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euro winds eurowinds.de Ausgabe 5/2018 (September/Oktober) · EUR 7,00 (DE) · E -14205 · ISSN 2364-1320 Bläsermusik in Europa Mit großem Länderteil Deutschland EUR 7,00 · Österreich / Italien / Spanien / Benelux EUR 8,00 · Schweiz CHF 9,50 PORTRÄT Tobias Haussig Dr. Michael Schramm PERFORMANCE Basel Tattoo 2018 PRAXIS Das Saxofon-Mundstück • Konzertmoderation Porträt Dieter Kraus

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    .de Ausgabe 5/2018 (September/Oktober) · EUR 7,00 (DE) · E -14205 · ISSN 2364-1320

    Bläsermusik in Europa

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    PORTRÄTTobias Haussig Dr. Michael Schramm

    PERFORMANCEBasel Tattoo 2018

    PRAXISDas Saxofon-Mundstück • Konzertmoderation

    PorträtDieter Kraus

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    14 Dieter Kraus Der Saxofonist aus Ulm ist regelmäßig

    bei den Münchner Philharmonikern zu Gast. Und auch vor dem Blasorchester hat er keine Hemmungen, im Gegenteil

    20 Tobias Haussig Der Dirigent der Bläserphilharmonie

    Aachen verbindet alle Phasen seiner Entwicklung mit der Musik. Klare Kommunikation und verständliche Probensprache sind für ihn essenziell

    66 Dr. Michael Schramm Nach dem Ausscheiden aus dem Dienst

    als oberster Chef der Militärmusik in Deutschland kann Dr. Michael Schramm seit 2016 seinen musikalischen Neigungen ganz ohne Termindruck nachgehen. Was macht eigentlich…?

    01 Titelfoto Dieter Kraus, Saxofon

    03 Editorial05 Impressum06 Foto des Monats08 Euro-News 09 Termine international13 Termine Deutschland58 Konzert-Highlights62 Termine Professionals64 Termine Ausbildung65 Inserentenverzeichnis

    Standards Porträt

    24 »Ich mache es mir enorm schwer« Erik Julliard (Bild), Produzent des Basel Tattoo, spricht im Interview über die Entwicklung der Veranstaltung in den vergangenen Jahren, die Ausgabe 2018 und die Perspektiven. Das Heeresmusikkorps Ulm wirkte in diesem Jahr als einzige deutsche Formation mit. Der musika lische Leiter Matthias Prock erzählt, wie er das Baseler Event erlebt hat

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    28 Jupiter-Workshops (Teil 49) Dirko Juchem, Coach für Saxofon,

    gibt praxistaugliche Tipps für die Wahl des passenden Mundstücks

    30 Konzertmoderation Eine gute Konzertmoderation rollt den roten Teppich aus für das, was auf der Bühne passiert. Eine Einführung.

    34 Deutsche Romantik im Blasorchestergewand Das Musikkorps der Bundeswehr interpretiert maßgeschneiderte Bearbeitungen von Wagner, Strauss und Weber

    36 Rezensionen Buch und CDBesprechungen

    40 Branche Neues auf dem Musikmarkt

    42 DTB Musik und Spielmannswesen Die 27. Landesmeisterschaften der Spielleute SachsenAnhalt waren ein voller Erfolg. Der Spielmannszug TV »Deutsche Eiche« Hirschfeld blickt auf den 50. MusikfestGeburtstag zurück. Die TurnerMusikAkademie steht nach einer HochwasserKatastrophe vor großen Herausforderungen

    ››› Impressum

    ChefredaktionGerhard TenzerAugust-Lämmle-Straße 50D-72658 BempflingenTel. 0 71 23 / 97 38 15-0Fax 0 71 23 / 97 38 15-15E-Mail: [email protected]

    AnzeigenleitungStefanie EberleTel. 0 82 41 / 50 08-48Fax 0 82 41 / 50 08-46E-Mail: [email protected]

