einführung in die bindungstheorie: ergebnisse der eltern-kind-interaktionsforschung
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Einführung in die Bindungstheorie: Ergebnisse der Eltern-Kind-Interaktionsforschung. Eine Stundengestaltung von Stefanie Kilian und Katharina Benning . FSU Jena Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften Institut für Erziehungswissenschaft - PowerPoint PPT PresentationTRANSCRIPT
EINFÜHRUNG IN DIE BINDUNGSTHEORIE:
ERGEBNISSE DER ELTERN-KIND-
INTERAKTIONSFORSCHUNG
Eine Stundengestaltung vonStefanie Kilian und Katharina
Benning FSU JenaFakultät für Sozial- und VerhaltenswissenschaftenInstitut für ErziehungswissenschaftSeminar: „Besonders schwierige Kinder und Jugendliche“: Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen im Blickfeld HeimerziehungDozent: Kristin Georgy, M.A.
WAS VERBINDET IHR MIT DEM BEGRIFF BINDUNG?
WAS FÄLLT EUCH ZUM THEMA BINDUNG EIN?
GLIEDERUNG1. Bindung – Eine Einführung
1.1Begriffsklärung1.2 Grundannahmen der Bindungstheorie1.3 Bindungsentwicklung1.4 Allgemeine Fakten zur Bindung1.5 Mütterliche Sensitivität
2. FST und Bindungstypen
3. Innere Arbeitsmodelle
4. AAI und Bindungsrepräsentationen
5. Intergenerationale Transmission
GLIEDERUNG6. Bindung im Jugendalter
6.1 Bindung in Peer- / Liebesbeziehungen
8. Der Einfluss der frühen Bindungsbeziehung auf die sozial-kognitive Entwicklung8.1 Bindungsstörungen8.2 Bindung und Psychopathologie
9. Bindung und Heim
Exkurs: Korrigierende Bindungserfahrungen im Heim
10. Bindungstheoretische Stabilisierung Anforderungen an die Qualifikation der HeimerzieherInnen
BEGRIFFSKLÄRUNGENBindung: besondere Beziehung eines Kindes zu
seinen Eltern oder einer Bezugsperson (Ainsworth)
lang andauernde, gefühlsbetonte Beziehung zu einem bestimmten Menschen (Bindungsperson), von der Schutz und Unterstützung erwartet wird
völlig normaler, natürlicher und biologisch sinnvoller Sachverhalt, da durch sie das Überleben gesichert wird
BEGRIFFSKLÄRUNGENBindungstheorie: umfassendes Konzept für
Persönlichkeitsentwicklung des Menschen als Folge seiner sozialen Erfahrungen (Ainsworth & Bowlby 2003)
Erklärung für negative Emotionen und Persönlichkeitsstörungen anhand elterlicher Zurückweisung/Trennung und Verlust von Bindungsperson Fehlentwicklungen als Folgen von Mängeln an Schutz und Fürsorge in angemessenem Umfang
GRUNDANNAHMEN DER BINDUNGSTHEORIE kontinuierliche und feinfühlige Fürsorge hat eine
herausragende Bedeutung für die seelische Gesundheit des Kindes
es existiert die biologische Notwendigkeit mindestens eine sichere Bindung einzugehen, um Sicherheit zu finden und Stress zu vermindern
Unterschied Bindungsverhalten im Vgl. zu anderem Verhalten: bei Angst wird Bindungsperson aufgesucht und Explorationsverhalten sinkt, bei Sicherheit steigt das Explorationsverhalten an und die Nähe wird weniger gesucht
Bindungsqualität ist abhängig vom Ausmaß der Sicherheitsvermittlung
man bindet sich an ältere, erwachsene und damit vermeintlich weisere Person
BINDUNGSENTWICKLUNG Bindung entwickelt sich im Laufe des ersten Lebensjahres
Bindung entwickelt sich typischerweise in 4 Phasen:
1. Phase der unspezifischen sozialen Reaktionen erste 2 Monate soziale Reaktionsweisen (z.B. Horchen, Schreien) noch nicht an
eine spezifische Person gerichtet, aber von Müttern als solches empfunden
noch keine Vorliebe für bestimmte Person
2. Phase der unterschiedlichen sozialen Reaktionsbereitschaft
bis etwa 6. Monat soziale Äußerungen hauptsächlich an Mutter gerichtet, z.B. sich
