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www.lia.nrw.de Den Wandel gesund gestalten – langfristig erfolgreich restrukturieren. Ein Leitfaden für Personalverantwortliche und Führungskräfte. transfer 2 Landesinstitut für Arbeitsgestaltung des Landes Nordrhein-Westfalen

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  • www.lia.nrw.de

    Den Wandel gesund gestalten – langfristig erfolgreich restrukturieren.Ein Leitfaden für Personalverantwortliche und Führungskräfte. transfer 2

    Landesinstitut fürArbeitsgestaltungdes Landes Nordrhein-Westfalen

  • Impressum

    Landesinstitut für Arbeitsgestaltung

    des Landes Nordrhein-Westfalen (LIA.NRW)

    Ulenbergstraße 127–131

    40225 Düsseldorf

    Telefon 02 11/31 01-0

    Telefax 02 11/31 01-11 89

    [email protected]

    www.lia.nrw.de

    Autorenteam

    LIA.NRW: Emanuel Beerheide,

    Martin Figgen, Dr. Kai Seiler

    Institut für Betriebliche Gesundheitsförderung

    BGF GmbH, Köln: Birgit Schauerte

    Gestaltung

    designlevel 2

    Druck

    Druckhaus Tecklenborg, Steinfurt

    Das LIA.NRW ist eine Einrichtung des

    Landes Nordrhein-Westfalen und

    gehört zum Geschäftsbereich

    des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales

    des Landes Nordrhein-Westfalen.

    Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise,

    nur mit Genehmigung des LIA.NRW.

    Düsseldorf, September 2012

  • Inhalt

    Einleitung 5

    1. Folgen von Restrukturierungen 6 1.1 Hintergrund 6 1.2 Allgemeine Auswirkungen 8 1.3 Auswirkungen auf die Entlassenen 9 1.4 Auswirkungen auf die Verbleibenden im Unternehmen 9 1.5 Auswirkungen auf die direkten Vorgesetzten 10 1.6 Gesundheitliche Folgen für die Betroffenen 11 1.7 Folgen für Unternehmen 12

    2. Chancen nutzen 13 2.1 Umsetzungsphase – den Wandel mitarbeiterorientiert gestalten 15 2.2 Kommunikation im Veränderungsprozess 19 2.3 Beteiligungsorientiertes Gesundheitsmanagement 22 2.4 Führung im Wandel 25 2.5 Gesundheitsrelevante und ressourcenstärkende Angebote für Beschäftigte 28 2.6 Kompetenzerweiterung durch Qualifizierung 30 2.7 Prozessoptimierung und externe Beratung 33

    3. Werkzeugkasten 35 4. Fazit 38

    Anhang 40

  • 5

    EinleitungDie Arbeitswelt Nordrhein-Westfalens wandelt sich ständig. Nach wie vor ist NRW ein wichtiger Produktionsstandort, aber mittlerweile arbeiten 70 % der Beschäf-tigten im Dienstleistungssektor oder Handel. Der wirtschaftliche Wandel verän-dert auch die Anforderungen an die Beschäftigten: Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fühlen sich psychisch belastet durch Zeitdruck, hohe Verantwor-tung und die zu leistende Arbeitsmenge, wie die Abbildung verdeutlicht:

    Auffallend hoch ist der Anteil Beschäftigter, die Umstrukturierungsmaßnahmen als ziemliche (15 %) oder sogar starke (9 %) Belastung erleben.

    Beschäftigte empfinden Restrukturierungsprozesse mit Personalabbau als stressbehaftete Situation: Dies kann beispielsweise einhergehen mit der Angst davor, den eigenen Arbeitsplatz oder zumindest das Aufgabengebiet zu ver-lieren, sich neu einarbeiten oder auf neue Kolleginnen und Kollegen einstellen zu müssen sowie mit Zweifeln an der eigenen Leistung in der Vergangenheit. Um genau diese Menschen soll es in diesem Leitfaden gehen.

    Natürlich: Um auf dynamische Veränderungen der Wirtschaft reagieren und langfristig erfolgreich am Markt bestehen zu können, müssen sich Betriebe und Unternehmen anpassen – auch in Nordrhein-Westfalen.

    Aber: Eine wichtige Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit und den unter-nehmerischen Erfolg der nordrhein-westfälischen Wirtschaft sind gesunde und motivierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

    Dieser Leitfaden richtet sich an Verantwortliche in Unternehmen, die mit der Herausforderung, Umstrukturierungen umsetzen zu müssen, konfrontiert sind. Er soll dabei unterstützen, Risiken und Gefahren von Restrukturierungsprozes-sen für die Beschäftigten frühzeitig zu erkennen und Veränderungsprozesse beteiligungsorientiert zu gestalten.

    n  nicht belastet n  etwas belastet n  ziemlich belastet n  stark belastet

    Abbildung 1: Belastungen am Arbeitsplatz (Anteil der Befragten in %, N = 2000)Repräsentative Befragung von 2000 Beschäftigten in NRW (LIA.NRW 2009)

    „Wie stark fühlen Sie sich durch ... belastet?“

    0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

    Hoher Zeitdruck

    Hohe Verantwortung

    Überforderung durch Arbeitsmenge

    Umstrukturierungs-maßnahmen

    Lärm

  • 6

    1. Folgen von Restrukturierungen

    1.1 Hintergrund

    Um wettbewerbsfähig zu bleiben, sind Unternehmen gezwungen, zeitnah auf Ver-änderungen am Markt zu reagieren. Durch strategischen und organisatorischen Wandel im Unternehmen ergeben sich häufig massive Reorganisationen der Arbeitsprozesse. Unter der Bezeichnung „Restrukturierung“ sind diese Prozesse zu einem Synonym für eine sich stetig wandelnde und unsichere Wirtschafts-welt geworden.

    Es sind Begriffe wie Fusionen, Zentralisierungen, Outsourcing oder Standort-schließungen, die uns allzu vertraut geworden sind und die häufig mit einem umfassenden Personalabbau einhergehen. Zu beobachten ist zudem, dass erhoffte positive ökonomische Effekte bei Restrukturierungsprozessen aus-bleiben und eine Restrukturierungsmaßnahme der anderen folgt.

  • 71. Folgen von Restrukturierungen

    Betroffene nehmen Restrukturierungen oft als existenzbedrohende Krisen wahr. Unsicherheiten schüren Ängste sowohl bezüglich der momentanen Arbeitsbe-dingungen als auch der finanziellen Sicherheit und können sich zudem negativ auf die Gesundheit der Betroffenen auswirken. Dies gilt nicht nur für diejenigen, die ihren Arbeitsplatz bei solchen Prozessen verlieren, sondern auch für die-jenigen, die im Betrieb bleiben. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, sich nicht nur um die Ausscheidenden, sondern auch um die Verbleibenden in Unter-nehmen zu kümmern, da sie das wichtigste Potential für das Gelingen von Ver-änderungsprozessen darstellen.

    Die von diesen Beschäftigten erlebte Transparenz und Fairness im Veränderungs-prozess, ihre Beteiligung und die Unterstützung des mittleren Managements sind entscheidende Faktoren für die erfolgreiche Gestaltung des Wandels und Voraussetzung für den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit der Belegschaft und deren Motivation. Ein mitarbeiterorientiert gestalteter Unternehmenswandel sollte im Vorfeld vor organisatorischen und personalreduzierenden Verände-rungsprozessen mögliche Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und damit auf die Beschäftigten eingehend mit berücksichtigen.

    Häufig geht ein Restrukturierungsprozess mit einer Reduzierung des Personal-stamms einher. Die verbleibende Belegschaft reagiert auf solche Schritte ver-unsichert. Dabei müssen Restrukturierungen nicht zwingend und ausschließlich mit negativen Begleiterscheinungen verbunden sein – schließlich werden die Ver-änderungsprozesse angestoßen, um das Fortbestehen bzw. die Weiterentwick-lung der Organisation zu sichern.

    Bewusst geplante Maßnahmen sollen und können zu positiven Veränderungen in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsaufgaben führen. Verän-derungsprozesse können Innovationen anstoßen, Arbeitsinhalte aufwerten, Handlungsspielräume erweitern und damit individuell als bereichernd erlebt werden. Möglichkeiten der Einflussnahme bestehen – zumindest in bestimm-tem Umfang – in der Gestaltung und Durchführung des Prozesses und sollten entsprechend genutzt werden. Restrukturierungen können dabei durchaus gesundheitsfördernde oder zumindest gesundheitsschützende Elemente, wie in diesem Leitfaden deutlich wird, enthalten.

    Der erste Teil des Leitfadens beschreibt mögliche negative Auswirkungen eines Veränderungsprozesses auf die Verbleibenden im Unternehmen. Im zweiten Teil werden Handlungsempfehlungen gegeben, die abschließend in einem Werkzeug-kasten zusammengestellt sind.

  • 8 1. Folgen von Restrukturierungen

    Dieser Leitfaden …

    n  veranschaulicht die negativen Auswirkungen des Personalabbaus im Zuge von Restrukturierungsmaßnahmen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Entlassenen und der Verbleibenden,

    n  verdeutlicht, dass Betroffene durch eine transparente und offene Kommunikation besser mit umfassenden Veränderungsprozessen umgehen können,

    n  beschreibt die entscheidenden Gestaltungsfelder für einen mitar-beiterorientiert gestalteten Veränderungsprozess mit dem Ziel, die Beschäftigungsfähigkeit und Motivation zu erhalten,

    n  fasst die Werkzeuge zur Gestaltung eines gesundheitsorientierten Veränderungsprozesses in einem „Werkzeugkasten“ zusammen,

    n  beschreibt Instrumente eines präventiven Arbeitsschutzes und einer unterstützenden betrieblichen Gesundheitsförderung.

    1.2 Allgemeine AuswirkungenViele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erleben den Unternehmenswandel als einschneidende berufliche und persönliche Bedrohung. Die belastenden Ver-unsicherungen und Ängste auf allen Unternehmensebenen sind häufig auf eine unzureichende und intransparente Informations- und Kommunikationskultur und auf als unfair erlebte Entscheidungsprozesse zurückzuführen.

    Unsicherheiten und Ängste bei den verbleibenden Beschäftigten bestehen im Hinblick darauf, ob auch ihr Arbeitsplatz einer der nächsten Entlassungswellen zum Opfer fällt. Fragen wie: „Was wird meine Aufgabe sein?“, „Werde ich den kommenden und steigenden Anforderungen gerecht werden können?“ oder „Muss ich mich räumlich verändern?“ belasten die Verbleibenden.

