Verfahrenstechnische Grundlagen für das Laserstrahl-Umschmelzen
einkristalliner Nickelbasis-Superlegierungen
Von der Fakultät für Maschinenwesen der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule
Aachen zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Ingenieurwissenschaften
genehmigte Dissertation
vorgelegt von
Bernd Burbaum
Berichter: Universitätsprofessor Dr. rer. nat. Reinhart Poprawe M.A.
Universitätsprofessor Dr.-Ing. Andreas Bührig-Polaczek
Tag der mündlichen Prüfung: 20. Dezember 2010
Diese Dissertation ist auf den Internetseiten der Hochschulbibliothek online verfügbar.
Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand neben meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher
Mitarbeiter am Lehrstuhl für Lasertechnik der Rheinisch-Westfälischen
Technischen Hochschule Aachen und am Fraunhofer Institut für Lasertechnik
in Aachen. Hiermit möchte ich mich bei allen bedanken, die zum Gelingen
der Arbeit wesentlich beigetragen haben.
Herrn Prof. Dr. rer. nat. Reinhart Poprawe M.A. danke ich für die Überlassung
des Themas. Herrn Prof. Dr.-Ing. Andreas Bührig-Polaczek danke ich für die
Übernahme des Korreferates sowie Herrn Prof. Dr.-Ing. Stefan Pischinger für
die Übernahme des Prüfungsvorsitzes.
Bei allen Kolleginnen und Kollegen des Lehrstuhls für Lasertechnik und der
Gruppe Auftragschweißen des Fraunhofer ILT bedanke ich mich für die gute
Zusammenarbeit und die angenehme Arbeitsatmosphäre. Zudem bedanke
ich mich bei meinen Studien- und Diplomarbeitern und studentischen
Hilfskräften für ihre geleistete Arbeit.
Ganz besonders bedanke ich mich bei Herrn Dr. Konrad Wissenbach und
Herrn Dr. Ingomar Kelbassa für Ihre Unterstützung, motivierenden
Anregungen und die Durchsicht des Manuskriptes. Weiterhin möchte ich
mich bei Herrn Dr. Norbert Pirch für die Unterstützung bei der
Prozessmodellierung sowie die zahlreichen Diskussionen bedanken. Danken
möchte ich auch Herrn Dr. Selim Mokadem für seine ständige
Diskussionsbereitschaft und die Durchsicht dieser Arbeit.
Meiner Familie danke ich für die Ermöglichung des Studiums und somit
meines beruflichen Werdegangs. Meiner Ehefrau Christina danke ich für ihr
Verständnis und ihre Unterstützung.
Für meine Frau Christina und meine Kinder
Jan Christian und Simon Bernd
Abstract
The continued drive for increased efficiency, performance and reduced costs
for industrial gas turbines demands extended use of high temperature
materials, such as single crystal nickel-based superalloys. The cost for hot
section components used in those applications is a primary factor creating a
growing need for advanced blade repair procedures, a need which addresses
the problem of repairing damaged parts. In the present work procedural
fundamentals are developed for the laser remelting of single crystal turbine
blades made from the nickel-base superalloy PWA 1483. Such a process aims
to remove cracks in the surface layer by maintaining the single crystal
structure. Single crystal repair using laser remelting requires controlled
solidification conditions in order to prevent nucleation and growth of
spurious grains ahead of the columnar dendritic front, i.e. to ensure epitaxial
growth and to prevent the columnar to equiaxed transition. The development
of the procedural fundamentals is subdivided into three steps.
A laser remelting process is first developed on flat sample geometries. A
process window is determined by varying all relevant process parameters. By
maintaining the single crystal structure, a remelted depth up to 1.2 mm is
reached in the surface layer. The development of an overlapping strategy is
used to remelt whole areas and to achieve a homogeneous remelted depth.
In addition investigations are carried out to measure the emitted temperature
radiation on the surface in the melt pool. In comparison to the experimental
process development, heat conduction calculations based on the finite
element method are carried out to determine the solidification conditions
(temperature gradient, solidification velocity) and the temperature field within
the melt pool. The experimental and calculated results are compared with
results from previous literature. The first step is completed by remelting
artificial cracks and maintaining the single crystal structure.
In the second step, the developed process is transferred to complex samples
with changing material thickness and curved surfaces. The measurement of
the emitted temperature radiation of the surface of the melt pool is used to
implement a temperature control. By using this control a nearly constant
remelted depth of zm = 1 mm ± 0.1 mm is achieved along the remelted track.
This means that the deviation in remelted depth is decreased in comparison
to laser remelting with a constant laser power. In the third step, the process is
successfully applied to remelt different areas on turbine blades (platform,
blade, fillet) without cracking.
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen I
Inhalt
1 Einleitung 1
2 Zielsetzung und Vorgehensweise 3 2.1 Zielsetzung 3 2.2 Vorgehensweise 5
3 Eingesetzte Werkstoffe 8 3.1 Nickelbasis-Superlegierungen 8 3.1.1 Aufbau und Struktur 10 3.1.2 Wärmebehandlung 12 3.1.3 Schweißeignung 12
4 Physikalische Grundlagen 16 4.1 Morphologie der Erstarrungsfront 16 4.2 Verfahrensprinzip Laserstrahl-Umschmelzen 18
5 Stand der Technik 22 5.1 Modelle zum CET-Übergang „Columnar to
Equiaxed Transition“ 22 5.2 Laserstrahl-Umschmelzen an Nickelbasis-
Superlegierungen 30 5.3 Messung der emittierten Temperaturstrahlung 36
6 Anlagen- und Systemtechnik 40 6.1 Laserstrahlquelle und Optiken 40 6.2 Versuchsaufbau 40 6.3 Induktive Vorwärmung 42 6.4 Eingesetzte Messsysteme 43 6.4.1 Precitec-System 43 6.4.2 CPC-System 46 6.4.3 Quotientenpyrometer 47 6.4.4 Messfehler bei der Messung der
Temperaturstrahlung 49 6.5 Aufbau der Temperaturregelung 53 6.6 Nachführung der Bearbeitungsoptik 54 6.7 CNC-Programmerstellung 55
7 Verfahrensentwicklung 57
Einleitung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen II
7.1 Schritt 1: Grundlegende Untersuchungen an
Flachproben 57 7.1.1 Ermittlung geeigneter Verfahrensparameter an
Flachproben 58 7.1.2 Einfluss der Dendritenorientierung im
Grundmaterial 76 7.1.3 Vermeidung von Heißrissen beim Ausschalten der
Laserstrahlung 77 7.1.4 Überlappbearbeitung 80 7.1.5 Untersuchungen zur Messung der emittierten
Temperaturstrahlung 81 7.1.6 Einfluss der Materialdicke auf die Umschmelztiefe 86 7.1.7 Verschließen von künstlichen Rissen 88 7.2 Schritt 2: Übertragung des Verfahrens auf komplexe
Geometrien 95 7.2.1 M-Probe 96 7.2.2 U-Probe 105 7.2.3 L-Probe 106 7.3 Schritt 3: Übertragung des Verfahrens auf
Turbinenschaufel 109 7.3.1 Untersuchung des Grundmaterials 110 7.3.2 Plattform 111 7.3.3 Schaufelblatt 112 7.3.4 Fillet 114 7.3.5 Untersuchungen zur Messung der emittierten
Temperaturstrahlung 116
8 Zusammenfassung und Ausblick 119
9 Quellen und weiterführende Literatur 122
10 Anhang 130 10.1 Physikalische Grundlagen der Temperaturmessung 130 10.2 Leistungsmessungen und Strahldiagnosen des
verwendeten Lasersystems 134
Einleitung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 1
1 Einleitung
Um die geforderten Eigenschaften wie Hochtemperaturfestigkeit,
Kriechfestigkeit, Ermüdungsfestigkeit, Zähigkeit, Schlagbeständigkeit und
Widerstand gegen Heißgaskorrosion zu gewährleisten, werden in modernen
stationären Industriegasturbinen Turbinenschaufeln aus Nickelbasis-
Superlegierungen eingesetzt. Die Turbinenschaufeln werden im Betrieb großen
Temperaturen und mechanischen Belastungen ausgesetzt. Die maximale
Einsatztemperatur (Metalltemperatur) modernster Nickelbasis-
Superlegierungen an der Oberfläche der Turbinenschaufeln liegt derzeit bei
ungefähr 1000 °C. Mit aufwendigen Kühlsystemen wie Innen- oder
Filmkühlung sowie keramischen Wärmedämmschichtsystemen an den
Turbinenschaufeln sind derzeit Turbineneintrittstemperaturen über 1400 °C
erreichbar [1]. In Bild 1 ist der Turbinenbereich einer stationären
Industriegasturbine dargestellt. In den ersten beiden Stufen dieser
Industriegasturbine werden einkristallin erstarrte Turbinenschaufeln eingesetzt,
in den weiteren Stufen kommen aufgrund der kleineren mechanischen und
thermischen Belastungen stengelkristallin und polykristallin erstarrte
Turbinenschaufeln zum Einsatz.
Bild 1 :
Brennkammer und
Turbinenbereich
einer
Industriegasturbine
des Typs
SGT6-4000F
[Quelle: Siemens PG]
Stufe 1Stufe 2
100 cm
Im Betrieb befindliche Turbinenschaufeln werden nach etwa 24.000
Betriebsstunden regelmäßig gewartet und gegebenenfalls ausgetauscht, wenn
aufgrund betriebsbedingter Beanspruchung ein einwandfreies Funktionieren
nicht mehr sicher gestellt werden kann. Neben starken Materialverlusten durch
Korrosion sind Ermüdungsrisse die am häufigsten auftretenden Ursachen für
Einleitung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 2
einen Austausch der Turbinenschaufeln. Insbesondere treten derartige
Ermüdungsrisse quer zur Schaufellängsachse auf, die im Laufe der Zeit weiter
wachsen. Aufgrund der hohen Material- und Herstellungskosten für
Turbinenbauteile mit einer einkristallin erstarrten Gefügestruktur muss ein
Kraftwerksbetreiber für die Instandhaltung einer Gasturbinenanlage (bspw.
Austausch von Turbinenschaufeln) relativ hohe Kosten einkalkulieren. Vor dem
Hintergrund eines steigenden Kostendruckes werden daher
Instandsetzungsverfahren, welche die Betriebsfähigkeit einer beschädigten
Turbinenschaufel wiederherstellt, zunehmend attraktiver [2]. Eine Möglichkeit
zum Instandsetzen der beschädigten einkristallin erstarrten Turbinenschaufeln
ist das Schweißen der Turbinenschaufeln durch die Zugabe von duktilen
Schweißzusatzstoffen aus Nickelbasis-Superlegierungen (z.B. Inconel 718), die
in einer polykristallinen Struktur erstarren. Allerdings weisen diese
Schweißzusatzstoffe im Vergleich zum Grundwerkstoff eine kleinere
Hochtemperaturfestigkeit auf [3].
Durch das Umschmelzen der Risse in der Randschicht mit Laserstrahlung
(Laserstrahl-Umschmelzen) kann die einkristallin erstarrte Struktur der
Turbinenschaufeln erhalten und rekonstruiert werden. Bisher wird das
Laserstrahl-Umschmelzen für die Instandsetzung einkristallin erstarrter
Turbinenschaufeln nicht eingesetzt. Eine erfolgreiche Entwicklung, Umsetzung
und Qualifizierung des Laserstrahl-Umschmelzens an einkristallin erstarrten
Turbinenschaufeln aus Nickelbasis-Superlegierungen soll zu einer Verlängerung
der Lebensdauer bei größerer Hochtemperaturfestigkeit im Vergleich zu
konventionell geschweißten Turbinenschaufeln führen. Durch eine Erweiterung
des Lebenszyklus jeder einzelnen Turbinenschaufel werden Material- und
Herstellungskosten eingespart.
Zielsetzung und Vorgehensweise
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 3
2 Zielsetzung und Vorgehensweise
2.1 Zielsetzung
Das Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung verfahrenstechnischer Grundlagen für
das Verschließen von Rissen in einkristallin erstarrten Turbinenschaufeln aus der
Nickelbasis-Superlegierung PWA 1483. Mit einem Laserstrahl werden bis zu
1 mm tiefe Risse in der Randschicht der Turbinenschaufel umgeschmolzen.
Dabei soll die einkristallin erstarrte Struktur der Turbinenschaufel rekonstruiert
werden. Die Risse befinden sich in der Plattform, dem Schaufelblatt und dem
Fillet (Übergangsradius zwischen Plattform und Schaufelblatt) sowohl an der
Druckseite als auch an der Saugseite der Turbinenschaufel. In Bild 2 ist eine
Turbinenschaufel aus dem Turbinenbereich einer Industriegasturbine
dargestellt.
Bild 2:
Turbinenschaufel
einer Industrie-
gasturbine
[Quelle: Siemens PG]
Schaufelblatt
Fillet
Plattform
10 cm
Beim Laserstrahl-Umschmelzen von Metallwerkstoffen kommt es aufgrund der
lokal begrenzten Energieeinbringung und der kleinen Wechselwirkungszeiten
zu großen Abkühlgeschwindigkeiten in der Schmelze. Die lokalen
Erstarrungsbedingungen im Schmelzbad können durch die
Verfahrensparameter beim Laserstrahl-Umschmelzen so eingestellt werden,
dass die Schmelze epitaktisch am Grundmaterial anwächst und die Struktur des
Materials gerichtet dendritisch erstarrt. Diese Struktur entspricht der
Zielsetzung und Vorgehensweise
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 4
ursprünglichen Struktur der Turbinenschaufel, so dass nicht nur die gerissenen
Bereiche der Turbinenschaufel verschlossen werden, sondern auch die
einkristalline Struktur der Turbinenschaufel rekonstruiert wird. Durch die
Vorwärmung des Materials wird die Rissneigung beim Laserstrahl-Umschmelzen
an Nickelbasis-Superlegierungen verkleinert, da die thermischen Spannungen,
die beim Laserstrahl-Umschmelzen in das Bauteil eingebracht werden, reduziert
werden. Die Herausforderungen bei der Entwicklung verfahrenstechnischer
Grundlagen liegen in der Erreichung einer maximalen Umschmelztiefe, in der
Rekonstruktion der einkristallin erstarrten Struktur durch Epitaxie und gerichtet
dendritisches Wachstum sowie in der Vermeidung von Rissen.
Der technisch-wissenschaftlicher Ansatz besteht in der engeren Verknüpfung
von experimenteller Verfahrensentwicklung, von Temperaturmessungen an der
Schmelzbadoberfläche und von Wärmeleitungsrechnungen (Modellierungen)
der Erstarrungsbedingungen und des Temperaturfeldes auf Basis der Finite-
Elemente-Methode. Zudem werden die experimentell ermittelten und
modellierten Ergebnisse in bereits in der Literatur vorliegende Ergebnisse
eingeordnet.
Zielsetzung und Vorgehensweise
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 5
2.2 Vorgehensweise
In Bild 3 ist ein Flussdiagramm der den Untersuchungen zu Grunde liegenden
Zielsetzung und Vorgehensweise für die Entwicklung der verfahrenstechnischen
Grundlagen dargestellt.
Bild 3 :
Flussdiagramm der
den Untersuchungen
zu Grunde liegenden
Zielsetzung und
Vorgehensweise für
die Entwicklung
verfahrens-
technischer
Grundlagen
M-P
robe
U-Probe
2. Schritt: Übertragung des Verfahrens auf komplexeGeometrien:
„ M-Probe:
Einfluss Materialdicke
(simulierte
Kühlbohrungen)
„ U-Probe:
Einfluss Materialdicke
(simulierte
Kühlbohrungen)
Einfluss Radius
„ L-Probe:
Einfluss Materialdicke
Einfluss von zwei Radii
1. Schritt: GrundlegendeUntersuchungen an Flachproben:
„ Ermittlung Prozessfenster
„ Strategie zur Überlappbearbeitung
„ Strategie zum Ausschalten der
Laserstrahlung
„ Einfluss der
Materialdicke
„ Verschließen von Rissen
Modellierung Verfahrensentwicklung Temperatur-messung
Analyse
Analyse der
umgeschmolzenen
Randschichten
mittels:
„ Lichtmikroskopie
„ REM
„ EBSD
Hinsichtlich:
„ Umschmelztiefe
„ einkristalline
Struktur
„ Risse
„ Poren
„ Oxidation
Flachpro
be
Wärmeleitungs-
rechnungen:
„ Umschmelztiefe
„ Temperaturgradient
„ Erstarrungs-
geschwindigkeit
„ Abkühlrate
„ Berechnung der
Prozesstemperatur
an der Schmelzbad-
oberfläche
„ Vorgabe einer
Prozesstemperatur
zur Umsetzung einer
Prozessregelung
„ Vorgabe einer
Laserleistung zur
Umsetzung einer
Prozessregelung
L-Probe
„ Vergleichende
Messungen der
Temperatur-
strahlung an der
Schmelzbad-
oberfläche mit drei
verschiedenen
Messsystemen
„ Analyse des
Verschließens der
Risse mit
kamerabasiertem
Messsystem
„ Untersuchungen zur
Umsetzung einer
Temperaturregelung
mit einem
Messsystem
3. Schritt: Übertragung des
Verfahrens auf Turbinenschaufel:„ Übertragung des Verfahrens
auf unterschiedliche
Bereiche der
Turbinenschaufel ohne Risse
Ziel: Entwicklung verfahrenstechnischer Grundlagen für das Verschließen von Rissen in einkristallin erstarrten Turbinenschaufeln
Die Entwicklung verfahrenstechnischer Grundlagen erfolgt in drei Schritten.
Das Verfahren wird an Flachproben entwickelt und über komplexe Proben mit
unterschiedlicher Materialdicke und gekrümmten Oberflächen auf die
unterschiedlichen Bereiche der Turbinenschaufeln übertragen. Die Komplexität
der Bearbeitung nimmt vom ersten (Flachprobe) über den zweiten (L-Probe, M-
Zielsetzung und Vorgehensweise
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 6
Probe, U-Probe) bis zum dritten Schritt (Turbinenschaufel) zu. Alle Proben und
die Turbinenschaufeln sind aus der Nickelbasis-Superlegierung PWA 1483
gefertigt.
zu Schritt 1: Im ersten Schritt werden grundlegende Untersuchungen an Flachproben
durchgeführt. Diese Untersuchungen beinhalten folgende Arbeitsschritte:
Ermittlung geeigneter Verfahrensparameter wie Laserleistung,
Laserstrahldurchmesser, Verfahrgeschwindigkeit und
Vorwärmtemperatur für das Laserstrahl-Umschmelzen: Bestimmung
eines Prozessfensters für eine maximale Umschmelztiefe mit einkristallin
erstarrter Struktur
Einfluss der Lage und Orientierung der Dendriten im Grundmaterial auf
die erstarrte Struktur im Schmelzbad
Bestimmung einer Strategie zur Überlappbearbeitung
Vermeidung von Heißrissen (Erstarrungsrissen) beim Ausschalten der
Laserstrahlung am Ende der Spur
Untersuchungen zur Messung der emittierten Temperaturstrahlung
Einfluss der Materialdicke auf die Umschmelztiefe
Verschließen von 1 mm tiefen Rissen in Flachproben
zu Schritt 2: In dem zweiten Schritt werden die verfahrenstechnischen Grundlagen auf
komplexe Proben mit unterschiedlicher Materialdicke (M-Probe) und
gekrümmten Oberflächen (U-Probe, L-Probe) übertragen. Die geometrischen
Abmessungen der Proben (Wandstärkenänderungen, Radien) sind der
Geometrie der Turbinenschaufel entnommen. Für das Laserstrahl-Umschmelzen
dieser Proben ist die Verwendung einer 4-Achs-Bearbeitung erforderlich.
zu Schritt 3: Das Ziel des dritten Schrittes ist die Übertragung der verfahrenstechnischen
Grundlagen auf das Originalbauteil. Neben der Verwendung einer 4-Achs-
Bearbeitung wird das Verfahren durch den Einsatz einer CAD/CAM/NC-
Datenkette am Originalbauteil umgesetzt. Diese Untersuchungen beinhalten
folgende Arbeitsschritte:
Übertragung des Verfahrens auf die verschiedenen Bereiche der
Turbinenschaufel (Plattform, Schaufelblatt, Übergangsradius) ohne Risse
Das Laserstrahl-Umschmelzen wird in mit einer Schutzgasatmosphäre gefüllten
Prozesskammern durchgeführt, die die Oxidation der Schmelzbadoberfläche
verhindert. Durch Sauerstoffanreicherungen der Schmelze können
fehlorientierte Körner (Mehrkorngefüge) und Risse im umgeschmolzenen
Bereich entstehen. Größere Bereiche mit Mehrkorngefüge sind bei
Zielsetzung und Vorgehensweise
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 7
Einkristallwerkstoffen unbedingt zu vermeiden, weil diese keine
korngrenzenwirksamen Elemente enthalten und deshalb rasches
interkristallines Versagen auftreten würde [4] [5]. Da der verfahrenstechnische
Aufwand und die Kosten für das Befüllen der Prozesskammern mit dem
Schutzgas Argon möglichst gering gehalten werden sollen, werden für die
Verfahrensentwicklung zwei unterschiedlich große Prozesskammern gebaut.
Die ersten Untersuchungen (Schritt 1 - 2) werden in einer kleineren
Prozesskammer 1 an den unterschiedlichen Proben durchgeführt. In der
Prozesskammer 2 können alle relevanten Bereiche der Turbinenschaufel durch
Laserstrahl-Umschmelzen bearbeitet werden. In beiden Prozesskammern
können jeweils die Proben bzw. Turbinenschaufeln in einer
Schutzgasatmosphäre bis auf TV = 1000 °C vorgewärmt werden.
Parallel zur Verfahrensentwicklung werden Grundlagenuntersuchungen zur
Messung der emittierten Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche
durchgeführt. Durch diese Messungen wird untersucht, inwiefern die an der
Schmelzbadoberfläche emittierte Temperaturstrahlung für den Aufbau einer
Temperaturregelung (Regelung der Temperaturstrahlung) verwendet werden
kann. Das Ziel der Temperaturregelung ist die Einhaltung einer nahezu
konstanten Umschmelztiefe von etwa 1 mm. Wärmestaus, aufgrund von
Änderungen der Materialdicke, sollen durch die Temperaturregelung erkannt
und ausgeregelt werden. Für die Messung der Temperaturstrahlung werden
unterschiedliche Messsysteme eingesetzt und miteinander verglichen. Zum
Einsatz kommen zwei Quotientenpyrometer, eine Photodiode (Precitec-System)
und eine CCD-Kamera (CPC-System). Unterstützend und vergleichend zur
experimentellen Verfahrensentwicklung werden Wärmeleitungsrechnungen
(Modellierungen) auf Basis der Finite-Elemente-Methode an den
unterschiedlichen Proben und der Turbinenschaufel durchgeführt. Die
Wärmeleitungsrechnungen sollen den experimentellen Arbeitsaufwand
reduzieren. Berechnet werden verfahrensrelevante Größen wie
Schmelzbadgeometrie, Umschmelztiefe, Abkühlrate, Temperaturgradient und
Erstarrungsgeschwindigkeit auf der Erstarrungsfront. Zudem werden
Berechnungen der Prozesstemperatur an der Schmelzbadoberfläche
durchgeführt und mit den Messungen der drei eingesetzten
Temperaturmesssysteme verglichen.
In allen drei Verfahrensschritten wird nach dem Laserstrahl-Umschmelzen das
Gefüge der umgeschmolzenen Spuren in Quer- und Längsschliffen
metallurgisch auf einkristallin erstarrte Struktur, Umschmelztiefe, Risse und
Poren untersucht. An ausgewählten Proben wird vergleichend zur
metallurgischen Untersuchung der Anteil an einkristallin erstarrter Struktur im
Rasterelektronenmikroskop (REM) durch die EBSD-Messtechnik (Electron
Backscatter Diffraction) gemessen. Die EBSD-Messtechnik wird in Kapitel 5
näher vorgestellt.
Eingesetzte Werkstoffe
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 8
3 Eingesetzte Werkstoffe
3.1 Nickelbasis-Superlegierungen
Als Superlegierungen werden Werkstoffe komplexer Zusammensetzung für
Hochtemperaturanwendungen bezeichnet, dessen Einsatztemperaturen höher
liegen als die martensitischer Stähle (d.h. 650 °C) [6]. Nickelbasis-
Superlegierungen eignen sich aufgrund ihrer großen Festigkeiten und ihrer
korrosiven Eigenschaften für den Einsatz als Leit- und Laufschaufeln in
stationären Industriegasturbinen. Mit der Einführung des
Vakuumfeingussverfahrens wurden die bis dahin eingesetzten
Schmiedelegierungen durch Gusslegierungen ersetzt, die aufgrund ihres
höheren Volumenanteils an härtender ’-Phase (> 48 % [7] [8]) bei größeren
Temperaturen (> 850 °C [9]) eingesetzt werden. Ein höherer Volumenanteil an
’-Phase führt zu einer Verringerung der Kriechneigung1, jedoch auch zu einem
Verlust an Duktilität und zu einer Versprödung des Werkstoffes [10]. Da durch
senkrecht zur Belastungsrichtung liegende Korngrenzen, wie sie bei
konventionell vergossenen oder polykristallinen Turbinenschaufeln auftreten,
ein wesentlicher Anteil der Kriechschädigung hervorgerufen wird, konnte mit
der Entwicklung der gerichtet erstarrten (directionally solidified)
stengelkristallinen Bauteile die Ermüdungs- und Kriechbeständigkeit vergrößert
werden. In Bild 4 ist ein Vergleich der Kriechdehnung der polykristallin,
stengelkristallin und einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierung Mar-
M200 in Abhängigkeit von der Zeit dargestellt.
Bild 4 :
Vergleich der
Kriechdehnung der
polykristallin,
stengelkristallin und
einkristallin
erstarrten
Nickelbasis-
Superlegierung
Mar-M200 in
Abhängigkeit von
der Zeit,
nach [11]
Mar-M200
207 MPa
1255 K
polykristallin
stengelkristallin
einkristallin
Zeit t [h]
Kri
ech
deh
nu
ng
[%]
1008060402000
10
20
30
1 Ausgeschiedene ’-Partikel behindern die Versetzungsbewegung in der -Matrix
Eingesetzte Werkstoffe
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 9
Eine Weiterentwicklung der Gießtechnologie führte zur Herstellung von
einkristallin erstarrten Bauteilen, bei denen aufgrund des vollständigen Fehlens
von Korngrenzen auf korngrenzenverfestigende Legierungselemente, wie z.B.
B, C, Hf und Zr verzichtet werden konnte [12]. Einkristallin erstarrt bedeutet
Ein-Korn-Legierungen mit kohärenten Härtungsphasen, dendritischen
Seigerungen, Resteutektika und Porosität [13] [8]. In Bild 5 ist ein Vergleich von
Turbinenschaufeln mit polykristallin, stengelkristallin und einkristallin erstarrtem
Gefüge schematisch dargestellt.
Bild 5 :
Vergleich von
Turbinenschaufeln
mit polykristallin,
stengelkristallin und
einkristallin
erstarrtem Gefüge
(schematische
Darstellung) [14]
polykristallinpolykristallin stengelkristallinstengelkristallin einkristallineinkristallin
30 mm
Die maximale Einsatztemperatur modernster einkristallin erstarrter Nickelbasis-
Superlegierungen an der Oberfläche der Turbinenschaufeln liegt derzeit bei
ungefähr 1000 °C. Um durch Steigerung der Turbineneintrittstemperatur eine
weitere Wirkungsgraderhöhung von Flugtriebwerken und stationären
Industriegasturbinen zu erreichen, werden daher durch Luft innengekühlte
Schaufeln mit Wärmedämmschichtsystemen aus Y2O3- stabilisiertem ZrO2
eingesetzt, die Oberflächentemperaturen über 1200 °C erlauben. In
Verbindung mit einer Filmkühlung der Schaufeloberfläche sind derzeit
Turbineneintrittstemperaturen über 1400 °C erreichbar [15] [16] [1]. In Bild 6
wird schematisch der Temperaturverlauf einer Turbinenschaufel mit
Wärmedämmschicht dargestellt. Die typische Turbinenschaufel mit keramischer
Wärmedämmschicht baut sich aus einem metallischen Substrat, einer
Haftvermittlerschicht und einer keramischen Schicht auf. Die metallische
Haftvermittlerschicht (Bondcoat) dient der Kompensation der unterschiedlichen
mechanischen Eigenschaften des Substrats und des Beschichtungswerkstoffs.
Eingesetzte Werkstoffe
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 10
Als Bond Coatings werden in der Regel sog. MCrAlY-Schichten (M steht für Ni,
Co oder beides) verwendet.
Bild 6 :
Schematische
Darstellung:
Typischer
Temperaturverlauf
im Grundwerkstoff
und Wärmedämm-
schichtsystem,
nach [12]
1350 °C
950 °C
550 °C
Te
mp
era
tur
Grundwerkstoff
Innenseite
Außenseite
Wärmedämmschicht
Haftvermittlerschicht
Metalltemperatur
He
ißg
as
Kü
hlm
ed
ium
Diese bilden schützende Aluminiumoxidschichten an der Grenzfläche
Haftvermittlerschicht/keramische Wärmedämmschicht aus. Das grundlegende
Konzept der Oxidationsschicht ist die Bildung einer temperaturgeständigen,
dichten Oxidschicht, die eine Sauerstoffdiffusion und damit die Oxidation des
Substratsmaterials verhindert [16].
3.1.1 Aufbau und Struktur
Nickel kristallisiert in einer bis zum Schmelzpunkt stabilen kubisch
flächenzentrierten Gitterstruktur ( -Phase). Bei den Nickelbasis-
Superlegierungen handelt es sich um zweiphasige Legierungen, die aus den
beiden Phasen und ’ bestehen. Die -Phase ist eine mischkristallgehärtete,
kubisch flächenzentrierte Phase, deren Hauptbestandteil Nickel ist [16]. Die -
Phase kann durch Elemente wie Kobalt, Eisen, Chrom, Niob, Tantal und
Wolfram gehärtet werden. Für die große Warmfestigkeit der Nickelbasis-
Superlegierungen ist die ’-Phase verantwortlich, die eine inverse Abhängigkeit
der Fließspannung von der Temperatur bis ca. 800 °C zeigt (siehe Bild 11). In
der ’-Phase, die im binären Fall aus 75 Atomprozent Nickel und 25
Atomprozent Aluminium besteht, kann in Nickelbasis-Superlegierungen das
Element Nickel durch Kobalt und Aluminium durch Titan, Tantal, Niob,
Molybdän und Wolfram ersetzt werden [17] [4]. Die ’-Phase weist ebenfalls ein
kubisch flächenzentriertes Gitter mit einer L12-Überstruktur auf, d. h. die Ni-
Atome besetzen die Flächenmitten und die Al-Atome die Ecken einer kubisch
flächenzentrierten Elementarzelle [13]. Die Phasengrenzfläche zur -Phase ist
aufgrund der geringen Fehlpassung kohärent (nahezu gleicher Gitterparameter
a ~a ’) [18]. In Bild 7 ist die Mikrostruktur ( / ’-Gefüge) einer vollständig
wärmebehandelten einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierung
Eingesetzte Werkstoffe
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 11
dargestellt. Die härtende ´-Phase ist kubisch ausgeschieden und in der hier hell
erscheinenden -Matrix eingebettet [17].
Bild 7 :
/ ´-Mikrostruktur
einer vollständig
wärmebehandelten
einkristallin
erstarrten
Nickelbasis-
Superlegierung [17]
’
Bei der Herstellung von einkristallinen erstarrten Turbinenschaufeln werden
beim Gießen die Abkühlbedingungen der Schmelze aus wirtschaftlichen und
technischen Gründen so gewählt, dass die Struktur gerichtet dendritisch
erstarrt [13].
In Bild 8 ist die Makrostruktur der einkristallin erstarrten Nickelbasis-
Superlegierung PWA 1483 dargestellt. Gekennzeichnet sind die primären
Dendritenstämme in [001] Richtung mit den in den Richtungen [100] und [010]
orientierten sekundären Dendritenarmen.
Bild 8 .
links: PWA 1483:
Makrostruktur mit
dendritisch
erstarrtem Gefüge
und Poren in den
interdendritischen
Bereichen
rechts:
Schemazeichnung
eines Dendriten mit
primären
Dendritenstamm
und sekundären
Dendritenarmen
[17]
[001][100]
[010]
primärer
Dendritenstamm
sekundärer
Dendritenarm
interdendritische Bereiche
mit Poren, Eutektikum
[001]
[100]
primärer
Dendritenstamm
sekundärer
dendritischer
Arm
Eingesetzte Werkstoffe
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 12
In dieser Arbeit werden für die Entwicklung verfahrenstechnischer Grundlagen
Turbinenschaufeln und Proben aus der einkristallin erstarrten Superlegierung
PWA1483 verwendet. Diese von Pratt & Whitney Aircraft entwickelte
Gusslegierung der ersten Generation scheidet im wärmebehandelten Zustand
einen Volumenanteil an ’-Phase von ca. 55 % aus [19]. Die Legierung wurde
speziell für große Turbinenschaufeln in stationären Industriegasturbinen sowie
für Schiffsturbinen entwickelt und weist einen großen Chrom-Anteil auf, der
eine große Beständigkeit gegen Heißgaskorrosion sicherstellt. Eingesetzt wird
diese Legierung unter anderem in Schaufeln der ersten und der zweiten
Laufreihe der Turbinensektion einer von der Firma Siemens Power Generation
produzierten Industriegasturbine [17]. In Tabelle 1 ist die chemische
Zusammensetzung der einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierung
PWA 1483 dargestellt.
Ni Cr Co Mo W Ta Al Ti
60,9 12,8 9 1,9 3,8 4 3,6 4
Tabelle 1 : Chemische Zusammensetzung der Nickelbasis-Superlegierung PWA 1483 in (Gew.-%) [19]
3.1.2 Wärmebehandlung
Im Abschluss an den gießtechnischen Herstellungsprozess wird generell eine
Wärmebehandlung an den einkristallin erstarrten Turbinenschaufeln
durchgeführt, um geeignete Werkstoffeigenschaften hinsichtlich der
mechanischen Eigenschaften einzustellen [20]. Durch die Elemente Titan,
Aluminium und Niob wird eine Ausscheidungshärtung erzielt. Die genannten
Elemente sind in diesen Legierungen nur in begrenztem Umfang löslich. Durch
die Wärmebehandlung wird ein großer Volumenanteil an ’-Phase mit
geeigneter Größe, Form und Anordnung ausgeschieden. Bei Belastung des
Bauteils erfolgen die Versetzungsbewegungen in der Matrix entweder durch
Schneiden oder Umgehung der ausgeschiedenen ’-Phase [21].