nur ihr entgegenstrecken bessere und schnellere Reaktionen des Säuglings auf Äußerungen
und Verhaltensweisen der Mutter und anderer vertrauter Personen
3. Phase des aktiven und initiierten zielkorrigierten Bindungsverhaltens
etwa 2. Halbjahr des 1. Lebensjahres 6.-12. Monat Säugling durch Krabbeln mobiler aktivere Bestimmung
der Nähe zur Bindungsperson BP= Zentrum der Säuglingswelt „sicherer Hafen“ bei
Unwohlsein und „sichere Basis“, die gestattet zum Zweck der Exploration verlassen zu werden während Exploration: regelmäßige Rückversicherung mit Basis
4.-6. Monat Trauer bei Trennung 4. Phase der zielkorrigierten Partnerschaft 2.-3. LJ Festigung der Bindung, bestehen spezifischer
Bindungsbeziehungen fremdeln mit anderen, andere Bindungsverhaltensweisen, z.B. Hinterherlaufen
ab 3. LJ empathisches Wissen wird eingesetzt, um Erfolgswahrscheinlichkeit des Bindungsverhaltens zu erhöhen
bedingt Sprachvermögen des Kindes und das Verständnis der mütterlichen Aussagen
ALLGEMEINE FAKTEN ZU BINDUNG man kann mehrere Bindungspersonen haben, unter
denen eine Hierarchie besteht je schlechter es dem Kind geht, desto mehr hat es Verlangen nach seiner primären Bindungsperson
Unterscheidung (1) Bindung und (2) Bindungsverhalten: (1) besteht kontinuierlich über Raum und Zeit hinweg(2) wird nur unter Belastung gezeigt
Situationen in denen Bindungsverhalten gezeigt werden sollte, da es das Kind schützt:• Kind ist müde, krank, hungrig, verletzt, bedroht, angegriffen,
in fremder Umgebung alleine gelassen, ihm kommen fremde Menschen zu nahe wird keine Reaktion gezeigt, so ist die anwesende Person nicht die Bindungsperson, oder es liegen schlechte Bindungserfahrungen vor
Bedürfnis nach Bindung existiert neben Bedürfnis nach Nahrung, Erkundung, Sexualität und Fürsorge des Nachwuchses
MÜTTERLICHE SENSITIVITÄT wichtiger Faktor bei Entwicklung einer sicheren
Bindung mütterliche Feinfühligkeit ist die Genauigkeit der
primären Bezugsperson in Wahrnehmung und Interpretation der kindlichen Botschaften, sowie in der Fähigkeit angemessen, kontingent und prompt darauf zu reagieren
Annahme: Mutter(Eltern)-Kind-Interaktion ist der Ursprung des Verständnisses von Intentionen und sozialen Kognitionen, Verstehen mentaler Zustände, denn die in dieser Interaktion erfahrenen Interaktionsmuster führen dazu, dass Kind Repräsentation zukünftiger Zustände entwickelt sind in Lage, Verhalten und Handlungen anderer Personen zu verstehen und zu erklären
FREMDE-SITUATIONS-TEST (FST)
FST ist ein strukturiertes Beobachtungsverfahren von Mary Ainsworth, um Bindungsverhalten von Kindern im Alter von 12-15 Monaten zu untersuchen
Kindesverhalten wird in verschiedenen Situationen beurteilt, um so auf den Bindungstyp schließen zu können
FREMDE-SITUATIONS-TEST (FST)Ablauf:
1. Mutter und Kind mit fremder Person bekannt gemacht
2. Mutter und Kind alleine im Untersuchungsraum
3. fremde Person kommt dazu4. Mutter verlässt Raum5. Mutter zurück, fremde Person verlässt
Raum6. Mutter verlässt auch den Raum Kind
alleine7. fremde Person betritt den Raum wieder8. Mutter kehrt zurück, fremde Person
verlässt Raum
FREMDE-SITUATIONS-TEST (FST) Verhalten des Kindes wird nach bestimmten
Kriterien beurteilt: Welches Bindungsverhalten wird gezeigt? Wird der Kontakt zur Mutter gesucht? Besteht Kontakt: Wie lange wird dieser versucht
aufrechtzuerhalten? Wie hoch ist die Dauer/Intensität der Nähe-
Suche? Zeigt das Kind Abwehrverhaltensweisen?, z.B.
