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Das kostenlose LiteraturZine der Edition PaperONE Ausgabe 4, Februar 2011 Lebensreer Schreibmaschine: Warum Hartmuth Malorny noch lebt Ein Gespräch Im Interview: Abo Alsleben Ein Connewitzer Rotzlöffel mit jeder Menge Medienspaß Klaus Märkert über Klaus Märkert Von der Utopie wie Salinger zu sein (inkl. Leseprobe aus Märkerts neuem Buch) Über die LIebe zur Armut Michael Oertel über Armut, Verrücktheit und Helfe-Elfen „Kra = Masse mal Beschleunigung“ Abo Alsleben erhält Literaturpreis Aktuell: Alle Neuerscheinungen der Edition PaperONE Rezis

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Dritte Ausgabe des Verlags-Magazins des Leipziger Underground-Verlags Edition PaperONE

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Das kostenlose LiteraturZine der Edition PaperONE Ausgabe 4, Februar 2011

Lebensre� er Schreibmaschine:

Warum Hartmuth Malorny noch lebtEin Gespräch

Im Interview:

Abo AlslebenEin Connewitzer Rotzlöff el mit jeder Menge Medienspaß

Klaus Märkert über Klaus MärkertVon der Utopie wie Salinger zu sein(inkl. Leseprobe aus Märkerts neuem Buch)

Über die LIebe zur ArmutMichael Oertel über Armut, Verrücktheit und Helfe-Elfen

„Kra� = Masse mal Beschleunigung“Abo Alsleben erhält Literaturpreis

Aktuell:Alle Neuerscheinungen der Edition PaperONERezis

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Werte Leser,

während wir in der Hitze dieses Sommers mit kühlem Kopf weiter fröhlich an unserer neuen Fahrenheit 450 und dem Herbstprogramm der Edition basteln, scheinen die subtropischen Temperaturen unsere Regierung gänzlich zu Repräsentanten einer Bananenrepublik

mutieren zu lassen. Man reibt sich verwundert die Augen und fragt sich, wie viel an Peinlichkeit und Populismus es noch bedarf, um noch den letzten Bürger von der Konzeptlosigkeit dieser Bande zu überzeugen und von den Wahlurnen zu vertreiben, aber es ist Fußball-WM und da nimmt man es nicht so genau und zwischen zwei Jubelschreien, passt immer noch eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge für Arbeitnehmer und wer glaubt, dass der Kahn nun langsam am Sinken ist, wird von Merkel eines besseren belehrt. „Wir ha� en gerade das schwierige Serbien-Spiel mit der Koalition und nun kommt das England-Spiel!“ Geht’s noch billiger mit den Vergleichen und der Anbiederung an eine junge dynamische Nationalmannscha� , die zugegeben mit ihrer unbeschwerten Art und klasse Fußball begeisterte. Oh ja, es geht noch billiger, denn man reibt sich abermals verwundert die Augen, als auf der abschließenden Pressekonferenz plötzlich Mr. Wulf, Merkels gegen alle Regel der Demokratie ins Amt gehievter Bundespräsident, au� aucht und mit Verdienstkreuz für den Trainer und Lorbeerblä� ern für die Kicker nur um sich wir� . Hab ich was verpasst oder was hat der da zu suchen?Brot und Spiele, Panem et Circenes im 21. Jahrhundert. „Die Fähnchen hoch, Populismus marschiert mit ruhigem, festen Schri� ...!“ Der Golf von Mexiko geht vor die Hunde und BP beteiligt sich am Sponsoring des Sommerfestes des Bundespräsidenten. Fuck, man könnte gar nicht soviel essen, wie man kotzen möchte oder um es in der Sprache der Fußballer zu sagen: Wer in der politischen Kreisklasse rumbolzt, sollte sich nicht mit Champions ablichten lassen, sondern lieber ö� er mal den Trainingsplatz aufsuchen oder gleich den Profi s das politische Feld überlassen, sonst gibt es für dieses Land bald nur noch Serbien-Spiele.“

In diesem Sinne

Michael Schweßinger für euere PaperONEis

Vorangestellt

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Kurz notiert!

Abo Alsleben mit Literaturpreis ausgezeichnet

Wir möchten es nicht versäumen, unserem Autoren Abo Alsleben („Tschüss, Deutschland“ und „Ahoi, Connewitz“) zu seinem Literaturpreis der Stadt Taucha zu gratulieren, welcher ihn wohl mehr überrascht hat als uns. Verliehen wurde Abo dieser Preis für das Thema „Grenzenlos“ – der Überschri� für den mi� lerweile 7. Literaturpreis Tauchas. Nicht unumstri� en, dafür jedoch umso überzeugender für die Mehrheit der Jury fuhr hierbei Abos Titel „Kra� = Masse mal Beschleunigung“ die begehrte Trophäe ein. Ein Text über die Heimkehr eines Soldaten, nachdem dieser von einem Angriff auf eine Stadt zurückkehrt. Eine Niederschri� von Gefühlen, Empfi ndungen wie auch den schrecklichen Details, welche in einem Krieg

vor dem Fernseher gerne in weite Ferne, manchmal sogar ins Unsichtbare verdammt werden. Abo gräbt sie aus, diese Gräuel, die jeder Krieg auf der Welt, egal aus welchen Gründen er geführt wird, bereitet. Egal auf welcher Seite. Enola Gay lässt grüßen. Für Interessierte: Der Siegtext ist nunmehr in Abos neuem Buch „Des Teuels bizarre Kunst“ veröff entlicht, welches jüngst bei uns erschienen ist.

Zwei Underground-Größen schreiben nicht mehr

Über unseren Autoren Roland Adelmann erreichte uns die Nachricht, dass zwei große Namen des Undergrounds, die auch in der ersten Ausgabe der Maulhure mit Texten vertreten waren, um den Jahreswechsel verstorben sind. Wir zitieren dazu aus Mangel an besseren Worten einfach mal von Rolands Homepage:

„Als hä� e ich es geahnt: Das Jahr fängt mal wieder bescheiden an (und hat zudem bescheiden aufgehört): am 04.01.2011 starb im Alter von 64 Jahren unser alter Weggefährte Hadayatullah „Paul Gerhard“ Hübsch - acht Tage vor seinem 65. Geburtstag. Möge Allah ihn für seinen unermüdlichen Einsatz für die Undergroundliteratur belohnen (und das meine ich jetzt absolut nicht ironisch!). Außerdem ist am 23.12.2010 die Beatnik-Schri� stellerin Janine Pommy Vega im Alter von 68 Jahren gestorben. Dabei sind beide noch in der ersten und aktuellen Ausgabe der „Maulhure“ vertreten, was dann auch bedeutet, das diese Veröff entlichungen zu den allerletzten gehören, die zu ihren Lebzeiten publiziert wurden, wenn nicht sogar die letzten waren. Beschissener (um es mal auf den Punkt zu bringen) kann es wirklich nicht anfangen!“

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Großes Ende eines Kleinen

André Herrmann zur (Schräg-)Lage der Nation

Mir steht das Wasser nicht gerade bis zum Hals, aber dass es mir in die Schuhe läu� , ist auch nicht sonderlich angenehm. Selbst wenn es nur in Richtung Kneipe geht, bei so viel Übel auf der Welt ist’s schon Erfreulichkeit genug, dass ich mich überhaupt noch aus der Wohnung wage. Man weiß ja nicht, ob sich unterm eigenen Haus plötzlich ein Bahnhof eingemietet hat oder sich die Erde ganz von selbst in Richtung Hölle weitet, um kleine Justin Biebers auf die Welt zu spucken.Stolz schiebe ich mich, in eine Deutschlandfahne gewickelt, aus der verschneiten Haustür, morgens stand es in der Zeitung, was zur Fußball-WM noch misslang, ist heute endlich Wirklichkeit, in schwarz-gelben Neoklassikle� ern stand es groß auf Seite 1: Deutschland ist Lohnminus-Meister! und das will begossen werden. Ein Ausrufezeichen in Richtung der internationalen Welt: Wir haben keine Angst vorm internationalen Terror, schließlich haben wir Schwarz-Gelb!Doch wie mir nun die Füße stetig feuchter werden, wird mir klar: Was nützt die Angst vorm Terror aus Fernost, wenn schon drei Tage Schneefall unser Land zum Wanken bringen? Nur wenn ich als kleiner Mann dann sag: Das Blitzeis trägt die perfi de Handschri� von al Qaida!, dann glaubt mir wieder keiner. Da ist die ganze Stadt schon mit Grillanzünder überzogen, doch brennen will das Zeug dann trotzdem nicht, es ist so unfair.In der Kneipe ist es voll. Dass man währenddessen nicht twi� ert, wie fantastisch der Abend ist, ist immer ein gutes Zeichen dafür, dass der Abend tatsächlich fantastisch ist. Ich trinke drei, vier Bier, dann hab ich Meinung und Charakter. Ich weiß, dass ich nach Hause kommen muss, nur bald weiß ich schon nicht mehr wie. Deshalb trink’ ich weiter, um dieses dass und jenes wie zu töten. Verwirrt irrt blind Justitia durch den verrauchten Raum und stößt mal hier, mal dort ein mühsam aufgestelltes Wertsystem zu Boden. Sie scheint es leicht zu haben dieser Tage, nennt sich als Dorfschönheit Justine