    Nach der Ankündigung eines bevorstehenden Personalabbaus wird die Zeit-spanne bis klar ist, wer geht, als extrem belastend von Betroffenen empfunden. Eine unzureichende Kommunikationspolitik bringt die Gerüchteküche zum Bro-deln: „Wer von uns wird gehen müssen?“ oder „Wie sollen wir das nur mit weniger Leuten schaffen?“ Diese Verunsicherungen verstärken die Belastungssitu a tion zusätzlich.

  • 91. Folgen von Restrukturierungen

    Eine Reduzierung dieser Unsicherheiten kann auf alle Beteiligten beruhigend wirken. So müssen bei der Abschätzung der Folgen eines Restrukturierungs-prozesses die Auswirkungen auf die entlassenen Beschäftigten, auf die im Unternehmen Verbleibenden und auf die für die Umsetzung verantwortlichen Führungskräfte immer berücksichtigt werden.

    1.3 Auswirkungen auf die Entlassenen Den Verlust des Arbeitsplatzes erleben viele Betroffene als extreme finanzielle und soziale Bedrohung, teilweise sogar als persönliche Katastrophe. Abhängig von den persönlichen Rahmenbedingungen, der sozialen Unterstützung durch die Familie und Freunde und von angemessenen externen Unterstützungsleis-tungen (z. B. über Transferunternehmen) können sich individuelle Unterschiede in der Reaktion auf den Verlust des Arbeitsplatzes zeigen. Im schlimmsten Fall reagieren Betroffene mit depressiven Verstimmungen, Angstzuständen sowie psychosomatischen Erkrankungen.

    Hinzu kommt häufig das Gefühl, am Arbeitsplatz versagt, nicht genug Leistung gezeigt zu haben und nicht mehr „gebraucht“ zu werden. Ein solches negatives Selbstwertgefühl kann zur sozialen Isolation und zur Antriebslosigkeit führen, was sich z. B. im Hinblick auf die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle negativ auswirken kann. In der Situation, den Arbeitsplatz verloren zu haben, ist die soziale Unterstützung durch Bezugspersonen aus der Familie und dem Freun-des-/Bekanntenkreis extrem wichtig. Soziale Unterstützung signalisiert – auch bzw. gerade von Arbeitslosigkeit Betroffenen – Anerkennung und Identität und vermittelt das Gefühl sozialer Sicherheit.

    1.4 Auswirkungen auf die Verbleibenden im Unternehmen

    Eigentlich wäre zu erwarten, dass Beschäftigte, die Entlassungen entgangen sind, glücklich über diesen Zustand sind. Es hat sich jedoch gezeigt, dass dies nicht zwingend der Fall sein muss: Neben der weiter bestehenden Angst um den Arbeitsplatz drehen sich die Gedanken dieser Beschäftigten um den Erhalt der beruflichen Position, um Veränderungen in der ausgeübten Tätigkeit und den möglichen Verlust wertgeschätzter sozialer Beziehungen zu Kollegen und Kolle-ginnen sowie Vorgesetzten.

  • 10

    Betriebliche Entlassungen führen, bei fehlenden Unterstützungskonzepten, zu einer ausgeprägten Arbeitsverdichtung in Bezug auf die Arbeitsmenge und möglicherweise zu einer „Erweiterung“ der Arbeitsinhalte. Das Gefühl, den Anforderungen neuer Tätigkeitsfelder nicht gewachsen zu sein, kann zu Ver-sagensängsten und Überforderungen führen. Diese Belastungen und die per-manente Angst um den Arbeitsplatz können psychosomatische Erkrankungen auslösen.

    Die im Unternehmen Verbleibenden entwickeln häufig Schuldgefühle gegen-über ehemaligen Kolleginnen und Kollegen. Als ungerecht wahrgenommene oder nicht nachvollziehbare Entscheidungen verstärken diese Gefühle und können zu ablehnenden Haltungen gegenüber den Verantwortlichen führen.

    Beschäftigte, die sich Veränderungsprozessen hilflos ausgeliefert fühlen, können destruktive Verhaltensweisen bei der Arbeit entwickeln. Über die Bildung von Machtbündnissen und auf der Suche nach Sündenböcken entstehen für alle Beteiligten belastende Konflikte, die das Betriebsklima negativ beeinflussen.

    1.5 Auswirkungen auf die direkten Vorgesetzten

    Die direkten Vorgesetzten als Ausführende der Veränderungen befinden sich in einer undankbaren Sandwichposition. Einerseits sind sie verpflichtet, die Ent-scheidungen des Managements umzusetzen, und andererseits sind sie täglich mit den Sorgen, Ängsten und ablehnenden Reaktionen der Beschäftigten kon-frontiert. Zudem stehen sie häufig im Konflikt, ihren Mitarbeiterinnen und Mit-arbeitern gegenüber Positionen vertreten müssen, die sie unter Umständen persönlich nicht befürworten.

    Darüber hinaus haben sie in der Regel während des Restrukturierungsprozesses selbst mit dem Gefühl der Arbeitsplatzunsicherheit zu kämpfen. Es verwundert daher nicht, dass Vorgesetzte in Restrukturierungsprozessen von einer erheb-lichen Überforderung, ausgeprägtem emotionalem Stress, körperlichen und psychischen Beschwerden sowie Schlafstörungen berichten.

    1. Folgen von Restrukturierungen

  • 111. Folgen von Restrukturierungen

    1.6 Gesundheitliche Folgen für die Betroffenen

    Studien belegen, dass durch Personalabbau gekennzeichnete Veränderungs-prozesse mit erhöhten Krankenständen einhergehen und dass die verbleiben-den Beschäftigten ein hohes Gesundheitsrisiko tragen. Die gesundheitlichen Folgen sind abhängig von der Gestaltung des Prozesses und den individuellen Bewertungsmustern bzw. Bewältigungskompetenzen. In diesem Zusammen-hang sind gesundheitliche Auswirkungen und Erkrankungen wissenschaftlich belegt:

    n Personen, die ihren Arbeitsplatz als unsicher einstufen, leiden häufiger an psychischen Erkrankungen und psychosomatischen Beschwerden.

    n Ängste, Sorgen und Überforderung durch Arbeitsverdichtung gehen mit einem verstärkten Auftreten von psychischen Erkrankungen (z. B. reaktive Depressionen) einher.

    n Arbeitsplatzunsicherheit kann sich durch eine Veränderung der gesundheitsbezogenen Lebensweise auf die Gesundheit auswirken (z. B. Alkohol- und Zigarettenkonsum).

    n Zeitdruck und Arbeitsstress gehen mit einem um 50 % höheren Risiko für die Entwicklung einer koronaren Herzerkrankung einher.

    n Körperliche und psychische Belastungen durch die erhöhte Arbeitsinten-sität können zu einem Anstieg der Muskel-Skelett-Erkrankungen führen.

    n Unzureichende Qualifizierungen für übertragene Arbeitsaufgaben und der zunehmende Zeitdruck erhöhen das Risiko von Arbeitsunfällen.

    Auswertungen der Krankenkassen belegen, dass Erkrankungen in den oben genannten Diagnosegruppen, insbesondere bei psychischen und Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen, mit langen Genesungszeiten einhergehen und damit zu einem deutlichen Anstieg der Fehlzeiten führen. Diese müssen in der Regel durch andere Beschäftigte kompensiert werden, deren Arbeitsbelastung sich damit weiter verschärft. Die durch Fehlzeiten entstehenden Kosten müssen von den Unternehmen (Lohnfortzahlungen) und den Sozialversicherungen (Behand-lungen, Rehamaßnahmen, Krankengeld u. a.) getragen werden.

    Parallel dazu neigen Verbleibende, die ihren Arbeitsplatz als unsicher einstufen, dazu, trotz Erkrankung den Arbeitsplatz aufzusuchen (Präsentismus). Langfristig können vorhandene und ignorierte Beschwerden und Erkrankungen in chroni-schen Krankheitsbildern münden und so die Fehlzeitenproblematik weiter ver-schärfen. Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit Erkrankter führt zu Produktivi-tätsverlusten, die sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen auswirken können.

  • 12 1. Folgen von Restrukturierungen

    1.7 Folgen für Unternehmen

    Bei einem lang andauernden Veränderungsprozess mit einschneidenden Maß-nahmen, von denen viele Beschäftigte betroffen sind, steigt die Wahrschein-lichkeit gesundheitlicher Beeinträchtigungen in der Belegschaft. Die damit einhergehende verminderte Leistungsfähigkeit und -bereitschaft kann zu Pro-duktivitätseinbußen führen und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens bedrohen. Die Schere zwischen den beabsichtigten Zielen (Erhalt bzw. Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit) und der Realität klafft immer weiter auseinander. Oftmals wird versucht, diese Entwicklungen mit weiteren Restrukturierungen aufzufangen. Nicht zuletzt ist dies der Grund dafür, dass viele Restruktu rie-rungsprojekte wirtschaftlich scheitern.

    Die folgende Abbildung stellt zusammenfassend die möglichen Auswirkungen von Veränderungsprozessen auf die Verbleibenden und das Unternehmen im Überblick dar.

    Gefahren der Restrukturierung für die Gesundheit des Einzelnen und des Unternehmens

    Faktoren auf Unternehmensebene

    Psychosoziale Auswirkungen auf persönlicher Ebene

    Gesundheitliche Aus wirkungen auf Unternehmens ebene

    Dimensionen der Veränderung

    n Änderungen des Auf gabenfeldsn Änderungen im Teamn Längere Arbeitszeitn Personalabbaun Lohnkürzungenn Erzwungene Flexi bilitätn Kurzzeitverträgen Anhaltende Unsicherheit

    n Arbeitsplatzunsicherheit (qualitativ und quanti tativ)

    n Wahrnehmung von Ungerechtig-keit in der Organisation

    n Geringeres Engagementn Geringere Motivation, Zuversicht,

    Konzen tra tion und Ausdauer bei der Arbeit

    n Weniger Selbstkontrolle

    Kurzfristig

    n Erhöhter Krankenstandn „Präsentismus“n Folgen von negativem Ruf der

    Firma: Umsatzeinbrüche

    n Ungewollte Fluktua tionn Mobbing/Bullyingn Negatives Arbeitskliman Verminderte Produkti vitätn Verminderte Produkt qualität

    Langfristig

    n Langfristige Krankschreibungen bei ent lassenen und im Betrieb verbliebenen Mitar beitern

    n Folgen von negativem Ruf: geringere Attrak ti vität als Arbeitgeber

    Legitimität der Verän de rung

    n Krisenprävention oder kurzfristiger Gewinn?

    n Entlassungen nur als letzter Ausweg?