3.1.3 Schweißeignung
In der Literatur gibt es verschiedene Theorien zur Schweißeignung von
Nickelbasis-Superlegierungen und zur Entstehung von Heißrissen, von denen
die wichtigsten vorgestellt werden. Für die Heißrissbildung beim Schweißen gilt
es als empirisch erwiesen, dass bestimmte Werkstoffgruppen, zu denen die
Nickelbasis-Superlegierungen gehören, in der Regel eine ausgeprägte Neigung
zur Bildung von Heißrissen (Erstarrungsrisse, Wiederaufschmelzrisse, Ductility
Dip Cracks) aufweisen [22]. Zudem neigen Werkstoffe mit einem großen
Erstarrungsintervall T zwischen Liquidus- und Solidustemperatur zu Heißrissen
[23]. Heißrisse bilden sich während der Erstarrung in der sogenannten „mushy
zone“ (engl. für „breiige Zone“). Die „mushy zone“ ist das Zweiphasengebiet
zwischen vollkommen fest und vollkommen flüssig, in der sich bei der
Erstarrung alle Strukturen und alle Defekte formen [21]. Die Ursache für die
Eingesetzte Werkstoffe
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 13
Heißrisse sind sich bildende Mikroseigerungen (mikroskopische Entmischungen
der Schmelze), die infolge von Erstarrungs- und Umwandlungsvorgängen im
Temperaturbereich der Solidustemperatur entstehen. Die Mikroseigerungen
führen zu Restschmelzfilmen zwischen den Dendriten. Die Restschmelzfilme
können keine auftretenden Schrumpfbeanspruchungen während der
Abkühlung übertragen und sind die Ursache der Risse. Nach dem (RDG)-
Heißrisskriterium [25] bilden sich Erstarrungsrisse, wenn aufgrund eines
unzureichenden Nachflusses von Schmelze in die interdendritischen Räume der
Kavitationsdruck der Schmelze unterschritten wird. Das Verdampfen der
Schmelze führt zum Druckausgleich und ein stabiles Hohlraum bzw.
Risswachstum setzt ein [25]. Zudem kann der Schweißprozess selbst zum
Generieren von Rissen im geschweißten Bereich während nachfolgender
Wärmenachbehandlungen führen. Dabei werden Risse (engl.: strain age
cracking) charakteristischerweise in der ersten Wärmebehandlung nach dem
Schweißen durch / ’-Ausscheidungsvorgänge in der Wärmeeinflusszone und
im Schweißgut erzeugt (Bild 9). Eine Wärmenachbehandlung wird zum
Beseitigen der (Schweiß-) Eigenspannungen (etwa 100 °C über der
Betriebstemperatur) und zum Erzielen der maximalen Festigkeitseigenschaften
angewendet. Während des Lösungsglühens (TLös = 925 °C bis etwa 1150 °C)
durchlaufen die beim Schweißen während der Aufheizphase
„lösungsgeglühten“ (d.h. weitgehend ausscheidungsfreien Bereiche) die
Auslagerungstemperatur, die etwa zwischen 650 °C und 980 °C liegt [26].
Bild 9 :
Schematische
Darstellung der
Vorgänge bei der
Wärmenach-
behandlung
ausscheidungs-
härtender
Nickelbasis-
Superlegierungen,
nach [26]
Die Ursache der Risse sind lokale Spannungen, die während des Ausscheidens
der ’-Phase infolge der Kontraktion der umliegenden Matrix entstehen [22].
Die Gitterkonstante der ’-Phase ist bei Raumtemperatur im Allgemeinen
kleiner als die der -Matrix. Durch die geringere Dichte der ’-Phase werden
Eingesetzte Werkstoffe
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 14
deshalb bei der Ausscheidung und nachfolgenden Abkühlung
Zugeigenspannungen generiert, die eine Rissbildung initiieren können [24] [27].
Die Empfindlichkeit für diese Risse nimmt mit zunehmendem Anteil an ’-
bildenden Legierungsbestandteilen wie Titan und Aluminium zu, da dadurch
auch der Anteil an ’-Phase im Gefüge zunimmt [28].
Die generelle Schweißeignung von Nickelbasis-Superlegierungen wird in der
Literatur oft in Abhängigkeit von den Massenanteilen der Elemente Titan und
Aluminium dargestellt. Prinzipiell gilt, dass je höher der Volumenanteil an ’-
Phase ist, desto schwieriger sind diese Legierungen zu schweißen [30]. In Bild
10 ist ein solches Diagramm zur Bewertung der Schweißbarkeit
unterschiedlicher Nickelbasis-Superlegierungen dargestellt. Überschreiten die
Anteile von Titan und Aluminium einen kritischen Wert (siehe gestrichelte Linie
in Bild 10), wird die Legierung als nicht schweißbar angesehen [28].
Bild 10 :
Diagramm zur
Bewertung der
Schweißbarkeit
unterschiedlicher
Nickelbasis-
Superlegierungen
[28] [29]
CMSX-4 In 100
Astroloy
Udimet 500
IN 939
IN713C
B-1900
Mar-M-200
AF2-1DA
Udimet 700
In 738
René 41
Inconel 909
Waspaloy
Inconel 718
PWA 1483
Inconel XC263
Inconel X-750
René 62
Unitemp 1753
Udimet 600
René 220C
0
1
2
3
4
5
6
7
0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6
Titan [Mass %]
Alu
min
ium
[M
ass
%]
schweißbarschwer schweißbar
Ein Nachteil dieser Diagramme ist, dass Kriterien wie die Wärmebehandlung vor
und nach dem Schweißen, das Schweißverfahren, die Körngröße (polykristallin,
stengelkristallin, einkristallin erstarrt), das Erstarrungsintervall sowie die
Körngrößenverteilung im Grundmaterial und im geschweißten Bereich nicht
berücksichtigt werden [28].
Eine Möglichkeit zum Schweißen der Nickelbasis-Superlegierungen ist die
Zugabe von duktilen Schweißzusatzstoffen ohne ’-Phase (z.B. Inconel 718).
Allerdings weisen diese duktilen Schweißzusatzstoffe im Vergleich zu den
Nickelbasis-Superlegierungen mit ’-Phase eine kleinere
Hochtemperaturfestigkeit auf. Eine weitere Möglichkeit zur Vermeidung von
Rissen beim Schweißen von Nickelbasis-Superlegierungen ist die Verringerung
des Temperaturunterschiedes und damit des Spannungsgradienten zwischen
Schweißstelle und dem Rest des Bauteils [31]. Nickelbasis-Superlegierungen
weisen allgemein eine kleine Temperaturleitfähigkeit und einen relativ hohen
Eingesetzte Werkstoffe
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 15
thermischen Ausdehnungskoeffizient auf. Die eingebrachte Schweißwärme
wird vergleichsweise langsam abgeführt, was zu einer inhomogenen
Erwärmung und zu großen thermischen Spannungen führt. Durch eine
Vorwärmung des Bauteils während des Schweißens werden die thermischen
Spannungen und mithin die verbleibenden Schweißeigenspannungen
verkleinert [32]. Für das Schweißen von Nickelbasis-Superlegierungen mit einem
hohen ’-Phasenanteil haben sich nur bestimmte Temperaturbereiche an
Vorwärmtemperaturen als geeignet erwiesen (Bild 11).
Bild 11 :
Abhängigkeit der
Fließspannung von
der Temperatur bei
Nickel Mischkristall
und ’-Phase (Ni3Al),
nach [33] [16]
0 200 400 600 800 1000
Temperatur T [°C]
70 %
100 %
0 %
Flie
ßsp
ann
un
g
[MPa
]
Nickel Mischkristall
Superlegierung gegossen
0
100
200
300
400
500
Superlegierung wärmebehandelt
’
Bereich für Vorwärmungnicht geeignet !
Die Schweißspannungen werden durch eine Versetzungsplastizität in der -
Matrix abgebaut. Ist dieses Potential erschöpft, finden weitere plastische
Verformungen über ein Schneiden der ’‟Partikel statt. Die Fließspannung der
’-Phase ist temperaturabhängig und zeigt bei etwa 800 °C ein Maximum, d.h.
mit zunehmender Vorwärmtemperatur bis 800 °C wird das Potential einer
plastischen Verformung und damit Spannungsreduzierung über die ’‟Phase
zunehmend reduziert und damit die Gefahr für eine Rissbildung erhöht.
Physikalische Grundlagen
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 16
4 Physikalische Grundlagen
4.1 Morphologie der Erstarrungsfront
Bei der Erstarrung von Legierungen wird die Morphologie der Erstarrungsfront
bestimmt durch den Temperaturgradienten G und die
Erstarrungsgeschwindigkeit der Phasenfront v [34]. Die Morphologie der
Erstarrungsfront kann in vier unterschiedlichen Formen auftreten (Bild 12):
Planar, gerichtetet zellular, gerichtet dendritisch (engl.: columnar dendritic) und
globulitisch (engl.: equiaxed).
Bild 12 :
Schematische
Darstellung der
Abhängigkeit der
Erstarrungs-
morphologie von
den Parametern
Erstarrungs-
geschwindigkeit v
und Temperatur-
gradient G [34] [18]
[35]
0,0001
0,001
0,01
0,1
1
10
100
0 1 10 100 1000
Gradient G [K/mm]
Ers
tarr
ungsf
rontg
esc
hw
indig
keit v
[m
m/s
]
0,0001
0,001
0,01
0,1
1
10
100
planar
gerichtet z
ellular
gerichtet d
endritisc
h
globulitisch
G/v = k
onst.
G · v = konst.
CET
Temperaturgradient G [K/mm]
Ers
tarr
ungsg
esc
hw
indig
keit
v [m
m/s
] Laserstrahl-Umschmelzen
Dem Übergang von gerichtet dendritischer zu globulitischer Erstarrung (engl.:
Columnar to Equiaxed Transition - CET) kommt bei der gießtechnischen
Herstellung von Turbinenschaufeln eine besondere Bedeutung zu. Aus Gründen
der Produktivität wird beim Gießen von einkristallin erstarrten
Physikalische Grundlagen
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 17
Turbinenschaufeln mit der größtmöglichen Erstarrungsgeschwindigkeit v
gearbeitet, d.h. die Gießbedingungen werden so nah wie möglich am CET-
Übergang gewählt. Solange die Wärme über den Festkörper abfließt erstarrt
die Struktur gerichtet dendritisch. Wird die Wärme über die Schmelze
abgeführt, erfolgt eine globolutische Erstarrung [34] [17]. In Bild 12 ist
schematisch die Abhängigkeit der Erstarrungsmorphologie von den Parametern
Erstarrungsgeschwindigkeit v und Temperaturgradient G dargestellt. Beim
Laserstrahl-Umschmelzen ergeben sich aufgrund der Erstarrungsbedingungen
im Schmelzbad Erstarrungsgeschwindigkeiten zwischen v = 10-3 - 10-1 m/s und
Temperaturgradienten zwischen G = 105 ‟ 107 K/m [30]. Für die
Charakterisierung der Erstarrungsbedingungen wird häufig die
Abkühlgeschwindigkeit verwendet, welche sich als Produkt der
Erstarrungsgeschwindigkeit und des Temperaturgradienten berechnen lässt:
4.1 vGt
T [18]
Mit steigender Abkühlgeschwindigkeit G·v wird jeweils feineres Gefüge
ausgebildet [18]. Wird das Verhältnis G/v vergrößert, so ändert sich die
Morphologie der Erstarrungsfront d.h. die Erscheinungsform der festen Phase.
Aufgrund der Erstarrungsbedingungen beim Laserstrahl-Umschmelzen erstarrt
die Struktur gerichtet dendritisch oder globulitisch. Die Struktur besteht aus
einem primären Dendritenstamm und sekundären Dendritenarmen, die
senkrecht zum Dendritenstamm wachsen. Der Abstand zwischen den primären
Dendritenstämmen im erstarrten Bereich beträgt beim Laserstrahl-
Umschmelzen etwa 1 = 20 µm - 40 µm, bei der gießtechnischen Herstellung
der Turbinenschaufeln etwa 1 = 0,3 mm - 0,5 mm. Der Abstand von den
primären Dendritenstämmen 1 lässt sich nach Kurz [34] durch folgende Formel
näherungsweise berechnen,
4.2 4
1
2
1
11 VGK [34]
wobei K1 eine Konstante und materialabhängig ist.
4.3 4
1
4
1
01
k
)DT(3,4K [34]
1: Primärer Dendritenarmabstand oder Dendritenstammabstand
G: Temperaturgradient über der Erstarrungsfront
v: Erstarrungsgeschwindigkeit
ΔT0: Breite Erstarrungsintervall
D: Diffusionskoeffizient in der Schmelze
k: Verteilungskoeffizient
Γ: Gibbs-Thompson Koeffizient
Physikalische Grundlagen
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 18
4.2 Verfahrensprinzip Laserstrahl-Umschmelzen
Das wesentliche Merkmal beim Laserstrahl-Umschmelzen ist das kontinuierliche
Aufschmelzen und die nachfolgende Erstarrung eines begrenzten
Werkstoffvolumens. Das Laserstrahl-Umschmelzen zeichnet sich insbesondere
durch große Abkühlgeschwindigkeiten (siehe Bild 12) aus. Mit anderen
Wärmequellen wie Plasma, Lichtbogen oder Flamme können diese nicht
erreicht werden. Vergleichbar ist das Laserstrahl-Umschmelzen nur mit dem
Elektronenstrahlschmelzen. Hierbei muss der Prozess aber im Vakuum erfolgen,
dadurch ist ein größerer apparativer Aufwand erforderlich [36].
Da beim Laserstrahl-Umschmelzen die Schmelze von dem bereits erstarrten
Werkstoff bzw. dem Grundwerkstoff räumlich eng begrenzt wird und in der
Regel durch eine ausgeprägte Überhitzung kaum Kristallisationskeime aufweist,
werden die Erstarrungsprozesse beim Laserstrahl-Umschmelzen vornehmlich
durch eine vom Schmelzbadrand her begünstigte Keimbildung eingeleitet. Die
Kristalle (Dendriten) im Schmelzbad wachsen epitaktisch an den Kristallen
(Dendriten) des Grundwerkstoffs, d. h. sie übernehmen im Randbereich die
Orientierung des Grundwerkstoffs. In Bild 13 ist schematisch das Schmelzbad
beim Laserstrahl-Umschmelzen in einem einkristallin erstarrten Grundmaterial
aus einer Nickelbasis-Superlegierung mit den zu Grunde liegenden
physikalischen Größen dargestellt. Aufgrund der großen
Abkühlgeschwindigkeit bildet sich beim Laserstrahl-Umschmelzen an
einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierungen ein feineres, gerichtet
dendritisches Gefüge aus. Der Abstand zwischen den primären
Dendritenstämmen 1 ist im umgeschmolzenen Bereich kleiner als im
gießtechnisch hergestellten Grundmaterial. Mathematisch formuliert heißt das,
dass sich diejenige Wachstumsrichtung lokal durchsetzt, die den geringsten
Neigungswinkel zum Temperaturgradienten d.h. der Flächennormalen der
Erstarrungsfront aufweist.
Bild 13 :
Schemazeichnung
für das Laserstrahl-
Umschmelzen an
einer einkristallin
erstarrten
Nickelbasis-
Superlegierung,
nach [30]
T* Dendritenspitzentemperatur
TL Liquidustemperatur
DT Erstarrungsbereich
G Temperaturgradient
vs Erstarrungsgeschwindikeit
v Verfahrgeschwindigkeit der Laserstrahlung
[001]
[100]
v001
v100
[001]
[100]
TLT*DT
vs
v
G
Laserstrahlung
1
1
Schmelzbad
Struktur im erstarrten Bereich
Struktur im Grundmaterial
Physikalische Grundlagen
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 19
In Bild 14 ist ein Teil eines Längsschliffs einer mit Laserstrahlung
umgeschmolzenen Spur in einer Nickelbasis-Superlegierung dargestellt. Die
Erstarrungsfront ist schematisch im umgeschmolzenen Bereich eingezeichnet.
Sobald eine erste dendritische Erstarrung der Schmelze im fest-flüssigen
Übergangsbereich (mushy zone) einsetzt, übernimmt die erstarrende Struktur
die Orientierung der Kristallstruktur vom Grundmaterial, d.h. die Struktur
wächst epitaktisch an den teilweise angeschmolzenen Dendriten im
Grundmaterial an. Für die Erstarrung von kubisch raumzentrierten (krz) bzw.
kubisch flächenzentrierten (kfz) Mischkristallen stellen die [100] Richtungen die
bevorzugten Wachstumsrichtungen (engl.: easy growth directions) dar, so dass
für diese Legierungen für den Fall einer freien Erstarrung insgesamt sechs
verschiedene, kristallographisch bevorzugte Wachstumsrichtungen auftreten
können. Zu Beginn der Erstarrung ist am Grund des Schmelzbades die
Erstarrungsgeschwindigkeit minimal. Daraus ergibt sich, dass zu Beginn der
Erstarrung die Struktur planar erstarrt [37]. Während der Erstarrung nimmt der
Temperaturgradient kontinuierlich zu bis zum Ende der Erstarrung an der
Oberkante des Schmelzbades.
Bild 14 :
Längsschliff einer
umgeschmolzenen
Spur aus PWA 1483,
schematische
Darstellung der
Erstarrungsfront
v
1
1
vs 2
1
Erstarrungsfront
planare Morphologie
gerichtet dendritische
Morphologie
[001]
[100]
Die Erstarrungsbedingungen entlang der Erstarrungsfront ändern sich, so dass
die Struktur mit unterschiedlichen Wachstumsrichtungen in Abhängigkeit der
kristallographischen Orientierung der Struktur im Grundmaterial gerichtet
dendritisch erstarrt. Die Wachstumsrichtung, die am nächsten zum lokalen
Temperaturgradienten im Schmelzbad liegt, ist die bevorzugte
Wachstumsrichtung ( 1 < 2) [38] [22]. Die Bedingungen für dieses gerichtete
Wachstum sind am günstigsten, wenn eine der bevorzugten
Wachstumsrichtung mit dem Temperaturgradienten zusammenfällt. In dem
Längsschliff im Bild 14 haben sich aufgrund der lokalen
Erstarrungsbedingungen im Schmelzbad zwei Bereiche mit unterschiedlich
orientierten Dendriten ([001], [100]) gebildet. Die einkristalline Struktur des
Materials bleibt erhalten, wenn eine der sechs möglichen [100] Richtungen
Physikalische Grundlagen
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 20
aktiv ist und keine fehlorientierten Körner (Mehrkorngefüge) gebildet
werden [39].
Basierend auf der Geometrie des Schmelzbades und der Orientierung der
Dendriten im Grundmaterial bilden sich Bereiche mit unterschiedlich
orientierten Dendriten aus. Für eine Einkristallerhaltung müssen die Dendriten
entlang einer ihrer Wachstumsrichtungen [100] erstarren. Um die gerade aktive
[100] Wachstumsrichtung an einem Ort im Schmelzbad rechnerisch zu
bestimmen, wird in der Literatur ein geometrisch einfaches Berechnungsmodell
verwendet [40]. In Bild 15 ist schematisch eine dreidimensionale Darstellung
eines Schmelzbades für das Laserstrahl-Umschmelzen dargestellt. Für eine
definierte Verfahrrichtung der Laserstrahlung und einer bekannten Lage und
Orientierung der primären Dendritenstämme lassen sich die Bereiche mit
unterschiedlicher Wachstumsrichtung der Dendriten berechnen [40]. Die
Laserstrahlung wird in diesem Modell mit der Verfahrgeschwindigkeit v
in
positive x-Richtung verfahren.
Bild 15 :
Schematische
Darstellung des
Schmelzbades der
geometrischen
Orientierung
zwischen
Oberflächen-
normalenvektor und
Wachstumsrichtung
der Dendriten [40]
v
primärer Dendritenstamm
z
y
x
v[hkl]
Schmelzbad
aktive Wachstumsrichtung
vn
vn
90°-
An jeder Stelle der Erstarrungsfront lässt sich die Normalengeschwindigkeit der
Schmelzisothermen eines Flächenelementes berechnen:
4.4 cosvnvv 1n
[40]
nv
ist der Geschwindigkeitsvektor in Richtung des Normalenvektors n
. Der
Normalenvektor n
wird in Termen der beiden Winkel und definiert (siehe
Bild 15). Ein weiterer Winkel ist definiert zwischen dem Normalenvektor n
und der Dendritenwachstumsgeschwindigkeit ]hkl[v
. Dann gilt:
Physikalische Grundlagen
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 21
4.5 cosvnvv ]hkl[]hkl[2n
[40]
Im stationären Fall muss gelten:
4.6 2n1n vv
und damit:
4.7 cos
cosvv ]hkl[
[40]
Aus dieser geometrischen Beziehung lassen sich die Bereiche mit
unterschiedlicher Orientierung der Dendriten im Schmelzbad berechnen, wenn
folgende Punkte bekannt sind:
Form des Schmelzbades
Erstarrungsbedingungen im Schmelzbad (G, v)
Orientierung der Dendriten im Grundmaterial
Das anisotrope Wachstumsverhalten der Dendriten muss bei der Entwicklung
der verfahrenstechnischen Grundlagen an einkristallin erstarrten Bauteilen aus
Nickelbasis-Superlegierungen berücksichtigt werden, da beim Laserstrahl-
Umschmelzen an den verschiedenen Bereichen der Turbinenschaufeln
(Plattform, Schaufelblatt, Fillet) die Orientierung der Dendriten im
Grundmaterial bezogen auf die Verfahrrichtung der Laserstrahlung variiert.
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 22
5 Stand der Technik
5.1 Modelle zum CET-Übergang „Columnar to Equiaxed Transition“
Beim Laserstrahl-Umschmelzen von einkristallin erstarrten Nickelbasis-
Superlegierungen können während der Erstarrung Fehler im Gefüge auftreten
wie z.B. einzelne fehlorientierte Dendriten und fehlorientierte Körner (engl.
stray grains). Diese Fehler im Gefüge können zu einer Rissbildung während des
Laserstrahl-Umschmelzens oder während einer späteren mechanisch-
thermischen Belastung führen. Bei der gießtechnischen Herstellung von
Nickelbasis-Superlegierungen erstarrt in den Bereichen zwischen den Dendriten
(interdendritischen Bereichen) das Eutektikum. Zudem bilden sich in diesen
Bereichen Poren (siehe Bild 8). Im Vergleich zu den primären
Dendritenstämmen und den sekundären Dendritenarmen können die Bereiche
mit Eutektikum abweichend kristallographisch orientiert sein. Dadurch werden
beim Laserstrahl-Umschmelzen bei der Erstarrung lokal unterschiedliche
Wachstumsrichtungen vorgegeben. Das bedeutet, dass sich in den Bereichen
mit Eutektikum während der Erstarrung fehlorientierte Dendriten bilden
können. In Bild 16 ist ein Teil eines Längsschliffs einer umgeschmolzenen Spur
aus PWA 1483 dargestellt. Ein einzelner fehlorientierte Dendrit ist
gekennzeichnet, der aus dem Eutektikum im Grundmaterial heraus in den
umgeschmolzenen Bereich gewachsen ist.
Bild 16 :
Teil eines
Längsschliffs einer
umgeschmolzenen
Spur aus PWA 1483
[001]
[100]
fehlorientierter
Dendrit
Neben der Bildung von einzelnen fehlorientierten Dendriten sind Nickelbasis-
Superlegierungen anfällig für die Bildung von fehlorientierten Körnern. Beim
Laserstrahl-Umschmelzen können sich einzelne fehlorientierte Körner während
der Erstarrung bilden und zur Rissbildung führen. In Bild 17 ist ein Teil eines
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 23
Querschliffs einer umgeschmolzenen Spur aus PWA 1483 dargestellt. Während
der Erstarrung haben sich ein Korn und ein Riss gebildet.
Bild 17 :
Teil eines
Querschliffs einer
umgeschmolzenen
Spur aus PWA 1483
[001]
[010][100]
Riss
fehlorientiertes Korn
Die Bildung von einzelnen oder mehreren fehlorientierten Körnern muss
während der Erstarrung vermieden werden, damit sich kein Mehrkorngefüge
ausbildet und die einkristalline Struktur erhalten bleibt. Die Bildung von
fehlorientierten Körnern die zum Abbruch der gerichtet dendritischen
Erstarrung führt, wird in der Literatur als CET-Übergang bezeichnet. Zahlreiche
experimentelle und theoretische Arbeiten werden u.a. in [30] [41] [42] [34] [43]
vorgestellt, um den CET-Übergang oder ein gerichtet dendritisches Wachstum
bei der gießtechnischen Herstellung oder beim Laserstrahl-Umschmelzen von
einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierungen vorherzusagen. In Bild 18
ist das Ergebnis einer Modellrechnung eines CET-Übergangs bei der
gießtechnischen Herstellung von einkristallin erstarrten Nickelbasis-
Superlegierungen dargestellt. Die Erstarrungsbedingungen werden so
eingestellt, dass die Dendriten parallel entlang einer gerichtet dendritischen
Erstarrungsfront in die Schmelze hinein wachsen. Bilden sich vor der
Erstarrungsfront globulitsiche Körner, so können diese Körner das Wachstum
der gerichtet dendritischen Erstarrungsfront vollständig blockieren und zu
einem CET-Übergang führen. Dies bedeutet, dass im weiteren Verlauf der
Erstarrung das Gefüge polykristallin erstarrt.
Bild 18 :
Ergebnis einer
Modellrechnung
eines CET-
Übergangs, Ablauf
schematisch
dargestellt,
nach [44]
kolumnare Erstarrungsfront
Bildung von globulitischen
Körnern
Abbruch des kolumnaren
Wachstums CETSchmelze
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 24
In der Literatur werden zwei Modelle für das Wachsen von fehlorientierten
Körnern vor der gerichtet dendritischen Erstarrungsfront beschrieben, die zu
einem CET-Übergang führen können. Diese beiden Modelle der
Dendritenfragmentierung (engl. Dendrite Fragmentation) und der
Konstitutionellen Unterkühlung (engl. Constitutional Supercooling) werden
kurz vorgestellt. In [41] ist beschrieben, dass keines dieser Modelle vollständig
kompatibel ist mit allen Beobachtungen beim Laserstrahl-Umschmelzen an
einkristallin erstarrten Superlegierungen. Die konstitutionelle Unterkühlung
beschreibt eine theoretische Erklärung für fehlorientierte Körner, die
Dendritenfragmentierung beschreibt einen möglichen Mechanismus für das
Entstehen von Keimen vor der Erstarrungsfront [41].
1. Dendritenfragmentierung (Dendrite Fragmentation)
In [42] wird eine Untersuchung zur gießtechnischen Herstellung von einkristallin
erstarrten Nickelbasis-Superlegierungen durchgeführt, um den Mechanismus
für die Keimbildung und das Wachstum von fehlorientierten Körnern zu
bestimmen. In den insgesamt 35 durchgeführten Experimenten wird der
Einfluss der Parameter Temperaturgradient und Erstarrungsgeschwindigkeit auf
die erstarrte Struktur untersucht. Als ein Ergebnis dieser Untersuchung wird
beschrieben, dass Strömungen im Schmelzbad zum Abbrechen von in der
Schmelze wachsenden Dendritenarmen führen. Die Dendritenarme werden
durch die Strömung vor die gerichtet dendritische Erstarrungsfront befördert.
Dort dienen die Dendritenarme als Keime für sich bildende fehlorientierte
Körner, die das Wachstum der dendritischen Erstarrungsfront vollständig
blockieren können und dadurch zu einem CET-Übergang führen. In den
Untersuchungen wird dargestellt, dass die Bildung von fehlorientierten Körnern
mit dem primären Dendritenabstand korreliert. Der Dendritenarmabstand ist
nach Formel 4.2 von der Erstarrungsgeschwindigkeit, dem
Temperaturgradienten und einer Konstanten abhängig. In Bild 19 ist die Anzahl
der Körner, die in den ausgewerteten Querschliffen gemessen werden über den
primären Dendritenarmabstand für jedes durchgeführte Experiment in einem
Diagramm dargestellt [42].
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 25
Bild 19 :
Anzahl der Körner
über den primären
Dendritenarm-
abstand für alle
durchgeführten
Versuche [42]
Ab einem kritischen Dendritenabstand größer als 1 = 280 µm nimmt die
Anzahl sich bildender, fehlorientierten Körner zu. Insgesamt lassen sich drei
Bereiche (I-III) mit einkristallin erstarrter Struktur, isolierten fehlorientierten
(globulitischen) Körnern und fehlorientierten Körnern bestimmen. Beim
Laserstrahl-Umschmelzen ergeben sich aufgrund der Erstarrungsbedingungen
(Temperaturgradient, Erstarrungsgeschwindigkeit, siehe Bild 12) im Schmelzbad
Abstände der primären Dendritenstämme von etwa 1 = 20 µm - 40 µm. Dieser
geringe Abstand der Dendritenstämme verhindert eine größere Eindringtiefe
der Schmelzbadströmung in den interdendritischen Bereich und macht ein
Ausspülen von fragmentierten Dendritenarmen aus diesen Bereich hinaus vor
die Erstarrungsfront unwahrscheinlich. Deswegen scheint das Modell der
Dendritenfragmentierung zur Beschreibung der Erstarrung von fehlorientierten
Körnern für das Laserstrahl-Umschmelzen weniger geeignet.
2. Konstitutionelle Unterkühlung (Constitutional Supercooling)
Das zweite Modell basiert auf konstitutioneller Unterkühlung
(konzentrationsbedingter Unterkühlung), d.h. die Abhängigkeit der
Liquidustemperatur Tliq von der lokalen chemischen Zusammensetzung der
Schmelze. In Bild 20 ist eine schematische Darstellung des konstitutionell
unterkühlten Bereiches vor der gerichtet dendritischen Erstarrungsfront
dargestellt. Beim Abkühlen einer Schmelze treten an der fortschreitenden
Erstarrungsfront mikroskopische Entmischungsvorgänge auf. Dadurch bildet
sich vor der Erstarrungsfront ein stationäres Konzentrationsprofil cL aus. In
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 26
diesem Konzentrationsprofil vergrößert sich die Liquidustemperatur Tliq
verglichen mit der Liquidustemperatur der Legierung [46]. Der real auftretende
Temperaturverlauf Tq wird jedoch durch die Abkühlbedingungen bzw. durch
die Wärmeabfuhr über den erstarrenden Festkörper bestimmt. Liegt diese
virtuelle Temperatur oberhalb der realen Temperatur, befindet sich die
Schmelze vor der Erstarrungsfront in einem konstitutionell unterkühlten
Zustand. Unter diesen Bedingungen können sich vor der Erstarrungsfront
Keime spontan aus der Schmelze bilden. Der entsprechende Bereich ist in Bild
20 schraffiert dargestellt.
Bild 20 :
Schematische
Darstellung des CET-
Übergangs vor der
gerichtet
dendritischen
Erstarrungsfront,
nach [41] [22]
v
T
z
konstitutionell unterkühlter Bereich
G
TL(C0)Tliq
Tq
ko
lum
na
reE
rsta
rru
ng
sfro
nt
v
cL
C0/k
C0
C0 C0/k
TLTc
C0
TS(C0)
Tc
D/v
Wenn in diesem konstitutionell unterkühlten Bereich die
Keimbildungsunterkühlung erreicht wird, beginnen fehlorientierte Körner an
Keimen zu wachsen. Diese zufällig orientierten Körner können in die
Erstarrungsfront eingeschlossen werden. Erreichen die fehlorientierten Körner
eine hinreichende Größe bzw. Volumenanteil, können sie die Erstarrungsfront
blockieren und führen zu einem CET-Übergang (Bild 18) [30]. In der Literatur
existieren einige mathematische Modelle, die das Wachsen von fehlorientierten
Körnern in der konstitutionell unterkühlten Zone und den CET-Übergang
beschreiben.
Eine vereinfachte Betrachtung des Modells der konstitutionellen Unterkühlung
führt zu folgender Formel mit einem konstanten Verhältnis von G/v [34] [30].
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 27
5.1 D
T
v
G[34]
mit:
G - Temperaturgradient
v - Erstarrungsgeschwindigkeit
T - Erstarrungstemperaturbereich der Legierung
D - Diffusionskoeffizient in der Schmelze
Der CET-Übergang tritt ein, wenn das Verhältnis von G/v kleiner ist als ein
kritischer Wert, der von Materialkonstanten abhängig ist [46] [34]. In der Arbeit
von Gäumann [30] werden für das Laserstrahl-Umschmelzen an der einkristallin
erstarrten Nickelbasis-Superlegierung CMSX4 die Werte T0 = 60 °C und
D = 3 10-9 m2/s ermittelt, um den CET-Übergang für dieses Verhältnis zu
beschreiben.In dem ersten analytischen Modell, dem sogenannten „Modell von
Hunt“ [43] wird der Volumenanteil an fehlorientierten Körnern berechnet, der
in dem konstitutionell unterkühlten Bereich gebildet wird. In diesem Modell
werden die fehlorientierten Körner als wachsende Kugeln vor der
Erstarrungsfront berechnet. Für die Berechnung wird ein konstantes
Konzentrationsprofil in dem konstitutionell unterkühlten Bereich angenommen,
in dem sich eine feste Anzahl N0 (Keimdichte) an potentiellen Keimen spontan
bei einer einzigen Keimbildungsunterkühlung bildet [43]. Hunt ermittelt in
seinem Modell ein Kriterium (Gleichung 3.7), bei dem ein CET-Übergang
stattfindet, wenn der Temperaturgradient G kleiner wird als eine kritische
Grenze. An dieser Grenze bildet sich ein Volumenanteil an fehlorientierten
Körnern, der das Wachstum der gerichtet dendritischen Erstarrungsfront
blockiert und zu einem CET-Übergang führt.
5.2 c3c
3n3
0 TT
T1N617,0G [43]
mit:
Tn - kritische Keimbildungsunterkühlung, bei dieser Unterkühlung tritt
die spontane Keimbildung auf
Tc - Unterkühlung an der Dendritenspitze (siehe Bild 20)
Gäumann ermittelt in seiner Arbeit folgende Werte für das Modell von Hunt,
die den CET-Übergang für das Laserstrahl-Umschmelzen an der einkristallinen
Nickelbasis-Superlegierung CMSX-4 charakterisieren:
N0 = 2 1015 m-3
Tn = 2,5 K
Tc = (a v)1/n mit n = 3,4 und a = 1,25 106
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 28
In den Arbeiten von Gäumann [30] und von Bezencon [35] wird das Modell von
Hunt für das Laserstrahl-Umschmelzen bzw. das Laserstrahl-Auftragschweißen
an einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierungen weiterentwickelt und
angepasst. Gäumann verbessert Hunts Modell, indem er ein variables
Konzentrationsprofil im konstitutionell unterkühlten Bereich einführt. Diese
Modifikationen machen das Modell passend für eine große Breite an
Erstarrungsgeschwindigkeiten und Temperaturgradienten, die für das
Laserstrahl-Umschmelzen bzw. das Laserstrahl-Auftragschweißen
charakteristisch sind. Gäumann leitet in seiner Arbeit ein Kriterium her, das
einkristallines Wachstum voraussagt, wenn folgende Bedingung überall im
Schmelzbad erfüllt ist:
5.3
n3
03
c
n
1n
N
1ln3
4aK
v
G[30]
N0 ist die Keimdichte, a und n sind Materialkonstanten. c ist der Volumenanteil an fehlorientierten Körnern. Ein Wert von c < 0,66 % führt zu einer vollständig einkristallinen Erstarrung [35]. Diese Formel wird in der Arbeit von Gäumann mit experimentellen Untersuchungen durch Laserstrahl-Umschmelzen der Nickelbasis-Superlegierung CMSX-4 abgeglichen. Für die Experimente wird ein CO2-Lasersystem mit einer maximalen Ausgangsleistung von 1,7 kW eingesetzt. In Bild 21 ist die erwartete Erstarrungsmorphologie (globulitisch / gerichtet dendritisch) in Abhängigkeit von den Parametern Erstarrungsgeschwindigkeit v und Temperaturgradient G dargestellt.
Bild 21 :
Erstarrungs-
morphologie für das
Laserstrahl-
Umschmelzen von
der einkristallin
erstarrten
Nickelbasis-
Superlegierung
CMSX-4 ,
nach [35]
80820101000C
98201020B
5340120A
c [%]P [W]v [mm/s]TV [°C]
Temperaturgradient G [K/m]
Ers
tarr
un
gsg
esc
hw
ind
igk
eit
v [
m/s
]
K = 2,7x1024 (K3,4/m4,4 s)
Tn = 2,5°C
N = 3,4
N0 = 2∙1015/m3
c = 0,0066
globulitisch
Laserstrahl-Umschmelzen
Gv gerichtet
dendritisch
= KG3,4
v
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 29
Das Ergebnis der Untersuchung ist in dem Diagramm in Bild 21 veranschaulicht.
