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Die Wahrheit hinter der Institution. Wie die Abgeordneten arbeiten. Was sie bewirken. Blickpunkt EU-Parlament Die Themen für die Zukunft: Jugend, Arbeit, Datensicherheit, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit. neu.gestalten P.B.B., VERLAGSPOSTAMT 1020 WIEN

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Magazin der SPÖ EU-Delegation

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Die Wahrheit hinter der Institution. Wie die Abgeordneten arbeiten. Was sie bewirken.Die Wahrheit hinter der Institution. Wie die

Blickpunkt EU-Parlament

Die Themen für die

Zukunft: Jugend, Arbeit, Datensicherheit, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit.

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Liebe Leserin! Lieber Leser!

Mit diesem Heft möchten wir Sie über Mythen und Fakten zum Europäischen Parlament

ebenso informieren wie über die politische Arbeit der SPÖ-Europaabgeordneten. Seit Jahren sinkt bei den EU-Wahlen die Bürger-Beteiligung – gleichzeitig wird die Bedeutung des Europäischen Parlaments immer größer. Die Entscheidungen „im fernen Brüssel“ sind für uns Österreicherinnen und Österreicher bedeutend wie nie zuvor.Hier möchten wir Ihnen zeigen, worum es wirklich geht: Österreich ist heute eingebettet in die EU, ein Verbund mit 28 Ländern und 507 Millionen Menschen. Europa ist Weltwirtschaftsmacht Nummer eins, vor den USA und vor China. Mit dem Euro stehen wir dem Dollar mehr als auf Augenhöhe gegenüber. Die österreichischen Exportquoten – an denen hunderttausende hochqualifi zierte und gutbe-zahlte österreichische Arbeitsplätze hängen – haben sich seit dem EU-Beitritt 1995 von 30 auf 58 Prozent nahezu verdoppelt.Wir möchten aber vor allem eines klarstellen: Die Europäische Union ist eine Demokratie. Es geschieht das, was die demokratisch gewählten Mehrheiten wollen. Sie haben es am 25. Mai 2014 in der Hand, ob es weiter gehen soll wie bisher, oder ob Europa stärker die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen wird, für gerechtere Verteilung des Reichtums sorgen wird und ob die Besteuerung der Finanzspekulation tatsächlich kommt.

IMPRESSUM: Herausgeber/Eigentümer: Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament – Österreichische Delegation Für den Inhalt verantwortlich: Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament – Österreichische Delegation. www.spe.atHerausgeberanschrift: Parlament, Dr. Karl Renner Ring 3, A-1017 WienRedaktionelle Aufbereitung & Art Direktion: Verlagsgruppe NEWS Gesellschaft m.b.H.Coverfotos: Shutterstock, SPE DelegationHersteller & Herstellungsort: Leykam Druck GmbH & Co KG, 7201 Neudörfl . Verlags-, Erscheinungsort: Wien

INHALT

Jörg LeichtfriedDelegationsleiter der SPÖ-Europaabgeordneten

4 Das EU-Parlament: Im Mai werden die Volksvertreter der EU neu gewählt. Doch was passiert im EU-Parlament tatsächlich? Fakten und Mythen über Europas Zentrale.

8 Schützenswerte Vielfalt: Artenschutz und Biodiversität sind für das biologische Gleichge-wicht der Erde essentiell. Was sich hier auf EU-Ebene tut.

10 Recht auf Privatsphäre: Der Handy-Über-wachung und Vorratsdatenspeicherung muss Einhalt geboten werden. Europäischer Datenschutz ist gefragt.

12 Mega-Trucks im Anmarsch? Riesige LKW zu Lasten von Umwelt und Sicherheit sollen durch Europa kreuzen. Die S&D-Fraktion will das verhindern.

14 Zukunft sichern: Ist Europas Jugend ohne Perspektiven? Jetzt ist schnelles Handeln gefragt. Was die Jugendgarantie bringt.

16 Neustart für die EU: Das Projekt „Europa“ bedarf eines Umdenkens. Alle sind aufgerufen, mit „Relaunching Europe“ die Zukunft mitzugestalten.

19 Hinter den Kulissen: Wer sind die Abgeord-neten, die Österreich im EU-Parlament vertreten? Ein neues Buch gibt Einblick in den Arbeitsalltag der SPÖ-Delegation.

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Anti-europäische Parteien schüren mit billigem Populismus Angst und wollen den Menschen weismachen, dass ohne die EU alles besser wäre. Welch ein Irrtum! Es ist

absurd, angesichts der wirtschaftlichen, demographischen oder währungspolitischen Herausforderungen zu glauben, jetzt sei die große Stunde der Nationalstaaten gekommen.Was ist die Alternative zu Europa? Die Alternative wäre weniger Zusammenarbeit, weniger Wohlstand, weniger Sicherheit. Genau um diese Auseinandersetzung muss es im Europawahl-kampf 2014 gehen. Wir müssen all jenen, die Europa abwickeln wollen entgegenhalten, dass ihre Alternative verheerend wäre für die Menschen in Europa. Denn wenn wir nicht zusammen-halten und nicht gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme finden, dann driften wir in die weltpolitische Bedeutungslosigkeit ab und büßen unsere Handlungsfähigkeit, unser Gesell-schaftsmodell und unsere Demokratie ein. Wer das will, soll es den Menschen offen sagen.Richtig ist: Wir müssen die EU reformieren und verbessern. Dazu gehört zum einen ihre weitere Demokratisierung. Ein Meilenstein für die europäische Demokratie wird die nächste Europawahl im Mai sein, denn dann wird das Europäische Parlament den nächsten Kommis-sionspräsidenten direkt wählen. Zum anderen muss die EU aufhören, sich in Dinge einzumi-schen, die sie besser anderen überlassen sollte, weil sie es besser können. Was lokal, regional oder national geregelt werden kann, soll auch dort entschieden werden. Mein Plädoyer ist: Europa muss sich auf die großen Fragen konzentrieren, etwa auf die weltweiten Handelsbe-ziehungen, den Kampf gegen Spekulation und Steuerflucht, den Klimawandel, auf Migrati-onsfragen oder auf die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. So kann es uns gelingen, das Vertrauen zwischen Europa, seinen Institutionen und den Menschen wieder herzustellen, um die beispiellose historische Erfolgsgeschichte EU fortzuschreiben.

MArtin Schulz

Europa ist in Gefahr

Meinung

Martin Schulz, Präsident des europäischen Parlaments

Dr. Franz Vranitzky, österreichischer Bundes kanzler 1986–1997

nach 18 Jahren EU-Mitgliedschaft zeigen sich viele Erkenntnisse. Eine davon ist das Erscheinungsbild der österreichischen Abgeordneten im EU-Parlament. Ich beziehe mich

auf die Sozialdemokraten, die ÖVP-Leute und die Grünen. Bei meinen Besuchen in Brüssel und im Verlauf der Gespräche vermischt sich Bewundern mit Bedauern. Bewundern für ihre tief verwurzelten Kenntnisse über Gesetze, Zusammenhänge und politische Sensibilitäten sowie ihr persönliches Standing im komplizierten Gefüge der Europapolitik. Sie sind wer. Bedauern und Ernüchterung folgen zu Hause. Hier wird dies kaum erkannt oder hoch geschätzt. Der Großteil des Nationalrats betrachtet die „Europa-Kollegen“ durch die Transparenz einer Milchglasschei-be. Dass die Abgeordneten beachtliche europapolitische Reputationen vorweisen können – „na ja, bravo, ist schon gut“. Aber es geht nicht darum, eine Politikergruppe hoch leben zu lassen, sondern zu erkennen, dass sich Europa keinen riskanten Zustand erlauben darf. Vor 100 Jahren lebten auf der Erde 1,6 Mrd. Menschen. Heute sind wir sieben Milliarden! Der Wettlauf der großen Räume mit mehr als 500 Millionen Einwohnern und der Menschenmassen tobt seit langem. Europa hätte gute Chancen, sich als Großmacht zu etablieren und im globalen Wettbewerb intellektuell, kulturell, ökonomisch und sozial erfolgreich zu sein. Ein von einigen lautstark propagierter Rückschritt in die nationalstaatliche Abkapselung muss von den traditio-nell staatstragenden Parteien – also Sozialdemokraten und Christdemokraten – offensiv in die Schranken gewiesen werden. Dazu müssten sie sich allerdings in ihren Ländern und europaweit besser aufstellen als zurzeit.