    Gesundheitliche Aus wir kungen auf persönlicher Ebene

    n Stress und Burnoutn Schlafstörungenn Veränderung gesundheitsrele-

    vanter Verhaltensweisen (Drogenmissbrauch, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel)

    n Unfälle am Arbeitsplatz und arbeitsbedingte Erkrankungen

    n Erkrankungen des Bewegungsapparats

    n Herz-Kreislauf-Erkrankungen und erhöhte Mortalität

    Vorgehensweise bei derVeränderung

    n Verzögerte Informa tion über Verände rungen

    n Intransparente Entscheidungs-prozesse unter Ausschluss der Mitar beiter

    n Unfaire Verteilung von Veränderungen

    Abbildung 2: Mögliche Auswirkungen eines Veränderungsprozesses nach Kieselbach/Kuhn (2009), modifiziert

  • 13

    2. Chancen nutzen

    Der zweite Teil des Leitfadens soll Sie dabei unterstützen, Veränderungen zu gestalten und die Motivation und die Beschäftigungsfähigkeit der im Betrieb Verbleibenden zu erhalten. Die Empfehlungen beruhen im Wesentlichen auf dem Konzept der Salutogenese.

    Salutogenese – was ist das?Arbeit kann zweifelsfrei krank machen. Andererseits bietet sie jedoch ebenso viele Möglichkeiten, die Gesundheit zu fördern. Das Konzept der Salutogenese (Gesundheitsentstehung) wurde von dem Medizinsoziologen Aaron Antonovsky ge prägt. Es bezeichnet eine Sichtweise, bei der nicht danach gefragt wird, welche Ursachen krank machen, sondern wie es Menschen gelingt, auch unter schwie-rigen Bedingungen gesund zu bleiben.

  • 14

    Nach Antonovsky gibt es individuelle (z. B. Selbstbewusstsein, Intelligenz) und kulturelle Widerstandsfaktoren (z. B. soziale Unterstützung), die Menschen ähn-liche Belastungen unterschiedlich bewerten und unterschiedlich bewältigen las-sen. Wie gut ein Mensch in der Lage ist, diese Widerstandsfaktoren zum Erhalt seiner Gesundheit zu nutzen, hängt von der individuellen Grundhaltung ab, die als Kohärenzgefühl (Kohärenz = Zusammenhang, Stimmigkeit) bezeichnet wird. Diese Grundhaltung setzt sich aus drei Bestandteilen zusammen:

    n Verstehbarkeit (Erwartung, dass Informationen geordnet und erklärbar sind),

    n Handhabbarkeit (Vertrauen darauf, dass Schwierigkeiten lösbar sind),

    n Sinnhaftigkeit (Ausmaß, in dem der Mensch das Leben als sinnvoll empfindet).

    Stressfaktoren können je nach Ausprägung des Kohärenzgefühls krankheitsför-derlich, neutral oder sogar gesundheitsförderlich sein. Das Erzielen der gesund-heitsförderlichen Wirkung hängt von der aktiven Gestaltung der Arbeit ab.

    Im Kontext der Restrukturierung kann Arbeit durch folgende Faktoren gesundheitsförderlich gestaltet werden:

    Verstehbarkeit Handhabbarkeit Sinnhaftigkeit

    n Transparenz (bzgl.

    Arbeitsaufgaben, Prozessen,

    Entscheidungen)

    n Verlässlichkeit

    n Information und Einbindung

    der Mitarbeiter

    n Austausch

    n Vermeidung von Überforde-

    rung (z. B. Arbeitsmenge,

    -inhalt)

    n Unterstützung durch

    Vorgesetzte und Kollegen

    (z. B. Rückendeckung,

    Zusammenarbeit)

    n Qualifikation

    n Entwicklungschancen

    n Sinnstiftende Tätigkeit

    n Eigenverantwortung

    n Entscheidungsspielraum

    n Anerkennung und Wert-

    schätzung

    n Beteiligung an Entschei-

    dungsprozessen

    Diese gesundheitsförderlichen Potentiale der Arbeit sollten im Betrieb erkannt, reflektiert und aktiv gefördert bzw. entwickelt werden.

    2. Chancen nutzen

  • 152. Chancen nutzen

    2.1 Umsetzungsphase – den Wandel mitarbeiter-orientiert gestalten

    Zu Beginn wird das „Haus der Arbeitsfähigkeit“ des finnischen Arbeitswissen-schaftlers Juhani Ilmarinen vorgestellt, das die Grundlage für den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit darstellt:

    Abbildung 3: „Haus der Arbeitsfähigkeit“ nach Ilmarinen (2009)

    Gesellschaft Kultur Gesetzgebung Ausbildungspolitik Sozial- und Gesundheitspolitik

    Regionale Umgebung

    Persönliches Umfeld

    Familie

    ArbeitArbeitsumgebung

    Führung

    WerteEinstellungen

    Motivation

    Kompetenz

    Gesundheit und Leistungsfähigkeit

    Arbeitsfähigkeit

  • 16 2. Chancen nutzen

    Nach diesem Modell ist die Arbeitsfähigkeit eines Menschen von den Arbeits-bedingungen und der Führung, individuellen Werten und Einstellungen, vorhan-denen Kompetenzen und Leistungsvoraussetzungen sowie von der Gesundheit abhängig. Das Haus der Arbeitsfähigkeit ist nur dann stabil, wenn all diese Aspekte Berücksichtigung finden und miteinander verzahnt sind. Auf der Gesundheit im Fundament bauen die Ebenen Kompetenz, Motivation und Einstellungen sowie Arbeitsbedingungen auf.

    Nach dem Konzept der Arbeitsfähigkeit sollte Arbeit so gestaltet sein, dass eine Balance zwischen individuellen Voraussetzungen (Gesundheit, Kompetenz, Moti-vation) und den Arbeitsbedingungen (Arbeitsumgebung, Führung, Arbeitsanfor-derungen) besteht und die Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigt werden. Diese Balance ist in Zeiten des Wandels gefährdet, denn Unsicherheiten und veränderte Anforderungen stellen für die verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine zusätzliche Belastung dar.

    Nach dem Modell von Ilmarinen kann die individuelle Arbeitsfähigkeit unter Berücksichtigung der vier Ebenen des Hauses maßgeblich mitgestaltet und damit beeinflusst werden. Diese betreffen:

    n die individuelle Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Betroffenen, d. h. deren physische, psychische und soziale Gesundheit,

    n die Kompetenzen und Fähigkeiten der Beschäftigten, die durch erweiterte Arbeitsaufgaben besonders gefordert sind,

    n die Werte, Einstellungen und Motivation der Betroffenen, sich in Verände-rungsprozesse aktiv einzubringen,

    n die Arbeitsbedingungen mit allen Aspekten: Organisation, Arbeitsinhalt und Arbeitsumgebung.

    Auf dieser Ebene nimmt das (mittlere) Management mit seinem Führungs- und Kommunikationsverhalten eine besondere Stellung ein, da es Puffer ist oder als Verstärker der Belastungen fungieren kann. Unter Berücksichtigung dessen las-sen sich Präventionsansätze für die verschiedenen Phasen eines Veränderungs-prozesses (Planungs-, Umsetzungs- und Bewährungsphase) ableiten.

  • 172. Chancen nutzen

    Bereits zu Beginn des Veränderungsprozesses können präventiv wirksame Aspekte berücksichtigt werden:

    n  Durch eine gute Zusammenarbeit mit den Betriebs- oder Personal-räten können die Interessen und Belange der Beschäftigten frühzeitig berücksichtigt werden;

    n  das Ausmaß und die Dauer des Prozesses sollte auf das Minimum beschränkt werden, denn je umfassender der Prozess ist und je länger er dauert, desto belastender ist er;

    n  Sensibilisierung des Managements und der Vorgesetzten für gesund-heitsrelevante Aspekte des Veränderungsprozesses im Sinne eines gestaltbaren Prozesses (Transparenz, Fairness usw.);

    n  Training und Unterstützung der Vorgesetzten (z. B. Coaching) im Hinblick auf die Umsetzung der Entscheidungen;

    n  Ermittlung des Ist-Zustandes unter Einbindung der Beschäftigten zur Beurteilung der Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen in Bezug auf Mehrbelastungen und soziale Konflikte (Risikoabschätzung);

    n  Aufbau eines Frühwarnsystems, z. B. über Optimierungszirkel, um auftretende Probleme frühzeitig zu erkennen;

    n  die frühzeitige Beteiligung aller relevanten Akteure des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.

    Das Arbeitsschutzgesetz schreibt die Ermittlung, Bewertung und die Dokumen-tation der Arbeitsbelastungen in §§ 3–5 vor. Die Gefährdungsbeurteilung um - fasst neben Einzelrisiken auch umfassende Gefährdungen durch Veränderungs-prozesse. Wird sie frühzeitig und begleitend bei Restrukturierungen aktualisiert, können negative Entwicklung bezüglich Belastungen rechtzeitig erkannt werden.

    Die gesundheitsorientierte Gestaltung von Veränderungsprozessen umfasst auch die Erfassung und Beurteilung psychischer Belastungen (Instrumente siehe Kapitel 3, Werkzeugkasten, S. 35).

  • 18 2. Chancen nutzen

    Unternehmen haben die Chance, durch eine mitarbeiterorientierte Gestal-tung des Wandels die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft der Beschäftig-ten und der Führungskräfte zu erhalten.

    Hierzu gehören:1. eine transparente Informations- und Kommunikationspolitik

    (Kap. 2.2, S. 19), 2. ein beteiligungsorientiertes Gesundheitsmanagement, das die

    Beschäftigten bei arbeitsplatzspezifischen Veränderungsprozessen (Umgebung, Organisation, Führung) als Expertinnen und Experten einbindet (Kap. 2.3, S. 21),

    3. Unterstützung, Training und Coaching für die mit der Umsetzung beauftragten Vorgesetzten (Kap. 2.4, S. 25),

    4. gesundheitsrelevante und ressourcenstärkende Angebote für die Beschäftigten, z. B. Stressmanagement, Bewältigungsstrategien, Optimierungszirkel (Kap. 2.5, S. 28),

    5. die Kompetenzentwicklung durch Qualifizierungen mit Blick auf zukünftige Herausforderungen (Kap. 2.6, S. 30).

    Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates Bei Umstrukturierungsmaßnahmen hat der Betriebsrat als offizielle Vertretung der Beschäftigten eine wichtige und teilweise ambivalente Rolle. Einerseits sind die Interessen der Beschäftigten zu wahren und andererseits ist das Fortbeste-hen des Unternehmens zu sichern, denn grundsätzlich gilt: „Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter der Beachtung der geltenden Tarifverträge (…) mit (...) Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitneh-mer und des Betriebs zusammen.“ (§ 2 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz)

    Diesem Grundsatz kommt besonders bei Restrukturierungsprozessen eine große Bedeutung zu, da im Rahmen von solchen Prozessen häufig die vier großen Bereiche des Beteiligungsrechtes des Betriebsrates tangiert werden. Diese Beteiligungsrechte des Betriebsrates, die im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) geregelt werden, sind:

    n soziale Angelegenheiten (z. B. Arbeitszeit und Entlohnung),

    n technisch-organisatorische Angelegenheiten (z. B. Arbeits- und Gesund-heitsschutz sowie Arbeitsplatzgestaltung),

    n allgemeine personelle Maßnahmen (z. B. Berufsbildung und personelle Einzelmaßnahmen),

    n wirtschaftliche Angelegenheiten (z. B. wirtschaftliche Lage und Entwicklung des Unternehmens).

