert. Dabei wird das assoziierte Proton verschoben, in den Einflussbereich eines anderen Aspartats gebracht und sein pKa erniedrigt. Die ganze Kette von Protonen wird dadurch verschoben, mit dem Resultat, dass netto ein Proton vom Zellinneren (in der Abbildung oben) verschwindet und eines auf der Membranaussenseite (unten) erscheint. Es werden also Protonen nach aussen gepumpt. (N.B.: Das Rhodopsin unserer Sehzellen im Auge ist ebenfalls ein 7-Transmembranprotein mit einem kovalent gebundenen Retinal, allerdings mit einem 11-cis-Retinal. Licht bewirkt die Isomerisierung zu all-trans-Retinal. Dies bewirkt keinen Protonentransport, sondern eine Konformationsänderung im Protein, die über eine Signalkaskade einen Nervenimpuls auslöst.) Dass in Mitochondrien ein Protonengradient die ATP-Synthase antreibt, wurde 1961 von Peter Mitchell als die Chemiosmotische Hypothese postuliert. Das klassische Experiment, das dies praktisch bewies, kombinierte die Rekonstitution von gereinigtem Bakteriorhodopsin und isolierter mitochondrieller F1Fo-ATP-Synthase in einer Membran. Die gereinigten Proteine wurden in Detergens miteinander und mit Lipiden gemischt. Das Detergens wurde durch Dialyse entfernt, wobei sich Liposomen mit eingebautem Protein (= Proteo-liposomen) bildeten. Bei Belichtung wurde ATP synthetisiert (zumindest in den Liposomen die Bakteriorhodopsin in der richtigen Orientierung eingebaut hatten).

N L y sAsp-COO

H+

H

NH

L y s

Asp-COOH

Asp-COO

H+

-H+

-

+

Asp-COO

Page 89: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

9. Membrangekoppelte ATP-Synthese 5

B. Oxidative Phosphorylierung Die allermeisten Organismen verwenden eine Elektronen-Transfer-Kette, um Protonen zu pumpen. Dabei werden Elektronen von Molekülen mit negativerem Standardredoxpotential in mehreren Stufen auf Moleküle mit positiverem Standardredoxpotential übertragen. Diese Prozesse sind an den Transport von H+ durch die Membran gekoppelt. Insgesamt reduzieren Elektronendonatoren (D) aus der Nahrung einen in genügender Menge vorkommenden Elektronenakzeptor (A) nach der allgemeinen Reaktion: DH2 + A ——> D + AH2 + Protonengradient (Übertragung von 2 e- zusammen mit 2 H+) oder z.B.: D2+ + A3+ ——> D3+ + A2+ + Protonengradient (Übertragung einzelner e-) Als Donatoren können z.B. H2, H2S oder organische Verbindungen dienen. Akzeptoren können NO3-

(Nitrat), S (elementarer Schwefel) oder O2 (molekularer Sauerstoff) sein. Viele Bakterien und die Mitochondrien benützen als Elektronendonatoren organische Verbindungen und als Elektronenakzeptor Luftsauerstoff. Der vielstufige Redoxprozess entspricht also einer kontrollierten Verbrennung. Elektronen werden aus organischen Verbindungen z.B. durch Glykolyse, β-Elimination und aus dem Tricarbonsäurezyklus gewonnen und auf NAD+ und FAD übertragen. Von NADH und FADH2 werden sie dann über eine Elektronentransportkette in der bakteriellen Plasmamembran und in der inneren Mitochondrienmembran auf Sauerstoff übertragen. Diesen Prozess nennt man deshalb Atmung und die Redoxkette Atmungskette. Die Atmungskette von tierischen Mitochondrien besteht aus drei grossen Proteinkomplexen, die fest in die innere Mitochondrienmembran eingebettet sind:

NADH-Ubichinon-Reductase (= Komplex I = NADH-Dehydrogenase ) Cytochromreductase (= Komplex III = Cytochrom bc1-Komplex) Cytochromoxidase (= Komplex IV = Cytochrom aa3-Komplex)

Diese Komplexe werden miteinander durch zwei mobile, kleine Redoxkomponenten verbunden:

Ubichinon (engl. Ubiquinone = Coenzym Q) gelöst und frei beweglich in der Membran Cytochrom c lösliches Protein im mitochondriellen Intermembranraum

Ubichinon besteht aus einem aromatischen Ring und einer hydrophoben Kette von 10 Isopreneinheiten:

Ubichinon kann schrittweise 2 Elektronen (je zusammen mit einem Proton) aufnehmen und wieder abgeben. (Vergleiche mit NAD+ und FAD!)

Page 90: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

9. Membrangekoppelte ATP-Synthese 6

+ 1 H++ 1 e–

OO

O

OO

O

O•

HOO

O

OH

HO+ 1 H++ 1 e–

R R R Q = Ubichinon Semichinon QH2 = Ubichinol Cytochrome sind Proteine mit einem eisenhaltigen Häm. Häm-Moleküle sind Porphyrine (vier über Methengruppen ringförmig verknüpfte, N-haltige Fünfringe) mit verschiedenen Modifikationen. Die Stickstoffe koordinieren zu einem zentralen Eisenion, das als Fe2+ und Fe3+ vorliegen und deshalb als Redoxpartner ein e- abgeben oder aufnehmen kann. Die konjugierten Doppelbindungen ergeben charakteristische Ab-sorptionsspektren, die auch den Redoxzustand des Eisenions anzeigen. In a- und b-Cytochromen ist das Häm fest aber nicht kovalent gebunden. (Zur Gruppe des Protoporphyrin IX gehört auch das Häm in Hämoglobin und Myoglobin.) In c-Cytochromen ist das Häm kovalent über Cystein-Seitenketten gebunden. Das Redoxpotential hängt von der Proteinumgebung ab.

Cytochrom c Ausser dem beweglichen Cytochrom c gehören auch Untereinheiten der Cytochromreductase und der Cytochromoxidase zu den Cytochromen, weshalb sie auch Cytochrom bc1-Komplex bzw. Cytochrom aa3-Komplex genannt werden. Die drei Protonenpumpen der Atmungskette bestehen alle aus mehreren Untereinheiten und bilden Teilketten mit mehreren Redoxkomponenten, die räumlich relativ fix gegeneinander positioniert sind. Ausser den schon erwähnten Klassen von Redoxkomponenten enthalten diese Pumpen auch noch Eisen-Schwefel- und Kupfer-Zentren.

Einfaches Fe-S-Zentrum [2Fe-2S]-Zentrum [4Fe-4S]-Zentrum

Page 91: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

9. Membrangekoppelte ATP-Synthese 7

[2Fe-2S]- und [4Fe-4S]-Zentren enthalten ausser 4 Cystein-Schwefelatomen noch 2 bzw. 4 elementare Schwefelatome (So). Eisen-Schwefel-Zentren können einzelne Elektronen aufnehmen und abgeben (Fe2+/Fe3+). Kupferionenkomplexe bestehen aus einem oder zwei Cu+-Ionen und können einzelne Elektronen abgeben (zu Cu2+) und wieder aufnehmen.

Die 2 Elektronen aus NADH in der mitochondriellen Matrix werden in der NADH-Q-Reductase auf ein fest gebundenes FMN und dann über 3 [4Fe-4S]-Zentren, ein fest gebundenes Ubichinon (Q) und ein [2Fe-2S]-Zentrum schliesslich auf ein mobiles Q übertragen. Gekoppelt an diese Redox-Reaktionen werden 4 H+ aus der Matrix in den Intermembranraum transportiert. Die Cytochromreductase überträgt die 2 Elektronen von Q auf 2 Cytochrom c. Der Übergang von einem 2-Elektronen-Transporter auf einen 1-Elektron-Transporter wird für den Protonentransport durch die Membran genutzt. Die 2 H+, die von der NADH-Q-Dehydrogenase zusammen mit 2 e- auf Q übertragen wurden, stammten aus der Matrix. Bei der Übertagung auf die Cytochromreductase werden sie auf der Intermembranraumseite wieder freigesetzt. Nur eines der beiden e- wird (via ein Fe-S-Zentrum und Cytochrom c1) direkt auf ein erstes Cytochrom c übertragen. Das andere e- wandert über zwei b-Cytochrome auf ein Q, das als Semichinon (Q·-) gebunden bleibt. Von einem zweiten Ubichinol (QH2) werden wieder die beiden H+ hinaustransportiert und ein e- auf ein Cytochrom c gebracht. Das zweite e- reduziert das gebundene Q·- gänzlich zu QH2, wobei wieder 2 H+ aus der Matrix verwendet werden. Das ergibt netto QH2 + 2 H+ ———> 2 e- (auf Cyt c) + Q + 4 H+ wobei die 4 H+ aus der Matrix stammen und im Intermembranraum freigesetzt werden. Cytochromoxidase ist das Sauerstoff-reduzierende Enzym der Atmungskette. Es "sammelt" 4 e- von Cytochrom c, indem es sie über zwei Kupfer-Zentren, ein a-Häm und ein a-Häm/Cu-Zentrum auf O2 überträgt und H2O produziert. Dabei werden wieder 4 H+ gepumpt, pro Elektronenpaar aus NADH also 2 H+.