Dr. FrAnz VrAnitzky

Europas Chancen nutzen, nicht verspielen!

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ende Mai 2014 werden die Weichen für ein neues europa gestellt. Dann wählen mehr als 390 Millionen eu-Bürgerinnen

und Bürger ihre Interessensvertreter für die nächsten fünf Jahre. eine Legislaturperiode, die vieles verändern wird. Warum

es sinnvoll ist, von seinem Wahlrecht Gebrauch zu machen.

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Europa, die große Unbekannte. Es ist einfach, gegen „die EU“ zu wettern, sobald politisch

etwas anders läuft als erhofft. Was dabei im Allgemeinen gerne vergessen wird, sind die Annehm-lichkeiten, von denen Österreich als Teil eines gemeinsamen Europas profitiert. Und zwar alle Bürgerin-nen und Bürger. Die Abgeordneten des EU-Parlaments sind alles andere als untätig und setzen sich tagtäg-lich für die Anliegen der Menschen ein. Allerdings dringt nur sehr wenig davon in die Öffentlichkeit. Der Grund: Brüssel scheint zu weit weg, das Gefühl, dass wir alle Europa sind, ist in weiter Ferne. „Wir sind wir, Europa, das sind die anderen.“ Eine weit verbreitete Einstellung, die so nicht aufgeht. Denn Europa – das sind 507 Millionen Menschen. Acht Millio-nen davon leben in Österreich. Von 22. bis 25. Mai 2014 wird das EU-Parlament neu gewählt. Dann werden die Karten für die Zukunft neu gemischt. In Österreich wird am 25., traditionell am Sonntag, zur Urne gerufen. Wahlberechtigt sind 390 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Die Wahlbeteiligung lässt zu wünschen übrig: 2009 machten nur etwas mehr als 43 Prozent der Europäer von ihrem Stimmrecht Gebrauch, in Österreich waren es nur 42,4 Prozent. Dabei geht es um wichtige Weichenstellungen, die jeden Einzelnen betreffen. Europa, so wird propagiert, steckt in der Krise. Es ist an der Zeit, aufzuwa-chen und dringend notwendige Reformen durchzuführen.

Fraktion an – und verfügen somit nicht über Verbündete, die ihre Anliegen unterstützen. Dies schwächt die Position Österreichs in Europa. 168 Parteien sind im Parlament vertreten,

die sich in sieben Fraktionen zusammenschließen. 31 MEPs – Mitglieder des Europäischen Parlaments – sind fraktionslos. Österreich hat hier den höchsten Anteil. Diese „wilden“ Abgeordne-ten sitzen zwar im Parlament, bewir-ken aber de facto nichts. „Sie sind zwar nicht gratis dort, aber ohne wirkliche inhaltliche Gesetzge-bungstätigkeit“, bringt es SPÖ-Dele-gationsleiter Jörg Leichtfried auf den Punkt. Diese Abgeordneten können wenig bewegen, denn dafür braucht es Partner. Die gesetzliche Hauptar-beit des EU-Parlaments geschieht in

Demokratie, made in Europe

Fakten zum eu-ParlamentNach der Wahl umfasst das Europäi-sche Parlament 751 Mitglieder – 750 Abgeordnete und einen Präsidenten. Österreich wird dann mit 18 Sitzen vertreten sein, einer weniger als bisher. Die Abstimmung gegen Schweden um den zusätzlichen Parlamentssitz ging zugunsten des skandinavischen Landes aus. Österreich konnte nicht genug Mitstreiter auf seine Seite ziehen. Warum, liegt in der Struktur des EU-Parlaments begründet. Mehr als ein Viertel der gewählten österrei-chischen Vertreter gehören keiner »In der EU ist es wie in jeder Demokratie: Es

wird die Politik gemacht, die gewählt wird. Fraktionslose Abgeordnete sind politisch wirkungslos. Das schwächt Österreich.Jörg LEichtfriED

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Vom BIP der 28 Mitgliedstaaten

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in den haushalt der Mitgliedstaaten

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in den EU-haushalt

Vom EU-haushalt

6 % in die Verwaltung

94 %

zurück

zu den

Mitglied-

staaten

Nur 1 Prozent des Volkseinkommens (BiP) der 28 Mit glieder fließt in den EU-haushalt. Davon kommen 94 Prozent in form von investitionen wieder ins Land zurück.

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den 20 Ausschüssen. Darin sind Abgeordnete aller Parteien vertre-ten. Hier wird über Legislativvor-schläge beraten, die später zu Gesetzen werden. Die Ausschüsse sind öffentlich und werden via Livestream in ganz Europa übertra-gen – anders als im Nationalrat, wo die Ausschüsse nur selten einer breiten Öffentlichkeit zugänglich sind. Das EU-Parlament ist ein Arbeitsparlament. Entscheidungen werden nicht so sehr aufgrund von Partei- oder Fraktionszugehörigkeit („Klubzwang“) getroffen, sondern anhand von Interessen und Überzeugungen. Ein Miteinander ist unerlässlich, hier geht es um Sachpolitik. Um im Parlament zu Mehrheiten zu kommen, bedarf es Kompromisse. Auf europäischer Ebene arbeiten Sozialdemokraten mit den Liberalen, der EVP, den Grünen und den Linken zusammen. Die fraktionslosen österreichischen Abgeordneten haben hingegen

keine Aussicht auf Mehrheiten – sie gehören bezeichnender Weise nicht einmal der Fraktion der Rechten an.

PoPuläre mythen entzaubernEU-Gegner fordern den Ausstieg aus der Euro-Zone. Mit der Rückkehr zum „guten alten Schilling“ wären alle Probleme vom Tisch, meinen sie. Jedoch: Die Rechnung geht so nicht auf. Die langfristigen Folgen: Den Euro gäbe es auch ohne Österreich noch, das Land wäre aber starken Kursschwankungen ausge-setzt. Die Exporte, die 58 Prozent der österreichischen Wirtschaft ausmachen, würden einbrechen. Die volkswirtschaftlichen Schäden wären enorm: Verschuldung, Arbeitslosigkeit und damit sinken-der Wohlstand.Oft wird auch beklagt, dass „die EU“ alles reglementieren möchte. Prominentes und gerne zitiertes Beispiel dafür sind die Gurken. Tatsächlich gab es eine Vorschrift,

wie die Gurken gekrümmt sein dürfen, in Österreich bereits vor der EU. Seit 2009 ist die „Gurken-Ver-ordnung“ übrigens wieder außer Kraft – und Österreich entschied sich für eine Stimmenthaltung. Viel heiße Luft um etwas, das im Endeffekt dann doch egal erschien. Eine weitere, weit verbreitete Unwahrheit, die von Gegnern gerne angeführt wird: Die EU verschlinge Unsummen, ohne den Mitglieds-staaten effektiv etwas zu bringen. Die Wahrheit ist: Das EU-Budget schafft mit nur rund einem Hun-dertstel des Volkseinkommens (BIP – Bruttoinlandsprodukt) wichtige Wachstumsimpulse für Europa. Vom Bruttoinlandsprodukt der 28 Mitgliedstaaten fließt nur ein Prozent in den EU-Haushalt. Im Vergleich dazu werden 44 Prozent für den nationalen Staatshaushalt aufgewendet. Von dem einen Prozent kommen wiederum 94 Prozent in Form von EU-Förderun-

766 Abgeordnete vertreten 507 Millionen EU-Bürger. Nach der Wahl im Mai 2014 werden es 751 sein. Die S&D-Fraktion ist die zweitgrößte Gruppe und umfasst derzeit 194 Abgeordnete. Fünf davon sind aus Österreich.