    Erscheinungsweise & BezugspreiseErscheinungsweise: 6-mal jährlichEinzelheft: 7 € (inkl. MwSt.) zzgl. VersandkostenJahresbezugspreis (6 Ausgaben im Jahr):Inland: 42 € (inkl. Versandkosten und MwSt.)Euro-Zone: 48 € (inkl. Versandkosten)Welt: 57 € (inkl. Versandkosten)Schweiz: 57 SFr (inkl. Versandkosten)Mindestbezugsdauer: 1 JahrAbbestellungen spätestens zwei Monate vor Ablauf der Bezugszeit, sonst verlängert sich das Abonnement um ein Jahr. Kündigungen bedürfen der schriftlichen Form.

    VertriebStefanie EberleTel. 0 82 41 / 50 08-48Fax 0 82 41 / 50 08-85E-Mail: [email protected]

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    © 2018Beiträge, die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichnet sind, decken sich nicht un bedingt mit der Meinung der Redaktion. Keine Gewähr für unverlangt eingesandte Manuskripte oder Besprechungsexemplare. Einsender von Manuskripten, Briefen oder Ähnlichem erklären sich mit redaktioneller Bearbeitung einverstanden. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrecht-lich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages strafbar.

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    Modell. Im praktischen Tun überlappen sich die einzelnen Stadien oder sind teilweise ineinander enthalten.

    Solche Systematiken sind aber Anhaltspunkte für mögliche Wege, wobei sich der tatsächliche Weg aber erst »beim Gehen« ergibt. Wenn wir diesen Prozess durch die musikalische Brille beschreiben, beinhaltet Moderation zuerst eine sprachliche »Komposition«, die zum Charakter des jeweiligen Konzerts ideal passt, und danach eine entsprechende, auf das Publikum zugeschnittene »Interpretation«. So können Moderatorin oder Moderator den roten Teppich ausrollen für das, was auf der Bühne passiert und damit die monatelange musikalische Arbeit des Orchesters und seiner Dirigenten bestmöglich unterstützen.

    Der Mensch-Medien-Mix zur Stofffindung (Inventio)

    An Informationen zu kommen, ist in der Informationsflut heutiger Medien bei weitem einfacher als noch vor wenigen Jahren. In unserer Zeit wird deshalb die gezielte Auswahl der Inhalte zum wesentlichen Punkt. Damit wir nicht von dieser Flut überrollt werden, wird durch die Analyse der Konzertsituation ein intellektuellemotionaler Wahrnehmungsfilter aufgebaut, der die Recherche in geeignete Bahnen lenkt. Detaillierte Informationen bezüglich des Konzertprogramms und umfelds kommen von »Menschen & Medien«. Diese Informationen können unter anderem zu folgenden Punkten gesammelt werden: z Musik (Leben des Komponisten, musikali

    sche Epoche, gesellschaftliches Umfeld der Entstehungszeit, Struktur des Musikstücks, Besonderheiten etc.)

    z Orchester, Dirigent, Anlass des Konzertsz Solist(en) und ihre Instrumente

    Durch aktives »InsGesprächKommen« mit Programmgestaltern, Dirigenten, Solisten, Musikern oder mit den zeitgenössischen Komponisten (direkt oder per EMail), deren Werke

    während des Konzerts nämlich fast eine halbe Stunde lang gar keine Musik, sondern – Worte! Denn zehn etwa dreiminütige Moderationen nehmen ein Viertel der Konzertzeit in Anspruch. In dieser Zeit können unter anderem Publikum und Musiker emotional eingestimmt werden, kann auf das nachfolgende Musikstück neugierig gemacht werden, kann Interesse für zeitgenössische Musik geweckt und ein positiver Kontakt zum Publikum geknüpft werden.

