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Page 1: Über die Flamme, Probionten und das Wesen des Lebens

{'~ber die Flamme, Probionten und das Wesen des Lebe.s . Von

Wilhelm Roux.

Dutch eine anMytische Betrachtung und VergIeichung habe ich (1905, S. 109--119) gezeigt, dab (tie Flamme den niedersten Lebewesen noch viel ghnlicher ist, Ms man es denkt, wenn man sie iiblicherweise Ms ein Gleiehnis des Lebens bezeichnet.

Denu sie hat die Verm6gen:

1. einer bestgndigen chcmisct~en Ver'~uderung, der Verbrennung, tier Dissimilation,

2. der Ausscheidung der Verbrennungsprodukte, 3. der Au/nahme und 4. der Assimilation heuen Brennstoffes. Letztere stetlt bei dieser

Einfachheit den nut chemisehen Geschehens in Kombim~tion mit der Dissimilation

5. die ,>primitive gererbung<, dar, denn sie iibertragen beide die spezifisehen Eiget~schaften tier Flamme als Determinatorea auf neuen 8toff,

6. des Mas~enwachstu,ms, 7. der t~eflexbewegung auf Einwirkung yon T6nert (diese kommt

nut bei Flammen vort besonderer t/eschaffenheit vor), 8. der Gestaltz~nc] (lurch Bildung yon zwei Schichten, der Ver-

brennungs,schicht und Assimilationsschicht, und einer weiteren GestMtung in

9. der Zuapitzun~j, gew6hnlich nach oben, 10. der quMitativen, quantitativen und zeitlich-6rtlichen Regula-

lion der Mehrzahl dieser Vorga, nge.

Bei den Lebewesen bezeichnet man solche Vorgiinge als Leistungen oder Funktionen derselben, welche zu ihrer ErhMtung, also zur Dauer, beitragen und dazu n6tig sind.

Beurteilen wir nun die genannten zehn Vorggnge der Flamme yon diesem Gesichtspunkte bus.

Als Erhaltungsleistungen oder trunktionen der Flamme sind zu bezeichnen :

Nr. 1, die Dissimilation. Obgleich sich die Fiamme dutch sie vet- zehrt, ist die Dissimilation doch zu deren ErhMtung n6tig, denn die Assimilation und Aufnahme entstehen erst durch die yon ihr gebildete

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W~rme, und daran sehlieBt sieh alles weitere Gesehehen. Ohne die Dissimilation wiirde die F lamme also nieht existieren.

l~erner dienen zur ErhMtung Nr. 2, die Au,~scheigung des Dissi- milationsproduktes, Nr. 3, die A~t/nahme neuen Brennstoffes, Nr. 4, die :ls,~imilation dessetben, auch Nr. 5, indem Nr. 1 und Nr. 4 zugleieh die primitive Vererbung darste].len; Nr. 6, das l}Ias,senwachstum dient gleiehfalls der Erhaltung zur Verbreitung der [Flamme.

Nr. 7, die nur selten deutliche igeflexbewegung auf T6ne, t rag t wohl kaum etwas zur Erhaltung der F lamme bei, aueh wenn die T6ne dauernd einwirken.

Die ge,statgicAe Leistgng Nr. 8, die Bildtmg der beiden Sehiehten, ist unbedingt n6tig zur Erhal tung dec Fl:mm~e. Die Ve}'brennungs- sehieht stellt den primSren Hauptvorgang dar und dient zugleich zur Ausseheidung. Die Assimilationssehieht dient zugleieh zur Aufnahme, ihr ttugerer Anfang dient gleiehsam als 5hnd . Wenn beide Vorg[tnge nieht in Sehiehten s[eh ordneten, sondern beliebig dnreheinander ge- miseht wttren, wtirde die F lamme verlOsehen. Nr. 9, die Zuspit.zung nach oben, ist nieht geradezu n6tig, denn bei .der hitngenden Gasflamme und beim Sehwalbensehwanzbrenner ist sie nicht in der gew6hnliehen Weise vorhanden. Immerhin dient die Spitze zngleieh vorzugsweise als Ausseheidungsorgan, gleiehsam als After.

Xr. 10, die Regulation, stellt die Dauerf~thigkeit im Weehsel der Umstltnde her, ist also sehr nOtig.

Also yea diesen zetm Vorgangen sind neun wahre Erhaltungs- leistungen, Funktionen.

Bei den Lebewesen babe ieh als Selbd.tiilif//ceile~ (A~toer~yien) solehe Vorg:4nge in ihnen bezeiehnet, deren die Art des Geschehens ~)bestim- meade ~ ~ak to rea (die Determinations/a~toren) in dent Lebewesen selber liegen. Zur wir]diehen Bewirkung, also zur Ausfiihrung des dutch diese Determinierten, k6nnen [tuBere ]_~'aktoren als t~ealisation,s/aktoren n6tig

.q sein, z. ]3. die Nahrung, ~anerstoff, W~trme, Lieht usw., ohne den Cha- rakter des Gesehehens als Selbstthtigkeit ~>des betreffenden Gebildes~(,

~ 1 - " Cr speziell bei der Differenzierung als belbstdffferenzmrun~, aufzuheben. Daher ist ftir die Beurteilung dec Ahnliehkeit der F lamme mi t dem Lebewesen noeh die Frage yon Bedeutung, welehe yon den zehn Funk- tionen der Flamme als Selbsttiiticykeiten aufzufassen sind, da die [Funk - tionen der Lebewesen alle Selbsttgtigkeiten im Sinne der gegebenen Definition dieses Wortes sin&

Von den Leistungen der F lamme sind folgende als Selbstt5tigkeiten zu bezeichnen:

Nr. 1. Die Verbrennunf/, Dissimilatio, denn sie ist aueh bei mannig- faeh versehiedenem Brennmaterial : Holz, l~ett, wesentlieh dieselbe, ihre Art wird also haupts;tehlieh dureh die T~ttigkeit der l~lamme in

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ihrer Qualitgt bestimmt, naehdem sie entstanden ist; aut3erdem dutch die Eigensehaften des sie umgebenden Sauerst0ffs.