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und ist am liebsten alten, bossbehosten Herren hörig. In Moskau, Stockholm, Stu� gart21, sagt sie, stand sie erst kürzlich diesen bei, die hart und he� ig über jene herrschen, die es wagten, der betagten Herrscha� vorwitzig ans Bein zu pissen.Wir alle sind ein klitzekleines Risiko und wissen bloß, dass Heiner Geißler nicht die Antwort auf die Klu� zwischen uns denen heißen kann, die wir zu unseren Repräsentanten auserkoren haben. Nicht nur die Liberalen, auch die alte Frau Gerechtigkeit steckt mehr und mehr in der Sanierungsfalle. Podolski würde sagen: Politik ist wie Eishockey, nur kriegen die Spieler viel zu selten aufs Maul. Dabei ist sie vielmehr wie die Tiefsee. Was da ganz unten abgeht, ist derart bizarr, dass wir die Bilder davon sogar noch schön fi nden.Morgens, um halb acht, breche ich auf dem Klo den neuen Tag an und als schon kurz darauf mein Leben auf dem Absatz vor der Kneipe, den man den Boden der Tatsachen nennt, sein Ende fi ndet, ist es mein letztes Glück, dass die fl immernde Abschiedsshow vor meinem inneren Auge von Günther Jauch modiert wird. Nur zwei Dinge kann ich dir itzo abschließend raten: 1. Wenn du glaubst, ganz unten angekommen zu sein, gibt es immer noch jemanden, der ein Sterni aus der Plastikfl asche trinkt. 2. Versuch nicht, gegen den Strom zu schwimmen, sondern steig aus dem Fluss.

„Wir machen weiter... so lange, bis wir ganz unten angekommen sind!“

verkündete uns vergangenes Jahr Frau Merkels Plakat in Leverkusen. Herzli-chen Glückwunsch - wir sind auf dem besten Wege. Ist dies möglicherweise die politische Interpretation von Aufschwung, der jetzt auch unten angekommen ist?

Dies fragt sich in dieser Fußnote... der Oliver Baglieri

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Im vergangenen Jahr erschienen gleich zwei neue Publikationen des Autoren Michael Oertel, welcher bereits durch sein „Tagebuch eines Depressiven“ bekannt geworden ist. Mit seinen jüngsten Veröff entlichungen (Hörbuch und Buch) setzt er nun in unserem Verlag fort, was er bereits als Einzelkämpfer an der Buchfront auf den Weg gebracht hat. Unser Autor Olli Baglieri traf sich nun mit Michael Oertel zu einem gemütlichen Autorengespräch.

Olli: Lieber Michael, bevor wir loslegen - ob du uns ein wenig etwas über dich erzählen würdest? Wer ist Michael Oertel, was macht er und was hat er bereits gemacht?

Michael: Micha Oertel kommt sich manches Mal vor, wie der Einäugige unter den Gehörlosen, der einarmige Bandit im Gospelchor oder alternativ wie der Gospelsänger unter den einarmigen Banditen. Wer das Vorwort aus meinem „Tagebuch eines Depressiven“ kennt, der wird meine berufl iche Karriere, obwohl die den Titel nicht verdient, in Bruchstücken kennen. Kra� fahrzeugschlosser ohne Abschluss, Verwaltungsfachangestellter, Dipl. Sozialarbeiter, Dipl. Sozialpädagoge. Tätig gewesen bin ich als Hausmeister, Rohrschweißer, Rohwerker, Friedhofsverwalter, Besta� er, Verwaltungsmitarbeiter, Jugendclubleiter, Stadtrat, Betriebsrat. Ehrenamtlich verstehe ich es, auch meine letzte freie Zeit gut zu verbraten; im Mehrweg e. V. aktuell, aber eben davor auch in vielen anderen Bereichen. Zeit für die Kunst habe ich nicht, nehme sie mir aber seit Anfang 2009. Schließlich hä� e ich, wenn es die politische Einstellung zugelassen hä� e, in der DDR gern Schauspiel studiert. Oder ich hä� e etwas aus meiner sieben Jahre währenden (und es waren ausschließlich sieben gute Jahre) Konzertfl ötenausbildung machen können. Schließlich scha� e ich es mit meinem Instrument sogar in den Rundfunk der DDR. Ich verleihe gern Schwachen Gehör, muss dies schon berufl icherseits praktizieren, und ich spreche gern Menschen an, ob an der Kasse im Kaufl and, an Haltestellen, in Parks … Kommunikation ist mir wichtig, auch wenn ich mit diesem etwas abweichenden Verhalten auff alle. Nicht selten habe ich heute das Gefühl, dass nicht Reden Silber und Schweigen Gold ist, sondern dass wir uns zu o� anschweigen, oder eben durch inhaltslose Kommunikation glänzen; also ist wohl derzeit gerade Schweigen Silber und Reden Gold. Und irgendwie gelangen dann meine Gedanken oder Erlebnisse auf Leinwände oder zwischen zwei Buchdeckel. Im Idealfall gelangen dann die Gedanken auf die Bühne oder erhalten eine solche. Weil das Leben so bunt ist, sind meine Fotos wohl ö� er schwarz/weiß. Dort bleibt der Raum für viel Phantasie …

Olli: Nun bist du ja seit Ende 2010 gleich mit zwei neuen Publikationen in der Edition PaperONE am Start. Zwei, wie ich meine, inhaltlich sehr unterschiedliche Projekte. Zum einen eben mit deinem Hörbuch „Helfe-Elfe

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Magda in Ostfriesland“ und schließlich eben auch mit deinem Bildband „Edgars Welt – Eine Liebeserklärung an die Armut, das Verrücktsein und an Dich!“. Worum geht es in diesen beiden augenscheinlich doch sehr unterschiedlichen Publikationen, lieber Micha?

Michael: Hast Du „unterschiedlich“ gesagt? Du hast. Dabei geht es in meinen Publikationen um ein großes Thema: „Mitmenschlichkeit“. Gut, ich beuge mich, Du hast Recht, es sind schon zwei sehr unterschiedliche Projekte. Wollen wir doch mal mit aller Ruhe die Unterschiede herausarbeiten. Das eine ist eine CD. Das andere ein Fotobuch. Das eine ist für Kinder (und Erwachsene), das andere eher nur für Erwachsene. Das eine besteht aus in Rollen vorgelesenen Texten und Musik (von ZEITSPRUNG), das andere aus Texten und Fotos. In dem einen bin ausschließlich ich für den Text verantwortlich, bei dem anderen habe ich u. a. mit Berufsschülern des BBW Leipzig zusammen gearbeitet, mit ihnen Interviews geführt. Wie gesagt, es geht um Mitmenschlichkeit, in beiden Publikationen. Die Geschichte der „Helfe-Elfe“ spielt in Ostfriesland, wie der aufgeweckte Leser sicher beim Lesen des Titels mutmaßte. Eigentlich möchte dieses kleine Fabelwesen helfen, doch ein etwas ungeschickter Leuch� urmwärter löst die Probleme o� ganz nebenbei durch seine Schusseligkeit. So wird die Elfe zur stillen und erfreuten Beobachterin und kann sich am Ende eines jeden Tages darüber mit ihrem Freund, dem Maulwurf Mauricio, austauschen. Mehr wird nicht verraten. Im Fotobuch „Edgars Welt“ wird in Fotos eine Geschichte einer scheinbar armen Person erzählt. Damit wird das Hinschauen provoziert. Betrachter dürfen sich schon gern einmal die Frage stellen, welche Assoziation sie bei dem Wort „Armut“ haben. Begleitet wird das Buch im ersten Teil mit Sprüchen und Aphorismen aus meiner Feder (natürlich war dieses Teil nur ausführendes Element) und eben Interviewaussagen von Berufsschülern zu den Themenbereichen „Armut, Verrücktsein, Glück, Liebe“. Dennoch handelt es sich bei dem Buch nicht um eine bebilderte Sozialstudie, die auf qualitativer Sozialforschung basiert.

