THERAPEUTISCHE GERÄTETECHNIK GERÄTETECHNIK FÜR DIE INFUSIONSTHERAPIE
Fakultät Elektrotechnik und Informationstechnik Institut für Biomedizinische Technik
Skript zur Lehrveranstaltung Autor:
Ausgabe Juli 2008 Dr.-Ing. Christine Thiele
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
Inhaltsverzeichnis
1 EINLEITUNG 1
2 INFUSIONSTHERAPIE 2
3 SYSTEMATIK DER INFUSIONSTECHNIK 3
4 INFUSIONSPRINZIPE 5
4.1 Schwerkraftinfusion 5
4.2 Pneumatische Druckinfusion 8
4.3 Infusion mittels Infusionspumpen 9
4.4 Infusion mittels Infusionsspritzenpumpen 12
5 INFUSIONSMATERIAL 13
5.1 Übersicht 13
5.2 Infusatbehälter 14
5.3 Spritzen 19
5.4 Infusionsgeräte 20
5.5 Übertragungsleitungen 24
5.6 Katheter 24
5.7 Zubehörteile 26
5.8 Infusionsfilter 27
5.9 Rückschlagventile 28
6 ANTRIEBSTECHNIK 28
6.1 Beispiele für Infusionspumpen 28
6.2 Beispiele für Infusionsspritzenpumpen 29
7 SICHERHEITSTECHNISCHE ASPEKTE 31
7.1 Luftinfusion 31
7.2 Druckbegrenzung 32
7.3 Fehlförderungen 32
7.4 Kombination von Infusionsarten 32
7.5 Inkompatibilitäten 32
7.6 Funktionsprüfung 33
8 NORMEN 36
9 LITERATUR 38
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
1
1 Einleitung
Der menschliche Organismus muss zum Erhalt seiner Lebensfunktionen ständig
Nahrung und Wasser aufnehmen. Die darin enthaltenen Stoffe dienen zur Auf-
rechterhaltung aller lebenswichtigen Prozesse. Im Regelfall erfolgt die Zufuhr über
den Mund (natürliche Körperöffnung) in den Magen-Darm-Kanal, in welchem der
Transport, die Aufbereitung und Absorption erfolgt. Auch eine Vielzahl von Medi-
kamenten kann oral verabreicht werden.
In bestimmten Situationen kann es erforderlich sein, Substanzen unter Umgehung
des Magen-Darm-Kanals, also parenteral, zu applizieren. Solche Situationen kön-
nen u. a. sein:
- Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes,
- Notfälle, bei denen ein schneller Flüssigkeitsersatz (Wasser und Elektrolyte) er-
forderlich ist,
- Intensivtherapie mit Verabreichung hochwirksamer Medikamente und
- arzneimittelbedingtes Verbot der oralen Verabreichung.
Schließt man eine Stoffaufnahme durch die Haut bzw. über die Lunge aus, ist mit
der parenteralen Applikation immer ein invasiver Eingriff, d. h. die Durchdringung
(Verletzung) der Körperoberfläche, verbunden. Das Einbringen einer Flüssigkeit in
den Körper kann dabei relativ schnell durch Injektion (Einspritzen) geringerer
Mengen oder durch Infusion (langsame, meist tropfenweise Zufuhr auch größerer
Flüssigkeitsmengen) erfolgen. Für beide Verfahren sind technische Hilfsmittel er-
forderlich. Das Spektrum reicht dabei von Kanülen zur Durchdringung der Körper-
oberfläche bis hin zu medizinischen elektrischen Geräten zur Förderung der zu
applizierenden Flüssigkeiten.
Die Lehrveranstaltung befasst sich ausschließlich mit der Gerätetechnik zur Infu-
sionstherapie. Es werden die verschiedenen Formen der Infusionstherapie vorge-
stellt, Anforderungen an die Gerätetechnik abgeleitet und diese klassifiziert sowie
die Umsetzung anhand konkreter Gerätebeispiele besprochen. Auf relevante
Normen, Aspekte der Sicherheit und Prüfung wird eingegangen.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
2
2 Infusionstherapie
Unter Infusionstherapie wird im Allgemeinen die Zufuhr einer Flüssigkeit (Infusat)
in den Körper unter Umgehung des Magen-Darm-Kanals für therapeutische Zwe-
cke verstanden.
Applikationsorte können dabei sein:
- intravenös: in den venösen Teil des Kreislaufsystems über einen peripheren oder
zentralen Venenzugang,
- intraarteriell: in den arteriellen Teil des Kreislaufsystems,
- subkutan: unter die Haut, besonders Bauchdecke und Oberschenkel,
- intraossär: in den Knochen, hier in Röhrenknochen, vor allem in die Tibia
(Schienbein).
Der überwiegende Anteil aller Infusionen wird intravenös ausgeführt. Deshalb
wird umgangssprachlich der Begriff Infusionstherapie auch als Synonym für in-
travenöse Infusionen benutzt. Intraarterielle Infusionen werden selten durchge-
führt, z. B. bei Durchblutungsstörungen oder bestimmten Chemotherapien. Sub-
kutane Infusionen sind in der Geriatrie (Altersheilkunde) zur Behandlung von Ex-
sikkose (Austrocknung) und zur Schmerztherapie zu finden. Die intraossäre Infusi-
on wird häufiger bei Kindernotfällen, wie Schock und Herzstillstand genutzt.
Das Ziel der Infusionstherapie besteht dabei
- im Ausgleich von Wasserverlusten,
- dem Herstellen und Erhalten der normalen intra- und extrazellulären Elektrolyt-
konzentration,
- der Normalisierung des Säure-Basen-Haushaltes,
- der Deckung des Energie- und Eiweißbedarfs,
- der Zufuhr von Medikamenten, Vitaminen, Hormonen und Spurenelementen und
- der Flüssigkeitszufuhr zur beschleunigten Ausscheidung von Giftstoffen durch
die Niere (z. B. bei Schlafmittelvergiftungen).
Insgesamt spielt die Infusionstherapie heute in der Medizin eine wichtige Rolle.
Sie ist insbesondere aus der Notfallmedizin, Intensivtherapie und klinischen Anäs-
thesie nicht mehr wegzudenken.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
3
3 Systematik der Infusionstechnik
Zum Einbringen des Infusates in den Körper muss der am jeweiligen Applikations-
ort herrschende Körperinnendruck apparativ überwunden werden. Ein geeignetes
Kriterium für die Systematisierung der dazu verwendeten Infusionstechnik ist
deshalb die Methode mittels derer der notwendige Applikationsdruck erzeugt
wird. Hierbei unterscheidet man Systeme ohne Anwendung und mit Anwendung
von Hilfsenergie. Bild 3.1 zeigt das Ordnungsschema der Infusionstechnik.
Systeme ohne Hilfsenergie Systeme mit Hilfsenergie
INFUSIONSTECHNIK
SCHWERKRAFTINFUSION APPARATIVE DRUCKINFUSION
Systeme mitRollenklemme
Systeme mitInfusionsregler
elektrische Infusionspumpen
pneumatische Druckinfusionsgeräte
elektrische Spritzenpumpen
tropfengeregelt
volumengesteuert
generell einsetzbar
für spezielle Therapien
Bild 3.1: Ordnungsschema der Infusionstechnik
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
4
Die Wahl der zweckmäßigsten Gerätetechnik leitet sich immer aus den therapeuti-
schen Erfordernissen ab. Entscheidend sind dabei die Parameter
- Menge des zu verabreichenden Infusates,
- Infusionsrate,
- erforderliche Dosiergenauigkeit,
- die Dauer der Infusion und
- die Zusammensetzung des Infusates.
Einen Überblick über die technische Leistungsfähigkeit der verschiedenen Geräte-
systeme zeigt Bild 3.2.