Nr. 2. Die Ausscheidu~g ist gleiehfa!!s haupts:~iehlich Selbstleistung der :Flamme. Aber eine 5uBere Kraft, die Sehwerkraft, ist unter ge- wShntiehen Verhgftnissen an ihr mitbeteiligt. Indem alas Verbrennungs- gas, erhitzte Kohlensiure, spezifiseh leiehter als die inneren gase ist, steigt sie auf und tri t t vorzugsweise oben ati der Spitze aus. Aber das ist doeh nieht ganz zutreffend, denn sie tritt an der ganzen leueh- tenden Verbrennungssehieht naeh auBen, sofern die Umwelt dazu geeigilet ist, daher gesehieht der Austritt aueh bei der naeh abwgrts geriehteten >>h~ngendem Oasflamme.

Sie ist also doeh hauptsSehlieh ~>Selbstausseheidung<~, i~hnlieh wie bei den Lebewesen. Denn die Ausseheidung der Kohlensiure in der Lunge wird aueh nieht allein you der Lunge bewirkt, sie wird mit dureh die Besehaffenheit der eingeatmeten Luft bewirkt, h5ngt yea der Par t i a l spannung der Kohlens~ure in dieser ab.

Nr. 3. Die Aufnahme neuen Stoffes seitens der Fiamme ist mit Nr. 4 dee Assimilation verbunden. Beide geschehen gleiehfalls dutch

die Wirkung der yon der :Flamme gebildeten Verbrennungsw~trme, sind atso Selbstt:~tigkeiten der ]~[amme.

Nr. 5. Indem die Selbstassimilation dutch ihr Wirken die speziIisehe ehemisehe Eigensehaft der Flamme auf neuen Stoff tibertrS.gt und so zugleieh den primitiven Grundvorgang der chemischen Vererbuncd dar- stelit, ist auela diese Vererbung eine SelbsttStigkeit, die noeh dureh die Funktionen 9 und 10 vervollst~tndigt wird.

Nr. 6. Das Wachahem der Flamme ist riehtiges >>~'[assenwaehstum<~, Vermehrung der spezifiseheri Substanz. gs entsteht dutch Oberkom- pensation der Assimilation fiber die Dissimilation t). Es ist also Selb,st- wachstum des gebildes im Oegensatz zu dem yon mir bei den Lebewesen noeh untersehiedenem passivem Wachshem eines Gebilde.s, das in "5ul3erer Anlagerung vo~l Stoff an das Gebilde dutch guBere Wirkung gesehieht, wie z. ]3. die Vergr6Berung der 0ttropfen in der Fettzelle.

Nr. 7. Die geflexbewegung der Flamme beruht hauptsgehlieh auf besonderer innerer Eigensehaft dersefben und ist also insoweit Selbst- tS.tigkeit, welche dureh eine 5,uBere Einwirkung veranlagt und qua l i - tativ bestimmt wird; sie fehlt aber den meisten Flammem

Nr. 8. Die Bildung der zwei Sehiehten stellt eine Selbstgestaltung

1) Veto Massenwachstum unterschied ich bei den Lebewesen das blofl di- mensionale Wachstum, also VergrSBerung bloB einer oder zweier Dimensionen ohne Vermehrung der organischen i~lasse. Es ist eine reine Umordnung der vorhandenen organischen 5[asse, also eine blog ~>gestaltliche~ Leistung, die sogar dreidimensional geschehen kann, wenn anorg~nische Masse, Luft bei Pfl~nzen, aufgenommen wird (1905, S. 187, und 1912).

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jeder dauerfiihigen Flamme, also jedes Flainmeneinzelwesens (A~tto- /ormatio) dar. Abet die Umgebung ist wieder bestimmend mitbeteiligt, :~Lhnlich wie es der Sauerstoff der ~ul3erenUmgebung an der Sehiehtung des Embryo naeh His ist.

Nr. 9. Die Bildung der ~Plammenspitze hat, wie bereits erw~hnt wurde, einen inneren und einen ~uBeren determinierenden Faktor , ist also unvollkommene Selbstgestaltung: gemischte Differenzierung.

Die Flamme hat aul3er diesen siehtbaren Gestaltungen noeh eine unsiehtbare chemiseh-physikalisehe Struktur, eine Metastr~aka~r (Ro'ux, 1883, S. 19, und 1895, I I , S. 1060), die dureh die Bahn der Gasmo[ekel in ihr dargestellt wird, abgesehen vom Baue der _~[olekel und Atome selber.

Nr. i0. Die Selbstregulation besorgt die Flamme ganz selber. Wenn die Flamme mehr verbraueht als vorher, no seheidet sie aueh mehr aus, sie assimiliert aueh mehr und n immt rascher Nahrung auf (sofern gentigend dazu vorhanden ist) und w~iehst aueh entspreehend raseher. Diese )gegulation ist in ihrer Verursaehung sehr leicht verst[tndlieh und steitt in ihrer positiven Leistung ein gutes Beispiel dazu dar, daft Selbst- req~datio'n de~" Tariff~celt ei~es Uebildes pri~zipiell rein ~necha~isch, oh.~te Hil/e ei'ner zweclctiiti.qen I.r~telli~e'~z m@/,ich ist.

Zur Selbstregulation ist aueh zu rechnen, daS die Flamme ein gewisses Verm6gen zur gestaltliehen l~ec/eneratio~t hat. Wenn wit yon einer Kerzenflamme die obere H~tlfte nebst etwas Doeht abgesehnitten haben, so bildet der [/,umpf sofort eine neue g[~hende obere H~i.lfte mit Spitze, und no wird wieder ein in sieh gesehlossenes Ga~tze, wieder eine Ganz- heir, hergestellt, wie Philosophen jetzt mit dem Behagen tiber dan ~mgeblieh metaphysische Gesehehen vort dem beziigiiehen Geschehen der Lebewesen sagen.