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gen wieder ins Land zurück. Davon profitieren alle Mitglieder, nicht nur die sogenannten Nettoempfänger. Auch das Schreckgespenst, Bürger der neuen EU-Staaten würden den Arbeitsmarkt erschüttern, erwies sich als falsch. Tatsache ist viel-mehr, dass seit dem Beitritt Öster-reichs 1995 pro Jahr rund 14.000 Jobs zusätzlich geschaffen werden.

Ein ZwErg ohnE rEchtE?Ebenso beliebtes Vorurteil: „Bestim-men tun nur die Großen, das kleine Österreich hat ohnehin keine Rechte.“ Stimmt ebenso wenig wie das Gerücht, die EU sei ein Beam-ten-Wasserkopf. Denn für die 507 Millionen Europäerinnen und Europäer sind in den EU-Institutio-nen 40.000 Beamte aktiv. Vergli-chen mit beispielsweise Deutsch-land eine durchaus schlanke Struktur: Hier sind bundesweit 1,9 Millionen Beamte im Einsatz – mehr, als Wien Einwohner zählt. Was das Gewicht Österreichs innerhalb der EU angeht: In allen wichtigen Gremien sind österreichi-sche Vertreter präsent. Darüber hinaus verfügen kleinere Staaten proportional über mehr Abgeordne-te als die Big Five. Österreich hat derzeit 19, nach der Wahl 18 Abgeordnete, die die Interessen der acht Millionen Einwohner vertre-ten. Die 80 Millionen Deutschen werden derzeit von 99, nach der Wahl von 96 MEPs repräsentiert. Die große Zahl der fraktionslosen Abgeordneten – 26 Prozent – schwächt allerdings den Einfluss Österreichs innerhalb des EU-Parla-ments massiv.

SolidariSchES EuropaDas Europäische Parlament ist die einzige direkt wählbare EU-Instituti-on. Bei der Wahl 2014 wird es ein Novum geben: Erstmals seit Bestehen des Parlaments stellen die Fraktionen eigene Kandidaten für die Position des Kommissionspräsi-denten. Von Seiten der S&D-Frakti-on wird der Deutsche Martin Schulz

ins Rennen geschickt. Der Parla-mentspräsident ist Europäer durch und durch. Nachhaltiges Wachs-tum, die Schaffung von Arbeitsplät-zen, eine Wirtschaft, die den Mensch in den Mittelpunkt stellt – das sind die Dinge, die Europa heute und in Zukunft beschäftigen. Die Finanzmärkte bedürfen strengerer Kontrollen, um eine erneute Krise zu verhindern. Derzeit herrscht ein Wettbewerb des Unterbietens – zu Ungunsten der Arbeitnehmer, Kleinunternehmer und neuen Selbstständigen. Eine Gegenstrategie wäre, Lohndumping zu unterbinden und faire Mindestlöhne festzulegen. Eine weitere große Herausforderung ist der Klimawandel: Luftverschmut-zung und Naturkatastrophen machen nicht vor nationalen Grenzen Halt. Sicherheit, Konsu-mentenschutz, Gleichberechtigung, eine funktionierende Migrationspo-litik – es gibt noch viele offene Baustellen. Die S&D-Fraktion arbeitet daran, die Rechte des Einzelnen zu stärken und die Lebensbedingungen zu verbessern. Mitten drinnen statt nur dabei: die SPÖ-Europaabge ordneten. Sie sind federführend in vielen wichtigen Bereichen. Wofür sie sich einsetzen? Für eine Wirtschaft, in der nicht der Markt, sondern die Menschen im Mittelpunkt stehen. Für Gleichbe-rechtigung. Für die Rechte der Arbeitnehmer. Für Vielfalt und Bio statt gentechnisch veränderter Lebensmittel. Für Per spektiven für die Jugend. Für ein soziales Europa. Für all dies und vieles mehr stehen die Europaabgeordneten Karin Kadenbach, Josef Weidenholzer, Evelyn Regner, Jörg Leichtfried und Hannes Swoboda Tag für Tag ein.

»Eine Währungsunion kann nur dann stabil sein, wenn auch der Sozial- und Be-schäftigungsbereich Berücksichtigung findet.EvElyn REgnER

nicht nur auf politischer, auch auf intellektueller Ebene ist Europa ein Thema: So liefert Autor Robert Menasse mit seinem Werk „Der Europäische landbote. Die Wut der Bürger und der Friede Europas“ ein Plädoyer für die EU und räumt mit gängigen vorurtei-len wie dem fetten Beamtenappa-rat auf. Bei der Buchpräsentation im EU-Parlament Ende des vorjahres kamen vertreter aller pro-europäischen österreichischen Abgeordneten zusammen. Darunter auch SPÖ-Delegations-chef Jörg leichtfried, der betonte: „Wenn es uns nicht gelingt, das gemeinsame ganze stärker ins Blickfeld zu rücken, dann schadet der Kleingeist allen. Menasse bringt das auf den Punkt.“ Der Essay ist dem geist georg Büchners verpflichtet und fordert „die Erfindung einer neuen, einer nachhaltigen Demokratie“. nichts mehr und nichts weniger. Menasse setzt damit ein Zeichen – und lädt zum nachdenken ein.

Der Europäische landboteRobert Menasse

112 Seiten, Paul Zsonay Verlag 2012

ISBN-13: 978-3552056169

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Jeden Tag sterben ca. 130 Arten aus – für immer. Auch in Europa sind 25 Prozent der Fauna und

Flora bedroht, 4.000 Arten alleine in Österreich. Das wirkt sich nicht nur auf die Vielfalt und den biologi-schen Kreislauf aus. Laut einer UNO-Studie wird das weltweite Bruttoinlandsprodukt durch den Verlust an Arten jährlich um drei Prozent reduziert. Durch den Artenschwund gerät unsere Umwelt aus dem Gleichgewicht. Hungersnö-te, Klimawandel und Naturkatastro-phen führen zu Abwanderungen von Menschen und Tieren. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Pflanzen und Tiere unwiederbring-lich von der Bildfläche verschwin-den. Zuallererst aus ökologischen, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen brauchen wir eine vielfältige Natur“, betont Karin Kadenbach. Die SPÖ-Europaabge-ordnete ist im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesund-heit und Lebensmittelsicherheit im Europäischen Parlament aktiv. In der EU sind 42 Prozent der Säugetie-re, 43 Prozent der Vögel und 52 Prozent der Süßwasserfische von der Ausrottung bedroht. Höchste Zeit also, das europäische Bewusstsein zu stärken und dem Artensterben aktiv entgegenzutreten. Einen essentiellen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt von Wildpflanzen leisten die Bienen. Als drittwichtigstes Tier für die Ernäh-

rung der Menschen – ohne Bestäu-bung würden viele Pflanzen von der Erde verschwinden, und auch die Nahrungsmittelsicherheit wäre in Gefahr – gilt sie als absolut schüt-zenswert. Daher ist es unerlässlich, dem Bienensterben entgegenzutre-ten. Durch Pestizideinsatz in der Landwirtschaft wurde die Populati-on der Honigbiene drastisch verringert. Nun tritt EU-weit ein Gesetz in Kraft, welches den Einsatz von schädlichen Neonicotinoiden für zwei Jahre aussetzt. Ein wichti-ger Schritt; Karin Kadenbach würde allerdings ein absolutes, dauerhaftes Verbot dieser Pestizide begrüßen.

Biodiversität sichernDie EU-Parlamentarierin setzt sich an allen Fronten für die Erhaltung der Biodiversität ein. Ein aktuelles Thema: das Saatgut. Vielfalt zu erhalten und die Lebensmittelsi-cherheit zu gewährleisten ist hier oberste Prämisse. Der Vorschlag der Kommission für eine neue EU-Saat-gutverordnung spielt vor allem den Big Playern der Industrie in die Hän-de. Dabei muss im Interesse der Bürgerinnen und Bürger auch der Fortbestand von nicht-industriellen Vielfaltssorten von Gemüse, Getreide und Obst gewährleistet sein, ohne langfristige, kosteninten-sive Bewilligungsverfahren. „Konsu-mentinnen und Konsumenten wollen Vielfalt; eine nachhaltige Landwirtschaft braucht sie!