    Musiker bereiten sich für ein wichtiges Konzert mit intensiven Einzelproben, Satzproben, Gesamtproben und vielleicht sogar einem Probenwochenende viele Stunden vor, damit es eine gelungene Aufführung wird. Um diesen Einsatz zu unterstützen, muss eine dazu passende Moderation entsprechend vorbereitet werden und sollte nicht nur aus kurzen Partiturtexten oder Komponistendaten bestehen. Wenn Ihnen am Konzertabend etwa 500 Gäste 30 Minuten zuhören, sind das zusammengezählt 250 Stunden, die das Publikum dem widmet, was Sie zu sagen haben. Sie sollten also mindestens einen Bruchteil dieser Zeit (15 bis 25 Stunden) aufbringen können, um über das Publikum, die Musiker und die Musik nachzudenken und ihre Moderation so zu entwickeln, dass sie deren Bedürfnissen gerecht wird.

    Die richtige Vorbereitung

    Die Moderation, dieses »Solo mit Worten«, kann man erfolgreich gestalten, wenn vor der relativ kurzen, aber wohldurchdachten und geübten LiveModeration (Actio) eine wesentlich längere Vorbereitungsphase stattgefunden hat. Sie besteht aus der ersten Orientierung (Intellectio, siehe Kasten rechte Seite), der Auswahl der Inhalte und Stofffindung (Inventio), des Aufbaus und der Gliederung (Dispositio), der Wortwahl und dem sprachlichen Ausdruck (Elocutio) und schließlich dem Einprägen der Informationen (Memoria). Zugegeben, diese idealtypische Einteilung des Moderationsprozesses ist ein schlichtes lineares

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    Konzertmoderation– ein »Solo mit Worten«

    Gute Musik zu genießen ist etwas Wunder-bares. Und viel über sie zu wissen, erhöht den Reiz und die Freude daran beträchtlich. Wenn dieses Wissen während des Konzerts gekonnt serviert wird, steigert es den Wert der Veran-staltung deutlich und macht sie erst richtig rund. Ähnlich wie bei einer Führung durch eine Gemäldegalerie, nehmen nach einer an-sprechenden Konzertmoderation die Zuhörer verschiedene Aspekte der Komposition deut-licher oder überhaupt erst war. Deshalb fasse ich hier praxisnahe und bewährte Tipps und Ratschläge für eine gute Konzertmoderation zusammen, die Ihnen einen Nutzen bringen sollen nach dem Motto: »Was mache ich gut, wo kann ich mich steigern?«

    Wie wichtig eine passende Moderation ist, erkennt man sofort, wenn man ein zweistündiges Musikvereinskonzert mit etwa einem Dutzend aufgeführter Kompositionen aus der Sicht des Publikums betrachtet. Dieses hört

    Von Jürgen K. Groh n Eine gute Moderation rollt den roten Teppich aus für das, was auf der Bühne passiert und soll die monatelange musikalische Arbeit des Orchesters und seines Dirigenten bestmöglich unterstützen. Eine Einführung.

    n Jürgen K. Groh vermittelt Kompetenz aus der Praxis für die Praxis und gibt wertvolle InsiderTipps aus seiner langjährigen Erfahrung mit hunderten von Moderationen für Musik und Gesangvereine sowie Bigbands. Es gibt, so

    sein Credo, jedes Mal vier Versionen einer Moderation: 1. diejenige, die Sie gehalten

    haben, 2. diejenige, die Sie vorbereitet haben, 3. diejenige, die laut Publikum gehalten wurde, 4. diejenige, die Sie im

    Nachhinein gern gehalten hätten… Unter dem Titel »Moderation – Kunst oder

    Handwerk?« war Jürgen K. Groh im Januar beim Internationalen Blasmusik Kongress in NeuUlm als Dozent zu hören. Sein Seminar richtete sich an Jugendleiter, Vereinsfunktionäre und Musiker.