Der CET-Übergang ist für die Verhältnisse G/v und G3,4/v eingezeichnet. Die für
das Laserstrahl-Umschmelzen erwartete Erstarrungsmorphologie ist in dem
Diagramm als graues Rechteck gekennzeichnet. Für drei unterschiedliche
Verfahrensparameter beim Laserstrahl-Umschmelzen A-C ist der Volumenanteil
an fehlorientierten Körnern in metallurgisch präparierten Querschliffen ermittelt
und im Diagramm eingezeichnet.
Durch den experimentellen Abgleich wird für das Laserstrahl-Umschmelzen an
der einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierung CMSX-4 eine vollständige,
einkristalline Erstarrung ermittelt, wenn folgende Bedingung überall im
Schmelzbad erfüllt ist:
5.4
244,3
107,2v
G K3,4/m-4,4 s [30]
mit c = 0,66 %, N0 = 2 1015m-3, a = 1,25 106
Anhand der experimentellen und modelltheoretischen Ergebnisse sind
Diagramme (Prozesskarten) erstellt worden, die die theoretischen Modelle mit
den eigentlichen Verfahrensparametern beim Laserstrahl-Umschmelzen (wie
Laserleistung, Verfahrgeschwindigkeit, Vorwärmtemperatur und
Laserstrahldurchmesser) verbinden. Die Prozesskarten zeigen den Einfluss der
Verfahrensparameter auf die resultierende Mikrostruktur. In Bild 22 ist ein
Beispiel für eine entwickelte Prozesskarte dargestellt. In dem Diagramm sind
der Einfluss der Verfahrensparameter Laserleistung P und die
Vorwärmtemperatur TV auf die Erstarrungsmorphologie dargestellt.
Bild 22:
Beispiel eines
entwickelten
Diagramms
(Prozesskarte) für die
Nickelbasis-
Superlegierung
CMSX-4
Einfluss der
Verfahrensparameter
P und TV auf die
Erstarrungs-
morphologie [35]
Laserleistung P [W]
globulitisch
gerichtet
dendritisch
G3
,4/v
[K
3,4
m-4
,4s]
TV
Der Wert G3,4/v = 2,7 1024 K3,4/m4,4 s ist als Grenze zwischen gerichtet
dendritischem und globulitischem Gefüge eingezeichnet.
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 30
5.2 Laserstrahl-Umschmelzen an Nickelbasis-Superlegierungen
Experimentelle Untersuchungen zur Materialbearbeitung mit Laserstrahlung
(Laserstrahl-Umschmelzen, Wärmeleitungsschweißen, Tiefschweißen) an
unterschiedlichen einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierungen werden
bereits in [30] [47] [41] [39] [46] [48] vorgestellt. In einigen Untersuchungen
wird erfolgreich demonstriert, dass das Laserstrahl-Umschmelzen an einkristallin
erstarrten Nickelbasis-Superlegierungen unter Erhaltung der einkristallinen
Struktur möglich ist. Das verwendete Material wird in einigen dieser Arbeiten
bis auf TV = 1000 °C vorgewärmt. Lokal begrenzte Schutzgasatmosphären und
Prozesskammern werden eingesetzt, um das Schmelzbad vor Oxidation zu
schützen. In einigen Arbeiten werden Untersuchungen durchgeführt, um den
Einfluss der Lage und Orientierung der Dendriten im Grundmaterial im Bezug
zur Verfahrrichtung der Laserstrahlung auf die erstarrte Struktur im Schmelzbad
zu bestimmen. Zudem werden die experimentellen Ergebnisse mit den
theoretischen Modellen zum Auftreten eines CET-Übergangs verglichen. Einige
dieser Untersuchungen werden kurz vorgestellt.
In [39] werden an einkristallin erstarrten 0,8 mm dicken Blechen aus der
Nickelbasis-Superlegierung Rene N5 Wärmeleitungsschweißungen mit
Laserstrahlung durchgeführt. Durch die Untersuchung soll der Mechanismus für
die Erstarrung von fehlorientierten Körnern ermittelt werden. Für die
Schweißversuche wird ein 1,5 kW Nd:YAG Laser im cw-Betrieb eingesetzt. Um
die Schweißnaht vor Oxidation zu schützen, wird während des Laserstrahl-
Schweißens das Schutzgas Argon in die Wechselwirkungszone von
Laserstrahlung und Werkstoff eingeblasen. Die Schweißversuche werden mit
drei Verfahrgeschwindigkeiten bei angepasster Laserleistung durchgeführt. In
Bild 23 sind drei Schweißnähte in der Draufsicht dargestellt, die mit
unterschiedlichen Verfahrensparametern geschweißt werden. Die [001]
Orientierung der primären Dendritenstämme ist im Grundmaterial
eingezeichnet.
Bild 23 :
Draufsicht auf drei
Schweißungen,
Verfahrens-
parameter:
a: v = 4,2 mm/s,
P = 420 W
b: v = 12,7 mm/s,
P = 804 W
c: v = 21,2 mm/s,
P = 840 W [39]
An der Oberfläche zweier Schweißungen sind deutlich Risse zu erkennen, eine
Schweißung ist rissfrei. In anschließenden metallurgischen Untersuchungen
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 31
wird das Gefüge auf eine einkristalline Erstarrung hin untersucht. In Bild 24 ist
ein Querschliff einer metallurgisch präparierten Schweißung im geätzten
Zustand dargestellt. Im geschweißten Bereich sind mehrere fehlorientierte
Körner erstarrt, einige dieser Körner sind gekennzeichnet.
Bild 24 :
Querschliff eines
geschweißten
Bleches aus
Rene N5,
Verfahrens-
parameter:
v = 12,7 mm/s,
P = 804 W [39]
Als Ergebnis der Untersuchung wird zusammengefasst, dass unter Betrachtung
der verwendeten Verfahrensparameter (P, v, d) die Versuche mit dem kleinsten
Anteil an fehlorientierten Körnern bei der kleinsten Verfahrgeschwindigkeit
(v = 4,2 mm/s) erzielt werden. Die Anzahl an fehlorientierten Körnern nimmt
zwar mit einer Reduzierung der Geschwindigkeit ab, kann aber nicht
vollständig verhindert werden. Die experimentellen Ergebnisse werden
abschließend verglichen mit dem Mechanismus zur Bildung von fehlorientierten
Körnern aufgrund von konstitutioneller Unterkühlung nach der Formel 5.3 von
Gäumann [39]. Dabei wird die Theorie bestätigt, dass die die Formation
fehlorientierter Körner zunimmt, wenn GN/v (N = 3,4) abnimmt.
In [46] werden Experimente zum Tiefschweißen mit Laserstrahlung und
Elektronenstrahlung an der einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierung
PWA 1480 durchgeführt. Für die Laserschweißungen wird ein gepulstes
Nd:YAG-Lasersystem (Raytheon Model SS-500) mit einer durchschnittlichen
Laserleistung von P = 400 W verwendet. Die Pulslängen variieren in einem
Bereich von 1 ms bis 3 ms und über einen Laserleistungsbereich von P = 90 W ‟
240 W bei einer Pulsrate wurde von 20 s-1 bis 200 s-1. An 3 mm dickem
Probenmaterial werden die Schweißungen entlang der kristallographischen
Orientierung [100] durchgeführt. Die Schweißgeschwindigkeit variiert im
Bereich von 2,1 mm/s bis 25 mm/s. Bei einigen Experimenten wird das
Probenmaterial auf TV = 500 °C vorgewärmt. In Bild 25 ist ein metallurgisch
präparierter Querschliff und eine Draufsicht einer Schweißung dargestellt.
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 32
Bild 25 :
Laserstrahl-
schweißung von
PWA 1480:
a) Draufsicht
b) Querschliff
Parameter:
v = 12,6 mm/s [46]
An der Oberfläche der Schweißung sind deutlich Risse zu erkennen. Im
Querschliff der Laserschweißung sind Bereiche des Gefüges einkristallin erstarrt,
teilweise haben sich fehlorientierte Körner und Risse entlang der Korngrenzen
gebildet. Durch die Vorwärmung des Materials bis auf TV = 500 °C werden
Schweißungen ohne Risse erzielt, jedoch erstarrten fehlorientierte Körner in
allen untersuchten Schweißungen.
In [47] werden Experimente zum Laserstrahl-Umschmelzen an Proben aus der
einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierung DD2 durchgeführt. Durch die
Experimente soll der Einfluss der kristallographischen Lage und Orientierung der
Dendriten im Grundmaterial auf das erstarrte Gefüge untersucht werden. Als
Materialproben werden Bleche mit den Abmessungen 6x6x30 mm3 verwendet.
In den experimentellen Untersuchungen wird ein 5 kW CO2-Lasersystem (Rofin-
Sinar RS 850) im cw-Betrieb bei einer konstanten Laserleistung von P = 1200 W
eingesetzt. Um die Schweißnaht vor Oxidation zu schützen, werden während
des Laserstrahl-Schweißens 5 l/min Helium in die Wechselwirkungszone von
Laserstrahlung und Werkstoff eingeblasen. In Bild 26 ist eine Draufsicht und ein
Längsschliff einer metallurgisch präparierten Spur im geätzten Zustand
dargestellt.
Bild 26 :
Draufsicht (a) und
Längsschliff (b) einer
umgeschmolzenen
Spur aus DD2,
Verfahrens-
parameter:
v = 24 mm/s,
P = 1200 W
d = 0,3 mm
Das Gefüge ist einkristallin erstarrt, es befinden sich keine fehlorientierten
Körner oder Risse im erstarrten Bereich.
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 33
In [49] wird in einer Studie zum Laserstrahl-Umschmelzen an der einkristallin
erstarrten Nickelbasis-Superlegierungen CMSX4 in einer Prozesskammer
(Sauerstoffgehalt in der Prozesskammer < 30 ppm) durchgeführt. Für die
Experimente wird ein Nd:YAG-Lasersystem mit einer maximalen Laserleistung
Pmax = 750 W eingesetzt. Der Durchmesser der Laserstrahlung auf der
Werkstückoberfläche beträgt 0,5 und 1 mm. Das Laserstrahl-Umschmelzen
wird an Flachproben mit den Abmessungen 9 x 4,5 x 20 mm3 durchgeführt. In
Bild 27 sind zwei Querschliffe von zwei umgeschmolzenen Spuren dargestellt.
Bild 27 :
Querschliffe von
umgeschmolzenen
Spuren,
Verfahrens-
Parameter:
oben:
P = 200 W,
v = 5 mm/s;
unten:
P = 475 W,
v = 30 mm/s
Die maximale Umschmelztiefe beträgt ca. 250 µm. Im unteren Querschliff sind
Risse sichtbar.
In [41] werden Untersuchungen zum Laserstrahl-Umschmelzen an den
einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierungen CMSX4, CMSX2 und MC2
durchgeführt. Für die Experimente wird ein CO2-Lasersystem mit einer
maximalen Ausgangsleistung von ein P = 1,7 kW eingesetzt. Das Material wird
teilweise bis auf TV = 1000 °C vorgewärmt. In einer anschließenden
metallurgischen Untersuchung wird das erstarrte Gefüge auf fehlorientierte
Körner hin untersucht. Vergleichend zur metallurgischen Untersuchung, wird
der Anteil an Fehlorientierungen im Rasterelektronenmikroskop (REM) durch
die EBSD-Technik (Electron Backscatter Diffraction) gemessen. Die EBSD-
Technik beruht auf der Auswertung eines an den Gitterebenen eines Kristalls
gebeugten Elektronenstrahls. Dabei rastert der Elektronenstrahl den
gewünschten Bereich auf der um typischerweise 70° gegenüber dem
eintretenden Primärelektronenstrahl gekippten Probe mit einer festgelegten
Schrittweite ab. Für jeden gerasterten Punkt wird das Beugungsbild, welches
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 34
bei der Wechselwirkung des Elektronenstrahls mit der Probe entsteht,
aufgezeichnet und von einem rechnergestützten System automatisch indiziert,
d.h. es wird dem jeweiligen Punkt die entsprechende Orientierung zugewiesen
[50] [51]. Als Ergebnis einer Messung wird ein Gefügebild generiert, in
welchem Korn- und Phasengrenzen unterschiedlich dargestellt werden.
In Bild 28 sind ein metallurgisch präparierter Querschliff und vergleichend eine
anschließende EBSD-Messung an einer umgeschmolzenen Spur an einer Probe
aus CMSX-4 dargestellt. Die maximale Umschmelztiefe beträgt etwa
zm = 600 µm.
Bild 28 :
Querschliff einer
umgeschmolzenen
Spur, Verfahrens-
parameter:
P = 340 W
v = 60 mm/min
d = 0,76 mm
TV = 1000 °C
EBSD Messung
Gefüge einkristallin
erstarrt [41]
Im umgeschmolzenen Bereich sind die Dendriten mit drei zueinander
senkrechten Orientierungen im Schmelzbad gewachsen. Durch die EBSD-
Messung wird deutlich, dass im umgeschmolzenen Bereich wenige
fehlorientierte Körner erstarrt sind. In der Mitte des umgeschmolzenen
Bereiches betragen die Abweichungen in der Kristallorientierung im Vergleich
zum Grundmaterial etwa 10°.
In [52] wird das Laserstrahl-Umschmelzen an der einkristallin erstarrten
Nickelbasis-Superlegierung CMSX-4 untersucht. Für die Untersuchung wird ein
Diodenlaser mit einer maximalen Ausgangsleistung von P = 2 kW eingesetzt.
Die Laserleistung und Verfahrgeschwindigkeit werden in den unterschiedlichen
Versuchen variiert während der Defokussierungsabstand und Schutzgasfluss in
das Schmelzbad durch Argon konstant gehalten werden. In Bild 29 ist der
umgeschmolzene Bereich zweier Spuren dargestellt, die mit einer
Überlappstrategie umgeschmolzen werden. Der Überlappbereich ist
schematisch durch die weiß gestrichelte Linie gekennzeichnet.
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 35
Bild 29 :
Querschliff zweier im
Überlapp
umgeschmolzener
Spuren [52]
Verfahrens-
parameter
P = 900 W
v = 10 mm/s
Bei einer Überlappbearbeitung wird eine bereits umgeschmolzene Spur erneut
teilweise umgeschmolzen, so dass dadurch flächendeckend Bereiche
umgeschmolzen werden können. In dem umgeschmolzenen Bereich ist die
Struktur des Gefüges durchgängig einkristallin erstarrt und die Umschmelztiefe
von etwa 450 µm ist reproduziert. Das Ergebnis zeigt, dass durch eine
Überlappbearbeitung flächendeckend Bereiche mit einkristallin erstarrter
Struktur umgeschmolzen werden können.
Die aus der Literatur entnommenen und vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass
Untersuchungen zur Materialbearbeitung mit Laserstrahlung (Laserstrahl-
Umschmelzen, Wärmeleitungsschweißen, Tiefschweißen) mit dem Ziel der
Erhaltung der einkristallinen Struktur an unterschiedlichen Nickelbasis-
Superlegierungen bereits durchgeführt wurden. An Einzelspuren beträgt die
maximale Umschmelztiefe mit einkristallin erstarrter Struktur ca. zm = 600 µm.
Zudem sind flächige Bereiche von mehreren Millimetern Breite in einigen in
einer Überlappstrategie mit einer einkristallin erstarrten Struktur
umgeschmolzen worden. Folgende Untersuchungen sind bisher nicht an
einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierungen durchgeführt worden:
1. Verschließen von 1 mm tiefen Rissen unter Erhaltung der einkristallinen
Struktur in Flachproben
2. Untersuchungen zum Laserstrahl-Umschmelzen an komplexen
Probengeometrien mit gekrümmten Oberflächen und variierender
Materialdicke
3. Untersuchungen zum Laserstrahl-Umschmelzen an unterschiedlichen
Bereichen von Turbinenschaufeln (Plattform, Fillet, Schaufelblatt)
4. Vergleichende Untersuchungen zur Messung der an der
Schmelzbadoberfläche emittierten Temperaturstrahlung mit
verschiedenen Messsystemen
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 36
5.3 Messung der emittierten Temperaturstrahlung
Die Messung der emittierten Temperaturstrahlung durch optische Sensoren in
der Wechselwirkungszone von Laserstrahlung und Werkstück wird bereits in
zahlreichen Arbeiten wie [54] [53] [55] [56] [57] [58] durchgeführt. Das Ziel
dieser Untersuchungen ist die Entwicklung einer Prozessüberwachung oder
auch die Umsetzung einer Prozessregelung bei der Materialbearbeitung mit
Laserstrahlung. Im Vergleich zur Prozessüberwachung wird bei einer
Prozessregelung ein geschlossener Regelkreis verwendet, bei der die
Ausgangsgröße über eine Rückführung Einfluss auf die Stellgröße nimmt. Die
Umsetzung einer Temperaturregelung wird bereits u.a. beim Laserstrahl-
Auftragschweißen in [54] und beim Umwandlungshärten mit Laserstrahlung in
[53] eingesetzt. Beim Laserstrahl-Umschmelzen wird im Vergleich mit dem
Umwandlungshärten die Temperaturstrahlung von einer schmelzflüssigen
Phase emittiert. In Bild 30 ist schematisch die Messung der
Temperaturstrahlung bei der Materialbearbeitung mit Laserstrahlung
dargestellt. Eine Zusammenfassung über die physikalischen Grundlagen der
Temperaturmessung befinden sich im Anhang 10.1 dieser Arbeit und in der
Literatur [59].
Bild 30 :
Schematische
Darstellung der
Emission und
Messung der
Temperaturstrahlung
bei der
Materialbearbeitung
mit Laserstrahlung
[54]
T(x)
dAM r
T(x) : Temperaturverteilung
r : Emissionsrichtung
: Emissionsgrad
: Emissionswinkel
Messfleck: AM
Raumwinkel (x)
Vorsatzoptik
Detektor
Laserstrahlung
Schmelzbad
Eine mögliche Unterteilung der Prozessüberwachung bei der
Materialbearbeitung mit Laserstrahlung ist die vor- und nachlaufende
Prozessüberwachung als auch die Prozessüberwachung am
Bearbeitungsprozess (Wechselwirkungszone zwischen und Laserstrahlung und
Werkstück) [60]. Für die berührungslose Messung der emittierten Strahlung aus
dem Bearbeitungsprozess (Plasmastrahlung, Temperaturstrahlung) stehen
optische Sensoren zur Verfügung wie Strahlungsthermometer
(Einfarbenpyrometer, Quotientenpyrometer, Photodioden) und Kameras (CCD,
CMOS). Diese optischen Sensoren werden einzeln oder als Kombinationen in
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 37
Prozessüberwachungssysteme eingesetzt, um unterschiedliche Emissionen aus
dem Bearbeitungsprozesss gleichzeitig online zu messen [61]. Die Mehrzahl der
in der Industrie zur Überwachung der Prozessstrahlung eingesetzten
Messsysteme beruht auf integral messenden Photodioden [62]. Speziell für das
Laserstrahlschweißen existieren bereits einige, kommerzielle
Prozessüberwachungssysteme wie z.B.: Laser Welding Monitor LWM von
Precitec, Welding monitor PD 2000 von Prometec, Weldwatcher von 4D. Die
optischen Sensoren dieser Prozessüberwachungssysteme werden teilweise in
den Strahlengang der Laserstrahlung integriert und messen koaxial, teilweise
werden die Sensorsysteme seitlich neben der Optik angebracht und messen
lateral.
In dieser Arbeit sollen Grundlagen erarbeitet werden inwiefern die an der
Schmelzbadoberfläche emittierte Temperaturstrahlung für den Aufbau einer
Temperaturregelung (Regelung der Temperaturstrahlung) verwendet werden
kann. Das Ziel der Temperaturregelung ist die Einhaltung einer nahezu
konstanten Umschmelztiefe von etwa 1 mm entlang der umgeschmolzenen
Spur. Hierzu soll untersucht werden, welche optischen Sensoren (Pyrometer,
Photodioden, Kameras) für eine Temperaturregelung geeignet sind. Aufgrund
der Vielzahl der in der Literatur durchgeführten Untersuchungen, werden
einige Ergebnisse kurz vorgestellt, die für die Aufgabenstellung dieser Arbeit
relevant sind. In Arbeiten von Postma [63] und Sanders [55] wird beim
Laserstrahlschweißen ein linearer Zusammenhang zwischen der Einschweißtiefe
und einem koaxial gemessenen Temperatursignal an der Schmelzbadoberfläche
ermittelt. In [63] werden von Postma Untersuchungen zum
Laserstrahlschweißen (Wärmeleitungsschweißen) mit Nd:YAG-Laserstrahlung
von überlappenden, flachen Stahlblechen (Blechdicke 0,7 mm) durchgeführt.
Das Ziel der Untersuchung ist die Umsetzung einer Prozessregelung
(Temperaturregelung), durch die eine konstante Einschweißtiefe von etwa
1,125 mm erzielt wird. Als Messsysteme werden zwei koaxial zur
Laserstrahlung messende Prozessüberwachungssysteme (Weldwatcher, Jurca
Optoelektronik) eingesetzt, die die emittierte Strahlung aus dem
Bearbeitungsprozess mit insgesamt vier Sensoren (technische Daten siehe
Tabelle 2) messen.
Technische Daten der Sensoren Spektralbereich [Einheit]
Jurca P = 400 nm ‟ 800 nm
Jurca R (Nd:YAG) = 1064 nm
Jurca T = 1100 nm ‟ 1800 nm
Weldwatcher = 360 nm & 750 nm
Tabelle 2 : Spektralbereich der Sensoren (Photodioden) der beiden Messsysteme [63]
In einzelnen Schweißversuchen wird bei konstanter Verfahrgeschwindigkeit die
Laserleistung variiert und die Sensorsignale werden aufgezeichnet. In einer
anschließenden metallurgischen Auswertung wird eine Korrelation zwischen
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 38
allen vier Sensorsignalen und der Einschweißtiefe ermittelt. Mit größer
werdender Laserleistung nehmen die Einschweißtiefe und die gemessenen
Sensorsignale der jeweiligen Sensoren linear zu. In Bild 31 sind die in
Querschliffen ermittelten Einschweißtiefen über den gemessenen Signalstärken
der unterschiedlichen Sensoren dargestellt. Für die beiden untersuchten
Verfahrgeschwindigkeiten (50 mm/s, 100 mm/s) wird ein linearer
Zusammenhang zwischen der Einschweißtiefe und der Signalstärke ermittelt.
Bild 31 :
Korrelation zwischen
den Sensorsignalen
und der
Einschmelztiefe bei
Verfahr-
geschwindigkeiten
von:
links: v = 50 mm/s
rechts: v = 100 mm/s
[67]
PENETRATION FEEDBACK CONTROL IN
OVERLAP LASER WELDING OF SHEET METAL
S. Postmaz, R.G.K.M. Aartsy and A.J.F.M. Hesemansy
Sig
nals
tärk
e
Einschweißtiefe [mm] Einschweißtiefe [mm]
Sig
nals
tärk
e
Abschließend wird durch einen geregelten Prozess eine nahezu konstante
Einschmelztiefe von 1,125 mm eingehalten, die Laserleistung wird dabei als
Stellgröße eingesetzt.
In [55] wird von Sanders die emittierte Temperaturstrahlung an der
Schmelzbadoberfläche beim Laserstrahlschweißen mit CO2-Laserstrahlung
(Rofin Sinar RS6000) an Blechen aus 1020 Stahl, 6061 Aluminium und
AZ31 Magnesium untersucht. Die Temperaturstrahlung wird im infraroten
Wellenlängenbereich von einem Detektor (Photodiode) gemessen und in ein
Spannungssignal zwischen 100 ‟ 1000 mV umgewandelt. In den einzelnen
Schweißversuchen wird die Einschweißtiefe durch Variationen in der
Verfahrgeschwindigkeit (1020 Stahl) oder der Laserleistung (AZ31 Magnesium)
beeinflusst. Als Ergebnis der Untersuchung wird eine fast lineare Korrelation
zwischen dem Spannungssignal und der Einschweißtiefe beim
Laserstrahlschweißen in Stahl und Magnesium ermittelt. In Bild 32 sind die
gemessenen Temperatursignale beim Laserstrahlschweißen an den
unterschiedlichen Materialien dargestellt. Diese Temperatursignale sind bei
Einschweißtiefen von ca. 1 mm gemessen. Die eingestellte Laserleistung beträgt
bei 1020 Stahl und 6061 Aluminium 3,7 kW und bei AZ31 Magnesium 1,2 kW
bei einer konstanten Verfahrgeschwindigkeit von v = 13 cm/s.
Stand der Technik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 39
Bild 32 :
Unterschiede in der
Signalmessung der
drei Werkstoffe beim
Schweißen mit CO2-
Laserstrahlung, die
Einschmelztiefe
beträgt 1 mm,
v = 13 cm/s
P = 3700 W
(1020 Stahl,
6061 Aluminium)
P = 1200 W
(AZ31 Magnesium)
[55]
1020 Stahl 6061 Aluminium
AZ31 Magnesium
Tem
pera
turs
ign
al
TS
[mV
]
Zeit t [s]0,20 0,4 0,6 0,8 1
300
250
200
250
100
50
0
Neben den bereits vorgestellten Ergebnissen mit Photodioden werden von
Bertrand [56] Pyrometer zur Prozessbeobachtung (Temperaturmessung) beim
Laserstrahl-Schweißen mit Nd:YAG-Laserstrahlung eingesetzt. Eine
kamerabasierte Prozessüberwachung für das Laserstrahlschweißen von Stahl
und Aluminium mit Festkörperlasern wird in [57] durchgeführt. Die
Vorgehensweise bei Auswertung der kamerabasierten Systeme wird in
Kapitel 6.4.2 näher vorgestellt.
Die vorgestellten Ergebnisse an unterschiedlichen Materialien (Stahl,
Aluminium, Magnesium) zeigen, dass durch die Messung der an der
Schmelzbadoberfläche emittierten Temperaturstrahlung eine Korrelation zur
Umschmelztiefe ermittelt wird. Diese Korrelation ist eine Voraussetzung für den
Aufbau einer Temperaturregelung (Regelung der Temperaturstrahlung).
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 40
6 Anlagen- und Systemtechnik
6.1 Laserstrahlquelle und Optiken
Für das Laserstrahl-Umschmelzen wird eine Nd:YAG-Laserstrahlquelle
HL 3006D der Firma Trumpf mit einer maximalen Ausgangsleistung von 3 kW
verwendet. Der Laserstrahl wird durch eine Lichtleitfaser mit einem
Durchmesser dFaser = 600 µm von der Laserstrahlquelle zum Bearbeitungsort
geführt und dort mit einer Optik fokussiert. Für das Laserstrahl-Umschmelzen
an den unterschiedlichen Proben (Flachprobe, M-Probe, U-Probe, L-Probe) wird
eine Optik mit einer Brennweite von f = 200 mm und für das Umschmelzen an
den Turbinenschaufeln wird eine Optik mit einer Brennweite von f = 250 mm
eingesetzt.
6.2 Versuchsaufbau
Um den experimentellen Aufwand möglichst gering zu halten, wird der
Umschmelzprozess in zwei Prozesskammern entwickelt. Beide Prozesskammern
sind so ausgelegt, dass die Proben und die Turbinenschaufeln bis maximal
TV = 1000 °C erwärmt werden können. Zudem muss eine
Schutzgasatmosphäre in den Kammern geschaffen werden, die Oxidationen
durch die Vorwärmung und das Laserstrahl-Umschmelzen an der
Schmelzbadoberfläche verhindert. Die ersten Untersuchungen werden in einer
kleineren Prozesskammer 1 an den unterschiedlichen Proben durchgeführt. Die
Vorteile der Prozesskammer 1 liegen in einer schnelleren Befüllung der Kammer
mit dem Schutzgas Argon, einer einfachen Handhabung bei der Bestückung
mit Proben sowie geringeren Kosten für Verbrauchsmaterial wie z.B.
Schutzgläser und Dichtungsringe. In der Prozesskammer 2 werden ganze
Turbinenschaufeln eingespannt und bearbeitet. In Bild 33 sind die
Prozesskammer 1 (links) und die Prozesskammer 2 (rechts) schematisch
dargestellt. Beide Prozesskammern werden von unten mit dem Schutzgas
Argon geflutet. Die Luft in den Prozesskammern wird durch das Argon
verdrängt und durch Öffnungen neben den Schutzgläsern in die Umgebung
gedrückt.
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 41
Bild 33:
Schematische
Darstellung, links:
Prozesskammer 1 für
die Proben
(Flachprobe, M-
Probe, U-Probe, L-
Probe)
rechts:
Prozesskammer 2 für
Turbinenschaufeln
Flachprobe
Induktionsschleife
Schutzglas
100 mm
Turbinenschaufel
Induktionsschleife
Schutzglas
300 mm
In Bild 34 sind beide Prozesskammern (links: Prozesskammer 1, rechts:
Prozesskammer 2) mit aufgebautem Versuchsstand dargestellt. Die
unterschiedlichen Proben werden in der Prozesskammer 1 auf einen
Schamottstein gelegt. In der Prozesskammer 2 werden die Turbinenschaufeln in
einen kippbaren Schraubstock fest eingespannt. Für eine Bearbeitung werden
die Turbinenschaufeln in unterschiedliche Winkelpositionen vor dem
Laserstrahl-Umschmelzen gedreht.
Bild 34 :
links:
Versuchsaufbau mit
Prozesskammer 1
rechts:
Versuchsaufbau mit
Prozesskammer 2
Bei der Versuchsdurchführung wird die jeweils verwendete Prozesskammer vor
der Bearbeitung mit dem Schutzgas Argon geflutet. Der Sauerstoffgehalt wird
vor und während des gesamten Bearbeitungsprozesses gemessen, wobei
während des Umschmelzprozesses ein Sauerstoffgehalt von O2 < 20 ppm in
beiden Kammern eingehalten wird.
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 42
6.3 Induktive Vorwärmung
Die unterschiedlichen Proben und die Turbinenschaufeln werden in den
jeweiligen Prozesskammern durch induktive Hochfrequenzerwärmung auf eine
definierte Vorwärmtemperatur erwärmt. Als Induktor wird ein Induktionsgerät
des Typs Miniminac 7 der Firma ELVA Induktion mit einer maximalen
Ausgangsleistung von 11 kW eingesetzt. Die Temperatur der Proben und der
Turbinenschaufeln wird mit einem Einfarbenpyrometer der Firma Kleiber
(Modell 270B) gemessen. Die technischen Daten des verwendeten
Einfarbenpyrometers sind in Tabelle 3 aufgelistet.
Technische Daten Einheit
Spektralbereich = 1580 nm ‟ 1800 nm
Temperaturmessbereich T = 300 °C ‟ 1400 °C
Emissionsgrad = 0,3*
Messfleckdurchmesser = 4 mm
Tabelle 3 : Technische Daten des Einfarbenpyrometers der Firma Kleiber (Modell 270B)
*Abgleich mit Thermofühler
In Bild 35 ist links eine induktiv erwärmte Flachprobe in der Prozesskammer 1
und rechts eine induktiv erwärmte Turbinenschaufel in der Prozesskammer 2
bei einer mit dem Einfarbenpyrometer gemessenen Vorwärmtemperatur von
TV = 1000 °C dargestellt.
Bild 35 :
links: Induktiv
erwärmte Flachprobe
in Prozesskammer 1
rechts: Induktiv
erwärmte
Turbinenschaufel in
Prozesskammer 2
Vorwärmtemperatur:
TV = 1000 °C
50 mm
Turbinenschaufel
20 mm
Flachprobe
Induktionsspule
Beim Laserstrahl-Umschmelzen an den Proben und der Turbinenschaufel muss
für die Bearbeitung eine Zugänglichkeit für die Laserstrahlung gewährleistet
sein. Daher ist die Geometrie der Induktionsspule an den Proben und der
Turbinenschaufel so ausgelegt, dass für die Bearbeitung keine Bereiche der
Proben und der Turbinenschaufel durch die Induktionsspule verdeckt werden.
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 43
6.4 Eingesetzte Messsysteme
In dieser Arbeit sollen Grundlagen erarbeitet werden inwiefern die an der
Schmelzbadoberfläche emittierte Temperaturstrahlung für den Aufbau einer
Temperaturregelung (Regelung der Temperaturstrahlung) verwendet werden
kann. Das Ziel der Temperaturregelung ist die Einhaltung einer nahezu
konstanten Umschmelztiefe von etwa 1 mm entlang der umgeschmolzenen
Spur. Wärmestaus, aufgrund von Änderungen der Materialdicke sowie
Einflüsse von gekrümmten Oberflächen am Schaufelblatt und im Fillet der
Turbinenschaufel sollen durch die Temperaturregelung erkannt und ausgeregelt
werden. Die Temperaturregelung sollte so ausgelegt werden, dass eventuelle
Störsignale, die beim Verschließen von Rissen in den Proben oder in der
Turbinenschaufel gemessen werden, die Umschmelztiefe oder die einkristalline
Struktur im umgeschmolzenen Bereich nicht beeinflussen. Zur Messung der von
der Wechselwirkungszone emittierten Temperaturstrahlung und für den
Aufbau einer Temperaturregelung kommen aufgrund des Umschmelzprozesses
in den Prozesskammern nur optische Sensorsysteme in Frage, welche die an der
Schmelzbadoberfläche emittierte Temperaturstrahlung berührungsfrei erfassen.
Die kommerziell verfügbaren Sensorsysteme werden teilweise in den
Strahlengang der Laserstrahlung integriert und messen koaxial, teilweise
werden die Sensorsysteme seitlich neben der Optik angebracht und messen
lateral. Für die Messungen werden zwei bei unterschiedlichen Wellenlängen
messende Quotientenpyrometer, eine in einem Bearbeitungskopf integrierte
Germanium-Photodiode und eine CMOS-Kamera eingesetzt. Die verwendeten
Messsysteme zur Messung der Temperaturstrahlung werden kurz vorgestellt.
6.4.1 Precitec-System
Bei dem Precitec-System YC50 handelt es sich um einen für das Laserstrahl-
Auftragschweißen entwickelten Beschichtungskopf mit integrierter Sensorik. In
dem Precitec-System sind zur Überwachung der Komponenten des
Beschichtungskopfes und des Bearbeitungsprozesses verschiedene Sensoren
direkt integriert. Die von den Sensoren gemessenen Spannungssignale werden
von der Auswerteelektronik HM 140 linear verstärkt und online an einem
industriellen PC aufgezeichnet. Der Verstärkungsfaktor der Auswerteelektronik
HM 140 kann in fünf Stufen zwischen 100 ‟ 1.000.000 eingestellt werden.
Zudem können mit einer an dem Precitec-System angeschlossenen CCD-
Kamera Videos vom Bearbeitungsprozess aufgezeichnet werden. In Tabelle 4
sind die technischen Daten der Sensoren des Precitec-Systems und die
Verstärkungsfaktoren aufgelistet, die für die Entwicklung der
Temperaturregelung in dieser Arbeit verwendet werden.
