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Fachtagung Kinder psychisch kranker ElternHaus am Dom, Frankfurt6.10.2014
Prof. Dr. M. FranzÄrztlicher Direktor Vitos Klinikum KurhessenKlinikdirektor Vitos Klinik Psychiatrie &
Psychotherapie Bad Emstal, Kassel, Hofgeismar, MelsungenJustus – Liebig Universität Giessen
Kinder psychisch Kranker: Hochrisikogruppe, Prävention, Intervention
Folien nur zur persönlichen Verwendung
Warum ist das Thema relevant?
Erkrankungsrisiko in Europa für irgendeine psychische Störung
Erwachsene :Lebenszeitprävalenz > 50 %12-Monats-Prävalenz = 27%
Störungen mit der höchsten
MDD = 16,6%Alkoholmissbrauch = 13,2%Spezifische Phobie = 12,5%Sozialphobie = 12,1%
Kinder:Lebenszeitprävalenz > 50 %12-Monats-Prävalenz 21,9%
Lebenszeitprävalenz
Depression 5,4%Angst 10,0%ADHS 2,2%Störungen d. Sozialverhaltens 7,6%Essstörungen 7,6%
3Bella-Studie 2006 – Ergänzung zu KiGGSWittchen et al. 2011; Jacobi 2009
mod. nach Gesundheitsreport der Techniker Krankenka sse 2010
Arbeitsunfähigkeit durch psychische Erkrankungen: Relative Veränderung in einzelnen Diagnosekapiteln
Präsentismus?
Verwandtschaftsverhältnis von ‚most significant oth ers‘ der stationären Aufnahmen einer KPP
(n=214)
Partner 47%
Verwandte 4%
Sonstige 1%
Eltern 33%
Geschwister 5%
Kind 10 %
Franz et al. 2003
Kinder psychisch Kranker als Hochrisikogruppe
Genetische Risikobelastung
Schizophrenie: 1 Elternteil: 10-15%, beide Eltern 35-50%(Remschmidt & Mattejat 1991)
Depression: 23 bis 38% im Vergleich zu 11 bis 24% in Kontrollen(‚early childhood trauma‘ noch stärkeres Risiko)
Bipolare Störung: 5 – 7 fach erhöht (Hodgins et al, 2002; Rietschell & Nöthen 2003)
Angststörung: ca. 7fach erhöht (Turner, 1987)
Alkoholabhängigkeit: 6 fach erhöht (Klein 2003)
Betreuungsdefizite, Vernachlässigung
psychische o. physische Misshandlungen
Ehe-/ Familienprobleme
Ökonomische Unsicherheit, sozialer Abstieg
Alleinerziehend
soziale Isolation
geringe Bildung
Delinquenz
Wagenblass 2001, Dunn 1993, Mattejat 2000
Kinder psychisch Kranker als Hochrisikogruppe
Psychosoziale Risikobelastung
Familien mit psychisch erkrankten Eltern: häufige psychosoziale Risikofaktoren
eingeschränkte Erziehungs- und Beziehungskompetenzen der Eltern (wiss. Beirat BMFSFJ, 2005)
Fenstersturz: Neunjährige stirbt beim Versuch, Mutte r zu retten
„Düsseldorf. Ein neunjähriges Mädchen ist in Düsseld orf bei der versuchten Rettung ihrer lebensmüden Mutter mit in den Tod gestürzt. Beiden waren vorige Woche aus dem Schlafzimmerfenste r ihrer Wohnung im fünften Stock auf den Gehweg gefallen. D ie Spurenauswertung habe ergeben, dass die Neunjährige beim Versuche, ihre Mutter zu retten, mit abstürzte, sagte der Staat sanwalt am Freitag. Die Ermittler hatten ein Gewaltverbrechen nicht aus geschlossen und eine Mordkommission eingesetzt.“
Rollenumkehr/ Verantwortungsverschiebung (Parentifizierung)
Tabuisierung
Loyalitätskonflikte - Orientierungslosigkeit
Stigmatisierung
Scham
Schuldgefühle
Ängste
Unberechenbarkeit des elterlichen Verhaltens
Wagenblass 2001, Dunn 1993, Schmid 2006, Lenz 2005, 2006, Franz 2006
Kinder psychisch Kranker:als Hochrisikogruppe
– emotionale Belastungen
“Immer wenn ich in die Nähe unseres Hause komme schnuppere ich, ob es nach Essen riecht, z.B. Blumenkohl. Dann weiß ich, heute Mittag gibt es Essen, keine aufgeschnittenen Pulsadern. Sie lebt noch“Aus einer Beratung in Vitos Kurhessen
Rollenumkehr/ Verantwortungsverschiebung (Parentifizierung)
Tabuisierung
Loyalitätskonflikte - Orientierungslosigkeit
Stigmatisierung
Scham
Schuldgefühle
Ängste
Unberechenbarkeit des elterlichen Verhaltens
„Recht auf eigenes Leben“ ?