Schwerkraftinfusion apparative Druckinfusion
Genauigkeit
geringste > ± 20 %
geringe ± 20 %
mittlere± 10 %
hohe ± 5 %
höchste± 2 %
möglicher Dosierbereich
10 – 60 Tr/min
30 -180
ml/h
1 – 1000 ml/h
10 – 60 Tr/min
30 -180
ml/h
1 – 100 ml/h
1 – 99Tr/min
3 -300 ml/h
1 – 500 ml/h
mechanischer
Infusions-regler
Infusions-pumpe
mit speziellem
Einmalartikel
Rollen-klemme
Infusions-spritzen-pumpe
elektrischer Infusions-
regler
Infusions-pumpe
mit Standard-
Einmalartikel
Bild 3.2: technische Leistungsfähigkeit der Infusionstechnik, nach [KRA1997]
Etwa 80 % aller Infusionen werden als Schwerkraftinfusion ausgeführt. Die sys-
tembedingten Abweichungen der gewünschten Förderrate von bis zu 50 % kön-
nen bei dieser Anwendung toleriert werden. Infusionspumpen sind für die Appli-
kation großer Mengen in einem weiten Dosierbereich mit vertretbaren Förderra-
tenabweichungen vorgesehen. Mit Spritzenpumpen werden hochwirksame Medi-
kamente mit hoher Genauigkeit und kleinen Infusionsraten appliziert.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
5
4 Infusionsprinzipe
4.1 Schwerkraftinfusion
Bei der Schwerkraftinfusion erfolgt die Applikation des in einem Infusionsbehälter
befindlichen Infusates mit Hilfe eines Schlauchsystems (Infusionsgerät) über ei-
nen venösen Katheter in eine periphere oder zentrale Vene. Der erforderliche Ap-
plikationsdruck wird dabei durch ein hydrostatisches Druckgefälle zwischen dem
erhöht angebrachten Infusionsbehälter und dem Applikationsort am Patienten er-
zeugt. Bild 4.1 zeigt das Prinzip.
∆h
pvenös
phydrostatisch
Bild 4.1: Prinzip der Schwerkraftinfusion
Die Infusionsrate, d. h. das Volumen, das pro Zeiteinheit appliziert werden kann,
ist abhängig von
- der Höhendifferenz zwischen Applikationsort und Infusatspiegel im Infusionsbe-
hälter,
- den Strömungswiderständen im Infusionsgerät, Kanülen bzw. Katheter,
- dem venösen Gegendruck am Applikationsort,
- der Dichte des Infusats und
- der Viskosität des Infusats.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
6
Der im Infusionsgerät maximal erreichbare Volumenstrom lässt sich mit Hilfe der
Kontinuitätsgleichung und der Bernoulli-Gleichung ableiten. Bild 4.2 zeigt dazu
das Schema eines strömenden Fluids in einer nicht horizontalen Leitung.
h1
h2
v1
v2
A1
A2
p1
p2
r1
r2
Bild 4.2: Schema eines strömenden Fluids in einer nicht horizontalen Leitung
Bei inkompressiblen Flüssigkeiten (ρ = konst.) ist sowohl der Massedurchsatz
•
1 1 1 2 2 2m = ρ A v = ρ A v = konst. (4.1)
als auch der Volumenstrom
1 1 2 2q = A v = A v = konst. (4.2)
für jeden Querschnitt gleich.
Nach dem Energieerhaltungssatz ist in einem strömenden Fluid die Summe aus
dem statischen Druck p, dem kinetischen Druck und dem Schweredruck (geodäti-
scher Druck) konstant. Vernachlässigt man Reibungsverluste, so gilt für das strö-
mende Fluid
2 21 1 1 2 2 2
1 1p + ρ v +ρ g h = p + ρ v +ρ g h
2 2 (4.3)
Wenn, wie bei der Schwerkraftinfusion gegeben, der Ausflussquerschnitt A2 (Ka-
nülenquerschnitt) sehr viel kleiner als die Querschnittfläche A1 des Infusionsbehäl-
ters ist, ist die Geschwindigkeit v1 nach der Kontinuitätsgleichung vernachlässig-
bar klein. Aus der Bernoulli-Gleichung 4.3 kann dann die Ausflussgeschwindig-
keit v2 zu
2 1 2 1 2
2v = (p - p )+ 2 g (h - h )
ρ (4.4)
berechnet werden.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
7
Nimmt man nun noch an, dass der Infusionsbehälter belüftet und der Ausfluss
direkt in die Umgebung erfolgt, dann wird p1 = p2 = pUmgebung und die Ausflussge-
schwindigkeit v2 beträgt nun mit h1 - h2 = ∆h
2v = 2 g ∆h (4.5)
Der erzielbare Volumenstrom ergibt sich dann zu
2 2 2 2q = A v = A 2 g ∆h (4.6)
und ist somit direkt vom durchströmten Auslassquerschnitt und der Höhendiffe-
renz zwischen dem Infusatspiegel und dem Applikationsort abhängig.
Betrachtet man das strömende Infusat als NEWTONsche Flüssigkeit, also als rei-
bungsbehaftetes Fluid, entsteht entlang der durchströmten Leitung mit rundem
Querschnitt (Infusionsgerät) infolge der Reibung eine Druckdifferenz. Bei Vorlie-
gen einer laminaren Strömung bildet sich innerhalb der Leitung ein parabolisches
Geschwindigkeitsprofil nach Gleichung 4.7 aus.
1 2 2 20
p - pv(p,r) = (r - r )
4 η l (4.7)
Dabei ist r0 der Radius der Leitung, r der aktuell betrachtete Radius, l die Länge
der Leitung und η die dynamische Viskosität des Infusats. Aus diesem Geschwin-
digkeitsprofil lässt sich eine mittlere Geschwindigkeit v und daraus der Volumen-
strom berechnen.
1 2 2max 0
1 p - pv = v (p,r) = r
2 8 η l (4.8)
40 1 21 22 2
0 0
π r (p - p )p - pq = A v = π r r =
8 η l 8 η l (4.9)
Gleichung 4.9 ist als HAGEN-POISEUILLEsches Gesetz bekannt. Durch Umstellen von
Gleichung 4.9 kann der Druckabfall entlang der Leitung ermittelt werden. Ersetzt
man der Radius r0 durch den halben Durchmesser d/2 und führt die REYNOLDS-
Zahl Re ein,
v d ρRe =
η (4.10)
ergibt sich die Druckdifferenz zu
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
8
21 2
64 l ρp - p = ∆p = v
Re d 2 (4.11)
Je länger das Schlauchsystem, je höher die Dichte des Infusates und je geringer
der Leitungsdurchmesser, desto höher wird der Druckabfall über dem Infusions-
system sein. Der Druckabfall verläuft außerdem quadratisch zur Strömungsge-
schwindigkeit. Dieser durch Reibung entstehende Druckabfall muss zusätzlich zum
venösen Gegendruck des Patienten durch den hydrostatischen Druck des Infusa-
tes überwunden werden, um den nötigen Applikationsdruck zu erzielen.
In der Praxis werden Applikationsdrücke zwischen 8 kPa und 12 kPa angewendet,
der venöse Gegendruck des Patienten beträgt zwischen peripher ca. 3 kPa und
zentralvenös 0,3 kPa.
4.2 Pneumatische Druckinfusion
Die Anordnung der Gerätekomponenten für eine pneumatische Druckinfusion ist
vergleichbar mit der der Schwerkraftinfusion. Der notwendige Applikationsdruck
wird hier jedoch nicht allein durch die hydrostatische Druckdifferenz sondern
durch eine zusätzliche Kompression des Infusatbehälters mittels einer speziellen
Druckmanschette aufgebracht. Der Infusatbehälter muss für diesen Zweck flexibel
ausgeführt sein und darf im Gegensatz zur Schwerkraftinfusion keinesfalls im Be-
trieb entlüftet werden. Im Notfall kann die Kompression auch mit einer Blut-
druckmanschette oder manuell erfolgen. Bild 4.3 zeigt das Prinzip. Wegen der hö-
heren Drücke im Infusionsgerät darf ausschließlich die druckfeste Ausführung
verwendet werden.