Olli: Nun betitelst du dein Buch „Edgars Welt“ ja mit dem Zusatz „Eine Liebeserklärung an die Armut, das Verrücktsein und an Dich“. Stellen sich mir alleine vom Titel her schon einige Fragen. Zunächst einmal: Wer oder was ist Edgar? Und: Wie kann man ARMUT lieben? Schaut man sich einmal in der fernen und nahen Welt um, auch vor unseren eigenen Haustüren (allein in Leipzig ist jedes 3. Kind arm), ist Armut nicht eher etwas Schreckliches, mit Mangel an lebenswichtiger Bedürfnisbefriedigung Quälendes, gar auch Tödliches?

Michael: Kann Armut etwas Schönes sein? Wer möchte schon arm sein? Wer ist so bekloppt und erklärt der Armut die Liebe? Ich! Vielleicht ist das ja schon ein erster Teilerfolg, wenn ich die Leser des Buches dazu bringe, sich eben

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diese Fragen selbst zu stellen und nach Antworten zu suchen? Vielleicht ist das gewollt? Ich weiß, hier stellst Du die Fragen, und ich antworte. Ich will also wieder antworten. Es gibt so viele Gesichter von Armut, wir beschränken uns meistens auf die materielle Armut. Ich habe viele andere Gesichter wahrnehmen dürfen und mit ihnen arbeiten müssen. Aber, es gibt einen Blick, einen des Wohlstandes, der kurze Zeit in die Armut abtaucht. Der Blick hat etwas sehr Lehrreiches, etwas sehr Befreiendes … Wenn man sich bei minus 35°C in Le� land im Freien gewaschen hat, dann ist das schon ein besonderes Erlebnis. Zwangsläufi g, wenn wir über Armut reden, muss man dann auch über Reichtum reden? Scha� nicht Reichtum auch Armut? Der Titel der Fotoserie und des Buches ist verrückt. Deshalb wird ja auch dem Verrücktsein die Liebe erklärt. Der Titel spiegelt ein Stück die verrückte Welt mit ihren vielen Widersprüchen wieder. Und noch mehr … Im Buch, in den Auszügen der Interviews wird man ganz viel Verrücktes fi nden, wird man unzählige Widersprüche aufdecken, und doch eine jede Aussage nachempfi nden können.

Olli: Eine Frage, viele Gegenfragen :-). Geben wir diese einfach mal unseren Lesern so mit auf den Weg :-). Wer oder was nun aber, und nun ziele ich noch einmal auf obige Doppelfrage ab, ist „Edgar“? Warum nicht „Michaels Welt“?

Michael: Dann komme ich wohl nicht umhin … Gut, Edgar ist mit vollem und bürgerlichem Namen Edgar Fleischer. Das ist ein Mensch, der die Welt mit etwas anderen Augen sieht, der sich den Luxus leistet Fragen in den Raum zu stellen, und dann die Mitmenschen beim Suchen nach der Antwort alleine zu lassen. Das ist einer, der dann nicht sagt: „Richtig!“ oder „Falsch!“ Ich würde gern mal mit Edgar ein Bierchen trinken gehen, aber er ist nicht zu fassen. Kaum ist er da, ist er auch schon wieder weg. Edgar Fleischer gibt es nun schon fast 30 Jahre. Er ist aber älter. Sein Vorname ist eine Huldigung an Edgar Allan Poe, den ich sehr mochte als Jugendlicher. Poe und Gorki, das waren meine Favoriten. Zu einem nicht gewöhnlichen Vornamen wurde ein etwas gewöhnlicher und martialischer Nachname gesucht. So entstand damals in meiner Phantasie „Edgar Fleischer“, der in Freiberg/Sachsen. einigen Menschen ne� e und nachdenkliche Streiche spielte. Dieser Schelm wurde mit Beendigung der Schulzeit zu Grabe getragen und erlebte als e-Mail-Adresse vor ca. acht Jahren seine Wiedergeburt und ist nun in der Kunst und Kultur unterwegs. Mithin, wie ich fi nde, klingt „Edgars Welt!“ einfach ne� er als „Michaels Welt!“ Da könnte ja jeder kommen.

Olli: Nun bist du ja recht aktiv, bestreitest Lesungen und Ausstellungen, welche zum Teil konzertmässig von der Combo ZEITSPRUNG aus Leipzig begleitet werden. Sehr atmospährische Lese- und Ausstellungveranstaltungen, wie ich sie ja bereits erleben dur� e. Dabei beschränkst du dich gar nicht mal nur auf Leipzig, sondern treibst auch international dein Unwesen. So warst du letztes

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Jahr u. a. in Wien und in Kanada unterwegs. Wie schaut es denn deinerseits mit Veranstaltungen in diesem Jahr aus? Gibt es Planungen, konkrete Termine? Und hast du möglicherweise bereits schon neue Projekte am Start?

Michael: Erst einmal eine kleine Richtigstellung … ich fahre erst im April 2011 nach Kanada, und zwar nach Montreal (Quebec). Damit ist aber auch schon eine Antwort gegeben. Außerdem werde ich noch in Rosenheim eine Ausstellung und eine Lesung haben, ich werde in Prag zu Gast sein und am 21. Mai 2011 wird es eine größere Veranstaltung in Leipzig geben, bei der Kinder aus der Tschechischen Republik ihre eigens komponierten Musikstücke zu der Fotogeschichte „Edgars Welt!“ auff ühren. Vielleicht bin ich im Februar mit der „Helfe-Elfe“ in der Leipziger Unikinderklinik zu Gast, was mich persönlich sehr freuen würde. Aber eigentlich möchte ich nicht nur das „Alte“ unter die Leute bringen, sondern auch Neues schaff en. Dazu fehlt leider ein bisschen die Zeit. Zwar gibt es die erste Seiten, Sprüche und Textfragmente für das Buch „Ich mach´ mir Angst“, aber das ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Ehrlich gesagt, das ist noch nicht einmal Gemüse. Dafür gibt es einige neue Fotos, zumindest eine Fotogeschichte wird in diesem Jahr der Öff entlichkeit präsentiert werden. „Edgars_www.“ Da soll man sich mal überraschen lassen. Wer es nicht erwarten kann oder an besonderer Neugier leidet, der darf gern mal auf meine Homepage schauen. Ein Traum, dies sei dem Leser der ne� en „Fahrenheit 450“ noch ins Auge gedrückt, wäre eine kleine Reise nach Udmurtien, um dort ein kleines Fotoprojekt umzusetzen … Mit einem Wolga M 21 durch die Republik, ein Traum. Und, was kommt dann dabei raus? „Edgar in Udmurtien“. Nee, das wäre zu einfach.

Olli: Den Hinweis, deine Homepage zu besuchen, um stets über deinen Untrieb informiert zu sein, geben wir natürlich sehr gerne weiter. Somit also, lieber Michael, wo kann und darf man sich denn über dich und deine aktuellen Projekte informieren?

Michael: Ja, man darf z. B. bei der „EditionPaperONE“ nach mir fragen. Das sind dort sehr freundliche, sehr kompetente, sehr – für mich – wertvolle Menschen. Also, keine Scheu! Wer´s denn direkter mag, der darf unter www.michaeloertel.com nachschauen, fi ndet da sämtliche Produkte und Projekte. „Pro“ steht ja für „Für“. Apropos „für“: Für wen das noch nicht ausreichend ist, der fi ndet auf der Homepage alle Möglichkeiten, unter denen man mich kontaktieren kann. Eines sei den Leser/innen noch mit auf den Weg gegeben: „Glück ist nur ein Moment! Kunst ist, diesen so lange wie möglich festzuhalten!“ Danke für das Interview, euch alles Gute und den ganzen Kunstbegeisterten und Kunstbesessenen da draußen ebenfalls.