Wagenblass 2001, Dunn 1993, Schmid 2006, Lenz 2005, 2006, Franz 2006
Kinder psychisch Kranker:als Hochrisikogruppe
– emotionale Belastungen
Wagenblass 2001, Dunn 1993, Schmid 2006, Lenz 2005, 2006, Franz 2006
Kinder psychisch Kranker:als Hochrisikogruppe
– emotionale Belastungen
Selbst ohne genetische familiäre Belastung konnte die Transmission depressiver Symptome im familiären Umfeld als wirksames Erkrankungsrisiko für Kinder nachgewiesen werden (Lewis et al. 2011).
Kumulation von 3 eigenständigen Risiken: 1. Genetisches Risiko + 2. psychosoziale Belastung (= eigenständiges Risiko) + 3. emotionaler Stress in vulnerabler Phase (= hohes Risiko)
Häufigkeit kindlicher Entwicklungsstörungen 2-3 fach erhöht Häufigkeit späterer eigener psychische Erkrankung 4-fach erhöht (Vostanis 2006)
Kinder in Schule, beim Besuch in Psychiatrie: oft überangepasst, meist unauffällig � Kinder i.d.R. „nicht gesehen“, Hilfsangebote nicht in Anspruch genommen
� Kinder- und Jungend-Hilfssysteme: Hilfe erst bei massiver Auffälligkeit
Kinder psychisch Kranker als Hochrisikogruppe im Spätinterventionssystem
Geburtsklinik
GynäkologInnen
Hebamme
Sozialpädiatrische
Zentren (SPZ)
niedergelassene(r)
Kinder- und psychiaterIn
Klinik für Kinder-
und Jugend-psychiatirie
KinderärztInnen
Schwangerschafts-
beratungsstelle
Frühförderung
KiTa
Erziehungs-
beratungsstelle
Familienbildungs-
stätte
Mutter-Kind-
Einrichtung
Sozialpädagogische
Familienhilfe
niedergelassene(r)
Erwachsenen-psychiaterIn
niedergelassene( r)
PsychotherapeutIn
Jobcenter
Kinder.-
klinik
Klinik für
Erwachsenen-psychiatirie
Suchtberatungs-
stelle
The German Gap: Wer koordiniert?Folie überlassen von Ute Ziegenhain 2011
Hilfen müssen vernetzt + koordiniert erfolgen. Interdisziplinäre Hilfssysteme sind schwer aufzubauen
Der Blick über die Grenzen der institutionszentrierten Sichtweise wird als Hauptgrund für das mangelnde Gelingen der notwendigen -interdisziplinären - Hilfs- und Präventionsangebote angesehen
Symposium DGPPN Franz / Becker 2011
..und wer finanziert? V.a. alleinstehende Hilfsangebote haben eine unklare Prognose der
Verstetigung in der Praxis
Hilfsangebote sollten niederschwellig, nicht-klinisch, fokussiert und spezifisch auf die konkrete Situation des/r jeweiligen Jugendlichen konzipiert, im Routinebetrieb mit möglichst wenig oder gar keinen ‚zusätzlich‘ zu finanzierenden Personalmitteln, nicht isoliert, sondern in einem vernetzten Hilfssystem stattfinden, in dem Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie, Familientherapie und Jugendhilfe für einen über die Primärprävention hinausgehenden Hilfebedarf bereitstehen
Geburtsklinik
Gynäkologin/e
Hebamme
Sozialpädiatrische
Zentren (SPZ)
niedergelassene(r)
Kinder- und psychiaterIn
Klinik für Kinder-
und Jugend-psychiatirie
KinderärztIn
Schwangerschafts-
beratungsstelle
Frühförderung
KiTa
Erziehungs-
beratungsstelle
Familienbildungs-
stätte
Mutter-Kind-
Einrichtung
Sozialpädagogische
Familienhilfe
niedergelassene(r)
Erwachsenen-psychiaterIn
niedergelassene( r)
PsychotherapeutIn
Jobcenter
Kinder.-
klinik
Klinik für
Erwachsenen-psychiatirie
Suchtberatungs-
stelle
One Face tothe
Customer
Folie überlassen von Ute Ziegenhain 2011
Erwachsenenpsychiatrie
KPPBad Emstal / Kassel / Hofgeismar
Kinder- + Jugendpsychiatrie
KJP Kassel
Extramurale Angebote
Jugendamt
Sozialpädagogische Familienhilfe� Psychosoziale
Vereine� Patenschaften
Gesundheitsamt: SpDi
Selbsthilfegruppen
Kinderärzte/ Kinderklinik
SchulpsychologenKinderschutzbund ……uvam
Beispiel für vernetzte Intervention: Hilfssysteme in Kassel, Nordhessen
!13.00 Uhr, Haus am Dom, Ffm:Arbeitskreis Kinder psychisch Kranker: Vernetzung von Hilfen und Kooperation der Hilfesysteme in der Region Kassel.• Michaela Rohde, Emstaler Verein• Dr. Annette Hasselmann, Gesundheitsamt
Region Kassel
!