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 44
Sensor Messwellenlänge
oder ‟bereich (nm)
Lineare
Verstärkung Signal
Photodiode
(Germanium) 1300-1600 100.000
1.000.000 IR-Temperatursignal
Photodiode
(Silizium) 450-550 100.000 Sichtbares
Temperatursignal
Photodiode 1064 1.000 Reflexionssignal
Photodiode 1064 1.000 Laserleistungssignal Tabelle 4 : Technische Daten der Sensoren [54]
Innerhalb des Beschichtungskopfes befindet sich ein dielektrisch beschichteter
Strahlteiler, der für Laserstrahlung unter einem Winkel von 45° einen
Transmissionsgrad von ca. 98,8 % hat. Eine im Sensorikmodul angeordnete
Photodiode für Nd:YAG-Laserstrahlung detektiert die vom Strahlteiler
reflektierte Laserstrahlung. Das Signal der Photodiode ist proportional zur
Laserleistung des Nd:YAG-Lasersystems [54]. Für die Messung der an der
Schmelzbadoberfläche emittierten Temperaturstrahlung (IR-Temperaturssignal)
wird die Germanium-Photodiode verwendet. Die Photodiode detektiert die
spektrale Strahldichte in einem Wellenlängenbereich zwischen 1300 ‟
1600 nm. Direkt vor die Germanium-Photodiode können Lochblenden mit
unterschiedlichen Durchmessern eingesetzt werden, die den
Messfleckdurchmesser in der Bearbeitungszone eingrenzen. In Tabelle 5 sind
die vom Hersteller des Precitec-Systems berechneten Messfleckdurchmesser in
Abhängigkeit vom Durchmesser der Lochblende aufgelistet.
Durchmesser Lochblende Messfleckdurchmesser
ohne Lochblende 7,8 mm
2 mm 6 mm
1 mm 4,2 mm
0,5 mm 3,4 mm Tabelle 5 : Messfleckdurchmesser in Abhängigkeit vom Durchmesser der Lochblende [Quelle: Precitec]
In Bild 36 ist eine schematische Darstellung des Strahlengangs sowie eine
Seitenansicht des Precitec-Systems mit geöffnetem Seitendeckel dargestellt. Das
Sensorikmodul, in dem die unterschiedlichen Photodioden integriert sind sowie
der Schlitz für den Einschub der Lochblenden sind gekennzeichnet.
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Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 45
Bild 36 :
Schematische
Darstellung des
Strahlengangs im
Bearbeitungskopf,
Seitenansicht von
geöffnetem Precitec-
System[54]
CCD-
Kamera
Sensorikmodul:
„ Temperaturstrahlung (IR- und
sichtbares Temperatursignal)
„ Reflexionssignal
„ Laserleistungssignal
Fokussierlinse
Schutzglas
Strahlteiler
Kontaktthermometer
Sensor (Streulicht am
Schutzglas)
Dichroitischer Spiegel
Spiegel
Kontaktthermometer
Werkstück
1 mm1,5 mm2 mm
20 mm
Lochblenden
Sensorikmodul:
Vor der Verwendung des Precitec-Systems erfolgt eine einmalige Abgleichung
der Germanium- Photodiode an einem Schwarzen Strahler. In Bild 37 ist das
gemessene Spannungssignal der Germanium-Photodiode für zwei
Verstärkungsfaktoren unter Verwendung der 1 mm Lochblende graphisch
dargestellt.
Bild 37 :
Abgleich
Spannungssignal der
Germanium Photo
Diode an Schwarzem
Strahler
200
300
400
500
600
700
800
900
1000
1100
1200
300 500 700 900 1100
Schwarzer Strahler Temperatur [°C]
Kle
iber
Pyr
om
ete
r Tem
pera
tur
[°C
]
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Pre
cite
c-Sys
tem
Spannung
[V]Kleiber Pyrometer
Precitec IR Germanium Photo Diode (Verstärkungsfaktor 100.000)
Precitec IR Germanium Photo Diode (Verstärkungsfaktor 1.000.000)
Zum Vergleich ist ein Abgleich eines Einfarbenpyrometers der Firma Kleiber
(Modell 270B) bei einem Emssionsgrad von = 1 dargestellt. Beim
Einfarbenpyrometer wird der gemessene Strahlungsfluss direkt in eine
Temperatur umgerechnet, daher ergibt sich ein linearer Zusammenhang
zwischen der eingestellten Temperatur am Schwarzen Strahler und der
gemessenen Temperatur.
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Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 46
6.4.2 CPC-System
Ein weiteres System, das für die Messung der Temperaturstrahlung an der
Schmelzbadoberfläche eingesetzt wird, ist das vom Fraunhofer ILT entwickelte
CPC-System (Coaxial Process Control). In Bild 38 sind eine Lichtbildaufnahme
des CPC-Systems und eine schematische Darstellung des Strahlengangs im
CPC-System dargestellt.
Bild 38 :
links:
Kamerabasiertes
CPC-System,
rechts:
Schematische
Darstellung des
Strahlengangs im
CPC-System [62]
Detektor
(Kamera)
Beleuchtungslaser
( =830nm, 150mW)
Strahlteiler
Dichroitischer Spiegel
Bearbeitungslaser
Optik, Filter
100 mm
Detektor
(Kamera)
Beleuchtungslaser
( =830nm, 150mW)
Strahlteiler
Dichroitischer SpiegelBearbeitungslaser
Fokussieroptik
Optik, Filter
Gerichtete Reflexion
Diffuse Reflexion
Das CPC-System besteht aus einer Hochgeschwindigkeitskamera, die direkt am
Bearbeitungskopf angebracht wird und an einem industriellen PC für die
Bildanalyse, der mit der Kamera (CMOS Area Scan Camera MV-D1024E)
verbunden wird. Der optische Weg der Kamera verläuft koaxial mit dem
Laserstrahlengang durch die Optik der Strahlfokussierung. Aufgrund der
unterschiedlich großen Leuchtintensität des Schmelzbades bei der
Materialbearbeitung kann bei Bedarf das Schmelzbad mit einem integrierten
Beleuchtungslaser bestrahlt werden. Der von der Kamera aufgenommene
Wellenlängenbereich wird durch optische Bandpassfilter der Wellenlänge des
Beleuchtungslasers angepasst, der sich von der Wellenlänge des Prozesslasers
unterscheidet [62]. Die von der beleuchteten Prozesszone reflektierte Strahlung
ermöglicht so eine Vermessung des Schmelzbades.
In der für das Laserstrahl-Umschmelzen verwendeten Konfiguration werden
von der Kamera 500 Bilder pro Sekunde bei einer Auflösung von 256 x 256
Pixel durch einen industriellen PC online aufgezeichnet und verarbeitet. In einer
anschließenden, ortsaufgelösten Auswertung wird ein Temperatursignal in
einem Auswertefenster für den gesamten Umschmelzprozess berechnet und
graphisch dargestellt. In Bild 39 sind das Kamerabild des CPC-Systems beim
Laserstrahl-Umschmelzen an einer M-Probe mit skizziertem Auswertefenster
sowie eine Auswertung des Temperatursignals dargestellt. Für die Berechnung
des Temperatursignals aus dem Kamerabild wird in einem definierten
Auswertefenster von jedem Pixel ein dimensionsloser Helligkeitswert zwischen
0 ‟ 255 (Dynamikumfang eines 8-Bit-Bildes) ausgelesen. Alle Helligkeitswerte
werden von jedem Pixel aufsummiert und anschließend wird der Mittelwert
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 47
berechnet. Diese Mittelwertsberechnung wird für alle aufgezeichneten
Kamerabilder des Umschmelzprozesses durchgeführt und graphisch dargestellt
(Bild 39 rechts).
Bild 39 :
links: Kamerabild des
CPC-Systems beim
Laserstrahl-
Umschmelzen mit
Auswertefenster
rechts:
Auswertung des
Temperatursignals
beim Laserstrahl-
Umschmelzen an
M-Probe
Auswertefenster
Auswertung
M-Probe
Kamerabild
Schmelzbad
umgeschmolzene Spur
0
25
50
75
100
125
150
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55
Zeit [s]
Tem
pera
turs
ign
al [0
-255
]
Zeit t [s]
Tem
pera
turs
ignalT
S[0
-25
5]
Der Vorteil der kamerabasierten Sensoren im Vergleich zu Photodioden ist, dass
die emittierte Temperaturstrahlung zweidimensional ortsauflösend erfasst wird.
Im Vergleich mit dem Precitec-System können mit dem CPC-System
Teilbereiche des Schmelzbades im Kamerabild (z.B. Vorlauf oder im Nachlauf)
ausgewertet werden. Bereiche des Kamerabildes, die Rauschen oder Störsignale
zum Temperatursignal beitragen, werden somit in der Auswertung nicht
berücksichtigt. Das CPC-System bietet die Möglichkeit, sowohl die vor- und
nachlaufende Prozessüberwachung als auch die Prozessüberwachung am
Bearbeitungsort in einem Sensorsystem zu integrieren, gleichzeitig mit einer
Kamera zu erfassen und somit eine Mehrgrößensensorik in einem kompakten
System aufzubauen [62].
6.4.3 Quotientenpyrometer
Um die Messungen des kamerabasierten CPC-Systems und der Germanium-
Photodiode im Precitec-System mit Temperaturwerten in °C zu vergleichen,
werden bei einigen Versuchen Messungen mit zwei unterschiedlichen
Strahlungsthermometern (Quotientenpyrometer) durchgeführt.
Strahlungsthermometer messen das Integral der spektralen Strahldichte über
einen bestimmten Spektralbereich als Spannungssignal, das in eine Temperatur
umgerechnet wird. Dieses Signal ist abhängig vom optischen Aufbau, dem
Transmissionsverhalten aller Elemente im Strahlengang (Fenster, Linsen,
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 48
Lichtleiter) und der Detektorempfindlichkeit. Der Messbereich verfügbarer
Strahlungsthermometer umfasst gegenwärtig etwa Temperaturmessbereiche
zwischen -100 °C bis +3000 °C. Für die Auswahl eines optimalen
Strahlungsthermometers und die Vermeidung großer Messfehler sind jedoch
Kenntnisse über die Strahlungseigenschaften (Emissionsgrad) des Messobjektes
erforderlich. Quotientenpyrometer messen den Strahlungsfluss bei zwei
verschiedenen Wellenlängen, bilden aus den Signalen den Quotienten und
errechnen daraus die Temperatur. Bei der Quotientenbildung kürzt sich der
Emissionsgrad heraus, d.h. die Temperaturmessung wird unabhängig vom
Emissionsgrad des Objektes. Wenn der Werkstoff für beide Wellenlängen
Temperaturstrahlung mit gleichem Emissionsgrad emittiert, wird die exakte
Temperatur gemessen. In Bild 40 sind die beiden in dieser Arbeit eingesetzten,
fasergekoppelten Quotientenpyrometer „Infratec Pyrometer IGAR 12-LO“ und
„Mergenthaler Pyrometer QP003“ dargestellt.
Bild 40 :
Quotienten-
pyrometer IGAR 12-
LO der Firma Infratec
(links) und QP003
der Firma
Mergenthaler
(rechts)
In Tabelle 6 und Tabelle 7 sind die technischen Daten aufgelistet. Die
Quotientenpyrometer messen jeweils bei zwei unterschiedlichen Wellenlängen
oberhalb der für das Laserstrahl-Umschmelzen verwendeten Nd:YAG-
Laserstrahlung (Wellenlänge = 1064 nm).
Technische Daten Einheit
Messbereich T = 500 °C ‟ 2500 °C
Spektralbereich 1 = 1280 nm, 2 = 1650 nm
Messfleckdurchmesser = 4 mm
Tabelle 6 : Infratec QuotientenPyrometer IGAR 12-LO
Technische Daten Einheit
Messbereich T = 600 °C ‟ 2500 °C
Spektralbereich 1 = 1700 nm, 2 = 1900 nm
Messfleckdurchmesser = 6 mm
Tabelle 7 : Mergenthaler QuotientenPyrometer QP003
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Nickelbasis-Superlegierungen 49
Die beiden Quotientenpyrometer werden jeweils seitlich an den
Beabeitungsoptiken befestigt, die Temperaturmessung an der
Schmelzbadoberfläche erfolgt somit nicht koaxial durch die Optik des
Bearbeitungskopfes. Die Messfleckdurchmesser werden mittig zur
Laserstrahlung im Schmelzbad ausgerichtet.
6.4.4 Messfehler bei der Messung der Temperaturstrahlung
Bei der Messung der Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche
müssen Einflüsse und Störgrößen berücksichtigt werden, die zu Messfehlern
führen können. Bei der Umsetzung einer Temperaturregelung führt
beispielsweise ein zu niedrig gemessenes Temperatursignal (Messfehler) zu
einer Zunahme an Laserleistung. Dadurch kommt es zu einer Änderung in der
Umschmelztiefe die bei Überschreitung einer kritischen Umschmelztiefe zu
Abweichungen der einkristallinen Struktur führt. In Bild 41 sind Einflussgrößen
auf die Messung der Temperaturstrahlung für das Laserstrahl-Umschmelzen an
einer Turbinenschaufel in einer Prozesskammer schematisch dargestellt.
Bild 41 :
Schemabild:
Einflussgrößen auf
die Messung der
Temperaturstrahlung
beim Laserstrahl-
Umschmelzen an
Turbinenschaufeln
ProzesskammerSchutzglas
(Transmission,
Brechung) Argonatmosphäre
Bearbeitungsoptik
(Precitec-System)
Luft
Turbinenschaufel
(inhomogene
Vorwärm-
temperatur)
Laserstrahlung
Schmelzbad
(Geometrie,
Oxidation)
Die Turbinenschaufel wird vor dem Laserstrahl-Umschmelzen in einer mit dem
Schutzgas Argon gefüllten Prozesskammer bis auf TV = 1000 °C vorgewärmt.
Die Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche wird während des
Laserstrahl-Umschmelzens durch ein Schutzglas gemessen. Das Schutzglas
dichtet die Argonatmosphäre innerhalb der Prozesskammer zur Umgebungsluft
ab. Für die Laserbearbeitung der Turbinenschaufel wird die Bearbeitungsoptik
nachgeführt, so dass die Laserstrahlung konstant im gleichen Winkel zur
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Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 50
Oberfläche einfällt (siehe Kapitel 6.6). Daraus folgt, dass der Winkel zwischen
Laserstrahlung und dem Schutzglas in dem Bereich -45°< <+45 variiert (Bild
41). Die Messsysteme für die Messung der Temperaturstrahlung an der
Schmelzbadoberfläche sind in der Bearbeitungsoptik (Precitec, CPC-System)
integriert bzw. seitlich (Quotientenpyrometer) befestigt. Folgende Einflüsse
müssen neben der Geometrie des Schmelzbades bei der Auslegung der
Temperaturregelung berücksichtigt werden, die zu Abweichungen bei der
Messung des Temperatursignals und daraus zu Änderungen der
Umschmelztiefe führen können:
Schutzglas der Prozesskammer Das Schutzglas auf der Prozesskammer beeinflusst die Transmission der
Temperaturstrahlung in Abhängigkeit vom Winkel zwischen Laserstrahlung und
Schutzglas bei der Bearbeitung der Turbinenschaufel. In Bild 42 ist eine
Messung des Transmissionsgrades über einen Wellenlängenbereich von 900 µm
bis 1800 µm an einem Spektrometer des Typs „UV/VIS/NIR Spektrometer
Lambda 9“ unter den Winkeln 45° und 90° zum Schutzglas durchgeführt.
Bild 42 :
Transmissions-
messung des
Schutzglases am
UV/VIS/NIR
Spektrometer unter
den Winkeln 45°
und 90°
80
82
84
86
88
90
92
94
96
98
100
900 1000 1100 1200 1300 1400 1500 1600 1700 1800
Wellenlänge [nm]
Tra
nsm
issi
on
T [
%]
Winkel 90°
Winkel 45°
Messbereich Germanium
Photodiode im Precitec-KopfUV/VIS/NIR Spektrometer
Lambda 9
Perkin Elmer Instruments
90,6 %92,1 %
89,8 %
96 %
Bei dem Schutzglas wird bei der Wellenlänge = 1064 nm (Nd:YAG-
Laserstrahlung) bei einem Eintrittswinkel von 90° eine Transmission von nahezu
100 % gemessen. Der Messbereich der Germanium-Photodiode im Precitec-
System ist eingezeichnet. In Abhängigkeit von Wellenlänge und vom Winkel
ergeben sich Abweichungen in der Transmission von bis zu 3,9 %.
Inhomogene Vorwärmtemperaturen
Beim Laserstrahl-Umschmelzen an der Turbinenschaufel muss für die
Bearbeitung eine Zugänglichkeit für die Laserstrahlung gewährleistet sein.
Daher wird die Geometrie der Induktionsspulen an der Turbinenschaufel so
ausgelegt, dass für die Bearbeitung keine instand zu setzenden Bereiche durch
die Induktionsspulen verdeckt werden. Verfahrensbedingt ist es daher nicht
Anlagen- und Systemtechnik
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Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 51
möglich die Induktionsspulen so an die Turbinenschaufel anzupassen, dass
diese vollständig homogen erwärmt wird. Somit sind Temperaturgradienten an
der Oberfläche der Turbinenschaufel zu erwarten. Um eine möglichst
homogene Erwärmung der Bauteile zu ermöglichen, werden die
Oberflächentemperaturen an den erwärmten Bauteilen daher mit einer
Thermokamera gemessen. Die technischen Daten der Thermokamera sind in
Tabelle 8 aufgelistet.
Technische Daten Einheit
Spektralbereich 3,4 - 5 µm
Temperaturmessbereich -25 ‟ 2000 °C
Messgenauigkeit 2 %
Emissionsgrad = 0,35*
Tabelle 8 : Technische Daten der Thermokamera Vario ThermTM head (PtSi-FPA detector)
*Abgleich mit Thermofühler
Die Anordnung der Induktionsspulen wird anschließend so angepasst, dass eine
möglichst homogene Vorwärmung in den umzuschmelzenden Bereichen
gemessen wird. In Bild 43 sind eine Lichtbildaufnahme mit der Anordnung der
Induktionsspule an der Druckseite der Turbinenschaufel (links) und eine
Thermographieaufnahme der erwärmten Turbinenschaufel (rechts) dargestellt.
Bild 43 :
links:
Schematische
Darstellung:
Anordnung der
Induktionsspule an
der Druckseite der
Turbinenschaufel
rechts:
Thermographie-
aufnahme im Fillet
bei einer
Vorwärmtemperatur
TV = 500 °C
T = 70 K
Induktionsspule
In dem Fillet der Turbinenschaufel wird bei einer Vorwärmtemperatur von
TV = 500 °C ein maximaler Temperaturgradient von T = 70 K gemessen. Eine
zweite Messung wird an der Saugseite der Turbinenschaufel mit der
entsprechenden zweiten Induktionspule durchgeführt (Bild 44).
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Bild 44 :
links:
Schematische
Darstellung:
Anordnung der
Induktionsspule an
der Saugseite der
Turbinenschaufel
rechts:
Thermographie-
aufnahme im Fillet
bei einer
Vorwärmtemperatur
TV = 500 °C
T = 50 KInduktionsspule
Im Fillet der Turbinenschaufel wird bei einer Vorwärmtemperatur von
TV = 500 °C ein maximaler Temperaturgradient von T = 50 K gemessen.
Oxidationen Die Prozesskammern werden aus Kostengründen so ausgelegt, dass in der
Argonatmosphäre ein minimaler Sauerstoffgehalt kleiner O2 < 20 ppm
verbleibt. Beim Laserstrahl-Umschmelzen können sich durch Reaktionen des
Schmelzbades mit Restsauerstoff Oxidationen bilden. Diese Oxidationen
können an der Oberfläche der umgeschmolzenen Spur zu Änderungen der
Absorption der Laserstrahlung und zu Änderungen der Emission der
Temperaturstrahlung führen. In Bild 45 ist das Ergebnis einer Einzelmessung
des Reflexionsgrades an einer Flachprobe aus PWA 1483 mit geschliffener und
oxidierter Oberfläche dargestellt.
Bild 45 :
Reflexionsmessung
an Probenmaterial
aus PWA 1483 am
UV/VIS/NIR
Spektrometer
20
25
30
35
40
45
50
55
60
65
1000 1016 1032 1048 1064 1080 1096 1112 1128 1144 1160 1176 1192
Wellenlänge [nm]
Reflexi
ongra
d R
[%
] PWA 1483 Oberfläche geschliffen
PWA 1483 Oberfläche oxidiert
UV/VIS/NIR Spektrometer
Lambda 9
Perkin Elmer Instruments
31 %
61 %
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 53
Im Vergleich mit einer geschliffenen Oberfläche verändert sich der
Reflexionsgrad bei einer oxidierten Oberfläche von 61 % auf 31 % gemessen
bei einer Wellenlänge von 1064 nm (Wellenlänge Nd:YAG-Laserstrahlung).
6.5 Aufbau der Temperaturregelung
Bei einer Temperaturregelung (Prozessregelung) wird ein geschlossener
Regelkreis verwendet, bei der die Ausgangsgröße über eine Rückführung
Einfluss auf die Stellgröße nimmt. Auftretende Störgrößen und Veränderungen
werden bei einem optimal ausgelegten Prozess durch die Prozessregelung
berücksichtigt und ausgeregelt. Als Regelgröße für die Temperaturregelung
(Regelung der Temperaturstrahlung) wird die von der Schmelzbadoberfläche
emittierte Temperaturstrahlung, als Stellgröße die Laserleistung festgelegt. Die
Temperaturstrahlung wird mit den jeweiligen Detektoren in den eingesetzten
Messsystemen (Precitec-System, CPC-System, Quotientenpyrometer) gemessen
und in ein Spannungssignal umgewandelt, das von dem Regler verarbeitet
wird. Dieser Istwert wird mit einem durch den Regler vorgegebenen Sollwert
verglichen. Für die Umsetzung der Temperaturregelung wird ein PI-Regler
zwischen den eingesetzten Messsystemen und dem Laser zwischengeschaltet.
Dieser regelt die Laserleistung in Abhängigkeit vom Temperatursignal, so dass
dieses auf einen vorgegebenen Wert konstant geregelt wird. In Bild 46 ist der
schematische Aufbau des Regelkreises dargestellt.
Bild 46 :
Schematische
Darstellung des
Regelkreises [54]
PI-Regler LasersystemLaserstrahl-
Umschmelzprozess
Pyrometer
Precitec-System
CPC-System
-
StellgrößeSollwert
Regelabweichung
s(t)
TemperaturstrahlungIstwert
Der PI-Regler erzeugt aus der Reglerabweichung eine Stellgröße für den Laser,
eine Spannungsvorgabe zwischen 0 V und 10 V, auf die die Laserleistung
geregelt wird. Für die Temperaturregelung können sowohl ein konstanter
Sollwert durch den Regler als auch ein wegabhängiger Sollwert extern durch
die CNC vorgegeben werden.
Aus den Experimenten ohne Temperaturregelung wird der Sollwert für die
Temperaturregelung beim Laserstrahl-Umschmelzen ermittelt. Der Verlauf der
gemessenen Temperaturstrahlung wird mit der Umschmelztiefe über die
umgeschmolzene Länge im metallurgisch präparierten Längsschliff verglichen.
Das vom Messgerät angezeigte Temperatursignal bei z = 1 mm Umschmelztiefe
wird als Sollwert für das Umschmelzen mit Temperaturregelung bestimmt
(siehe Bild 47).
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 54
Bild 47 :
Schematische
Darstellung der
Ermittlung des
Sollwerts für das
Umschmelzen mit
Temperaturregelung
1080 µm
Längsschliff der umgeschmolzenen Spur in der Schnittebene
Umschmelztiefe
Temperatursignal
z [
mm
]Te
mp
era
turs
ign
al
Flachprobe
umgeschmolzene Spur
Schnittebene
1 mm
ermittelter Sollwert
Anschließend erfolgen die Experimente mit Temperaturregelung mit den
ermittelten Sollwerten. In einer weiteren metallurgischen Auswertung wird die
Umschmelztiefe mit den geregelten Prozesssignalen abgeglichen. Für die
Entwicklung einer Temperaturregelung auf Basis einer Temperaturmessung
muss der Verlauf der Temperatur entlang der umgeschmolzenen Spur mit der
Umschmelztiefe übereinstimmen.
6.6 Nachführung der Bearbeitungsoptik
Um die Bearbeitungsoptik beim Laserstrahl-Umschmelzen vor reflektierter
Laserstrahlung und dadurch vor möglicher Beschädigung zu schützen, wird
diese um 10° in Verfahrrichtung zur Oberfläche angestellt. Dadurch trifft die
Laserstrahlung beim Laserstrahl-Umschmelzen an einer Flachprobe mit dem
Winkel g = 10° zur Oberflächennormalen n
auf die Flachprobe (Bild 48 links).
Bild 48
Schematische
Darstellung der
Anordnung von
einfallender
Laserstrahlung an
der Oberfläche von
Flachprobe und
U-Probe
n
n10° 10°
n n
n10°
U-Probe U-Probe
n10°
n10°
Laserstrahlung
Flachprobe
keine Nachführung Nachführung
Um auf gekrümmten Oberflächen für die einfallende Laserstrahlung die
gleichen Prozessbedingungen wie auf der Flachprobe zu gewährleisten, ist eine
Nachführung der Bearbeitungsoptik erforderlich. In Bild 48 ist die Änderung
des Winkels Gamma (Winkel zwischen einfallender Laserstrahlung und
Oberflächenormalen) an der U-Probe dargestellt, wenn die Bearbeitungsoptik
nicht nachgeführt wird. Während der Bearbeitung ändert sich kontinuierlich
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 55
der Winkel g von ca. 27° bis -6°. Dadurch könnte die Bearbeitungsoptik durch
reflektierte Laserstrahlung beschädigt werden. Beim Laserstrahl-Umschmelzen
auf Flächen mit gekrümmten Oberflächen wird durch die Programmierung der
Bahnbewegung im CNC-Programm der Winkel g zwischen der
Oberflächennormalen n
des Werkstücks und der einfallenden Laserstrahlung
während des Laserstrahl-Umschmelzens kontinuierlich angepasst, so dass dieser
10° beträgt. Dadurch wird eine Beschädigung der Bearbeitungsoptik durch
reflektierte Laserstrahlung ausgeschlossen. Zudem werden durch die
Nachführung der Bearbeitungsoptik Messfehler bei der Messung der
emittierten Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche durch
unterschiedliche Winkel zwischen emittierender Fläche und Detektor minimiert.
6.7 CNC-Programmerstellung
Da die Turbinenschaufeln nach einer Betriebsperiode in der Turbine in der Regel
nicht mehr die originale Geometrie aufweisen, können die Herstelldaten der
Turbinenschaufel je nach Beschädigungs- oder Verformungsgrad nicht für die
Instandsetzung herangezogen werden. Daher werden die einzelnen
Turbinenschaufeln vor dem Laserstrahl-Umschmelzen durch einen optischen
Sensor vermessen und einem Reverse Engineering unterzogen. Für das
Vermessen (Digitalisierung) der Turbinenschaufel wird der Sensor
„scanCONTROL2800“ der Firma Micro-Epsilon verwendet, der nach dem
Prinzip der optischen Triangulation (Lichtschnittverfahren) arbeitet. Der Sensor
misst bei einer Messrate bis 256.000 Messpunkte/s mit einer Auflösung in der
z-Achse von 10 µm. In Bild 49 ist der Digitalisierungsvorgang an einer
Turbinenschaufel dargestellt.
Bild 49 :
Scanvorgang an
einer
Turbinenschaufel mit
dem Messsystem
scanCONTROL2800
Turbinenschaufel
scanCONTROL2800
Laserlinie
2 cm10 cm
Anhand der digitalisierten Daten werden für die CNC-Programmerstellung
Werkzeugbahnen generiert. Das Erstellen des NC-Codes erzeugt aus den
Anlagen- und Systemtechnik
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 56
Messdaten der Konturerfassung CNC-Werkzeugbahnen in einem Datenformat,
welches von der CNC-Steuerung verarbeitet werden kann.
Bild 50 :
Digitalisierte
Geometrie an der
Saugseite der
Turbinenschaufel mit
schematischer
Darstellung der
erstellten CNC-
Werkzeugbahnen
x
z
y
Werkzeugbahnen
digitalisierte Geometrie
Die CNC-Werkzeugbahnen werden in das CNC-Programm zum Laserstrahl-
Umschmelzen integriert. Zur CNC-Programmerstellung wird die CAD/CAM-
Software DCAM 5 verwendet, deren Postprozessoren CNC-Programme für die
verwendete Maschinensteuerung PA8000 erstellt.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 57
7 Verfahrensentwicklung
7.1 Schritt 1: Grundlegende Untersuchungen an Flachproben
In Schritt 1 der Verfahrensentwicklung werden grundlegende Untersuchungen
zum Laserstrahl-Umschmelzen an Flachproben aus der Nickelbasis-
Superlegierung PWA 1483 durchgeführt. In Bild 51 ist eine Übersicht der
einzelnen Punkte im Schritt 1 der Verfahrensentwicklung dargestellt.
Bild 51 :
Übersicht der
einzelnen Punkte in
Schritt 1 der
Verfahrens-
entwicklung
1.1 Ermittlung geeigneter Verfahrensparameter zurBestimmung eines Prozessfensters
„ Anpassung der Verfahrensparameter:
Laserleistung, Vorwärmtemperatur,
Laserstrahldurchmesser,
Verfahrgeschwindigkeit
1.2 Einfluss der Struktur im Grundmaterial auf dieStruktur im umgeschmolzenen Bereich
1.3 Strategie zum Ausschalten der Laserstrahlung„ Vermeidung von Rissen
1.4 Strategie zur Überlappbearbeitung„ Bearbeitung von Flächen
1.5 Untersuchungen zur Messung der emittiertenTemperaturstrahlung
Modellierung Experimentelle Untersuchung
an Flachproben
Temperatur-messung
Wärmeleitungs-rechnungen:
Berechnung von:
„ Umschmelztiefe
„ Temperaturgradient
„ Erstarrungs-
geschwindigkeit
„ Abkühlrate
„ Vergleichende
Messungen der
Temperatur-
strahlung an der
Schmelzbad-
oberfläche mit drei
verschiedenen
Messsystemen
„ Untersuchungen zur
Umsetzung einer
Temperaturregulung
mit verschiedenen
Messsystemen
1.Spur
2.Spur
SpurFE-Modell
1.6 Einfluss der Materialdicke auf die
Umschmelztiefe
1.7 Verschließen von künstlichen Rissen
Modellierung Experimentelle Untersuchung
an Flachproben
Temperatur-messung
künstlicher Riss
„ Analyse des
Verschließens der
Risse mit
kamerabasiertem
Messsystem
tMtM
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 58
Das Ziel von Punkt 1.1 ist die Ermittlung eines Prozessfensters für das
Umschmelzen mit einkristallin erstarrter Struktur. In den weiteren Punkten wird
der Einfluss der Struktur im Grundmaterial auf die erstarrende Struktur im
umgeschmolzenen Bereich untersucht. Zudem wird das Einlauf- und
Auslaufverhalten des Umschmelzprozesses beim Ein- und Ausschalten der
Laserstrahlung untersucht. Darauf basierend werden Strategien zur
Vermeidung von Heißrissen beim Ausschalten der Laserstrahlung entwickelt.
Die Entwicklung einer Überlappbearbeitung dient zur Bearbeitung von ganzen
Flächen. Des Weiteren werden Untersuchungen zur Messung der emittierten
Temperaturstrahlung durchgeführt sowie der Einfluss der Materialdicke auf die
Umschmelztiefe wird untersucht. Abgeschlossen wird der erste Schritt durch
das Verschließen von künstlichen Rissen in Flachproben. Parallel zur
experimentellen Untersuchung werden Wärmeleitungsrechnungen auf Basis
der Finite-Elemente-Methode und vergleichende Messungen der
Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche mit verschiedenen
Messsystemen durchgeführt.
7.1.1 Ermittlung geeigneter Verfahrensparameter an Flachproben
Für eine Erhaltung der einkristallinen Struktur werden die Bedingungen beim
Laserstrahl-Umschmelzen so eingestellt, dass der Quotient gemäß Formel 5.3
möglichst groß ist. Die Bildung von Defekten während der Erstarrung wie
fehlorientierte Körner wird maßgeblich durch die verfahrensrelevanten Größen
Temperaturgradient G und Erstarrungsgeschwindigkeit v beeinflusst. Zudem
müssen Heißrisse während des Umschmelzens vermieden werden.
Zur Ermittlung eines Prozessfensters wird das Laserstrahl-Umschmelzen an
Flachproben aus der Nickelbasis-Superlegierung PWA 1483 durchgeführt. Das
Ziel der Untersuchungen ist das Erreichen einer maximal möglichen
Umschmelztiefe mit einkristallin erstarrter Struktur. Die umgeschmolzenen
Bereiche sollen möglichst frei sein von fehlorientierten Körnern, Poren und
Rissen. In Bild 52 ist ein Schemabild einer Flachprobe für die experimentellen
Untersuchungen mit den geometrischen Abmessungen sowie ein Bild einer
Flachprobe mit einer umgeschmolzenen Spur dargestellt. In den Proben liegen
die primären Dendritenstämme mit der [001] Orientierung parallel zur
umgeschmolzenen Spur.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 59
Bild 52 :
links: schematische
Darstellung einer
Flachprobe mit
umgeschmolzener
Spur
rechts:
Flachprobe mit
umgeschmolzener
Spur
umgeschmolzene Spur1
0 m
m
10 mm
[100]
[010]
[001]
[001]
[010]
Spurende Spurstart
Nach dem Laserstrahl-Umschmelzen wird das Gefüge der umgeschmolzenen
Spur in Quer- und Längsschliffen metallurgisch untersucht. Die geschliffenen
und polierten Proben werden in einer Säure bestehend aus 7 ml H2O,
500 ml HCl, 15 ml HNO3 und 100 g FeCl3 ca.15 s geätzt und abschließend
lichtmikroskopisch ausgewertet. An ausgewählten Proben werden Messungen
zur Bestimmung des Anteils an einkristallin erstarrter Struktur im
Rasterelektronenmikroskop (REM) durch die EBSD-Messtechnik (Electron
Backscatter Diffraction) durchgeführt.
Vergleichend zu der experimentellen Ermittlung geeigneter
Verfahrensparameter werden Wärmeleitungsrechnungen (Modellierungen) auf
Basis der Finite-Elemente-Methode an Flachproben durchgeführt. Durch Lösung
der Wärmeleitungsgleichung wird der Einfluss der Verfahrensparameter auf
verfahrensrelevante Größen wie Schmelzbadgeometrie, Umschmelztiefe,
Abkühlrate, Temperaturgradient und Erstarrungsgeschwindigkeit auf der
Erstarrungsfront sowie die resultierende Mikrostruktur ermittelt. Bei der
Abgleichung der aus den Experimenten ermittelten Umschmelztiefe mit den
Modellierungen wird der Absorptionsgrad der Laserstrahlung in den einzelnen
Modellrechnungen angepasst (A = 22 % 4 %), bis die errechnete
Umschmelztiefe und metallurgisch ermittelte Umschmelztiefe übereinstimmen.
Verschiedene Absorptionsgrade können durch Fehlerquellen wie z.B.
inhomogene Vorwärmtemperatur der Flachprobe oder unterschiedliche
Reflexionsgrade bei einer während der Prozessführung oxidierten Oberfläche
erklärt werden (siehe Kapitel 6.4.4). Durch einen Abgleich der experimentellen
Ergebnisse mit den Modellierungen wird der experimentelle Aufwand zur
Ermittlung eines Prozessfensters reduziert. Die Modellierung wird mit einem am
Fraunhofer Institut für Lasertechnik entwickelten FEM Programm durchgeführt,
die für die Wärmeleitungsrechnung erforderlichen temperaturabhängigen
Materialeigenschaften der Nickelbasis-Superlegierung PWA 1483 sind der
Literatur [18] entnommen. In Bild 53 ist eine Flachprobe mit FEM-Vernetzung
schematisch dargestellt, das Finite Elemente Modell besteht aus Hexaeder
Elementen mit einer Kantenlänge von 30 µm. Das Stefan Problem [64] für die
fest/flüssige Phasengrenze wird mit der Wärmekapazitätsmethode integriert.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 60
Dazu wird die Schmelzwärme mit einer Gaußkurve um die mittlere
Schmelztemperatur (0.5*(Tsolid + Tliquid)) mit einer mittleren Breite von 30 K
verteilt und der Kurve für die temperaturabhängige Wärmekapazität
überlagert. Die für die Modellierung verwendete Intensitätsverteilung (Tophat)
ist schematisch dargestellt.