Olli: Vielen lieben Dank :-)

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Aktuelle Neuerscheinungen(Stand: Februar 2011)

Michael Oertel: Edgars Welt!Eine Liebeserklärung an die Armut, das Verrücktsein und an Dich!Mit einem Vorwort von Robert GoetzeBuch im Format 14,8 x 17,5 cm mit 98 Seiten und zahlreichen Fotografi enISBN 978-3-941134-58-4; 9,95 €

Liebe, Armut und Verrücktsein! Das soll zwischen zwei Buchdeckel passen? Oertel macht es – ohne viel Aufwand – passend, indem er einfach der Phantasie freien Lauf lässt und das Leben aus einer etwas anderen Perspektive betrachtet. Plötzlich scheint mehr möglich. Plötzlich scheint alles möglich. Eben alles eine Frage des Blickwinkels. Und so wird in dem Buch eine Geschichte in schwarz-weißen Fotos von einer scheinbar armen Frau erzählt, einer Frau, in der dennoch ein Licht brennt, welches sie erkennt und mit welchem sie andere Menschen anstecken kann, dies auch umsetzt. Die Fotos werden von Gedanken junger Menschen begleitet. Das Buch wird so zu einem Plädoyer für die Liebe mit all ihren Face� en.

Hartmuth Malorny: Ein Sargtischler in NY und andere StoriesBuch mit 182 Seiten; ISBN 978-3-941134-59-1; 11,95 €

Malorny on the road. Der U-Bahn Bukowski mit neuen Stories von Dortmund Nordmarkt bis Myanmar, von Kamp Lintfort nach New York. Unprätentios kommen sie daher, die Trinker, Nu� en und einfachen Arbeiter dieser Geschichten. Da ist kein Glamour, keine Show. Das Leben selbst ru� hier zum Diktat und Malorny, der, nach eigenen Angaben, ohne Schreibmaschine sowieso schon längst im Dachboden hängen würde, bleibt gar keine andere Wahl, als ihre Geschichten niederzuschreiben.

Maulhure No 1 Herausgegeben von Urs Böke, Hermann Borgerding & Jerk Gö� erwind - 92 Seiten; ISBN 978-3-941134-61-4; 8,95 €

Hier ist Literatur, hier ist MAULhURE.Hier wird der Beweis geliefert, dass Poetry und Straßen-Bewußtsein keinenDissens bilden müssen.Hier sind Gedichte und Stories, nichtwirklichkeitsnah, sondern tatsächlich.Ungeschönte Analysen des Alltags.Nicht von oben und deshalb folgerichtigohne Reissleine. Literatur im freien Fall.Direkt gepresst zwischen die Buchdeckelim Hier und Jetzt. Hier ist MAULhURE.

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Zusammen Allein – Ein Buch mit Texten von Gefangenen in sächsischen Justizvollzugsanstalten – ausgewählt von Volly Tanner, Christian von Aster und Henner Ko� eBuch mit 80 Seiten, ISBN 978-3-941134-50-8; 6,95 €

„Zusammen-Allein“, so das Thema des Schreibwe� bewerbes der sächsischen Justizvollzugsanstalten. Insassen aus diversen JVAs des Freistaates haben sich daran beteiligt und unter der Federführung der Schri� steller Henner Ko� e, Volly Tanner und Christian von Aster wurden die besten Beiträge für diese Buchpublikation ausgewählt. Gedichte und Geschichten die Einblick geben in intensive Gedanken und Gefühle während einer Ha� zeit, zugleich aber auch einfach menschliche Erlebniswelten, die Berührungspunkte zwischen den Menschen „drinnen“ wie auch „draußen“ entstehen lassen.

© 2010 Edition PaperONE GbR, Leipzig

Keine Ha� ung und Gewähr für evtl. Fehler oder Änderungen bezüglich Sortiment, Aussta� ung

und Preisen.

Abo Alsleben: Des Teufels bizarre Kunst – Schwarze GeschichtenBuch im A5-Format mit 168 Seiten; ISBN 978-3-941134-60-7; 12,95 Euro

Nach seinen Romanen „Tschüss Deutschland“ und „Ahoi Connewitz“ ist Abo Alsleben wieder zu den Kurzgeschichten zurückgekehrt. Dabei hat er die eine oder andere Story aus seinem Erstling „Wunschkinder“ noch einmal überarbeitet und in Form gebracht. Hinzu kommen selbstverständlich zahlreiche neue Texte (inkl. der preisgekrönten Story „Kra� =Masse mal Beschleunigung“) . In diesem Buch fi nden Sie reale und fi ktive Kurzgeschichten, die eines gemeinsam haben: Sie sind unterhaltsam, voll gepackt mit schwarzem Humor und bizarr. Eine Beleuchtung der Abgründe der menschlichen Seele. Denn was könnte abgedrehter sein als die Realität? Abo Alsleben fragt nach: Was wäre wenn? Lassen Sie sich überraschen! Wir wünschen viel Vergnügen und starke Nerven!

Klaus Märkert: Der Tag braucht das Licht – Ich nicht! – NachthumorBuch mit 158 Seiten; ISBN 978-3-941134-64-5; 11,95 Euro

Was wäre, würden Autoren wie Edgar Allan Poe und Roald Dahl zu neuem Leben erweckt, mit dem Au� rag, nach einem vorangegangenen Tarantino Filmmarathon Storys im Hier und Jetzt zu ersinnen?Der Tag braucht das Licht – Ich Nicht! Das sind 16 Erzählungen, so bizarr wie humorvoll, spannend wie sozialkritisch, ein literarischer Kontrapunkt zur Welt der Aktentaschenmenschen - Kurz und gut: Nachthumor.Ich war die Erste am Tatort, und es wäre also überhaupt kein Problem gewesen, Louisa das Tic Tac ins linke Nasenloch zu schieben, hä� e sie denn eines gehabt. Aber Louisa ha� e nicht einmal mehr ein rechtes, der Kopf fehlte komple� . (Auszug: Die Tote mit dem Tic Tac in der Nase)

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Aktuelle Neuerscheinungen(Stand: Februar 2011)

Sybille Lengauer: Goldstaub und RuinenBuch mit 138 Seiten; ISBN 978-3-941134-62-1; 9,95 Euro

Warum sollte man heutzutage Gedichte und Kurzgeschichten lesen? Und wieso ausgerechnet dieses Buch? Ganz einfach: Politische Satire, fein gereimte Ironie und harte Realitätsgeschichten treff en auf schwarzen Humor und manchmal auch zarte Gefühle. Sybille Lengauer spannt den Bogen weit – und fi ndet trotzdem zu einer, manchmal etwas bizarren, Harmonie. Dabei ist die Autorin längst keine Unbekannte mehr auf dem Indie-Buchmarkt.

Mit ihren Büchern „Hirnwichsen“ und „Hospitalistische Liebeslieder“ eroberte sie die Köpfe von Freigeistern, sorgte gleichsam für allerei Tumult und Irritation in den deutschen Biedermeierhaushalten. Mit „Goldstaub und Ruinen“ knüp� sie genau dort an, wo sie mit diesen beiden Büchern aufgehört ha� e, zu deren Veröff entlichungen die Presse folgende Worte fand:„Sybille Lengauer beweist, dass aufsehenerregende Literatur auch jenseits von postpubertärer Fäkallyrik sta� fi nden kann.“ (schwarzeseiten.de)„Herrlich was Sybille Lengauers Kopf da entsprungen ist.“ (neon.de)„Großartig erzählt von Sybille Lengauer, deren Namen man sich unbedingt merken sollte!“ (Sonic Seducer)

Oliver Baglieri: Trash for fantasy – Fotografi en gegen eine uniformierte Welt - Ein Fotobildband mit über 100 Fotografi en auf 130 Hochglanzseiten ISBN 978-3-941134-63-8; 14,95 €

„Die Klamo� en sind so hässlich, die kannst du eigentlich nur schreddern!“ - Ein einsamer Karton voller Altkleider im Treppenhaus. Einfach ignorieren? Eine Möglichkeit. Für Baglieri allerdings der Start eines Projektes mit Eigendynamik und vielfältiger Streifzüge durch die Irrungen und Wirrungen der Modeindustrie. Begonnen bei Trends und Modewahn, über den Top-Model-Eifer hin

zu philosophischen Überlegungen, was letzten Endes denn nun eigentlich schön oder nicht schön ist. Dabei herausgekommen sind weit über 100 Portraits, denen allesamt eines zugrunde liegt: Der Spaß an der Zerstörung. Und Baglieri ließ zerstören und neu kreieren, packte seine Models in die wildesten Kollektionen, drückte ihnen Schere und Messer in die Hand; erlebte, wie viel Spaß es machen kann, den Konsumierungswahn und seine daran geknüp� en Wertvorstellungen zu unterminieren. Abgerundet wird der Bildband durch Zitate und Gedanken diverser Autoren.