Bio diversität ist keine Liebhaberei, sondern politische Notwendigkeit. Es geht um Generationengerechtig-keit und um die Zukunft unseres Planeten“, betont Kadenbach.

natura 2000Das wichtigste Instrument auf EU-Ebene zum Schutz der biologi-schen Vielfalt und der Ökosysteme ist „Natura 2000“. Diese Schutzzo-nen wurden als Biotope für gefähr-dete Arten im Rahmen der Habitat-Richtlinie geschaffen. Das europaweite Netz an Schutzgebieten soll die natürlichen Lebensräume und die Artenvielfalt auch für nachfolgende Generationen sichern. In Österreich gibt es mehr als 200 Natura 2000-Gebiete. Der Truppen-übungsplatz Allentsteig zählt ebenso dazu wie das Vogelschutzgebiet am Neusiedler See. Seit mehr als 20 Jahren erhalten Länder im Rahmen

Hoffnungskeim für ArtenschutzArten- und Klimaschutz sind ein ressort- und länder-übergreifendes Thema. Nur gemeinsam kann die Viel-falt an Tieren und Pflanzen für die nächsten Generati-onen gesichert werden. Es ist höchste Zeit, zu handeln.

Es ist an der Zeit, Biodiversität und Klimaschutz gemeinsam zu denken.

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»von LIFE, dem EU-Programm für Umwelt- und Klimapolitik, finanzi-elle Unterstützung für Artenschutz- und Umweltprojekte. Dank LIFE werden in Österreich eine Vielzahl an Maßnahmen gesetzt, wie beispielsweise die Schaffung natürlicher Lebensräume an Traisen und Ybbs. Kürzlich wurde im EU-Parlament eine Erhöhung des LIFE-Budgets auf 3,1 Milliarden Euro beschlossen. „Mit sozialdemo-kratischer Verhandlungsführung konnten wir mehr Geld für Luft, Wasser und Natur erreichen“, freut sich Kadenbach. LIFE unterstützt Umweltprojekte, die bis 2020 durch-geführt werden.Karin Kadenbach ist Schattenbericht-erstatterin in Sachen Saatgutverord-nung und dafür im Umwelt- und im Agrarausschuss aktiv. Ihre Kerngebie-te: Umwelt, Gesundheit und die Bewahrung von Regionalität.

Warum ist Artenschutz für Sie von so großer Bedeutung? n Vielfach herrscht die Meinung, bei Artenschutz gehe es nur darum, ein paar Pflanzen und Tiere zu retten. Dabei gibt es Berech-nungen, die Milliardenschäden für Volkswirtschaften prognostizieren, wenn das Artensterben weitergeht. Werden die Ökosysteme zerstört, dann erodieren Böden, der natürliche Lawinen- und Hochwasserschutz fehlt. All das muss man dann mit großem Aufwand künstlich wiederherstellen.

Leidet der Umweltschutz in Zeiten der Krise?n Es ist momentan schwieriger geworden, die politisch Verantwortli-chen davon zu überzeugen, Geld in den Klima- und Umweltschutz zu investieren. Die Klimakonferenz in Warschau hat gezeigt, dass man lediglich zu vagen Übereinkünften gelangt ist. Dabei bietet der Umwelt- und Klimaschutz auch eine Chance, die Wirtschaft wieder zu beleben und neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Was kann man tun, um die Landwirtschaft ökologischer zu gestalten?n Es gibt viele engagierte Bauern, die biologisch wirtschaften und aktiv zum Umweltschutz beitragen. Diese brauchen aber noch mehr Unterstützung. Bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ab 2014 hätte ich mir erwartet, dass der Umweltschutz einen höheren Stellen-wert erhält. Leider wurden aber aufgrund der konservativen Mehrheits-verhältnisse kaum Verbessserungen erzielt, die industriellen landwirt-schaftlichen Betriebe werden auch in Zukunft überproportional vom Fördersystem profitieren.

Artenschutz ist keine Wohltätigkeits-veranstaltung für ein paar ‚Pflanzerl‘ und ‚Viecherl‘, die vom Aussterben bedroht sind.Karin Kadenbach

es ist an der Zeit, biodiversität und Klimaschutz gemeinsam zu denken.

E-Mail: [email protected]. Brüssel: +32 (0)2 28-45475Tel. Korneuburg: +43 (0)2262 64973Internet: www.karinkadenbach.at

3 Fragen anKarin Kadenbach

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Das drohende Schreckge-spenst, früher als Science Fiction abgetan, ist seit

langem Realität: Der gläserne Mensch, ohne Privatsphäre, 24 Stunden überwacht, ohne es zu bemerken. Der Feind liegt oft auf dem Nachtkästchen und wurde selbst ins Haus geholt. Seit dem NSA-Skandal ist es erschreckende Gewissheit: Wir alle werden überwacht. Und all jene Informatio-nen, die wir mehr oder weniger freiwillig in Social Networks, Online-Shops und anderen Plattfor-men preisgeben, speichern fleißige Geheimdienste für die Ewigkeit. Das ist der Status quo. Sind die Bürgerinnen und Bürger dem hilf- und schutzlos ausgeliefert? „Nein“, sagt Josef Weidenholzer, SPÖ-Abge-ordneter im Europäischen Parla-ment. Gegen eine Überwachung müsse man sich wehren, die Verantwortlichen zu Konsequenzen zwingen. Fakt ist: Wir alle hinterlas-sen digitale Spuren. Diese geben Aufschluss über unsere Lebenssitua-tion, den Beziehungsstatus, Vorlie-ben und Schwächen. Interesse daran haben nicht nur Unternehmen wie Google, die diese Daten zu Geld machen. Derzeit gelten in allen 28 EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche nationale Gesetze zum Schutz der persönlichen Daten ihrer Bürger. Diese variieren im Grad ihrer Sicherheit und Strenge. Ziel ist eine einheitliche Verordnung für den gesamten EU-Raum. Die derzeit gültige EU-Datenschutzrichtlinie

datiert auf das Jahr 1995 – eine Ära vor Facebook, Google und bevor das Internet in privaten Haushalten Einzug gehalten hat. Die neue Datenschutzverordnung wird – an-ders als die Richtlinie bisher – un-mittelbar in allen Mitgliedsstaaten verbindlich sein. Die Kernelemente sind eine breitere Definition der personenbezogenen Daten. Das bedeutet, dass auch pseudonymisier-te Daten, die auf die Personen Rückschlüsse zulassen, einbezogen sind. Dazu zählen auch IP-Adressen.

Strenge SanktionenPersönliche Informationen müssen vor dem Zugriff Unberechtigter

geschützt werden. Das Sammeln und die Weiterverwendung der Daten darf nur nach ausdrücklicher Zustimmung der betreffenden Person erfolgen. Auch die Löschung bereits weitergegebener Daten muss für jeden schnell und einfach möglich sein. Die Voraussetzungen dafür muss die Technik bereitstel-len. Jedoch: Wo kein Kläger, da kein Richter. Was es neben den strenge-ren Richtlinien zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger noch braucht, ist eine funktionierende Kontrollinstanz. Und die Möglich-keit, Strafen zu verhängen, damit diese nicht ein zahnloser Tiger bleibt. Vorgesehen sind Geldstrafen

Recht auf Privatsphäre – auch im Netz!NSA, Vorratsdatenspeicherung, ein reger Datenhandel – im Internetzeitalter verliert man schnell den Überblick, wo welche Daten angegeben wurden. Josef Weidenholzer setzt sich vehement für den Datenschutz ein. Mit Erfolg – die neue Datenschutzverordnung der EU verspricht Sicherheit des Privaten.

Dem Ausspionieren privater Daten muss ein Riegel vorgeschoben werden.

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von bis zu fünf Prozent des Jahres-umsatzes und 100 Millionen Euro für Unternehmen, die sich nicht an die Verordnung halten. „Damit stärken wir die Rechte des Individu-ums und stellen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in den Vordergrund“, erklärt Josef Weiden-holzer, der die Erhöhung der Strafen im EU-Parlament durchgesetzt hat. Eine zentrale Datenschutzbehörde soll als „One Stop Shop“ für die Überwachung der Einhaltung von Persönlichkeitsrechten federführend wirken. Vor allem Sozialdemokraten setzen sich dafür ein, dass trotz zunehmender Bedeutung des Internets die Grundrechte gewahrt bleiben.