Haupteinsatzgebiet der pneumatischen Druckinfusion sind Notfallsituationen, in
denen eine schnelle und massive Volumensubstitution erforderlich ist. Mit Kom-
pressionsdrücken bis ca. 40 kPa können die Infusionsraten etwa verdreifacht wer-
den [HIN2004].
Da Druckinfusionssysteme geschlossene Systeme sind, besteht keine Kontamina-
tionsgefahr durch Krankheitserreger und eine Luftinfusion ist (bei korrekter Aus-
führung) ausgeschlossen.
Als noch keine flexiblen Infusatbehälter zur Verfügung standen, sondern nur star-
re Glasbehälter, wurde zur Kompression über eine Belüftungseinrichtung Druck-
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
9
luft in den Infusatbehälter geblasen. Diese Methode der „forcierten Belüftung“
beinhaltete ein erhebliches Risiko der Luftinfusion bei leergelaufenem Infusatbe-
hälter und wird deshalb heute nicht mehr eingesetzt.
∆h
pvenös
phydrostatisch
Druckmanschettepkompress
Bild 4.3: Prinzip einer pneumatischen Druckinfusion
4.3 Infusion mittels Infusionspumpen
Auch bei der Infusion mittels Infusionspumpen wird das zu verabreichende Infusat
aus einem Infusatbehälter durch ein Infusionsgerät zum Patienten geleitet. Das
Fluid im Infusionsgerät wird dabei nicht durch die Schwerkraft, sondern durch ei-
nen energetisch betriebenen Antriebsmechanismus bewegt. Dieser Antriebsme-
chanismus kann konstruktiv als Kolben-, Membran- oder rotierende bzw. lineare
Peristaltikpumpe ausgelegt sein. Moderne Infusionspumpen arbeiten praktisch
ausschließlich mit linearem Peristaltikantrieb. Membran- und Kolbenpumpen spie-
len eine untergeordnete Rolle und werden in tragbaren Pumpen für spezielle An-
wendungen eingesetzt. [HIN2004], [HAU1998]
In Abhängigkeit von der Art der Antriebsansteuerung werden tropfengeregelte
und volumengesteuerte Infusionspumpen unterschieden. In Bild 4.4 sind beide
Varianten gegenübergestellt.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
10
M Sollwert Peristaltik-
antrieb Steuergerät MSollwert
Peristaltik-antrieb Regler
Tropfensensor
Istwert
volumengesteuert tropfengeregelt
Bild 4.4: Prinzip einer Infusion mittels Infusionspumpe
Beim linearen Peristaltikantrieb (auch Schieber- oder Fingerperistaltikantrieb)
treibt ein Motor eine Exzenterwelle an, auf der einzelne Schieber die Infusionslei-
tung nacheinander bei einer Wellenumdrehung wellenförmig gegen ein Widerla-
ger abquetschen. Durch den Leitungsquerschnitt di und die Länge l des Schieber-
paketes ergibt sich ein definiertes Fördervolumen VEU pro Exzenterwellenumdre-
hung. Nähert man die Schnittgeometrie des Schlauches unterhalb des Schieber-
paketes durch ein gleichschenkliges Dreieck mit der Hypotenuse l und der Höhe di
an, kann das Fördervolumen VEU aus dem Volumen eines Zylinders mit dem
Durchmesser di und der Länge l/2 berechnet werden. Gleichung 4.12 und Bild 4.5
stellen diesen Sachverhalt dar.
F
v
l
di
Bild 4.5: Prinzip des linearen Peristaltikantriebes
2EU i
π lV = d
4 2 (4.12)
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
11
Bei der tropfengeregelten Variante bezieht sich die Dosiergenauigkeit auf die
Tropfenzahl (Anzahl der Tropfen pro Minute). Die aktuelle Infusionsrate wird
durch das Auszählen der gefallenen Tropfen ermittelt, mit dem eingestellten Soll-
wert verglichen und bei Abweichungen mit Änderung des Antriebsregimes rea-
giert. Je nach Konzeption der Motorregelung kann dies durch
- Änderung der Winkelgeschwindigkeit der Antriebswelle bei drehzahlproportiona-
lem Antrieb,
- bei Pulsbreitenmodulation durch Änderung der Einschaltzeit bei vorgegebener
Periodendauer und konstanter Winkelgeschwindigkeit und
- bei Pulsfrequenzmodulation durch Änderung der Ausschaltzeit bei vorgegebener
Einschaltzeit und konstanter Winkelgeschwindigkeit
realisiert werden.
Die Anzahl der Tropfen kann sehr genau erfasst werden (0,05%). [HAR2003] Prob-
lematisch ist die Varianz des Tropfenvolumens, das von verschiedenen Einfluss-
größen, wie z. B. von
- Umwelteinflüssen (Druck, Temperatur),
- Art und Eigenschaften der Flüssigkeit (Dichte, Oberflächenspannung),
- Tropfrohr (Durchmesser, Form, Herstellungstoleranzen) oder der
- Tropfenbildungsgeschwindigkeit
abhängt und letztendlich zu Dosiergenauigkeiten ±10 % führt. Aus diesem Grund
werden tropfengeregelte Infusionspumpen sehr selten eingesetzt und haben sich
in Deutschland nicht durchgesetzt. [KRA1997]
Bei der volumengesteuerten Variante bezieht sich die Dosiergenauigkeit auf das
geförderte Volumen. Am Gerät wird der Sollwert für die Förderrate eingestellt und
eine Steuerelektronik setzt das Antriebsregime des Motors um. Eine Rückmeldung
über das Einhalten der Sollförderrate existiert nicht. Durch die Mikroprozessoran-
steuerung des Schrittmotors und eine extreme Drehzahluntersetzung zwischen
Motorwelle und Exzenterwelle kann die volumengesteuerte Pumpe mechanisch
sehr genau arbeiten. Die Dosiergenauigkeit wird deshalb vor allem durch die fer-
tigungsbedingten Toleranzen des Infusionsgerätes bestimmt und beträgt ±5 %.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
12
4.4 Infusion mittels Infusionsspritzenpumpen
Bei der Infusion mittels Infusionsspritzenpumpen wird das Infusat aus einer kalib-
rierten Infusionsspritze durch ein Überleitsystem zum Patienten gefördert. Der li-
neare Antrieb des Spritzenkolbens wird meist mittels Gewindespindel realisiert.
Bild 4.6 zeigt das Prinzip.
Bild 4.6: Prinzip der Infusion mittels Infusionsspritzenpumpe
Der Spindelantrieb ermöglicht einen kontinuierlichen Volumenstrom, die Toleranz
der Fördervolumina beträgt ±2 %. Infusionsspritzenpumpen werden volumenge-
steuert. Daher sind die tatsächlich erzielten Infusionsraten immer vom Antrieb in
Kombination mit einer vorgegebenen Spritzengeometrie abhängig. Es sind kleins-
te Infusionsraten bis minimal 0,1 ml/h, in der Neonatologie mit speziellen Infusi-
onsspritzenpumpen sogar 0,01 ml/h und maximal 200 ml/h einstellbar. Aufgrund
dieser Eigenschaften werden Infusionsspritzenpumpen vor allem für die Applika-
tion geringer Volumina mit exakter Dosierung in der Intensiv- und Notfallmedizin,
in der postoperativen Schmerztherapie und in der Anästhesie eingesetzt.
[HIN2004]
Für die Dimensionierung des Antriebes ist entscheidend, welchen Weg der Kolben
in welcher Zeit zurücklegen muss, um die gewünschte Infusionsrate zu erzielen.