Hier gesehieht diese gestaltliehe Erg:~tnzung unter Beteiligung den ringsum vorh~ndenen gul3eren F~ktors, der sauerstoffhaltigen Um- gebung. Diese I~egeneration ist also keine vollkommene Selbsttatl~,kett der Jflamme, was aber bei der l~egeneration der Lebewesen wohl aueh nieht g~nz der I~all ist, indem die t!remdartige Einwirkung der guBeren Umgebung des Defektes in manehen FD~llen anregend mitwirkt.

Also die zehn Funktionen der F lamme sind tails vollkommene, tells unvollkommene Selbstt:,ttigkeiten derselben und dienen zu ihrer Er- haltung, sie bewirken ihre Dauer/iitt@keit, sind somit, wie m a n sagt, ~ zweekmal3ig <~.

Sehen wir nun zu, was die ,~iederste'n Lebewesen/iir Fun/ctionen bzw. Selbsttiitigkeiten haben, um dann die Funktionen und Selbst.tgtigkeiten der Flamme damit zu vergleiehen.

Ieh habe die Lebewesen im allgemeinen nach ihren Funktionen kurz de/iniert als N~turk6rper, welehe das Verm6gen haben, in gevdssem

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Weehsel des Stoifes, der Energie, der Form, der Person und der Um- gebung sich dureh Selbstt~tigkeit eine Zei t lang in ihrer Art zu erhalten.

Diese Selbsterhal tung der Lebewesen gesehieht dutch iolgende, ilmei1 im l ebens t i t i gen Zust~md eigene Elemer t ta r funkt ionen:

1. die Selbstveriinderung, Autodissimilat io, 2. die Sdb~tausacheidung, Autoexeretio, 3. die Selbstau/nahrne, Autoreceptio, 4. Selbstangleiehung des Aufgenommenen , Autoassimilat io, be-

s tehend a) in ehemiseher, u n d b) in morphologischer Assimi-

la t ion (Roux), 5. Selbstwachaturn, Autoerescentia, 6. Sdbatbewegung, Automat ie oder Autokinesis , 7. die spezifische I teakt ionsfs oder Reizbarlceit, I r r i t ab i l i tg t

im al lgemeinen als die F:,~higkeit des Lebewesens, du tch /~uBere E inwi rkungen zu allerlaand besonderen Vorg'~tngen v e r a n l a B t werden zu kiSnnen, deren E igenar t ganz oder vorwiegend im Lebe-

wesen selber >> bes t immt <~ wird*),

i) Diese l~eizbarkeit.en oder Realctiona/iihiglceiten auf Einwirkungen sondere ieli (1902, S. 656--659; 1920, S. 490) in die Verm/3gen zur

a) Ausldaung. Diese ist ein Gesehehen, wobei der iuBere Faktor, der A,ttslSsungs/aktor, nut den Anlafi zum Gesehehea gibt und damit such die Zeit und racist den Oft, ausgenommen bei elektiver Wirkung (1903, S. 658), nieht aber die Gr6ge und Eigenschaft des Geschehens bestimmt,

b) Reizung im jetzt engeren Sinne, wobei der i~ugere Faktor, der Reiz, den Anlal3 mit seiner Zeit und mit seinem Ort, such noch Zeit und Ort sowie als tIauptsaehe augerdem die Grd[3e des Oeschehens mitbestimmt,

e) qualitativeg Reaktions[(ihi~lceit, wobei der ~ugere iP~ktor, der iiu/3ere (2t~alitgts~aktor oder g.t~fiere DiMerenzierungs[aktor, mi~ seiner Zeit und seinem Oft Zeit und Oft sowie such noeh die besondere Qualit~t des Gesehehens mitbestimmt. Die Zeit- und Ortsfaktoren k6nnen in allen drei F/illen such besondere, friiher wirkende ~> Vorlcorn, raens[alc- torch* sein. Der l-I~uptsaehe naeh abet sind die Eigenselaaften der tZeaktionen immer im Lebewesen selber bestimmt.. Die W/irme kann als Re~lisationsfaktor Ausl{Ssungsfaktor (und Beginnsfaktor) und aul3er- dem sowohl Unterhaltungsfaktor wie t~eizfaktor sein. Bei abnormer HOhe wirkt sic Ms Differenzierungsfaktor, veranlaBt 5[il3bildungen.

Die Unterseheidung der beiden letzten Gru]ppen wird abet noeh nieht an- erk~nnt, sic wird yon Herbst und itlarchand (s. oben S. 260) Ms nieht niStig beurteiit.

Wenn auf eine ,>diffuse<~ Einwirkung elektiv nur einige Organe reagieren, 'bestimmt also der Ort des ~tugeren Faktors n ieht den speziellen Ort der Re- aktion des Lebewesens (1902, S. 558). (Siehe dies Arch. Bd. 46. S. 490.)

Da jede besondere Eigensehaft des Gesehehens such ihre besondersartigen Ursachen hat, so ist die kausale Forsehung zur entspreehenden Sonderung gen6tigg. Deshalb miis~en wir aueh die Gr6Benfaktoren, und zwar sehon mSgliehst bald, yon den anderen spezifisehen Qualitgtsfak~oren sondern. Die ~iul3eren and besonders die inneren Qualitiitsfaktoren werden in sehr viele Unterarten zu trennen sein, Die t~eaktionen sehen wir sehon jetzt. Die gul3eren und

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8. 9.

Wilhelm Roux :

Selbstvermehrung, Autoproliferatio, Vermehrung der Individuen, Vererbung, I-tereditas, als die Ubertragung der Eigensehaften der elterliehen ~>Individuen<~ auf ihre Naehkommen: ~>pertSnliehe Vererbung<(. Sie besteht kausal in den zwei allgemeinen EIe- mentarvorgSngen: in ehemiseher und morphologiseher Assimi- lation bis zur Verdoppelung der ~typisehen individuelten Deter- mination <~ im ge~erativen Keimplasma, und in der genau gleiehen Verteilung des Verdoppelten dutch den 3[eehanismus der quaii- tat iven t talbierung (indirekten Kernteilung) auf die neuen Individuen*) (1883, S. 15; 1895 I I , S. 138),

10. die naeh der Teilung des ~>siehtbar einfaehen<, Keimplasmas s ta t t - findende vererbte siehtbare typisehe mannigfaehe Neugestaltung, die individuelle Entwicklunq, welche Selbstentwieklung, Auto- phiinogenesis, kurz Ph:~nogenesis, mit den vielen inneren Vor- gSngen yon abh'~ngigen Differenzierungen ist, wie ieh entgegen P/lii2er8 Behauptung (1883), dab die Art der E ntwieklung des Eiet ganz yon den i~ul.~eren Umst:~Lnden best immt werde wie die Gestalt der Lawiae (wom~eh et ~lso keine Vererbung g:s 1884 experi- mentell erwiesen habe,

11. die Selbatregulation in der dauerfithigen Vollziehung aller dieter Leistungen.