  • 192. Chancen nutzen

    2.2 Kommunikation im Veränderungsprozess

    Der Grad der Verunsicherung, die durch Veränderungen ausgelöst wird, ist mit-entscheidend für das Belastungsempfinden der Betroffenen. Arbeitsplatz-unsicherheit und unklare Zukunftsaussichten werden zumeist als Bedrohung erlebt. Dies ist umso stärker ausgeprägt, je unklarer den Beschäftigten die Ziele und möglichen Konsequenzen einer Veränderung sind.

    Unsicherheiten bei den Beschäftigten können deutlich reduziert werden durch eine offene, transparente und klar organisierte Kommunikation, die nicht ein-fach nur bereits getroffene Entscheidungen transportiert. Sie muss systema-tisch Handlungen und Reaktionen anstoßen und begleiten sowie einen Dialog zwischen allen Beteiligten ermöglichen. Die Beschäftigten müssen die Gelegen-heit haben, Fragen an das Management zu stellen, ihre Erfahrungen in den Pro-zess miteinzubringen und ihre Zweifel zu benennen. Dabei sollte die Art und Form der Kommunikation die unterschiedlichen Erfahrungen mit Veränderun-gen berücksichtigen.

    Abbildung 4: Kommunikation und Dialog (LIA.NRW)

    Geschäftsführung

    Beschäftigte

    zuverläs

    sig

    regelmäßig/zeitnah

    gut verfügbar

    rechtzeitig

    interaktiv

    transpa

    rent

    Kommunikation

  • 20 2. Chancen nutzen

    n Wird ein Prozess subjektiv als nachvollziehbar erfahren (z. B. durch Auswahl-kriterien bei der Entlassung), kann dies die Akzeptanz erhöhen und die indi-viduelle Bewältigung der Veränderung erleichtern.

    n Um Spekulationen und Gerüchten vorzubeugen, müssen restrukturierungs-relevante Inhalte des Prozesses (z. B. Gründe, geplanter Ablauf, organisato-rische Veränderungen, zu erwartende Entlassungen, „Meilensteine“ usw.) zeitnah und für die Beschäftigten verständlich und transparent vermittelt werden. Wo aktive Kommunikation fehlt, füllen Gerüchte die Lücke.

    n Eine rechtzeitige Kommunikation kann Unsicherheit und Angst um die zukünftige Situation verringern und Zeit schaffen, sich mit den geplanten Veränderungen auseinanderzusetzen.

    Grundsätzlich ist die Klärung von Kommunikationswegen, Zeitplänen und Rollen der Beteiligten besonders wichtig. Dabei müssen diejenigen, die Informationen vermitteln und einen Dialog anstoßen wollen, die Fragen klären:

    n Wen will ich erreichen?

    n Was will ich kommunizieren und was will ich damit erreichen?

    n Wann und wie soll kommuniziert werden?

    Zur Kommunikation empfehlen sich Medien und Methoden, die bereits im Unternehmen etabliert sind und genutzt werden. Jedes Medium hat spezielle Vor- und Nachteile und keines wird allen Ansprüchen gerecht. Der besondere Schwerpunkt sollte auf der direkten und persönlichen Kommunikation liegen, was aber bei zeitkritischen Prozessen schwierig sein kann. Empfehlenswert ist eine Mischung unterschiedlicher Kommunikationswege.

    Kommunikation lässt sic

    h nicht

    kontrollieren und nach Be

    darf

    „an- und abschalten“ – a

    ber

    Kommunikation lässt sic

    h gestalten.

  • 212. Chancen nutzen

    Die Kombination der Medien sollte den vielfältigen Anforderungen, die Verände-rungsprozesse mit sich bringen, entsprechen. Dies bedeutet, dass kurzfristige Neuigkeiten und Veränderungen zeitnah bei den Beschäftigten ankommen, dass Informationen regelmäßig kommen und dass sie ständig verfügbar sind. Außerdem müssen die Medien den Austausch von Fragen, Bedenken und Anre-gungen zwischen den Beteiligten ermöglichen (siehe Kap 2.3, Beteiligungsorien-tiertes Gesundheitsmanagement, S. 22).

    Eigenschaft

    Medienzeitnah regelmäßig interaktiv

    ständig verfügbar

    Intranet (statisch) ✓ ✓

    Intranet (interaktiv) ✓ ✓ ✓ ✓

    Teamsitzung/ Workshops ✓ ✓

    Mitarbeiterver sammlung ✓

    Newsletter (digital/Print) ✓ ✓

    Aushänge ✓ ✓ ✓

    Mitarbeitergespräche ✓

    Abbildung 5: Kommunikationsmedien nach: Stolzenberg/Heberle (2006), (modifiziert)

    Gebrochene Zusag

    en wirken

    destruktiv und dem

    otivierend!

  • 22 2. Chancen nutzen

    Abbildung 6: Beteiligungsspirale GesundheitsmanagementInstitut für Sozialwissenschaftliche Forschung e. V. (www.pargema.de, 2006, modifiziert)

    „Beschäftigte als Experten der eigenen

    Gesundheit“

    Beteiligungs-kompetenzen

    (weiter)entwickeln

    Gefährdungen/salutogene Potentiale

    identifizieren

    Akteurszentrierte Beur-teilung und Entwicklung

    von Maßnahmen

    Umsetzung in Institutionen und

    Akteurskonstellationen

    Prüfungder Wirkungen

    2.3 Beteiligungsorientiertes Gesundheits-management

    Der Erhalt und die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit und Motivation der Beschäftigten sind zentrale Herausforderungen für das Gelingen von Verände-rungsprozessen. Entscheidend dafür ist die Gesundheit der Beschäftigten. Das Ziel, die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten zu erhalten und zu fördern, sollte in allen betrieblichen Prozessen und Entscheidungen Berück-sichtigung finden. Wird dies bewusst gesteuert, spricht man von Gesundheits-management.

    Betriebliches Gesundheitsmanagement kann die negativen Folgen von Restruk-turierungsprozessen abmildern oder ggf. sogar ganz vermeiden. Restrukturie-rungsprozesse können aber auch eine Chance zur Einführung und Etablierung eines betrieblichen und beteiligungsorientierten Gesundheitsmanagements bieten.

    Es gilt, unter Beteiligung aller betrieblichen Interessensvertretungen den Arbeits- und Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung sowie Suchtprävention in eine moderne Managementstrategie zu integrieren.

  • 232. Chancen nutzen

    Zur betrieblichen Gesundheitsförderung gehören ergonomisch gestaltete Arbeits-plätze, eine optimale Arbeitsorganisation und eine an den Bedürfnissen der Beschäftigten orientierte Gestaltung der Arbeitszeiten. Darüber hinaus gilt es, die persönliche Gesundheitskompetenz der Beschäftigten zu unterstützen, damit sie in der Lage sind, ihre Gesundheit bestmöglich zu erhalten und zu fördern.

    Eine große Chance, die Gesundheit zu fördern, zu sichern und langfristig zu erhal-ten, liegt darin, die Beschäftigten nicht nur als „Expertinnen und Experten ihrer eigenen Arbeit“, sondern auch als „Expertinnen und Experten ihrer eigenen Gesundheit“ zu akzeptieren und sie systematisch in das betriebliche Gesund-heitsmanagement einzubinden, z. B. mit Gesundheitszirkeln.

    Grundvoraussetzung für ein beteiligungsorientiertes Gesundheitsmanagement sind organisatorische Rahmenbedingungen, die die Beteiligung aller betrieblichen Akteure auf Augenhöhe ermöglichen und Problemlagen und Lösungswege aus Sicht aller Beschäftigten erarbeiten.

    Die Verantwortlichen müssen regelmäßig die Fragen an ihre Beschäftigten stellen: „Wo drückt der Schuh? Können wir gemeinsam etwas daran ändern? Und wenn ja – wie?“ Ziel dieses Vorgehens ist es, die Beschäftigten als Betei li-gungsexpertinnen und -experten in den Unternehmen zu etablieren, um die Erfahrungen und das Wissen der Beschäftigten zur Sicherung ihrer eigenen Interessen und zur Verbesserung der Arbeitsorganisation, Produktivität und Innovationsfähigkeit des Unternehmens zu nutzen.

    Beteiligungsorientiertes Gesundheitsmanagement funktioniert aber nur dann, wenn

    n echte Beteiligungsmöglichkeiten eingeräumt und organisiert werden,

    n die Nutzung der Beteiligungsmöglichkeiten durch die Beschäftigten erlernt und (weiter)entwickelt wird (siehe Kap. 2.6, Qualifizierung, S. 30),

    n den Beschäftigten als „Expertinnen und Experten der eigenen Arbeit“ Gestal-tungsspielräume gegeben werden, um beispielsweise Arbeitsauf gaben, Arbeitsbedingungen, arbeitsorganisatorische Prozesse und Arbeitszeiten mitzugestalten,

    n die Beschäftigten die Erfahrung machen, dass ihr Engagement zu Verände-rungen führt und sie einen Nutzen aus diesen Veränderungen haben.

    Vor diesem Hintergrund kommt der Gefährdungsbeurteilung – als ein Baustein des beteiligungsorientierten Gesundheitsmanagements – eine bedeutende Rolle zu. Systematisch und regelmäßig durchgeführt und dokumentiert, stellt sie eine wichtige Handlungshilfe für die Unternehmen und Beschäftigten dar.

    ECHTE BETEILIGUNG –

    keine „Scheinheiligkeit“!!!

  • 24 2. Chancen nutzen

    Gefährdungsbeurteilung als Baustein eines beteiligungsorientierten Gesundheitsmanagements

    Die Beurteilung der Arbeitsbedingungen ist keine freiwillige Sache, sondern nach dem Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben. Ergibt diese Beurteilung, dass die Arbeit mit potentiellen Gefährdungen verbunden ist, so müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Gesundheit der Beschäftigten wirksam und dauerhaft zu schützen.

    Ergeben können sich Gefährdungen u. a. aus

    n  der Gestaltung des Arbeitsplatzes, der Arbeitsmittel und der Arbeitsabläufe (z. B. Lärm),

    n  physikalischen, chemischen, biologischen und psychischen Einwirkungen (z. B. beim Umgang mit Gefahrstoffen, durch hohe Verantwortung und/oder Zeitdruck) und

    n  unzureichenden Qualifikationen der Beschäftigten.