Bild 53 :
FEM Vernetzung der
Flachprobe
Abmessungen
Länge L = 35 mm
Höhe H = 10 mm
Breite B = 19 mm
Schematische
Darstellung der
Intensitätsverteilung
FE-Modell der Flachprobe Intensitätsverteilung der Laserstrahlung
Aus Temperaturgradient und Erstarrungsgeschwindigkeit berechnet sich der
Quotient Gn/v (n = 3,42 siehe Bild 22). Tendenziell gilt, dass je größer dieser
Wert ist, desto wahrscheinlicher erstarrt das Gefüge mit einkristalliner Struktur.
Durch einen Abgleich von Wärmeleitungsrechnungen und experimentellen
Ergebnissen wird ein Grenzwert für die einkristalline Erstarrung beim
Laserstrahl-Umschmelzen für PWA 1483 abgeschätzt.
Für die Ermittlung eines Prozessfensters wird eine systematische Priorisierung
der relevanten Verfahrensparameter Laserleistung, Laserstrahldurchmesser,
Verfahrgeschwindigkeit, Vorwärmtemperatur und Materialdicke durchgeführt.
Für jeden Verfahrensparameter wird der Einfluss auf die einkristalline Erstarrung
(Temperaturgradient, Erstarrungsgeschwindigkeit), die Schmelzbadform
(Umschmelztiefe, Schmelzbadbreite) sowie die Vermeidung von Heißrissen
vorab bewertet.
1. Vorwärmtemperatur: Die Vorwärmung des Materials verkleinert die Rissanfälligkeit des
Werkstoffs beim Laserstrahl-Umschmelzen da mit Erhöhung der
Vorwärmtemperatur die thermischen Spannungen
(Schweißeigenspannungen) verkleinert werden (siehe Kapitel 3.1.3).
Hingegen werden bei einer kleineren Vorwärmtemperatur die
Erstarrungsbedingungen an der Schmelzbadoberfläche günstiger, da
die Temperaturgradienten größer werden. Für das Laserstrahl-
Umschmelzen von PWA 1483 sind nur bestimmte Bereiche an
Vorwärmtemperaturen geeignet. Aufgrund der temperaturabhängigen
2 Dieser Wert wird in [30] für die Nickelbasis-Superlegierung CMSX-4 ermittelt, im Vergleich mit PWA 1483 ergeben sich
Abweichungen aufgrund abweichender physikalischer Eigenschaften wie z.B. Breite Erstarrungsintervall ΔT0
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 61
Fließspannung der ’-Phase sollten Vorwärmtemperaturen zwischen
etwa 700 °C und 900 °C vermieden werden, da die Legierungen mit
Volumenanteil an ’-Phase in Abhängigkeit vom Volumenanteil ein
Maximum in der Fließspannung in diesem Temperaturbereich aufweisen
(Bild 11). Für die Ermittlung eines Prozessfensters werden die beiden
Vorwärmtemperaturen TV1 und TV2 außerhalb des kritischen
Temperaturbereichs festgelegt, wobei TV1 > 900 °C und TV2 < 700 °C
[65] ist.
2. Laserstrahldurchmesser: Beim Laserstrahl-Umschmelzen an Nickelbasis-Superlegierungen
entspricht die maximale mögliche Umschmelztiefe etwa dem Radius der
Laserstrahlung (Top hat Intensitätsverteilung vorausgesetzt) [66]. Daher
wird für eine Umschmelztiefe von mindestens 1 mm ein
Laserstrahldurchmesser von dmin = 2 mm benötigt. Für die
experimentelle Umsetzung werden die drei Laserstrahldurchmesser d1,
d2 und d3 mit kreisförmiger Leistungsdichteverteilung festgelegt, wobei
gilt: d1 dmin, d1 = 1,5 d2, d3 = 0,5 d1. Mit zunehmendem
Laserstrahldurchmesser wird die Intensitätsverteilung der verwendeten
Laserstrahlung inhomogener (siehe Bild 122, Anhang 10.2), damit
werden auch die Vorraussetzungen für die einkristalline Erstarrung
ungünstiger.
3. Verfahrgeschwindigkeit: Bei kleineren Verfahrgeschwindigkeiten werden bei gleicher
Umschmelztiefe größere Temperaturgradienten an der
Phasenumwandlungsfront erzielt. Das findet seine Begründung darin,
dass bei geringerer Verfahrgeschwindigkeit die
Phasenumwandlungsfront dichter an die Laserstrahl-Stoff-
Wechselwirkungszone heranrückt. Damit wird der Quotient
(Formel 5.3) größer. Für die Ermittlung eines Prozessfensters werden die
vier Verfahrgeschwindigkeiten v1, v2, v3 und v4 festgelegt, wobei gilt:
v2 = 0,5 v1, v3 = 0,25 v1 und v4 = 0,15 v1.
4. Laserleistung: Durch eine Erhöhung der Laserleistung wird eine Zunahme an
Umschmelztiefe erreicht. In der experimentellen Umsetzung wird die
Laserleistung kontinuierlich erhöht bis die maximale Umschmelztiefe mit
einkristallin erstarrter Struktur erreicht wird. Generell werden mit zunehmender Umschmelztiefe die
Erstarrungsbedingungen für die einkristalline Erstarrung kontinuierlich
ungünstiger, da mit zunehmender Umschmelztiefe die
Temperaturgradienten kleiner werden.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 62
5. Materialdicke: Die Materialdicke beeinflusst die Wärmeleitung in den Grundwerkstoff
und damit den Temperaturgradienten. Je kleiner die Materialdicke,
desto ungünstiger werden die Bedingungen für die einkristalline
Erstarrung. Zur Ermittlung eines Prozessfensters werden Flachproben
mit einer Materialdicke von 10 mm verwendet. Der Einfluss der
Materialdicke auf die einkristalline Erstarrung und die Umschmelztiefe
wird im zweiten Schritt der Entwicklung der verfahrenstechnischen
Grundlagen untersucht.
In Tabelle 9 sind die Auswirkungen auf die Umschmelztiefe und die
einkristalline Erstarrung bei einer Erhöhung der einzelnen Verfahrensparameter
zusammengefasst.
Verfahrensparameter Umschmelztiefe
(nimmt zu )
Einkristalline
Erstarrung G3,4/v
1 Vorwärmtemperatur
2 Laserstrahldurchmesser
3 Verfahrgeschwindigkeit
4 Laserleistung 5 Materialdicke
Tabelle 9 : Einfluss der Verfahrensparameter auf die Umschmelztiefe und die einkristalline Erstarrung
Ergebnisse Vorwärmtemperatur TV1
Laserstrahldurchmesser d1
In den Untersuchungen mit dem Laserstrahldurchmesser d1 wird die
Verfahrgeschwindigkeit in dem gesamten Bereich von v1 bis v4 variiert. Durch
eine Anpassung der Laserleistung wird für jede Verfahrgeschwindigkeit eine
Umschmelztiefe von 1 mm erreicht. Mit kleiner werdender Geschwindigkeit
nimmt der Anteil fehlorientierter Körner im umgeschmolzenen Bereich bei
gleicher Umschmelztiefe ab. Ein geeignetes Prozessfenster wird bei der
Verfahrgeschwindigkeit v3 ermittelt. Dabei wird eine Umschmelztiefe von über
1 mm mit einkristallin erstarrter Struktur erreicht. Eine weitere Verkleinerung
der Verfahrgeschwindigkeit von v3 auf v4 führt nicht zu einer weiteren
Zunahme der Umschmelztiefe mit einkristallin erstarrtem Gefüge. Bei gleichem
Absorptionsgrad sollte die weitere Reduzierung der Verfahrgeschwindigkeit zu
höheren Oberflächentemperaturen führen. Dies kann eine mögliche Belegung
der Schmelzbadoberfläche (z.B. Oxidschicht) auflösen und damit eine
Marangoniströmung initiieren. Die Marangoniströmung verursacht
Mikroseigerungen auf der Erstarrungsfront mit dem Resultat einer höheren
konstitutionellen Unterkühlung und der damit verbunden Gefahr eines CET
Übergangs. Die Verhältnisse können aber alternativ auch so liegen, dass die
Prozesstemperaturen bei v3 bereits knapp unterhalb der
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 63
Verdampfungstemperatur sind, so dass eine weitere Reduzierung der
Verfahrgeschwindigkeit eine Verdampfung initiiert. Dann aber ist keine weitere
Erhöhung der Schmelztiefe zu erwarten. Darüber hinaus wird der
eingekoppelte Wärmestrom und damit der Temperaturgradient in der Schmelze
insgesamt reduziert. Das müsste eine detaillierte Rechnung zeigen, ob sich
dann insgesamt der Quotient (Formel 5.3) auf der Erstarrungsfront verkleinert.
In Tabelle 10 ist eine Übersicht aller durchgeführten Versuche aufgelistet.
Verfahrgeschwindigkeit v Laserleistung P [W]
v1 250
v2 200 ‟ 700
v3 50 ‟ 350
v4 140 ‟ 250 Tabelle 10 : Übersicht über die durchgeführten Versuche mit dem Laserstrahldurchmesser d3
Exemplarisch werden einige der ausgewerteten Versuche anhand von Quer-
und Längsschliffen zur Beurteilung der Umschmelztiefe und der einkristallinen
Struktur vorgestellt. In Bild 54 ist ein Querschliff einer umgeschmolzenen Spur
zusammen mit den Verfahrensparametern dargestellt. Die maximale Tiefe der
Spur beträgt zm = 1100 µm. Die [001] Orientierung der Dendriten im
Grundmaterial ist schematisch dargestellt. Während des Laserstrahl-
Umschmelzprozesses ist der geschmolzene Bereich in Kontakt mit dem
Grundmaterial. Sobald eine erste Erstarrung der Schmelze im Übergangsbereich
fest-flüssig einsetzt, übernimmt die erstarrende Struktur die Orientierung der
Kristallstruktur im Grundmaterial, d.h. die Struktur wächst epitaktisch an den
teilweise angeschmolzenen Dendriten im Grundmaterial. Im umgeschmolzenen
Bereich sind die Dendriten mit drei zueinander senkrechten Orientierungen im
Schmelzbad gewachsen. Die Wachstumsrichtung, die am nächsten zum lokalen
Temperaturgradienten im Schmelzbad liegt, ist die bevorzugte
Wachstumsrichtung (siehe auch Bild 13). Die erstarrte Mikrostruktur im
umgeschmolzenen Bereich ist im Vergleich zum Grundmaterial feiner
ausgebildet. Der Abstand der Dendriten 1 beträgt im Grundmaterial 400 ‟
600 µm und im umgeschmolzenen Bereich etwa 20 ‟ 30 µm.
Bild 54 :
Querschliff einer
umgeschmolzenen
Spur:
Verfahrens-
parameter:
TV = TV1
d = d1
v = v3
P = 250 W
zm = 1100 µm
[100][010][010]
[001]
zm = 1100 µm
Abgleich Modellierung - Experiment TV = 1000 °C, v = 50 mm/min
P = 250 W
v = 50 mm/min
d = 4 mm
TV= 1000°C
zm = 1100 µm
aus Modellierung
ermittelte Schmelzisotherme
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 64
Die in Bild 54 dargestellte Struktur ist einkristallin, da im umgeschmolzenen
Bereich kaum fehlorientierte Körner erstarrt sind. In Bild 55 ist ein Längsschliff
einer umgeschmolzenen Spur mit identischen Verfahrensparametern
dargestellt. Die Länge der umgeschmolzenen Spur beträgt l = 25 mm. Nach ca.
2 mm umgeschmolzener Länge (Einlauflänge) ist eine Umschmelztiefe von
1 mm erreicht. Die Umschmelztiefe verläuft entlang der umgeschmolzenen
Spur nahezu konstant, die maximale Umschmelztiefe beträgt ca. 1100 µm vor
dem Ausschalten der Laserstrahlung.
Bild 55 :
Längsschliff einer
umgeschmolzenen
Spur:
Verfahrens-
parameter:
TV = TV1
d = d1
v = v3
P = 250 W
zm = 1100 µm
1100 µm
Spurende
Risse
[100]
[001]
Einlauflänge
Beim Ausschalten der Laserstrahlung bilden sich im erstarrten Schmelzbad Risse
(Heißrisse). Auf die Ursache der Entstehung der Risse und eine Strategie zur
Vermeidung dieser Risse wird im Kapitel 7.1.3 eingegangen. Vergleichend zu
den experimentellen Ergebnissen werden Wärmeleitungsrechnungen mit
identischen Verfahrensparametern durchgeführt. In Bild 56 ist die
Temperaturverteilung im Schmelzbad beim Umschmelzen an einer Flachprobe
in einer mittig geschnittenen Ansicht dargestellt.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 65
Bild 56 :
Ergebnis einer
Modellierung
Absorptionsgrad:
A = 26 %
Verfahrens-
parameter:
TV = TV1
d = d1
v = v3
P = 250 W
Schmelzisotherme
Die ermittelte Schmelzisotherme wird für einen Abgleich in den Querschliff der
umgeschmolzenen Spur eingezeichnet (Bild 54). Die in dem Querschliff der
umgeschmolzenen Spur ermittelte Umschmelztiefe und die rechnerisch
ermittelte Umschmelztiefe stimmen überein. Die größten
Temperaturgradienten liegen an der Schmelzbadoberfläche mit ca. 270 K/mm,
der minimale Temperaturgradient beträgt ca 120°K/mm bei maximaler
Umschmelztiefe (Bild 57).
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 66
Bild 57 :
Ergebnis der
Modellierung,
oben:
Temperaturgradient
im Schmelzbad
unten:
Abstand der
primären
Dendritenstämme im
Schmelzbad,
Absorptionsgrad:
A = 26 %
Verfahrens-
parameter:
TV = TV1
d = d1
v = v3
P = 250 W
]mm/K[/T
4
1
2
1
11 vGKK1 = 1
]mm/[1
Ausschnitt eines
Querschliffs einer
umgeschmolzenen
Spur, bemaßte
Dendritenabstände
in unterschiedlichen
Wachstums-
richtungen
]mm/[1
[001]
[100] [010]
37 µm
29 µm17 µm
Der Abstand der primären Dendritenstämme 1 ist nach Formel 4.2 (K1 = 1)
berechnet, der ermittelte Wert liegt zwischen 15 µm und 40 µm und entspricht
den in den Querschliffen gemessenen Abständen (Bild 57). Eine weiteres
Ergebnis der Wärmeleitungsrechnungen ist die Ermittlung des Quotienten G3,4/v
(Bild 58). Die maximalen Werte liegen am Rand des Schmelzbades zu Beginn
der Erstarrung, während die minimalen Werte im Zentrum des Schmelzbades
liegen. Aus dem berechneten Ergebnis lässt sich eine obere Schranke bei
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 67
5.04E+20 K3.4/m4.4 für die einkristalline Erstarrung ermitteln, dies ist der kleinste
Wert innerhalb der berechneten Schmelzbadgeometrie in Bild 58.
Bild 58 :
Ergebnis der
Modellierung,
G3,4/v
Absorptionsgrad:
A = 26 %
Verfahrens-
parameter:
TV = TV1
d = d1
v = v3
P = 250 W
Eine obere Schranke für den Grenzwert liegt demnach bei 5.04E+20 K3.4/m4.4.
]m/sK[/v
Gmax 4,44,3
]ijk[
4,3]ijk[
Der berechnete Wert ist um drei Größenordnungen kleiner als der von
Gäumann ermittelte Wert beim Laserstrahl-Umschmelzen an der Nickelbasis-
Superlegierung CMSX 4 (G3,4/v = 2,7 1024 K3,4/m4,4). Zu beachten ist, dass in den
Arbeiten von Gäumann für die Berechnung der Werte die Lösung der
Wärmeleitungsgleichung nach Rosenthal [68] mit einer Punktquelle verwendet
wird. Diese Lösung geht von temperaturunabhängigen Materialeigenschaften
aus, vermutlich sind dadurch die Temperaturgradienten erheblich unterschätzt
worden.
Bei den Experimenten mit Verfahrgeschwindigkeiten in den Bereichen von v1
bis v2 werden keine Umschmelztiefen von 1 mm mit einkristallin erstarrter
Struktur erreicht. Exemplarisch wird ein Querschliff einer umgeschmolzenen
Spur bei der Verfahrgeschwindigkeit v2 vorgestellt (Bild 59). Das Gefüge ist
polykristallin, da im umgeschmolzenen Bereich zahlreiche fehlorientierte Körner
erstarrt sind, einige dieser Körner sind in Bild 59 gekennzeichnet. Die Bereiche
mit den unterschiedlichen Wachstumsrichtungen sind nicht ausgebildet, die
maximale Umschmelztiefe in der Mitte der Spur beträgt zm = 1800 µm.
Bild 59 :
Querschliff einer
umgeschmolzenen
Spur:
Verfahrens-
parameter:
TV = TV1
d = d1
v = v2,
P = 700 W
Abgleich Modellierung - Experiment TV = 1000 °C , v = 100 mm/min
P = 700 W
v = 100 mm/min
d = 4 mm
TV= 1000°C
zm = 1800 µm
Schmelzisotherme
fehlorientierte Körner
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 68
Vergleichend zu dem experimentellen Ergebnis sind in Bild 60 durch
Wärmeleitungsrechnung ermittelte Temperaturgradienten in der
Schmelzbadform dargestellt.
Bild 60 :
Ergebnis der
Modellierung,
oben:
Temperaturgradient
unten:
G3,4/v
Absorptionsgrad:
A = 18 %
Verfahrens-
parameter:
TV = TV1
d = d1
v = v2,
P = 700 W
]m/sK[/v
Gmax 4,44,3
]ijk[
4,3]ijk[
Eine untere Schranke für den Grenzwert liegt demnach bei 3.91E+20 K3.4/m4.4. Für eine genauere Bestimmung müssten
weitere Experimente mit weiteren Zwischenwerten bzgl. der Einschmelztiefe durchgeführt werden. Darüber hinaus hat
Gäumann die Rosenthal Lösung verwendet. Das ist eine sehr grobe Lösung für dieses Problem. Also mach dir kein Kopf
über die vier Größenordnungen. Wir sind genauer!!!
]mm/K[/T
Die größten Temperaturgradienten liegen an der Schmelzbadoberfläche mit
ca. 400 K/mm, der minimale Temperaturgradient beträgt ca. 100°K/mm bei
maximaler Umschmelztiefe.
Aus dem Quotienten G3,4/v wird eine untere Schranke für die einkristalline
Erstarrung ermittelt, die demnach bei G3,4/v = 3.91E+20 K3.4/m4.4 (minimaler
Wert in berechneter Schmelzbadgeometrie in Bild 60 unten) liegt. Weitere
Berechnungen für eine exaktere Bestimmung eines Grenzwertes für die
einkristalline Erstarrung werden nicht durchgeführt. Die in den
Modellrechnungen für Temperaturgradient G und Erstarrungsgeschwindigkeit v
ermittelten Werte (Bild 58, Bild 60) werden abschließend in ein Diagramm nach
Gäumann (Bild 21) eingetragen.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 69
Bild 61 :
Erstarrungs-
morphologie für das
Laserstrahl-
Umschmelzen, nach
[30]
vv
Ers
tarr
un
gsg
esc
hw
ind
igkeit
v [
m/s
]
Temperaturgradient G [K/m]
1
2
Laserstrahl-Umschmelzen
globulitisch
gerichtet
dendritisch
= KG3,4
v
1. einkristallin
2. polykristallin
P = 700 W
TV = TV1
d = d1
v = v2
zm = 1800 µm
P = 250 W
TV = TV1
d = d1
v = v3
zm = 1100 µm
möglicher Verlauf
der Trennlinie
Die ermittelten Werte liegen nicht in dem für das Laserstrahl-Umschmelzen
angegebenen Prozessfenster. Die Punkte zeigen auch nicht eine ausgeprägte
Trennschärfe zueinander auf. Zu beachten gilt wieder, dass in den Arbeiten von
Gäumann für die Berechnung der Werte die Lösung der
Wärmeleitungsgleichung nach Rosenthal [68] mit einer Punktquelle verwendet
wird.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 70
Laserstrahldurchmesser d2
In den Untersuchungen mit dem Laserstrahldurchmesser d2 wird die
Verfahrgeschwindigkeit auf v3 festgelegt. Die Laserleistung wird in dem Bereich
von P = 50 W bis P = 320 W variiert. Die maximale Umschmelztiefe mit
einkristallin erstarrter Struktur beträgt ca. 1000 µm bei einer Laserleistung von
P = 220 W (Bild 62).
Bild 62 :
Querschliff einer
umgeschmolzenen
Spur, Verfahrens-
parameter:
TV = TV1
d = d2
v= v3
P = 220 W
V:/A23/2001/DISS/PIRCH/eeux06/Siemens/Meshes/Bilder/
Neu/Vergleich.ppt
D = 3 mm
v = 50 mm/min
P = 220 W
TV = 1000°C
Durch eine Erhöhung der Laserleistung bis auf P = 320 W werden
Umschmelztiefen bis zu 1300 µm erzielt, jedoch nimmt die Anzahl an
fehlorientierten Körnern ab einer Umschmelztiefe von 1000 µm stetig zu.
Laserstrahldurchmesser d3
In den Untersuchungen mit dem Laserstrahldurchmesser d3 wird die
Verfahrgeschwindigkeit auf v3 festgelegt. Die Laserleistung wird in dem Bereich
von P = 50 W bis P = 320 W variiert. Die maximale Umschmelztiefe mit
einkristallin erstarrter Struktur beträgt ca. 800 µm bei einer Laserleistung von
P = 220 W (Bild 63).
Bild 63 :
Querschliff einer
umgeschmolzenen
Spur, Verfahrens-
parameter:
TV = TV1
d = d3
v = v3
P = 220 W
V:/A23/2001/DISS/PIRCH/eeux06/Siemens/Meshes/Bilder/
Neu/Vergleich.ppt
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 71
Darüber hinaus werden Umschmelztiefen von bis 1300 µm mit fehlorientierten
Körnern erreicht bei einer Laserleistung von P = 320 W.
Insgesamt werden für zwei Laserstrahldurchmesser bei einer
Verfahrgeschwindigkeit von v3 Umschmelztiefen von 1 mm mit einkristallin
erstarrter Struktur erreicht. Eine maximale Umschmelztiefe mit einkristalliner
Struktur wird mit dem Laserstrahldurchmesser d1 erreicht, ab einer
Umschmelztiefe von ca. 1200 µm nimmt die Anzahl an fehlorientierten Körnern
im umgeschmolzenen Bereich rapide zu. In Bild 64 ist die erreichte
Umschmelztiefe über der Laserleistung der drei Laserstrahldurchmesser für alle
durchgeführten Versuche dargestellt.
Bild 64 :
Erreichbare
Umschmelztiefe bei
einer
Vorwärmtemperatur
von TV1 und einer
Verfahr-
geschwindigkeit von
v3
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
0 50 100 150 200 250 300 350 400
Laserleistung P [W]
Um
sch
melz
tiefe
z [
µm
]
Laserstrahldurchmesser
Laserstrahldurchmesser
Laserstrahldurchmesser
einkristallin erstarrte
Struktur d3
einkristallin erstarrte
Struktur d2
einkristallin erstarrte
Struktur d1
polykristallin erstarrte Strukturd3
d2
d1
In dem Diagramm wird eine approximativ lineare Zunahme der Schmelztiefe als
Funktion der Laserleistung dargestellt. Bei dem Strahldurchmesser von 2 mm
werden wahrscheinlich schon bei einer Schmelztiefe von 0.8 mm
Prozesstemperaturen knapp unterhalb der Verdampfungstemperatur erzielt.
Die Verdampfungen führen insgesamt zu einer Verkleinerung der
Temperaturgradienten in der Schmelze, damit wird die Bildung von
fehlorientierten Körnern (CET-Übergang) wahrscheinlicher. Bei größeren
Strahldurchmessern tritt ein CET-Übergang wegen der längeren
Wechselwirkungszeiten und kleineren Leistungsdichteverteilungen bei größeren
Laserleistungen ein.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 72
Ergebnisse Vorwärmtemperatur TV2
In den Untersuchungen zum Laserstrahl-Umschmelzen bei der
Vorwärmtemperatur TV2 mit dem Laserstrahldurchmesser d1 wird die
Verfahrgeschwindigkeit auf v3 festgelegt. Die Laserleistung wird in 50 W ‟
100 W Schritten von 750 W bis 1300 W variiert, um die maximale
Umschmelztiefe mit einkristallin erstarrter Struktur zu ermitteln. In Bild 65 ist
die erzielte Umschmelztiefe über die Laserleistung dargestellt. Die Bereiche, in
denen das Gefüge mit einkristallin oder polykristallin erstarrter Struktur erstarrt,
sind gekennzeichnet.
Bild 65 :
Erreichbare
Umschmelztiefe über
Laserleistung mit
einkristallin und
polykristallin
erstarrter Struktur
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
700 800 900 1000 1100 1200 1300 1400 1500
Um
schm
elz
tief
e z
[µm
]
Laserleistung P [W]
polykristallin erstarrte Struktur
einkristallin erstarrte Struktur
TV = 500
polykristallin erstarrte Struktur
einkristallin erstarrte Struktur
Mit zunehmender Laserleistung werden größere Umschmelztiefen erzielt. Die
größten Umschmelztiefen mit einkristallin erstarrter Struktur liegen bei ca.
1200 µm. Ab einer Umschmelztiefe von 1200 µm nimmt die Anzahl an
fehlorientierten Körnern rapide zu. Exemplarisch werden einige der
ausgewerteten Versuche anhand von Querschliffen zur Beurteilung der
Umschmelztiefe und der einkristallinen Struktur vorgestellt.
Die maximale Umschmelztiefe bei einer Laserleistung von P = 750 W beträgt
etwa zm = 800 µm (Bild 66). In der umgeschmolzenen Zone sind drei Bereiche
mit unterschiedlich zueinander senkrechten Orientierungen erstarrt (vergleiche
Bild 54). Der Abstand der Dendriten 1 beträgt im Grundmaterial 400 ‟ 600 µm
und im umgeschmolzenen Bereich etwa 20 ‟ 30 µm. Zur Beurteilung der
einkristallinen Struktur ist vergleichend zum Querschliff die Auswertung einer
EBSD-Messung dargestellt. In dem Ergebnis der EBSD-Messung dient die weiß
gestrichelte Linie als Orientierungshilfe zur Kennzeichnung des erstarrten
Schmelzbades.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 73
Bild 66 :
Querschliff einer
umgeschmolzenen
Spur:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 750 W
Ergebnis der EBSD-
Messung
10°-15°Minimum 0°
Maximum 54,2°
[001]
[100] [010][010]
[001]
[001]
Große Bereiche der umgeschmolzenen Zone sind in gleicher Orientierung mit
dem Grundmaterial erstarrt. Im oberen Randbereich weicht die Orientierung
der Dendriten um etwa 10°-15° im Vergleich zum Grundmaterial ab. Diese
Abweichungen werden nach [69] als Kleinwinkelkorngrenzen bezeichnet und
sind für eine industrielle Anwendung tolerierbar. In einem weiteren Experiment
wird die Laserleistung von P = 750 W auf P = 900 W erhöht. Dadurch
vergrößert sich die maximale Umschmelztiefe von zm = 800 µm auf
zm = 1000 µm (Bild 67).
Bild 67 :
Querschliff einer
umgeschmolzenen
Spur: zm = 1000 µm,
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
Ergebnis der EBSD-
Messung
10°-15°Minimum 0°
Maximum 54,2°
[001]
[100][010][010]
[001]
[001]
Zur Beurteilung der einkristallinen Struktur ist vergleichend zum Querschliff die
Auswertung einer EBSD-Messung dargestellt. Große Bereiche des
umgeschmolzenen Bereichs sind in gleicher Orientierung mit dem
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 74
Grundmaterial erstarrt. Im oberen Randbereich weicht die Orientierung der
Dendriten um etwa 10°-15° im Vergleich zum Grundmaterial ab.
Eine weitere Erhöhung der Laserleistung bei sonst gleichen
Verfahrensparametern führt zu einer weiteren Erhöhung der maximalen
Umschmelztiefe, aber auch zu einer Zunahme an fehlorientierten Körnern im
umgeschmolzenen Bereich. In Bild 68 sind zwei Querschliffe dargestellt, die mit
dem gleichen Verfahrensparameter an zwei unterschiedlichen Flachproben
durchgeführt werden. Die maximale Umschmelztiefe beträgt in beiden
Querschliffen ca. zm = 1200 µm. In dem unteren Querschliff sind zwei
fehlorientierte Körner im umgeschmolzenen Bereich markiert. Generell erhöht
sich die Anzahl an fehlorientierten Körnern bei einer Zunahme der
Umschmelztiefe größer 1200 µm.
Bild 68 :
Querschliff von zwei
umgeschmolzenen
Spuren,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 1300 W
Trial 372 (OFH)
P = 1300 W
v = 50 mm/min
TV= 500°C
zm = 1260 µm
b = 6640 µm
[100] [010][010]
[001]
[100]
[001]
[010][010]
fehlorientierte Körner
Die Umschmelzergebnisse zeigen, dass durch eine Erhöhung der Laserleistung
zwar die Einschmelztiefe bis auf 1200 µm vergrößert werden kann, jedoch
nimmt auch die Anzahl an fehlorientierten Körnern im umgeschmolzenen
Bereich zu.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 75
Die Ergebnisse in Punkt 1.1 zeigen, dass durch Laserstrahl-Umschmelzen an
Flachproben eine Umschmelztiefe von 1 mm mit einkristallin erstarrter Struktur
erreicht wird. In Bild 69 ist die erreichbare Umschmelztiefe mit einkristallin
erstarrter Struktur bei unterschiedlichen Vorwärmtemperaturen dargestellt.
Untersuchungen bei Raumtemperatur werden nicht durchgeführt, aus der
Literatur ist bekannt, dass bei Raumtemperatur eine maximale Umschmelztiefe
von ca. 600 µm - 700 µm mit einkristallin erstarrter Struktur erreicht wird
(Kapitel 5).
Bild 69 :
Erreichbare
Umschmelztiefe mit
einkristallin erstarrter
Struktur bei
unterschiedlichen
Vorwärm-
temperaturen
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
2000
20 TV2 TV1
Vorwärmtemperatur TV [°C]
Um
sch
melz
tiefe
zm
[µ
m]
Struktur erstarrt mit Misorientierungen
Struktur erstarrt einkristallin (SX)
Stand
der
Technik
TV2 TV1
In Tabelle 11 sind die ermittelten Verfahrensparameter für beide
Vorwärmtemperaturen TV1 und TV2 dargestellt. Bei diesen
Verfahrensparametern wird an Flachproben mit einer Materialdicke von 10 mm
eine Umschmelztiefe von 1 mm mit einkristallin erstarrter Struktur erreicht.
Verfahrensparameter Größe [Einheit]
Vorwärmtemperatur TV = TV2 TV = TV1
Verfahrgeschwindigkeit v = v3 v = v3
Laserleistung P = 900 W P = 250 W
Laserstrahldurchmesser d= d1 d = d1
Tabelle 11 : Ermittelte Verfahrensparameter für Flachproben mit einer Materialdicke von 10 mm
Aufgrund der großen Belastung der Anlagentechnik (thermische Belastung der
Prozesskammern, Verschmutzung bzw. Versagen der Schutzgläser) wird für die
weitere Verfahrensentwicklung an dem Probenmaterial und der
Turbinenschaufel die Vorwärmtemperatur TV2 verwendet.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 76
7.1.2 Einfluss der Dendritenorientierung im Grundmaterial
Für die Entwicklung verfahrenstechnischer Grundlagen für das Verschließen von
Rissen in einkristallin erstarrten Turbinenschaufeln wird eine Übertragung der
Verfahrensparameter von den Flachproben auf die unterschiedlichen Bereiche
der Turbinenschaufel durchgeführt. Da die Risse in den unterschiedlichen
Bereichen der Turbinenschaufel Plattform, Schaufelblatt und Fillet verschlossen
werden, variiert die Lage und Orientierung der Dendriten in dem Grundmaterial
in Bezug zur Oberfläche der Turbinenschaufel und damit zur umgeschmolzenen
Spur. Aus der Literatur [47] ist bekannt, dass die Lage und Orientierung der
Dendriten im Grundmaterial die einkristallin erstarrte Struktur im Schmelzbad
beeinflussen (siehe Kapitel 5.2). An einem Beispiel wird der in Punkt 1.1
entwickelte Verfahrensparameter an einer Flachprobe angewendet, in der die
sekundären Dendritenarme nicht parallel zu den Kanten der Flachprobe
ausgerichtet sind. In Bild 70 ist die Lage und Orientierung der Dendriten in der
Flachprobe schematisch dargestellt. Die Ausrichtung der sekundären
Dendritenarme zur Kante der Flachprobe (x-Achse) weicht um ca. 20° ab, bei
den bisher eingesetzten Proben beträgt diese Abweichung < 5°.
Bild 70 :
Schematische
Darstellung der Lage
und Orientierung der
Dendriten in der
Flachprobe
z
x
20°[001]
Flachprobe
z
x
primärer Dendritenstamm
sekundärer
Dendritenarm
In Bild 71 sind ein metallurgisch präparierter Querschliff und das Ergebnis einer
EBSD-Messung an einer mit dem Standardparameter umgeschmolzenen Spur
dargestellt. Die maximale Umschmelztiefe der Spur beträgt zm = 1000 µm.
Aufgrund der Erstarrungsbedingungen im Schmelzbad haben sich drei Bereiche
mit unterschiedlich orientierten Dendriten gebildet.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 77
Bild 71 :
Querschliff einer
umgeschmolzenen
Spur: zm = 1000 µm
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
Ergebnis der EBSD-
Messung
10°-15°Minimum 0°
Maximum 54,2°
20°
[100][010]
[001]
In dem Ergebnis der EBSD-Messung dient die weiß gestrichelte Linie als
Orientierungshilfe zur Kennzeichnung des erstarrten Schmelzbades. Große
Bereiche des umgeschmolzenen Bereichs sind in gleicher Orientierung mit dem
Grundmaterial erstarrt. Im oberen Randbereich weicht die Orientierung der
Dendriten um etwa 10°-15° im Vergleich zum Grundmaterial ab.
Das Umschmelzergebnis an dieser Flachprobe zeigt: Wenn sich die Lage und
die Orientierung der Dendriten im Grundwerkstoff ändert, ändern sich auch die
Bereiche mit unterschiedlicher Kristallorientierung im umgeschmolzenen
Bereich (vergleiche Bild 67). Trotzdem wird eine Umschmelztiefe von 1 mm mit
einkristallin erstarrter Struktur erreicht. Bei ungünstiger Orientierung der
primären Dendritenstämme im Grundmaterial zur umgeschmolzenen Spur
vergrößert sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich fehlorientierte Körner im
umgeschmolzenen Bereich bilden.