Kontaktvermeidung Reaktionen des Kindes in den Episoden (5)
und (8) sind besonders wichtig für die Bestimmung des Bindungsmusters, da hier die Wiedervereinigung von Mutter und Kind stattfindet
BINDUNGSTYPENSichere Bindung/B-Typ:
ausgewogene Balance zwischen Neugier und Bindungsverhalten
bei Kummer Aufsuchen der Bindungsperson, Sicherheit durch Anwesenheit der BP
genügend Sicherheit Explorationsverhalten
bei Rückkehr der Mutter große Freude, aktives Nähesuchen und Beruhigung bei Körperkontakt
zeigen offen Leiden unter Trennung, weinen/schreien, rennen Mutter hinterher
BINDUNGSTYPENUnsicher-vermeidende Bindung/A-Typ:
Schwierigkeit mit Zeigen von negativen GefühlenRückkehr der Mutter Vermeidung von aktivem
Kontaktweniger freies Spiel und Anspannung, wenn
alleineKind fühlt sich durch Bindungsbedürfnisse der
Mutter eher bedrängtKind erwartet kommende Enttäuschung
Vermeidung vom Zeigen von Bindungswünschen, obwohl Bindungssystem aktiviert ist
bereits gelernt BV nicht zu offenbarenzum Teil fremde Person vor Mutter bevorzugt
BINDUNGSTYPENUnsicher-ambivalente Bindung/C-Typ:
wollen viel Aufmerksamkeit Rückkehr der Mutter ambivalentes Verhalten,
d.h. sucht Nähe und wehrt sich gelichzeitig gegen diese, ärgerliches Verhalten
Schwierigkeiten sich zu beruhigen Bindungsverhalten der Mutter ist durch Kind
nicht einschätzbar, da sie im Verhalten sprunghaft ist Bindungssystem die ganze Zeit aktiviert und Exploration runter geschraubt, suchen ständig Nähe zur Mutter, nur warten auf sie
deutlicher Ausdruck des Bindungsstresses bei Trennung, unentwegt weinen
BINDUNGSTYPENDesorganisierte Bindung/D-Typ:
desorganisiertes VerhaltenPhasen der Starrheitstereotype Verhaltensweisenerst hin zu Mutter, dann wieder abwendenängstlich und verwirrtwidersprüchliches BV zeigen misshandelte
Kinder, Kinder depressiver oder traumatisierter Mütter (denn ihr eigenes Bindungssystem wird aktiviert, deshalb Pflegesystem bricht weg)
oder Ursache ist ein generelles Defizit in Verhaltensorganisation, chronischer Stress, angsterregendes Verhalten der Eltern
INNERE ARBEITSMODELLE Erfahrungen mit BP werden zunehmend
verinnerlicht und in ein Gesamtbild integriert und zu repräsentationalen Systemen zusammengefasst
sind generalisierte Erwartungsstrukturen zur Hilfe der Verarbeitung der Erfahrungen mit Bindungsperson
sind Annahmen der Kinder, wie die Bindungsperson(en) auf Bindungswünsche höchstwahrscheinlich reagieren wird/werden
kümmert Mutter sich Arbeitsmodell= Mutter steht zur Verfügung, man kann ihr Vertrauen; kümmert sie sich nicht AM= man muss mit Kummer alleine umgehen
ADULT-ATTACHMENT-INTERVIEW (AAI)
halbstrukturiertes Interview zur Erfassung der Bindungsorganisation auf der Repräsentationsebene
dient der Einschätzung des inneren Arbeitsmodells es wird auf narrative Kohärenz, Schlüssigkeit, Nachvollziehbarkeit der Antworten auf Fragen der nachträglichen Einschätzung der Bindungsbeziehung geachtet
erfasst wird mentaler Verarbeitungszustand der Bindung
AAI
AAI
AAI
BINDUNGSREPRÄSENTATIONENSicher/autonom F: Bindungsbeziehungen wird hoher Wert
beigemessen Antworten sind nachvollziehbar, geäußerte
Gefühle glaubhaft Bindungserfahrungen werden mit jeweiliger
Situation, Gefühlen und eigenem Verhalten in Verbindung gebracht
leidvolle Erfahrungen sind angemessen in Lebensgeschichte integriert
emotionale und kognitive Anteile sind in ausführlicher Darstellung ausgewogen vorhanden