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Hartmuth Malorny – Ein Sargtischler in NY und andere Stories

Nach diversen Romanen, u.a. „Noch ein Bier, Harry?“ und „Die schwarze Ledertasche“, legt der in Dortmund lebende Hartmuth Malorny nun mit seinem Kurzgeschichtenband „Ein Sargtischler in NY und andere Stories“ sein neustes Werk im Verlag Edition PaperOne aus Leipzig vor. Malorny, 1959 in Wuppertal geboren, erzählt in Kurzgeschichten Episoden aus dem Alltag und lässt dabei seine Protagonisten, meistens aus der Perspektive des Ich-Erzählers, vom Rande der Gesellscha� berichten. In zum Teil drastischen Schilderungen wird mitunter in derber Sprache von den Gestrandeten, den Ge- und Verbrannten erzählt, von denen, die ihre letzte Chance meist ungenutzt hinter sich haben. Malorny, der als Verkäufer, Vertreter, Gleisbauer sowie Straßen- und U-Bahnfahrer

Zurückgeblickt!Was die Welt von unseren Büchern hält!

arbeitete, scheut den Vergleich mit Charles Bukowski nicht. Wie auch bei Bukowski, so werden die Charaktere Malornys als Verzweifelte und von der Gesellscha� Getriebene dargestellt, die

Sven-André Dreyer: Freizeichen

(…) Kein Geringerer als Joachim Wi� e tri� es in seinem Vorwort genau, wenn er die Texte des Autors als scharf gezeichnete Abbilder seiner Erlebniswelt bezeichnet.

Sven-André Dreyer beherrscht eine schnörkellose Sprache, die es auf den Punkt bringt. Gesellscha� skritisch blickt er hinter die Fassaden – auf und von Vorstadtbalkonen, deckt die Spießigkeit und wachsendes Konsumdenken auf, die Einsamkeit in der Großstadtanonymität, dem alltäglichen Geschlechterkampf und pocht vehement auf alte und neue Wertigkeiten – das alles mit einem Augenzwinkern und in humorigen Schlenkern, das man

den kleinen Band in einem Rutsch weg liest ohne ihn aus den Hand zu legen.Das Highlight sind dabei eindeutig die „Am Rande gera� “-Texte. Man möchte mehr von Rosco und seinem Leben lesen. Wenn dieser feststellt, dass „Stutenbeißen ein Frauending sei“ und „Punk heute schon lange nicht mehr das sei, was es früher mal war“ und das „Angst was für Mädchen undHeulsusen sei (…). Das kleine Taschenbuch zeichnet sich durch ein tolles Glanzcover aus, gutes Papier und auch Druck und Bindung durch den Schaltungsdienst Lange Berlin ist wie gewohnt erstklassig.Sven-André Dreyers Texte sind wach und munter, lebha� und aufsässig – alles was der Mensch braucht für einen kleinen erfrischenden Lesesnack zwichendurch.Fazit: Schnörkellose Sprache, die es auf den Punkt bringt, dabei unterhält ohne an Tiefe zu verlieren. Empfehlenswert.“ - Alisha Bionda - h� p://www.literra.info

„Dreyers Texte sind ganz wie ein guter Popsong, der einen noch lange bewegt, obwohl die Melodielängst verklungen ist.“ - Dr. Michael Wenzel, Rheinische Post

„Ob es sich um den alltäglichen Gang zur Pommesbude handelt, darum, wie wir uns in derGroßstadt verlieren, um das Zerplatzen eines Traums oder um die wehmütige Erinnerung an die Kindheit: Mit den Bildern, die Dreyer in ‚Freizeichen‘ entwir� , ist ihm eine Zusammenschauvon Werken gelungen, die sich einem Jeden von uns öff net.“ - Sarah Sillius, campus-web.de

„Danke, Dreyer, für dieses Buch. Danke!“ - Heike Hartmann-Heesch, www.papiersinfonie.de, www.verstärker-online.de.

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geradewegs und wissend ihrem nahen Ende entgegenfi ebern. Dabei springt Malorny in seinen 24 Kurzgeschichten durchaus in Zeit und Raum, vom 19. Jahrhundert bis in die Jetztzeit, von Asien über New York bis Kamp-Lintfort, Malornys Aufzeichnungen reichen weit. Und zwischen Einfl üssen Bukowskis und Hunter Stockton Thompsons, beide ihre eigenen und beobachteten Drogeneskapaden in ihre Literatur einfl ießen lassend, fi ndet Malorny auch einen eigenen Ton. So gelingen ihm mit den Stories „Dünne Zimmerwände“ und „Flavius“ inmi� en der Gewalt- und Drogenschilderungen zwei höchst ungewöhnliche Erzählungen, die einen eigenen Charakter aufweisen und Malorny als sogar humoristischen und detailliert betrachtenden Erzähler ausweisen. „Ein Sargtischler in NY und andere Stories“ präsentiert in 24 Kurzgeschichten das pralle und ungeschönte Leben. Ein ernstes Buch, ein nachdenklich stimmendes Buch, ein Buch von unten.h� p://www.verstaerker-online.de

„…eine wirklich interessante und fesselnde Sammlung an Kurzgeschichten – lebensnah, kurzweilig und phantasieanregend. Ideal für eine Fahrt mit der Straßenbahn, denn so ‘ne Typen wie hier beschrieben tri� man dort täglich!“ Mirko auf h� p://uglypunk.de

HC Roth:WIE ICH VERFLUCHT WURDE UND DIE ZEIT STILL STANDEin Heavy-Metal-Märchen

„Ein märchenha� er Höllentrip

Der durchgeknallte, versoff ene Heavy-Metal-Fan Raff aello Ildefonso erbt von seinem Großvater eine kleine griechische Kneipe am Fuße des Monte Baldrian. Leider hat des Opas Hinterlassenscha� einen kleinen Haken, der Erbe muss das Lokal unverändert bestehen lassen. Das gefällt dem Enkel aber gar nicht, schließlich will er ja genau dort die härteste, wildeste, heißeste Metal-Bar der ganzen Galaxie errichten. Also nichts wie ran an die Umbauarbeit, wenn da nicht dieser Fluch wäre. Und so

geschieht, was geschehen musste: Ein Finger geht verloren, eine Leiche wird gefunden, die Erde tut sich auf und nichts ist mehr so, wie es einmal war. Der Grazer Musiker und Underground-Literat HC Roth grei� bei seiner aktuellen Veröff entlichung „wie ich verfl ucht wurde und die Zeit stillstand – ein Heavy-Metal-Märchen“ wieder tief in die Trickkiste. Sein Hang zur skurrilen Namensgebung der ProtagonistInnen und zu surrealen, fantastischen Handlungssträngen wird schon langsam zu einer Art Manie des Autors. Besonders die aberwitzigen Paraphrasen und schrägen Metaphern sorgen in gekonnter Dosierung bei den LeserInnen für Lachanfälle…“Conny Stachl (Megaphon #180/September 2010)

“Der zweite literarische Streich des Ox-Kollegen aus Graz. Ähnlich geistreich wie sein Buchdebüt, „Der Tag, als Bertha Bluhmfeld starb“, ist dieses wunderbare „Heavy-Metal-Märchen“. Natürlich wird es auch dieses Mal wieder erfreulich abstrus: Raff aello Ildefonso erbt die Kneipe seines Großvaters, verstößt aber in punkto Lokalführung rigoros gegen die im Testament gemachten Aufl agen. Und damit beginnt der Schrecken: Das Tor zur Unterwelt öff net sich, die Zeit steht still und der versoff ene Raff aello steht vor der größten Aufgabe seines Lebens: Er muss dem von ihm verursachten Schlamassel schleunigst ein Ende setzen. Sollte er scheitern, dann sieht es schlecht aus mit der Welt… Das klingt nicht nur besorgniserregend und atemberaubend, nein, das ist es auch. HC hat mal wieder ganze Arbeit geleistet und ist seinem Stil treu geblieben!“ Christoph Parkinson (Ox-Fanzine #91)

Alle Bücher der Edition PaperONE erhalten Sie unter www.EditionPaperONE.de, www.Amazon.de sowie selbstverständlich bei jedem guten und freundlichen Buchhändler in Ihrer

Nähe.