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    ››› Jürgen K. Groh

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    aufgeführt werden, wird das umfassende Wissen der Beteiligten in die Moderationsvorbereitung einbezogen. Als Medien werden heute allgemeine Internetdienste wie Wikipedia oder Google sowie auf Musik spezialisierte Homepages wie etwa www.notendatenbank.net oder www.windmusic.org genauso zur Recherche verwendet wie VerlagsHomepages. Aber auch in Büchern, Programmheften oder Fachzeitschriften findet man ausführliche In

    Anordnung und Gliederung (Dispositio)

    Da wir es mit einer vorgegebenen Programmreihenfolge zu tun haben, sind hier Entscheidungen zu treffen wie zum Beispiel: z Soll die erste Moderation nach oder vor dem

    ersten Musikstück gemacht werden? Wenn die Moderation danach gemacht wird, sollten Sie bedenken, dass eine solche Abmoderation relativ kurz sein muss. Auch hier

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    formationen über Komponisten und Kompositionen. Extrem wichtig: Selbst wenn Sie die Kompositionen alle kennen sollten, gehen Sie unbedingt zu einer oder mehreren Proben! Der persönliche Kontakt zu Orchester und Dirigent ist durch nichts zu ersetzen und erst dieser Kontakt gibt Ihnen ein sicheres Gefühl für die emotionale Stimmung eines Stücks und damit für die wirkungsvolle sprachliche Gestaltung der Moderation.

    Der erste Schritt zur LiveModeration besteht in einer Analyse der Konzertsituation (Intellectio), wobei hier sieben Leitfragen helfen können, sich von der lebensgeschichtlichen Zufälligkeit bevorzugter Wahrnehmungen zu lösen.

    1. Welche Wirkung soll die Moderation erzeugen?Mögliche Antworten zu dieser Frage reichen von »die Zuhörer zum Lachen bringen und zum Mitmachen animieren«, etwa bei einem gemütlichen Oktoberfestabend mit Getränkeausschank über »charmante Vorstellung der Kompositionen« bei einem traditionellen Jahreskonzert oder zum »Anregen zur Besinnlichkeit« während eines Kirchenkonzerts bis zum Gesprächskonzert mit einer Analyse der Komposition.

    2. Welche Besonderheiten ergeben sich aus dem Konzertraum?Hier geht es um die Position des Moderators im Raum beziehungsweise auf der Bühne, die Raumeigenschaften, die technischen Unterstützungen (Moderationsmikrofon mit Kabel oder Funk, Headset, Licht etc.) und die möglichen Störfaktoren.

    3. Welche Grundeinstellung hat das Publikum dem Konzertthema gegenüber?

    Ist es ein schon seit Jahren etabliertes Konzert mit Stammpublikum oder der erste Auftritt eines Projektorchesters? Werden bekannte Kompositionen gespielt oder Experimente gewagt? Ist es das Konzert eines einzigen Orchesters oder wird es in Kooperation mit anderen Orchestern, Gesangsgruppen, Theatergruppen oder Schulen durchgeführt? Ist es ein Benefizkonzert, wird Eintritt erhoben oder muss der Moderator noch an eine Spende am Ausgang erinnern?

    4. Welches Publikum wird erwartet?Gerade die Zusammensetzung des Publikums ist sehr wichtig für die Beurteilung der Moderationssituation. So können Sie sich beispielsweise fragen, welches Wissen Sie bei Ihren Zuhörern erwarten können, denn jeder Mensch beurteilt die Informationen, die ihm ge

    geben werden, vor dem Hintergrund seiner eigenen Erfahrungen. Sind Ihre Zuhörer beispielsweise geprägt durch ideologische, kulturelle, religiöse und herkunftsrelevante Einflüsse?

    5. Wie wird der Moderator als Person vor der Moderation bewertet?

    Ob Sie es wollen oder nicht, Sie werden als Moderator immer vom Publikum eingeschätzt. Wer vom Publikum freudig erwartet wird oder als besonders kompetent eingestuft wird, findet sicher eine andere Situation vor als ein vollkommen neuer Moderator.