entspricht dem sicheren Bindungstyp 55% Häufigkeit in Normalpopulation
BINDUNGSREPRÄSENTATIONENUnsicher-distanzierend Ds: zumeist knappe Antworten Gefühle runter gespielt großer Wert auf eigene Unabhängigkeit
gelegt oder übertrieben positive Darstellung der Beziehung zu Bindungsperson
Eltern als wenig verfügbar und zurückweisend (in offener oder verdeckter Art und Weise) empfunden
entspricht dem unsicher-vermeidenden Bindungstyp
16% Häufigkeit in Normalpopulation
BINDUNGSREPRÄSENTATIONENUnsicher-verstrickt E: Antworten weisen auf konfliktreiche
Beziehungen zu BP hin widersprüchliche Gefühle von Angst und Wut
gegenüber BP noch keinen Frieden mit ihnen gemacht
Erzählungen zu ausführlich, zu wenig distanziert zu Vergangenheit
versuchen mit bzw. in Erzählungen eine gute Bindungsbeziehung zu BP herzustellen
entspricht dem unsicher-ambivalenten Bindungstyp
9% Häufigkeit in Normalpopulation höherer Anteil in klinischen Stichproben
BINDUNGSREPRÄSENTATIONENUnverarbeiteter Bindungsstatus U: Personen, die traumatische Erlebnisse
aus Kindheit nicht verarbeitet haben Nicht-Verarbeitung traumatischer
Ereignisse zeigen sich in sprachlichen Desorganisation, z.B. wird etwas über BP an nicht gefragten Stellen erzählt
BINDUNGSREPRÄSENTATIONENnicht-klassifizierbar CC:
im Interview Hinweise auf mehrere Bindungsrepräsentationen keine einheitliche vorhanden
7-10% Häufigkeit in Normalpopulation
INTERGENERATIONALE TRANSMISSION durch innere Arbeitsmodelle
Repräsentationen eigener kindlicher Bindungserfahrungen im Erwachsenenalter beeinflusst Ausmaß an Feinfühligkeit, mit dem Eltern auf Bindungsbedürfnisse der Kinder reagieren
Einstellung der Eltern gegenüber Bindung bzw. der Wert, dem sie Bindung beimessen beeinflusst Erziehungsverhalten nachhaltig
Bindungstyp des Kindes ist abhängig von der Bindungsrepräsentation der Eltern
Erfahrungen mit Bindungstypen/
Bindungsrepräsentationen?
BINDUNG IM JUGENDALTERAllgemeines:
soziale Kompetenz in der Adoleszenz besonders wichtig
Bindungsbeziehungen zu den Eltern werden gelockert
die Qualität persönlich bedeutsamer, intimer Beziehungen weist einen Zusammenhang auf zu der Qualität der Bindungsbeziehungen zu den Eltern
BINDUNG IM JUGENDALTEREltern-Kind-Interaktion: Demonstration der Unabhängigkeit im Jugendalter riskante oder gefährliche Situationen bieten
Gelegenheit, sich und anderen zu beweisen, dass man auf den elterlichen Schutz nicht mehr angewiesen ist Risikohandeln
Balance zwischen Exploration und Bindung vs. Autonomiebedürfnisse (notwendige Unterstützung der Eltern bei sicherer Bindung)
Jugendlichen kognitiv gereift können Beziehung zu Eltern kritisch reflektieren und bewerten
durch offene Beziehung kann Jugendlicher kritisch, flexibel und objektiv bewerten Voraussetzung für die Beziehung zu Gleichaltrigen
BINDUNG IM JUGENDALTERSicher gebundene Jugendliche: Bindungen haben hohen Stellenwert; sie können
negative Erfahrungen mit ihren Eltern bei einer positiven Grundhaltung integrieren und Konflikte produktiv lösen
Unsicher gebundene Jugendliche: zeigen wenig Autonomie und geringe Verbundenheit
den Eltern gegenüber stellen sich als besonders unabhängig dar (neigen
zur Idealisierung der Eltern und haben Schwierigkeiten, negative Affekte bei sich und anderen wahrzunehmen)
Unsicher-verwickelt gebundene Jugendliche: neigen eher zu einem erhöhten und unproduktiven
Engagement ggü. den Eltern Bindungssystem bleibt ständig aktiviert