7.1.3 Vermeidung von Heißrissen beim Ausschalten der Laserstrahlung
Wie bereits in Bild 55 dargestellt ist, erstarrt das Schmelzbad beim Ausschalten
der Laserstrahlung mit der Ausbildung von Heißrissen (Erstarrungsrissen). Die
Ursache der Risse beim Ausschalten der Laserstrahlung ist schematisch in Bild
72 links dargestellt. Nach dem Ausschalten der Laserstrahlung findet die
Erstarrung der Schmelze auf der gesamten fest/flüssigen Phasengrenze statt.
Die Erstarrungsfront propagiert vom Randbereich hin zur Mitte des
Schmelzbades. Da in der Mitte keine Schmelze nach fließt, bilden sich aufgrund
von auftretender Schrumpfbeanspruchung des erstarrenden Materials
Zugspannungen und schließlich Heißrisse aus (vergleiche Kapitel 3.1.3). In der
Mitte des Schmelzbades bildet sich eine Art „Krater“ (Bild 74 oben). In Bild
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 78
72 rechts ist vergleichend das Schmelzbad nach der Erstarrung dargestellt, in
der Mitte ist das Schmelzbad mit Rissen erstarrt.
Bild 72 :
Schematische
Darstellung der
Erstarrungsfront
beim Ausschalten
der Laserstrahlung
(links) und nach der
Erstarrung des
Schmelzbades
(rechts)
v100 v100
v001
Ausschalten der Laserstrahlung Nach der Erstarrung
Risse
Aus Untersuchungen zum artgleichen Laserstrahl-Auftragschweißen von
einkristallin erstarrtem PWA 1483 ist bekannt, dass durch eine wegabhängige
Rampe der Laserleistung Risse beim Ausschalten der Laserstrahlung verhindert
werden [70]. Darauf basierend werden in einer Studie Untersuchungen mit
unterschiedlichen Rampenlängen von l = 1 mm bis l = 5 mm zum Ausschalten
der Laserstrahlung am Ende der Spur durchgeführt. In Bild 73 sind vergleichend
Längsschliffe von vier Spuren dargestellt, bei denen die Rampenlänge zum
Ausschalten der Laserstrahlung variiert wird.
Bild 73 :
Längsschliff von vier
umgeschmolzenen
Spuren, Variation
der wegabhängigen
Rampe,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
Risse,“Krater”
1. Spur: Ausschalten der Laserstrahlung ohne Rampe l = 0 mm
2. Spur: Ausschalten der Laserstrahlung mit Rampe l = 1 mm
3. Spur: Ausschalten der Laserstrahlung mit Rampe l = 3 mm
4. Spur: Ausschalten der Laserstrahlung mit Rampe l = 5 mm
Spurende
Spurende
Spurende
Spurende
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 79
Beim Laserstrahl-Umschmelzen der ersten Spur wird die Laserstrahlung am
Ende der Spur ohne Rampe (l = 0 mm) ausgeschaltet. Das Gefüge erstarrt beim
Ausschalten der Laserstrahlung mit Rissen. Mit größer werdender Rampenlänge
werden die Bereiche mit Rissen und Fehlorientierungen kleiner. Beim
Laserstrahl-Umschmelzen der vierten Spur wird die Laserstrahlung durch eine
wegabhängige Rampe auf einer Strecke von l = 5 mm ausgeschaltet. Im
Längsschliff der umgeschmolzenen Spur sind keine Risse und keine
fehlorientierten Körner erstarrt. Die umgeschmolzene Spur weist somit über die
gesamte Länge ein gleichmäßig einkristallin erstarrtes Dendritenwachstum auf.
In Bild 74 ist schematisch der Verlauf des Schmelzbades dargestellt, wenn die
Laserleistung durch eine wegabhängige Rampe linear bis auf eine minimale
Laserleistung verkleinert und anschließend ausgeschaltet wird. Durch die
Verkleinerung der Laserleistung wird das Schmelzbad kontinuierlich unter
Beibehaltung einer Erstarrungs- und Schmelzfront auf eine für die Rissbildung
unkritische Größe verkleinert, so dass das Schmelzbad ohne Risse erstarrt.
Bild 74 :
Schematische
Darstellung des
Schmelzbades beim
Ausschalten der
Laserstrahlung durch
eine Rampe der
Laserleistung
P:\
EIN
KR
IST
\Be
rich
te\P
art
2\U
msc
hm
elz
en
PW
A 1
48
3.p
pt
Seite 9
Laserstrahlung
Ausschalten der Laserstrahlungv100 v100
v001
Ausschalten der Laserstrahlung
v001
v100
TLT* DT v
Schmelzbad
Laserstrahlung
Die Laserstrahlung wird dabei von der Laserleistung des Standardparameters
(P = 900 W) auf die minimal möglich emittierte Laserleistung Pmin = 30 W linear
verkleinert. Diese minimale Laserleistung entspricht bei dem verwendeten
Nd:YAG-Lasersystem HL 3006D ein Prozent der maximalen Laserleistung von
Pmax = 3000 W. In Bild 75 ist vergleichend der Verlauf der Laserleistung entlang
der umgeschmolzenen Länge für beide Spurenden dargestellt.
Bild 75 :
Verlauf der
Laserleistung
entlang der
umgeschmolzenen
Länge mit und
ohne Rampe beim
Ausschalten der
Laserstrahlung
La
serl
eis
tun
g P
[W
]
l1 = 25 mm l2 = 5 mm
Umgeschmolzene Länge l [mm]
l = 30 mm
Umgeschmolzene Länge l [mm]
La
serl
eis
tun
g P
[W
]
Pmax = 900 W Pmax = 900 W
Pmin = 30 W
Durch eine wegabhängige Rampe werden Risse und fehlorientierte Körner
beim Ausschalten der Laserstrahlung vermieden [71].
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 80
7.1.4 Überlappbearbeitung
Damit flächendeckend Bereiche an Turbinenschaufeln instand gesetzt werden,
die mit Rissen durchsetzt sind, wird eine Strategie für eine Überlappbearbeitung
entwickelt. Bei einer Überlappbearbeitung wird eine bereits umgeschmolzene
Spur durch eine zweite parallel angeordnete Spur teilweise wieder
umgeschmolzen. Dabei muss das Gefüge durchgängig einkristallin erstarrt
bleiben und eine durchgängig konstante Umschmelztiefe von 1 mm aufweisen.
Durch Verfahren mehrerer Spuren in einer Überlappbearbeitung werden somit
flächendeckend Bereiche an Proben und Turbinenschaufeln umgeschmolzen. In
Bild 76 ist ein Querschliff von zwei umgeschmolzenen Spuren dargestellt, die
mit einem Überlappungsgrad von 80 % zu einander verfahren sind. Das
bedeutet, dass 80 % der ersten Spur von der zweiten Spur erneut
umgeschmolzen werden.
Bild 76 :
Querschliff von zwei
Spuren mit Überlapp
(80 %)
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
Ergebnis der EBSD-
Messung
10°-15°Minimum 0°
Maximum 54,2°
Spur 1 Spur 2
Durch die überlappende Bearbeitung ist eine durchgängige Umschmelztiefe
von etwa 1 mm erreicht. Zur Beurteilung der einkristallinen Struktur ist
vergleichend zum Querschliff die Auswertung einer EBSD-Messung dargestellt.
In dem überlappenden Bereich weicht die Orientierung der Dendriten um etwa
10°-15° im Vergleich zum Grundmaterial ab. Durch eine Vergrößerung des
Überlappungsgrades auf 50 % wird eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit erzielt
(Bild 77).
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 81
Bild 77 :
Querschliff von zwei
Spuren mit Überlapp
(50 %)
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
Ergebnis der EBSD-
Messung
Spur 1 Spur 2
Minimum 0°
Maximum 54,2°10°-15°
Beide Spuren sind mit dem Standardparameter umgeschmolzen, die maximal
erreichte Umschmelztiefe liegt bei beiden Spuren etwa 1000 µm. Auch hier
weicht die Orientierung der Dendriten im überlappenden Bereich um etwa 10°-
15° im Vergleich zum Grundmaterial ab. Eine weitere Verkleinerung der
Überlappstrategie (< 50 %) führt zu keiner durchgängigen Umschmelztiefe von
1 mm. Das Ergebnis zeigt, dass durch eine Überlappbearbeitung
flächendeckend Bereiche mit einkristallin erstarrter Struktur umgeschmolzen
werden können [72].
7.1.5 Untersuchungen zur Messung der emittierten Temperaturstrahlung
In den Experimenten zur Messung der emittierten Temperaturstrahlung wird
untersucht, inwiefern die an der Schmelzbadoberfläche emittierte
Temperaturstrahlung für den Aufbau einer Temperaturregelung (Regelung der
Temperaturstrahlung) verwendet werden kann. Für die Umsetzung der
Temperaturregelung wird als Stellgröße mit der Laserleistung ein
Verfahrensparameter festgelegt, das Ziel der Temperaturregelung ist die
Einhaltung einer konstanten Umschmelztiefe von zm = 1 mm 0,1 mm entlang
der umgeschmolzenen Spur. Zur Messung der Temperaturstrahlung und für
den Aufbau einer Temperaturregelung kommen aufgrund des
Umschmelzprozesses in den Prozesskammern nur optische Sensorsysteme in
Frage, welche die an der Schmelzbadoberfläche emittierte Temperaturstrahlung
berührungsfrei erfassen. Die Vorraussetzung für eine funktionierende
Temperaturregelung ist eine Korrelation zwischen der emittierten
Temperaturstrahlung und der Umschmelztiefe entlang der umgeschmolzenen
Spur. Anhand von Wärmeleitungsrechnungen auf Basis der Finite-Elemente-
Methode werden die Verläufe der Prozesstemperatur und der Umschmelztiefe
beim Umschmelzen mit konstanter Laserleistung modelliert.
In Bild 78 ist das Ergebnis einer Wärmeleitungsrechnung an einer Flachprobe
aus PWA 1483 graphisch dargestellt. Modelliert sind der Verlauf von
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 82
Umschmelztiefe und Prozesstemperatur beim Laserstrahl-Umschmelzen mit
konstanter Laserleistung von P = 900 W über eine Gesamtlänge von l = 30 mm.
Am Ende der Spur wird die Laserstrahlung durch eine wegabhängige Rampe
auf einer Strecke von l = 5 mm ausgeschaltet.
Bild 78 :
Ergebnis einer
Modellierung beim
Laserstrahl-
Umschmelzen an
Flachprobe
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
Zeit t [s]
Tem
per
atu
r T
[°C
]
Um
sch
mel
ztie
fe z
[m
m]
Lase
rlei
stun
g P
[W
]
T
zm = 1030 µm
Spurlänge: l = 30 mm
3 mm
Laserleistung konstant
Laserleistung P [W]
Prozesstemperatur T [°C]
Umschmelztiefe z [mm]
Anhand des Ergebnisses der Wärmeleitungsrechnung zeigt sich, dass beim
Laserstrahl-Umschmelzen an der Flachprobe kein stationärer Zustand erreicht
wird. Während des gesamten Umschmelzprozesses steigt die maximale
Prozesstemperatur an der Schmelzbadoberfläche bis auf einen maximalen Wert
von ca. 1700 °C. Der maximale Wert der Umschmelztiefe beträgt
zm = 1030 µm bei maximaler Prozesstemperatur.
Bei der Messung der Temperaturstrahlung können Messfehler aufgrund von
verschiedenen Einflüssen wie Schutzgläsern, Oxidation an der
Schmelzbadoberfläche oder inhomogenen Vorwärmtemperaturen gemessen
werden (siehe Kapitel 6.4.4). In einer ersten Untersuchung werden Messungen
der emittierten Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche mit dem
Precitec-System durchgeführt. Dabei werden die Prozesssignale
Laserleistungssignal P(t) und Temperatursignal TS(t) für das Umschmelzen mit
konstanter Laserleistung von dem Precitec-System aufgezeichnet. In Bild 79
sind die Prozesssignale für das Umschmelzen mit konstanter Laserleistung
zusammen mit dem Längsschliff dargestellt. Die gesamte umgeschmolzene
Länge beträgt l = 30 mm, am Ende der Spur wird die Laserstrahlung durch eine
wegabhängige Rampe auf einer Strecke von l = 5 mm ausgeschaltet. Die Linien
in den Längsschliffen dienen als Hilfslinien zur Beurteilung der Umschmelztiefe.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 83
Bild 79 :
Laserstrahl-
Umschmelzen mit
konstanter
Laserleistung,
aufgezeichnete
Prozesssignale vom
Precitec-System,
Längsschliff der
umgeschmolzenen
Spur, Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
1080 µm Spurende
TS(t)
P (t)
Precitec-System
Spurlänge: L = 30 mm
3 mm
Laserleistung konstant
1000 µm
TS(t) = 3 V
Beim Umschmelzen mit konstanter Laserleistung verläuft das
Laserleistungssignal auf einen konstanten Wert von P(t) = 5 V, dies entspricht
einer Laserleistung von P = 900 W. Während des gesamten
Umschmelzprozesses nimmt die Umschmelztiefe bis auf einen maximalen Wert
von zm = 1080 µm zu. Im Vergleich mit dem Ergebnis der
Wärmeleitungsrechnung ergibt sich eine Abweichung in der maximalen
Umschmelztiefe von zm = 50 µm. Das Temperatursignal steigt ebenfalls
kontinuierlich während des Prozesses bis auf einen maximalen Wert
TS(t) = 3,2 V an. Ein Abgleich des Temperatursignals mit Temperaturwerten in
°C ist in Bild 37 dargestellt. Der Verlauf des Temperatursignals entspricht dem
Verlauf der modellierten Prozesstemperatur (Bild 78) und korreliert mit der
Umschmelztiefe entlang der umgeschmolzenen Spur. Diese Korrelation
zwischen gemessenem Temperatursignal und der Umschmelztiefe ist bereits in
der Literatur für verschiedene Werkstoffe (Stahl, Aluminium, Magnesium) beim
Laserstrahl-Schweißen ermittelt worden (vergleiche Kapitel 5.3, Bild 31,
Bild 32).
Für das Laserstrahl-Umschmelzen mit Temperaturregelung wird der Sollwert
TS(t) = 3 V festgelegt, dieser Wert entspricht einer Umschmelztiefe von
ca. 1 mm (siehe auch Bild 47). In Bild 80 sind die aufgezeichneten
Prozesssignale für das Umschmelzen mit konstantem Temperatursignal
zusammen mit dem Längsschliff dargestellt.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 84
Bild 80 :
Laserstrahl-
Umschmelzen mit
konstantem
Temperatursignal,
aufgezeichnete
Prozesssignale vom
Precitec-System,
Längsschliff der
umgeschmolzenen
Spur:
1110 µm
B
Spurende
Precitec-System
TS(t)
P (t)
Spurlänge: L = 30 mm
3 mm
Temperatursignal konstant
Durch die Temperaturregelung wird das Temperatursignal während des
Prozesses auf einen konstanten Wert von TS(t) = 3 V geregelt. Der Verlauf der
Umschmelztiefe entlang der umgeschmolzenen Spur beträgt nahezu konstant
1100 µm, er korreliert mit dem Temperatursignal. Damit wird das Ziel erreicht,
durch eine Temperaturregelung eine nahezu konstante Umschmelztiefe von
zm = 1 mm 0,1 mm entlang der umgeschmolzenen Spur einzuhalten. Entlang
der umgeschmolzen Spur ist die Struktur einkristallin erstarrt, somit wird durch
die Temperaturregelung die gerichtet dendritische Erstarrung nicht beeinflusst.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse an der Flachprobe, dass sich aus einem
Umschmelzprozess mit konstanter Laserleistung ein Wert für eine
Temperaturregelung bei gleicher Umschmelztiefe bestimmen lässt. Zudem ist
der Unterschied beim Umschmelzen mit und ohne Temperaturregelung
minimal, eine Temperaturregelung bringt an der Flachprobengeometrie keine
Vorteile im Vergleich zum Umschmelzen mit konstanter Laserleistung.
Um die Messungen des Precitec-Systems mit Temperaturwerten in °C zu
vergleichen, werden Untersuchungen mit zwei unterschiedlichen
Strahlungsthermometern (Quotientenpyrometer) durchgeführt.
Quotientenpyrometer messen die exakte Temperatur unabhängig vom
Emissionsgrad des Objektes, wenn der Werkstoff für beide Wellenlängen
Temperaturstrahlung mit gleichem Emissionsgrad emittiert und die
Transmission der Temperaturstrahlung von der strahlenden Fläche zum
Detektor gleich ist. Eine erste Versuchsreihe wird mit dem Infratec
Quotientenpyrometer IGAR 12-LO durchgeführt. Das Quotientenpyrometer
wird seitlich neben dem Bearbeitungskopf angebracht und der Messfleck mittig
zum Schmelzbad ausgerichtet. Insgesamt werden vier Experimente mit vier
unterschiedlichen Laserleistungen von P = 900 W ‟ 1000 W durchgeführt. Die
gesamte umgeschmolzene Länge beträgt l = 13 mm inklusive der
wegabhängigen Rampe von l = 5 mm beim Ausschalten der Laserstrahlung. In
Bild 81 sind die gemessenen Temperaturverläufe beim Laserstrahl-
Umschmelzen an Flachproben aus PWA 1483 dargestellt, zudem ist ein Teil der
Wärmeleitungsrechnung (Modellierung) aus Bild 78 mit eingezeichnet.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 85
Bild 81 :
Aufgezeichnete
Temperaturverläufe
mit Infratec
Pyrometer IGAR 12-
LO
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
Zeit t [s]
Tem
pera
tur
T [
°C]
P = 800 WP = 900 WP = 1000 WP = 1100 WModellierung
Infratec pyrometer
T = 1620°C T = 1680°C T = 1685°C
T = 1710°C
1000 µm
Spurende
Vergleichend zu den Temperaturverläufen ist ein Längsschliff in Bild 81
dargestellt, der mit der Laserleistung von P = 900 W umgeschmolzen ist. Bei
einer Zunahme der Laserleistung um P = 100 W wird von dem
Quotientenpyrometer jeweils eine größere Temperatur an der
Schmelzbadoberfläche gemessen. Die maximal gemessene Temperatur erhöht
sich dabei um T = 5 °C - 60 °C. Die Verläufe der Temperatur entlang der
umgeschmolzenen Spur sind nahezu konstant, sie entsprechen nicht dem
Verlauf der Modellierung und korrelieren nicht mit der Umschmelztiefe entlang
der umgeschmolzenen Spur.
In einer zweiten Versuchsreihe wird mit dem Quotientenpyrometer QP003 der
Firma Mergenthaler an der Schmelzbadoberfläche die Temperatur gemessen
und aufgezeichnet. In Bild 82 sind die gemessenen Temperaturverläufe für vier
unterschiedliche Laserleistungen dargestellt.
Bild 82 :
Aufgezeichnete
Temperaturverläufe
mit Mergenthaler
Pyrometer QP003
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
0
200
400
600
800
1000
1200
1400
1600
1800
2000
2200
2400
2600
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
Zeit t [s]
Tem
pera
tur
T [°C
]
P = 800 WP = 900 WP = 1000 WP = 1100 WModellierung
1000 µm
T = 2150°C T = 2320°C
T = 2380°CT = 2470°C
Mergenthaler
Spurende
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 86
Die gemessenen Temperaturverläufe sind den Messungen mit dem Infratec
Quotientenpyrometer ähnlich. Bei einer Zunahme der Laserleistung um
P = 100 W wird eine größere Temperatur an der Schmelzbadoberfläche
gemessen. Die Temperatur nimmt dabei um jeweils um ( T = 60 °C - 170 °C)
zu. Die mit dem Quotientenpyrometer gemessenen Temperaturverläufe sind
nahezu konstant entlang der umgeschmolzenen Spur und korrelieren nicht mit
der Umschmelztiefe entlang der Spur. Auffällig ist der Unterschied in den
Messungen der beiden Quotientenpyrometern. Bei gleichen
Verfahrensparametern ergeben sich Abweichungen in den maximalen
Temperaturen zwischen T = 500 °C - 700 °C. Für die Entwicklung einer
Temperaturregelung auf Basis einer Temperaturmessung muss der Verlauf der
Temperatur entlang der umgeschmolzenen Spur mit der Umschmelztiefe
korrelieren.
Die Ergebnisse zeigen, dass die von den Quotientenpyrometern gemessenen
Temperaturverläufe nicht mit dem Verlauf der modellierten Prozesstemperatur
und Umschmelztiefe übereinstimmen. Zur Qualifizierung der Geräte für eine
Temperaturregelung sind intensivere Untersuchungen und Analysen zur
Messdatenerfassung und Messdatenaufbereitung mit den Herstellern
erforderlich. Mit beiden Quotientenpyrometern werden keine weiteren
Untersuchungen durchgeführt.
7.1.6 Einfluss der Materialdicke auf die Umschmelztiefe
Um den Einfluss der Materialdicke auf die Umschmelztiefe zu ermitteln, werden
Wärmeleitungsrechnungen an Flachproben mit verkleinerter Materialdicke
durchgeführt. In Bild 83 sind vergleichend die Ergebnisse der
Wärmeleitungsrechnung dargestellt, wenn bei gleichen Verfahrensparametern
die Materialdicke von 10 mm (Bild 78) auf 8 mm bzw. 4 mm verkleinert wird.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 87
Bild 83 :
Ergebnis einer
Modellierung an
einer Flachprobe,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
Tem
per
atu
r T
[°C
]
Um
sch
mel
ztie
fe z
[m
m]
Lase
rlei
stun
g P
[W
]
Zeit t [s]
PT
z
Tem
per
atu
r T
[°C
]
Um
sch
mel
ztie
fe z
[m
m]
Lase
rlei
stun
g P
[W
]
P T
Zeit t [s]
z
Materialdicke: 4 mm
Materialdicke: 8 mm
Laserleistung P [W]
Prozesstemperatur T [°C]
Umschmelztiefe z [mm]
Durch eine Verkleinerung der Materialdicke von 10 mm auf 8 mm vergrößert
sich die maximale Umschmelztiefe von 1030 µm auf 1200 µm (vergleiche Bild
78). Eine weitere Verkleinerung der Materialdicke auf 4 mm vergrößert die
Umschmelztiefe auf über 1800 µm. Dementsprechend vergrößern sich die
maximalen Temperaturen an der Schmelzbadoberfläche von 1650 °C
(Materialdicke 10 mm) über 1700 °C (Materialdicke 8 mm) auf 1900 °C
(Materialdicke 4 mm). Um bei einer verkleinerten Materialdicke eine maximale
Umschmelztiefe von zm = 1 mm zu erreichen, wird eine Anpassung der
Laserleistung durchgeführt. Durch eine Verkleinerung der Laserleistung von
P = 900 W (Materialdicke 10 mm) auf P = 400 W (Materialdicke 4 mm) wird
eine maximale Umschmelztiefe von zm = 1 mm erreicht (Bild 84).
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 88
Bild 84 :
Ergebnis einer
Modellierung an
einer Flachprobe,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 400 W
Tem
per
atu
rT
[°C
]
Lase
rlei
stun
gP
[W]
P T
z
Materialdicke: 4 mm
Zeit t [s]
Um
sch
mel
ztie
fez
[mm
]
P T
z
Laserleistung P [W]
Prozesstemperatur T [°C]
Umschmelztiefe z [mm]
Dementsprechend verkleinert sich die maximale Temperatur an der
Schmelzbadoberfläche von 1900 °C (P = 900 W) auf 1560 °C (P = 400 W).
Die Ergebnisse mit konstanten Verfahrensparametern zeigen, dass die
Umschmelztiefe durch eine Änderung der Materialdicke beeinflusst wird. Eine
verkleinerte Materialdicke führt aufgrund eines zunehmenden Wärmestaus zu
einer Zunahme an Umschmelztiefe. Durch die Anpassung eines
Verfahrensparameters, der Laserleistung, wird der Einfluss der Materialdicke auf
die Umschmelztiefe ausgeglichen und eine definierte Umschmelztiefe wird
erreicht.
7.1.7 Verschließen von künstlichen Rissen
Der erste Schritt der Entwicklung der verfahrenstechnischen Grundlagen wird
abgeschlossen durch das Verschließen von künstlichen Rissen in Flachproben.
Die künstlichen Risse sind durch Drahterodieren über die gesamte Länge in die
Flachprobe gefertigt und simulieren die in den Turbinenschaufeln real
auftretenden Risse. In Bild 85 ist schematisch eine Flachprobe mit Rissen sowie
ein metallurgisch präparierter Querschliff der Flachprobe dargestellt. Die Risse
sind maximal 950 µm tief und ca. 150 µm breit. Die Laserstrahlung wird für
den Umschmelzprozess mittig zum Riss ausgerichtet und der Riss wird in
Rissrichtung umgeschmolzen (Bild 85).
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 89
Bild 85 :
links: Schematische
Darstellung einer
Flachprobe mit Riss
rechts:
Querschliff der
Flachprobe mit Riss
150 µm
950 µ
m
10 m
m
Riss
In Bild 86 ist ein Querschliff einer umgeschmolzenen Spur an einer Flachprobe
mit einem Riss dargestellt. Im umgeschmolzenen Bereich ist der ursprüngliche
Riss schematisch eingezeichnet. Der Bereich mit dem künstlichen Riss ist
vollständig umgeschmolzen und verschlossen, die maximale Umschmelztiefe
beträgt zm = 1100 µm.
Bild 86 :
Querschliff einer
umgeschmolzenen
Spur an einer
Flachprobe mit Riss,
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
Das Gefüge ist einkristallin erstarrt, da keine fehlorientierten Körner im
umgeschmolzenen Bereich kristallisiert sind. An diesem Ergebnis wird
nachgewiesen, dass das Verschließen von Rissen mit einkristallin erstarrtem
Gefüge durch Laserstrahl-Umschmelzen möglich ist. In weiteren Experimenten
wird der Einfluss der Risse auf die emittierte Temperaturstrahlung und die
Umschmelztiefe untersucht. In Bild 87 sind die aufgezeichneten Prozesssignale
des Precitec-Systems beim Laserstrahl-Umschmelzen mit konstanter
Laserleistung zusammen mit dem Längsschliff dargestellt. Das Laserstrahl-
Umschmelzen wird mit einer Laserleistung von P = 900 W an der Flachprobe
durchgeführt. Die gesamte umgeschmolzene Länge beträgt l = 25 mm. Am
Ende der Spur wird die Laserstrahlung durch eine wegabhängige Rampe auf
einer Strecke von l = 5 mm ausgeschaltet.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 90
Bild 87 :
Aufgezeichnete
Prozesssignale von
Precitec-System beim
Umschmelzen mit
konstanter
Laserleistung
P = 900 W,
Längsschliff der
umgeschmolzenen
Flachprobe mit Riss
TS(t)
PL(t)
Spurende
Precitec-System
1100 µm
20 5
Lase
rleis
tun
g[W
]
umgeschmolzene Länge l [mm]
Schwankungen
T(t) = 1 ‟ 1,5 V Riss
umgeschmolzene Spur
1000 µm
Die Umschmelztiefe nimmt entlang der umgeschmolzenen Spur bis auf einen
maximalen Wert zm = 1100 µm zu. Während des Laserstrahl-Umschmelzens
werden Schwankungen im Temperatursignal gemessen, die etwa TS(t) = 1 ‟
1,5 V während des gesamten Umschmelzprozesses betragen. Der Mittelwert
des Temperatursignals steigt während des Umschmelzprozesses über die
gesamte umgeschmolzene Spur bis auf einen maximalen Mittelwert von
TS(t) = 6,8 V an. In einem weiteren Experiment wird die Umsetzung einer
Temperaturregelung auf die Umschmelztiefe untersucht. Für das Umschmelzen
mit konstantem Temperatursignal wird ein Mittelwert von TS(t) = 6,5 V
bestimmt, der einer Umschmelztiefe von ca. 1 mm entspricht (Bild 87). In Bild
88 sind die aufgezeichneten Prozesssignale beim Laserstrahl-Umschmelzen mit
Temperaturregelung zusammen mit dem Längsschliff dargestellt.
Bild 88 :
Aufgezeichnete
Prozesssignale von
Precitec-System bei
Temperaturregelung,
Längsschliff der
umgeschmolzenen
Spur an Flachprobe
mit Riss
Tem
pera
turs
ign
al
[V]
1070 µm
TS(t)
PL(t)
Precitec-System
20 5
umgeschmolzene Länge l [mm]
konstantes
TemperatursignalRiss
umgeschmolzene Spur
Beim Umschmelzen entlang der künstlichen Risse mit geregeltem
Temperatursignal wird eine nahezu konstante Umschmelztiefe entlang der
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 91
umgeschmolzenen Spur erreicht. Im Vergleich sind die Unterschiede in der
Umschmelztiefe beim Umschmelzen mit und ohne Temperaturregelung
minimal (< 150 µm), so dass ein Prozess mit konstantem Temperatursignal
beim Umschmelzen an den Flachproben mit Riss keine Vorteile bringt.
Um die Ursache der Schwankungen im Temperatursignal beim Umschmelzen
entlang der Risse mit dem Precitec-System zu ermitteln, wird das Schmelzbad
während des Prozesses mit dem kamerabasierten CPC-System aufgezeichnet. In
einer anschließenden ortsaufgelösten Auswertung der Temperaturstrahlung
lassen sich die Bereiche an der Schmelzbadoberfläche im Kamerabild ermitteln,
die zu den Schwankungen im Temperatursignal beitragen (siehe Kapitel 6.4.2).
Das Laserstrahl-Umschmelzen wird mit einer Laserleistung von P = 900 W an
der Flachprobe mit Riss über eine gesamte umgeschmolzene Länge von
l = 25 mm durchgeführt. In Bild 89 sind ausgewertete Verlauf des
Temperatursignals beim Laserstrahl-Umschmelzen an einer Flachprobe mit Riss
sowie vier Kamerabilder des CPC-Systems zu unterschiedlichen Zeitpunkten
dargestellt.
Bild 89 :
oben:
Auswertung des
Temperatursignals
beim Laserstrahl-
Umschmelzen an
Flachprobe mit Riss,
unten:
Kamerabilder des
CPC-Systems beim
Laserstrahl-
Umschmelzen zu
unterschiedlichen
Zeitpunkten
0
10
20
30
40
50
60
70
80
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30
Zeit t [s]
Tem
pera
turs
ignal T
S [0-2
55]
CPC-System
0,59 s
Verfahrrichtung
Riss
3,01 s 3,02 s 3,82 s
A B C D
Riss
Auswertefenster
Das von dem CPC-System gemessene und im gesamten Kamerabild
ausgewertete Temperatursignal zeigt ähnliche Schwankungen verglichen mit
den Messungen des Precitec-Systems. Die einzelnen Perioden der Peaks sind
zwischen 0,9 s und 1,1 s lang. In Kamerabild A ist der Umschmelzprozess
0,59 s nach dem Einschalten der Laserstrahlung dargestellt. Das Schmelzbad ist
zu diesem Zeitpunkt noch nicht vollständig ausgebildet. Der Riss in der
Flachprobe ist links und rechts vom gerade entstehenden Schmelzbad
durchgängig noch erhalten. Anhand der Kamerabilder B und C werden die
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 92
Schwankungen im Temperatursignal an einem Vorgang verdeutlicht. In Bild B
ist das Schmelzbad während des Umschmelzprozesses vollständig ausgebildet.
Die Oberfläche des Risses ist herstellungsbedingt durch das Drahterodieren mit
höher schmelzenden Oxiden belegt. Dadurch bleibt der Riss als solches im
Randbereich der Schmelze zunächst erhalten. Durch die Bewegung des
Laserstrahls kommt der Riss in Bereiche höherer Temperatur und die Oxide
lösen sich auf, so dass der Riss schubweise innerhalb von 0,01 Sekunden mit
Schmelze aufgefüllt wird (Bild 90 B-C). Warum der Zufluss von Schmelze in den
Riss nicht kontinuierlich verläuft, sondern periodischen Schwankungen
unterworfen ist, ist unbekannt.
Bild 90 :
Kamerabilder des
CPC-Systems beim
Laserstrahl-
Umschmelzen,
Rissschließung
schematisch skizziert
Dieser Vorgang an der Schmelzbadoberfläche stimmt mit dem Peak im
Temperatursignal überein und wiederholt sich während des gesamten
Umschmelzprozesses. Jeder Peak wird so dem Auffüllen des Risses mit
Schmelze zugeordnet. In Bild D ist der Umschmelzprozess 0,2 s vor der
Entstehung des nächsten Peaks dargestellt. Die Ursache der Schwankungen im
Temperatursignal ist also das periodische Füllen des Risses mit Schmelze. Für
eine spätere Umsetzung eines Reparaturverfahrens zum Verschließen von
Rissen in Turbinenschaufeln werden keine Schwankungen im Temperatursignal
erwartet, da die Risse in den Turbinenschaufeln nur wenige Mikrometer
(< 10 µm) im Vergleich zu den künstlichen Rissen in den Flachproben (150 µm)
breit sind. Somit wird das Volumen, das durch den Riss mit Schmelze aufgefüllt
wird, kleiner. In Bild 91 ist eine vergleichende Auswertung des
Temperatursignals in zwei verschiedenen Auswertefenstern graphisch
dargestellt. Neben einer Auswertung im gesamten Kamerabild wird eine
Auswertung des Temperatursignals im vorderen Randbereich des Schmelzbades
durchgeführt.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 93
Bild 91 :
Vergleich der
Auswertung des
Temperatursignals in
zwei
Auswertefenstern
beim Laserstrahl-
Umschmelzen an
Flachprobe mit Riss
0
10
20
30
40
50
60
70
80
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30
Zeit t [s]
Tem
pera
turs
ign
al T
S [
0-2
55
]
Verfahrrichtung
Durch die Auswertung des Temperatursignals im vorderen Randbereich des
Schmelzbades werden die Schwankungen des Temperatursignals verkleinert.
Ein Vergleich der beiden Auswertungen zeigt, dass durch die Größe und
Positionierung des Prozessfensters die Periodenlängen der Schwankungen nicht
beeinflusst werden. Durch eine Anpassung des Auswertefensters werden die
Schwankungen im Temperatursignal verkleinert, die durch das Umschmelzen
an den Rissen verursacht werden. Eine Untersuchung, ob die Größe des
ermittelten Prozessfensters für die Umsetzung einer Prozessregelung
ausreichend ist, wird nicht durchgeführt, da eine Signalausgabe des CPC-
Systems zurzeit noch nicht zur Verfügung steht, die für die Umsetzung einer
Prozessregelung erforderlich ist.
In Bild 92 sind vergleichend die aufgezeichneten Temperatursignale vom
Precitec-System und vom CPC-System beim Laserstrahl-Umschmelzen an einer
Flachprobe mit Riss dargestellt. Die Auswertung des Temperatursignals im
Auswertefenster erfolgt über das gesamte Kamerabild des CPC-Systems, der
Messfleckdurchmesser des Precitec-Systems beträgt etwa 6 mm und ist
schematisch in dem Kamerabild des CPC-Systems eingezeichnet.
Bild 92 :
Vergleich der
aufgezeichneten
Prozesssignale von
Precitec-System und
CPC-System an einer
Flachprobe mit Riss
0
10
20
30
40
50
60
70
80
0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30
Zeit t [s]
Tem
pera
turs
ignal T
S [0-2
55]
0
1
2
3
4
5
6
7
8
Tem
pera
turs
ignal [m
V]
CPC-System
Precitec-System
Auswertefenster
CPC-System
Precitec-System
Kamerabild
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 94
Beim Laserstrahl-Umschmelzen an einer Flachprobe mit Riss wird bei gleichen
Verfahrensparametern die gleiche Anzahl an Peaks mit gleichen Periodenlängen
von beiden Messsystemen gemessen. Von beiden Messsystemen wird ein
ähnlicher Verlauf des Temperatursignals entlang der umgeschmolzenen Spur
gemessen.