Page 92: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

9. Membrangekoppelte ATP-Synthese 8

.

-400

-200

0

200

400

600

800

100

80

60

40

20

0

NADH NAD+

Q

4 H+

4 H+

2 H+

2 H+ + 1/2 O2 H2O

NADH-Q-Reductase

Cytochrome-Reductase

Cytochrome-Oxidase

Cyt c

Matrix

Intermembranraum

Frei

e En

ergi

e (k

J/m

ol)

Redo

xpte

ntia

l (m

V)

Die Effizienz der Energieübertragung bei der Reduktion von Sauerstoff zu Wasser mit Elektronen aus NADH in einen H+-Gradienten ist mit gegen 90% enorm hoch. Die Effizienz ist etwas geringer für Elektronen aus FADH2, weil diese erst auf der Stufe von Ubichinon in die Atmungskette eintreten: Succinat-Dehydrogenase (= Komplex II), das einzige membrangebundene Enzym des Tricarbon-säurezyklus, überträgt das Elektronenpaar aus der Oxidation von Succinat zu Fumarat zunächst auf ein nicht-kovalent gebundenes FAD und dann auf Ubichinon (ohne Protonenpumpen). Acyl-CoA-Dehydrogenase, das erste Enzym der β-Oxidation von Fettsäuren, reduziert FAD zu FADH2. Die Elektronen werden dann durch zwei weitere FAD-haltige Enzyme, nämlich ETF (Electron transfering flavoenzyme) und ETF-Q-Reductase, auf Ubichinon übertragen (ohne Protonenpumpen).

Page 93: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

9. Membrangekoppelte ATP-Synthese 9

Glycerin-3-Phosphat-Shuttle: Die Glycerin-3-Phosphat-Dehy-drogenase produziert FADH2 im Intermembranraum aus der Oxida-tion von Glycerin-3-P zu Dihy-droxyaceton-P und überträgt die Elektronen auf Ubichinon. Im Skelettmuskel und im Hirn werden mit diesem Enzym die Elektronen aus NADH im Cytosol (aus der Glykolyse) in die Atmungskette geführt. NADH aus der Glykolyse sind also nicht gleich viel wert wie NADH aus dem Fettabbau und dem Tricarbonsäurezyklus. In anderen Geweben wie Leber, Niere und Herz werden die Reduktionsäquivalente von cytosolischem NADH via den Malat-Aspartat-Shuttle auf mitochondrielles NAD+ übertragen (ausführlicher beschrieben im Zusammenhang mit der Gluconeogenese). Im Cytosol wird Oxaloacetat mit NADH zu Malat reduziert, das durch die innere Mitochondrienmembran transportiert wird. In der Matrix wird NADH durch Oxidation von Malat zurück zu Oxaloacetat wieder gebildet. Der P/O-Quotient Wieviel ATP wird pro Elektronenpaar produziert, das von NADH auf Luftsauerstoff übertragen wird (oder: für jedes Sauerstoffatom, das dabei reduziert wird)? = Was ist der P/O-Quotient? Es werden 10 H+ aus den Mitochondrien transportiert. Für die Synthese von 3 ATP braucht es den Rückfluss von 10 H+. => ? Aber: Weil ein grosser Teil des ATP im Cytosol verbraucht wird, muss ATP aus den Mitochondrien hinaus- und ADP und Phosphat hineintransportiert werden. Ein ADP-ATP-Carrier transportiert ADP im Austausch gegen ATP. Weil ATP negativer geladen ist als ADP, wird der Export von ATP durch das Membranpotential begünstigt. Für Phosphat ist das Gegenteil der Fall: Phosphataufnahme in die negative Matrix muss angetrieben werden. Dies geschieht durch 1:1-Kopplung an den Rückfluss eines H+ durch einen Symporter für Phosphat und H+. => Für die Synthese von 3 ATP und den Transport von Phosphat, ADP und ATP braucht es den Rückfluss von ~13 H+. Pro Elektronenpaar aus NADH werden 10 H+ hinausgepumpt. => Der P/O-Quotient ist ~2.5. Der P/O-Quotient für Elektronenpaare aus FADH2 oder cytosolischem NADH via Glycerin-3-Phosphat-Shuttle beträgt dagegen nur ~1.5. Atmungskontrolle Wenn Zellen wenig Energie brauchen und das meiste ADP zu ATP phosphoryliert worden ist, staut sich der Protonengradient an; die drei Protonen-Pumpstationen müssen Protonen gegen einen immer höheren Gegendruck pumpen und stehen schliesslich still. Da das Pumpen von Protonen strikt an den Elektronentransfer gekoppelt ist, kommt auch dieser zum Stillstand: Es tritt Atmungskontrolle ein, was die unnütze Verbrennung von Nahrungsstoffen vermeidet.

NAD+ NADH

Matrix

Intermembranraum

Cytosol

Äussere Membran mit Poren

Innere Membran

Glycerin-3-P Dihydroxyaceton-P

FADFADH2 Q

QH2

Cytosolische

Mitochondrielle

Glycerin-3-P-DH

Glycerin-3-P-DH

Page 94: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

9. Membrangekoppelte ATP-Synthese 10

Atmungshemmer Zahlreiche Stoffe blockieren den Elektronenfluss in der mitochondrialen Atmungskette an ganz bestimmten Stellen. Diese Stoffe sind fast stets starke Gifte, da sie die wichtigste Energieproduktion aerober Zellen hemmen und deshalb sehr schnell zum Zelltod führen. Diese Hemmstoffe haben aber auch wesentlich zur Aufklärung des Elektronenflusses in der Atmungskette beigetragen. Die wichtigsten dieser Gifte sind: Gift Angriffspunkt Barbiturate (Amytal) Rotenon (ein pflanzliches Gift) Antimycin A (ein von Pilzen produziertes Antibiotikum) Cyanid, Azid, CO

NADH-Q-Reductase NADH-Q-Reductase Cytochromreductase Cytochromoxidase

Page 95: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

10. PHOTOSYNTHESE

1. Lichtabsorption durch Pigmente Statt wie in der oxidativen Phosphorylierung chemische Energie für die Elektronentransportkette aufzuwenden, wird in verschiedenen Organismen Lichtenergie dazu eingesetzt, Elektronen auf ein hohes Energieniveau zu bringen. Pigmente = lichtabsorbierende Moleküle. Chlorophylle bestehen aus einem plana-ren Ringsystem ähnlich dem Häm, aber mit einem zentralen Mg2+-Ion und mit einer langen Phytolseitenkette (aus Iso-preneinheiten). Chlorophyll a und b von Pflanzen und Bacteriochlorophyll aus Bakterien unterscheiden sich in einigen Substituenten und haben deshalb unterschiedliche Absorptionsspektren. Zusätzliche Pigmente sind in Cyano-bakterien Phycoerythrobilin und das ähnliche Phycocyanobilin; in Pflanzen β-Carotine und Lutein (= Xanthophyll).

Page 96: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

10. Photosynthese 2

Zum effizienteren Lichteinfang sind die Reaktionszentren, wo die Redoxkette in Gang gesetzt wird, von vielen Lichtsammlerproteinen umgeben, die Photonen einfangen und die Anregung praktisch verlustlos durch Excitontransfer an das Reaktionszentrum weitergeben. In Cyanobacterien bilden die Lichtsammler grosse Komplexe ausserhalb der Membran, sog. Phycobilisomen.

Bei Pflanzen sind die Lichtsammlerproteine Membranproteine wie die Reaktionszentren selbst.

2. Zyklische Photophosphorylierung in Prokaryoten Am besten verstanden ist das Reaktionszentrum von Rhodopseudomonas viridis, einem Purpurbakterium. Es besteht aus: – 3 Membranproteinen mit total

4 Bakteriochlorophyll-Molekülen 2 Bakteriophäophytin-Molekülen (= Bakteriochlorophyll ohne Magnesium) 1 Menachinone (QA), fest an das Reaktionszentrum gebunden 1 Eisenatom 1 Ubichinon (QB), das nur lose an das Reaktionszentrum gebunden ist.

– 1 c-Typ Cytochrom mit 4 Hämgruppen auf der periplasmatischen Seite der Membran.