BINDUNG IM JUGENDALTERPeer- und Liebesbeziehungen: Gleichaltrige haben die Funktion von
Bindungspersonen inne Einfluss auf das seelische Wohlbefinden Suchen von Nähe zum Objekt der Liebe,
Nutzung des anderen als „sichere Basis“, Protest bei Trennung eigene Befindlichkeit abhängig vom Verhalten der Bindungsperson
aber: Wahl aus freien Stücken, nicht bei Geburt vorgegeben
BINDUNG IM JUGENDALTERPeer- und Liebesbeziehungen: Liebesbeziehungen: symmetrisch
angelegt: sexuelles System zusätzlich zum Bindungssystem aktiviert sexuelles Interesse gibt Anlass zum Aufnehmen einer Bindungsbeziehung
Bindungsrepräsentation beeinflusst Verhalten ggü. Partner in den ersten Liebesbeziehungen
Arbeitsmodelle haben hohe Bedeutung auch für die Ausgestaltung der anderen Beziehungen im Leben (Freunde, Liebespartner, eigene Kinder)
EINFLUSS DER FRÜHEN BINDUNGSBEZIEHUNG AUF DIE SOZIAL-KOGNITIVE ENTWICKLUNG
Existenz einer sicheren Bindung * fundamental für gesunde seelische Entwicklung* Voraussetzung für Explorationsverhalten* Schutzfaktor ggü. möglichen Risiken
frühe hochunsichere Bindung korreliert mit späteren Verhaltensproblemen (Aggressivität, depressive Symptomatik, schulische Probleme) insbesonders dann, wenn gleichzeitig Risikofaktoren vorhanden sind (z.B. elterliche Arbeitslosigkeit, Armut, schlechte Wohnsituation, Misshandlung, psychische Störungen der Eltern)
sicher gebundene Kinder: Vorsprung im sozialen, emotionalen und kognitiven Bereich
EINFLUSS DER FRÜHEN BINDUNGSBEZIEHUNG AUF DIE SOZIAL-KOGNITIVE ENTWICKLUNG
Sicher gebundene Kinder: sind im Vorschulalter sozial offener und
kompetenter in der Interaktion haben i.d.R. ein besseres Selbstwertgefühl und
mehr Selbstvertrauen können ihre Gefühlszustände besser regulieren,
empathisch auf andere reagieren und sind anderen Personen ggü. kooperativer
haben bessere Konfliktlösestrategien und sind emotional und motivational stabiler
verfügen über eine bessere Konzentration und haben eine höhere Frustrationstoleranz und Ausdauer bei neuen Aufgaben
keine Unterschiede in der Intelligenz, aber in der Sprachentwicklung
EINFLUSS DER FRÜHEN BINDUNGSBEZIEHUNG AUF DIE SOZIAL-KOGNITIVE ENTWICKLUNG
Woher kommt der Einfluss auf die kognitiveEntwicklung?
Eltern in sicher gebundenen Dyaden sind besser in der Lage, ihre Kinder zu unterrichten
Kinder sind weniger durch aufgabenirrelevante Aspekte der Interaktion abgelenkt
Lernsituation = potentielle Stresssituation sicher gebundene können sich eher auf „Lehrer“ verlassen
Explorationsverhalten höher bei sicher gebundenen Kindern
aktiv Kontakt suchende Bindungsperson Quelle an intellektuellen Anregungen
BINDUNGSSTÖRUNGEN Bindungsstörungen entstehen dann, wenn
keine, auch keine unsichere, Bindung entwickelt werden konnte
aber: es gibt auch immer wieder Kinder, deren Verhalten nicht klar klassifizierbar ist
für die Entwicklung einer Bindungsstörung besonders gefährdete sind Kinder aus extrem schwierigen psychosozialen Verhältnissen mit Häufig wechselnden Bezugspersonen Reaktionen der Umwelt für sie nicht vorhersehbar; kann kein inneres Arbeitsmodellentwickelt werden
BINDUNGSSTÖRUNGENF 94.1 Reaktive Bindungsstörung des
Kindesalters: Folge von Vernachlässigung, Missbrauch oder
schwerer Misshandlung „abnormes“ Beziehungsmuster zu
Betreuungspersonen, eingeschränkte Interaktionen, Aggressionen, Furchtsamkeit, Unglücklichsein, Verlust/Mangel an emotionalen Reaktionen u.a.