Wendet man die Massebilanz auf das System Spritzenpumpe und angeschlossene
Überleitung an, so muss das durch den Kolben im Zylinder der Spritzenpumpe
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
13
verdrängte Volumen gleich dem aus dem Überleitungssystem geförderten sein.
Daraus kann dann bei vorgegebener Infusionsrate und Kenntnis der Spritzengeo-
metrie auf Weg bzw. auf die Kolbengeschwindigkeit geschlossen werden, vgl.
Gleichung 4.13.
2 21 2 1 1
1 1
V qV = V s = v =
A A (4.13)
Infusionsspritzen sind mit einem Füllvolumen von 10, 20, 30 und 50 ml erhältlich.
Die gebräuchlichste Spritzengröße ist 50 ml. Damit ist das maximal zu applizie-
rende Infusatvolumen bei einer einzelnen Infusion auf 50 ml begrenzt. Da Infusi-
onsspritzen unterschiedlicher Hersteller bei gleichem Füllvolumen geometrische
Abweichungen besitzen, können bei Einsatz einer beliebigen Infusionsspritze Me-
dikamente fehlerhaft appliziert und damit die Sicherheit des Patienten gefährdet
werden. Die Hersteller von Infusionsspritzenpumpen müssen deshalb bei der
Baumusterprüfung (vgl. Medizinproduktegesetz) festlegen, welche Infusionssprit-
zen und Zubehörteile für die jeweilige Infusionsspritzenpumpe benutzt werden
dürfen.
5 Infusionsmaterial
5.1 Übersicht
Infusionsmaterial ist eine Sammelbezeichnung für diejenigen Komponenten, die
innerhalb eines Infusionssystems für die Zuführung des Infusates zum Patienten
benötigt werden. Dazu gehören Infusatbehälter, Spritzen, Infusionsgeräte, Über-
tragungsleitungen, Katheter, Zubehörteile, Infusionsfilter und Rückschlagventile.
Alle diese Komponenten werden in der Regel als Einwegprodukt verwendet und
müssen für die Durchführung einer sicheren Infusionstherapie bestimmten Ausle-
gungskriterien genügen. Hierbei ist immer das Zusammenspiel zwischen Herstel-
lungstechnologie, Antriebstechnik und erzielbaren Dosiergenauigkeiten zu beach-
ten. Das Infusat selbst, auch Infusionslösung genannt, wird ebenfalls zum Infusi-
onsmaterial gezählt. Von Interesse ist hier besonders die Wechselwirkung mit den
Werkstoffen der anderen Komponenten.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
14
5.2 Infusatbehälter
Infusatbehälter dienen der Lagerung von Infusionslösungen bis zu ihrer therapeu-
tischen Anwendung. Sie sind Primärpackmittel für die in der Pharmaindustrie ab-
gefüllten Infusate. Wechselwirkungen infolge des direkten Kontakts zwischen der
Infusionslösung und den Komponenten des Behälters sowie hinsichtlich verlän-
gerter Lagerzeiten müssen möglichst vermieden werden, um die Sicherheit des
Patienten sicherzustellen. Das wird durch die Auswahl der Werkstoffe, der Verpa-
ckungsausführung und der Umsetzung spezifischer Anforderungen, welche die
funktionelle Austauschbarkeit betreffen, erreicht. Spezielle Prüfmethoden erlau-
ben die Beurteilung individueller Behältersysteme.
Den unterschiedlichen therapeutischen Zielen und Applikationsbedingungen ent-
sprechend gibt es Behälter für Infusionslösungen als Glasflasche, als Kunststoff-
behälter, als Infusionsbeutel oder als Mischbeutelsystem. Bild 5.1 zeigt entspre-
chend konfektionierte Behältertypen.
Bild 5.1: Typen von Infusatbehältern, [BBR2004]
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
15
Infusionsflaschen aus Glas
Infusionsflaschen aus Glas werden aus farblosem oder braunem Borosilikatglas
oder Soda-Kalk-Quarzglas hergestellt. Maße und Volumen sind in
DIN EN ISO 8536−1 festgelegt. Das Nennvolumen ist gestaffelt in 50, 100, 125, 250,
500 und 1000 ml. Es sind Glasflaschen mit drei unterschiedlichen Halsmündungs-
weiten, 32 mm, 29 mm und 39 mm, zugelassen. Bild 5.2 zeigt die Maßübersicht
aus der genannten Norm.
Vor- und Nachteile der Glasflaschen sind
Vorteile Nachteile - weitgehend chemisch innert - starr, daher Belüftung erforderlich - undurchlässig für Wasserdampf - hohes Gewicht - undurchlässig für Gase (Luft) - nicht bruchsicher - klarsichtig - hoher Raumbedarf bei Lagerung - gute Bilanzierbarkeit - keine Druckinfusion - umweltverträglich
Bild 5.2: Maßübersicht für Infusionsflaschen aus Glas, DIN EN ISO 8536−1
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Glasflaschen werden mit Stopfen aus elastomeren Werkstoffen („Gummistop-
fen“) verschlossen. Diese dürfen keine toxischen, pyrogenen oder hämolytischen
Reaktionen hervorrufen oder die Infusionslösung in unerwünschter Weise verän-
dern. In der DIN EN ISO 8536−2 sind Anforderungen hinsichtlich Abmaßen, Härte
des Materials, des Einstechverhaltens, der Dichtheit und der Fixierung sowie der
Fragmentation festgelegt. Die Verbindung Glasflasche-Stopfen wird durch Alumi-
nium-Bördelkappen (DIN ISO 8536−3) oder Aluminium-Kunststoffkombinationen
(DIN EN ISO 8536−7) gesichert.
Da Glasflaschen über keine eigene Aufhängevorrichtung verfügen, müssen sie mit
geeigneten Flaschenhaltern am Infusionsständer befestigt werden.
Infusionsflaschen aus Kunststoff
Werkstoffe für Infusionsflaschen aus Kunststoff sind Polyethylen (PE) und Poly-
propylen (PP). Die Formgebung erfolgt durch Extrudieren und/oder Spritzgießen.
Das Nennvolumen reicht von 50 ml bis 1000 ml. Der Flaschenquerschnitt kann
rund, rechteckig oder oval sein, wobei letztere in der Handhabung und Lagerung
Vorteile aufweisen. Die Notwendigkeit einer Belüftung richtet sich nach der Flexi-
bilität der Behälterwand. Bei der Herstellung muss eine Verunreinigung mit Parti-
keln vermieden werden. Aufgrund der vorteilhaften Eigenschaften werden Infusi-
onsflaschen aus Kunststoff zunehmend eingesetzt.
Vorteile Nachteile - PE für alle Lösungen geeignet - nicht fettresistent - keine Belüftung erforderlich - nicht glasklar - pneumatische Druckinfusion möglich - nicht völlig wasserdampfdicht - Sichtkontrolle möglich - ovale Form: Etikett komplett lesbar - gut handhabbar - stapelbar, unzerbrechlich
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Bild 5.3: Abfüllanlage für Infusionsflasche Ecoflac® plus, B.Braun, Melsungen, (Quelle: http://www.bbraun.de/data/0047DB402A5AE62669479E3974E0C2B8.0.jpg)
Einstech- und Injektionsstelle können mit einzelnen, ohne mechanische Hilfsmittel
entfernbaren Abdeckungen versehen werden. Ein Beispiel dazu zeigt bild 5.4.
Bild 5.4: Abdeckung an der Infusionsflasche Ecoflac®plus, B.Braun, Melsungen, [BBR2004]
Infusionsbeutel
Infusionsbeutel werden in der Regel aus PVC-Folien mit Weichmachern gefertigt.