Das bakterielle Ubichi-non ist kürzer (6 statt 10 Isopreneinheiten) als das eukaryotische. Menachinon ist ein zu-sätzliches Chinon von Bakterien, Plastochinon eines von Pflanzen

Page 97: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

10. Photosynthese 3

Der Reaktionsablauf im Reaktionszentrum: (1) Licht schlägt ein Elektron aus zwei Bakteriochlorophyllmolekülen (dem sog. special pair) heraus; zurück bleibt eine zwischen diesen beiden Molekülen delokali-sierte positive Ladung (ein Elektronenloch). Das Elektron wird über das dritte Bakterio-chlorophyllmolekül auf ein Bakteriophäo-phytin übertragen und dann… (2) …zum Menachinon QA. (3) Das Elektron wandert zuerst zum Eisenion und von dort zum Ubichinon QB. (4) Das Elektronenloch in den beiden Bakteriochlorophyllmolekülen wird in der Zwischenzeit durch ein Elektron aus einer Kette von 4 Hämgruppen wieder gefüllt. (5) Schritte 1–4 wiederholen sich, sodass schliesslich zwei Elektronen auf Ubichinon ankommen. (7) Das reduzierte Ubichinol dissoziiert vom Reaktionszentrum ab und überträgt das Elektronenpaar auf den Cytochrom bc1-Komplex, der der Cytochromreductase der oxidativen Phosphorylierung in Mitochon-drien entspricht, Protonen pumpt und die Elektronen schliesslich auf ein mobiles Cytochrom c überträgt, das sie zum Reaktionszentrum zurück führt. Der Protonengradient wird durch eine ATP-Synthase zur Produktion von ATP verwendet. Bei dieser zyklischen Photophosphorylierung wird also nur Licht, ADP und Pi verbraucht und ATP gebildet.

(Nur die Pigmente und Elektronenüberträger sind hier dargestellt. Sie sind recht starr in den Proteinen in optimaler Position zueinander fixiert. Die Übertragungszeiten zwischen den Pigmenten sind spektroskopisch gemessen worden.)

Page 98: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

10. Photosynthese 4

3. Nichtzyklische Photophosphorylierung in Prokaryoten In anderen Prokaryonten werden die Elektronen, die die Redoxkette durchlaufen, nicht immer recycliert. Bei grünen Schwefelbakterien, laufen sie entweder über Ubichinon, Cytochrom bc1-Komplex und ein Cytochrom c zurück und liefern die Energie für einen Protonengradienten, der ATP produziert. Alternativ werden sie via das Eisen-Schwefel-Protein Ferredoxin (Fd) auf eine Ferredoxin-NAD+-Reductase übertragen, die NADH (Reduktionsäquivalente) produziert. Die Elektronen werden dann ersetzt durch die Oxidation von H2S zu elementarem Schwefel (S0) oder SO42-.

0

500

REDO

XPO

TENT

IAL

(MV)–500

P840

E-Fd

Q

CYT BC1-KOMPLEX

X H+

CYT C553

–1000

Fd-NADREDUCTASE

NAD+

NADH

H2S S, SO42–

4. Photophosphorylierung in Pflanzen

Photosynthese in Pflanzen findet in Chloroplasten statt. Wie die Mitochondrien besitzen Chloroplasten eine äussere, dank Poren für kleine Moleküle durchlässige Membran, und eine innere Membran. Das Stroma (entspricht der Matrix von Mitochondrien) enthält aber weitere durch Membranen abgetrennte Strukturen, die Thylakoiden, die stellenweise dicht aufeinander geschichtet sind zu sog. Grana. Diese Thylakoiden-membranen enthalten zwei Reaktionssysteme, die evolutionär mit den beiden oben beschriebenen verwandt sind und koordiniert miteinander arbeiten. Die Energie von zwei absorbierten Photonen wird eingesetzt um ein Elektron auf NADP+ zu übertragen und unterwegs noch eine Protonenpumpe für ATP-Synthese anzutreiben. Die Elektronen stammen aus H2O, wodurch O2 produziert wird. Die Protonen werden ins innere der Thylakoiden gepumpt und treiben die ATP-Synthasen an, die ins Stroma ragen.

Page 99: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

10. Photosynthese 5

0

500

Redo

xpot

entia

l (m

V)

–500

P680

Photosystem II

e-

Ph

PQA

Cyt b6f-Komplex

x H+

Pc

P700

Photosystem I

e-

Fd

–1000

Fd-NADP+Reductase

NADP+

NADPH

1000

PQB

H2O

O2

Page 100: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

10. Photosynthese 6

Im Reaktionszentrum des Photosystems II (mit einer maximalen Absorption bei 680 nm) wird durch ein Photon ein Elektron zu einem sehr negativen Redoxpotential angeregt, so dass damit ein gebundenes Phäophytin (= Chlorophyll ohne Magnesium) reduziert werden kann, dann ein fest gebundenes Plastochinon (PQA) und schliesslich ein vorübergehend gebundenes Plastochinon (PQB). Die Elektronenlücke im Reaktionszentrum wird durch ein e- aus H2O aufgefüllt, das durch das sog. wasserspaltende Enzym (mit essentiellen Mn-Ionen) geliefert wird. Dabei entsteht O2. Wenn auf diese Weise zwei Elektronen auf PQB angekommen sind, wird dieses freigesetzt. Sein Elektronenpaar wird vom Cytochrom b6f-Komplex übernommen, der ähnlich funktioniert wie der Cytochrom bc1-Komplex (= Cytochromreductase) in Mitochondrien und Protonen aus dem Stroma in die Thylakoiden pumpt. Über einen zweiten mobilen Elektronentransporter, Plastocyanin, ein lösliches Cu+/2+-Protein werden Elektronen einzeln zum Photosystem I gebracht, um dort die Elektronenlücke zu füllen. Diese entsteht, wenn Photonen ein Elektron im Reaktionszentrum (maximale Absorption bei 700 nm) zu einem sehr negativen Redoxpotential angeregt haben, dass es über ein Chlorophyll, ein fest gebundenes Chinon, und 3 Fe-S-Zentren auf das mobile Elektronentransportprotein Ferredoxin (ein 2Fe–2S-Protein) wandert. Letzte Station ist schliesslich der Ferredoxin-NADP+-Reductase-Komplex, der 2 Elektronen sammelt und NADPH produziert. Dank einer zyklischen Variation ist das Verhältnis von ATP-Produktion (d.h. von gepumpten H+) zu Reduktionsäquivalenten in NADPH fast beliebig variabel und allen Bedürfnissen anpassbar: Ferredoxin kann sein Elektron auch an ein Chinon und somit zurück an den Cytochrom b6f-Komplex, die H+-Pumpe, liefern.

Page 101: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

10. Photosynthese 7

5. CO2-Assimilation: Der Calvin-Zyklus Die meisten heterotrophen Organismen oxidieren organische Stoffe zur Energiegewinnung und müssen die Reduktionsäquivalente, die dabei anfallen, möglichst gewinnbringend verwerten. Phototrophe Organismen wie die Pflanzen können mit Licht und Wasser ATP und Reduktionsäquivalente gewinnen. Das ermöglicht es ihnen CO2 zu organischen Molekülen zu reduzieren. Die Assimilation von CO2 geschieht in einer zyklischen Reaktionsfolge, dem Calvin-Zyklus, der aus drei Abschnitten besteht: 1. Fixation von CO2 an Ribulose-1,5-bisphosphat (ein C5-Molekül), wobei zwei 3-Phosphoglycerate

entstehen (2 x C3). 2. Reduktion von 3-Phosphoglycerat zu Glyceraldehyd-3-Phosphat, das in die Glykolyse, die

Gluconeogenese, etc. eingehen kann. 3. Regeneration von Ribulose-1,5-bisphosphat.

Page 102: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

10. Photosynthese 8

Ribulose-bis-phosphat

CHCHCH2O

OHOHPO3

2

CH2OPO32

CO

1. Ribulose-1,5-bisphosphat-Carboxylase, Rubisco, ist wohl das häufigste Enzym der Biosphäre, kommt es doch im Stroma von Chloroplasten in einer Konzentration von ~250 mg/ml vor. CO2-Einbau führt zur Spaltung des intermediären C6-Moleküls zu zwei C3-Molekülen 3-Phosphoglycerat.

CCCHCH2O

OOHOHPO3

2

CH2OPO32

CO OH2O

CCCHCH2O

OOOHPO3

2

CH2OPO32

COO CCCHCH2O

HOOOHPO3

2

CH2OPO32

COOHO

COOCHCH2O

OHPO3

2

COOCHCH2O

OHPO3

2

3-Phosphoglycerat

+

2. 3-Phosphoglycerat wird durch Phosphorylierung aktiviert (3-Phosphoglycerat-Kinase) und mit NADPH reduziert (Glyceraldehyd-3-Phosphat-Dehydrogenase) in einer Reaktionsfolge, die der Umkehrung der entsprechenden Schritte in der Glykolyse entspricht.