F 94.2 Bindungsstörung des Kindesalters mitEnthemmung nicht-selektives Bindungsverhalten mit wahlloser
Freundlichkeit und Distanzlosigkeit, „abnormes“ Beziehungsmuster zu Betreuungspersonen
emotionale Auffälligkeiten (z.B. Aggressionen) kommen vor, stehen aber nicht im Vordergrund
BINDUNGSSTÖRUNGEN bei Kindern, denen basale Mütterlichkeit nicht
zuteil wurde oder die von Anfang an grob vernachlässigt oder missbraucht wurden, kann sich zwar durchaus eine Bindungsbeziehung entwickeln diese ist aber schon von vornherein als gestört anzusehen
solche Kinder zeigen entweder stark klammerndes Verhalten mit geringer Bereitschaft, ihre Umwelt auch nur ansatzweise zu erkunden oder wagemutiges und selbstgefährdendes Verhalten (Bezugsperson stellt keine sichere Basis dar)
wichtig für die Jugendhilfe: erneuter häufiger Wechsel der Bezugspersonen sollte verhindert werden
BINDUNG UND PSYCHOPATHOLOGIE
Fonagy et al. (1996): Langzeitstudie, die Jugendliche mit und
ohne Diagnose untersuchte deutlich höherer Anteil von unsicher gebundenen Bindungsstilen bei Jugendlichen mit psychiatrischer Diagnose
zwischen den unsicheren Bindungsstilen konnte zudem bezüglich der Zuordnung zu psychiatrischen Diagnosen unterschieden werden deutliche Verbindung zwischen der Diagnose einer Angststörung und der unverarbeiteten Bindungsklassifikation (U)
BINDUNG UND PSYCHOPATHOLOGIE
Rosenstein & Horowitz (1996): 60 Jugendliche mit psychiatrischer Diagnose deutliche ZH zwischen unsicher-distanzierten
Bindungsrepräsentation und * Störungen wie Verhaltensauffälligkeit * Störungen im ZH mit psychotropen Substanzen* narzisstischer und antisozialer PSK-Störung
Jugendliche mit einer unsicher-präokkupierten Bindungsrepräsentation hatten häufiger affektive oder Zwangsstörungen bzw. histrionische, Borderline oder schizotypische PSK-Störung
BINDUNG UND PSYCHOPATHOLOGIE unsicher gebunden: Wahrscheinlichkeit für
psychisch. Störung größer (stabile Beziehungen als protektiver Faktor)
unsicher gebundenen Kinder und Jugendliche sind nicht so gut in der Lage, mit Konflikten und Problemlagen umzugehen vulnerabler
heutiger Wissensstand: zwei Störungen mit einer hinlänglich gesicherten Beziehung zu den frühen kindlichen Beziehungsmustern* Angststörung bei unsicher-ambivalenter Bindungsorganisation * dissoziative Störungen i.d.R. als Folge desorganisierter Bindungsmuster
BINDUNG UND PSYCHOPATHOLOGIE unsichere Bindung = unspezifischer
Risikofaktor Bindungsunsicherheit gilt grundsätzlich selbst
nicht als psychiatrische Auffälligkeit kein Krankheitswert, aber bedeutender Risikofaktor – sichere Bindung hingegen wirkt als Schutzfaktor
Arbeitsmodelle, die auf unsicheren Bindungen beruhen, führen eher zu unangepasstem Verhalten, Fehleinschätzungen anderer und zu einer mangelhaften Integration und Kohärenz negativer Gefühle im Zusammenhang mit Belastungen
BINDUNG UND HEIM insgesamt relativ wenig Forschung; wenn dann
meistens nur im Zusammenhang mit den Problemen jüngerer Kinder
Bindung hat viel mit Liebe zu tun (Solidarität, Sicherheit) Heim dagegen negativ besetzt (schlecht erzogene und schwer erziehbare Jugendliche)
Heime demnach Orte, die es nach Möglichkeit zu vermeiden gilt: „besonders schicksalshafter Eingriff“ in der Praxis letzte Möglichkeit, wenn nicht ganz so eingreifende Maßnahmen oder andere Formen der Unterbringung ausscheiden
Hauptthemen der Bindungsforschung spiegeln die wichtigsten Problembereiche von Kindern und Jugendlichen, die in einem Heim leben, wieder
BINDUNG UND HEIMBowlby (1944): „Forty-Four Juvenile Thieves – TheirCharacters and Home-Life“ Jugendliche, die in ihrer Säuglingszeit länger von der
Mutter getrennt waren äußerten nur wenig oder keine Gefühle und zeigten
kaum Reaktionen affektarm bei genauem Hinsehen: tiefe Traurigkeit und