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Jan Lindner: Ein Suppenkasper gibt den Löff el ab

„Dieses Buch liest sich höchst vergnüglich: „Ein Suppenkasper gibt den Löff el ab.“ Erschienen ist das Buch in der Edition PaperONE in Leipzig im Dezember 2009. Der junge Jenaer Autor Jan Lindner hat sich damit einen Traum erfüllt und sein erstes Werk vorgelegt. Erfahrungen hat Lindner bereits auf der Bühne gesammelt, sich bei diversen Poetry-Slams probiert. Den Texten merkt man die Liebe zur Sprache an, die Freude am Wortspiel, den Wortwitz. Lindner hat sein Büchlein in mehrere Kapitel unterteilt, denen ein Vorwort von Volly Tanner beigegeben ist. Im ersten Kapitel, das etwas kryptisch „Und aus dem Mohr die Greise ziehen“ überschrieben ist, sind Gedichte versammelt, deren Texte eingängig sind, leicht verdauliche Kost auf den ersten Blick. Doch

aufgepasst! Der Autor hat Zutaten hineingetan, die im Magen brennen, die schwer darin liegen bleiben. Im zweiten Teil „Vom Dromedar getreten“ atmen die Texte die Atmosphäre der Poetry-Slam-Bühne: „Auf Partys will ich motzen, küssen – und nicht andauernd kotzen müssen“, so beginnt Reines Feiern/Feines Reihern, ein Gedicht, das eine wilde Fete beschreibt. Etwas später lesen wir „Der emsige Maler“: Ein emsiger Maler aus München/der wollte sich blau sein Haus tünchen./Doch fand seine Frau/das blau ganz schön mau/drum musste er diese erst lynchen.Mit „Prosa Kaninchen“ ist das dri� e Kapitel überschrieben. Wir lernen die Bärbel-Show kennen und die kann nur für bi� erböse Satire halten, wer das Vormi� agsprogramm im Fernsehen nicht kennt. Sätze wie „Ich geh ja wenigstens Schule und bin im Gegensatz zu dir wenigstens Schreiben und Lesen!“ strapazieren die Lachmuskeln und lassen das Lächeln später gefrieren. Das Hohelied der Liebe singt Jan Lindner im vierten Kapitel „Komm noch ein Stückchen näher“. Wunderschöne Gedichte sind hier versammelt, poetische Zeilen wie „mein herz ist./ein si� ich im käfi g./ fl a� ert wild/von stab zu/stab zu/fu� ernapf zu stab -/federn/pendeln san� /zu boden./von stab zu/stab zu. /starb.Es macht Spaß, die Texte Jan Lindners zu lesen. Der weitere Weg des jungen Autors verdient Beachtung, ohne Zweifel.“ h� p://www.jenapolis.de

Der Go� , der Kohle wachsen ließ

Schwerindustrie - das Ruhrgebiet ist heute grün und kulturell durchwachsen, ... wie sieht es hinter der Fassade dieser innerhalb weniger Jahre zum Wandel gezwungenen Region aus, wie erleben die dort lebenden Menschen ihre alte Heimat heute? Der junge Autor Dirk Schulte geht dieser Frage in seinem Roman „Der Go� , der Kohle wachsen ließ“ nach. Phantasievoll und spannend lässt er seinen Protagonisten Mark Ri� er (...) das heutige Ruhrgebiet für uns erleben und schildert, wie der gewissenha� e Jungautor Ri� er recherchiert, um eine objektive Arbeit abzuliefern. Off ensichtlich ist dies jedoch nicht im Sinne des Au� raggebers des geplanten Romans, einem alteingesessenen Bergbaukonzern im Herzen des Ruhrgebiets, denn bei seiner Recherche Gerät Mark Ri� er in

gefährliche Situationen. Immer wieder wird er daran gehindert, die unbequeme Wahrheit zu erfahren, die Meinung der Menschen einzufangen. Im Roman wird schließlich die spannende Schlüsselfrage gestellt, ob man wider besseren Wissens die Augen vor der Wahrheit verschließen darf und das, was die Gesellscha� vorgaukelt, unbedingt der Realität entspricht. (...) spannend, detailverliebt und schlau beobachtet. Ein schöner und kurzweiliger Lesegenuss, nicht nur für Bewohner des Po� s, klasse!h� p://schreib-lust.de

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Michael Schweßinger. Aufzeichungen eines Tagelöhners

„In „Aufzeichnungen eines Tageslöhners“ nimmt Michael Schweßinger kein Bla� vor den Mund. Off en und eloquent schildert er seine Kritik an der Gesellscha� , der Politik und jedem Einzelnen, der sich mit seinem Schicksal angefunden hat. Ein Werk, das zum Nachdenken anregt und dabei bestens unterhält.“

h� p://www.literatopia.de

Jean-Pascal Ansermoz: Das Erwachen der Steine

„Das Erwachen der Steine überzeugt vor allem durch seine düstere Atmosphäre…. Ein kurzweiliges Buch für zwischendurch, das nicht nur dunkle Gemüter fesseln dür� e.“

h� p://literatopia.de

Ihr mögt unsere Fahrenheit 450?

Dann besucht unbedingt unser Downloadportal. Dort erhaltet Ihr alle bereits erschienen Ausgaben

als kostenlose PDF-Version:

Folgende Fahrenheit450-Ausgaben stehen Euch in unserem Downloadportal bereits zur Verfügung:

Fahrenheit-Ausgabe Nummer 1

Mit Interviews von Sven-Andrè Dreyer & Sami Omar

Fahrenheit-Ausgabe Nummer 2

Mit Interviews von Hartmuth Malorny, Abo Alsleben

und Jennifer Sonntag

Fahrenheit-Sonderausgabe „Michael Schweßinger“

Leseproben

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Ecken und Kanten Literatur als Sprachrohr der Zeit

So verstehen wir unser Sortiment wie auch unser Bestreben, über unsere Bücher auch ein Stück weit zur gesellscha� lichen Entwicklung beizutragen, gleichzeitig das gesellscha� liche Leben der Jetztzeit zu dokumentieren. Dabei scheuen wir uns auch nicht, unbequem zu sein, Dinge und Themen aufzuzeigen und anzuklagen, die schief laufen. Egal ob in der Politik, in der Famile, Ihrem Stad� eil oder sonst wo auf der Welt. Und so sind wir stets neugierig auf Manuskripte von Autorinnen und Autoren, welche sich mit diesen Intentionen identifi zieren können - die etwas zu sagen haben. Über das Hier und Jetzt. Wenn Sie Geschichten, Erfahrungen und Erlebnisse niedergeschrieben haben, von denen Sie glauben, endlich einmal angesprochen werden zu müssen, scheuen Sie sich nicht, uns diese zuzusenden.Ob Mindherheiten betreff end, biografi sch, humoristisch, fantasievoll, zynisch.....Wir sind neugierig auf Ihre Geschichten - auf Ihr Leben.

La Bohème Maudite

Der literarische Salon der Edition PaperONE

Seit Oktober 2010 widmen wir uns an jedem ersten Sonntag des Monats, den literarischen Freigeistern und Wanderern. Gelesen und diskutiert werden Texte von Charles Baudelaire bis Oscar Wilde, von Stirner bis Ginsberg, von dem was wir lesen wollen bis zu dem, was ihr an freidenkerischem Gedankengut dabei habt. Dazu reichen wir Zigarren und edle Alkoholika. Um stilvolle Abendgarderobe wird gebeten.