COOCHCH2O

OHPO3

2

ATP ADPCOOCHCH2O

OHPO3

2

PO32 NADPH

NADP++ Pi

CCHCH2O

OHPO3

2

OH

3-Phosphoglycerat 1,3-Bisphosphoglycerat Glyceraldehyd-3-P 3. Mittels Transaldolasen und Transketolasen werden aus Glyceraldehyd-3-Phosphaten (C3) wieder Ribulose-1,5-bisphosphate (C5) regeneriert. Transaldolasen (TA) kondensieren eine Aldose mit einer Ketose (siehe die Aldolase in der Glykolyse). Transketolasen (TK) haben Thiaminpyrophosphat als Cofaktor und übertragen die C-1 und C-2 einer Ketose auf eine Akzeptor-Aldose und produziert eine verkürzte Aldose und eine verlängerte Ketose. Nebenstehendes Schema zeigt wie 5 C3-Zucker in 3 C5-Zucker umgewandelt werden. Zusätzlich braucht es noch 2 Phosphatasen (um Bisphosphate zu Phosphaten zu hydrolysieren), eine Epimerase (um Xylulose-5-Phosphat zu Ribulose-5-Phosphat zu epimerisieren) und eine Ribulose-5-Phosphat-Kinase (um Ribulose-5-Phosphat zu aktivieren).

C7C3 +

C4 + C5C3 +

C6 + C3

C3 + C3

C5C5 +

TA

TA

TK

TK

Page 103: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

10. Photosynthese 9

EVOLUTION DES ENERGIESTOFFWECHSELS Die molekulare Information über zelluläre Energietransformationen erlaubt fundierte Vermutungen darüber, wie diese Prozesse im Verlauf der Entwicklung des Lebens auf unserer Erde entstanden sind. Unser Planet ist etwa 4.5 Milliarden Jahre, die ältesten Fossilien etwa 3.8 Milliarden Jahre alt. Vor 3.8 Milliarden Jahren enthielt die Erdatmosphäre wahrscheinlich fast kein Sauerstoffgas, sondern bestand vorwiegend aus inerten Gasen wie Stickstoff, Methan, Ammoniak, Kohlenmonoxid etc. Diese inerte Umgebung erlaubte die langsame Akkumulation von einfachen organischen Stoffen in den Weltmeeren. Folgende Entwicklungsstadien sind plausibel: (1) Einfache Zellen entwickeln Glykolyse-ähnliche Prozesse, in denen die in der Umgebung akkumulierten organischen Stoffe abgebaut werden, wobei Energie frei wird. (2) Bei diesen Prozessen werden Protonen frei, die aus den Zellen entfernt werden müssen. Zellen entwickeln in ihrer Zellmembran Pumpen, die Protonen aus der Zelle hinauspumpen. Diese Pumpen werden durch ATP-Hydrolyse angetrieben. (3) Organische Stoffe werden knapp. Zellen lernen, Sonnenlicht einzufangen und damit einen Protonengradienten über ihre Zellmembran aufzubauen. Dieser kann zur Synthese von ATP verwendet werden, indem die bereits in der Zellmembran vorhandene Protonenpumpe in umgekehrter Richtung (d. h. als Protonen-getriebene ATP Synthase) eingesetzt wird. Damit ist die Energiekrise zunächst behoben; reduzierende Elektronen müssen aber nach wie vor aus den schwindenden organischen Verbindungen der Umwelt bezogen werden. (4) Organismen lernen, Sonnenlicht auch für die Produktion von reduzierenden Elektronen aus Wasser zu verwenden. Diese Organismen sind enorm erfolgreich und überwuchern grosse Teile der erkalteten Landmassen. Sie setzen dabei grosse Mengen von Sauerstoff frei und beginnen die Atmosphäre mit dem für die Zellen giftigen Gas zu verschmutzen. Etwa 99% aller Lebewesen sterben aus. (5) Die überlebenden Organismen haben Enzyme entwickelt, die sie gegen Sauerstoffgas schützen (Katalase, Superoxiddismutase). Schliesslich beginnen Zellen, Sauerstoffgas als Elektronenakzeptor für die Verbrennung organischer Substanzen zu benützen. Für diese Verbrennung muss die bereits bestehende photosynthetische Elektronentransportkette nur geringfügig modifiziert werden. Atmung und oxidative Phosphorylierung sind erfunden. Die Aehnlichkeit der verschiedenen Elektronentransportketten ist einer der vielen Hinweise dafür, dass die hier skizzierte Hypothese plausibel ist.

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11. GLUCONEOGENESE

1. Anaplerotische Reaktionen

Der Tricarbonsäurezyklus ist nicht nur von Bedeutung für die Energieproduktion, sondern ist auch zentraler"Rangierbahnhof" für die Umwandlung von Aminosäuren zu Glucose oder zu Fetten, und Ausgangspunkt fürdie Synthese vieler Zellbestandteile. Damit der Zyklus nicht zum Stillstand kommt, wennZwischenprodukte durch andere Reaktionen abfliessen, müssen gewisse Komponenten in sog.anaplerotischen Reaktionen "nachgefüllt" werden (Reaktionen 1–4 in der Figur):

Pyruvat

Acetyl-CoA

Oxaloacetat Citrat

Aconitat

Isocitrat

α-Ketoglutarat

Succinyl-CoA

Succinat

Fumarat

Malat

Glu

Gln, Pro, ArgPur ine

Porphyrine,

Häm

Asn, Asp

Pur ine

PEP

Glucose

Ser, Gly,

Cys, Phe,

Tyr, Trp

Acety l -CoA

Fettsäuren

Steroide

Isopren

Citrat

1

2 3

4

1. Pyruvatcarboxylase:Pyruvat + CO2 + ATP Oxaloacetat + ADP + Pi

2. Phosphoenolpyruvat-carboxykinase:Phosphopenolpyruvat + CO2 + GDP Oxaloacetat + GTP

3. Phosphoenolpyruvat-carboxylase (Pflanzen, Hefe, Bakterien):Phosphopenolpyruvat + CO2 → Oxaloacetat + Pi

4. Malatenzym:

Pyruvat + CO2 + NADPH Malat + NADP+

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11. Gluconeogenese 2

2. Acetyl-CoA-Shuttle und Malatenzym

Die Fettsäuresynthese benötigt Acetyl-CoA ausserhalb der Mitochondrien. Dazu wird Citrat von denMitochondrien ins Cytosol transportiert und dort durch die Citratlyase unter ATP-Hydrolyse wieder inAcetyl-CoA und Oxaloacetat gespalten. Oxaloacetat wird durch eine cytosolische Malatdehydrogenasezu Malat reduziert, das wieder importiert und zu Oxaloacetat zurückoxidiert werden kann. Mit Acetyl-CoA wird Citrat in den Mitochondrien wieder regeneriert. Netto wird dabei unter ATP-Hydrolyse Acetyl-CoA exportiert (und cytosolisches NADH in mitochondrielles umgewandelt).

Alternativ kann Malat im Cytosol durch das Malatenzym unter CO2-Abspaltung zu Pyruvat oxidiert

werden. Dies geschieht mit NADP+, das zu NADPH reduziert wird. Dies ist neben dem Pentosephosphat-

weg (siehe unten) der wichtigste Mechanismus, um NADPH für die Biosynthese z.B. von Fettsäuren zuproduzieren. (Bei Pflanzen hauptsächlich durch Photosynthese!) Pyruvat kann durch ATP-getriebeneCarboxylierung in den Mitochondrien in Oxaloacetat übergeführt und zu Malat reduziert werden.

Die Pyruvatcarboxylase-Reaktion (Pyruvat → Oxaloacetat) und die Malatenzym-Reaktion (Pyruvat →Malat) sind auch eine wichtige anaplerotische Reaktionen.

Page 107: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

11. Gluconeogenese 3

3. Malat-Aspartat-Shuttle

In Leber, Niere und Herz werden die Reduktionsäquivalente von cytosolischem NADH via den Malat-

Aspartat-Shuttle auf mitochondrielles NAD+ übertragen. Im Cytosol wird Oxaloacetat mit NADH zuMalat reduziert, das durch die innere Mitochondrienmembran transportiert wird und in der Matrix wiederzu Oxaloacetat oxidiert wird. Netto wird cytosolisches NADH in mitochondrielles "umgewechselt" undOxaloacetat importiert. Letzteres wird recycliert, indem es zu Aspartat transaminiert und als solcheswieder exportiert wird. Die Partner für die Aminotransferasereaktionen, Glutamat/α-Ketoglutarat, sindgleichzeitig die Partner in den Antiportreaktionen durch die innere Membran: Malat gegen α-Keto-glutarat und Aspartat gegen Glutamat.

Über diesen Shuttle können aus cytosolischem NADH die vollen ~2.5 ATP gewonnen werden. Im Gegensatzdazu wird in Skelettmuskel und Hirn NADH mit dem Glycerin-3-Phosphat-Shuttle über FADH2 in die

Atmungskette gespeist und liefert so nur ~1.5 ATP.