Kinder psychisch kranker Eltern: Erwachsenenpsychiatrie als Bedarfserkenner + Hilfevermittler
Erwachsenenpsychiatrie
KPPBad Emstal / Kassel / HofgeismarLNK
Prävention: Erfassung ‚aller‘ Kinder, Beratung, ScreeninghochgefährdeterKinder
Extramurale Angebote
Jugendamt
Sozialpädagogische Familienhilfe� Emstaler Verein� Patenschaften
Gesundheitsamt: SpDi
Selbsthilfegruppen
Kinderärzte/ Kinderklinik
SchulpsychologenKinderpsychiatrie
KJP Kassel
Sprechstunde + Infostunde auf Gelände der Erwachsenenpsychiatriefür Eltern + Kinder
+ Studie+ 1 ‚Coaching‘ für das Kind
Aktive Rekrutierung!
Geburtsklinik
Gynäkologin/e
Hebamme
Sozialpädiatrische
Zentren (SPZ)
niedergelassene(r)
Kinder- und psychiaterIn
Klinik für Kinder-
und Jugend-psychiatirie
KinderärztIn
Schwangerschafts-
beratungsstelle
Frühförderung
KiTa
Erziehungs-
beratungsstelle
Familienbildungs-
stätte
Mutter-Kind-
Einrichtung
Sozialpädagogische
Familienhilfe
niedergelassene(r)
Erwachsenen-psychiaterIn
niedergelassene( r)
PsychotherapeutIn
Jobcenter
Kinder.-
klinik
Klinik für
Erwachsenen-psychiatirie
Suchtberatungs-
stelle
One Face tothe
Customer
Folie überlassen von Ute Ziegenhain 2011
(KPP)Für einen sehr kurzen umschriebenen Zeitraum:
Präventionsprojekt Vitos Kurhessen Erfahrungen mit Kindern in der Beratung
Sie nehmen sich sehr zurück. Verzichten auf ihre eigenen Bedürfnisse. Glauben, das hilft….
Sie haben überlebtMeistern oft viele BereicheSensibler für andereHilfsbereit, sozial verantwortungsbewusstSie wollen helfenSie suchen Hilfe
Werden Präventionsangebote akzeptiert ?
Seitens der Erkrankten Patienten: Mißtrauen, Entlastung(Überforderung mit der Elternrolle und Selbstzweifel, Ängste -Wegnahme)
Unterschied, wie Eltern behandelt werden!
Seitens der Erwachsenenpsychiatrie?
Was wissen Psychiater über die Kinder ihrer Patienten ? ausserder Tatsache, dass KpK zur Zeit ‚im Fokus‘ sind?
Befragung von Psychiatern
• Anonyme Fragebogen-untersuchung in Hessen
• 7 teilnehmende Kliniken
• Anzahl teilnehmender Ärzten = 117;Ausschluß: 7 Gerontopsychiater
• Datenschutz: keine drop-out-Analyse
x
x
x
x
x
x
xHERBORN
FRIEDBERG
HAINA Merxhausen
GIESSEN
KASSEL
Marburg
Franz et al. 2012
Ärzte geben an zu wissen....