Der einzige in medizinischen Produkten verwendete Weichmacher ist Di (2-
ethylhexyl)Phthalat (DEHP).Ungefähr 80 % aller intravenösen Infusionsbestecke
bestehen aus PVC-Beuteln und –Schläuchen, die mit DEHP weichgemacht wurden
[BUN2004]. Der DEHP-Gehalt in PVC-Produkten in der Medizin beträgt generell 20-
40 % des Gesamtgewichtes [GRI2005]. Problematisch ist, dass bei der thermi-
schen Sterilisation fertig konfektionierter Infusionsbeutel der Weichmacher z. T. in
der Infusionsflüssigkeit gelöst wird und nach dem Abkühlen dort verbleibt. PVC-
Folien sind gas- und wasserdampfdurchlässig, so dass mit zunehmender Lagerzeit
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18
und bei erhöhten Lagertemperaturen ein erheblicher Wasserverlust auftreten kann
oder bestimmte Infusionslösungen oxydieren können. Für eine längerfristige La-
gerung sind deshalb eine wasserdampfdichte Umverpackung und eine Kühlung
erforderlich. Die Entsorgung des entleerten Beutels ist ökologisch kritisch. PVC-
Beutel weisen eine hohe Partikelbelastung auf.
Bei Neuentwicklungen von Infusionsbeuteln wird zunehmend auf PVC freie Mehr-
schicht-Foliensysteme gesetzt. Ein derartiger Folienverbund besteht z. B. aus Po-
lyethylen (PE) außen, Polypropylen (PP) innen und einer elastischen Zwischen-
schicht.
Vorteile Nachteile
- einfaches Handling - Wasserdampf- und gasdurchlässig
(bei PVC) - gute Sichtkontrolle - Partikelbelastung - kollabiert vollständig - eingeschränkte Bilanzierbarkeit - keine Belüftung notwendig - kein Leerlaufen der Tropfenkammer - Druckinfusion möglich
Misch- und Mehrkammersysteme
Eine vollständige parenterale Ernährung erfordert die Zufuhr von Kohlenhydraten,
Eiweißen und Fetten sowie zusätzlich von Elektrolyten, Vitaminen und Spuren-
elementen. Dies kann durch parallele Infusionen mehrerer Lösungen über ver-
schiedene Infusionsleitungen geschehen und erfordert pro Patient entsprechend
viele Infusionspumpen. Die Applikation kann jedoch über eine einzige Infusionslei-
tung erfolgen, wenn die Stoffe vorher in einem Infusionsbehälter gemischt wer-
den. Diese Mischinfusionslösungen können im definierten Verhältnis der Bestand-
teile industriell gefertigt und in eine Infusionsflasche oder einen Infusionsbeutel
oder unter streng aseptischen Herstellungsbedingungen in einer Krankenhaus-
apotheke nach patientenindividueller Rezeptur abgefüllt werden.
Vorteile Nachteile - geringer Materialaufwand - kühlschrankpflichtig - kontinuierliche Stoffzufuhr mit opti-maler Verwertung vom Patienten - kurze Haltbarkeit
- übersichtliches Infusionsmanagement - Instabilitätsreaktionen von Vitaminen - Kontaminationsrisiko durch wenige Manipulationen vor Ort
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Mehrkammerbeutel erlauben die getrennte Lagerung der Stoffkomponenten. Vor
dem Einsatz werden die Schweißnähte zwischen den einzelnen Kammern durch
manuell aufgebrachten Druck gesprengt und so die Stoffe in einem jetzt großen
Beutel gemischt. Mehrkammerbeutel werden als Zwei- bzw. Dreikammersysteme
angeboten, vgl. Bild 5.5.
Bild 5.5: Dreikammerbeutel, [BBR2004]
5.3 Spritzen
Die Anforderungen an sterile Einmalspritzen zur Verwendung in Druckinfusions-
apparaten werden in der Norm DIN EN ISO 7886−2 festgelegt. Die betrachteten
Spritzen haben ein Volumen von 5 ml oder größer und müssen aus Kunststoffen
hergestellt sein. Die für die Einpassung der Spritze in einen Druckinfusionsapparat
ausschlaggebenden Maßbezeichnungen können Bild 5.6, die für bestimmte Nenn-
volumenbereiche festgelegten Maße selbst der Norm DIN EN ISO 7886−2 ent-
nommen werden. Alle anderen Anforderungen an Maße und Konstruktion müs-
sen den Festlegungen der Norm DIN EN ISO 7886−1 entsprechen.
Da die Zylinderlänge und der Zylinderinnendurchmesser nicht festgelegt werden,
können die Hersteller durch Variation der Geometrie das Einwegprodukt „Spritze“
an ein bestimmtes Spritzenpumpensystem binden. Da das geförderte Volumen
vom Kolbenweg und vom Zylinderinnendurchmesser abhängt, ist die Verwen-
dung des richtigen Spritzentyps unabdingbar. Hersteller müssen angeben, für
welche Spritzen ihr System geeignet ist.
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A Mittlerer Innendurchmesser des Zylinders für den Volumenbereich B Abstand der Projektion der Zylindergriffplat-te zur Außenfläche des Zylinders C Dicke der Zylindergriffplatte ANMERKUNG: Die Zylindergriffplatte sollte sich nicht nach außen verjüngen. D Abstand zwischen der näher zur Kolben-druckplatte liegenden Fläche der Zylinder-griffplatte und der weiter von der Zylinder-griffplatte entfernten Fläche der Kolbendruck-platte, wenn die Bezugslinie des Kolbens mit dem Teilstrich Null der Skale zusammenfällt E Abstand der Projektion der Kolbendruckplat-te zum Außenrand der Rippen der Kolben-stange F Gesamtdicke der Kolbendruckplatte (ein-schließlich eventuell vorhandener Rippen usw.) G Außendurchmesser des Zylinders, gemes-sen im Abstand von 10 mm von der Untersei-te der Zylindergriffplatte H Länge des Überstandes der Kolbenstange (C + D) J Durchmesser der Kolbendruckplatte K Luer — Kegelverbindung
Bild 5.6: Maßbezeichnungen nach DIN EN ISO 7886−2
5.4 Infusionsgeräte
Infusionsgeräte sind in der Norm DIN EN ISO 8536−4 (Schwerkraftinfusion) und in
DIN EN ISO 8536−8 (Druckinfusion) genormt. Sie beinhalten die gleichen Kompo-
nenten, nur die Auslegung hinsichtlich Druckfestigkeit ist unterschiedlich. Syste-
me für Druckinfusion sind bis maximal 200 kPa zugelassen und können zusätzlich
ein Förderelement zum Einbringen in die Infusionspumpe enthalten. Bild 5.7 zeigt
den Aufbau.
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21
1 Schutzkappe des Einstechteils
2 Einstechteil
3 Belüftungsteil mit Filter und Ver-
schluss (a)
4 Flüssigkeitskanal
5 Tropfrohr
6 Tropfkammer
7 Flüssigkeitsfilter (b)
8 Schlauch
9 Durchflussregler
10 Zuspritzteil (c)
11 Anschlussstück mit Außenkegel
12 Schutzkappe des Außenkegels
13 Förderelement (d) a wahlweise verschließbar b im Allgemeinen Nennporenweite 15 µm, kann an
anderer Stelle angebracht werden c wahlweise d wahlweise als Schnittstelle zum Druckinfusionsap-parat
Bild 5.7: Infusionsgerät ISO 8536-8−IS−P (P − pressure)
Bild 5.8: Tropfenkammer mit Einstechteil, Tropfenrohr, Belüftung und Flüssig-
keitsfilter
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
22
Das Einstechteil besitzt zwei Kanäle, für die Luftzu-
fuhr am Belüftungsteil zum Druckausgleich im In-
fusionsbehälter und innerhalb des Tropfenrohres
zum Transport des Infusates. Das Einstechteil ist
als Dorn geformt. Der Dorn soll den Verschluss
des Infusatbehälters ohne vorheriges Anstechen
durchstechen können und dabei keine Partikel aus
dem Verschluss herauslösen. Der Dorn ist durch
die Schutzkappe vor Kontamination geschützt. Das
Belüftungsteil enthält einen separaten Luftfilter.