    Das nordrhein-westfälische Arbeitsministerium empfiehlt die systematische Erstellung der Gefährdungsbeurteilung in sieben Schritten, wobei die Beschäftigten möglichst an allen Schritten beteiligt werden sollten:

    1. Vorbereiten: Zunächst müssen Verantwortlichkeiten übertragen, ggf. interne und externe Unterstützung angefordert und Beteiligungspflichten geklärt werden. 2. Ermitteln: Potentielle Gefährdungen müssen in allen Tätigkeitsbereichen (z. B. Pro-

    duktion, Bürobereich, Versand) durch geeignete Methoden (z. B. Beobachtung, Messungen) erhoben werden. Zur Ermittlung der psychischen Belastungen am Arbeitsplatz ist es ggf. erforderlich, spezielle Instrumente (z. B. Mitarbeiterbefra-gungen) einzusetzen.

    3. Beurteilen: Der Handlungsbedarf wird durch einen Vergleich der ermittelten Gefährdungen mit Gesetzen und Verordnungen festgestellt. Fehlen konkrete

    Vorgaben, muss auf eigene Erfahrungen, arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse und das Expertenwissen der Beschäftigten zurückgegriffen werden. 4. Festlegen: Die notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung oder Minimierung der

    Gefährdung werden festgelegt. Grundsätzlich soll hierbei das Ziel verfolgt werden, die Ursache der Gefährdung zu beseitigen (Verhältnisprävention). Viele Gefährdun-gen – z. B. psychische Belastungen – lassen sich durch technische Gestaltungs-lösungen allerdings selten ausschalten. Diese lassen sich aber häufig durch Verän-derungen der Arbeitsinhalte und -organisation oder die Qualifizierung und Fortbildung der Beschäftigten – und auch der Führungskräfte – minimieren (Verhaltensprä-vention).

    5. Durchführen: Die im vierten Schritt festgelegten Maßnahmen sollten selbstverständ-lich auch umgesetzt werden. Hierbei sollten zunächst die Gefährdungen beseitigt werden, die am stärksten auf die Beschäftigten einwirken. Weitere Umsetzungs-kriterien sind die zeitliche und prak tische Durchführbarkeit der Maßnahmen.

  • 252. Chancen nutzen

    6. Überprüfen: Einige Zeit nach der Umsetzung der Maßnahmen muss festgestellt werden, ob die Gefährdungen auch wirklich beseitigt worden sind. Hierbei sollte auch geprüft werden, ob neue oder andere Gefährdungen entstanden sind. Beste-hen Gefährdungen weiterhin, so sollten andere Maßnahmen zu ihrer Beseitigung ergriffen werden. Bei der Überprüfung sollten die im zweiten Schritt eingesetzten Instrumente erneut benutzt werden, wobei man sich auf die in Schritt drei identifizierten Handlungs-felder beschränken kann.

    7. Fortschreiben: Die Gefährdungsbeurteilung muss aktualisiert werden, wenn sich die betrieblichen Gegebenheiten hinsichtlich der Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten verändern und insofern mit einer neuen oder veränderten Gefähr-dungslage gerechnet werden muss.

    Das Instrument der Gefährdungsbeurteilung sollte insofern im Zuge oder Nach-gang von Umstrukturierungsprozessen auf jeden Fall eingesetzt werden.

    Download der Broschüre „Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz“ unter http://www.nordrheinwestfalendirekt.de

    2.4 Führung im Wandel

    Eine wertschätzende Unternehmenskultur, die von einem respektvollen Umgang miteinander und einem mitarbeiterorientierten Führungsstil geprägt ist, hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Belastungsempfinden der Beschäftigten.

    Viele Studien zeigen, dass der partnerschaftliche Führungsstil, der auf Fairness, Unterstützung, Kooperation und Vertrauen basiert, besonders geeignet ist, um negative Beanspruchungsfolgen zu reduzieren (Badura 2008). Führung hat somit eine besondere Bedeutung für Erfolg oder Scheitern von Restrukturie-rungsprozessen.

    Die Chance, Restrukturierungsprozesse erfolgreich durchzuführen, steigt, wenn Führungskräfte Eigenschaften wie eindeutiges Engagement, Offenheit und klare Zielvorstellungen, Glaubwürdigkeit und Vorbildfunktion besitzen und sie die Fähigkeit haben, den Beschäftigten die Notwendigkeit von Veränderun-gen zu vermitteln und sie aktiv in die Prozesse einzubinden.

    Aber Führungskräfte erfahren selbst die negativen Auswirkungen von Restruk-turierungsprozessen und befinden sich im Spannungsfeld zwischen Unterneh-mensanforderungen und den Interessen der Beschäftigten. Oft ergeben sich hier belastende Konflikte, die sie bewältigen und lösen müssen (siehe Kap. 3, Werkzeug-kasten, S. 35: Kein Stress mit dem Stress – eine Handlungshilfe für Führungs-kräfte). Führungskräfte, insbesondere die des mittleren Managements, die

  • 26 2. Chancen nutzen

    Restrukturierungsprozesse umsetzen müssen, befinden sich in einer sogenann-ten „Sandwichposition“, d. h. sie sehen sich mit der Aufgabe konfrontiert, zum einen Ziele und Vorgaben der Geschäftsführung umsetzen zu müssen, zum ande-ren dabei die Bedürfnisse „ihrer“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu berück-sichtigen.

    Führungskräfte, die selbst Wert auf eine gesunde Balance zwischen Arbeitsleben und Privatleben legen und Angebote der Gesundheitsförderung wahrnehmen, wirken im ganzen Team fördernd für Gesundheit und den richtigen Umgang mit hohen Belastungen bei der Arbeit.

    Die Themen Stress und psychische Gesundheit in Restrukturierungsprozessen bieten für Führungskräfte vor allem drei präventive Ansatzpunkte:

    n vermeidbare Belastungen durch die gesundheitsorientierte Gestaltung der Arbeitsbedingungen reduzieren,

    n über die Ziele des Restrukturierungsprozesses und seine Umsetzung trans-parent informieren,

    n soziale Unterstützung für Beschäftigte bieten, insbesondere wenn bereits An-zeichen psychischer oder physischer Beanspruchungsfolgen erkennbar sind.

    Abbildung 7: Sandwichposition von Führungskräften (LIA.NRW)

    Ext

    ern

    e R

    ah

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    nb

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    ing

    un

    ge

    n

    Beschäftigten Veränderungsängsten soziale und materielle Bedürfnissen Widerstände und Selbstzweifel

    Geschäftsführung/Vorstand/Bereichsleitungn unternehmerische Verantwortungn Ziele und Vorgabenn Visionen

    Mittleres Managementn Verantwortung für Umsetzung der Ziele und Vorgabenn Loyalität gegenüber dem Unternehmen und den Beschäftigtenn eigene Bedürfnisse und Ängste

  • 272. Chancen nutzen

    Abbildung 8 zeigt, wie sich soziale Unterstützung als Ressource auf die Gesund-heit auswirkt:

    Soziale und emotionale Unterstützung durch die Familie, Kolleginnen und Kolle-gen und auch Vorgesetzte stellt eine wichtige Ressource dar, die helfen kann, psychisch belastende Situationen zu bewältigen.

    n Durch Mitarbeitergespräche sollte den Beschäftigten die Möglichkeit gege-ben werden, über individuelle Sorgen und Ängste mit der zuständigen Füh-rungskraft persönlich zu sprechen.

    n In Teambesprechungen sollten Führungskräfte frühzeitig die Auswirkungen des Veränderungsprozesses abteilungsspezifisch thematisieren und – falls möglich – die Beschäftigten in die Gestaltung des Prozesses einbinden.

    n Aus den absehbaren bzw. zu erwartenden veränderten Arbeitsfeldern und Aufgabenstellungen sollten abteilungsspezifische Handlungsfelder, z. B. Qualifizierungsmaßnahmen oder organisatorische Veränderung zur Vermei-dung von Überforderung, abgeleitet werden.

    Abbildung 8: Effekte von sozialer Unterstützungnach: Stadler & Spieß, 2002; Pfaff, 1989; BAuA (2005)

    Belastung Gesundheit

    reduziert

    soziale Unterstützung

    stärktpuffert

    negative Auswirkungen auf

  • 28 2. Chancen nutzen

    Mitarbeiterorientierte Führung bedeutet

    n  offene und transparente Information der Belegschaft über Geschäftsziele und -strategien des Unternehmens, n  systematische Beteiligung der Beschäftigten an Optimierungsprozessen, z. B. der Gestaltung des Arbeitsplatzes und organisatorischen Veränderungen, n  eine wertschätzende und respektvolle Grundhaltung den Beschäftigten gegenüber, n  regelmäßige direkte Information der Beschäftigten in Einzelgesprächen und Teambesprechungen,n  die weitgehende Berücksichtigung individueller Bedürfnisse bei der Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen, n  die Unterstützung der Beschäftigten durch Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen, n  Aufbau und Pflege des innerbetrieblichen Gesundheitsmanagements (Arbeitsschutzsystem, betriebliche Gesundheitsförderung, soziale Ansprechpartnerinnen und -partner),n  das klare Kommunizieren von Grenzen der Ausgestaltung von Veränderungs- prozessen (z. B. politische Rahmenbedingungen).

    2.5 Gesundheitsrelevante und ressourcen-stärkende Angebote für Beschäftigte

    Der Erhalt und die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit erfordert eine Kom-bination von Maßnahmen sowohl der Verhältnis- als auch der Verhaltenspräven-tion. Verhältnisprävention bedeutet, Belastungen an ihrer Quelle zu bekämpfen, d. h. ihre Ursachen zu finden und durch Maßnahmen der Arbeitsgestaltung zu minimieren. Hierunter fallen z. B. Veränderungen der Tätigkeitsgestaltung, der Arbeitsorganisation oder auch der Arbeitszeitgestaltung. Maßnahmen der Ver-haltensprävention hingegen richten sich unmittelbar an die Beschäftigten.

    Körperliche und psychische Belastungen am Arbeitsplatz wirken sich individuell unterschiedlich aus. Dieses ist auf unterschiedliche Fähigkeiten und Fertigkeiten, Kenntnisse, Erfahrungen und auch Anspruchsniveaus seitens der Beschäftigten zurückzuführen. Ein und dieselbe Situation kann in Person A Ängste und Stress auslösen, für Person B eine bislang unerlebte, jedoch als machbar beurteilte per-sönliche Herausforderung darstellen und für Person C zur alltäglichen Routine gehören.

    Verhaltenspräventive Maßnahmen setzen an genau diesem Punkt an. Ziel der-artiger Interventionen ist es, die persönlichen Leistungsvoraussetzungen der Beschäftigten zu verändern und auf diese Weise die negativen Folgen körper-licher und psychischer Belastungen zu vermindern.