Beginn: 17.00 Uhr - Ende: off enOrt: Edition PaperONE, Lützner Straße 77 Leipzig-Lindenau

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Systemfehler

Unsere kostenlose Donloadreihe zu den Fehlern in unseren politischen und gesellscha� lichen

Systemen

Die Besucherinnen und Besucher unserer Homepage kennen sie längst: Unsere kostenlose Downloadreihe des „Systemfehlers“, zu deren Vielfalt jeder, der etwas zu unseren politischen und gesellscha� lichen Systemen zu sagen hat, der den Mut hat, sich mit seiner Meinung auch der Öff entlichkeit zu stellen, seinen Beitrag leisten darf. Sogar herzlich dazu aufgerufen ist. Wir freuen uns über zwei Neuzugänge solcher mutigen Menschen, die unsere Webseite wie aber auch den mündigen und hoff entlich kritischen Bürger (ein paar gibt es ja glücklicherweise noch), somit eben einen Teil unserer Gesellscha� , bereichern. Die Rede ist von unserem Gastautoren Thomas Langkau, welcher uns in seinem „Systemfehler“ u.a. auf eine spannende Kreuzreise durch das südliche Mi� elmeer schickt, sowie von unserer Autorin Sybille Lengauer, welche sich in ihren „Drei Heimatgedichten“ ein Stück weit Deutschland der Gegenwart annimmt, somit auch gleich Einblick gewährt in ihr jüngst erschienenes Buch „Goldstaub und Ruinen“. Doch nicht nur unsere Autorinnen und Autoren stoßen immer wieder auf kleine und gemeine Tücken. Wenn auch Sie einen Systemfehler entdeckt haben und der Meinung sind, diese Lücke gilt es zu schließen - wir haben noch Lücken. Schreiben Sie und bewerben Sie sich mit Ihren Erlebnissen, Endrücken, Tatsächlichkeiten. Schauen Sie sich um in der Welt, bewerten, urteilen und schätzen Sie. Und wenn es sein muss, verurteilen Sie auch. Ob ARGE, Frau Merkel und Ihr Anhängsel Guido Westerwelle, der zornige Autofahrer an der roten Ampel, der grimmige Alt-Faschist aus Ihrer Nachbarscha� oder die sparsame Verkehrsgesellscha� Ihrer Stadt, die aus lauter Sparwahn fast vergessen hat, dass es Winter und Sommer gibt... All dies und noch viel mehr bietet mehr als Zündstoff für unsere Systemfehler. Aber... bi� e bleiben Sie bei der Wahrheit. Und sachlich. Auch, wenn es manchmal schwer fällt :-).Wir freuen uns über unsere Neuzugänge, welche Sie im Downloadbereich fi nden sowie auf Ihre Geschichten. Und allen anderen: Viel Spaß beim Entdecken unserer Systemfehler unter www.EditionPaperONE.de

„Fahrenheit 450“ ist das offi zielle Lite-

raturZine der Edition PaperONE Verlags-

gesellschaft GbR mit Sitz in Leipzig und

erscheint in unregelmässigen Abständen als

kostenlose Print- und Onlineausgabe.

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ist der Verlag. Das Copyright auf allen

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liegt beim Verlag, sofern nichts Anderes

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geln jeweils immer nur die Meinung des

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Kein schöner Land

(???)

Drei Heimatgedichte mit Fragezeichen von

Sybille Lengauer

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Auf dem Laufenden bleiben und mit etwas Glück ein Wunschbuch gewinnen!

Ihr mögt unsere Bücher, Autoren, Veranstaltungen? Dann tragt Euch auf un-serer Webseite in unseren Newsle� er ein. Nicht nur, dass Ihr somit stets über alle wichtigen, schönen und interessanten Dinge in unserem Verlag auf dem Laufenden bleibt.. nein... Ihr nehmt somit automatisch auch an unserer mo-

natlichen Verlosung teil und habt die Möglichkeit auf einen Buchgewinn. Das Beste daran: Ihr dür� Euch Euren Gewinn selber aussuchen :-).

Der monatliche Gewinner wird selbstverständlich nach Auslosung per eMail informiert.

Mitarbeiter des Verlags dürfen nicht mitmachen. Müssen sie aber auch nicht, da diese ohnehin schon alle Bücher haben :-).

Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Dieser Zusatz klingt zwar bürokratisch, gehört jedoch leider trotzdem hier hin.

PS: Nein, wir gehören nicht zu den Spamern und Massenmailversendern. Newsle� er gibt es wirklich nur dann, wenn es auch News gibt :-)

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MENSCHENWÜRDE ZURÜCK

Klaus Märkert (Leseprobe aus dem Buch „Der Tag braucht das Licht - Ich Nicht!“

Es ist Samstag, es ist November, es ist nasskalt, innen wie außen und nebelig trüb. In neunzig Minuten werde ich Simone Matschinski küssen. Zungenküsse. Eine ganze Stunde lang. Öff entlich, hier im Come In , einer der Szenekneipen in der Stadt. Von Dreiundzwanzig Uhr bis Mi� ernacht, zur besten Zeit, wenn der Laden richtig voll ist, damit es alle sehen. Simone Matschinski, besser bekannt unter dem Namen Matsche. Warum sie so genannt wird? Warum wohl? Simone ist blass im Gesicht, damit meine ich nicht etwa eine noble Blässe, sondern eine teigige. Ihr Gesicht ist rund und teigig, und sie trägt eine Hornbrille mit altertümlich bernsteinfarbener Fassung, also Bernstein in dunkel, mit fe� en Gläsern, hinter denen ihre Pupillen unnatürlich vergrößert wirken, dazu kleidet sie sich mit mausgrauen Faltenröcken, weißen Kniestrümpfen und Birkenstock Gesundheitsschuhen. Matsche ist etwa einen Meter neunzig groß und dürr wie ein Kleiderständer. „Matsche ist gar keine Frau, Matsche ist ein Wesen.“ Meine Worte auf einer dieser Schülerpartys, seitdem hat sie den Namen weg. Alles Jahre her, und doch immer noch topp aktuell.

„Und was soll ich mit meinen Händen machen, während ich dich küsse?“, fragte ich die Matschinski vor drei Tagen, und sie sagte ganz ruhig. „Na was ihr Typen so macht mit euren Händen, wenn ihr auf eine Frau abfahrt und sie küsst: Grapschen und Fummeln.“ Ich schluckte, obwohl sich alle Flüssigkeit aus meinem Mund längst aus Furcht davon gemacht ha� e, und der Halsbis weit in die Speiseröhre hinab komple� ausgetrocknet dalag. „Und was machen wir, wenn Isa vorbeikommt?“, fragte ich spürbar erregt. Keineswegs von der Vorstellung mit Matsche herumzumachen, sondern nur weil ich ein Treff en dieser Konstellation ganz ungeheuerlich fand. Alptraumlike. The Saw Like. „Na was wohl? Du wirst sie wegschicken, deine kleine, süße Isa, du wirst sie nach Hause schicken und ihr sagen, dass es aus ist zwischen

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euch, weil du mich jetzt liebst. Und dann wirst du mir zum Beweis einen besonders langen Kuss geben.“ Ganz spontan wollte ich antworten. „Hey Matsche, du hast ja wohl den Knall nicht gehört. Schau mal in den Spiegel, wenn du da überhaupt ganz rein passt, und dann komm mal ganz rasch wieder runter.“ Aber ich sagte nichts dergleichen. Saß nur da und schwieg und wollte nicht glauben, was da abgegangen war.„Noch Fragen Casanova?“, Matsche kam ungeheuer cool rüber, kein bisschen die Frau, die sie bisher war. In hundert Jahren hä� e ich nicht damit gerechnet, dass derartige Gedanken, Sprüche, ja Handlungsmöglichkeiten in Simone Matschinski lauern mochten. „Und wenn ich tatsächlich alles so mache wie du willst, ist es dann vorbei?“„Dann ist es vorbei, was denkst du denn, meinst du ich fahre tatsächlich auf so einen Idioten wie dich ab?“Matsche wurde immer unglaublicher, da brachen wohl alle Dämme in ihr. „Also gibst du mir die Fotos und die Speicherkarte und eine schri� liche Erklärung, dass du mich in Ruhe lässt danach? „Kein Problem Casanova, Hauptsache du bist am Samstag pünktlich um elf da und tust genau das, was du tun sollst. Solltest du Zweifel bekommen, denk immer daran, Ich weiß, was du letzten Sommer in der Hand ha� est. Und was noch besser ist, ich kann es beweisen!“Und damit erhob sie sich und spazierte von dannen. Ich sah wie sie sich davon machte in leicht gebückter Haltung, um nicht mit der Deckendekoration zu kollidieren, und ich hörte das quietschende Geräusch, das ihre Schuhe machten beim Schri� e setzen. Sie setzte große Schri� e. Dreimal Quietschen und sie befand sich schon an der Tür. Matsche in Siebenmeilentretern, dachte ich, normaler Weise ein guter Joke, gut für einen Lacher. Dieses Mal nicht. An der Tür drehte sie sich noch einmal nach mir um und winkte mit ihren großen knochigen Händen, und die Deckenbeleuchtung brach sich in den Gläsern ihrer Hornbrille.„Von Vorne wie Hinten“, dachte ich, da stimmt auch nicht die Seitenansicht und nicht einmal die von oben aus der Lu� , selbst von der Kirchturmspitze aus gesehen war Matsche wie Matsche. Und in drei Tagen schon würde ich diese Frau küssen. Ich ha� e keine Wahl, und ich konnte es keinem erklären, Isa schon gar nicht. Ich saß in der Falle, und angefangen ha� e alles mit der Menschenwürde, die ich zurück bekommen sollte.