    6. Welchen Titel trägt das Konzert?Der Konzerttitel trägt stark dazu bei, welche Erwartungshaltung die Zuhörer der Moderation gegenüber haben. Bei einem Titel wie »Neue Musik – ein Experiment!« wird man vielleicht eher eine informative Moderation auch zu musikalischen Sachverhalten erwarten als auf einer Veranstaltung mit dem Titel »Schlagerparty«, bei dem vielleicht eine charmante und aufgelockerte Moderation mit humorvollen Einlagen erwartet werden kann.

    7. Was muss für die Zeit der Moderation bedacht werden?Dabei spielt nicht nur die Länge der Moderationsbeiträge in Minuten eine Rolle. Vor allem ist die zeitliche Positionierung der Moderationsabschnitte entscheidend. Soll schon vor Konzertbeginn eine Anfangsmoderation gemacht werden oder wartet man damit, bis das erste Musikstück verklungen ist? Gibt es während des Konzerts Ehrungen oder andere Einschübe wie etwa Danksagungen vor dem letzten Musikstück oder der Zugabe? Selbst eine kurze Moderation wird danach nämlich als lang empfunden.

    Wenn Sie die sieben Leitfragen jetzt nochmals durchlesen und sie dabei im Kopf oder sogar schriftlich für eine konkrete Moderationssituation beantworten, hat das den großen Effekt, dass sich die Informationen besser einprägen und sich mit Ihrem schon vorhandenen Wissen verbinden. z

    ››› Analyse der Konzertsituation (Intellectio) • Sieben Leitfragen bilden den Einstieg

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    gilt das aus der Großgruppenmoderation bekannte Prinzip »Vorbei ist vorbei«. Das Publikum hat mehr Interesse und Aufmerksamkeit für das noch Kommende als für das bereits Erlebte.

    z Sollen mehrere Musikstücke auf einmal anmoderiert werden und wenn ja, in welcher Reihenfolge?

    z Gibt es Verbindungen zwischen den Musikstücken eines Konzerts?

    z Sollen die Ehrengäste einzeln oder »en bloc« (mit geballtem Applaus am Schluss) begrüßt werden?

    z Wo soll der Informationsschwerpunkt sein: bei der Musik, bei einer eventuellen Solistin, dem Komponisten, der Epoche usw.?

    Bedenken Sie immer, dass weniger oft mehr ist. Trennen Sie sich bei der Endfassung der Moderation deshalb ganz bewusst von einem Teil Ihres Stoffes und zeigen Sie damit Ihre Kompetenz, die Fülle zu reduzieren.

    Wortwahl und sprachlicher Ausdruck (Elocutio)

    Wir kommen nun mit der »Elocutio« in das Produktionsstadium, welches direkt mit der TextErstellung verbunden ist. Hier gibt es zahlreiche rhetorische Stilmittel (siehe bei Wikipedia »Liste rhetorischer Stilmittel«), deren gezielter Einsatz die Moderation bereichern, wie etwa »Varianten der Wiederholung«: z Anapher: wenn Worte oder Satzanfänge

    knapp hintereinander wiederholt werden, wie »Musik macht uns locker, Musik macht uns fröhlich, Musik erfreut unser Herz.«

    z Epipher: wenn gleiche Worte am Ende von mehreren Sätzen stehen, wie »Wir sind fröhlich mit Musik. Wir sind glücklich mit Musik. Wir brauchen Musik.«

    z Anadiplose: wenn das letzte Wort vom ersten Satz das erste Wort vom nächsten Satz ist. Beispiel: »Wir brauchen Musik. Musik erfreut unser Herz.«

    z Kyklos: wenn ein Wort am Anfang und dasselbe am Ende steht, etwa »Musik macht uns fröhlich, wir brauchen Musik.«

    Manche Figuren sind gut, andere sind besser, eine der besten aber ist die Klimax. Man kann auch einfach »Steigerung« sagen. Oft besteht

    sie aus drei Teilen. Besonders für den Schlusssatz einer Moderation ist sie ein geeignetes Mittel. Oder wer kennt nicht das Stilmittel der rhetorischen Frage, wie etwa »Erinnern Sie sich an Ihren letzten Urlaub am Meer? An den Klang der Wellen«? Die rhetorische Frage hält die Aufmerksamkeit des Publikums aufrecht, bezieht es mit ein und simuliert das Dialogische des Alltagsgesprächs.