Das Tropfenrohr bildet die Verlängerung des Infu-
satkanales in die Tropfenkammer.
Bild 5.9: Detail des Einstechteiles
Die Tropfenkammer dient der Überwachung der eingestellten Tropfrate und muss
die ununterbrochene Beobachtung des Tropfenfalles ermöglichen. Das Tropfrohr
muss so gestaltet sein, dass 20 Tropfen1 ml Flüssigkeit ergeben. Ein Tropfende-
tektor, der als Lichtschranke im nahen Infrarotbereich arbeitet, erkennt den fallen-
den Tropfen. Sendediode und Empfänger befinden sich zusammen mit der Sam-
mel- bzw. Streulinse in einem Spritzgussgehäuse.
Bild 5.10: Tropfenkammer mit Tropfendetektor
Bei Schwerkraftinfusionen kann mit dem Durchflussregler der Volumendurchfluss
durch den Schlauch zwischen Null und dem Maximalwert eingestellt werden.
Ständige Betätigung während der Infusion darf den Schlauch nicht beschädigen
und bei einer gemeinsamen Lagerung im gegenseitigen Kontakt in der Verpa-
ckung darf der Schlauch nicht verformt werden.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
23
Im einfachsten Fall ist der Durchflussregler eine Rollenklemme zur Einstellung des
Strömungswiderstandes im Schlauch. Der wirksame Applikationsdruck und damit
auch die Strömungsgeschwindigkeit (Infusionsrate) ändern sich. Problematisch
beim Einsatz einer Rollenklemme ist, dass sich unter der Krafteinwirkung der An-
druckrolle der Schlauch langsam verformt, da das Schlauchmaterial zum Kriechen
neigt. Die Tropfrate muss deshalb ständig überwacht und nachgestellt werden.
Bild 5.11: Funktion einer Rollenklemme, Grafik aus [KRA1997]
Das Kriechen des Schlauches wird ausgeschaltet, wenn ein starres Volumen mit
mechanischer Veränderung des Querschnittes eingesetzt wird. Ein derartiger
Mechanismus kann auch elektronisch geregelt
werden, indem aus dem Signal des Tropfen-
sensors für die Einstellung einer neuen Tropfrate
die Querschnittsänderung mittels eines elektri-
schen Antriebes vorgenommen wird. Derartige
elektronische Durchflussregler haben sich
jedoch nicht durchgesetzt.
Bild 5.12: mechanischer Durchflussregler, [KRA1997]
Das Förderelement dient zum Einlegen in den
Peristaltikmechanismus einer Infusionspumpe.
Es hat pumpenspezifisch definierte Abmessun-
gen (Länge, Durchmesser) und wird wegen
dessen guten Walkeigenschaften aus Silikon
hergestellt.
Bild 5.13: Förderelement aus Silikon
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
24
Das distale Ende des Schlauches muss mit einem Außenkegel entweder nach
DIN EN 20594−1 oder vorzugsweise nach DIN EN 1707 (verriegelbare Kegelverbin-
dung) versehen sein.
Bild 5.14: Gesamtdarstellung eines Infusionsgerätes ISO 8536−8−IS−P
5.5 Übertragungsleitungen
Zu den Übertragungsleitungen gehören Spritzenpumpenleitungen (SPL), Verbin-
dungsleitungen (CL) und Leitungen mit integrierter Injektionskanüle (LIC). Die
Schläuche der Übertragungsleitungen müssen transparent sein, um die Grenze
zwischen Infusat und Luft erkennen zu können. Alle Teile müssen einer statischen
Zugkraft von 15 N über 15 s standhalten. Übertragungsleitungen dürfen keine Par-
tikel in die Infusionslösung eintragen. Zur Vermeidung von Kontaminationen
müssen sie luft-, keim- und flüssigkeitsdicht sein. Die Anschlussstücke müssen ein
Innen- und/oder Außenkegel nach DIN EN 1707, also verriegelbare Kegelverbin-
dungen, haben.
5.6 Katheter
Periphere (Verweilkanülen) und zentralvenöse Katheter ermöglichen einen länger-
fristigen Gefäßzugang für kontinuierliche oder häufige Infusionen. Das verwende-
te Kathetermaterial beeinflusst entscheidend das Risiko einer Gefäßschädigung
(Thrombose oder Perforation). Als Materialien werden PVC, Polyethylen und das
venenverträglichere Teflon® eingesetzt und neuerdings auch Biomaterialien (z. B.
Topecon®) [HIN2004]. Die Wahl des Zugangsortes wird maßgeblich von der The-
rapiedauer und der Zusammensetzung der Infusionslösung bestimmt.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
25
Periphere Zugänge werden bei kurzfristigen Therapien (meist < 4 Tage), Infusions-
lösungen mit niedriger Osmolarität (< 800 mosmol/l) und physiologischen pH-
Werten eingesetzt. Zentrale Venenkatheter (ZVK) sind für längerfristige Therapie-
dauern, Infusaten höherer Osmolarität und pH-Werten im unphysiologischen Be-
reich geeignet. Sie werden ebenfalls eingesetzt bei schlechten peripheren Venen,
größeren Infusatmengen und wenn für die Diagnostik des ZVD sowieso ein zen-
tralvenöser Katheter notwendig wird.
Bild 5.15: Periphervenöse Verweilkanüle (Quellen: http://www.photocase.com/de/upload/07/yqo4tigy/photocase47mmyu2g3.jpg, http://projekt-
koni.klinikum.uni-muenster.de/pictures/CIMG2646.JPG, http://www.meetb.de/images/Vasofix_01.jpg)
Bild 5.16: Applikationsset für zentralen Venenkatheter, [BBR2004a]
Ein einheitlicher Farbcode zur Größenkennzeichnung von peripheren Verweilkanü-
len ist in DIN EN ISO 10555−5 festgelegt. Das Gauge-Maß bezieht sich auf den Au-
ßendurchmesser und unterscheidet sich bei verschiedenen Organisationen (Ame-
rican Wire Gauge (AWG); Imperial Standard Wire Gauge (SWG oder ISWG); Bir-
mingham Wire Gauge (BWG)).
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
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Bild 5.17: Farbcodierung peripherer Verweilkanülen nach DIN EN ISO 10555−5
5.7 Zubehörteile
Zubehörteile für Übertragungsleitungen sind nach DIN EN ISO 8536−10 Hähne,
Zuspritzteile, Stopfen, Adapter.
Hähne sind als Dreiwegehähne ausgeführt. Entweder werden sie einzeln als Ab-
sperrhahn mit der Möglichkeit, eine Bolus-Injektion zu applizieren, ausgeführt
oder in einer Hahnbank z. B bei einer Mehrfachinfusionstherapie. Herstellerab-
hängige Farbkennzeichnungen dienen zum übersichtlichen Aufbau komplizierter
Infusionsregime. Zupritzteile erlauben eine Injektion durch ein Septum (elastische
Membran) oder Ventil und damit die Zugabe zusätzlicher Flüssigkeiten in die Infu-
sionslösung oder in das Gefäß. Stopfen verschließen nicht verwendete Anschlüs-
se. Adapter erlauben die Kupplung verschiedener Komponenten. Alle Verbindun-
gen sind mit Luer-Lock-Anschlüssen ausgestattet und erlauben damit eine sichere
und schnelle Handhabung.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
27
Bild 5.18: Zubehörteile für Übertragungsleitungen
5.8 Infusionsfilter
Filter werden in der Infusionstherapie an unterschiedlichen Stellen im Infusions-
system eingesetzt. Sie dienen der Rückhaltung von Gasblasen, Fremdpartikeln
und Mikroorganismen. Man unterscheidet drei Filtertypen, die aufgrund ihrer ver-
schiedenartigen Struktur für unterschiedliche Aufgaben eingesetzt werden.