Verzweiflung erahnbar
Bowlby (1951): „Maternal Care and Mental Health“ Heimerziehung beeinträchtigte Entwicklung der Kinder
deutlich Beziehungsfähigkeit gestört vermochten nicht tiefe
und dauerhafte Beziehungen einzugehen Ursache: Trennung von der Mutter Heimerziehung: schädlich Fehlen einer Person, die
Funktion einer Bezugsperson übernehmen kann; im Vordergrund körperliche Gesundheit und Erscheinungsbild, nicht das psychische Wohlbefinden
BINDUNG UND HEIMDührssen (1958): „Heimkinder und Pflegekinder in ihrer Entwicklung“ extreme Verarmung an Gefühlszuwendung und
Reizeindrücken allgemein extrem häufiger Wechsel der Beziehungspersonen verwirrende (meist negativ getönte) Unklarheiten über
die eigene Herkunft und Unsicherheit über die Zukunft eine von der Mutter gesetzte „seelisch-geistige
Vernachlässigung“ könne nicht kompensiert werden
Rutter / Pickles / Murray & Eaves (2001): große rumänische Adoptivstudie: siehe einführende Literatur festgestellte Entwicklungsverzögerungen verbesserten
sich deutlich nach Adoption ZH Dauer des Aufenthalts und Häufigkeit von
Bindungsstörungen
BINDUNG UND HEIMSchleiffer / Müller (2001): „Die Bindungs-repräsentation von Jugendlichen in Heimerziehung“ Kinderheim der öffentlichen Erziehungshilfe in kirchlicher
Trägerschaft; überdurchschnittlicher Lebensstandard; versch. pädagogische Wohngruppen
negatives Selbstbild psychiatrische Auffälligkeiten (externalisierend und
internalisierend) nur 2 von 72 teilnehmenden Jugendlichen galten als
sicher gebunden Heimjugendliche als Eltern zeigten ebenfalls
hochunsichere Repräsentationen (Weitergabe einer sicheren Bindungsorganisation im Sinne der intergenerationalen Weitergabe deutlich eingeschränkt)
Verteilung der Bindungsrepräsentation der im Heim aufgewachsenen Jugendlichen ähnlich der forensischen Erwachsenen
BINDUNG UND HEIMNowacki (2007): „Aufwachsen in Pflegefamilie
oder Heim“ 49 junge Menschen (in Pflegefamilie oder Heim
aufgewachsen) im Vergleich mit 20 in ihrer Herkunftsfamilie aufgewachsenen jungen Menschen
bei Pflege- und Familienkindern deutlich höherer Anteil mit sicherer Bindungsrepräsentation; bei Heimkindern häufiger unsicher-distanzierte bzw. unsicher-präokkupierte Repräsentation
Heim- und Pflegekinder ggü. Familienkindern deutlich höheren Anteil an unverarbeiteten / nicht klassifizierbaren Repräsentationen
geben häufiger an, stark psychisch belastet zu sein deutlich höhere Ausprägung an
Persönlichkeitsstörungen
EXKURS: KORRIGIERENDE BINDUNGSERFAHRUNGEN IM HEIM im Gegensatz zur Psychotherapie:
Heimerziehung im Vorteil längere Aufenthaltsdauer; Transfer der therapeutischen Situation in den Alltag gelingt leichter
ABER: Kann Heimerzieher Bindungsperson (mit Familie vergleichbar) werden?
Möglichkeit besteht, dass Erzieher in ähnlicher Weise wahrgenommen werden wie die Eltern Unsicherheit, Misstrauen, falsches Selbstbild, Verunsicherung durch neue Erfahrungen
EXKURS: KORRIGIERENDE BINDUNGSERFAHRUNGEN IM HEIM
Gruppenarbeit
EXKURS: KORRIGIERENDE BINDUNGSERFAHRUNGEN IM HEIMBindungsabwertende Kommunikation: Heimerzieher werden von Kindern oft verzerrt
wahrgenommen führt zu Konflikten daher: Bindungsbedürfnisse verleugnendes Verhalten aus
Angst vor Enttäuschungen (haben Hilfe am nötigsten, sind am wenigsten in der Lage, diese anzunehmen) schwer erreichbar
zu wenig Vertrauen Selbstkonzept in Gefahr befürchten weitere Schwächung ihre Selbstvertrauens (bei Hilfebedürftigkeit)
es bietet sich an, Erziehungsanspruch zurückzunehmen Art „privater Freizeitbeziehung“* konfliktarme Beziehung
ABER: * keine Erziehung* keine selbstgewählte Beziehung so kann Jugendlicher nicht davon profitieren
EXKURS: KORRIGIERENDE BINDUNGSERFAHRUNGEN IM HEIMBindungsverstrickte Kommunikation: Bindungskonzept geprägt durch unsicher-verstrickte