Privates bleibt PrivatAuch für Arbeitnehmer sollen bessere Schutzmechanismen als bisher in Kraft treten: Personenbe-zogene Daten von Miterabeitern dürfen von Unternehmensseite nur noch nach deren Einwilligung weiter verwendet werden. Eine heimliche Überwachung, wie zuletzt wieder bei einer deutschen Diskon-terkette, ist klar verboten. Ange-sichts der jüngsten Skandale um die Vorratsdatenspeicherung und das Ausspionierens von Privatpersonen wird einmal mehr deutlich, wie wichtig eine einheitliche Gesetzge-bung zum Schutz der Bürger ist. Zur Wahrung der Menschenrechte und Sicherstellung der Gleichheit aller. Neben seiner Tätigkeit im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres ist Josef Weidenholzer maßgeblich in den Bereichen Binnenmarkt und Verbraucher-schutz, außenpolitische Beziehun-gen sowie im Sonderausschuss gegen organisiertes Verbrechen, Korruption und Geldwäsche tätig.

Welche Strategien verfolgt das EU-Parlament, um den Datenschutz sicherzustellen?n Datenschutz ist ein Grundrecht, das wir verteidigen und einklagen müssen. Bürger müssen selbst über persönliche Daten bestimmen können und jederzeit Auskunft über deren Verarbeitung erhalten. Da Datenaustausch grenzüberschreitend ist, muss der Schutz grenzüber-schreitend garantiert werden. Einen wichtigen Beitrag hat das EU-Parlament mit der Verabschiedung des Datenschutzpaketes geleistet.

Wie belastet der Spionageskandal die Beziehungen zu den USA?n Derzeit wird das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) verhandelt, hier können wir nur zu einem guten Ergebnis kommen, wenn die Vertrauensbasis stimmt. Ich möchte, dass noch vor Ende der Verhandlungen zum TTIP ein Datenschutzabkommen mit den USA ausgearbeitet wird. Die USA muss garantieren, dass derartige Spionage-aktivitäten in Zukunft ausgeschlossen werden. Gerade beim Austausch mit Drittstaaten müssen wir sicherstellen, dass europäische Daten nach europäischem Recht behandelt werden.

Warum braucht es eine neue Datenschutzverordnung?n Die alten Bestimmungen werden den aktuellen Anforderungen nicht gerecht, deshalb sind neue Regeln unumgänglich. Darüber hinaus wirkt ein strenger Datenschutz belebend auf die Wirtschaft, ein funktionierender Markt kann nur auf Vertrauen aufbauen. Studien belegen, dass die Menschen noch intensiver Onlineangebote nutzen würden, wenn sie sicher wären, dass ihre Daten nicht missbräuchlich verwendet werden. Ich habe daher durchgesetzt, dass Strafen bei Datenschutzverletzungen für Unternehmen massiv erhöht werden, denn Datenmissbrauch ist kein Kavaliersdelikt und muss sanktioniert werden.

Der Schutz privater Daten ist ein Grund-recht. Ich sehe mich hier als Anwalt der Bürgerinnen und Bürger.Josef Weidenholzer

e-Mail: [email protected]. brüssel: +32 (0)2 28-45473tel. linz: +43 (0)660 772 62 20internet: www.weidenholzer.eu

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Österreich ist ein Transitland. Fast sechs Millionen LKW queren jährlich die Alpen,

die Nord-Süd-Achse über den Brenner ist mit fast 5.000 LKW täglich die meist befahrene Transit-route. Österreich ist aber auch eine Bergregion, mit entsprechenden Straßenverhältnissen. Auf den tausende Kilometer langen High-ways in den USA gehören sie zum Straßenbild. Auch in manchen EU-Ländern sind die Riesen-LKW innerhalb der Landesgrenzen bereits unterwegs. Nun soll, geht es nach der Europäischen Kommission, der grenzüberschreitende Verkehr erlaubt werden. Befürworter der Gigaliner oder Megatrucks, wie sie auch genannt werden, sprechen von

einer enormen Kostenersparnis und Effizienzsteigerung – und auch von weniger Umweltbelastung und CO2-Emissionen. Der Haken daran: Wird der LKW-Transport günstiger, verschiebt sich der Verkehr von Schiene und Wasserstraßen wieder vermehrt auf die Straße. Die auf den ersten Blick schöne Rechnung geht somit nicht auf: Mehr LKW bedeuten eine drastische Mehrbelas-tung der Umwelt. Dazu kommt die fehlende Infrastruktur: Was in Skandinavien aufgrund der langen, geraden Strecken funktioniert, wird auf gebirgigen, kurvenreichen Straßen zur Gefahr. Jörg Leichtfried ist Berichterstatter des EU-Parla-ments für das Dossier Gigaliner. Der Delegationsleiter der österreichi-

schen SPÖ-Abgeordneten im EU-Parlament spricht sich vehe-ment gegen den grenzüberschrei-tenden Einsatz der Riesen-LKW aus. Neben der hohen Umweltbelastung würden diese auch immense volkswirtschaftliche Kosten nach sich ziehen. Alleine: Die Gebirgsau-tobahnen mit zig Tunnel – zum Teil einspurig – und den zahlreichen Brücken sind nicht auf die 25 Meter langen, bis zu 60 Tonnen schweren Gefährte ausgelegt. Auch die Sanierungsintervalle der Straßen würden sich durch die Mehrbelas-tung verkürzen.

Sicherheit in GefahrEin wesentlicher Grund gegen die Monstertrucks: Die Verkehrssicher-heit auf Österreichs Straßen würde drastisch abnehmen, ein Anstieg der Verkehrstoten steht zu befürchten. Der Bremsweg wird durch das hohe Gewicht deutlich verlängert, auch Pannenstreifen und Autobahnpark-plätze sind nicht für die giganti-schen Maße geeignet. In Schweden, das ansonsten gerne als Vorzeigebei-spiel genannt wird, zeigen sich die negativen Auswirkungen seit der Zulassung von Gigalinern auf den Schienenverkehr deutlich. Dort sind seit den 1970er Jahren Monster-trucks unterwegs. Binnen kurzer Zeit nahmen Schwertransporte auf

Schiene statt GigalinerRiesen-LKW, die sich über Österreichs Berge wälzen – sieht so die Zukunft des Verkehrs aus? Nicht, wenn es nach Jörg Leichtfried, Chefverhandler des Verkehrsaus-schusses geht. Die Position der S&D-Fraktion ist klar: Nein zu Gigalinern quer durch Europa.

25 Meter lang, 60 Tonnen schwer: Österreichs Straßen sind nicht für die riesigen Monstertrucks ausgelegt. Auch die Verkehrs­sicherheit würde leiden.

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der Straße um mehr als zehn Prozent zu. Experten warnen davor, dass in Österreich sogar bis zu 40 Prozent des Güterverkehrs über Nacht von der Schiene auf die Straße verlagert werden würde. Diese Entwicklung steht im krassen Gegensatz zu den im „Weißbuch Verkehr“ der EU festgelegten Zielen: In diesem wurde vereinbart, dass 30 Prozent des Straßengüterverkehrs über 300 km bis 2030 auf Eisen-bahn- oder Schiffsverkehr verlagert werden soll, mehr als 50 Prozent bis 2050. Ein nachhaltiges und ökologi-sches Konzept, das nun durch die Gigaliner massiv bedroht ist. Statt in die Straße gilt es, in effiziente umweltfreundliche Güterverkehrs-korridore zu investieren.