Siebgewebefilter haben eine geordnete Siebstruktur und werden in der Tropf-
kammer als Partikelfilter mit 15 µm Porengröße eingesetzt.
Tiefenfilter mit einer ungeordneten Struktur von Kanälen dienen als Partikelfilter
und als Bakterienfilter, wobei die herauszufilternden Substanzen in die Tiefe des
Filters eindringen.
Membranfilter halten Partikel und Mikroorganismen an der Filteroberfläche fest.
Membranfilter können mit sehr geringer Porengröße hergestellt werden und wer-
den deshalb z. B. als 0,2 µm bzw. 0,46 µm Standardfilter als Bakterienfilter ange-
wendet. Für Infusionen von lipidhaltigen Lösungen ist eine deutlich größere Po-
renweite von 1,2 µm erforderlich, da die Fetttröpfchen 0,8±0,2 µm groß sind.
Problematisch ist die zunehmende Keimbelastung der Filter mit steigender
Einsatzzeit. Beim Zerfall der zurückgehaltenen Bakterien werden Endotoxine frei,
die ebenso wie Viren oder Pyrogene die Membran passieren können. Filter müs-
sen deshalb nach bestimmten festgelegten Standzeiten getauscht werden.
In der Infusionslösung sind Gase gelöst, die aufgrund von Druckschwankungen im
Infusionssystem als Mikroblasen frei werden. Sie können die Filtermembran nicht
passieren, da durch die hohe Adhäsionskraft des Wassers die Membranen „ver-
stopft“ sind. deshalb werden Entlüftungen in die Filter eingebaut.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
28
5.9 Rückschlagventile
Rückschlagventile dienen der Vermeidung von Rückwärtsförderung und einer e-
ventuell daraus resultierende Mehrförderung von Infusionslösungen vor allem in
Mehrfachinfusionssystemen. Anforderungen sind in DIN 58362−7 festgelegt. Ihr
Einsatz hat sich bisher noch nicht durchgesetzt, da sie die Patientensicherheit
nicht voll gewährleisten.
6 Antriebstechnik
6.1 Beispiele für Infusionspumpen
Bild 6.1: Infusomat Space, Hersteller B.Braun, Melsungen, [BBR2004b]
Der Antrieb eines Infusomat-Systems, ebenfalls von B.Braun, ist in Bild 6.2 zu se-
hen. Man erkennt den Schrittmotor, das extrem untersetzende Getriebe und die
einzelnen Schieber auf der Exzenterwelle. Wendet man die unter Kapitel 3 abgelei-
tete Berechnung auf die konkrete Konstruktion an, kann man Aussagen über die
konstruktiven Anforderungen ableiten.
Es werden 13 Schieber mit einer Breite von jeweils 5 mm eingesetzt. Das ergibt
eine Förderlänge von 65 mm. Bei einem Innendurchmesser des Förderelementes
von 4 mm werden pro Umdrehung der Exzenterwelle
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
29
2 2 3EU i
π l π 65mmV = d = (4mm) = 408,4mm = 0,41ml
4 2 4 2 (6.1)
gefördert. Damit benötigt man für ein Fördervolumen von 1 ml etwa 2,5 Umläufe.
Die Drehzahluntersetzung beträgt etwa 1:8. Daraus folgt die Drehzahl der Motor-
welle mit 8 ⋅ 2,5 = 20. Am Gerät können Förderraten von 1ml/h bis 999ml/h vorge-
geben werden, d. h. die Exzenterwelle muss sich mit einer Drehzahl von minimal
2,5 bis maximal 2500 und die Motorwelle von 50 bis 50000 drehen. Der Motor hat
eine Auflösung von 50 Schritten pro Umdrehung.
Bild 6.2: Peristaltikantrieb eines älteren Infusomat-Systems von B.Braun
6.2 Beispiele für Infusionsspritzenpumpen
Bild 6.3: Injectomat von Fresenius
Spritzenpumpen haben einen Spindelantrieb, in der Regel mit Trapezgewinde,
und erfüllen damit hohe Präzisionsanforderungen. Das hier verwendete Gewinde
hat eine Steigung von 1,25 mm pro Umdrehung. Bei Einsatz einer Spritze mit 29
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
30
mm Innendurchmesser und 50 ml Nennvolumen werden somit bei einer Spindel-
umdrehung 0,83 ml Infusat gefördert.
Bild 6.4: Spindelantrieb des Injectomat
Zur Rückführung des Kolbenantriebes nach Ende der Infusion zum Spritzenwech-
sel muss der Schlitten aus der Spindel manuell ausgekuppelt (Injectomat) oder
durch einen eigenen Motorantrieb auf der Spindel rückgestellt werden (Perfusor)
Bild 6.5: Kolbenrückführantrieb des Perfusor
Bei Anlaufen der Infusion führt das zu Verzögerungen, bis der Kuppelmechanis-
mus durch das Spiel wieder gegriffen hat.
Auch konstruktive Merkmale der Spritzenaufnahme beeinflussen das Anlaufver-
halten. In Bild 6.6 sind aus [NEF2001] Beispiele für Geräte verschiedener Hersteller
angegeben.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
31
Bild 6.6: Konstruktive Varianten zur Beeinflussung des Anlaufverhaltens, [NEF2001]
7 Sicherheitstechnische Aspekte
7.1 Luftinfusion
Bei der Schwerkraftinfusion wird eine Luftinfusion durch Leerlaufen des Infusi-
onsbehälters verhindert, wenn der Infusionsschlauch mit ca. 20 cm Siphonbildung
unter Niveau des Applikationsortes verlegt wird.
Bei Infusionspumpen erkennt der Tropfensensor das Leerlaufen des Infusionsbe-
hälters und zusätzlich ist ein Luftdetektor direkt vor dem Antrieb angebracht. Die-
se beiden Maßnahmen verhindern sicher eine Luftinfusion.
Infusionsspritzenpumpensysteme sind geschlossen, d. h. bei korrekter Handha-
bung kann keine Luft in das System gelangen. Sie verfügen deshalb auch über
keine Luftsensoren.
Braun Perfusor compact Braun, Melsungen, Germany
Fresenius injectomat cp-IS; Fresenius Hemocare GmbH, Bad Homburg, Germany
IVAC P4000 Anaesthesia Syringe Pump; IVAC Corporation, Hampshire, UK
Arcomed Syramed lSP6000; Arcomed, Regensdorf, Switzerlany
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
32
7.2 Druckbegrenzung
Drucksensoren im Infusionssystem dienen zur Erkennung von Überdruck bei
Okklusion im Schlauchsystem. Sie verhindern eine Zerstörung des Infusionsgerä-
tes. Bei einstellbaren Druckgrenzen sollen immer Drücke wenig höher als der Ap-
plikationsdruck als Grenzdrücke eingestellt werden. Eine aktivierte Druckaus-
gleichsfunktion kann einen Bolusaufbau im elastischen Schlauchsystem verhin-
dern.
7.3 Fehlförderungen
Bei der Schwerkraftinfusion kommt es zu Fehlförderungen durch Änderung der
Tropfenzahl infolge Änderung des hydrostatischen Drucks. Infusionspumpen för-
dern durch Toleranzen im Infusionsgerät falsch. Hauptursache der Fehlförderung
bei Spritzenpumpen ist das Verwenden einer nicht zugelassenen Spritze. Außer-
dem kann sich durch Okklusion des Systems ein Bolus aufbauen, der dann bei
Beseitigung des Verschlusses schlagartig in den Patienten abgegeben wird. An-
lauffehler führen auch zu Fehlförderungen. Bei kardiovaskulär hochwirksamen
Medikamenten kann das bereits Kreislaufstörungen induzieren.