Page 108: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

11. Gluconeogenese 4

4. Neusynthese von Glucose aus Pyruvat oder Lactat

Glucose-6-P

Fructose-6-P

Fructose-1,6-bis-P

Glucose

Dihydroxyaceton-PGlycerinaldehyd-3-P

1,3-P-Glycerat

3-P-Glycerat

2-P-Glycerat

Phosphoenolpyruvat

Pyruvat

Oxaloacetat

Malat

Malat

Oxaloacetat

Pyruvat

ATP

ADP

ATP

ADP

ADP

ATP

NAD+ + Pi

NADH

ADP

ATP

ADP

CO2 + ATP

NAD+

NADH

NAD+

NADH

GTP

CO2 + GDP

Glucose-1-P Glycogen

Pi

Pi

Pi

UTP UDP + PPi

Pyruvat

LactatNAD+

NADH

Pyruvat

OxaloacetatADP

CO2 + ATP

Phosphoenolpyruvat

GTP

CO2 + GDP

1

2

3

4

5

6

7

8

5

9

6

1 Hexokinase 5 Pyruvatcarboxylase2 Phosphofructokinase 6 Phosphoenolpyruvat-Carboxykinase3 Pyruvatkinase 7 Fructose-1,6-bisphosphatase4 Glycogenphosphorylase 8 Glucose-6-phosphatase

9 UDP-Glucose-Pyrophosphorylase + Glycogensynthase

Page 109: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

11. Gluconeogenese 5

Bei der Neusynthese von Glucose (Glukoneogenese) müssen die drei irreversible Schritte der Glykolyse,Pyruvatkinase, Phosphofructokinase und Hexokinase, "umgangen" werden.

Pyruvat wird in Mitochondrien durch Pyruvatcarboxylase zu Oxaloacetat carboxyliert:

COO

C

CH

O

3

COO-

CH2

COO-

C OCO2 ATP ADP Pi+ + + +

-

Pyruvatcarboxylase

Als CO2-übertragende prosthetische Gruppe fungiert Biotin,

das kovalent an die ε-Aminogruppe eines Lysinrestes imEnzym gebunden ist:

Diese Reaktion findet in den Mitochondrien statt und ist auch eine der wichtigen anaplerotischenReaktionen des Tricarbonsäurezyklus. Für den Transport ins Cytosol wird Oxaloacetat zu Malat reduziertund im Cytosol wieder zu Oxaloacetat oxidiert. Ein "Nebeneffekt" dieses Umwegs über Malat ist derExport von Reduktionsäquivalenten ins Cytosol. Dies ist sinnvoll, weil NADH für die Umwandlung von1,3-bis-Phosphoglycerat zu Glycerinaldehyd-3-Phosphat benötigt wird.

Oxalacetat wird durch eine cytosolische Phosphoenolpyruvatcarboxykinase mit GTP zu Phosphoenol-pyruvat umgewandelt:

COO-

CH2

COO-

C OGTP+ CO2 GDP+ +

COO

C

CH2

OPO3

2

-

PEP-Carboxykinase

Das Pyruvat für die Gluconeogenese stammt aus dem Abbau verschiedener Aminoäuren (Ala, Cys, Ser, Gly)oder aus Lactat, dem Endprodukt der Glykolyse unter anaeroben Bedingungen. Lactat kann durchLactatdehydrogenase leicht zu Pyruvat oxidiert werden, womit das cytosolische NADH für dieGlycerinaldehyd-3-Phosphatdehydrogenase-Reaktion schon gebildet wird. Deshalb wird das Pyruvatnach Carboxylierung zu Oxaloacetat noch in den Mitochondrien durch eine mitochondriale

Phosphoenolpyruvatcarboxykinase zu Phosphoenolpyruvat umgewandelt und als solches exportiert.

Die Phosphofructokinase und Hexokinase-Reaktionen können durch exergone Hydrolyse der Phosphatedurch Fructose-1,6-bisphosphatase und Glucose-6-phosphatase überwunden werden.

Zur Vermeidung von energieverbrauchenden, leeren Zyklen müssen die Enzyme der irreversiblen Schrittefür die Glykolyse und die Gluconeogenese reziprok reguliert werden. Ein gutes Beispiel ist derallosterische Effekt von Fructose-2,6-bisphosphat: aktivierend auf Phosphofructokinase und inhibierendauf Fructose-1,6-bisphosphatase (siehe Glykolyse).

-OOC

S

N NH

O

O

NHLysin

Page 110: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

11. Gluconeogenese 6

Gluconeogenese ist teuer:

2 Pyruvat + 4 ATP + 2 GTP + 2 NADH –––→ Glucose + 4 ADP + 2 GDP + 6 Pi + 2 NAD+

Gluconeogenese braucht 6 ATP-Äquivalente. Glykolyse liefert nur 2.

Gluconeogenese findet hauptsächlich in der Leber statt. Ausgangsprodukte sind:Lactat, das über die Blutbahn aus anaerob arbeitenden Muskeln stammt.Pyruvat aus dem Abbau von Aminosäuren (Ala, Cys, Ser, Gly).Tricarbonsäurezyklus-Intermediate aus dem Abbau anderer Aminosäuren (z.B. α-Ketoglutarat aus

Glu, Gln, Arg; Oxaloacetat aus Asp und Asn; Fumarat aus Phe und Tyr).

5. Glyoxylat-Zyklus

In Wirbeltieren ist Gluconeogenese aus Acetat oder Acetyl-CoA (und somit aus Fettsäuren) nicht möglich!Im Tricarbonsäurezyklus werden für jedes Acetyl, das eingebaut wird, zwei CO2 wieder freigesetzt.

Viele andere Organismen — z.B. Pflanzen, E. coli, Hefe — besitzen den Glyoxylat-Zyklus, eine Variationdes Tricarbonsäurezyklus, die die decarboxylierenden Reaktionen "überspringt" und aus 2 Acetyl-CoA einC4-Molekül, Succinat, produziert:

S-CoA

C

C H

O

3

Acetyl-CoA

COO-

CH2

COO-

C O

COO-

CH2

CH2

COO-

OH COO-

C

Oxaloacetat Citrat

cis-Aconitat

COO-

CH2

CH

COO-

COO-CH

OH

Isocitrat

C OO

C H2

C

CH2

OO -

-

Succinat

C OO-

C H

C

CH2

OO-

OH

Malat

H2O

H2O

NADH + H+

NAD+

COO-

CH2

CH

COO-

COO-C

CoA

CHO

COO -

Glyoxylat

Isocitratlyase

Malatsynthase

S-CoA

C

CH

O

3

Acetyl-CoA

CoA

OxaloacetatGlucose

Glyoxylat-Zyklus

Isocitratlyase spaltet Isocitrat zu Succinat und Glyoxylat (O=CH—COO–) .Malatsynthase kondensiert Glyoxylat mit Acetyl-CoA zu Malat.

Page 111: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

11. Gluconeogenese 7

Malat wird durch die Tricarbonsäurezyklus-Reaktionen mit Acetyl-CoA wieder zu Isocitrat.Succinat kann durch die Tricarbonsäurezyklus-Reaktionen zu Oxaloacetat und über Phosphoenolpyruvatzu Glucose umgewandelt werden.In Pflanzen, besonders in fettreichen Samen, sind die Enzyme des Glyoxylatzyklus zusammen mit denEnzymen für den Fettsäureabbau in separaten Organellen, den Glyoxysomen, (mit einer einzigen Membran)lokalisiert. Succinat wird ins Cytosol exportiert und in die Mitochondrien importiert, um v iaTricarbonsäurezyklus in die Gluconeogenese zu fliessen.

6. Glycogen

Die Speicherform von Glucose in Pflanzen ist die Stärke bestehend aus Amylose, ein lineares,spiraligesPolymer von (α1→4)-verknüpfter Glucose, sowie Amylopectin, ein Polymer von (α1→4)-verknüpften und(α1→6)-verzweigten Glucoseeinheiten.

In tierischen Zellen ist Glucose als G l y c o g e n

gespeichert, das aus (α1→4)-verknüpften Kettenbesteht, die etwa alle 10 Glucoseeinheiten (α1→6)-verzweigt sind. Riesige Glycogenmoleküle bildenzusammen mit den Enzymen für Auf- und AbbauGlycogengranula. Glycogen wird besonders in derLeber und in Muskel gespeichert.

3.1. Glycogensynthese

Bei der Biosynthese von Glycogen werden glycosidische Verbindungen zwischen der C1-Hydroxylgruppevon Glucose-Molekülen (in der Pyranose-Ringform) und der C4-Hydroxylgruppe von terminalen Glucosenim Glycogen geknüpft. Dazu wird Glucose in C1 aktiviert, zuerst zu Glucosephosphat, dann zu einemGlucosenukleotid:

Glucose Glucose-6-PHexokinase Phosphogluco-

mutase

Glucose-1-P

ATP ADP UTP PPi

UDP-GlucoseUDP-Glucose-

pyrophosphorylase

Glycogenn UDP

Glycogenn+1Glycogen-synthase

Für die Glycosylierung und die Synthese von Glycanen werden allgemein nukleotid-aktivierte Zuckergebraucht. Z.B. UDP-Glucose, UDP-Galactose, aber GDP-Mannose und CMP-Sialinsäure.