Öko-Soziale Verantwortung„Der Einsatz der Monster-LKW bringt weder für die Umwelt, noch für die Bürgerinnen und Bürger, die hohe Folgekosten zu tragen hätten, Vorteile“, sagt Leichtfried. Zu den Aspekten Sicherheit und Kosten kommt noch die hohe zusätzliche Belastung in den Bergregionen, wo sich Schadstoffe länger halten. „Als Sozialdemokrat lehne ich alle Vorschläge ab, die die Straßensi-cherheit gefährden, die Umwelt schädigen oder zu extremen Kosten und Umbauten im Verkehrsbereich führen“, betont der Delegationslei-ter. Der Weg in die Zukunft muss über Schiene und Wasser führen, eine Verlagerung auf die Straße wäre ein massiver Rückschritt. Jörg Leichtfried ist Delegationsleiter der österreichischen SPÖ-Abgeord-neten im EU-Parlament. Der Steirer ist Mitglied im Verkehrsausschuss und in den Bereichen Internationa-ler Handel, Menschenrechte und Auswärtige Angelegenheiten aktiv.

Welche Auswirkungen hätte eine Zulassung der Gigaliner auf Österreich? n Österreichs Straßen sind nicht für Gigaliner gerüstet. Neben Milliardenkosten, die die Einführung verursachen würde, geht man davon aus, dass das Risiko im Straßenverkehr erhöht wird. Das Überholen dauert für PKW-Lenker länger und wird gefährlicher und auch der Verkehrsfluss wird beeinträchtigt. Ebenso wird der Transport auf der Schiene abnehmen, was zu einer höheren Lärm- und Abgasbe-lastung führt.

Welche Kosten kommen auf Österreich zu, wenn diese Gigaliner erlaubt werden?n Die ASFINAG rechnet damit, dass rund 5,4 Milliarden Euro in Österreichs Straßennetz investiert werden müssten, um es für die 60 Tonnen schweren Megatrucks aufzurüsten. Brücken und Tunnel, die in Österreich einen überproportional hohen Anteil von 15 Prozent des hochrangigen Straßennetzes ausmachen, müssten speziell verstärkt bzw. adaptiert werden. Dieses Geld könnten wir sinnvoller einsetzen.

Schiene oder Straße – wem gehört ihrer Meinung nach die Zukunft?n Die EU hat sich im Weißbuch Verkehr zu einer umweltfreundli-chen Verkehrspolitik verpflichtet und diese ist nur mit einem Ausbau der Schiene zu erreichen. Mit dem Ausbau der Transeuropäischen Netze wird es gelingen, die Bahnverbindungen quer durch Europa zu verbessern. Der Vorschlag zu den Gigalinern geht allerdings in die falsche Richtung, hier wendet sich die Kommission von ihren selbstge-setzten Zielen ab.

Der Einsatz der Monster-LKW bringt weder für die Um-welt noch für die Bürgerinnen und Bürger, die hohe Folgekosten zu tragen hätten, Vorteile.jörg leichtfried

e-Mail: [email protected]. Brüssel: +32 (0)2 28-45436tel. Bruck/Mur: +43 (0)3862 51492-15internet: www.joerg-leichtfried.at

3 fragen anJörg Leichtfried

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Angesichts der aktuellen Arbeitslosenstatistiken in Europa schrillen die Alarm-

glocken: Mehr als fünf Millionen Jugendliche sind derzeit ohne Job. Spitzenreiter im negativen Sinn ist Griechenland mit mehr als 60 Prozent, in Italien sind rund 40 Prozent der jungen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren ohne Arbeit. Österreich wirkt im Ver-gleich dazu mit knapp neun Prozent wie eine Insel der Seligen. Eine Jugend ohne Perspektiven – das kann nicht im Sinne einer nachhal-tigen, sozial gerechten Politik sein.Fehlt es den Jungen an Arbeit, kann

auch der Generationenvertrag nicht aufgehen. Klingt logisch, ist aber noch nicht überall angekommen. Dabei kosten arbeitslose Jugendliche dem Sozialstaat wesentlich mehr Geld als nötig wäre, um ihnen eine adäquate, zukunftsträchtige Ausbildung zu garantieren. Neben den hohen Kosten für soziale Unterstützung fehlt ihr Einkommen nämlich auch der nachfolgenden Generation. Lange wurde gezögert, um wirksame Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Jetzt ist es endlich soweit – nach monatelan-gem Verhandeln wurde die Umset-zung von den EU-Staats- und

Regierungschefs im November beschlossen.

Garantie für die ZukunftDie sogenannte „Jugendgarantie“ sieht vor, dass arbeitslose Jugendli-che binnen vier Monaten einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz erhalten. Treibende Kraft dafür war das sozialdemokratische Lager. „Zur Jugendbeschäftigung konnte ich als Chefverhandlerin unserer Fraktion viele Ideen durchsetzen, die den Jugendlichen in Europa wirklich helfen können, in Zukunft gute Jobs zu bekommen. Zum Beispiel brauchen wir Qualitätsstandards für Praktika und Lehren“, fordert SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner. Ihr gehen die angedachten Maßnahmen noch nicht weit genug. „Wir müssen die Arbeitslo-sigkeit mindestens so ernst nehmen wie das Defizit“, betont die EU-Parlamentarierin. Die Jugendbe-schäftigungsgarantie sollte mindes-tens so rasch umgesetzt werden wie die Bankenrettung. Für Maßnahmen zur Jugendbeschäftigung sind sechs Milliarden Euro aus dem EU-Haus-haltsbudget vorgesehen. Viel zu wenig, geht es nach der sozialdemo-kratischen Fraktion. Um die Jobgarantie für die Jugend effektiv umsetzen zu können, wären alleine in der Euro-Zone 21 Milliarden Euro (dies entspricht 0,22 % des EU-BIP)nötig, mehr als dreimal soviel wie das veranschlagte Budget. Im Vergleich dazu entstehen den EU-Ländern derzeit mehr als 150

Chancen für Europas JugendKeine Arbeit, keine Ausbildung, keine Zukunft. Die EU kämpft gegen eine Rekordarbeitslosigkeit der Jugend. Die Förderung für die Jugendgarantie muss aber noch weiter gehen, ist SP-Abgeordnete Evelyn Regner überzeugt.

Die Jugendgarantie wird nun europaweit umgesetzt.

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Milliarden Euro pro Jahr an volkswirtschaftlichen Kosten durch die hohe Jugendarbeitslosigkeit. „Die rigide Sparpolitik schadet der Jugend. Für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in Europa ist mehr Geld erforderlich“, betont Regner. Die Chefverhandlerin der sozialdemokratischen Fraktion zu Jugendbeschäftigung fordert daher ein Investitionspaket in Höhe von zwei Prozent des BIP. Ein Kurswech-sel sei nötig, um die hohe Arbeitslo-sigkeit erfolgreich einzudämmen.In Österreich ist die „Jugendgaran-tie“ bereits in Kraft. Binnen der kommenden zwei Jahre soll sie EU-weit umgesetzt werden. FAIRE PRAKTIKADer gängigen Methode, qualifi zierte junge Menschen nach Abschluss ihrer Ausbildung mit monatelan-gen, unbezahlten Praktika hinzuhal-ten, um „Praxis zu sammeln“, soll ebenso ein Ende gemacht werden. Klare Qualitätsstandards für Praktika und Lehre sind genauso nötig wie eine faire Bezahlung der Leistung. „Es ist nicht akzeptabel, dass Unternehmen junge Menschen gratis mit Praktika abspeisen, anstatt ihnen anständige Arbeit zu geben“, sagt Regner.Evelyn Regner, die Gewerkschafterin unter den österreichischen EU-Parla-mentariern, hat ihren Schwerpunkt innerhalb des Europäischen Parla-ments in den Bereichen Beschäfti-gungspolitik, Rechts- und Wirt-schaftsfragen. Als Vizepräsidentin des Rechtsausschusses sowie in den Ausschüssen für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten und jenem für konstitutionelle Fragen setzt sie sich besonders für die Rechte und Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein.

Wie wichtig ist das Thema Jugendbeschäftigung in der EU-Politik? ■ Wir Sozialdemokraten haben uns seit Anbeginn der Krise für die beschäftigungslosen Jugendlichen eingesetzt und Taten eingefordert, um den jungen Menschen eine Perspektive zu geben. Nun haben sich die Staats- und Regierungschefs auf die Umsetzung der Jugendgarantie in den kommenden zwei Jahren geeinigt. Neue Finanzierungszusagen oder weitere Instrumente wurden leider bisher nicht beschlossen. So wichtig die Jugendgarantie ist, der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit muss noch intensiver geführt werden.