    Der deutsche Rhetoriktrainer Matthias Pöhm schreibt in einem seiner Bücher den plakativen, aber zum Nachdenken anregenden Satz: »Eine Rede, die sich gut liest, ist eine schlechte Rede!« Denn wer liest, kann auswählen, zurückspringen, vorwärtsspringen, langsamer lesen, schneller lesen, sinnieren usw. Wer hört, ist dagegen unmittelbar ausgesetzt. Er muss das jeweilige Sprechtempo hörend erfassen und kann nicht steuernd eingreifen. »Zurückhören« ist unmöglich und selbst ein »Zurechthören« ist äußerst mühsam, denn Zeit zur Muße gibt es bei einem stetigen Redestrom einfach nicht. Mit anderen Worten: Es kann nicht »schreibdenkend« vorbereitet werden, was fürs Hörverstehen gedacht ist. Verabschieden Sie sich deshalb von der Vorstellung, möglichst viele Informationen in kurzer Zeit liefern zu wollen. Wählen Sie aus und präsentieren Sie eine sprechbare und hörverständliche Form und Verknüpfung von Informationen.

    Einprägen der Moderation (Memoria)

    Nach der bisherigen Vorbereitung prägen wir uns nun die wesentlichen Stichworte des erstellten Texts ein (Memoria). Dadurch müssen wir nichts ablesen und können immer Augenkontakt mit dem Publikum halten, die emotionale Stimmung im Saal spüren und die Moderation situativ gestalten. Stichworte können manchmal in Abkürzungen zusammengefasst werden, indem man Begriffe auf ihre Anfangsbuchstaben reduziert (Akronyme). Sie können die einzelnen Begriffe auch als Bilder aufmalen oder sich gedanklich vorstellen. Dabei gilt, je »merkwürdiger« desto besser. Wer sich erst allmählich an die freie Moderation herantasten möchte, kann Stichworte auf DINA6Karteikarten im Querformat schreiben. Halten Sie

    diese Karten aber immer nur mit einer Hand – am besten mit der, die weniger Gesten macht.

    z LociMethodeFür das Ideal einer freien Moderation lohnt es sich, mit einer Methode zu arbeiten, die auch von vielen Gedächtniskünstlern eingesetzt wird. Sie basiert darauf, dass räumlich gespeicherte Erinnerungen leichter abgerufen werden können. Deshalb wird in der LociTechnik für jeden zu lernenden Begriff ein eigener Platz verwendet, der in einer festen Struktur liegt. Damit wird bei der Wiedergabe die genaue Reihenfolge eingehalten. Diese Struktur kann ein bekannter Weg sein oder ein Zimmer, das man der Reihe nach abschreitet. Bei beiden Varianten ist es notwendig, sich Plätze ( loci) zu merken, wo die zu lernenden In formationen hingelegt werden können. Anschließend kann man auf diese geistig vorbereiteten Plätze das tatsächlich zu Merkende in Form leben diger Bilder ablegen.

    Stimmliche Ausführung und Körpersprache (Actio)

    Beim Auftritt vor dem Publikum sind zwei Dinge besonders wichtig, nämlich der Einsatz der Stimme (Artikulation und betontes Vortragen) und die Körpersprache. Eine Verbesserung Ihrer Aussprache gelingt schon mit den nachfolgenden Übungen.

    z Artikulationsübungenz Karotten oder Korkenübung: Reinigen und

    schälen Sie eine frische Karotte, um sie dann in etwa vier Zentimeter große Stücke zu schneiden. Nehmen Sie eines dieser Stücke in den Mund und beißen Sie mit den Schneidezähnen darauf. Nun lesen Sie einen Text von der Länge einer halben Buchseite laut vor. Dann lesen Sie denselben Text noch mal ohne die Karotte. Wenn Sie das jeden Tag über einen längeren Zeitraum machen, wird sich Ihre Artikulation deutlich verbessern. Aber Achtung! Machen Sie die Übung nur solange, wie es angenehm ist.

    z Flüsterübung: Lesen Sie einen Text vor, indem Sie laut flüstern. Dadurch betonen Sie alle Silben.