12. Neuerdingt habe ieh als eine betondere Art des Wirkens, welehe bei ailea gestaltenden Leistungen beteiligt ist, die Malakomor- phosia typica und regzdatoria untertehieden. Sic bewirken, dag aus dem halbfliitsigen ko|loiden 5[aterial gleiehwohl ii~eraus genaue 5[etastrukturen, siehtbare Strukturen und Oestalten viele Generationen hindurch gebildet werden .

13. Von den seeIischen Leistungen kSnnen wir ffir unseren Vergleieh mit den Flammen hier absehen, da sie bei den Prot i t ten nieht erwieten sind.

Die Selbstregulation der Lebewesen mug naeh 5ISgliehkeit innerhalb gewisser Grenzen nieht nur dem typisehen qualitativen, sehr komplexen Gesehehen der zehn Elementarfunktionen mit allen dan vielen Unterar ten des Wirkens, denWirkungsweisen jeder derselben eigen sein, sondern tie mug aueh das typisehe 5rtliche und zeitEche Vorkommen jeder Wirkungs- weise im einzelnen Lebewesen regulieren und so zugteieh siehern. Indem diese 1-s also alles einzelne Gesehehen regulieren, dienen sie '

inneren Faktoren sind oft unbekannt, deshalb habe ieh 1881 das Bildungs- gesehehen zun/ichst nut in diese gestaltenden J~eaktionen analysiert (s. 1902, S. 660).

1) Von der zweifelhaften Vererbung somatogener Variationen sehen wit hier ab. Uber ihre Vort//usehung dutch bigermplasmatisehe Par~llelindttktion s. Roux (1913, S. 58).

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d e r E r h a l t u n g des Ganzen; und es wi rd ve rmu te t , dal] sie vom Ganzen als solchem, yon einer ~)Ganzheit(~ gele i te t werden. W i t kennen abe t als solche Zent ra le oder Ver t r e tung des Ganzen nur die funkt ione l le Regu- l a t ion der Bet r iebsfunkt ionen , welche du rch funkt ione l le Anpassung d ie H a r m o n i e des Ganzen auf yon mi r ~)prinzipiell(~ vo l lkommen auf- geklSxte Weise herstel l t . Die a funk t ione l l en Ges ta i tungs regu la t ionen le i te ich dagegen pr inzipiel l yon dem (188I) yon mi r angenommenen , a l l en tha lben vo rhandenen )mnentwickel ten Ganzen(~, yon dem ~)soma- t i schen Keimplasma(~ ab, welches einen le i t enden EinfluB auf die Ge- s t a l t u n g e n der Per iode I und deren F o r t s e t z u n g ausi ibt . W i t b rauchen also auch fiir diese Regu la t ionen n ich t art ein myst i sches Agens zu appel l ie ren 1).

DiG Se lbs t tS t igke i t und besonders die Se lbs t r egu la t i oa in al len Lei- s t ungen geben der F l a m m e WiG den Lebewesen eine in sigh geschlossene Einhei t , ein eigenes Selbst, eine Ganzheit~-). Die Ph i losophen yon Aris to- teles an h a b e n natf i r l ich das Selbs t der Lebewesen e rkann t , und heu t - zu tage wi rd in ihm etwas ~[etaphysisches , j a M:ystisches, gesehen, das m a n n ich t kausa l def inieren kSnnte. Auf G r u n d der Scheidung al ler am Lebewesen bete i l ig ten F a k t o r e n in De te rmina t ions fak to re r t und Rea l i s a t ions fak to ren (wig oben S. 316) habe ich die Se lbs t tS t igke i t und das Selbs t nach dem Sitz al lein der D e t e r m i n a t i o n s f a k t o r e n inner- ha lb des be t re f lenden Gebfldes b e s t i m m t mechanis t i sch def inier t , l~ber d ig Q u a l i t s t dieser Ursaehen ist d a m i t noeh n ichts ausgesagt .

Von diesen zehn einzelnen Selbstleistungen der n ieders ten Lebewesen und elftens dem al lgemeinen VermSgen der Se lbs t regu la t ion h a t die Flamme nach dem oben Gesagter~/olffende:

Die vier e rs ten F u n k t i o n e n ; diese b i lden zusammen den Stoffwechsel. A b e t dig Ass imi la t ion is t h ier nur eine chemische; es fehl t noch die be i

1) Von den Lebewesen imponierte vor mehr als 40 Jahren die /unktionelle Selb,tgestaltung an neue Verh~ltnisse angepagter neuer Strukturen a]s ~l:ani-

festation eines geheimnisvollen teleologische n Selbst. Ich zeigte abet (1881), wie alles dieses direkte Anpassungsgeschehen rein mechanistisch ohne Zweck- tgtigkeit m6glich ist. Ebenso schien die Begeneration auf mystisches teleolo- gisches Wirken hinzuweisen. Die 1881 gemachte Annahme gew/ihrte die Er- kenntnis (1895 II , S. 842), daB in der Regeneration gar nicht das mystische Problem vorliegt, wie ein real nicht mehr vorhandenes Ganzes seinem ideellen Typus entsprechend sich ergi~nzt, sich wieder zur Ganzheit ausbildet, sondern nur das Problem, wie unter 3[itwirkung des in loco vorhandenen >~ potentiellen(~ Ganzen, des somatischen Keimplasmas, das defekte ~>entwickelte(~ Ganze wieder hergestellt wird. Dieses rein mechanistisch determinierte Geschehen ist prin- zipiell efforschbar, was abet yon enteleehetisch bestimmtem Geschehen nicht gelten wiirde.