Page 112: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

11. Gluconeogenese 8

Die erste Glucose bei der Synthese von Glycogenwird kovalent an ein Tyrosine des ProteinsGlycogenin gebunden. Lineare (α1→ 4)-Kettenwerden mit Glycogensynthase synthetisiert. Die(α1→6)-Verzweigungen entstehen durch das"Umhängen" von terminalen Oligo-Glucosekettenan eine interne C6-Hydroxylgruppe durch dieTransglycosylase (englisch: Glycogen branching

enzyme).

3.2. Glycogenmobilisation

Für die Addition einer Glucose an Glycogenwerden 2 ATP-Aequivalente verbraucht. einTeil dieser Energie wird beim Glycogenabbaugespeichert, weil nicht eine Hydrolyse zuGlucose, sondern eine P h o s p h o r o l y s e zuGlucose-1-phosphat stattfindet, katalysiertdurch das Enzym Glycogenphosphorylase.Die Phosphorylase spaltet nur (α1→4)-Bindungen bis zu einer gewissen Nähe zu einer(α1→6)-Verzweigung. Für den weiteren Abbaubraucht es das sog. Debranching enzyme, daseine Oligoglucosyltransferase- und eine(α1→6)-Glucosidase-Aktivität besitzt.

4. Der Cori-Zyklus

Bei starker Muskeltätigkeit wird die Sauerstoffzufuhr zur Muskulatur limitierend.→ Die Bedingungen werden partiell anaerob.→ Muskelglycogen wird mobilisiert. Die ATP-Produktion geschieht hauptsächlich durch Glykolyse und

Pyruvat wird zu Lactat reduziert.→ Das Lactat wird über den Blutstrom abgeführt, von der Leber aufgenommen und zur Gluconeogenese

verwendet.→ Die entstandene Glucose wird in den Blutstrom entlassen…→ …und wieder von den Muskelzellen aufgenommen und durch Glykolyse zu Lactat oxidiert, etc. etc..

Diesen Kreislauf von Glucose/Lactat zwischen Muskel und Leber nennt man den Cori-Zyklus.

Um die Glycogenspeicher wieder zu füllen, entnimmt der Muskel auch nach der Anstrengung weiter Glucoseaus dem Blut, das aus der Leber stammt. Die Energie für die Gluconeogenese und die Glycogensynthese kannjetzt wieder aerob gewonnen werden: erhöhte Atmung nach der Anstrengung = "Sauerstoffschuld".

Der Transport von Glucose zwischen Blut und Cytosol geschieht durch facilitated dif fusion v iaGlucosetransporter in der Plasmamembran. Der Blutzucker wird im Menschen bei ~4.5 mM (60-90 mg/100ml) durch die Leber konstant gehalten. Die Leber als hauptsächliches Glucose produzierendes Organ unddie verbrauchenden Organe müssen sich also bei gleicher Glucosekonzentration anders verhalten. Diesgeschieht einerseits durch unterschiedliche hormonelle Regulation (siehe später) und andererseits durchIsoenzyme (unterschiedliche, aber verwandte Enzyme):

Tyr

Glycogenin

Tyr

(α1→6)

Transglycosylase

Glycogenphosphorylase

Debranching enzyme [Transferase]

Debranching enzyme [(α1→6)-Glucosidase]

Page 113: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

11. Gluconeogenese 9

• Glucose wird intrazellulär durch Hexokinase abgeführt. Das Isoenzym im Muskel besitzt ein niedrigesKM (<1 mM), wird aber allosterisch durch das Produkt Glucose-6-Phosphat gehemmt. Bei Bedarf

(Glucose-6-P niedrig, weil verbraucht durch Glykolyse oder Glycogensynthese) ist die intrazelluläreGlucosekonzentration tief und Glucose strömt ein. Das Isoenzym der Leber (Hexokinase D = Glucokinase)besitzt ein KM von ~10 mM, sodass nur bei hohem Blutzucker (nach dem Essen) Glucose aufgenommen wird,

bei normalem Blutzucker aber immer noch abgegeben wird.

OH

HO

P

P

Phosphorylase b(wenig aktiv)

Phosphorylase a(aktiv)

Phosphorylase-Phosphatase

Phosphorylase-Kinase

Adrenalin

Ca2+

AMP

ATP

Muskel:

OH

HO

P

P

Phosphorylase b(wenig aktiv)

Phosphorylase a(aktiv)

Phosphorylase-Phosphatase

Phosphorylase-Kinase Glucagon

OH

HO

P

P

Leber:

– Glc

+ Glc

– Glc

+ Glc

GlcGlc

Glc

Glc

• Glycogen-Phosphorylase ist ein Dimer das in zwei Formen als wenig aktive Phosphorylase b und alsaktive Phosphorylase a vorkommt. Aktivierung erfolgt über die spezifische Phosphorylierung einesSerinrests durch Phosphorylase-Kinase, Inaktivierung über Phosphorylase-Phosphatase.Das Isoenzym der Phosphorylase in der Leber wird zusätzlich durch Glucose beeinflusst: Bindung vonGlucose führt zu einer Konformationsänderung, die den phosphorylierten Rest exponiert und so dieDephosphorylierung durch die Phosphatase stimuliert.=> Die Glycogenphosphorylase der Leber funktioniert als Glucose-Sensor.

Page 114: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

11. Gluconeogenese 10

5. Der Pentosephosphat-Weg

Neben der Rolle als Energielieferant ist Glucose wichtig alsVorläufer für die Synthese von Ribose (→ DNA und RNA). ImPentosephosphat- oder Phosphogluconat-Weg wird Glucose zuRibose oxidiert:

Glucose-6-phosphatdehydrogenase oxidiert die Pyranoseformvon Glucose-6-phosphat zu einem δ-Lacton (intramolekularerEster, 6-Ring).

Lactonase hydrolysiert das Lacton zur 6-Phosphogluconsäure.

6-Phosphogluconatdehydrogenase oxidiert ein zweites Mal undsetzt einen Kohlenstoff als CO2 frei.

Phosphopentoseisomerase isomerisiert das Keton Ribulose-5-phosphat zu Ribose-5-phosphat.

Man beachte, dass die Elektronen in Form von NADPH gewonnen werden, wie sie für Biosynthesengebraucht werden. In seiner zyklischen Form ist der Pentosephosphatweg (neben dem Malatenzym; sieheKapitel 10) der wichtigste Mechanismus, um NADPH zu generieren. Ribose-5-Phosphat wird dabei durchTransketolasen (TK), Transaldolasen (TA), Isomerasen (I) und einen Abschnitt der Glykolyse (G) wieder zuGlucose-6-phosphat rezykliert. Aus 6 Ribose-5-phosphat entstehen so wieder 5 Glucose-6-phosphat.

Ribose-5-P

Xylulose-5-P

Sedoheptulose-7-P

Glyceraldehyd-3-P

Fructose-6-P

Erythrose-4-P

Glucose-6-P

Fructose-6-P

Xylulose-5-P Glyceraldehyd-3-P

TATK

TKG

I

I

I

C5 C7

C3

C6

C4C5

C6

C6

C5 C3

CH

CH

CH

CH

CH

CH2OPO

3

2

O

OH

OH

OH

Glucose-6-P

NADP+

NADPH

Glucose-6-P-Dehydrogenase

OH

C

CH

CH

CH

CH

CH2OPO

3

2

O

OH

OH

OH

6-Phospho-gluconolacton

O

H2O

COO

CH

CH

CH

CH

CH2OPO

3

2

OH

OH

OH

6-Phospho-gluconat

OH

NADP+

CO2 + NADPH

Lactonase

CH2OH

C

CH

CH

CH2OPO

3

2

O

OHRibulose-5-P

OH

Phosphopentose-Isomerase

CHO

C

CH

CH

CH2OPO

3

2

OHRibose-5-P

OH

H OH

6-Phosphogluconat-Dehydrogenase

Page 115: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

11. Gluconeogenese 11

Page 116: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus
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12. SIGNALÜBERTRAGUNG

1. Allgemeines Zellen kommunizieren miteinander durch direkten Kontakt von Oberflächenmolekülen oder mit diffusiblen Molekülen über kurze (z.B. Neurotransmitter bei Synapsen) oder lange Distanzen (z.B Hormone via Blutkreislauf). Der Effekt des Signals ist letztlich

• die Regulation spezifischer Enzym- oder Transportaktivitäten und/oder • die veränderte Expression bestimmter Gene im Rahmen der Entwicklung oder der Anpassung an

die metabolische Situation. Spezifität: Signale wirken meist nur auf ganz bestimmte Zielzellen, die für dieses Signal spezifische

Rezeptoren besitzen. Amplifikation: Die Komponenten von Signalübertragungsketten sind oft Enzyme, die durch ihre Aktivität

das Signal vervielfältigt. So kann die Bindung einzelner Hormone an ihre Rezeptoren die Zelle dramatisch beeinflussen.

Adaptation/Desensitization/Down-regulation: Bei starker oder anhaltender Stimulation eines Signal-übertragungswegs wird die Stimulierbarkeit reduziert, z.B. durch Endozytose der Rezeptoren.