    Bedenken Sie immer, dass weniger oft mehr ist. Trennen Sie sich bei der Endfassung der Moderation

    deshalb ganz bewusst von einem Teil Ihres Stoffes und zeigen Sie damit Ihre Kompetenz, die Fülle zu reduzieren. «

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    z Betontes VortragenBei einem Text können Sie wichtige Worte unter anderem durch Großschreibung oder Sperrschrift hervorheben. Bei der Moderation verwenden Sie dafür Pausen, Betonungen und verschiedene emotionale Stimmungen. z Betonungsübung: Nehmen Sie einen kurzen

    Satz wie zum Beispiel »Guten Abend, meine Damen und Herren« und betonen Sie jeweils ein Wort besonders. Hören Sie, wie sich die Bedeutung des Satzes ändert? Sagen Sie den Satz so oft, bis Sie jedes Wort einmal besonders betont haben.

    z Pausenübung: Sprechen Sie den Satz ohne besondere Betonungen, aber machen Sie zwischen jeweils zwei Wörtern eine längere Pause und achten Sie darauf, wie sich erneut der Sinngehalt des Satzes ändert.

    z Stimmungsübung: Sprechen Sie den Satz in verschiedenen emotionalen Stimmungslagen (zum Beispiel traurig, hastig, aufgeregt, wütend, langweilig), aber beachten Sie, dass eine Moderation kein Theaterschauspiel ist. Mit diesen Übungen soll hauptsächlich die Sensibilität für die Wirkungen Ihrer Worte gesteigert werden.

    z Verlegenheitslaute und die »StoppPause«Übung

    Verlegenheitslaute sind Ausdrücke wie »Ja« oder das berühmte »Äh«. Diese werden vom Moderator selbst oft nicht wahrgenommen. Bei einem »Äh« spricht der Moderator die Sätze oft nicht »auf den Punkt« (Tonhöhe am Satzende nach unten), sondern die Satzmelodie wird, wie bei der Formulierung einer Frage, am Satzende nach oben geführt. Dadurch hat der Moderator keine Möglichkeit eine Pause zu machen und schließt oft ein »Äh« an. Wenn man sich dieses »Äh« abtrainieren will, ist es notwendig, die Absicht und das Ziel seiner Sätze genau zu kennen und sie klar und eindeutig zu betonen! Das kann man mit der folgenden »StoppPause«Übung erfolgreich trainieren: Erzählen Sie beispielsweise Ihren Tagesablauf in kurzen Sätzen und beenden Sie jeden Satz ganz bewusst mit dem Wortpaar »Stopp – Pause«, in etwa so: »Heute Morgen bin ich um sieben Uhr aufgestanden. Stopp – Pause. Dann bin ich ins Bad gegangen und

    habe Zähne geputzt. Stopp – Pause. Nach dem Frühstück wurde ich von meinem Musikkollegen abgeholt. Stopp – Pause.« Diese Übung ist am Anfang ungewohnt, doch bei täglicher Wiederholung werden Sie nach einiger Zeit immer weniger »Ähs« verwenden.