Bindungsstrategien auf den ersten Blick durchaus beziehungsfähig, aber
ambivalente Gefühle dominieren „Beziehungskrisen“; Angst, alleine zu sein; Fehler unverzeihlich päd. Beziehung gerät zu Belastung
besondere Schwierigkeit: Überversorgung vermeiden
Ambivalenz kann sich auch ausdrücken in einer feindseeligen Distanzierung
Ausweg kann sein, sich um Psychotherapie zu bemühen aber nur erfolgreich bei Lösung des Transferproblems (Erzieher kann sich Erzieheraufgaben zuwenden)
EXKURS: KORRIGIERENDE BINDUNGSERFAHRUNGEN IM HEIM
Lebensgeschichte als Thema: hochunsicher gebundene Jugendliche setzen
bindungsvermeidende und auch verstrickte Bindungsstrategien an Verhalten unvorhersehbar
Unvermögen, der Lebensgeschichte kohärenten und damit erzählbaren Sinn abzugewinnen (aber auch Desinteresse auf Seiten der Erzieher)
Unterstützung bei der gemeinsamen Konstruktion einer kohärenten Biografie Kenntnis des Verhaltens befähigt dazu, es ggf. neu zu strukturieren
ABER: kann dies von HeimpädagogInnen erwartet werden? sensibles Achten auf bindungsrelevante Situationen um
Kinder und Jugendliche mit Verhaltensweisen konfrontieren zu können, die sich abheben von alten Schemata
BINDUNGSTHEORETISCHE STABILISIERUNG bindungstheoretisches Wissen im Heim sehr wichtig
größere Sicherheit im Umgang mit Jugendlichen Hilfe zum besseren Umgang mit Gefühlen und Affektkontrolle auch Umgang mit negativen Gefühlen und Äußerungen der
Jugendlichen hohe Verantwortung für die Aufrechterhaltung einer
förderlichen Beziehung Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit sich selbst kaum Anerkennung für geleistete Tätigkeit von Jugendlichen auch Handlungsleitlinien für Umgang mit den Eltern
Elternarbeit ist unabdingbare Aufgabe Heimerziehung kann korrigierende Bindungserfahrung
bereitstellen, wenn es gelingt, die Beziehung der Jugendlichen zu ihren Erziehern mit einer ausreichend sicheren Bindungsqualität auszustatten
Welche Anforderungen an die HeimerzieherInnen seht ihr?
ANFORDERUNGEN AN DIE QUALIFIKATION DER HEIMERZIEHERINNEN
bindungstheoretisches Wissen Probleme verstehen können
Erfahrungen im Umgang mit eigenen Problemen auch bindungstheoretisch orientierte Selbsterfahrung
Lebenserfahrung von Nutzen Erzieher sollten „alle möglichen zwischenmenschlichen Konfliktkonstellationen wenigstens in Ansätzen erlebt haben“
„Erzieherinnen und Erzieher müssen durch ihre Persönlichkeit, Haltung und Wertmaßstäbe, durch ihr
Vorbild und Beispiel das geben, was die elterliche Erziehungskraft nicht vermochte. Dies ist das
Fundament, auf dem ihr fachlich-pädagogisches Können wirksam
werden kann.“
Gibt es noch Fragen /
Anregungen?
QUELLENBowlby, J. (22010): Bindung als sichere Basis. Grundlage und Anwendung der Bindungstheorie. München: Reinhardt.
Bowlby, J. (52005): Frühe Bindung und kindliche Entwicklung. München:
Reinhardt.
Brisch, K.-H. / Hellbrügge, T. (Hrsg.) (2008): Der Säugling – Bindung, Neurobiologie und Gene. Grundlagen für Prävention, Beratung und Therapie.Stuttgart: Klett-Cotta.
Grossmann, K. / Grossmann, K. (32006): Bindungen. Das Gefüge psychischer Sicherheit. Stuttgart: Klett-Cotta.
Hopf, C. (2005): Frühe Bindungen und Sozialisation. Eine Einführung. Weinheim und Basel: Juventa.
QUELLENNowacki, K. (2007): Aufwachsen in Pflegefamilie oder Heim. Bindungsrepräsentation, psychische Belastung und Persönlichkeit bei jungen Erwachsenen. Hamburg: Verlag Dr. Kovac.
Schleiffer, R. (32007): Die heimliche Wunsch nach Nähe.Bindungstheorie und Heimerziehung. Weinheim und München: Juventa.
Spangler, G.. / Zimmermann, P. (Hrsg.) (52009): Die Bindungstheorie. Grundlagen, Forschung und Anwendung. Stuttgart: Klett-Cotta.
http://www.uni-bielefeld.de/paedagogik/Seminare/moeller02/07bindung2/sub/mary.html Zugriff am 05.02.2011
..für eure Aufmerksamk
eit!