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Im Frühjahr, kurz vor den Wahlen wurde von einigen Politikern ein Projekt angeschoben, bei dem Langzeitarbeitslose ihre abhanden gekommene Menschenwürde zurückerobern konnten und zwar wahlweise durch Fegen im Park oder Vorlesestunden im Altenheim.

Ich war Langzeitarbeitsloser und wählte Variante zwei. Las den Omas Rosamunde Pilcher vor, Gaslicht und Ärzteromane und den Männern Gebrauchsanweisungen, Fußballbücher und Computerzeitschri� en. Alles easy soweit, und wenn’ s der Menschenwürde förderlich ist, dachte ich, spürte aber während meiner Stunden im Altenheim nichts als Müdigkeit und den Drang ständig auf die Uhr zu sehen. Das zumindest war bei Erwin Trappmann anders. Trappmann war achtundachtzig und so ne Mischung aus verbi� ert verknöchertem Alten mit Hosenträgern und krummen Rücken und den Resten eines strammem Soldaten mit Adlerblick, der seinen Krückstock wie ein Gewehr hielt. „Was Vorlesen?“, bellte er mich an, „wozu? Bücher taugen nichts. Stehen nur Lügen drin und dummes Zeug.“„Okay.“, sagte ich, „dann gehe ich wieder, soll ja keiner gezwungen werden.“Ich drehte mich von ihm weg und machte wohl schon ein zwei Schri� e Richtung Wohnungstür als Trappmann mit seinem Krückstock auf den Boden stamp� e: „Halt, bleiben sie stehen!“, rief er, und ich dachte, au Mann, was für ein Stimmvolumen, der war bestimmt früher bei Polizei oder beim Wachdienst.„Sie lesen mir vor, was ich will?“, donnerte Trappmann. „Klar doch“, sagte ich.Dann hieß mich Trappmann auf der Couch Platz zu nehmen, bot mir einen Tee an und während ich Zucker in den Tee rührte, kramte Trappmann in seinem Schrank.Er kam mit einem Buch zurück.„Ich habe die Seite schon aufgeschlagen, mit der sie beginnen können, also fangen sie an.“, sagte er.Das Buch war von anno Tobak und entsprechend in diesem Uraltdeutsch geschrieben. Kaum zu entziff ern. Dennoch gab ich mir alle Mühe. Nach dem fün� en oder sechsten Satz, stoppte ich jedoch abrupt, sah Trappmann an und sagte:„Das können sie mal allein lesen, das ist doch Nazikram.“ „Und wenn schon“, sagte Trappmann, „lesen Sie weiter oder wollen Sie, dass ich der Agentur melde, Sie hä� en sich geweigert?“

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„Ich zeig Sie an.“, sagte ich. „Na und? mir passiert schon nichts, aber Sie kriegen die Leistungen gekürzt, wenn ich angebe, sie hä� en mir nichts vorgelesen.“ Ich sah auf die Armbanduhr. Noch zehn Minuten bis Feierabend. Wozu jetzt Ärger machen, dachte ich, lies dem alten Nazikopp noch ein paar Zeilen von seinem Quark vor und morgen ist ein neuer Tag. Und so las ich weiter, und nach exakt zehn Minuten klappte ich das Buch zu und machte, dass ich davon kam.Das war im Juli, lag also mi� lerweile vier Monate zurück. Keine Ahnung wie Matsche davon erfahren ha� e, auf alle Fälle wusste sie es. Vielleicht war sie verwandt mit diesem ewig gestrigen Idioten und hielt sich irgendwo im Zimmer versteckt, während meiner Vorleseaktion. Hinter dem Vorhang oder auf dem Klo, keine Ahnung. Jedenfalls kam sie vor drei Tagen mit der Nummer, sie hä� e Fotos gemacht, auf denen deutlich zu sehen sei, dass ich dem alten Mann aus dem Buch vom Führer, diesem Mein Kampf vorgelesen hä� e und wenn sie das bekannt machte, wäre ich für alle Zeiten erledigt. „Als Nazi bist du überall unten durch.“, sagte sie.

Ich sitze also im Come Inn und trinke die Minuten weg, die gesamten neunzig Minuten Wartezeit. Dreiundzwanzig Uhr kommt, Matsche kommt. Ihr Gesicht ist wieder wie Kuchenteig. Es gibt keine langen Vorreden. Wir knutschen und fummeln. Und dann kommt Isa, und ich sage ihr tatsächlich, dass ich jetzt mit Matsche zusammen bin.Isa lacht, alle lachen. Die Kneipenwände wackeln als hä� e die Richterskala mal eben auf die Schnelle ein paar Points gutgemacht. Ich kann froh sein, dass keiner von der Presse da ist, sonst wäre ich mit der Nummer morgen in der Zeitung. Isa tippt sich mit dem Zeigefi nger an die Stirn und dann ist sie weg.

So hast du sie also zurück deine Menschenwürde, denke ich wenig später, als sich Matsches Zunge unter meine schiebt.

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Werksta� -Cafe Seltsam

Merseburger Str./ Ecke Karl-Heine-Str./

Leipzig.Plagwitz

Der kleine Laden an der Ecke Karl-Heine-

Str/Merseburgerstr. entwickelt sich immer

mehr zum echten Szene-Tip. Vormals als

Selbsthilfewerksta� für Zweiradfreunde von

Fahrradkurier AlexMurawski ins Leben gerufen, lässt sich nun in den Nachmi� ags- oder frühen Abendstunden gut auf einen Milchkaff ee oder Espresso zu angenehmen Preisen vorbeischauen, während im Hintergrund eifrig geschraubt wird. Ein weiterer angenehmer Nebeneff ekt, der für uns rauchende Verleger der Edition PaperONE diesen kleinen Laden sympathisch macht: Die Zigare� e zum Kaff ee ist im Dr. Seltsam legitim und es überstrei� einen nicht wie anderorts das vage Gefühl bei diesem mehr und mehr stigmatisierten Hobby einer verbrecherischen Handlung nachzugehen. Daneben bietet Dr. Seltsam in den Abendstunden o� mals ein a� raktives Kulturprogramm. So hat sich die Lesebühne Roman C, gegründet von einigen jungen Leipziger Nachwuchsautoren, dort angesiedelt und hin und wieder steigen kleine Clubkonzerte. Das Werksta� cafe ist von Montag bis Freitag von 9-20 Uhr geöff net. Für aktuelle kulturelle Events empfi ehlt es sich, ein Blick auf die facebook-Seite zu werfen.

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Find‘ mich, nimm‘ mich, lies‘ mich!Die Fahrenheit auf großer Fahrt.

Dinge zu machen, die andere nicht machen, gehört schon fast ein weng zur Tradition unseres Verlages. Diese Beinah-Tradition möchten wir nun ergänzen, indem wir uns ein kleines Such- und Finde-Spiel für Euch ausgedacht haben, zu welchem Ihr herzlich aufgerufen seid, teilzunehmen. Mit dieser Ausgabe Eurer Fahrenheit 450 nämlich werden wir uns in den kommenden Monaten daran set-zen, diese Ausgabe an allen erdenklichen Stellen und Plätzen auszulegen und zu streuen. Dies kann in eurem LieblingsCafe, als Beilage in einer Buchauslieferung sein oder eben auch im ICE, in einem Germanwings-Flieger, in einem Holzboot in der Halong-Bucht in Vietnam oder im Wartezimmer der ARGE. Ganz gleich, wo wir uns in der nächsten Zeit rumtreiben, die Fahrenheit wird dabei sein und ihre LeserInnen, vielleicht ja sogar Dich, suchen. Du musst sie nur noch fi nden. Und da wir neugierig sind, wo Du (D)eine Fahrenheit entdeckt hast, teile uns dies einfach per Mail mit. Aus allen Einsendern verlosen wir bis zur nächsten Ausgabe der Fahrenheit ein Wunschbuch aus unserem Verlag. Wir sind ge-spannt und neugierig, wo ihr Eure neueste Ausgabe der Fahrenheit entdeckt habt. Der Rechtsweg bleibt auch hier ausgeschlossen.