Im ersten Schritt der Verfahrensentwicklung wird durch eine systematische
Variation der relevanten Verfahrensparameter ein Prozessfenster für das
Laserstrahl-Umschmelzen ermittelt. Unter Erhaltung der einkristallin erstarrten
Struktur werden Umschmelztiefen bis zu 1,2 mm reproduzierbar in der
Randschicht von Flachproben erreicht. Vergleichend zu der experimentellen
Ermittlung geeigneter Verfahrensparameter werden Wärmeleitungsrechnungen
(Modellierungen) auf Basis der Finite-Elemente-Methode an Flachproben
durchgeführt. Durch Lösung der Wärmeleitungsgleichung wird der Einfluss der
Verfahrensparameter auf verfahrensrelevante Größen wie
Schmelzbadgeometrie, Umschmelztiefe, Abkühlrate, Temperaturgradient und
Erstarrungsgeschwindigkeit auf der Erstarrungsfront sowie die resultierende
Mikrostruktur ermittelt. Aus den berechneten und den experimentell
ermittelten Ergebnissen lässt sich vergleichend zur Literatur (siehe Bild 22) eine
obere Schranke bei G3,4/v = 5.04E+20 K3.4/m4.4 für die einkristalline Erstarrung
ermitteln. Der Einfluss der Lage und Orientierung der Dendriten im
Grundmaterial auf die erstarrte Struktur im Schmelzbad wird anhand eines
Beispiels deutlich gemacht. An einer Flachprobe, bei der die sekundären
Dendritenarme nicht parallel zu den Kanten der Flachprobe ausgerichtet sind,
sondern um ca. 20° zur Kante der Flachprobe (x-Achse) abweichen, wird eine
Umschmelztiefe von 1 mm mit einkristallin erstarrter Struktur erreicht. Durch
sich überlappende Spuren wird demonstriert, dass flächendeckend Bereiche
einkristallin erstarrt umgeschmolzen werden können. Eine wegabhängige
Rampe beim Ausschalten der Laserstrahlung verhindert Risse und fehlorientierte
Körner am Ende der umgeschmolzenen Spur. In den Untersuchungen zur
Messung der emittierten Temperaturstrahlung wird demonstriert, dass die an
der Schmelzbadoberfläche emittierte Temperaturstrahlung für den Aufbau
einer Temperaturregelung (Regelung der Temperaturstrahlung) geeignet ist.
Aus einem Umschmelzprozess mit konstanter Laserleistung lässt sich ein Wert
für eine Temperaturregelung bei gleicher Umschmelztiefe ermitteln. Insgesamt
zeigen die Ergebnisse an der Flachprobe, dass der Unterschied in der
Umschmelztiefe beim Umschmelzen mit und ohne Temperaturregelung
minimal ist. Eine Temperaturregelung bringt an der Flachprobengeometrie
keine Vorteile im Vergleich zum Umschmelzen mit konstanter Laserleistung.
Um den Einfluss der Materialdicke auf die Umschmelztiefe zu ermitteln, werden
Wärmeleitungsrechnungen an Flachproben mit verkleinerter Materialdicke
durchgeführt. Durch eine Verkleinerung der Laserleistung bei verkleinerter
Materialdicke wird eine maximale Umschmelztiefe von zm = 1 mm erreicht.
Abschließend wird gezeigt, dass „künstliche“, 1 mm tiefe Risse in Flachproben
unter Erhaltung der einkristallin erstarrten Struktur verschlossen werden
können.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 95
7.2 Schritt 2: Übertragung des Verfahrens auf komplexe Geometrien
In dem zweiten Schritt der Entwicklung verfahrenstechnischer Grundlagen
werden die in Schritt 1 an den Flachproben entwickelten Verfahrensparameter
auf die geometrisch komplexeren M-Proben, U-Proben und L-Proben
übertragen. Das Ziel dieser Untersuchungen ist die Bestimmung von:
Einfluss von Änderungen in der Materialdicke auf die Umschmelztiefe
und die Struktur im umgeschmolzenen Bereich
Einfluss von gekrümmten Oberflächen auf die Umschmelztiefe und die
Struktur im umgeschmolzenen Bereich
Zudem werden Messungen der emittierten Temperaturstrahlung an der
Schmelzbadoberfläche und ein Abgleich des Verlaufs von aufgezeichneter
Temperaturstrahlung mit der Umschmelztiefe für die Umsetzung einer
Temperaturregelung durchgeführt. Das Ziel der Temperaturregelung ist die
Einhaltung einer konstanten Umschmelztiefe von zm = 1 mm 0,1 mm entlang
der umgeschmolzenen Spur. Im Vergleich zur komplexen Turbinenschaufel
lassen sich an den verschiedenen Proben einfacher Messungen der emittierten
Temperaturstrahlung und Wärmeleitungsrechnungen umsetzen. Für die
Entwicklung verfahrenstechnischer Grundlagen an den komplexen
Probengeometrien steht aus Kostengründen nur eine begrenzte Anzahl an
Proben (jeweils 10 M-Proben, U-Proben, L-Proben) zur Verfügung, so dass
keine statistisch abgesicherten Aussagen möglich sind. In Bild 93 sind die
unterschiedlichen Proben mit den geometrischen Abmessungen schematisch
dargestellt, an denen in den jeweiligen Untersuchungen Einzelspuren
umgeschmolzen werden.
Bild 93 :
Darstellung mit den
geometrischen
Abmessungen von
M-Probe, U-Probe
und L-Probe sowie
Angabe des
berechneten
Materialvolumens
M-Probe U-Probe
4 mm50 mm
10
mm
18 mm simulierter Kühlkanal
50 mm
10 mm
18 mmsimulierter Kühlkanal
R 80
17 mm
35 mm
19
mm
R2
R1
L-Probe
Materialvolumen
VM = 6840 mm3
Materialvolumen
VM = 3816,7 mm3
Materialvolumen
VM = 5632,8 mm3
5 mm
3 m
m
R2 > R1
Bei den symmetrischen M-Proben und U-Proben sind jeweils zwei Kühlkanäle in
die Probe gefertigt, die die realen Kühlkanäle in der Schaufel simulieren. Der
Radius in der U-Probe ist der Geometrie der Turbinenschaufel im Schaufelblatt
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 96
entnommen, die minimale Materialdicke in beiden Proben entspricht 4 mm. Die
L-Probe hat die Form eines Winkelstücks bestehend aus zwei ebenen Flächen
und zwei Zylinderflächen mit zwei unterschiedlichen Radien. Die beiden Radien
sind der Geometrie der Turbinenschaufel im Bereich des Fillet entnommen.
7.2.1 M-Probe
In einer ersten Untersuchung wird mit einer konstanten Laserleistung die
komplette Länge der M-Probe über beide Kühlkanäle umgeschmolzen. In Bild
94 ist ein Längsschliff einer umgeschmolzenen Spur an einer M-Probe
dargestellt. Bei einer Laserleitung von P = 700 W wird über dem ersten
Kühlkanal eine maximale Umschmelztiefe von ca. 1030 µm erreicht. Über die
gesamte umgeschmolzene Länge ist das Gefüge einkristallin erstarrt. Die
maximale Umschmelztiefe beträgt über dem zweiten Kühlkanal etwa
zm = 1250 µm, die maximale Differenz in der Umschmelztiefe beträgt etwa
z = 290 µm zwischen dem Vollmaterial in der Probenmitte und der
Umschmelztiefe über dem zweiten Kühlkanal. Durch ein Laserstrahl-
Umschmelzen an der M-Probe mit einer konstanten Laserleistung wird keine
konstante Umschmelztiefe von 1 mm entlang der umgeschmolzenen Spur
erreicht.
Bild 94 :
Längsschliff einer
umgeschmolzenen
Spur an M-Probe,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 700 W
Um eine konstante Umschmelztiefe beim Laserstrahl-Umschmelzen an der M-
Probe zu ermitteln, werden Wärmeleitungsrechnungen an der M-Probe
durchgeführt. Die Wärmeleitungsrechnungen beschränken sich auf das
Laserstrahl-Umschmelzen über den ersten Kühlkanal bis zur Mitte der M-Probe,
um den Rechenaufwand zu reduzieren. In Bild 96 ist schematisch ein Teil einer
M-Probe mit einem vernetzten Finite-Elemente-Modell in einer mittig
geschnittenen Ansicht sowie die Temperaturverteilung beim Laserstrahl-
Umschmelzen über den ersten Kühlkanal zu einem Zeitpunkt t1 (siehe Bild 96)
dargestellt.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 97
Bild 95 :
M-Probe mit
vernetztem Finite-
Elemente-Modell,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 700 W
Kühlkanal
FE-Modell
umgeschmolzene Spur
In Bild 96 sind der berechnete Verlauf von Umschmelztiefe, Laserleistung und
Prozesstemperatur beim Laserstrahl-Umschmelzen über den ersten Kühlkanal
mit konstanter Laserleistung von P = 700 W graphisch dargestellt. Bereits aus
den Wärmeleitungsrechnungen an den Flachproben ist bekannt (siehe Bild 83),
dass eine Verkleinerung der Materialdicke zu einer Erhöhung Umschmelztiefe
bei konstanter Laserleistung führt.
Bild 96 :
Ergebnis einer
Modellierung,
Darstellung von
berechneter
Prozesstemperatur T,
Umschmelztiefe z
und Laserleistung P
beim Umschmelzen
mit konstanter
Laserleistung an M-
Probe, Parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 700 W
Laserleistung P [W]
Prozesstemperatur T [°C]
Umschmelztiefe z [mm]
Spurlänge: l = 18 mm
4 mm
Laserleistung konstant
PT
zm = 1070 µm
M-Probe
Lase
rlei
stun
gP
[W]
Um
sch
mel
ztie
fez
[mm
]
Zeit t [s]
Kühlkanal
Tem
per
atu
rT
[°C
]
t1
z = 400 µm
T = 175 °C
Beim Laserstrahl-Umschmelzen wird mit konstanter Laserleistung von
P = 700 W eine maximale Umschmelztiefe von zm = 1070 µm am Ende des
ersten Kühlkanals erreicht. Im Vergleich mit der experimentellen Untersuchung
(Bild 94) ergibt sich eine Differenz von zm = 40 µm in der maximalen
Umschmelztiefe über dem ersten Kühlkanal. Die maximalen Unterschiede in der
berechneten Umschmelztiefe über dem Kühlkanal betragen ca. z = 400 µm
(siehe Bild 96). Die Prozesstemperatur erreicht am Ende des Kühlkanals bei der
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 98
größten Umschmelztiefe einen Maximalwert von etwa Tmax = 1650 °C. Diese
Prozesstemperatur wird für eine Wärmeleitungsrechnung verwendet, bei der
die Prozesstemperatur an der Schmelzbadoberfläche für das Laserstrahl-
Umschmelzen über den ersten Kühlkanal als konstant modelliert wird. In Bild
97 sind die berechneten Größen Umschmelztiefe z und Laserleistung P beim
Umschmelzen mit konstanter Prozesstemperatur von T = 1650 °C graphisch
dargestellt.
Bild 97 :
Ergebnis einer
Modellierung,
Darstellung von
berechneter
Prozesstemperatur T,
Umschmelztiefe z
und Laserleistung P
beim Umschmelzen
mit konstanter
Prozesstemperatur
an M-Probe,
TV = TV2
d = d1
v = v3
Laserleistung P [W]
Prozesstemperatur T [°C]
Umschmelztiefe z [mm]
Spurlänge: l = 18 mm
4 mm
Prozesstemperatur konstant
Um
sch
mel
ztie
fez
[mm
]
Tem
per
atu
rT
[°C
]
Zeit t [s]
Lase
rlei
stu
ng
P [W
]
P
T
z
Kühlkanal
M-Probe
z = 200 µm
P = 85 W
Bei einer konstanten Prozesstemperatur an der Schmelzbadoberfläche variiert
die Laserleistung beim Umschmelzen über dem ersten Kühlkanal zwischen
P = 770 W und P = 685 W. Eine konstante Umschmelztiefe über den ersten
Kühlkanal wird nicht erreicht, die maximale Umschmelztiefe beträt 1100 µm
am Ende des Kühlkanals. Im Vergleich mit dem Umschmelzen mit konstanter
Laserleistung werden jedoch die Abweichungen in der Umschmelztiefe über
dem Kühlkanal von zm = 400 µm auf zm = 200 µm verkleinert. Für die
Umsetzung einer konstanten Umschmelztiefe muss die Laserleistung entlang
der umgeschmolzenen Spur rechnerisch angepasst werden. In Bild 98 sind in
einer Wärmeleitungsrechnung der ermittelte Verlauf von Prozesstemperatur
und Laserleistung dargestellt, die zu einer nahezu konstanten Umschmelztiefe
von 1 mm (Abweichung zm = 50 µm) führen.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 99
Bild 98 :
Ergebnis einer
Modellierung,
Darstellung von
berechneter
Prozesstemperatur T,
Umschmelztiefe z
und Laserleistung PL
beim Umschmelzen
mit vorgegebener
Laserleistung an M-
Probe
Laserleistung P [W]
Prozesstemperatur T [°C]
Umschmelztiefe z [mm]
Spurlänge: l = 18 mm
4 mm
Umschmelztiefe konstant
Um
sch
mel
ztie
fez
[mm
]
Tem
per
atu
rT
[°C
]
Zeit t [s]
Lase
rlei
stu
ng
P [W
]
M-Probe
Kühlkanal
zm
T = 100 °C
P = 160 W
Über dem ersten Kühlkanal variieren die Laserleistung um P = 160 W und die
Prozesstemperatur um T = 100 °C. Dieses Ergebnis der
Wärmeleitungsrechnung wird in einer experimentellen Untersuchung an der M-
Probe verifiziert. Anhand des Verlaufs der Laserleistung wird ein CNC-
Programm für ein Experiment geschrieben, die dem Verlauf der Laserleistung
im Experiment entsprechend der berechneten Laserleistung in Bild 98
angepasst wird.
In Bild 99 sind die Prozesssignale P(t) und TS(t) des Precitec-Systems sowie der
Längsschliff der umgeschmolzenen Spur über den ersten Kühlkanal der M-
Probe bei einem Umschmelzen mit berechneter Laserleistung dargestellt. Nach
einem Einlaufbereich von etwa 3 mm beträgt die Umschmelztiefe über den
gesamten ersten Kühlkanal konstant etwa 1 mm. Das gemessene
Temperatursignal des Precitec-Systems schwankt um ca TS(t) = 0,2 V während
des Umschmelzprozesses über den ersten Kühlkanal.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 100
Bild 99 :
Aufgezeichnete
Prozesssignale vom
Precitec-System,
Längsschliff einer
umgeschmolzenen
Spur an M-Probe,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P aus der
Modellierung
vorgegeben
Precitec-System
TS(t)
P (t)
Spurlänge: L = 18 mm
4 mm
Laserleistung berechnet
Spurende
Die Ergebnisse der Wärmeleitungsrechnungen zeigen, dass eine konstante
Umschmelztiefe von 1 mm über den ersten Kühlkanal nur durch eine Vorgabe
der Laserleistung entlang der umgeschmolzenen Spur erreicht wird. Im
Vergleich zum Laserstrahl-Umschmelzen mit konstanter Laserleistung, werden
jedoch die Abweichungen bei einer Umschmelztiefe von etwa 1 mm durch eine
konstante Prozesstemperatur an der Schmelzbadoberfläche
(Temperaturregelung) von zm = 400 µm auf zm = 200 µm verkleinert. In
Tabelle 12 ist ein Vergleich der Abweichungen in Laserleistung,
Prozesstemperatur und Umschmelztiefe beim Laserstrahl-Umschmelzen mit
konstanter Laserleistung, konstanter Prozesstemperatur und konstanter
Umschmelztiefe (Abweichung zm = 50 µm) über dem ersten Kühlkanal
dargestellt.
Laserleistung
konstant
Prozesstemperatur
konstant
Umschmelztiefe
konstant
Laserleistung P = 900 W
(konstant)
P = 85 W P = 160 W
Prozesstemperatur T = 175 °C T = 1650 °C
(konstant)
T = 100 °C
Umschmelztiefe zm = 400 µm zm = 200 µm zm = 50 µm
(„konstant“)
Tabelle 12 : Vergleich der Abweichungen in Laserleistung, Prozesstemperatur und Umschmelztiefe beim
Laserstrahl-Umschmelzen mit konstanter Laserleistung, Prozesstemperatur und Umschmelztiefe über dem
ersten Kühlkanal
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 101
Die bisher durchgeführten Untersuchungen an der M-Probe zeigen, dass durch
das Umschmelzen mit konstanter Prozesstemperatur an der
Schmelzbadoberfläche die Abweichungen in der Umschmelztiefe im Vergleich
zum Umschmelzen mit konstanter Laserleistung um etwa 50 % verkleinert
werden. Grundsätzlich hilft eine Temperaturregelung, den Einfluss von
Wärmestaus auf die Umschmelztiefe aufgrund von reduzierten lokalen
Abschreckvolumen zu kompensieren. Überschreitet das Ausmaß des
Wärmestaus einen gewissen Grad wird eine weitere Verkleinerung der
Abweichungen in der Umschmelztiefe nur durch eine im Voraus berechnete
wegabhängige Laserleistung erreicht.
In einer weiteren Untersuchung werden Experimente zur Messung und
Regelung der emittierten Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche
mit dem Precitec-System durchgeführt. In Bild 100 sind die aufgezeichneten
Prozesssignale für das Laserstrahl-Umschmelzen mit konstanter Laserleistung
von P = 700 W und mit Temperaturregelung zusammen mit den Längsschliffen
dargestellt. Die gesamte umgeschmolzene Länge über beide Kühlkanäle
beträgt l = 45 mm.
Bild 100 :
Aufgezeichnete
Prozesssignale von
Precitec-System,
Längsschliffe der
umgeschmolzenen
Spuren:
A : P = 700 W
B : TS(t) = 3,0 V
Spurende
A
B
A B
TS(t)
P (t)
umgeschmolzene Spur
1250 µm960 µm
1030 µm960 µm
TS(t)
P (t)
Precitec-System Precitec-System
40 5
P(t
) [W
] / T
S(t
) [V
]
umgeschmolzene Länge l [mm]
Beim Umschmelzen mit konstanter Laserleistung steigt das Temperatursignal
während des Umschmelzprozesses über beide Kühlkanäle bis auf einen
maximalen Wert von TS(t) = 3,7 V an. Der Verlauf des Temperatursignals
korreliert mit der Umschmelztiefe entlang der umgeschmolzenen Spur. Die
maximale Umschmelztiefe von zm = 1250 µm wird über dem zweiten Kühlkanal
erreicht. Zwischen den beiden Kühlkanälen beträgt die Umschmelztiefe
z = 960 µm, daraus ergibt sich eine maximale Abweichung in der
Umschmelztiefe von z = 290 µm. Für das Laserstrahl-Umschmelzen mit
Temperaturregelung wird ein Sollwert von 3,0 V bestimmt, der einer
Umschmelztiefe von ca. 1 mm zwischen den beiden Kühlkanälen entspricht.
Beim anschließenden Umschmelzen mit Temperaturregelung wird das
Temperatursignal auf einen konstanten Wert von TS(t) = 3,0 V geregelt. Der
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 102
Verlauf der Umschmelztiefe zwischen den beiden Kühlkanälen variiert um
z = 70 µm.
Insgesamt zeigen die Ergebnisse an der M-Probe, dass durch eine
Temperaturregelung die Abweichungen in der Umschmelztiefe im Vergleich
zum Laserstrahl-Umschmelzen mit konstanter Laserleistung verkleinert werden.
Vergleichend zu den Untersuchungen mit dem Precitec-System werden
Messungen der Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche mit dem
kamerabasierten CPC-System durchgeführt. Das Ziel dieser Untersuchungen ist
die Ermittlung des Potentials einer ortsaufgeslösten Auswertung der
Temperaturstrahlung, um die Abweichungen in der Umschmelztiefe weiter zu
verkleinern. Im Vergleich mit dem Precitec-System können mit dem CPC-System
Teilbereiche des Schmelzbades im Kamerabild (z.B. Vorlauf oder im Nachlauf)
ausgewertet werden. Bereiche des Kamerabildes, die Rauschen oder Störsignale
zum Temperatursignal beitragen, werden somit in der Auswertung nicht
berücksichtigt (siehe Kapitel 6.4.2).
Bei diesen Untersuchungen wird mit einer konstanten Laserleistung von
P = 700 W über die gesamte Länge der M-Probe umgeschmolzen. Bei der
anschließenden Auswertung der mit dem CPC-System aufgezeichneten Bilder
werden im Kamerabild unterschiedliche Auswertefenster definiert, um
unterschiedliche Bereiche im Vorlauf und im Nachlauf des Schmelzbades zu
untersuchen. Anhand des Längsschliffs der umgeschmolzenen Spur werden die
Umschmelztiefe entlang der Spur und die ausgewerteten Temperatursignale
miteinander verglichen. In der Auswertung werden verschiedene
Auswertefenster definiert und der Verlauf des Temperatursignals wird mit dem
Verlauf der Umschmelztiefe abgeglichen. Einige dieser Auswertungen werden
exemplarisch vorgestellt. In Bild 101 ist das ausgewertete Temperatursignal in
einem Auswertefenster im Nachlauf des Schmelzbades dargestellt.
Bild 101 :
Auswertung des
Temperatursignals
im Nachlauf des
Schmelzbades
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 700 W
Verfahrrichtung
Auswertefenster
4 mmUmgeschmolzene Spur
50 mm10 mm
18 mm
40 mm 5 mm
La
serl
eis
tun
g
Umschmelzlänge
Zeit t [s]
Tem
pe
ratu
rsig
nal
TS
[0-2
55]
In diesem Auswertefenster wird ein schwankendes Temperatursignal mit einem
Mittelwert von etwa TS(t) = 100 berechnet, dessen Verlauf nicht mit der
Umschmelztiefe entlang der umgeschmolzenen Spur übereinstimmt. Die
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 103
Auswertung in Bild 101 zeigt, dass eine Auswertung des Temperatursignals im
Nachlauf des Schmelzbades für eine Temperaturregelung an der M-Probe nicht
geeignet ist. In einer weiteren Auswertung wird das Temperatursignal in einem
Auswertefenster im Vorlauf des Schmelzbades berechnet (Bild 102).
Bild 102 :
Auswertung des
Temperatursignals
im Vorlauf des
Schmelzbades
Verfahrrichtung
Auswertefenster
20
Zeit t [s]
Tem
pera
turs
ign
al
TS
[0-2
55]
Im Vergleich zur Auswertung des Temperatursignals im Nachlauf (Bild 101)
werden deutlich kleinere Schwankungen im Temperatursignal gemessen. Das
Temperatursignal steigt während des Umschmelzprozesses über beide
Kühlkanäle bis auf einen maximalen Wert von TS(t) = 120 an. Der maximale
Unterschied im Temperatursignal zwischen dem Vollmaterial in der Probenmitte
und dem zweiten Kühlkanal beträgt TS(t) = 20. Der Verlauf des
Temperatursignals korreliert mit dem Verlauf der Umschmelztiefe entlang der
Spur. In diesem definierten Auswertefenster ist die Korrelation zwischen
Temperatursignal und Umschmelztiefe maximal. Die Auswertung zeigt, dass
eine Positionierung des Auswertefensters im Vorlauf des Schmelzbades für die
Umsetzung einer Prozessregelung geeignet ist.
In Bild 103 sind vergleichend die aufgezeichneten Temperatursignale vom
Precitec-System und CPC-System beim Laserstrahl-Umschmelzen an einer M-
Probe dargestellt. Bei dieser Auswertung wird das Auswertefenster des CPC-
Systems an den Messfleck des Precitec-Systems so angepasst, dass die
Auswertung der Temperatursignale von beiden Messsystemen vergleichbar ist.
Der Durchmesser des Messflecks des Precitec-Systems beträgt etwa 6 mm und
ist schematisch in dem Kamerabild des CPC-Systems eingezeichnet. Beide
Systeme messen prinzipiell einen ähnlichen Verlauf des Temperatursignals
entlang der umgeschmolzenen Spur. Im Vergleich zur Auswertung in Bild 102
wird im CPC-System eine Differenz in dem Temperatursignal von TS(t) 18
gemessen, der Signalpegel ist bei dieser Auswertung kleiner verglichen mit der
Auswertung in Bild 102.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 104
Bild 103 :
Vergleich der
aufgezeichneten
Temperatursignale
von Precitec-System
und CPC-System
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
110
0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55
Zeit [s]
Tem
pera
turs
ign
al [0
-25
5]
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
4,5
Tem
pera
turs
ign
al [m
V]
CPC-System
Precitec-System
CPC-System
Precitec-System
18
In dem CPC-System können durch eine Anpassung des Auswertefensters die
Unterschiede in der Auswertung des Temperatursignals im Bezug zur
Umschmelztiefe deutlicher aufgelöst bzw. dargestellt werden (vergleiche Bild
102 / Bild 103).
Die Ergebnisse zur Messung der Temperaturstrahlung an der
Schmelzbadoberfläche mit dem kamerabasierten CPC-System demonstrieren,
dass je nach Definition des Prozessfensters im Kamerabild die Auswertung des
Temperatursignals für die Umsetzung einer Temperaturregelung geeignet ist.
Da eine Signalausgabe des CPC-Systems zurzeit noch nicht zur Verfügung
steht, die für die Umsetzung einer Prozessregelung erforderlich ist, werden
weitere Untersuchungen zur Messung der Temperaturstrahlung und zur
Temperaturregelung mit dem CPC-System nicht durchgeführt.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 105
7.2.2 U-Probe
Untersuchungen zur Messung der Temperatur an der Schmelzbadoberfläche
werden beim Laserstrahl-Umschmelzen an den U-Proben nur mit dem Precitec-
System durchgeführt. Im Vergleich zum Laserstrahl-Umschmelzen an der M-
Probe wird beim Laserstrahl-Umschmelzen an der U-Probe mit einer 4-Achs-
Bearbeitung gearbeitet (vergleiche Kapitel 6.6). Im Vergleich zur M-Probe weist
die U-Probe ein um 18 % kleineres Materialvolumen auf (vergleiche Bild 93). In
Vorversuchen wird eine Laserleistung von P = 600 W ermittelt, bei der eine
Umschmelztiefe von etwa 1 mm erreicht wird. In Bild 104 sind die
aufgezeichneten Prozesssignale zusammen mit den Längsschliffen dargestellt.
Das Gefüge ist über die gesamte Länge einkristallin erstarrt.
Bild 104 :
Längsschliffe der
umgeschmolzenen
Spuren,
aufgezeichnete
Prozesssignale von
Precitec-System:
Verfahrens-
parameter:
A : P = 600 W
B : TS(t) = 4 V
TV = TV2
d = d1
v = v3
Spurende1100 µm
800 µm
Spurende1030 µm990 µm
A B
TS(t)
P (t)
umgeschmolzene Spur
TS(t)
P (t)
Precitec-System Precitec-System
A
B
40 5
P(t
) [W
] / T
S(t
) [V
]
umgeschmolzene Länge l [mm]
1000 µm
In dem Laserleistungssignal P(t) wird bei beiden Aufzeichnungen jeweils ein
Peak gemessen, der das Temperatursignal nicht beeinflusst und somit für
Änderungen in der Umschmelztiefe unkritisch ist. Die Ursache dieses Peaks ist
vermutlich eine Reflexion der Laserstrahlung, die vom Schutzglas oder dem
Schmelzbad ausgeht. Beim Umschmelzen mit konstanter Laserleistung von
P = 600 W steigt das Temperatursignal während des Umschmelzprozesses über
beide Kühlkanäle bis auf einen maximalen Wert von TS(t) = 4,4 V an. Der
Verlauf des Temperatursignals korreliert mit der Umschmelztiefe entlang der
umgeschmolzenen Spur. Die maximale Umschmelztiefe von zm = 1100 µm wird
über dem zweiten Kühlkanal gemessen. Über dem ersten Kühlkanal beträgt die
maximale Umschmelztiefe z = 800 µm, daraus ergibt sich eine Differenz in der
Umschmelztiefe von z = 300 µm. Für das Laserstrahl-Umschmelzen mit
Temperaturregelung an der Schmelzbadoberfläche wird ein Temperatursignal
von TS(t) = 4,0 V bestimmt, das etwa einer Umschmelztiefe von 1 mm zwischen
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 106
den beiden Kühlkanälen entspricht. Beim anschließenden Umschmelzen mit
Prozessregelung wird das Temperatursignal auf einen konstanten Wert von
TS(t) = 4,0 V konstant geregelt. Der Verlauf der Umschmelztiefe variiert um
z = 40 µm. Die Ergebnisse an der U-Probe zeigen, dass eine
Temperaturregelung an der Schmelzbadoberfläche die Abweichungen in der
Umschmelztiefe im Vergleich zum Umschmelzen mit konstanter Laserleistung
bei gleicher Umschmelztiefe verkleinert. Im Vergleich zur M-Probe werden für
das Laserstrahl-Umschmelzen mit Temperaturregelung ähnliche Unterschiede in
der Umschmelztiefe erzielt (M-Probe: z = 70 µm), jedoch wird ein größerer
Temperaturwert benötigt, um eine Umschmelztiefe von 1 mm zu erreichen. Die
Ursache für diese Abweichungen liegen vermutlich in dem um 18 % kleineren
Materialvolumen der U-Probe im Vergleich zur M-Probe und den damit
verbundenen Unterschieden in der Wärmeleitung bzw. Änderung der
Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche.
7.2.3 L-Probe
Das Laserstrahl-Umschmelzen an der L-Probe wird in einer 4-Achs-Bearbeitung
durchgeführt. Der Winkel zwischen der Oberfläche der L-Probe und der
einfallenden Laserstrahlung beträgt während des Laserstrahl-Umschmelzens
kontinuierlich = 10°. In Bild 105 sind eine Lichtbildaufnahme der L-Probe in
der Prozesskammer 1 und eine Anordnung der L-Probe während des
Laserstrahl-Umschmelzens dargestellt. Da der Aufbau der L-Probe in
Verfahrrichtung nicht symmetrisch ist, wird das Laserstrahl-Umschmelzen
entlang der Geometrie der L-Probe für zwei Verfahrrichtungen durchgeführt
(Bild 105 rechts).
Bild 105 :
links:
Lichtbildaufnahme
der L-Probe in der
Prozesskammer,
rechts:
Schematische
Darstellung der
L-Probe
beim Laserstrahl-
Umschmelzen
100 mm
Induktionsspule
L-Probe
Verfahrrichtung 2n
Laserstrahlung
45°
L-Probe
Verfahrrichtung 1
In Bild 106 ist ein Längsschliff einer umgeschmolzenen Spur an einer L-Probe
dargestellt. Die Spur wird entsprechend der schematischen Darstellung in
Bild 105 in Verfahrrichtung 1 umgeschmolzen. Die gesamte umgeschmolzene
Länge beträgt l = 33 mm inklusive einer l = 5 mm langen Rampe, um Risse
beim Ausschalten der Laserstrahlung zu vermeiden.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 107
Bild 106 :
Längsschliff an L-
Probe,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 700 W
Die Struktur ist entlang der umgeschmolzenen Spur in beiden Radien
einkristallin erstarrt. Die Umschmelztiefe im Radius beträgt 900 µm, die
maximale Umschmelztiefe beträgt 1200 µm kurz vor dem Ausschalten der
Laserstrahlung. In Bild 107 ist ein weiterer Längsschliff einer umgeschmolzenen
Spur für ein Experiment in Verfahrrichtung 2 dargestellt. Bei diesem Experiment
beträgt die maximale Umschmelztiefe etwa 1110 µm.
Bild 107 :
Längsschliff an L-
Probe,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 700 W
Die Struktur ist ebenfalls über die gesamte umgeschmolzene Länge einkristallin
erstarrt. Die Umschmelzergebnisse an der L-Probe zeigen, dass gekrümmte
Geometrien mit einer 4-Achs-Bearbeitung unter Erhaltung der einkristallinen
Struktur für beide Verfahrrichtungen bei gleichen Verfahrensparametern
umgeschmolzen werden können. Die unterschiedlichen maximalen
Umschmelztiefen resultieren aus unterschiedlichen Materialdicken (siehe Bild
93) der L-Probe und die damit verbundenen Unterschiede in der Wärmeleitung.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 108
In dem zweiten Schritt der Entwicklung der verfahrenstechnischen Grundlagen
sind die in Schritt 1 an den Flachproben entwickelten Verfahrensparameter
durch Einzelspuren auf die geometrisch komplexeren M-Proben, U-Proben und
L-Proben übertragen worden. Die Untersuchungen an unterschiedlichen Proben
zeigen, dass trotz Änderungen der Materialdicke sowie Einflüsse von
gekrümmten Oberflächen (Zylinderflächen) eine Umschmelztiefe von 1 mm mit
einkristallin erstarrter Struktur erreicht wird.
Anhand von Wärmeleitungsrechnungen an der M-Probe wird gezeigt, dass eine
konstante Umschmelztiefe von 1 mm über den ersten Kühlkanal nur durch eine
Vorgabe der Laserleistung entlang der umgeschmolzenen Spur erreicht wird. Im
Vergleich zum Laserstrahl-Umschmelzen mit konstanter Laserleistung, werden
jedoch die Abweichungen bei einer Umschmelztiefe von etwa 1 mm durch eine
konstante Prozesstemperatur an der Schmelzbadoberfläche
(Temperaturregelung) von zm = 400 µm auf zm = 200 µm verkleinert.
Bei der Verwendung des Precitec-Systems wird beim Umschmelzen an der M-
Probe die maximale Abweichung in der Umschmelztiefe von z = 290 µm auf
z = 70 µm bei einem Prozess mit Temperaturregelung verkleinert. Damit wird
das Ziel erreicht, durch eine Temperaturregelung eine nahezu konstante
Umschmelztiefe von zm = 1 mm 0,1 mm entlang der umgeschmolzenen Spur
einzuhalten.
Die ausgewerteten Temperatursignale des kamerabasierten CPC-
Systems demonstrieren, dass je nach Definition des Prozessfensters im
Kamerabild die Auswertung des Temperatursignals für die Umsetzung
einer Temperaturregelung geeignet ist. Die Begründung liegt darin,
dass Bereiche des Kamerabildes, die Rauschen oder Störsignale zum
Temperatursignal beitragen, ausgeblendet werden können und somit
nicht in der Auswertung berücksichtigt werden.
Die Ergebnisse zur Messung der Temperaturstrahlung an der
Schmelzbadoberfläche mit dem CPC-System zeigen, dass im Vergleich
mit dem Precitec-System die Unterschiede in der Auswertung des
Temperatursignals im Bezug zur Umschmelztiefe deutlicher aufgelöst
bzw. dargestellt werden (vergleiche Bild 102 / Bild 103).
Dadurch könnten für einen geregelten Prozess die Abweichungen in
der Umschmelztiefe im Vergleich zum Precitec-System weiter verkleinert
werden.