% der Befragten (n = 110)
2,7%
9,1%
12,8%
17,3% 48,2%
45,5%
31,8%
27,3%
34,5%
40,9%
59,1%
69,1%
... Geschlechtder Kinder
... Alter derKinder
... Anzahl derKinder
... ob PatientKinder hat
„oft“ „immer“ „manchmal / selten“
Franz et al. 2012
Thematisieren Psychiater …
23,6%
0,9%
„1x in 6 Monaten / nie“ „1x im Monat“ „1x die Woche“
% der Befragten (n = 110)
21,8%
15,5%
... Auswirkungen der Erkrankung auf die Kinder
... Aufklärung der Kinderüber die Erkrankung
20,9%
0,9%
3,6%
1,8%
81,9%
73,6%
74,6%
77,3%
mit (Ehe-)Partner /Bezugsperson
mit Patient
(Ehe-)Partner /andere Bezugsperson
mit Patient
Nach spez. Hilfsangeboten für Kinder fragen. ...
1,8%
„1x in 6 Monaten / nie“ „1x im Monat“ „1x die Woche“
% der Befragten (n = 110)
0,9%
4,5%
9,1%
15,5%
11,8%80,0%
82,7%
88,2%
Kindern
(Ehe-)Partner oder
andereBezugspersonen
Patienten
1,44,1
9,510,8
12,212,2
13,516,216,2
18,920,3
21,625,7
35,1
0 5 10 15 20 25 30 35 40
Die Eltern fordern
Sich an andere Bezugsperson wenden
Compliance einfordern, motivieren
Entlastung
Hilfe suchen
Abgrenzung
Hilfe bei der Behandlung
Informationsgewinn über die Krankheit
Akzeptanz
Kind soll nicht helfen bzw. soll unterstütztwerden
Betonung der Altersabhängigkeit von Hilfe
(Aufrechterhalten von) Kontakt
Hilfe im Alltag
Emotionale Hilfe, Verständnis
% der Antworten (n = 74)
Wie kann ein Kind seinen kranken Elternteil unterstützen?Nach Häufigkeit d. Nennungen, kategorisierend zusammengefasst
Franz et al. 2012
12,6%
12,6%
12,6%
13,8%
17,2%
18,4%
20,7%
20,7%
21,8%
32,2%
39,1%
0% 10% 20% 30% 40% 50%
Angst, Ängste
Angst Vererbung/ selbst zu erkranken
Rücksichtnahme
Konflikt, Aggr., Gewalt
mangel. Versorgung
Schuldgefühle
Beziehungsstör., -abbruch, Trennung
mangel. Unterstützung
Stigmatisierung
Unsicherheit, Unzuverlässigkeit, Instabilität
Parentifizierung, Umkehr Eltern-Kind-Rolle
% der Antworten (n = 87)
Welche Belastungen sehen Sie für die Kinder Ihrer Patienten? Nach Häufigkeit d. Nennungen, kategorisierend zusammengefasst
Haben Sie breits Institutionen im Falle einer mögli chen Kindeswohlgefährdung in Anspruch genommen? n
9,5%1,6%
6,4%3,2%
12,7%1,6%
9,5%69,8%
1,6%11,1%
1,6%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%
Kinder- und Jugendpsychiatrie
Tagesstätte
PSKB, Sozialpsychiatrischer Dienst
Beratungsangebote für Familien
Angebote diverser Träger
Krankenkasse
Familienpflege
Jugendamt
Sozialamt
Gesundheitsamt
Betreuungsbehörde
% der Antworten (n = 50)
48,2%50,0%
45,5%
54,5%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80%
Beratung bereits in Anspruch genommen:
% der Befrag- ten (n = 110)
Genannte beratendeInstitutionen(% derAntworten):
Nennung der beanspr. Institution:
nein
ja
nein
ja
Zusammenfassung
KpK epidemiologisch + humanitär relevant
Hochrisikogruppe
Vernetzung + Koordination der Institutionen, „one face to the customer“!
Erwachsenenpsychiatrie geeignet zur Präventionsrekrutierung, …
… Psychiater neigen zur Überforderung der Kids
…Personal muss geschult werden, Beispiel Vitos K.
Kinder profitieren
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
Prof. Dr. med. Michael FranzKlinikdirektor Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bad Emstal Ärztlicher Direktor Vitos Klinikum KurhessenTel. 05624 - 60 - 10210 Fax 05624 - 60 - 10375 [email protected]