    BAuA (2005), modifiziert

  • 292. Chancen nutzen

    Verhältnispräventive Maßnahmen sind verhaltenspräventiven Maßnahmen vor-zuziehen, denn sie wirken personenunabhängig und können ungünstige Belas-tungen dauerhaft reduzieren.

    Verhaltenspräventive Maßnahmen der Arbeitsgestaltung mit dem Ziel, die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten oder sogar zu verbessern, sollten in die Prozesse des betrieblichen Gesundheits-managements integriert sein. In diesem Zusammenhang spricht man auch von Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung (siehe Kap. 2.3, S. 22). Angebote der betrieblichen Gesundheitsförderung können Beschäftigte in die Lage versetzen, Restrukturierungsprozesse individuell besser zu bewältigen. Beispielsweise bieten sich Fortbildungen im Bereich Stressmanagement, Stress-bewältigung und Zeitmanagement bzw. der individuellen Arbeitsorganisation, das Erlernen von Entspannungstechniken sowie Coaching und Supervision an.

    Welche Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sinnvoll sind, ist stark abhängig von der Unternehmensstruktur, z. B. von dessen Größe und per-sonellen Zusammensetzung. Um sicherzustellen, dass die Maßnahmen an tat-sächlichen Problemen der Beschäftigten ansetzen und auch genutzt werden, ist es daher sinnvoll, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Auswahl und Gestal-tung der innerbetrieblichen Verhältnisprävention systematisch zu beteiligen.

    Schon gewusst …?

    Krankenkassen haben einen Handlungsrahmen und -auftrag und können Ihre Bemühungen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung sowie zur Prävention arbeitsbedingter Erkrankungen bei den Schwerpunkten Stress, Ernährung, Bewegung und Suchtmittelkonsum finanziell und personell unterstützen (§20 SGB V). Unternehmen haben seit dem Jahr 2009 die Möglichkeit, präventive Aufwendungen steuerlich bis zu einem Betrag von 500 Euro pro Beschäftigter/Beschäftigtem und Kalenderjahr geltend zu machen (§ 3 Nr. 34 EStG).

    Verhaltenspräventive Maßnahmen so

    llten allenfalls flankierend eingesetzt

    werden und können die Verhältnisprä

    vention nicht ersetzen! Das Verteilen

    „psychologischer persön licher Schu

    tzausrüstung“ ersetzt nicht die Ver-

    pflichtung des Unternehmens, die Ur

    sachen der Probleme zu besei tigen.

    Auf keinen Fall darf den Beschäftigte

    n das Gefühl gegeben werden, sie

    seien selbst verantwortlich für die Fo

    lgen schlechter Arbeitsgestaltung.

  • 30 2. Chancen nutzen

    2.6 Kompetenzerweiterung durch Qualifizierung

    Veränderungen im Unternehmen gehen häufig mit neuen Anforderungen an Beschäftigte und Führungskräfte einher. Über gezielte Qualifizierungsmaßnah-men können Beschäftigte auf für sie unbekannte Arbeitsaufgaben vorbereitet werden. Frühzeitig eingeleitete Weiterbildung und Qualifizierung sind in Verän-derungsprozessen notwendig, um Überforderungen durch Arbeitsverdichtung und Arbeitserweiterungen zu begegnen. Denn qualifizierte Beschäftigte fühlen sich bei neuen Aufgaben weniger überfordert, können mit Veränderungen im Betrieb besser umgehen und sind mit Blick auf die Arbeitsaufgaben flexibler einsetzbar.

    Qualifizierungsmaßnahmen für Beschäftigte sollten an bereits bestehende Personalentwicklungskonzepte anknüpfen. Dabei sollten folgende Fragen im Vordergrund stehen:

    n Welche Kompetenzen werden für den Prozess benötigt und welche sind bereits vorhanden?

    n Welche Qualifizierungsmaßnahmen gibt es bereits?

    n An welchem Punkt des Veränderungsprozesses werden diese Fähigkeiten benötigt?

    n Welche Ressourcen sind für Qualifizierungsmaßnahmen verfügbar?

    Bevor Maßnahmen durchgeführt werden, sollte also klargestellt werden, welcher Bedarf vorhanden ist und an welcher Stelle die Veränderungen Maßnahmen erfordern. Eine systematische Ermittlung der Qualifizierungsbedarfe bietet sich daher an:

    Abbildung 9: Qualifikation als Prozess nach Stolzenberg/Heberle (2006)

    Funktions- und Anforderungs-

    analyse

    Qualifikations-bedarfe

    Qualifikations-maßnahmen

  • 312. Chancen nutzen

    Funktions- und Anforderungsanalyse: In einem ersten Schritt muss gemein-sam mit den Beschäftigten festgestellt werden, ob und wie sich die Aufgaben und Funktionen einzelner Beschäftigter und damit verbundene Anforderungen verändern bzw. verändert haben.

    Durch die Erstellung eines spezifischen Funktionsprofils können die Kompe-tenzen der entsprechenden Funktion festgehalten und systematisiert werden (beispielsweise nach Fähigkeiten, Fachwissen, Arbeitsmethoden, persönliche Kompetenzen).

    Qualifikationsbedarfe: Nach der Analyse der Funktionen und Anforderungen an den Beschäftigten kann bestimmt werden, ob bzw. in welchem Umfang Beschäftigte Qualifikationsbedarf haben. Dies kann beispielsweise in Workshops festgestellt werden, in welchen die Qualifizierungsbedarfe für eine Funktion erhoben, gesammelt und in einen Maßnahmenzeitplan eingebunden werden.

    Qualifikationsmaßnahmen: Nach der Feststellung der Qualifikationsbedarfe werden geeignete Maßnahmen festgelegt. Sie reichen von Qualifikationen nahe an bestehenden Tätigkeiten bis hin zu neuen, bis dahin unbekannten Tätigkeiten. Beispielsweise können neben „Veränderungswerkstätten“, in denen Veränderun-gen im Betriebsalltag simuliert und besprochen werden, auch Teamentwicklungs-maßnahmen für ein reibungsloses Miteinander im Arbeitsalltag zum Einsatz kommen. Durch anschließende Befragungen und Interviews sollten immer Qualität und Wirkung der durchgeführten Maßnahmen überprüft werden und in die Planung und Umsetzungen zukünftiger Maßnahmen einfließen.

    Zu einer lohnenden Investition wird der Qualifikationsprozess (siehe Abb. 8, S. 27), wenn er fortlaufend die Funktion und Anforderungen an den Beschäftigten reflektiert. Die in Folge umgesetzten Maßnahmen der Qualifizierung leisten einen Beitrag zum lebenslangen Lernen, fördern die Kompetenzen der/des Einzelnen, nicht nur für die persönliche Entwicklung und Gesundheit der Beschäftigten, und sind notwendige Basis für ein erfolgreiches Unternehmen.

  • 32 2. Chancen nutzen

    Bildungsscheck – was ist das?

    Die Landesregierung NRW unterstützt berufliche Weiterbildung: Mit dem Bildungsscheck – finanziert aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) – erhalten Beschäftigte und Unternehmen in NRW einen Zuschuss von 50 % (bis zu 500 Euro) zu den Weiterbildungskosten. Den Rest tra - gen Betriebe und Beschäftigte selbst. Es werden alle Unternehmen und Beschäftigte gefördert, die im aktuellen oder zurückliegenden Jahr keine Weiterbildung besucht oder angeboten haben. Ausgewählte Beratungs-stellen vor Ort helfen bei der Wahl passender Weiterbildungsangebote und stellen den Bildungsscheck aus.

    Weitere Informationen finden Sie unter http://www.bildungsscheck.nrw.de.

    Exkurs: Qualifikation für (mittlere) FührungskräfteDie (mittleren) Führungskräfte leisten einen wichtigen Beitrag zu einem erfolg-reichen Restrukturierungsprozess und können in Zeiten des Wandels den Beschäf-tigten eine Stütze sein. Die für diese Aufgabe notwendigen Kompetenzen können nicht einfach im normalen Tagesgeschäft erlernt werden und sollten daher im Rahmen von Qualifizierungsmaßnahmen vertiefend geschult werden. Die spe zielle Herausforderung ihrer Sandwichposition (siehe Abb. 6, S. 22) bedarf entspre-chender Qualifikationen und Kompetenzen, die zum einen durch Empathie gegenüber den Beschäftigten und zum anderen durch Verhandlungsgeschick gegenüber der Geschäftsführung und Standfestigkeit gekennzeichnet ist.

    Damit diese Anforderungen aber nicht zu Überforderung führen, müssen Bewältigungsstrategien vermittelt werden, die auf diese anspruchsvolle Auf-gabe vorbereiten (für nähere Informationen zur Bedeutung der Führungskraft im Restrukturierungsprozess siehe Kap. 2.4, S. 25.).

  • 332. Chancen nutzen

    2.7 Prozessoptimierung und externe Beratung

    Vielfach sind mit Restrukturierungen Überlegungen zu Maßnahmen der Prozess-optimierung verbunden. Sie werden beispielsweise dann nötig, wenn weniger Beschäftigte die verbleibende Arbeit erledigen müssen oder sich Aufgabenbe-reiche und Abteilungszuschnitte geändert haben. Um diese Schritte umzusetzen, werden häufig externe Beratungsunternehmen hinzugezogen. Das Angebot an Beratungsunternehmen ist ebenso vielfältig wie die eingesetzten Methoden und theoretischen Hintergründe. In Nordrhein-Westfalen haben Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen zudem die Möglichkeit, für Beratungsleistungen die Potentialberatung zu nutzen.

    Potentialberatung – was ist das? Die Potentialberatung hilft Betrieben in Nordrhein-Westfalen, die eigenen Poten-tiale zu erkennen und zu nutzen. Hierzu wird ein Profil mit Stärken und Schwä-chen des Unternehmens erstellt und ein entsprechender Aktionsplan entwickelt. Es sind insbesondere drei Bereiche, die gemeinsam während einer Beratung unter die Lupe genommen werden können: Arbeitsorganisation, Kompetenzent-wicklung durch berufliche Weiterbildung und Gesundheit am Arbeitsplatz.

    Potentialberatung – kurzgefasst:

    n Das Angebot des Landes richtet sich an kleine und mittlere Betriebe in Nordrhein-Westfalen, die älter als fünf Jahre sind und weniger als 250 Beschäftigte haben.

    n Sie können sich – aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds – 50 % der Kosten bis maximal 500 Euro pro Beratungstag bezuschussen lassen.

    n Die Potentialberatung kann – je nach Problemlage – zwischen einem und 15 Tagen dauern.

    Detaillierte Informationen zum Verfahren, Adressen der Beratungsstellen und weitere Informationen finden interessierte Unternehmen im Internet unter http://www.potentialberatung.nrw.de.