Welche Maßnahmen müssen noch getroffen werden, damit es zu einer Trendwende am Arbeitsmarkt kommt?■ Die Wirtschafts- und Währungsunion braucht endlich eine verbindliche soziale Dimension. Maßnahmen, die gesetzt werden, um die Budgets zu stabilisieren, dürfen nicht dazu beitragen, dass dadurch Arbeitslosigkeit oder Armut erhöht werden. In den vergangenen Jahren war der Spardruck zu hoch und dadurch wurde die soziale Situation verschärft. Europa wird sich nicht nachhaltig erholen können, wenn es nicht gelingt, die soziale Kluft zu verringern.

Frauen sind noch immer im Berufsleben benachteiligt. Wie können hier Verbesserungen erzielt werden?■ Das EU-Parlament hat gemeinsam mit der Kommission Regelungen für einen transparenten Auswahlprozess bei der Besetzung von Aufsichts-räten beschlossen. Ziel ist, dass im Jahr 2020 40 % der Aufsichtsräte weiblich sind, derzeit sind es 16,6 %. Solche Veränderungen schlagen sich auch auf die Unternehmenskultur durch. Mehr Frauen in Spitzenpo-sitionen werden dazu beitragen, dass anderen Frauen der Aufstieg nicht verwehrt und den Bedürfnissen der weiblichen Angestellten wie etwa die Vereinbarkeit von Beruf und Familie Rechnung getragen wird.

Wir müssen Jugend-arbeitslosigkeit eben-so ernst nehmen wie die des Budgetdefi zit eines Landes.EVELYN REGNER

E-Mail: [email protected]. Brüssel: +32 (0)2 28-45476Tel. Wien: +43 (0)1 53444-39625Internet: www.evelyn-regner.at

3 FRAGEN ANEvelyn Regner

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Wir alle sind Europa – und wir alle müssen die Zukunft aktiv mitgestal-

ten. So subtil diese Botschaft klingen mag, in den Köpfen der meisten Europäer ist sie noch nicht verankert. Die Politverdrossenheit steigt, Protestparteien ohne reelle Lösungsvorschläge gewinnen zunehmend an Wählerstimmen. Ein Europa in der finanziellen und ökonomischen Krise, die immer stärker soziale Bereiche betrifft und den Kontinent vor Probleme wie die Bankenkrise, Griechenlandpleite, Rekord-Arbeitslosigkeit und

wachsenden Fremdenhass stellt. In schwierigen Zeiten suchen die Menschen einen Schuldigen – und „die EU und Brüssel“ sind dankbare Zielscheiben. Um Europa für seine Bürgerinnen und Bürger greifbarer zu machen und aufzuzeigen, was die Europäische Union für die Bevölkerung bewirkt, tourt die S&D-Fraktion durch Europa. „Relaunching Europe“, zu Deutsch „Ein Neustart für Europa“, heißt die Veranstaltungsreihe, die bisher unter anderem in Nottingham, Split und Hamburg mit unterschiedli-chen thematischen Schwerpunkten

Station gemacht hat. „Mit Relaunching Europe wollen wir einen breiten Diskussionspro-zess starten und die Zukunft skizzieren, die wir uns für Europa und seine Bürgerinnen und Bürger wünschen“, sagt Hannes Swoboda, Vorsitzender der Sozialdemokrati-schen Fraktion im EU-Parlament. „Wir wollen eine Alternative zu Sparpolitik und Sozialabbau entwickeln und einen Neustart für Europa, bei dem die Anliegen der Menschen im Zentrum stehen.“ Hinter der Initiative „Relaunching Europe“ steckt die Idee, Bürger,

Gemeinsam in die Zukunft: Neustart für EuropaDas Europäische Projekt bedarf dringend einer Frischzellenkur. Das ist auch den Euro-päischen Sozialdemokraten bewusst. Hier setzt man auf Ziele und Visionen statt auf altbekannte Parolen. Alle Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, die sozialdemokra-tische Fraktion auf diesem Weg zu begleiten und sich einzubringen.

Mit der Veranstaltungsreihe „Relaunching Europe“ setzen die

Europäischen Sozialdemokraten ein Zeichen. Das Interesse seitens der Bürger ist groß.

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Politker, Meinungsbildner und Wissenschaftler sowie Persönlich-keiten aus kulturellen und sozialen Organisationen zusammenzubrin-gen, um gemeinsam über Zukunfts-visionen für Europa zu diskutieren.

FAIRNESS uNd WACHSTuMDie Kursrichtung für die Zukunft lautet: Raus aus der Krise mit Wachstum, neuen Jobs und einer nachhaltigen Wirtschaft zu einem starken Europa. Die Progressive Allianz der Sozialisten und Demo-kraten, so die offizielle Bezeichnung der S&D-Fraktion, hat konkrete Vorstellungen für ein besseres, sozialeres Europa für alle. Weg von einer von den konservativen Kräften vorgegebenen harten Sparpolitik, die Europa in die Arbeitslosigkeit und wirtschaftliche Stagnation führt, hin zu einer alternativen Strategie, die Schulden schrittweise abbaut, und einer EU, die eine starke Rolle in der Bewahrung solider öffentlicher Finanzen spielt, indem sie Wachstum und Beschäfti-gung fördert und Steuerhinterzie-

Ein europäischer Spitzenpolitiker zum Anfassen: Hannes Swoboda, Präsident der S&D-Fraktion, erklärte und diskutierte mit den Teilnehmern.

hung bekämpft. Swoboda: „Jedes Jahr gehen uns in Europa 1.000 Milliarden Euro aufgrund von Steuerhinterziehung und Schlupflö-chern verloren. Das entspricht dem gesamten EU-Budget von sieben Jahren.“ Die Vision der Europäi-schen Sozialdemokraten sieht eine Reform und Regulierung eines dysfunktionalen und eigennützigen Finanzsektors sowie ein Ende sozialer Ungerechtigkeiten vor. Dass es der S&D-Fraktion damit ernst ist, konnte sie bereits mit ihrer klaren Position zu einer Finanztransakti-onssteuer, der Kampagne rund um die Europäische Jugendgarantie und den Bericht im EU-Parlament für eine bessere Regulierung des Finanzsektors unter Beweis stellen.

RE-INduSTRIALISIERuNGIn der Linzer Tabakfabrik, wo „Relaunching Europe“ ebenfalls Station machte, standen die Diskussionen unter dem Leitgedan-ken „Jobs durch Industrie, Innovati-on, Kunst und Kultur“. Obwohl die Industrie in der EU ein Drittel der

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Was braucht es, damit die allgemeine Stimmung wieder pro-europäisch wird? n Die EU muss endlich Lösungen für die drängenden Fragen wie die steigende Arbeitslosigkeit und die zunehmende Armut finden. Wir müssen damit aufhören, uns in Kleinregulierungen zu verlieren, das frustriert die Menschen. Und wir brauchen eine klare Sprache, wenn wir Maßnahmen kommunizieren.

Welche Reformen sind jetzt notwendig, damit Europa handlungsfähig bleibt?n In der Krise hat sich gezeigt, dass die Entscheidungsmechanismen der EU nur mäßig erfolgreich sind. Die Regierungschefs im Rat verfolgen oftmals nationale Interessen und verlieren dann das Gesamte aus den Augen. Daher braucht es eine Aufwertung des EU-Parlaments. Ebenso würde ich mir wünschen, dass das Amt des Kommissionspräsi-denten und des Ratspräsidenten vereint wird. Dieser könnte dann auch direkt gewählt werden.

Regionalität und EU – wie passt das zusammen?n Mehr Europa bedeutet nicht automatisch einen Abbau des Einflusses der nationalen und regionalen Ebene. Vielmehr geht es um eine bessere Kompetenzverteilung. Dort wo wir Europa brauchen, wie etwa beim gemeinsamen Klimaschutz und bei wichtigen wirtschafts-politischen Weichenstellungen, soll auch auf EU-Ebene entschieden werden. Andere Probleme können national oder regional viel besser gelöst werden.