    z KörperspracheZur Körpersprache zählt, wie Sie stehen oder sich bewegen, welche Gestik und Mimik sie verwenden und wie sie die Zuhörer ansehen. Für eine aufrechte Körperhaltung ist zum Beispiel die Hakenübung gut geeignet: Stehen Sie auf, gehen Sie etwas in die Knie und lassen Sie die Hände fallen. Nun stellen Sie sich vor, auf Ihrer Kopfoberfläche wäre ein Haken befestigt. Ein Kran lässt ein Seil herunter, das am Haken befestigt wird und zieht es dann Millimeter um Millimeter hoch. Lassen Sie sich von diesem imaginären Seil auf die Zehenspitzen ziehen und gehen Sie soweit wie möglich mit dem Kopf Richtung Seil. Dann lassen Sie sich auf die Fußballen zurückfallen. Sehr wichtig ist auch der Blickkontakt mit dem Publikum. Schauen Sie dazu verschiedenen Zuhörern kurz in die Augen, während Sie mit Ihrem Blick

    n Trotz aller Intelligenz betrachtet das menschliche Gehirn die folgenden vier Situa tionen als sehr kritisch für das weitere Überleben: alleine irgendwo zu stehen; auf offenem Gelände zu sein, ohne die Möglichkeit sich zu verstecken; keine Verteidigungsmöglichkeit zu haben; vor einer großen Menge es anstarrender Kreaturen zu stehen. In solchen Situationen war in der Evolutionsgeschichte die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, im nächsten Moment angegriffen und verspeist zu werden. Deshalb entwickelten unsere (überlebenden) Vorfahren für solche Situationen eine Angstreaktion. Diese »Verdrahtung« unseres Gehirns macht es unmöglich, sich in solchen Situation nicht zu fürchten, und sie befindet sich darüber hinaus in den ältesten Gehirnteilen, über die wir nahezu keine

    Kontrolle haben. Deshalb ist Lampenfieber eine ganz normale Reaktion und man kann sogar etwas Gutes darin sehen: Lampenfieber motiviert uns zu intensiver Vorbereitung. Der erste Schritt, das Lampenfieber zu verringern, besteht darin zu akzeptieren, dass es völlig normal ist und jeden betrifft. Ein ganzes Universum aus Ängsten und Fehlern verschwindet übrigens ganz einfach, wenn Sie sich auf Ihre Vorbereitung verlassen können. Da sie bestimmt mehr Angst davor haben, eine schlechte Moderation zu machen als sich ein paar Stunden vorzubereiten und zu üben, sind sie dafür bereits ausreichend motiviert und Ihr »innerer Schweinehund« ist ganz zahm und fügsam geworden.

    Jürgen K. Groh

    ››› Woher kommt die Angst vor der Rede?

    dem Verlauf eines sehr großen M oder W folgen, das Sie in Ihrer Vorstellung über den ganzen Zuschauerraum legen.

    Rhetorikkurse, -literatur, Selbstkritik

    Vielleicht hat Sie diese Einführung in die Konzertmoderation sogar inspiriert, einen Rhetorikkurs zu besuchen, um die Theorie mit praktischen Erfahrungen und direktem Feedback zu verknüpfen. Erster geeigneter Schritt wäre ein VHSKurs, denn da bewegen sich die Preise für zweitägige Seminare noch nicht im vierstelligen Bereich. Auch für Bücherfreunde gibt es ein großes Angebot, wobei ich hier ein Buch von Michael Rossié sehr empfehle (Frei sprechen in Radio, Fernsehen und vor Publikum. Ein Training für Moderatoren und Redner. Springer VS – Journalistische Praxis). Oder nehmen Sie sich auf Video auf, betrachten Sie dieses in einer ruhigen Umgebung und versetzen Sie sich in die Rolle eines freundlichen, aber umfassenden Kritikers Ihrer selbst. Auf jeden Fall würde ich mich sehr freuen, wenn Sie aus dem eben Gelesenen etwas in die Praxis Ihrer Moderationen übernehmen können. z

    Eine Rede, die sich gut liest, ist eine schlechte Rede! Denn wer liest, kann auswählen, zurückspringen, vorwärtsspringen, langsamer lesen, schneller lesen,

    sinnieren usw. Wer hört, ist dagegen unmittelbar ausgesetzt. Er muss das jeweilige Sprechtempo hörend erfassen und kann nicht steuernd eingreifen. «

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