Integration: Verschiedene Signalübertragungswege können sich gegenseitig beeinflussen und so verschie-dene Signale integrieren und die Signalantwort der Situation anpassen.

Signalsubstanzen binden an Rezeptoren in den Zielzellen mit hoher Spezifität und meist hoher Affinität (KD ~10-9 M). In vielen Fällen ist der Rezeptor ein Oligomer, und Ligandbindung kooperativ: Allosterie! Die resultierende sigmoidale Bindungskurve führt dazu, dass kleine Konzentrationsänderungen der Signalsubstanz in einem bestimmten Regelbereich grosse Änderungen der Signalweitergabe bewirken. Hydrophile Signalmoleküle können die Plasmamembran der Zielzelle nicht durchdringen und binden an die äussere Domäne von integralen Rezeptorproteinen in der Plasmamembran. Je nach Rezeptor oder Zelltyp können Zellen zwischen 500 und 100,000 Rezeptorproteine an ihrer Oberfläche haben. Durch eine Konformationsänderung wird das Signal (nicht das Molekül) ins Zytosol und meist über eine Kaskade von Signalüberträgern weitergeleitet.

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12. Signalübertragung 2

Diese sind entweder

• second messengers (intrazelluläre Botenstoffe) wie cAMP, IP3, Diacylglycerin, PIP3 und Ca2+ oder

• Proteine, die zwischen zwei Zuständen ("aktiv" und "nicht-aktiv") wechseln können: Enzyme, die second messengers produzieren, wenn sie aktiviert werden Protein-Kinasen und -Phosphatasen, die das nächste Protein in der Kaskade aktivieren oder

inaktivieren G-Proteine (GTPasen), die im GTP-bindenden Zustand ein Zielprotein binden und dadurch

aktivieren oder inaktivieren können Adaptoren = Proteine, die durch Bindung eines ersten Partnerproteins so verändert werden,

dass sie ein zweites binden und dadurch aktivieren oder inaktivieren können. Transkriptionsfaktoren

Hydrophobe Signalmoleküle (z.B. Steroidhormone, Thyroxin) können durch die Plasmamembran in das Innere der Zielzelle diffundieren und an cytosolische oder nukleäre Rezeptoren binden. Der Komplex wirkt meist direkt als Transkriptionsfaktor. Vier Grundtypen von Signalrezeptoren • Steroidrezeptoren im Cytosol und Zellkern • Regulierte Ionenkanäle: Ligandbindung oder eine Änderung des Membranpotentials öffnet den Ionen-

kanal. • Tyrosinkinase-Rezeptoren: Eine cytosolische Domäne des Rezeptors wird enzymatisch aktiv (z.B. als

Proteinkinase). • G-Protein-abhängige Rezeptoren: Rezeptoren mit 7 Transmebranhelices, die ein Trimeres G-Protein

aktivieren, das seinerseits die Produktion eines second messengers induziert. 2. Steroidrezeptoren Steroide sind im Serum grösstenteils an Transportproteine gebunden. Wegen ihres hydrophoben Charakters können sie durch Membranen diffundieren und im Cytosol oder im Nucleus an lösliche Rezeptoren binden. Die Steroidrezeptoren bestehen aus drei Domänen:

• eine Hormonbindungsdomäne • eine DNA-Bindungsdomäne für spezifische Promotorsequenzen • eine Effektordomäne, die mit mit anderen

zellspezifischen Transkriptionsfaktoren interagiert

und so die Transkription des Ziel-Gens stimuliert.

Page 119: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

12. Signalübertragung 3

3. Regulierte Ionenkanäle: Der nicotinische Acetylcholin-Rezeptor als Beispiel Tierische Zellen besitzen in der Plasma-membran einen ATP-getriebenen Na+/K+-Antiporter, die Na+/K+-ATPase. Diese Pumpe ist elektrogen, weil im Gegenzug zum Export von 3 Na+ 2 K+ importiert werden, d.h. es entsteht ein Na+-Gradient [aussen] > [innen], ein K+-Gradient [innen] > [aussen] und ein Membranpotential (aussen + vs. innen –) von ca. –70 mV. Der elektro-chemische Gradient (die Kombination von Konzentrationsgradient und elektrischer Spannung) lassen Na+ und Ca2+ hinein- und K+ und Cl- hinausfliessen, wenn ent-sprechende Kanäle geöffnet werden. Der nicotinische Acetylcholin-Rezeptor befindet sich in der postsynaptischen Membran gewisser Neuronen und von Muskelzellen. Der Rezeptor besteht aus 5 homologen Untereinheiten mit der Stöchiometrie α2βγδ. Jede Untereinheit bildet ein Bündel von 4 Transmembran-helices. Im Rezeptorkomplex sind die M2-Helices jeweils in die Mitte gerichtet und bilden einen Kanal. Die engste Stelle wird durch Leucinreste gebildet und ist zu eng für Ionen. Bindung von Acetylcholin (oder Nicotin) an zwei Bindungstellen in den α-Untereinheiten führt zu einer Konformationsänderung, die eine Drehung der M2-Helices bewirkt. Die grossen Leucinreste bewegen sich aus dem Kanal und werden durch kleinere Serin-Reste ersetzt: Der Kanal öffnet sich und wird durchgehend hydrophil. Na+, Ca+ und K+ können passieren.

Ein Signal der präsynaptischen Zelle, d.h. die Ausschüttung von Acetylcholin aus Vesikeln in den synaptischen Spalt, führt durch Bindung des Acetylcholins an den Rezeptor zum massiven Einfluss von Na+ und Ca+ in die postsynaptische Zelle: Die Membran wird lokal depolarisiert. Dies wird noch verstärkt, weil spannungsabhängige Na+-Kanäle geöffnet werden (die Konformationsänderung zum Öffnen und Schliessen dieser Kanäle wird durch die Änderung des Membranpotentials ausgelöst). Bei einer gewissen Depolarisation werden spannungsabhängige K+-Kanäle geöffnet und durch den Ausfluss von K+ wird die

Page 120: Skript zur Vorlesung Biochemie/Metabolismus

12. Signalübertragung 4

Membran wieder repolarisiert. So wandert eine transiente Depolarisation der Membran entlang als sog. Aktionspotential. Erreicht das Aktionspotential in Neuronen eine Synapse, werden dort spannungsabhängige Ca2+-Kanäle geöffnet. Das einfliessende Ca2+ löst die Fusion von synaptischen Vesikeln mit der Plasmamembran aus, wodurch die Ausschüttung von Neurotransmitter das Signal an die nächste Zelle weitergibt. Im Muskel wird das Aktionspotential ins sarkoplasmatische Retikulum (ein spezialisiertes ER) geleitet, wo ebenfalls Ca2+-Kanäle geöffnet werden, was die Muskelkontraktion auslöst. Normalerweise wird Acetylcholin sehr schnell durch die Acetylcholinesterase gespalten. Wenn die Konzentration aber mehrere Millisekunden hoch bleibt (längere Stimulation), geht der Rezeptor in eine dritte Konformation mit gebundenem Acetylcholin aber geschlossenem Kanal über: Die Rezeptoren sind desensitized. 4. Rezeptorenzyme: Der Insulinrezeptor als Beispiel Das Peptidhormon Insulin wird von den Inselzellen des Pankreas bei hohem Blutzucker sekretiert und stimuliert die • Aufnahme von Glucose aus dem Blut in die Leber (Glucokinase ↑), die Muskeln und die Fettzellen

(Glucosetransporter ↑) • Glycogensynthese (Glycogensynthase ↑) • Glykolyse (PFK2 ↑ → PFK1 ↑) und Produktion von Acetyl-CoA (Pyruvatdehydrogenase ↑) • Fettsäuresynthese (Acetyl-CoA-Carboxylase ↑) … und hemmt den • Glycogenabbau (Glycogenphosphorylase ↓)