2) Ganzheit hat ein Gebilde, welches sieh mindestens im Wechsel des Stoffes selber in seiner Art (Form und Struktur) erhi~lt oder auch noeh Defekte wieder

b i s zur friiheren Gestalt erg~nzt. Archiv fiir Entwicklungsmechanik Bd. 5t. 21

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der Einfachheit des inneren Gesehehens und der gul~eren Gestal tung aueh nicht n6tige ~>morphologische~ Assimilation. Ferner haben die F lammen das Selbstwaehstum und die Vererbung, letztere nur in der einfachen Art yon chemischer Assimilation; die einfachste Selbst- gestMtung in der einfachen Art der Bildung yon zwei Schichten und der Bildung der Spitze. Dazu kommt ein gewisses MM3 yon Selbst- regulation im Stoffwechsel, im Wachstum, in der 8elbstgestaltung, sogar yon Regeneration.

Die Flamme gibt uns damit das einfaehste Beispiel davon, wie eine 8elbsterhMtung, also ein ~>ErhMtungsselbst<~, auch bei manchem Wechsel der gul3eren es beeinflussenden Umstgnde: Wind, vermehrte oder ver- minderte Nahrung, Einklemmung (Stichflamme), Defekt, unter geringer und rein meehanischer Regulation m6glieh ist.

Dagegen /ehlen der _Flamme : Nr. 4, die den Lebewesen eigene ~morphologisehe<~ Assimilation

(1895 I I , S. 1042), eine der kompliziertesten und am schwierig- sten zu verstehenden Leistungen der Lebewesen,

~Nr. 6, die 8elbstbewegung in einer derjenigen tier Lebewesen ver- gleichbaren Weise, wenn man die typische Bewegung der Gase in der hSngenden Flamme nieht auch schon Ms Selbst- bewegung der Flamme auffassen will,

Nr. 7, die l%eizbarkeit (mit Energiespeicherung nach F. Auerbach) und Mlen oben untersehiedenen l%eaktionsweisen.

Nr. 8, die 8elbstvermehrung der Einzelgebilde dureh Selbstteilung. Daher fehlt aueh die

qXr. 9, persSnliche Vererbung als Obertragung der Eigensehaften des einen Gebildes, Individuums auf seine Naehkommen. Daher fehlt aueh

~r . 10, die vererbte Selbstentwicklung, Phgnogenesis, die kom- plizierte typische siehtbare 8elbstgestaltung, und

l~r. 11, die 8elbstregulation in allen diesen Leistungen der Lebe- wesen, we]che den F lammen fehlen.

Es fehlen also den F lammen trotz ihrer zehnfachen wesentliehen l~bereinstimmungen doeh noeh sieben Eigenschaften der niedersten Lebewesen.

Aul~erdem ist noch auf einige wesentliehe Unterschiede in der spe- ziellen Art der beiden Gebilden gemeinsamen Funkt ionen hinzu- weisen. Zungchst in der Dissimilat ion und Assimilat ion.

Bei der Flamme ist die Dissimilation, die Verbrennung das Primgre, und die Assimilation das von dieser aus Veraniai~te, also Sekundgre; das Wachstum, also das l~berwiegen der Assimilation fiber die Dissimi- lation, kann fehlen.

Bei den Pflanzen ist das Verh&ltnis beider fast umgekehrt , die Anbil-

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dung, das Wachstum, also Assimilation, ist das Vorherrschende, die Dis- similation das Geringere. Dasselbe ist bei den niederen Tieren und anfangs auch bei den h6heren Tieren wShrend der Periode i (1881; 1895 II, S. 1064; i912, S. 297), derjenigen der a/unktionellen, vererbten Gestaltung und des entspreehenden a/unktionellen Wachstums der :Fall, so bei der Keimblattbildung, Organanlage und dem ersten Wachstum derselben. Erst dutch den Beginn der Betriebsfunktion jedes einzelnen Organs oder Organteiles (Gewebes) wird die Dissimilation erheblicher, veranla~t abet bei gewisser Zunahme der mittleren Funktionsgr6Be in einer gewissen Zeiteinheit das /unktionelle Wachstum (funktionelle Anpassung). In Periode I I sind beide Arten der Anbildung, die vererbte der Periode I und die funktionell bewirkte, an der weiteren Gestaltung beteiligt; darauf wird als Periode I I I in d e n meisten Organen die funktionelle Dissimilation und zugleieh die Erhaltung und Anbildung dureh die Funktion in den tStigen Organen und Organteilen (Geweben, Zell- teilen) vorherrschend. Sparer folgt die Periode der Altersatrophie.

Es besteht also yon Anfang an ein wichtiger Unterschied im .StofL wechsel der Flamme und der Lebewesen.

Ein weiterer wichtiger Unterschied yon Flamme und Lebewesen liegt in der Aggregatiorm: in der vollkommen gasf6rmigen Besehaffen- heit der Flamme und der kolloiden fliissigfesten Besehaffenheit der. Lebewesen. Ob diese Verschiedenheit genetisch yon ebenso groBer Bedeutung ist wie die des Stoffweehsels, ist zweifelhaft. Denn auch die Lebewesen nehmen Gas auf und seheiden Gas ab. Andererseits assi- miliert auch die Flamme feste und fliissige 8toffe wie die Lebewesen. ]:)as Unterscheidende ist also nut die Bildung yon kolloidalen festfliis- sigen Assimilationsprodukten, die freilieh fiir die l~ngere ]:)auer der Einzelwesen und fiir die weitere Ausgestaltung derselben sowie ffir die Erwerbung yon Se[bstteilung, Selbstvermehrung mit gestaltiieher Assimilation und Vererbung und fiir die Stammesentwicklung die unerlSl~liche Vorbedingung war.

l%rner fehlt der ~lamme sehon die wiehtigste Selbstregulation des Stoffwechsels, die Hungerregulation, welche bei Nahrungsmangel in einem etwas besonderen Geschehen besteht, das geeignet ist, Nahrung herbeizufiihren, z .B. durch Pseudopodien usw. und Ortsver~nderung.