7.4 Kombination von Infusionsarten
Die Kombination einer Schwerkraft- mit einer Druckinfusion führt bei distalem
Verschluss vor dem Verbindungsstück zu einer Rückförderung in die Schwerkraft-
leitung. Ist der Schwerkraft-Infusionsbehälter leer gelaufen, kann bei geeigneten
Druckverhältnissen durch die Druckinfusion Luft in den Patienten appliziert wer-
den. Für die Schwerkraftinfusion ist bei Infusionskombinationen auch ein druck-
festes Infusionsgerät zu verwenden.
7.5 Inkompatibilitäten
Beim Zusammenführen von Pharmaka in Infusionsleitungen kann es zu Inkompa-
tibilitätsreaktionen mit schwerwiegenden Folgen für den Patienten kommen. Auf
Intensivstationen werden 600-700 Präparate eingesetzt. Es existieren keine Vor-
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
33
schriften für eine rechtssichere Infusionstherapie. Für die Durchführung einer si-
cheren Therapie müssen Entscheidungen
- zur Wahl geeigneter Trägerlösungen,
- der Stabilität des Pharmakons in dieser Trägerlösung,
- die Wechselwirkung mit anderen Lösungen im Zugang oder System
getroffen und zusätzlich noch der geeignete Zugang bzw. bei Mehrlumenkathetern
das geeignete Lumen ausgewählt werden.
Bei Herstellern, in Veröffentlichungen wie Handbüchern, Zeitschriften oder Bei-
packzetteln existieren Inkompatibilitätslisten. In [HIN2004] sind für 99 Medikamen-
te Inkompatibilitätspartner zusammengestellt.
7.6 Funktionsprüfung
Das Förderverhalten von elektrisch betriebenen Infusionspumpen bzw. Spritzen-
pumpen wird nach Regeln der Norm DIN EN 60601−2−24 geprüft. Für die Ermitt-
lung des so genannten Anlaufdiagramms wird die Förderrate über der Zeit aufge-
tragen. Die Trompetenkurve stellt die maximalen positiven und negativen Fehler
dar, die nach einem bestimmten Beobachtungsintervall innerhalb einer Analysen-
periode auftreten. Die Gesamtprüfzeit wird dabei in verschiedene Analysenperio-
den eingeteilt. Die Bilder 7.1 bis 7.3 verdeutlichen den Sachverhalt.
Bild 7.1: Prüfperioden nach DIN EN 60601−2−24
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
34
Bild 7.2: Anlaufkurve nach DIN EN 60601−2−24
Bild 7.3: Trompetenkurve nach DIN EN 60601−2−24
Die Ermittlung der Genauigkeit der Betriebsdaten von volumetrischen Infusions-
reglern, volumetrischen Infusionspumpen und Spritzenpumpen erfordert umfang-
reiche Prüfaufbauten, die in DIN EN 60601−2−24 beschrieben sind. Messprinzip ist
bei allen genannten Geräten eine gravimetrische, d. h. mittels Waage, Bestim-
mung des geförderten Volumens in Abhängigkeit von der Zeit. Einzustellende
Prüfparameter werden ebenfalls von dieser Norm vorgegeben. Die Förderraten-
abweichung ist abhängig von den Prüfparametern und vom verwendeten Einmal-
artikel. In den Datenblättern der Hersteller sind deshalb Kurven für verschiedene
Kombinationen zu finden. Die Bilder 7.4 und 7.5 zeigen Beispiele.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
35
Bild 7.4: Anlaufkurve für INCA-ST von Fresenius, [FRE1995]
Bild 7.5: Trompetenkurve für INCA-ST von Fresenius, [FRE1995]
Am Beispiel der Spritzenpumpe Injektomat-C von Fresenius soll die Abhängigkeit
der Förderratenabweichung bei Einsatz von Spritzen verschiedener Hersteller de-
monstriert werden.
Bild 7.6: Vergleich der Förderratenabweichung bei Einsatz von Spritzen eines Nennvolumens verschiedener Hersteller in eine Spritzenpumpe (Injec-tomat-C, Fresenius), [FRE1997]
50 ml Fresenius-P-Spritze 50 ml BD-Spritze
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
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8 Normen
Die Gerätetechnik zur Infusionstherapie wird hauptsächlich in der Normenreihe
DIN EN ISO 8536, Infusionsgeräte zur medizinischen Verwendung, behandelt. Die-
se besteht aus den folgenden Teilen:
- Teil 1: Infusionsflaschen aus Glas, (Juni 2008)
- Teil 2: Stopfen für Infusionsflaschen, (Februar 2003)
- Teil 3: Aluminium-Bördelkappen für Infusionsflaschen, (Juli 2001)
- Teil 4: Infusionsgeräte für Schwerkraftinfusionen zur einmaligen Verwendung,
(Juni 2007)
- Teil 5: Infusionsgeräte mit Dosierbehälter für Schwerkraftinfusionen zur einma-
ligen Verwendung, (April 2006)
- Teil 6: Gefriertrocknungsstopfen für Infusionsflaschen, (Juli 1996)
- Teil 7: Bördelkappen aus Aluminium-Kunststoffkombinationen für Infusionsfla-
schen, (Juli 2001)
- Teil 8: Infusionsgeräte zur Verwendung mit Druckinfusionsapparaten, (Febru-
ar 2005)
- Teil 9: Übertragungsleitungen zur Verwendung mit Druckinfusionsapparaten,
(März 2005)
- Teil 10: Zubehörteile für Übertragungsleitungen zur Verwendung mit Druckinfu-
sionsapparaten, (März 2005)
- Teil 11: Infusionsfilter zur Verwendung mit Druckinfusionsapparaten,
(März 2005).
Von der Normenreihe DIN 58362, Infusionsgeräte und Zubehör, ist nur noch
- Teil 7: Rückschlagventile, (September 2002)
gültig.
DIN EN ISO 15747 beinhaltet Kunststoffbehältnisse für intravenöse Injektionen.
Die Normenreihe DIN EN ISO 7886 behandelt sterile Einmalspritzen für
medizinische Zwecke und besteht aus
- Teil 1: Spritzen zum manuellen Gebrauch, (Oktober 1997) und
- Teil 2: Spritzen zur Verwendung mit Spritzenpumpen, (November 1997).
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
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DIN EN 1707, (Januar 1997), regelt Kegelverbindungen für mit einem 6 % (Luer)
Kegel für Spritzen, Kanülen und bestimmte andere medizinische Geräte - Verrie-
gelbare Kegelverbindungen.
Die Farbcodierung von Einmalkanülen ist in DIN EN ISO 6009 Berichtigung 1, (Au-
gust 2008), zu DIN EN ISO 6009, (Oktober 1994), Medizinische Einmalkanülen -
Farbcodierung zur Identifizierung, angegeben.
Umfangreiche Aussagen zur elektrischen Sicherheit und Funktionsprüfungen, ein-
schließlich Prüfplatzaufbau, sind in DIN EN 60601-2-24; VDE 0750-2-24:1999-02,
(Februar 1999), Medizinische elektrische Geräte - Teil 2-24: Besondere Festlegun-
gen für die Sicherheit von Infusionspumpen und Infusionsreglern, getroffen.
Es ist zu beachten, dass bei der Anwendung von Normen die jeweils aktuelle Aus-
gabe zu verwenden ist. Zum Zeitpunkt der Skripterstellung galten die oben mit
(Monat Jahr) angegebenen Fassungen.
Therapeutische Gerätetechnik Gerätetechnik zur Infusionstherapie
38
9 Literatur
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