Wir wollen einen Neustart für Europa, bei dem die Anliegen der Menschen im Zentrum stehen. Eine Alternative zu Sparpolitik und Sozialabbau.Hannes swoboda

E-Mail: [email protected]. Brüssel: +32 (0)2 28-47716 Tel. Wien: +43 (0)1 40110-3610Internet: www.hannes-swoboda.at

3 Fragen anHannes Swoboda

nottingham, Linz, Triest, Helsinki, Kosice – zwei Jahre lang tourt relaunching europe durch die Mitgliedstaaten.

Jobs stellt – und sogar noch mehr, da auf jeden Job in der Industrie rund zwei Arbeitsplätze in einer anderen Branche folgen – wurde der Sektor in vielen Ländern lange Zeit vernachlässigt. Die Sozialdemokra-ten haben das Potenzial der europäischen Industrie und den Wert der Innovationskraft der Arbeiter erkannt. Mit einem Bericht zur Industriepolitik, der die Bedeu-tung der Produktion für Arbeitsplät-ze und eine sichere Wirtschaft hervorhebt, einer starken Energieef-fizienzrichtlinie und dem Einsatz für ein bindendes Ziel von 20 % erneuerbare Energien bis 2020 soll die Re-Industrialisierung Europas eingeleitet werden.

EIn EUROPA DER BÜRGERIm Europäischen Jahr der Bürgerin-nen und Bürger geht es auch um Bürgerrechte. Diese sind das Herzstück des Europäischen Projekts. Die Botschaft der Europäi-schen Sozialdemokraten ist klar: Sie wollen ein tolerantes Europa, welches sich durch Solidarität und Beschäftigung auszeichnet und die Grundrechte verteidigt Die Vision: Ein soziales Europa für alle!

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Ein Blick hinter die Kulissen des EU-Parlaments: Das Buch „Im Maschinenraum Europas“ von

Heike Hausensteiner zeigt den Alltag der Europa-Parlamentarier. Und hilft dabei, die große Unbe-kannte „EU“ besser zu verstehen.Was machen „die in Brüssel“ überhaupt den ganzen Tag? Wird dort gearbeitet? Viele Bürgerinnen und Bürger haben wenig Einblick in das, was in der belgischen Haupt-stadt und im französischen Straß-burg, dem eigentlichen Sitz des Europäischen Parlaments, wirklich passiert. Heike Hausensteiner, österreichische Autorin und Journalistin, hat die fünf österrei-chischen SPÖ-Abgeordneten mehrere Wochen lang begleitet. Ihr Resümee liegt nun in gedruckter Form vor. Das Buch „Im Maschi-nenraum Europas“, erschienen im Czernin-Verlag, ist ab sofort im gut sortierten Buchhandel erhältlich.

EUROPÄER AUS ÜBERZEUGUNGWer sind die Menschen, die fern der eigentlichen Heimat für Europa werken? Warum sind sie im EU-Parlament gelandet? Hausenstei-ner führte mit allen fünf Persönlich-keiten – dem Steirer Jörg Leichtfried, der Wiener Gewerkschafterin Evelyn Regner, der Niederösterreicherin Karin Kadenbach, dem Wiener Hannes Swoboda und dem Oberös-terreicher Josef „Joe“ Weidenholzer – lange Gespräche. Über ihre Arbeit, ihren Zugang zu politischen Inhalten und darüber, wofür sie „brennen“. Das Resultat ist ein

In der Schaltzentraleder Europäischen UnionHeike Hausensteiner präsentiert in ihrem Buch einen Blick hinter die Kulissen des Europäischen Parlaments. Sie zeigt den Alltag zwischen Österreich, Brüssel und Straßburg, Ausschüssen, Anfragen und Vorurteilen. Und die Menschen dahinter.

lehrreiches und kurzweiliges Buch, das informiert, ohne als trockene Polit-Fibel daherzukommen. Ausführliche Interviews mit den Parlamentariern, aber auch mit Menschen, die ihnen kritisch gegenüberstehen, Facts zu den gängigen Mythen und ein Abriss über die Geschichte der EU geben Einblick in die bewegte EU-Politik. Abgerundet durch ein ausführliches Glossar über die gängigen EU-Kürzel und Institutionen, hilft es dabei, das große Mysterium Europäische Union besser zu verstehen. Das EU-Parlament funktioniert aufgrund aktiver Zusammenarbeit und ausgewogener Kompromisse. Wer etwas bewirken möchte, braucht Mehrheiten – und die sind bei insgesamt 766 Abgeordneten nicht nur in den eigenen Reihen zu fi nden. Das Europäische Parlament ist Bürgervertreter, Legislativ- und Kontrollorgan. Und die einzige EU-Institution, die direkt von allen EU-Bürgern gewählt werden kann. Ein Grund, sich dafür zu interessie-ren – und nicht nur bei jeder Gelegenheit unrefl ektiert auf „die EU“ zu schimpfen. Ohne Europa wäre vieles anders – meist zum Schlechteren. Sich für das ungelieb-te Stiefkind EU ins Zeug zu legen erfordert eine gewaltige Portion Idealismus und Zähheit. Ein bestimmter Typ Mensch ist gefragt – Hausensteiner zeigt uns diese Persönlichkeiten mit ihren Ecken und Kanten. Unterschiedliche Charaktere, denen eines gemein ist: Im Herzen sind sie Europäer.

Im Maschinenraum Europas –Die österreichische Sozialdemokratie im Europäischen Parlament

Heike Hausensteiner

168 Seiten, Czernin-Verlag 2013

ISBN 978-3-7076-0482-5

Die Abgeordneten der österreichischen SP-Delegation im EU-Parlament (v.l.): Josef Weidenholzer, Evelyn Regner, Jörg Leichtfried, Hannes Swoboda und Karin Kadenbach.

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,,Jede einzelne der europäischen Nationen wird 2050 nur noch einen Bruchteil von 1 Prozent der Welt be völkerung ausmachen. Das heißt: Wenn wir die Hoffnung haben wollen, dass wir Europäer eine Bedeutung für die Welt haben, dann können wir das nur gemeinsam. Denn als einzelne Staaten – ob Frankreich, Italien, Deutschland oder ob Polen, Holland oder Dänemark oder Griechenland – kann man uns am Ende nicht mehr in Prozentzahlen, sondern nur noch in Promillezahlen messen.

Eine Isolation innerhalb des Westens wäre gefährlich. Eine Isolation innerhalb der Europäischen Union oder des Euro-Raumes wäre hoch gefährlich.

Wenn die Europäer den Mut und die Kraft zu einer durchgreifenden Finanzmarkt-Regulierung aufbringen, dann können wir auf mittlere Sicht zu einer Zone der Stabilität werden. Wenn wir aber hier versagen, dann wird das Gewicht Europas weiter abnehmen – und die Welt entwickelt sich in Richtung auf ein Duumvirat zwischen Washington und Peking.

Wer da glaubt, Europa könne durch Haushaltseinsparungen allein gesund werden, der möge gefälligst die schicksalhafte Wirkung von Heinrich Brünings Deflationspolitik 1930/32 studieren. Sie hat eine Depression und ein unerträgliches Ausmaß an Arbeitslosigkeit ausgelöst und damit den Untergang der ersten deutschen Demokratie eingeleitet.

Gewiss wird Europa auch im 21. Jahrhundert aus Nationalstaaten bestehen, jeder mit seiner eigenen Sprache und mit seiner eigenen Geschichte. Deshalb wird aus Europa gewiss kein Bundesstaat werden. Aber die Europäische Union darf auch nicht zu einem bloßen Staatenbund verkommen. Die Europäische Union muss ein dynamisch sich entwickelnder Verbund bleiben. Es gibt dafür in der ganzen Menschheitsgeschichte kein Beispiel. Wir Sozialdemokraten müssen zur schrittweisen Entfaltung dieses Verbundes beitragen.

Helmut ScHmidt, ehemaliger deutscher Bundeskanzler (1974 bis 1982), SPd

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