Ferner ist bei tierischen Lebewesen die Art der i~ahrungsaufnahme eine andere. Die Aufnahme geschieht sogleieh ins Innere, danach erst erfolgt Abbau und Assimilation. Die Flamme beghmt naeh auiterhalb des Gebildes die Assimilation, und erst das schon Priiassimilierte wird in sie selber aufgenommen.

Direkt fehlen der Flamme mit den genannten Elementarfunktioner~ natiirlieh aueh die zugeh6rigen l~egulationen und aul~erdem die Hunger- regulation des Stoffwechsels; ferner mit der l~eizbarkeit die Energie

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speicherung, die eine Vorbedingung des Aus[6sungsgeschehens und der l~eizung ist, ferner die vielen quMit~tiven Re,~ktionsf~higkeiten, be- soaders die der gestMtlichen d~uerfOrdernden VerSnderungen: die funktionellen und ~nderen Anp~ssungen und die gestMtlieher~ Regu- lationen, welche nach mannigfachen St6rungen der Lebewesen erfolgen.

Von rein inneren, also nicht auf ~ul~ere Eiawirkungen erfolgenden Vorggngen sind Mlen Lebewesen eigen die vielen Arten yon ~bh~ngigen Differenzierungen, also die ehemischen und gestMtlichen Korrel~tionen (zu denen ~>dem Geschehen nach<( uueh die Selbstdifferenzierungen ge- hSren, denn die Selbstdifferenzierung eines Gebildes ist bloB ein topo- graphisch kausMer Begriff und geschieht selber Mlein dutch Wechsel- wirkung der Unterteile des Gebildes aufeinander).

Es seien ferner yon inneren Korrelationen genunnt die yon mir angenommenen gestMtenden regulatorischen Wirkungen des in den KSrperzellen enthMtenen somatischen Keimplasmas bei StOrungen der typischen Entwicldung auf diese. D~zu gehOrt auch die erwShnte 3fit- wirkung dieses totipotenten Keimplasmas bei der Regeneration.

Ferner die Wirkungsweisen, die zur jtingst yon mir Ms eine besondere Leistungsweise ~ufgestellten exakten Malakomorphozis typiea und regu- latoria nStig sind, welohe ~us dem hMbflfissigsn ~[ateriM des Proto-

�9 plasmas und Zellkerns gleichwohl die typischen GestMtungen sehon yon der Protistenstufe an sehr genau hervorbringen.

Ieh bin mir bewul]t, dM3 ich mit diesem Hinweise auf die vielen speziellen quMit~tiven Unterschiede, die sehoa zwischen Flamme und den niedersten Lebewesen bestehen, den teleologischen, enteIechetischen, mystischen Deutungen starken Vorschub leiste, ohne dies zu woilen oder f~ir n6tig zu erachten.

Aber der ~[iBbrauch, der mit einer Erkenntnis getrieben werden kann, darf uns nieht veranlassen, sie zu verschweigen.

Soleher ~[ifibraueh geschieht dagegen yon seiten der jetzigen Teleo- logen und Entelechetiker, indem sie unsere mechanistischei~ ErMg- rungen yon Geschehen, welches vorher ffir teleologisch gehMterl wurde, verschweigen oder deren Bedeutung fMsch darstellen. Sie tguschen aufierdem ihre Leser, indem sie ihnen das bisher aoeh nicht mecha- nistisch erldgrte Lebensgeschehen auf Grund falseher, unbewiesener Argumentationen Ms iiberhaupt nieht in solcher Weise erkliirbar schildern. Bei diesen Autoren liegt nebea der Selbsttguschung unlogisches Denken vor, welches darin besteht, dal~ sie aus noch Unbekanntem gleichwohl ~>bestimmte<, Behauptungea ableiten. Wir wfirden uns desselben Fehlers sehuldig maehen, wenn wit ~>behaupteten<{, dM~ diese unbewiesenen und unbeweisbaren Behauptungen sicher fMsch seien.

Diese vielen Unterschiede der Flamme und der niedersten Lebe- wesen maehen zwar die Kluft zwischen beiden sehr gro[l Das lgfit die

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Uber die Flamme, Probionten und das Wesen des Lebens. 325

vormMige erste Entstehung des Lebens durch Selbstentstehunq der niedersten Lebewesen aber noch nieht Ms ganz unm6glieh erscheinen, und wir brauchen noeh nieht an einen Seh6pfer und eine kleinere zweck- t~tige Intelligenz, Enteleehie genannt, zu appellieren. Denn wenn nur erst einmal ein kolloider Stoff mit den vier Eigensehaften des Sto/f- weehsels und der des Waehstums, ~hnlieh denen der Flamme, entstan- den war, so war damit ein Grundsto//des Leben8 gebildet, der bei langer Fortdauer seiner physika!isch-ehemischen Entstehungsbedingungen, sp~ter nur der Existenzbedingungen, auf der Erde im Laufe der Zeiten vieKaeh variieren konnte.

Die dauerf~higen yon diesen Variationen mul~ten sieh daher in der Welt aufspeiehern, und mehrere soleher dauerf6rdernden Eigensehaften konnten sieh in den einzelnen Gebilden kombinieren. Haeckel hat te sieh das Ents tehen der niedersten Lebewesen sogar als auf einmM m6glieh gedaeht. Ieh hatte sehr v ide Zwisehenstufen ffir n6tig.