Da eine Signalausgabe des CPC-Systems zurzeit noch nicht zur
Verfügung steht, die für die Umsetzung einer Prozessregelung
erforderlich ist, werden keine weiteren Untersuchungen mit dem CPC-
System durchgeführt.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 109
7.3 Schritt 3: Übertragung des Verfahrens auf Turbinenschaufel
In dem dritten Schritt werden die in Schritt 1 an den Flachproben und die in
Schritt 2 an M-Proben, U-Proben und L-Proben entwickelten
Verfahrensparameter auf die drei verschiedenen Bereiche der Turbinenschaufel
Plattform, Schaufelblatt und Übergangsradius (Fillet) übertragen. Um eine
generelle Übertragbarkeit der Verfahrensparameter von den Proben auf die
Turbinenschaufel zu untersuchen, werden die ersten Versuche zum Laserstrahl-
Umschmelzen an Bereichen ohne Risse durchgeführt. Das Laserstrahl-
Umschmelzen am Schaufelblatt wird an aus dem Schaufelblatt heraus
geschnittenen Proben in der Prozesskammer 1 durchgeführt. Die Versuche an
der Plattform und dem Fillet werden in der Prozesskammer 2 an ganzen
Turbinenschaufeln in einer 4-Achs-Bearbeitung durchgeführt, bei der der
Winkel zwischen der Turbinenschaufel und der einfallenden Laserstrahlung
während des Laserstrahl-Umschmelzens kontinuierlich = 10° (siehe
Kapitel 6.6) beträgt. In Bild 108 ist eine schematische Darstellung der
Turbinenschaufel mit umgeschmolzenen Spuren an Plattform, Fillet und
Schaufelblatt dargestellt.
Bild 108 :
Schematische
Darstellung einer
Turbinenschaufel mit
Kennzeichnung von
umgeschmolzenen
Spuren an Plattform,
Fillet und
Schaufelblatt
Schaufelblatt
Plattform
Fillet
umgeschmolzene Spuren
150 mm
Probe aus Schaufelblatt
Bei den verwendeten Turbinenschaufeln handelt es sich um aus dem Betrieb
aussortierte Schrottschaufeln. Damit die Absorption der Laserstrahlung
möglichst gleich der an den Flachproben und an den komplexen
Probengeometrien ist, wird die von der Wärmedämmschicht befreite
Oberfläche der Turbinenschaufeln vor dem Umschmelzen geschliffen.
Exemplarisch werden einige Untersuchungen zum Laserstrahl-Umschmelzen an
den verschiedenen Bereichen der Turbinenschaufel vorgestellt.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 110
7.3.1 Untersuchung des Grundmaterials
In einer Voruntersuchung wird das Grundmaterial an einer Turbinenschaufel
anhand von metallurgisch präparierten Querschliffen untersucht und mit dem
Grundmaterial einer Flachprobe verglichen. In Bild 109 ist das Grundmaterial
einer Flachprobe (links) und von zwei unterschiedlichen Turbinenschaufeln im
Schaufelblatt (mitte) und im Fillet (rechts) dargestellt.
Bild 109 :
Vergleich von
Grundmaterial
Proben (links) und
Turbinenschaufel im
Schaufelblatt (mitte)
und in der Plattform
(rechts)
Grundmaterial Flachprobe Grundmaterial Schaufelblatt Grundmaterial Plattform
Poren Poren Poren
Im Grundmaterial der Turbinenschaufel sind teilweise deutlich mehr und
größere Poren in den interdendritischen Bereichen sichtbar. Da sich während
der Erstarrung fehlorientierte Körner aufgrund von Poren in den
interdendritischen Bereichen bilden können, wird von mehr fehlorientierten
Körnern beim Umschmelzen in der Turbinenschaufel im Vergleich zu den
Ergebnissen an Flachproben ausgegangen. Ein weiterer Unterschied zeigt sich
in einer vergleichenden Untersuchung der / ’-Mikrostruktur (Bild 110).
Bild 110 :
Vergleichende
Darstellung der / ’-
Struktur im
Grundmaterial einer
Flachprobe und einer
Turbinenschaufel
durch
Rasterelektronen-
mikroskopie
Grundmaterial Flachprobe Grundmaterial Turbinenschaufel
’
’
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 111
An einigen Stellen nahe der Oberfläche zeigt sich eine floßartige Struktur der
’-Phase (engl. rafting), die -Matrixkanäle sind breiter im Vergleich zur
Flachprobe.
7.3.2 Plattform
In einer ersten Untersuchung wird der an den Flachproben entwickelte
Standardparameter (P = 900 W) für das Laserstrahl-Umschmelzen an der
Plattform angewendet. Die minimale Materialdicke der Plattform beträgt ca.
10 mm und entspricht der Materialdicke der Flachproben. In Bild 111 ist ein
Längsschliff einer umgeschmolzenen Spur dargestellt. Die gesamte
umgeschmolzene Länge beträgt l = 25 mm inklusive einer wegabhängigen
Rampe von l = 5 mm für das Ausschalten der Laserstrahlung. Die
Umschmelztiefe nimmt entlang der umgeschmolzenen Spur bis auf eine
maximale Umschmelztiefe von ca. 1100 µm zu.
Bild 111 :
Längsschliff einer
umgeschmolzenen
Spur,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
950 µm 1100 µm
Spurende
umgeschmolzene Spur
Durch die wegabhängige Rampe werden Risse und fehlorientierte Körner beim
Ausschalten der Laserstrahlung vermieden. Im Vergleich mit den
Umschmelzergebnissen an den Flachproben werden bei identischen
Verfahrensparametern gleiche maximale Umschmelztiefen (Abweichung
20 µm) und Verläufe der Umschmelztiefe entlang der umgeschmolzenen Spur
erreicht (vergleiche Bild 79). In Bild 112 ist der Querschliff einer flächigen
Bearbeitung mit insgesamt drei umgeschmolzenen Spuren an der Plattform
dargestellt, alle Spuren sind mit einem Überlappungsgrad von 50 %
zueinander verfahren.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 112
Bild 112 :
Querschliff von drei
umgeschmolzenen
Spuren,
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 900 W
Die Umschmelztiefe mit einkristallin erstarrter Struktur ist bei allen Spuren
gleich und beträgt durchgängig maximal 1100 µm. Die Ergebnisse zeigen, dass
durch eine Übertragung der an den Flachproben entwickelten
Verfahrensparameter Bereiche an der Plattform mit einkristallin erstarrtem
Gefüge umgeschmolzen werden können. Durch das wegabhängige
Ausschalten der Laserstrahlung werden Risse am Ende der Spur vermieden.
Ebenfalls können flächige Bereiche durch sich überlappende Spuren mit
einkristallin erstarrter Struktur umgeschmolzen werden.
7.3.3 Schaufelblatt
Im Vergleich zur massiven Plattform weist das Schaufelblatt eine kleinere
Materialdicke auf, die an einigen Stellen kleiner 2 mm beträgt. Eine
Übertragung des entwickelten Standardparameters von der Flachprobe auf das
Schaufelblatt führt zu einem vollständigen Durchschmelzen und zu einer nicht
einkristallinen Erstarrung im Schaufelblatt. Durch eine Verkleinerung der
Laserleistung von P = 900 W auf P = 750 W wird eine maximale
Umschmelztiefe im Schaufelblatt von 1800 µm erreicht. In Bild 113 ist ein
Querschliff zweier umgeschmolzener Spuren dargestellt, die in einem Überlapp
von 50 % zu einander verfahren sind.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 113
Bild 113 :
Querschliff von zwei
umgeschmolzenen
Spuren, maximale
Umschmelztiefe:
zm = 2100 µm
maximale
Wandstärke der
Turbinenschaufel
2100 µm,
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 750 W
fehlorientierte Körner
2100 µm
Die minimale Wandstärke der Turbinenschaufel beträgt an dieser Stelle
ca. 1800 µm. Im umgeschmolzenen Bereich sind zahlreiche fehlorientierte
Körner erstarrt. In einer weiteren Untersuchung wird die Laserleistung auf
P = 500 W verkleinert, dadurch wird eine maximale Umschmelztiefe von
ca. 1 mm erreicht. In Bild 114 ist der Querschliff von zwei umgeschmolzenen
Spuren im Schaufelblatt der Turbinenschaufel dargestellt.
Bild 114 :
Querschliff von zwei
umgeschmolzenen
Spuren, maximale
Umschmelztiefe
1040 µm, maximale
Wandstärke der
Turbinenschaufel
2140 µm,
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 500 W
Die maximale Umschmelztiefe mit einkristallin erstarrter Struktur beträgt
1040 µm. Die minimale Wandstärke der Turbinenschaufel beträgt an dieser
Stelle ca. 2100 µm. In Bild 115 ist ein Längsschliff einer umgeschmolzenen Spur
im Schaufelblatt dargestellt. Die umgeschmolzene Länge beträgt l = 15 mm,
die minimale Materialdicke im Schaufelblatt ist etwa 2,2 mm. Die
Umschmelztiefe vergrößert sich entlang der umgeschmolzenen Spur bis auf
einen maximalen Wert von 1290 µm. Die Abweichungen in der
Umschmelztiefe sind somit qualitativ größer verglichen mit dem Laserstrahl-
Umschmelzen an der Plattform.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 114
Bild 115 :
Längsschliff einer
umgeschmolzenen
Spur im
Schaufelblatt, minimale
Materialdicke:
2,2 mm,
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 500 W
Spurende
990 µm 1290 µm
Die Ergebnisse am Schaufelblatt zeigen, dass durch Anpassung der
Verfahrensparameter, d.h. eine Reduzierung der Laserleistung, eine
Umschmelztiefe von 1 mm mit einkristallin erstarrter Struktur erreicht werden
kann. Ebenfalls ist ein flächiges Umschmelzen durch Anwendung der
Überlappstrategie möglich. Die wegabhängige Rampe beim Ausschalten der
Laserleistung verhindert die Bildung von Rissen am Ende der Spur.
7.3.4 Fillet
In einem abschließenden Schritt werden die an den Flachproben und an den
komplexen Probengeometrien (L-Probe) ermittelten Verfahrensparameter auf
den Fillet der Turbinenschaufel übertragen. Aufgrund der reduzierten
Materialdicke im Fillet von etwa 4,3 mm ‟ 8,8 mm wird die Laserleistung auf
P = 800 W verkleinert (siehe Kapitel 7.1.6). In Bild 116 sind Ausschnitte eines
Längsschliffs einer umgeschmolzenen Spur an der Saugseite der
Turbinenschaufel dargestellt. Die Spur verläuft vom Übergangsradius in das
Schaufelblatt der Turbinenschaufel. Am Ende der Spur wird die Laserleistung
durch die wegabhängige Rampe ausgeschaltet. Die Umschmelzergebnisse an
dem Fillet der Turbinenschaufel zeigen, dass gekrümmte Geometrien mit einer
4-Achs-Bearbeitung unter Erhaltung der einkristallinen Struktur
umgeschmolzen werden können. In dem Längsschliff ist das Gefüge über die
gesamte umgeschmolzene Länge gleichmäßig einkristallin ohne fehlorientierten
Körner erstarrt. Die Umschmelztiefe vergrößert sich über die gesamte
umgeschmolzene Länge bis auf einen Maximalwert von 1210 µm. Im Vergleich
mit der L-Probe werden ähnliche Umschmelztiefen mit einkristallin erstarrter
Struktur erzielt (siehe Bild 107), die Laserleistung muss der jeweiligen
Materialdicke im Fillet der Turbinenschaufel angepasst werden, da sich mit
veränderter Materialdicke Unterschiede in der Wärmeleitung ergeben.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 115
Bild 116 :
Längsschliff einer
umgeschmolzenen
Spur im Fillet, minimale Material-
dicke: 4,3 mm
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 800 W
Schnittebene
Spurende
SchaufelblattFillet
1210 µm930 µm
Plattform
Die Ergebnisse zeigen, dass die ermittelten Verfahrensparameter auf alle
Bereiche der Turbinenschaufel übertragen werden können, wenn die
Laserleistung an die unterschiedlichen Materialdicken der Turbinenschaufel
angepasst wird (siehe Bild 84). In Tabelle 13 ist für einige Versuche die
maximale Umschmelztiefe in Abhängigkeit von der Laserleistung und der
Materialdicke angegeben.
Laserleistung
[W]
Maximale Umschmelztiefe
[µm]
Minimale Materialdicke
[mm]
600 860 4,3
800 1210 4,3
800 1143 4,5
900 1230 8,8
800 1250 3,9 Tabelle 13 : Maximale Umschmelztiefe in Abhängigkeit von Laserleistung und minimaler Blechdicke
In dem dritten Schritt der Entwicklung der verfahrenstechnischen Grundlagen
ist die generelle Übertragbarkeit der Verfahrensparameter von den Proben auf
die unterschiedlichen Bereiche der Turbinenschaufel demonstriert worden.
Durch eine Anpassung der Laserleistung an die Materialdicke und die
Umsetzung einer 4-Achs-Bearbeitung wird in allen Bereichen der
Turbinenschaufel eine Umschmelztiefe von 1 mm mit einkristallin erstarrter
Struktur erreicht.
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 116
7.3.5 Untersuchungen zur Messung der emittierten Temperaturstrahlung
Um eine gleichmäßige Umschmelztiefe entlang der umgeschmolzenen Spur zu
erzielen, werden Untersuchungen zur Messung der von der
Schmelzbadoberfläche emittierten Temperaturstrahlung durchgeführt. Die
Ergebnisse zum Laserstrahl-Umschmelzen mit Temperaturregelung an der M-
Probe zeigen, dass durch eine Temperaturregelung die Abweichungen in der
Umschmelztiefe im Vergleich zum Umschmelzen mit konstanter Laserleistung
verkleinert werden. Die Untersuchungen zur Temperaturregelung werden mit
dem Precitec-System durchgeführt, der Umschmelzprozess beginnt auf der
Plattform, verläut durch das Fillet und endet im Schaufelblatt der
Turbinenschaufel. Die gesamte umgeschmolzene Länge beträgt l = 30 mm. In
Bild 117 sind die aufgezeichneten Prozesssignale TS(t) und P(t) sowie
Ausschnitte des Längsschliffs beim Laserstrahl-Umschmelzen mit konstanter
Laserleistung dargestellt.
Bild 117 :
Aufgezeichnete
Prozesssignale von
Precitec-System mit
konstanter
Laserleistung,
Längsschliff einer
umgeschmolzenen
Spur im Filletbereich
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
P = 630 W
TS(t)
PL(t)
Precitec-SystemSchnittebene
760 µm
820 µm
Plattform
Spurende
1430 µm
Fillet
1270 µm
Schaufelblatt
Beim Umschmelzen mit konstanter Laserleistung verläuft das
Laserleistungssignal auf einen konstanten Wert von P(t) = 2,2 V, dies entspricht
einer Laserleistung von P = 630 W. Während des gesamten
Umschmelzprozesses nimmt die Umschmelztiefe bis auf einen maximalen Wert
von zm = 1430 µm zu, an dieser Stelle beträgt die Materialdicke im Fillet
minimal etwa 2,9 mm. Das Temperatursignal steigt ebenfalls kontinuierlich
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 117
während des Prozesses bis auf einen maximalen Wert TS(t) = 3,0 V an. Der
Verlauf des Temperatursignals korreliert mit der Umschmelztiefe entlang der
umgeschmolzenen Spur.
Für das Laserstrahl-Umschmelzen mit Temperaturregelung wird der Sollwert
TS(t) = 2,5 V festgelegt, dieser Wert entspricht einer Umschmelztiefe von
ca. 1 mm. In Bild 118 sind Ausschnitte des Längsschliffs einer
umgeschmolzenen Spur mit Temperaturregelung zusammen mit den
aufgezeichneten Signalen vom Precitec-System dargestellt.
Bild 118 :
Aufgezeichnete
Prozesssignale von
Precitec-System mit
Temperaturregelung,
Längsschliff einer
umgeschmolzenen
Verfahrens-
parameter:
TV = TV2
d = d1
v = v3
TS(t)P(t)
Precitec-System Schnittebene
Plattform
Spurende
Fillet
Schaufelblatt
950 µm 1020 µm
1300 µm
Der Temperatursollwert wird während des gesamten Umschmelzprozesses auf
einen konstanten Wert geregelt, die Umschmelztiefe nimmt jedoch entlang der
Spur stetig zu. Daher wird das Ziel nicht erreicht, durch eine
Temperaturregelung eine nahezu konstante Umschmelztiefe von
zm = 1 mm 0,1 mm entlang der umgeschmolzenen Spur einzuhalten. Werden
die Umschmelztiefen zu Beginn und zum Ende der umgeschmolzen Spur
verglichen, ergibt sich eine Differenz von etwa zm = 350 µm. Werden die
Messungen der Umschmelztiefen an den gleichen Stellen ohne
Temperaturregelung durchgeführt, ergibt sich eine Differenz von zm = 610 µm
(siehe Bild 117).
Die Messungen der emittierten Temperaturstrahlung an der
Schmelzbadoberfläche und die Umsetzung einer Temperaturregelung zeigen,
dass die Abweichungen in der Umschmelztiefe im Vergleich zum Laserstrahl-
Verfahrensentwicklung
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 118
Umschmelzen mit konstanter Laserleistung von zm = 610 µm auf
zm = 350 µm verkleinert werden. Eine konstante Umschmelztiefe wird jedoch
nicht erreicht, es verbleibt eine maximale Abweichung in der Umschmelztiefe
von zm = 350 µm.
Weitere Untersuchungen mit anderen Messsystemen zur Minimierung der
Abweichungen werden nicht durchgeführt. Eine nahe konstante
Umschmelztiefe von 1 mm wird nur durch eine im voraus berechnete
wegabhängige Prozesstemperatur bzw. Laserleistung entlang der
umgeschmolzenen Spur erreicht (siehe Kapitel 7.2.1).
Zusammenfassung und Ausblick
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 119
8 Zusammenfassung und Ausblick
In der vorliegenden Arbeit werden verfahrenstechnische Grundlagen für das
Umschmelzen einkristallin erstarrter Turbinenschaufeln aus der Nickelbasis-
Superlegierung PWA 1483 entwickelt. Der technisch-wissenschaftlicher Ansatz
besteht in der engeren Verknüpfung von experimenteller
Verfahrensentwicklung, von Temperaturmessungen an der
Schmelzbadoberfläche und von Wärmeleitungsrechnungen (Modellierungen)
der Erstarrungsbedingungen und des Temperaturfeldes auf Basis der Finite-
Elemente-Methode. Die verfahrenstechnischen Grundlagen werden an
Flachproben entwickelt und über komplexe Proben mit unterschiedlicher
Materialdicke und gekrümmten Oberflächen auf die unterschiedlichen Bereiche
der Turbinenschaufeln übertragen. Durch eine systematische Variation der
relevanten Verfahrensparameter wird im ersten Schritt ein Prozessfenster für
das Laserstrahl-Umschmelzen ermittelt. Unter Erhaltung der einkristallin
erstarrten Struktur werden Umschmelztiefen bis zu 1,2 mm reproduzierbar in
der Randschicht von Flachproben erreicht. Parallel zu der experimentellen
Ermittlung geeigneter Verfahrensparameter werden Wärmeleitungsrechnungen
auf Basis der Finite-Elemente-Methode zur Berechnung der
Erstarrungsbedingungen (Temperaturgradient, Erstarrungsgeschwindigkeit auf
der Erstarrungsfront) durchgeführt. Aus den berechneten und den
experimentell ermittelten Ergebnissen lässt sich vergleichend zur Literatur (siehe
Bild 22) eine obere Schranke bei G3,4/v = 5.04E+20 K3.4/m4.4 für die einkristalline
Erstarrung ermitteln. Der Einfluss der Lage und Orientierung der Dendriten im
Grundmaterial auf die erstarrte Struktur im Schmelzbad wird anhand eines
Beispiels deutlich gemacht: An einer Flachprobe, bei der die sekundären
Dendritenarme nicht parallel zu den Kanten der Flachprobe ausgerichtet sind,
wird eine Umschmelztiefe von 1 mm mit einkristallin erstarrter Struktur erreicht.
Durch sich überlappende Spuren wird gezeigt, dass flächendeckend Bereiche
einkristallin erstarrt umgeschmolzen werden können. Eine wegabhängige
Rampe beim Ausschalten der Laserstrahlung verhindert Risse und fehlorientierte
Körner am Ende der umgeschmolzenen Spur. Abgeschlossen wird der erste
Schritt der Verfahrensentwicklung durch das Verschließen von „künstlichen“,
1 mm tiefen Rissen in Flachproben unter Erhaltung der einkristallin erstarrten
Struktur.
In dem zweiten Schritt der Entwicklung verfahrenstechnischer Grundlagen
werden die in Schritt 1 an den Flachproben entwickelten Verfahrensparameter
durch Einzelspuren auf die geometrisch komplexeren M-Proben, U-Proben und
L-Proben übertragen. Die Untersuchungen an unterschiedlichen Proben zeigen,
dass trotz Änderungen der Materialdicke sowie Einflüsse von gekrümmten
Oberflächen (Zylinderflächen) eine Umschmelztiefe von 1 mm mit einkristallin
erstarrter Struktur erreicht wird. Zudem werden Messungen der emittierten
Zusammenfassung und Ausblick
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 120
Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche und ein Abgleich des
Verlaufs von aufgezeichneter Temperaturstrahlung mit der Umschmelztiefe
durchgeführt. Vorab wird anhand von Wärmeleitungsrechnungen an der M-
Probe demonstriert, dass durch eine Temperaturregelung an der
Schmelzbadoberfläche keine konstante Umschmelztiefe erreicht wird. Für die
Umsetzung einer konstanten Umschmelztiefe entlang der umgeschmolzenen
Spur ist eine wegabhängige Vorgabe der Laserleistung unter Berücksichtigung
der Materialdicke erforderlich. Die Messungen der emittierten
Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche und die Umsetzung einer
Temperaturregelung zeigen, dass die Abweichungen in der Umschmelztiefe im
Vergleich zum Laserstrahl-Umschmelzen mit konstanter Laserleistung
verkleinert werden. Bei der Verwendung des Precitec-Systems wird beim
Umschmelzen an der M-Probe die maximale Abweichung in der
Umschmelztiefe von z = 290 µm auf z = 70 µm bei einem Prozess mit
Temperaturregelung verkleinert. Damit wird das Ziel erreicht, durch einer
Temperaturregelung eine nahezu konstante Umschmelztiefe von
zm = 1 mm 0,1 mm entlang der umgeschmolzenen Spur einzuhalten. Anhand
von Untersuchungen zum Laserstrahl-Umschmelzen mit dem kamerabasierten
CPC-System wird gezeigt, dass je nach Definition des Prozessfensters im
Kamerabild die Auswertung des Temperatursignals für die Umsetzung einer
Temperaturregelung geeignet ist. Die Ergebnisse zur Messung der
Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche mit dem CPC-System
zeigen, dass im Vergleich mit dem Precitec-System die Unterschiede in der
Auswertung des Temperatursignals im Bezug zur Umschmelztiefe deutlicher
aufgelöst bzw. dargestellt werden. Dadurch würden für einen geregelten
Prozess die Abweichungen in der Umschmelztiefe im Vergleich zum Precitec-
System weiter verkleinert werden. Da eine Signalausgabe des CPC-Systems
zurzeit noch nicht zur Verfügung steht, die für die Umsetzung einer
Prozessregelung erforderlich ist, konnten keine weiteren Untersuchungen mit
dem CPC-System durchgeführt werden.
In dem dritten Schritt werden die in Schritt 1 und in Schritt 2 entwickelten
Verfahrensparameter auf die drei verschiedenen Bereiche der Turbinenschaufel
Plattform, Schaufelblatt und Übergangsradius (Fillet) übertragen. Aufgrund von
verschiedenen Materialdicken wird durch eine Anpassung der Laserleistung in
allen Bereichen der Turbinenschaufel eine Umschmelztiefe von 1 mm mit
einkristallin erstarrter Struktur erzielt. Die Messungen der emittierten
Temperaturstrahlung an der Schmelzbadoberfläche und die Umsetzung einer
Temperaturregelung zeigen, dass die Abweichungen in der Umschmelztiefe im
Vergleich zum Laserstrahl-Umschmelzen mit konstanter Laserleistung
verkleinert werden. Eine konstante Umschmelztiefe wird durch die
Temperaturregelung jedoch nicht erreicht, es verbleibt eine maximale
Abweichung in der Umschmelztiefe von zm = 350 µm.
Im Vergleich zum Stand der Technik wird das Laserstrahl-Umschmelzen an
einkristallin erstarrten Nickelbasis-Superlegierungen (exemplarisch: PWA 1483)
in fünf verfahrenstechnischen Kernpunkten weiterentwickelt.
Zusammenfassung und Ausblick
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 121
1. Durch Ermittlung geeigneter Verfahrensparameter wie
Laserstrahldurchmesser, Verfahrgeschwindigkeit, Laserleistung und
Vorwärmung wird die maximale Umschmelztiefe mit einkristallin
erstarrter Struktur von ca. 600 µm (Stand der Technik) auf maximal
1200 µm vergrößert.
2. Unter Erhaltung der einkristallinen Struktur wird das Verschließen von
1 mm tiefen, künstlich mit Drahterodieren hergestellten Rissen in
Flachproben erstmalig demonstriert.
3. Zur Vermeidung von Heißrissen beim Ausschalten der Laserstrahlung
wird ein Verfahren vorgestellt, bei dem die Laserstrahlung durch eine
wegabhängige Rampe ausgeschaltet wird.
4. An Proben mit gekrümmter Oberfläche (U-Probe, L-Probe) wird das
Laserstrahl-Umschmelzen mit einkristallin erstarrtem Gefüge in einer 4-
Achs Bearbeitung erstmalig durchgeführt.
5. Eine Temperaturregelung (Regelung der Temperaturstrahlung) an der
Schmelzbadoberfläche wird an Proben mit unterschiedlichen
Materialdicken (M-Probe) und an Proben mit gekrümmter Oberfläche
(U-Probe) umgesetzt. Dadurch wird eine nahezu konstante
Umschmelztiefe von etwa 1 mm 0,1 mm entlang der
umgeschmolzenen Spur erzielt.
Zukünftige Entwicklungsschwerpunkte stellen die Ermittlung der mechanischen
Eigenschaften in Materialtests an Proben mit umgeschmolzenen Spuren dar.
Des Weiteren sollte eine weitere Minimierung der Abweichungen in der
Umschmelztiefe beim Laserstrahl-Umschmelzen an Bereichen mit variierender
Materialdicke angestrebt werden. Ein Lösungsansatz besteht in der Vorgabe
der Laserleistung entlang der umgeschmolzenen Spur anhand von
Wärmeleitungsrechnungen. Für eine erfolgreiche Umsetzung einer
Rissschließung in Turbinenschaufeln sind messtechnische Untersuchungen über
Risstiefe, Rissbreite und Verlauf der Risse in den Turbinenschaufeln erforderlich.
Neben der Rissschließung eignet sich ein entwickeltes Verfahren zum Beseitigen
von Porosität und fehlorientierten Körnern in Oberflächennähe von gegossenen
Neubauteilen.
Quellen und weiterführende
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Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 122
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Anhang
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 130
10 Anhang
10.1 Physikalische Grundlagen der Temperaturmessung
Als Temperatur- oder Wärmestrahlung wird die von der Oberfläche eines
Körpers ausgehende elektromagnetische Strahlung bezeichnet, deren
Eigenschaften nur von der Temperatur und der chemisch-physikalischen
Beschaffenheit der strahlenden Oberfläche des Körpers abhängen. Messgeräte,
die aus dieser Wärmestrahlung die Temperatur des Strahlers bestimmen
können, werden als Strahlungsthermometer oder Pyrometer bezeichnet. Die
emittierte Temperaturstrahlung vom Messobjekt zum Detektor ist abhängig
von:
der Anordnung des Detektors relativ zum Messobjekt
der Geometrie der Oberfläche des Messobjektes
der Fläche des Messflecks
dem Raumwinkel
der Temperaturverteilung im Bereich des Messflecks
und dem spektralen Emissionsgrad im Bereich des Messflecks [53]
Der von einer Oberfläche abgestrahlte Strahlungsfluss wird definiert als auf
die Zeiteinheit bezogene Strahlungsenergie Q [59]:
10.1
dt
dQ [W]
Q : Strahlungsenergie
t : Zeiteinheit
Mit der Definition der Raumwinkelgrößen erfolgt die Berücksichtigung der
geometrischen Verhältnisse zwischen dem Temperaturstrahler und dem
Empfänger. Der Raumwinkel ist eine geometrische Größe des
dreidimensionalen Raumes und kennzeichnet eine Strahlenschar, die von einem
Mittelpunkt ausgeht und in der Entfernung r die Fläche A einschließt. Er wird
definiert als Teilfläche S einer Kugel, dividiert durch das Quadrat des Radius r
der Kugel. In Bild 119 ist die Definition des Raumwinkelelementes d
dargestellt, unter dem ein Flächenelement dAF in der Entfernung R vom Punkt S
erscheint, wenn die Flächennormale um den Winkel gegen die Strahlrichtung
geneigt ist [59].
Anhang
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 131
Bild 119 :
Definition des
Raumwinkels [59]
d R
dAF
S
d = dA/r2 ∙ cos
Wird ein Raumwinkelelement d betrachtet, das von einem im Abstand R
befindlichen Flächenelement dAF begrenzt wird, so wird definiert:
10.2
02F
R
cosdAd mit 0 = 1sr
Bei Betrachtung der Einheitskugel (r = 1) entspricht eine Teilfläche also
unmittelbar dem zugehörigen Raumwinkel. Der volle Raumwinkel entspricht
der Oberfläche der Einheitskugel (4 ). Obwohl der Raumwinkel eine
dimensionslose Größe ist, wird er zur Verdeutlichung in der Einheit Steradiant
angegeben. Dies entspricht dem Bogenmaß mit der Einheit Radiant beim
ebenen Winkel [59].
Die von einer Oberfläche emittierte Temperaturstrahlung wird beschrieben
durch ihre Strahldichte L, die angibt, wie viel Energie je Zeiteinheit, Raumwinkel
und Flächeneinheit in Ausstrahlungsrichtung ausgesandt wird. Die
Temperaturmessung durch Pyrometer erfolgt durch die Erfassung der
spektralen Strahldichte. Pyrometer messen das Integral der spektralen
Strahldichte L ( ,T) über einen bestimmten Spektralbereich [ 1, 2], das in eine
Temperatur umgerechnet wird. Zur Beschreibung der Strahlungscharakteristik
von realen Oberflächen ist die Einführung des Konzeptes des Schwarzen
Körpers erforderlich. Als Schwarzen Körper wird eine idealisierte Oberfläche
bezeichnet, die die gesamte auf sie auftreffende Strahlung unabhängig von der
Wellenlänge und von der Einstrahlungsrichtung absorbiert. Die emittierte
Strahlung ist bei einem Schwarzen Körper von der Abstrahlungsrichtung
unabhängig. Ebenso stellt die von einem Schwarzen Strahler emittierte
Strahlung ein Maximum dar, das von keiner realen Oberfläche bei gleicher
Temperatur und Wellenlänge erreicht werden kann. Die Strahldichte eines
schwarzen Strahlers L ,S( ,T) ist gegeben das durch die Planksche Formel [54]:
Anhang
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 132
10.3
1)T
cexp(
1c)T,(L
251
S,
Mit den Strahhlungskonstanten c1 = 119.1 µW µm2sr-1, c2 = 14388 µm K
sowie : Wellenlänge µm, T: Temperatur K
Reale Strahler emittieren bei gleicher Temperatur stets weniger als schwarze
Körper. Die spektrale Strahldichte eines nicht schwarzen Körpers ergibt sich aus
der eines schwarzen Strahlers gleicher Temperatur durch Multiplikation mit
dem spektralen Emissionsgrad ( ,T) des betreffenden Körpers. Die spektrale
Strahldichte L ( ,T) eines beliebigen Körpers lässt sich mit der spektralen
Strahldichte LS, ( ,T) eines schwarzen Körpers mit dem spektralen
Emissionsgrad ( ,T) wie folgt in Beziehung setzen:
10.4
)T,(a)T,()T,(L
)T,(L
,S
Weiterhin ist nach Kirchhoff für alle Körper der Emissionsgrad gleich dem
Absorptionsgrad. Ein Schwarzer Körper absorbiert alle auf ihn fallende
Strahlung und besitzt daher den Absorptionsgrad 1 [74].
Bei einem Temperaturstrahler ist der spektrale Emissionsgrad zahlenmäßig
gleich dem spektralen Absorptionsgrad. Die berührungslose Messung von
Oberflächentemperaturen durch Pyrometer erfordert die genaue Kenntnis des
Emissionsfaktors.
Hinsichtlich der Strahlungscharakteristik ist bei Metallen zu beachten, dass der
Emissionsrad in Abhängigkeit von der Wellenlänge mit zunehmendem
Emissionswinkel zunimmt [53]. Darüber hinaus ist bei der
Temperaturbestimmung zu beachten, dass die Oberflächenrauheit den
Emissionsgrad bis um den Faktor 4 gegenüber einer glatten Oberfläche
erhöhen kann [75]. Oxidschichten können den Emissionsgrad signifikant
erhöhen. Quotientenpyrometrie führt in der Regel zu größeren
Temperaturfehlern als monochromatische Pyrometrie [75].
Für die Ausbreitung jeglicher Art von Strahlung gilt das photometrische
Grundgesetz. Das Grundgesetz beschreibt den differentiellen Strahlungsfluss,
der ein differentielles Flächenelement dAF1 abstrahlt und der von einem
differentiellen Flächenelement dAF2 im Abstand R aufgenommen wird (Bild 120)
[54].
10.5
2F1F2212 dAdA
R
coscos)T,(L)T,(d
Die Projektionen dA1∙cos und dA2∙cos stehen dabei senkrecht zur
Strahlungsrichtung. Die Winkel 1 und 2 geben die Abweichung zur
Flächennormalen an.
Anhang
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 133
Bild 120 :
Schemabild:
Strahlungsübertrag
zwischen zwei
differentiellen
Flächenelementen,
nach [54]
dAF2
dAF1
1
2
N
NR
Strahlende Fläche
Detektor
Aus den Gleichungen 10.3, 10.4 und 10.5 lässt sich unter Berücksichtigung der
Verluste im optischen Strahlengang der Strahlungsfluss in das
Strahlungsthermometer für den Wellenlängenbereich [ 1, 2] herleiten:
10.6
ddAdA
R
coscos
1T
cexp
c2)T,()( 2F1F2
21
A2
15
A Detektor
2
1 Subst
[54]
ASubst: Substratoberfläche bzw. der Messfleck auf der Substratoberfläche
ADetektor: Detektoreintrittsfläche
( ): Spektraler Transmissionsgrad der Vorsatzoptik
Bei dem Quotientenpyrometer kann die Temperatur gemessen werden, ohne
dass der Emissionsgrad ( ,T) vorher bestimmt worden ist. Bei einem
Quotientenpyrometer wird bei zwei Wellenlängen die spektrale Strahldichte
L ( ,T) gemessen. Aus dem Verhältnis der in den zwei Wellenlängenbereichen
ausgestrahlten Energiemenge lässt sich die Temperatur berechnen [74].
10.7
)T,(L
)T,(Lq
2
1
Das Quotientenpyrometer ermöglicht so eine genaue und reproduzierbare
Temperaturmessung, wenn der Emissionsgrad ( ,T) für beide gemessenen
Wellenlängen gleich ist [74].
Anhang
Verfahrenstechnische Grundlagen für das
Laserstrahl-Umschmelzen einkristalliner
Nickelbasis-Superlegierungen 134
10.2 Leistungsmessungen und Strahldiagnosen des verwendeten Lasersystems
Laserleistungsmessung durch das Schutzgas für unterschiedliche Winkel
Bild 121 :
Laserleistungs-
messung durch das
Schutzgas für
unterschiedliche
Winkel
Kaustik der Nd:YAG-Laserstrahlquelle HL 3006D der Firma Trumpf mit einer
maximalen Ausgangsleistung von 3 kW
Bild 122 :
Kaustik und
Intensitätsverteilung
der Laserstrahlung
bei unterschiedlichen
Laserstrahl-
durchmessern