ekel in der pflege -...
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Ekel in der Pflege
Ekelempfinden im Pflegealltag
Gefühle und Emotionen .... die Königstochter fing an zu weinen und fürchtete sich vor dem kalten Frosch, den sie sich nicht anzurühren getraute und der nun in ihrem schönen, reinen Bettlein schlafen sollte. Der König aber ward zornig und sprach: ,,Wer dir geholfen hat, als du in der Not warst, den sollst du hernach nicht verachten." Da packte sie ihn mit zwei Fingern, trug ihn hinauf und setzte ihn in eine Ecke. Als sie aber im Bette lag, kam er gekrochen und sprach: ,,Ich bin müde, ich will schlafen so gut wie du; heb' mich hinauf, oder ich sag's deinem Vater." Da ward sie erst bitterböse, holte ihn herauf, warf ihn aus allen Kräften wider die Wand und sagte: ,,Nun wirst du Ruhe haben, du garstiger Frosch!" „Der Fros hkö ig“ Ge rüder Gri Idee aus „Ekel i der Pflege“
Froschkönig?
Was ist Ekel
Gewaltige Emotion
Kulturell unterschiedlich
– und dennoch existieren universelle Konstanten
Im Alltag und Beruf vorhanden
Mit körperlichen Reaktionen, wie Gänsehaut, Kloß im Hals, Übelkeit, Erbrechen, Tachycardie, Ohnmacht verbunden
Weitere Kennzeichen von Ekel
Unvorbereitet Überwältigend
Grenzüberschreitend Transportiert
Botschaft
Situativ
Wann entsteht Ekel?
Unangenehmer Geruch
Unangenehmer Geschmack
Unangenehme
Haptik
Unangenehmes Sehen Unangenehmes Hören
Ekel
Ekel und Nähe
• Ekel hat immer viel mit Nähe zu tun.
• Mit einer Nähe, die nicht gewünscht ist und der man nur schwer entkommen kann.
• Sobald eine physische oder psychische Distanz besteht, fehlt dem ekelhaften die Grundlage und somit seine Ekelhaftigkeit.
Ekel und Nähe
• Die Nähe ist nach Kolnai das „Mit-O jekt“ des Ekelgefühls. Das Ekelhafte ietet si h dar, „es gri st, starrt, sti kt u s a “ (Kolnai,1974, S.129). Die Nähe ist sozusagen das Brückenglied zwischen dem Ekelhaften und de „Opfer“ u d ewirkt ei e drohe de Steigerung des Ekels selbst durch die Vereinigung mit dem Gegenstand.
Sinnesorgane und Ekel -das Riechen
Geruchssinn
• beim gleichzeitigen Anbieten mehrerer Geruchsreize siegt nicht der stärkere, sondern der gefühlsbetontere Reiz, (z.B. eine Person nicht riechen können)
• Gerüchen kann man fast nicht entkommen
• Riecherinnerungen bleiben vorhanden tiefes Eindringen des Ekelhaften in den Körper durch Aufnahme von Geruchspartikeln über die Nase in das Gehirn
• ein nicht Atmen ist auf die Dauer nicht möglich
• ein Atmen durch den Mund verstärkt die Penetrationsangst.
Der Tastsinn
Tasten
• Die Konsistenz des Berührten lässt Assoziationen zu.
• Wir berühren gern festes oder auch sanftes, weiches
• Ungern etwas, das unter unseren Händen weggleitet, schwabbelig
• Wir nehmen die Temperatur war- je näher sie uns ist, desto schwieriger die Abgrenzung
Das Sehen
Sehen
• Sehen wirkt nicht unmittelbar als Ekelsinn, sondern erst in Verbindung mit Wissen und/oder Erfahrung
• Gleichzeitig wissen wir aber über den Haloeffekt, der alle andere Wahrnehmung überlagert
http://www.youtube.com/watch?v=FDZcYgZL9KQ
Hören
Hören
• Die Geräusche vermitteln stets Assoziationen zu Handlungen visuellem, haptischem und olfaktorischen, das als ekelig wirken kann
Physischer Ekel
Urgegenstand des Ekels ist die Fäulnis
(Übergang vom Leben zum Tod)
Exkremente
Körpersekrete (klebrig,
halbflüssig, anhaftend)
das Kleben (dem Körper
anzuhaften)
Ekel vor bestimmten Tieren
z.B. Kriechtiere, Maden, Ratten, ..
Physischer Ekel Ekel erinnert an Vergänglichkeit
Speisereste = Überdrußekel, verdorbene Speisen =
Fäulnisekel
Ekel vor dem menschlichen Leib (warmer WC- Sitz,
ungewollte Nähe, ..)