Den Entstehungsgang der haupts~chliehsten dieser Vorstu[en- gebilde, der Probionten der Lebewesen, denke ieh mir etwa in folgender l~eihe m6glieh:

])ie erste Stufe hatte die wesentliehen Eigensehaften der ]?lamme. Ob sie zuerst rein gasf6rmig war oder gleieh kolioide ~vfasse dureh Assi- milation biMete, hing yon den damMigen Eigensehaften der Erdober- tl:~%ehe und ihrer AtmosphSre ab. Dieses Gebilde nannte ieh 1892 (s. 1895 I I , S. 84) naeh seiner tIaupteigensehait Gleichesbildner, I.sopla~son. Dieses muBte auger der ehemisehen Assimilation die Verm6gen der Selbstaufnahme einfaehster Art, der Selbstausscheidung und des Waehs- turns haben, also in dieser Hinsieht der Flamme ~hnlieh sein. Und da bei der Flamme alle diese Eigenscha/ten und noch sechs andere au/ einmal yon selber entstehen und das Gebilde dauerfShig machen, haben wir keinen zureichenden Grund, die Entstehung dieser nur vier Vor- g~nge mit Bildung weicher Substanz fiir unm6glieh zu erklhren, wie es Weismann tat, bevor ieh diesen Hinweis auf das pl6tzliche Entstehen Mler bei der Flamme gegeben hatte.

Diesem Isoplasson fehlte noch die Hungerregulation. Sie war auch anf~ngs noch nieht n6tig, wenn die ErnSohrungsbedingungea sehr lange Zeit Mlgemein oder ausgebreitet vorhanden waren.

Als zweite Stufe eraehte ieh die Ents tehung der Reflexbewegung, vielleieht bald schon mit Chemotropismus verbunden, wie sie schon 01tropfen gegen AlkMil6sung haben (Biitschli), und der Selbstbewegung, und nannte diese Gebilde Selbstbeweger, Autokineonten. Das Gebilde hat damit sehon sogenannte l~eizbarkeit, wenn zunSehst auch nur sehr geringen Grades, vielleieht mit bloger Ausl6sbarkeit aufgespeicherter Energie beginnend, spi~ter Gr6ge und Rie'htung der geak t ion hinzu- fiigend.

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326 Wilhelm Roux:

Zu diesen Leistungen h~tte nun hinzuzukommen die Erwerbung dauerfSrdernder Selbstregulation in diesen Vorgi~ngen. Zu allen diesen ist sehon eine ganz besondere, dies alles leistende, im wesentliehen unsichtbare Struktur, Metastrulctur, n6tig, und zu deren UnterhMtung ist die sehr sehwierige morphologisehe Assimilation erforderlich.

])iese beiden Arten yon Gebilden : Isoplassonten und Autokineonten, sind noch nieht niederste Lebewesen im vollen Sinne, sie sind also erst Probionten, Vorlebewesen.

Die nSehste, dritte t taupts tufe besteht in der Hinzuerwerbung des Verm6gens tier Selbstteilung mit ~> innerer Verdoppelung (~ und ~> quali- ta t iver Halbierung(~. Dieses Gebilde narrate ich Selbstteiler, Auto- merizon. Es hat (lurch diese beiden neuen Leistungen aut3er der Ver- mehrung der Einzelwesen zugleich das Verm6gen der Vererbung yon einem Sonderwesen auf das folgende, ist also ein Vererber, Hereditont. Zu diesen beidea VorgSngen geh6rt wieder neue entsprechende mor- phologische Assimilation und Einbeziehung der~ Insubstant ia t ion der neaen Eigenschaft, bzw. ihres besonderen Determinationskomplexes in den ~[eehanismus der quali tat iven HMbierung, also der indirekten Teilung; ferner Selbstregulation in allan Leistungen.

Jedes solehe Cebitde wiirde ich 8chon als' 'niederstes Lebewesen be- urteilen, einerlei ob es yon Lebewesen abs tammt oder ob as yon selber dureh viele Variationen und HSufung dauerfithiger Eigensehaften ohne [ntelligenz oder kiinstlich yon nns hervorgerufen worden witre, also letzteren FMles unserer zweektStigen Intelligenz ents tammte.

Es bedarf trotz seiner mannigfaehen Leistungen gleich der AmSbe keiner bestimmten 5uBeren Gestalt, abet einer spezifischen 5[etastruktur.

5lit dem 5'[eehanismus der Vererbung, also der morphologischen Assimilation und quMitativen Halbierung, ist aueh sehon die Vorbe- dingung zur Bildung vererbbarer sichtbarer GestMtungen und damit zu einer Stammesentwicklung yon Einzelligen und ~[ehrzelligen gegeben, wie sie die Gesamtheit der Protisten, Pflanzen und Tiere darbieten. Diese Gebilde heigen dann typisehe Selbstgestalter, Idioplassonten.

Bei den Lebewesen fiigte sieh als letzte groBe quM-itative Stufe die Bildung seelisehen Gesehehens hinzu, diese Gebilde kSnnen also Ms Psychoplassonten zusammengefal3t werden.

Isoplassonten und Automerizonten kommen aueh als Teilgebilde in den Zellen vor (z. B. Zellgranula, St~rkebildner, EF~toblasten) und stellen also PartiaIbionten der mehrzelligen Lebewesen dar.

Wenn wit Lebewesen ktinstlieh hervorbringen wollen, so seheint es mir das einzig riehtige aussiehtsvolle Verfahren, diesen bezeiehneten Weg durch methodisehe Versuehe einzuschlagen und zuerst die Bildung yon einfachstem Isoplasson zu bewirken, um dieses dann mit allen abrigen genannten Eigenschaften der Klasse auszustatten; und wenn das ge-

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lungen ist, dies Gebilde zum Autokineon, dann zum Automerizon weiter- zubilden (1906, Nr. 8; 1915, S. 186). Ob dieses je gelingt, ist eine Yrage fiir sich. Wir miissen immerhin versuchen, wie welt wit auf diesem Wege der sul~zessiven kiinstlichen Bildung und H&t/ung der Grund- /untctionen, der dem bisher gtMehfMts blol~ gedach.ten Wege der suk- zess~ven Selbstentstehung und Ziicht~eng der Grund/unktionen entsprieht, kommen.

Jedenfalls ist diese ~Iethode ~ussiehtsreieher als die bisherigen un- methodischen Versuche yon Ledue, Lehmann u .a . und zugleich uuch wissenschaftlicher Ms die mit viel BeifMi ~ufgenommene und sehr ver- breitete Hypothese yon Helmholtz und Avenarius, daI] die niedersten Lebewesen dem sehr kMten Weltr~um ents tammen und ~>vom Himmel gefallen<~ seiea.