    Es bringt oft mehr, ge

    meinsam mit den Besc

    häftigten

    zu über legen, welche

    Aufgaben und Prozes

    se zukünftig

    wegfallen oder verbes

    sert werden könnten,

    als mit wenig

    Personal die verbleib

    ende Arbeit unter Da

    uerstress zu

    erledigen.

  • 34 2. Chancen nutzen

    Der Markt der Beratungsunternehmen ist groß und leider schwer zu überblicken. Trotzdem bietet die Beteiligung externer Beraterinnen und Berater an Verände-rungsprozessen grundsätzlich eine gute Möglichkeit, Expertise und unvoreinge-nommene Sichtweisen in die Prozesse zu integrieren. Wichtig ist dabei – wie auch bei jeder anderen Dienstleistung –, dass Sie der Beratungsleistung nicht blind vertrauen, sondern Arbeitsweise, Vorgehen und Konzepte der Beraterinnen und Berater und damit die Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen kritisch hinter-fragen und reflektieren. In der Literatur wird häufig vor Beraterinnen und Bera-tern mit zu starren Konzepten oder kurzsichtigen Arbeitsweisen gewarnt. Beide Beratungstypen hinterlassen eher einen „Scherbenhaufen“ als ein erstarktes Unternehmen.

    Für Beratungen in Restrukturierungsprozessen ist ein ganzheitliches Vorgehen besonders wichtig. Daher sollten Beraterinnen und Berater möglichst alle der folgenden Maßnahmen berücksichtigen:

    n  frühzeitige Beachtung der Auswirkungen von Veränderungsprozessen auf die Beschäftigten, n  praxisnahe Lösungsansätze zur Gestaltung eines gesundheitsorientierten Verän derungsprozesses, n  Aufbau und Pflege des innerbetrieblichen Gesundheitsmanagements, n  offene und transparente Information, n  systematische Beteiligung der Beschäftigten an Veränderungsprozessen, n  wertschätzende und respektvolle Unternehmenskultur, n  Unterstützung der Beschäftigten durch Qualifizierungs- und Fortbildungs- maßnahmen.

    Zudem sollte sich die Kundin/der Kunde fragen, ob

    n  klare Leistungsbeschreibungen mit Meilensteinen und Handlungsplänen entwickelt werden, n  die Kompetenzen und Referenzen des Anbieters zum Unternehmen passen, n  das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt, n  die Methoden für den Betrieb passend eingesetzt werden, n  die Beschäftigten eingebunden werden, n  das eingekaufte externe Wissen auch systematisch in die betriebliche Organisation eingebunden wird n  und – ganz praktisch – ob die Beraterin bzw. der Berater als Mensch zum Unternehmen passt.

    Erhalte ich Hilfe zur Selbsthilfe oder

    gibt es einen „Dauerauftrag“ für das

    Beratungsunternehmen?

  • 35

    3. Werkzeugkasten

    Im ersten und zweiten Teil des Leitfades sind die Folgen von Restrukturierungs-prozessen für die Unternehmen und Beschäftigten aufgezeigt sowie erste Gestaltungsansätze skizziert worden.

    Der folgende „Werkzeugkasten“ dient der schematischen Problem- und Lösungs -identifikation. Für spezifische Herausforderungen werden sinnvolle Maßnahmen aufgezeigt und daraus praktische Hilfestellungen (Handlungsrahmen und Hilfs-mittel) abgeleitet. Der Werkzeugkasten soll somit zur einfachen Orientierung dienen und Ansätze aufzeigen, wie sich negative Auswirkungen von Restruktu-rierungsmaßnahmen abschwächen lassen.

  • 36 3. Werkzeugkasten

    Herausforderung Maßnahmen Handlungsrahmen/Hilfsmittel

    Geplante Restrukturie -rung lässt Belastungen er warten.

    Frühzeitige, transparente Information und Kommunikation

    Aufbau einer gesunden Gesprächskultur

    Transparente Kommunikation, z. B. über Betriebsversammlung, Mitarbeiterge-spräche, Teammeetings, Aushänge, Informa tion bei der Entgeltabrechnung und das Intranet

    Auswahlkriterien für Entlassungen so gestalten, dass sie nachvollziehbar sind und als fair empfunden werden

    Transparente Kommunikation s. o.

    Beurteilung der Arbeitsbedingungen mit Blick auf Mehrbelastungen vor der Veränderung

    Arbeitssituationsanalyse (möglichst extern moderierte Gruppengespräche) mit aktiver Einbindung der Beschäftigten: Welche Auswirkungen mit Blick auf Arbeitsverdichtung, Erweiterung der Arbeitsinhalte, Verän de run gen der Team-zusammensetzung usw. sind zu erwarten? Wie kriegen wir das hin?

    Vertrauen als grundlegende Vorausset-zung für den Erhalt von Motivation in Veränderungsprozessen

    Geeignete Instrumente zur Förderung von Vertrauen als immaterielle Ressourcen für Innovations- und Veränderungspro-zesse in Unternehmen sind beispielswei-se betrieb licher Steuerungskreis, Dialog-räume und Experimentierfelder.

    Weitere Informationen unter: http://www.achtinno.uni-bremen.de > Downloads

    Arbeitsverdichtung führt zu körper lichen und psychischen Belastungen bzw. Beschwerden.

    Beurteilung der Arbeits bedingungen unter Berück sichtigung psychischer Aspekte

    Handlungsleitfaden: „Gefährdungs beur-teilung am Arbeitsplatz“: http://www.nordrheinwestfalendirekt.de

    Beschäftigtenbefragung, z. B. mit dem Impulstest: Kurz fragebogen zur Erken-nung von arbeitsbedingten Stressoren im Betrieb: http://impulstest.at/; weitere Informationen unter: http://www.baua.de > Toolbox

    Einbindung der Beschäftigten bei einer gesundheitsgerechten Arbeitsplatzge-staltung während des Prozesses (auch im Hinblick auf psychische Belastungen)

    Optimierungsworkshops; zielführende F ragestellung: Was belastet und wie könn-te es besser laufen? Berücksichtigung der Arbeitsbedingungen, Arbeitsorganisation, Information und Kommunikation sowie soziales Miteinander und Führungsver-halten

    Teammeetings

    Mitarbeitergespräche

  • 373. Werkzeugkasten

    Herausforderung Maßnahmen Handlungsrahmen/Hilfsmittel

    Arbeitsverdichtung führt zu körper lichen und psychischen Belastungen bzw. Beschwerden.

    Kompetenzentwicklung durch Qualifizierung der Beschäftigten

    Ermittlung des Handlungsbedarfs

    Planung und Durchführung von Qualifi zierungsmaßnahmen

    Arbeitsbewältigungs-Coaching (Personal entwicklung oder Führungskraft mit Beschäftigten)

    Individuelles Gespräch zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit unter Berücksichtigung der Bereiche Gesundheit, Arbeitsbedin-gungen, Führung und Kompetenzen (Arbeitsbewäl tigungs-Coaching INQA: http://www.inqa.de > Publikationen > Arbeitsbewäl tigungs-Coaching)

    Angebote zur Stressbewältigung

    Vermittlung von Bewältigungsstrategien

    Broschüre DNBGF „Kein Stress mit dem Stress“ für Beschäftigte und Führungs-kräfte: http://www.dnbgf.de > Suche: „Kein Stress mit dem Stress“

    Einbindung regionaler Gesundheitsan-bieter und der Krankenkassen

    Unterstützung des mittleren Manage-ments durch externe Coachs

    Kontakt zu Coachs aufbauen und kommu nizieren, z. B. über: http://www.coachingportal.de

    Führungskräfte übernehmen eine Vor-bildfunktion für gesundes und faires Verhalten.

    Sensibilisierung von Führungskräften

    Seminare werden von Berufsgenossen-schaften und Krankenkassen angeboten.

    Angebote zu verhaltensschulenden Maß-nahmen am Arbeitsplatz, z. B.:

    n  Angebote zur Stressbewältigung

    n  Ausgleichsübungen, Entspannung

    n   Umgang mit Rückenbeschwerden, ergonomische Optimierungen um- setzen

    Regionale Gesundheitsanbieter

    Berufsgenossenschaften

    Krankenkassen

    Betriebsarzt, Fachkraft für Arbeits-sicherheit

    Gesundheitstage mit Check-ups und Beratungen zu gesundheitsrelevanten Themen

    Konstruktive Zusam-menarbeit mit der Personalvertretung

    Frühzeitige Einbindung und systemati-scher Informationsaustausch bei Ent-scheidungen

    Gemeinsame Regeln der Zusammenar-beit in Bezug auf Kommunikation und Information erarbeiten

    Gemeinsame Ziele identifizieren und herausarbeiten

    Offene Kommunikation von Gestaltungs-grenzen

  • 38

    4. Fazit

    Der Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und Motivation der Beschäftigten ist ein entscheidender Faktor für die erfolgreiche Gestaltung betrieblicher Restruktu-rierungsprozesse. Neben der Gesundheit der Beschäftigten und ihren individu-ellen Kompetenzen und Einstellungen wirken sich besonders die im Prozess ver-änderten Arbeitsbedingungen auf die Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens aus.

    Veränderungsprozesse können über eine transparente Informationskultur, faire Entscheidungsprozesse, eine frühzeitige Einbindung der Beschäftigten und ein mitarbeiterorientiertes Management erfolgreich gestaltet werden. Vorausset-zung hierfür sind zum einen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit Verände-rungen umgehen und flexibel reagieren können, zum anderen Unternehmen, die im Sinne ihrer Belegschaften verantwortungsvoll handeln.

    Entsprechend laufen Veränderungsprozesse Gefahr zu scheitern, wenn auf Seiten des Unternehmens die Bereitschaft fehlt, den Wandel so zu gestalten, dass die Bedürfnisse der Beschäftigten mit berücksichtigt werden. Ferner ist ein Scheitern wahrscheinlicher, wenn es nicht gelingt, die besondere Herausfor-derung für das mittlere Management im Blick zu behalten und entsprechende Unterstützungen zeitnah zu realisieren.

    Auf der Ebene der Beschäftigten stellt die Kompetenz für den Umgang mit Veränderungen eine maßgebliche Ressource dar. Ungünstige Konstellationen ergeben sich meist, wenn

    n Restrukturierungsprozesse ausschließlich kurzfristigen Kapitalmarkt- und Effizienzlogiken folgen,

    n auf der individuellen Ebene alle Veränderungen des Etablierten automatisch als „Bedrohung“ wahrgenommen und damit abgelehnt werden,

    n die Einsicht in die Sinnhaftigkeit der Veränderungen seitens der Beteiligten trotz detaillierter Erläuterungen zu ihrer Notwendigkeit nicht erreicht wer-den kann, weil Entscheidungen und Zusammenhänge nicht oder nur schwer nachvollziehbar sind,

    n die Veränderungsprozesse unter großem Zeitdruck stattfinden und damit systematische Vorbereitungsphasen unter Beteiligung der Beschäftigten entfallen.