Ekel vor wucherndem Leben (viel Leben bedeutet viel
Totes)
das Ekelhafte der Krankheit und der körperlichen
Verwa hse heit „Le e a u re hte Orte“ (ge ei t
sind Wucherungen und Deformationen)
Ekelhierarchie nach Christine Sowinski
unangenehm
• Urin
• Stuhl
• Eiter, Dekubitus,
• exulcerierende Wunden
• Erbrochenes
grauenhaft
• Sputum
• Kotessen
Was kann eine Strategie sein, damit kein Ekel aufkommt: Strategie A:
Ekelauslösende Situation
vermeiden Flucht
Strategie B
Augen zu und durch
Schnell Arbeiten-kurze
Pflegezeit
Strategie C
Nicht anmerken
lassen
Über anderes reden
Strategie
Schutz des Körpers
• Mundschutz
• Schutzkleidung
• Handschuhe
Sinnlichkeit reduzieren
• Geruch neutralisieren
• Luft anhalten
• Radio aufdrehen beim Absaugen
Indirekte Reaktionen
Hoffnung auf Gewöhnung
• Langfristig Gefahr des Burnout
Verdrängung des Ekelgefühls und das Bemühen, sich in Grenzsituationen nichts anmerken zu lassen
• Entstehung von Schamgefühlen, Burnout
Versachlichung der ekelerregenden Situation (Vergegenwärtigung v. Entstehungs-,Verlaufs- und Behandlungsweise der jeweiligen Situation)
• Reduktion des Bedürftigen auf seine Erkrankung, der Patient wird zum Fall erklärt
Indirekte Reaktionen nach: http://www.uni-duesseldorf.de/Intensivpflege/seiten_ft/pdf/2011/Belastende_Ereignisse.pdf
Sprachliche Intellektualisierung von pflegerischen Inhalten z.B. Kontinenztraining
• Gefahr von Kommunikationsschwierigkeiten zwischen Patient
und Personal oder durch unangepasste Anredeformen
Ideologische Verbrämung der Tätigkeit (Verleugnen oder Ignorieren von Situationen in denen Hilfe benötigt wird)
• Bettdecken werden wieder zurückgeschlagen und Türen
geschlossen = unterlassene Hilfestellung und gefährliche Pflege
Wie reagieren Professionelle auf Ekel in der Pflege?
Analyse dieser Strategie
Nichts sehen nichts hören Nichts sagen
Sich verstecken Nähe nicht
zulassen
Keine andere – professionelle-
Nähe konstruieren
Neue Strategien?
Neues Sehen, hören, fühlen tasten
Wie wäre das möglich
• Sich nicht von dem Haloeffekt überraschen lassen
• Hinter den Tumor, die Wunde, die eklige Situation anderes sehen wollen
• Über Ekel kommunizieren
Literaturhinweise:
• Gröning, Katharina: Entweihung und Scham. Grenzsituationen in der Pflege alter Menschen. Frankfurt/M. 1998. • Jeggle, Utz: Runterschlucken. Ekel und Kultur, in: Kursbuch 129. Ekel und Allergie. September 1997, S. 12-26 • Kolnai, Aurel: Ekel, Hochmut, Haß. Zur Phänomenologie feindlicher Gefühle. Frankfurt/ M. 2007 • Krey, Hiltrud Ekel ist okay : ein Lern- und Lehrbuch zum Umgang mit Emotionen in Pflegeausbildung und
Pflegealltag . Hannover 2003. • Menninghaus, Winfried: Ekel. Theorie und Geschichte einer starken Empfindung. Frankfurt/M. 1999. • Overlander, Gabriele: Die Last des Mitfühlens. Aspekte der Gefühlsregulierung in sozialen Berufen am Beispiel der
Krankenpflege. 2. Aufl. Frankfurt/M. 1996. • Pernlochner-Kügler, Christine Körperscham und Ekel - wesentlich menschliche Gefühle . Münster 2004.
Sowinski, Christine: Stellenwert der Ekelgefühle im Erleben des Pflegepersonals, in: Pflege Bd. 4 1991, Heft 3, S. 178-187.
• Sowinski, Christine: Nähe und Distanz – Schamgefühl und Ekel. Pflege, eine intime und grenzüberschreitende Dienstleistung, in: Dr. med. Mabuse. Zeitschrift im Gesundheitswesen. 121/ September/Oktober 1999, S. 43-46
• Silberzahn-Jandt, Gudrun: Vom Ekel in Krankheits- und Heilungsprozessen. Einige Anmerkungen aus dem Feld. In: Simon, Michael (Hg.). Auf Suche nach Heil und Heilung. Religiöse Aspekte der medikalen Alltagskultur. (=Volkskunde in Sachsen Bd. 10/11) Dresden 2001, S. 198-196.
• Silberzahn-Jandt, Gudrun: Ekelgeschichten. Zerstörte Ordnungen in Erzählungen über Ekelerlebnisse in der Krankenpflege. In: Die Psychotherapeutin. Psychiatrie in Geschichte und Kultur 14/2001, S. 95-107.
• Silberzahn-Jandt, Gudrun: Zur Leiblichkeit eines Gefühls. Ekelerfahrungen in Beziehungen zwischen Krankenpflegepersonal und PatientInnen. In: Eisch, Katharina; Hamm, Marion (Hg.): Die Poesie des Feldes. Beiträge zur ethnographischen Kulturanalyse. Tübingen 2001, S. 48-59.
• Ringel, Dorothee Ekel in der Pflege : eine "gewaltige" Emotion / Dorothee Ringel. - Frankfurt am Main : Mabuse-Verl., 2000. - 88 S. (Mabuse-Verlag Wissenschaft ; 45)