Ich beurteile Mso die Flamme zwar als hochgrudig entwickeltes Isoplasson, beh~upte aber darum nieht, dal~ sie seIber der reMe Ausgang yon Lebewesen, also ein reales Probion sei, dem irgendeine niedere Gruppe yon Lebewesen direkt ents tammt. Wit kSnnen die F lamme bis jetzt nur Ms ein einer-solehen gedaehtea Vorstufe sehr "5hnliehes Gebilde bezeiehnen.

Unser bedeutender Pathologe aY. Marchand st immt, wie oben aus 8. 280 zu ersehen ist, meinen vorstehenden, im wesentlichen schon 1881, 1892 und 1905 veraffentliehten und hier noeh etwas detaillierter ausge- fiihrten Darlegmlgen im ganzen nieht zu und billigt insbesoadere nieht., dab die F lammen mit morphologischen Gebitden, den Zellen, auf gleiehe Stufe gesteilt werden. Wie die Leser ersehen haben, tue und billige ieh das gleiehfalls nicht und habe im GegenteiI yon Anfang an dar~mf hin- gewiesen, wie wiehtige Untersohiede zwischen beidert bestehen, weiehe Funktionen den Flammen fehlen.

Franz (1920, S. 2) dagegen sieht sehon in Gebitden vom l~ange ,des Isoplasson Lebewesen; also sind ftir ihn die Flammen sehon Lebewesen, obgleich sie an Eiementarleistungen weit unter ihnen stehen. Er geht nieht welter auf die Sache ein.

Ferner habe ieh die >> Ganzheit << des Lebewesens auf die Selbstregu- lation gegriindet, und die Selbstregulation, welche attch Marchand vm~ den Lebewesen verlangt, schon 1881 als ei~l universelles charakteristisches und notwendiges VermSgea der Lebewesen erkannt, aufgestellt, begriin- det und meehanistisch definiert. Vorher waren sehon manche einzelne Selbstregulationen physiologischer Art und in Krankhei ten bekannt. Von dieser vereinzelten Tatsaehenkenntnis bis zur generellea Erkenatnis Ms Weser~ der Lebewesen war aber, wenigstens fiir reich und woh[ aueh fiir andere, noeh ein weiter Weg, den selbst P.[liZger nicht gegangen ist, obgleieh er als erster sich (1873) erfolgreich mit den Regulations- problemen besehgftigt hatte. Nachdem diese generelle Erkenntnis

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3 2 8 Wilhelm Roux: Uber die Flamme, Prob ion ten und das Wesen des Lebens.

v e r S f f e n t l i c h t w a r , w u r d e sie a ls e ine S e l b s t v e r s t h n d l i c h k e i t h i n g e -

n o m m e n u n d o h n e H i n w e i s a u f d e n U r h e b e r v e r b r e i t e t .

D i e A s s i m i l a t i o n h a b e i c h b e r e i t s 1881 a ls d e n z u r e i e h e n d e n Ver -

e r b u n g s m e c h a n i s m u s d e r e i n f a c h s t e n L e b e w e s e n b e z e i e h n e t . Z u r Ver -

e r b u n g b e s o n d e r s s t r u k t u r i e r t e r u n d ~ul3er l ich b e s t i m m t g e s t a l t e t e r

L e b e w e s e n e r k a n n t e i ch n c e h d ie m o r p h o l o g i s e h e A s s i m i l a t i o n .und

( I883) die ) > q u a l i t a t i v e Ha lb ie rung<~ als n 6 t i g .

Literatur. Roux, Wilh., 1881. K a m p f der Teile im Organismus. Leipzig. - - 1883. Be-

deutung der Niernteilungsfigm'en. Leipzig. - - 1884. :Die En twick lung der Froscheier bei Aufhebung der r i ch tenden Wirkung der Schwere, s. 1895 I I , S. 256--276. - - 1895. Gesammelte ~-kbhandlungen fiber Entwieklungsmeeha- nik. Leipzig. Bd. I u. II . - - 1896. Uber den Antei l yon AuslSsungen an der individuel len Entwieklung. Arch. f. Entw.-3Ieeh. Bd. IV. - - 1902a. Ober die Selbs t regula t ion der Lebewesen. Arch. f. Entw.-~[eeh. Bd. 13. - - 1902b. I~e- fe ra t fiber C. Herbst, Format ive t~eize. Arch. f. Entw.-~fech. Bd. 13. - - 1905. :Die Entwicklungsmeehanik , ein neuer Zweig der biologischen Wissensehaft . Leipzig. - - 1906. Die angebl iehe ki inst l iche Erzeugung yon Lebewesen. Die Umschau, Zeitschr. Nr. 8. - - 1911. Die vier kausa len Haup tpe r ioden der Onto- genese, sowie das doppelte Bes t immtse in der organisehen Gesta l tungem ~[itteil. d. na tu r forschenden Ges. Halle a. d .S . Bd. I, S. 1--13. - - 1912. Terminologie der Entwicklungsmechanik . Leipzig. - - 1913. Uber die bei der Vererbung yon Var ia t ionen anzunehmenden Vorggnge. Leipzig. - - 1914. :Die Selbst- regulation, ein ch~rakterist isehes, n i ch t notwendig vital ist isches Verm6gert aller Lebewesen. Nova acta der Leopoldina. Bd. 100. Halle a. d. S. - - 1915. Das Wesert des Lebens. Ku l tu r der Gegenwart I I I , IV, 1. - - 1918. H a t die Betr iebsseele das Verm6gen zu )>direkten(~ GestMtungswirkungen? Gibt es eine besondere Gestal tungsseele? Arch. f. Psychia t r ic u. Nervenkrankhe i t en . Bd. 59. - - 1920. Bemerkungen zur Analyse des I~eizgeschehens usw. Arch. f. Entw.-3'Ieeh. Bd. 46. - - Franz, Victor, 1920. Probiologie und Organisat ions- s tufen. Schaxels Abh. z. theor. Biol. Hef t 6. - - :Die weitere L i t e r a tu r is t in meinen vors t ehend genann ten Spezia larbei ten aufgeftihrt .


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