  • 394. Fazit

    Betriebliche Restrukturierungsprozesse sind komplexe Veränderungen mit Aus-wirkungen auf Produktionsprozesse, die Arbeitsorganisation und die Gestaltung von Tätigkeiten und Aufgaben. Ob diese sowohl für Geschäftsführungen als auch Belegschaften erfolgreich verlaufen, ist abhängig von ihrer systematischen Planung, Durchführung und Begleitung unter Einbeziehung der Beschäftigten. Jede Unternehmenskrise ist auch wiederum eine Chance für eine sinnvolle Wei-terentwicklung der betrieblichen Potentiale; die Beschäftigten stellen dabei die wichtigste, aber auch sensibelste Ressource dar – nutzen Sie die aufgezeigten Möglichkeiten!

    Wie ein solcher Prozess idealtypisch ablaufen könnte, zeigt Abbildung 10:

    Abbildung 10: Regelkreis eines mitarbeiterorientierten Veränderungsprozesses (LIA.NRW)

    Betrieb/Unternehmen/Organisation

    Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen

    und -umgebung

    Verbleibende im Unternehmen

    Personalabbau

    Beschäftigungsfähigkeit und Leistungsbereit-

    schaft erhalten

    Markt-, Wettbewerbs- und Veränderungsdruck (ökonomisch/politisch)

    Ziele:Wettbewerbsfähigkeit erhalten

    ProduktivitätssteigerungWertsteigerung

    transparente Informationspolitik,faire Entscheidungsprozesse

    in allen Phasen

    beteiligungsorientiertes Gesundheitsmanagement

    gesundheitsrelevante Angebote und Kompetenzentwicklung

    Expansion

    Restrukturierungs-maßnahme

    Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit

  • 40

    w

    Anhang Im Rahmen des Leitfadens genutzte Literatur

    Badura, B.; Greiner, W.; Rixgens, P.; Ueberle, M.; Behr, M. (2008): Sozialkapital. Grundlagen von Gesundheit und Unternehmenserfolg, Springer-Verlag, Berlin

    Beck, D.; Bonn, V.; Westermayer, G. (2010): Salutogenese am Arbeitsplatz. Die betriebliche Organisation von Gesundheit. In: G+G Wissenschaft, Jg. 10, H. 2, S. 7–14. Im Internet unter: http://wido.de/fileadmin/wido/downloads/pdf_ggw/wido_ggw_aufs1_0410.pdf

    Beerheide, E.; Schauerte, B. (2012): Chancen und Grenzen der Gestaltung von Restrukturierungsprozessen. In: Athanassiou, G. (Hg.); Psychologie der Arbeits-sicherheit und Gesundheit. Sichere und gesunde Arbeit erfolgreich gestalten – Forschung und Umsetzung in die Praxis, 17. Workshop 2012, Asanger Verlag, Kröning, S. 219–222

    Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, BAuA (2005): Mitarbeiter-orientiertes Führen und soziale Unterstützung am Arbeitsplatz. Lausitzer Druck- und Verlagshaus GmbH, Bautzen. Im Internet unter: http://www.age.aroew.spirito.de/data/mitarbeiterorientiertesfuehren.inqa.pdf

    Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hg.) (2011): Psychische Gesundheit im Betrieb. Arbeitsmedizinische Empfehlung. Hausdruckerei BMAS, Bonn. Im Internet unter: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Pub-likationen/a450-psychische-gesundheit-im-betrieb.pdf?__blob=publicationFile

    Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hg.) (2001): Was erhält Men-schen gesund? Antonovskys Modell der Salutogenese – Diskussionsstand und Stellenwert. In: Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung Band 6, BZgA, Köln, S. 23–38. Im Internet unter: http://www.bug-nrw.de/cms/upload/pdf/ entwicklung/Antonowski.pdf

    Burke, W. W. (2011): Organization Change. Theory and Practice, 3. Aufl., SAGE Publications, Los Angeles

    Dragano, N.; Verde, P. E.; Siegrist, J. (2005): Organisational downsizing and work stress: testing synergistic health effects in employed men and women. In: Journal of Epidemiology and Community Health, Jg. 59, H. 8, S. 694–699

    Dragano, N.; Siegrist, J. (2011): Management-Ziel: Betriebliche Veränderung ohne Stress? Wissenschaftliche Grundlagen. In: Kowalski, H. (Hg.): Verände run-gen ökonomisch erfolgreich und gesund gestalten, CW Haarfeld GmbH, Essen, S. 35–46

  • 41

    Elovainio, M.; Van den Bos, K.; Linna, A.; Kivimäki, M.; Ala-Mursula, L.; Pentti, J.; Vahtera, J. (2005): Combined effects of uncertainty and organizational justice on employee health: testing the uncertainty management model of fairness judgments among Finnish public sector employees. In: Social Science & Medicine (2005), Jg. 61, H. 12, S. 2501–2512

    Ferrie, J. E. (2006): Gesundheitliche Folgen der Arbeitsplatzunsicherheit. In: Badura, B.; Schellschmidt, H.; Vetter, C. (Hg.): Fehlzeiten-Report 2005. Arbeits unsicherheit und Gesundheit, Springer-Verlag, Berlin, S. 93–123

    Gerber, M. (2008): Sportliche Aktivität und Stressreaktivität: Ein Review. In: Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, Jg. 59, H. 7–8

    Greif, S.; Runde, B.; Seeberg, I. (2004): Erfolge und Misserfolge beim Change Management, 1. Aufl., Hogrefe Verlag, Göttingen

    Ilmarinen, J. (2009): Current and future challenges related to ageing workforce management. The first case-study workshop on demographic changes, ageing workers and working life patterns, Finse, Norway

    Janßen, D.; Nachreiner, F. (2004): Flexible Arbeitszeiten. Wirtschaftsverlag NW Verlag für neue Wissenschaft (Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeits-schutz und Arbeitsmedizin, Fb 1025), Bremerhaven

    Kieselbach, T.; Kuhn, K. (2009): Gesundheit und Restrukturierung. Innovative Ansätze und Politikempfehlungen, 1. Aufl., Hampp Verlag, München

    Kieselbach, T.; Armgarth, E.; Bagnara, S.; Elo, A.-L.; Jefferys, S.; Joling, C.; Kuhn, K.; Nielsen, K.; Popma, J.; Rogovsky, N.; Sahler, B.; Thomson, G.; Triomphe, C. E.; Widerszal-Bazyl, M. (2009a): Health in Restructuring: Innovative Approaches and Policy Recommendations (HIRES), Universität Bremen. Im Internet unter: http://www.ipg.uni-bremen.de/research/hires/HIRES_FR_090518_english.pdf

    Kivimäki, M.; Vahtera, J.; Pentti, J.; Ferrie, J. E. (2000): Factors underlying the effect of organisational downsizing on health of employees: longitudinal cohort study. In: BMJ (Clinical research ed.), Jg. 320, H. 7240, S. 971–975

    Kivimäki, M.; Virtanen, M.; Elovainio, M.; Kouvonen, A.; Väänänen, A.; Vahtera, J. (2006): Work stress in the etiology of coronary heart disease – a meta-analysis. In: Scandinavian Journal of Work, Environment & Health, Jg. 32, H. 6, S. 431–442

    Klein, A. (2009): Kostenmanagement in Krisenzeiten. Instrumente zur Kosten-senkung und Liquiditätsverbesserung. Effektives Projektmanagement und IT-gestützte Kennzahlenauswertung, 1. Aufl., Haufe Verlag, Freiburg

    Klein, U. (2009): Downsizing in Organisationen. Psychologische Effekte bei verbleibenden Beschäftigten. Hagen Fern.Univ., Dissertation, 2008. LIT-Verlag (Hagener Arbeiten zur Organisationspsychologie, Bd. 14), Münster

    Anhang

  • 42 Anhang

    Lucini, D.; Riva, S.; Pizzinelli, P.; Pagani, M. (2007): Stress management at the worksite: reversal of symptoms profile and cardiovascular dysregulation. In: Hypertension, Jg. 49, H. 2, S. 291–297

    Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-West falen (Hg.) (2010): Potentialberatung in Nordrhein-Westfalen. Erfolgreich arbeiten: Qualifizierter. Flexibler. Gesünder, Düsseldorf

    Nerdinger, F. W.; Blickle, G.; Schaper, N. (2008): Arbeits- und Organisations-psychologie, Springer-Verlag, Heidelberg

    Robertson, P. J.; Roberts, D. R.; Porras J. I. (1993): Dynamics of planned orga nizational change: assessing empirical support for a theoretical model. In: Academy of Management Journal, Vol. 36, No. 3, S. 619–634

    Seiler, K.; Köper, B. (im Druck): Die Gesundheit von Beschäftigten in Restruktu-rierungsprozessen – ein unterschätzter Zusammenhang? Editorial zum Themen-heft. Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, Heft 4

    Stolzenberg, K.; Heberle, K. (2006): Change Management. Veränderungspro-zesse erfolgreich gestalten – Mitarbeiter mobilisieren, 1. Aufl., Springer-Verlag, Heidelberg

    Udris, I.; Weiss, V.: Downsizing und Survivors. Stand der Forschung zum Leben und Überleben in schlanken und fusionierten Organisationen. Im Internet unter: http://www.zeitschriftarbeit.de/docs/2-2001/udris.PDF

    Verzeichnis der AbbildungenAbbildung 1: Belastungen am Arbeitsplatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Abbildung 2: Mögliche Auswirkungen eines Veränderungsprozesses . . . . . . 12Abbildung 3: „Haus der Arbeitsfähigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Abbildung 4: Kommunikation und Dialog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19Abbildung 5: Kommunikationsmedien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Abbildung 6: Beteiligungsspirale Gesundheitsmanagement . . . . . . . . . . . . . . 22Abbildung 7: Sandwichposition von Führungskräften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26Abbildung 8: Effekte von sozialer Unterstützung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Abbildung 9: Qualifikation als Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30Abbildung 10: Regelkreis eines mitarbeiterorientierten

    Veränderungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

    BildnachweisTitelseite: pixelio.de/Lutz StallknechtSeite 6: pitopia.de/Rüdiger Rebmann, 2008 Seite 13: pitopia.de/Susanne Kind, 2010 Seite 35: pitopia.de/Chris Herrendörfer, 2007

  • Landesinstitut für Arbeitsgestaltung

    des Landes Nordrhein-Westfalen (LIA.NRW)

    Ulenbergstraße 127–131

    40225 Düsseldorf

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