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12. Signalübertragung 5

Der Insulinrezeptor besteht aus einer α- und einer β-Untereinheit, die über eine Disulfidbrücke verknüpft sind und ein (αβ)2 Homodimer bilden. Die α-Untereinheiten sind extracellulär und enthalten die Insulin-bindungsstellen. Die β-Untereinheiten durchspannen die Membran mit einer α-Helix und besitzen im cytosolischen Teil eine Tyrosinkinase-Domäne. Durch die Bindung von Insulin an den Rezeptor wird dieses Enzym aktiviert und und die β-Untereinheiten phosphorylieren sowohl sich selbst, als auch spezifische andere Proteine, insbesondere IRS-1 (Insulinrezeptorsubstrat-1). Phosphoryliertes IRS-1 wird an einem Phosphotyrosin durch Grb2 gebunden (genauer: durch eine sog. SH2-Domäne [src homology domain-2] in Grb2). An diesen Komplex kann das Protein Sos binden, das dadurch aktiv wird als Guanin nucleotide exchange factor (GEF) für das G-Protein Ras: Sos ermöglicht es, das an Ras gebundene GDP durch GTP auszutauschen. Ras-GTP kann nun durch Bindung die Proteinkinase Raf-1 aktivieren, die erste von 3 Proteinkinasen, die eine Phosporylierungskaskade bilden: Raf-1 phosphoryliert und aktiviert MEK, phosphoryliertes MEK phosphoryliert und aktiviert MAPK (mitogen-activated protein kinase), phosphorylierte MAPK wandert in den Zellkern und phosphoryliert und aktiviert dort Transkriptionsfaktoren, die die Transkription spezifischer Gene beeinflussen. IRS-1 aktiviert nicht nur Grb2 sondern auch eine PI-3-Kinase (wieder über eine SH2-Domäne). Die PI-3-Kinase phosphoryliert Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat (PIP2), an der 3-Position zu PI-3,4,5-trisphosphat (PIP3). Proteinkinase B (PKB) bindet an PIP3 und wird in dieser Form zu einem Substrat für Phosphorylierung durch eine andere Kinase (PDK1). In phosphoryliertem Zustand ist PKB aktiv und phosphoryliert Serin- und Threoninreste der Glycogensynthasekinase 3 (GSK3). Nicht-phosphorylierte GSK3 inaktiviert die Glycogensynthase. Durch Phosphorylierung wird GSK3 inhibiert, womit die Glycogensynthese nicht weiter gehemmt und so stimuliert wird. Über einen zweiten Übertragungsweg stimuliert PKB auch die Exocytose von Vesikeln, die ein Reservoir von Glucosetransportern enthalten. So wird die Aufnahmekapazität für Glucose erhöht. Insulinbindung an den Rezeptor induziert Endozytose und damit "Down-regulation" des Rezeptors. Hormon und Rezeptor dissoziieren in Endosomen und werden grösstenteils in Lysosomen degradiert.

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12. Signalübertragung 6

5. G-Protein-abhängige Rezeptoren Der β-adrenerge Rezeptor als Beispiel: cAMP als second messenger Adrenalin (englisch: epinephrine) wird im Nebennieren-Mark synthetisiert und in speziellen Sekretionsgranula (chromaffine Granula) gespeichert. In Alarmsituationen lösen Nervensignale die Fusion der Granulamembranen mit der Plasmamembran aus und der Granulainhalt wird ins Blut entlassen (Exozytose). Adrenalin bewirkt auf verschiedene Zelltypen unterschiedliche Antworten (im Herzmuskel erhöhte Kontraktion und Schlagfrequenz, in der Leber erhöhter Glycogenabbau), die Primärreaktion ist jedoch stets die Bildung von cAMP.

• Bindung von Adrenalin induziert eine Konformationsänderung im Rezeptorprotein. • Das veränderte Rezeptorprotein wirkt als Guanine-nucleotide exchange factor (GEF) für ein trimeres G-

Protein (Gαβγ): In nicht-stimuliertem Zustand hat Gα ein GDP gebunden. Bindungen von Gαβγ an das Rezeptorprotein bewirkt den Austausch von GDP für GTP und die Dissoziation von Gβγ von Gα-GTP.

•Gα-GTP bindet an die Adenylatcyclase und aktiviert sie: cAMP wird aus ATP gebildet, solange Gα gebunden ist.

• Für sich allein ist Gα eine sehr schwache GTPase. Durch die Bindung an die Adenylatcyclase wird die GTPase-Aktivität erhöht; d.h. die Adenylatcyclase wirkt als GTPase activating protein (GAP). Sobald das gebundene GTP zu GDP hydrolysiert ist, dissoziiert Gα·GDP und bildet wieder einen Komplex mit Gβγ. Je höher die GTPase-Aktivität von Gα, desto kürzer dauert die Aktivierung der Adenylatcyclase, desto weniger cAMP wird produziert. (Die GTPase wirkt als "Timer".).

• Der erhöhte cAMP-Spiegel aktiviert eine cAMP-abhängige Proteinkinase = Proteinkinase A (PKA), die spezifische Proteine an Serin- oder Threoninresten phosphoryliert und dadurch aktiviert oder inaktiviert. cAMP bewirkt eine Dissoziation einer regulatorischen Untereinheit (R) von der katalytischen Untereinheit (C) und damit eine Aktivierung der Kinase:

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12. Signalübertragung 7

• In der Leber wird Phosphorylase-Kinase durch PKA phosphoryliert und dadurch aktiviert. • Glykogen-Phosphorylase b wird durch Phosphorylase-Kinase phosphoryliert und dadurch zu

Phosphorylase a aktiviert. • Glykogen wird durch Phosphorylase a phosphorolytisch gespalten. • PKA phosphoryliert auch die Glycogensynthase, die dadurch inaktiviert wird.

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12. Signalübertragung 8

Der Vasopressinrezeptor als Beispiel: Diacylglycerin, IP3 und Ca2+ als second messengers Vasopressin ist ein Nonapeptidhormon, das durch die Neurohypophyse zur Regulation des Wasserhaushaltes ausgeschüttet wird. In den Nierenzellen induziert es die Mobilisation von Wasserkanälen zur Rückresorption des Wassers aus dem Primärharn. Der Vasopressinrezeptor ist ebenfalls ein 7-Transmembranprotein und aktiviert auf der cytosolischen Seite ein trimeres G-Protein. Dieses aktiviert eine Phospholipase C, die Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat zu Ino–sitoltrisphosphat (IP3) und Diacylglycerin hydrolysiert. Diacylglycerin stimuliert direkt Proteinkinase C (PKC) an der Plasmamembran. IP3 ist löslich und aktiviert Ca2+-Kanäle in der ER-Membran was zu einer Erhöhung der cytosolischen Ca2+-Konzentration von norma-lerweise ~0.1 µM vorübergehend auf etwa 1-2 µM führt. Dies stimuliert ebenfalls PKC. PKC phosphoryliert nun andere Zellproteine an Serin- oder Threonin-Seitenketten, die dadurch aktiviert oder gehemmt werden.

CHCH2

CH2

O

OO

OOPO

OO

OHOH

OHOH

OH

CHCH2

CH2

O

OO

OOPO

OO

OHOH

OHOP

O

OO

OPO

OO

PI-Kinasen

PI-spezifische Phospholipase C

OPO

OO

OHOH

OHOP

O

OO

OPO

OO

CHCH2

CH2

O

OO

OOH

+

Phosphatidylinositol(PI)

Phosphatidyl-inositol-4,5-bisphosphat

(PIP2)

Inositoltrisphosphat(IP3)

Diacylglycerin

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12. Signalübertragung 9

Ca2+ beeinflusst Enzyme oft über das Ca2+-bindende Protein Calmodulin, das 4 Ca2+-bindende Stellen enthält, bei Ca2+-Bindung seine Konformation ändert und permanent oder temporär an das durch Ca2+ regulierte Enzym gebunden ist. Calmodulin agiert als Ca2+-Sensor und reguliert so eine Reihe von Enzymen.

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12. Signalübertragung 10

6. Onkogene Tumore und Krebs sind das Resultat unkontrollierter Zellteilung. Normalerweise wird das Zellwachstum durch das Wechselspiel verschiedener biologischer Signale reguliert, die durch Mutationen in Signalübertragungsproteinen aus dem Gleichgewicht geraten können. Die mutierten Gene werden als Tu-morgene oder Onkogene bezeichnet, das entsprechende normale Gen als Proto-Onkogen. Beispiele: EGF (epidermal growth factor) ist ein wichtiger Wachstumsfaktor. Der EGF-Rezeptor ist ein Trans-membranprotein mit einer cytosolischen Tyrosinkinasedomäne ähnlich dem Insulinrezeptor. Das Onkogen ErbB codiert für eine verkürzte Form des EGF-Rezeptors, dem ein grosser Teil der Ligandbindungsdomäne fehlt. Weil die Tyrosinkinase jetzt hormonunabhängig (= konstitutiv) aktiv ist, wird Zellwachstum und Zellteilung permanent stimuliert. Ras ist ein monomeres G-Protein, das im Insulin-Signalweg, aber auch im Signalweg von Wachstums-hormonen eine Rolle spielt. Aus Tumorzellen wurden verschiedene Ras-Onkogene isoliert, die ein Protein mit defekter GTPase-Aktivität codieren. Die Ras-Onkoproteine bleiben deshalb konstitutiv in der GTP-gebundenen, aktiven Form und stimulieren den Signalweg hormonunabhängig. Die ersten Onkogene wurden aus tumorinduzierenden Viren isoliert. Viren können kleine Abschnitte des Wirtsgenoms in ihr eigenes Genom integrieren. Retroviren (RNA-Viren, die ihr Genom zur Replikation in DNA "umkopieren") haben eine relativ hohe Mutationsrate wegen der Reverse-Transcriptase-Reaktion. Proto-Onkogene haben als Teil eines Virus deshalb eine relativ grosse Wahrscheinlichkeit Onkogene zu werden. Die Viren profitieren von der erhöhten metabolischen Aktivität in transformierten Zellen.


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