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Falk Gastro-Kolleg Darm Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg 1 Titelbild: Kollagene Kolitis, breites Kollagenband unter dem Epithel Prof. Dr. S. Miehlke* Magen-Darm-Zentrum Internistische Kooperation Eppendorf Eppendorfer Landstr. Hamburg PD Dr. A. Madisch Medizinische Klinik I Klinikum Region Hannover GmbH Klinikum Siloah Roesebeckstr. Hannover *Korrespondierender Autor Mikroskopische Kolitis – Update 2012 Zusammenfassung Die mikroskopische Kolitis ist eine entzündliche Erkrankung des Kolons, die nicht anhand makroskopischer Veränderungen, sondern nur histologisch diagnostiziert werden kann. Die kollagene und die lymphozytäre Kolitis können unterschieden werden. Beide Erkrankungen treten vorwiegend im höheren Lebensalter auf. Die Symptome sind eine wässrige Diarrhö, auch in der Nacht, eine Gewichtsabnahme, seltener Bauchschmerzen. Oft vergeht eine längere Zeit, bis die Diagnose histologisch (!) gestellt wird. Als Therapie der Wahl gilt heute die Gabe von Budesonid, Prednison/Prednisolon ist weniger gut wirksam. Über die Dauer der Therapie besteht noch keine Einigung. Nach Absetzen des Medikaments kommt es häufig zu histologischen und symptomatischen Rezidiven. Dennoch ist die Prognose gut, meist ist allerdings eine lang dauernde Therapie erforderlich. Schlüsselwörter Kollagene Kolitis | lymphozytäre Kolitis | sekretorische Diarrhö | Budesonid | Prednison | Immunsuppression | Colestyramin | Mesalazin

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Falk Gastro-Kolleg

Darm

Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

1

Titelbild: Kollagene Kolitis, breites Kollagenband unter dem Epithel

Prof. Dr. S. Miehlke*Magen-Darm-ZentrumInternistische Kooperation EppendorfEppendorfer Landstr. Hamburg

PD Dr. A. MadischMedizinische Klinik IKlinikum Region Hannover GmbHKlinikum SiloahRoesebeckstr. Hannover

*Korrespondierender Autor

Mikroskopische Kolitis – Update 2012Zusammenfassung

Die mikroskopische Kolitis ist eine entzündliche Erkrankung des Kolons, die nicht anhand makroskopischer Veränderungen, sondern nur histologisch diagnostiziert werden kann. Die kollagene und die lymphozytäre Kolitis können unterschieden werden. Beide Erkrankungen treten vorwiegend im höheren Lebensalter auf. Die Symptome sind eine wässrige Diarrhö, auch in der Nacht, eine Gewichtsabnahme, seltener Bauchschmerzen. Oft vergeht eine längere Zeit, bis die Diagnose histologisch (!) gestellt wird. Als Therapie der Wahl gilt heute die Gabe von Budesonid, Prednison/Prednisolon ist weniger gut wirksam. Über die Dauer der Therapie besteht noch keine Einigung. Nach Absetzen des Medikaments kommt es häufig zu histologischen und symptomatischen Rezidiven. Dennoch ist die Prognose gut, meist ist allerdings eine lang dauernde Therapie erforderlich.

Schlüsselwörter

Kollagene Kolitis | lymphozytäre Kolitis | sekretorische Diarrhö | Budesonid | Prednison | Immunsuppression | Colestyramin | Mesalazin

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Mikroskopische Kolitis – Update 2012

Epidemiologie und natürlicher Verlauf

Die mikroskopische Kolitis ist eine chronisch entzündliche Darmerkrankung, die in der Vergangenheit in ihrer Häufigkeit und klinischen Relevanz unterschätzt wurde [1]. Neuere epidemiologische Studien aus Europa und Nordamerika zeigen eine deutlich steigende Inzidenz und Prävalenz [2, 3] (Tab. 1). Ob es sich dabei um eine Folge erhöh­ter Wachsamkeit, um eine wahre Zunahme der Erkrankung oder um eine Kombina­tion von beidem handelt, ist nicht vollständig geklärt. Fallberichte und Kohorten­studien aus Asien, Afrika, Lateinamerika und Australien deuten darauf hin, dass die mikroskopische Kolitis weltweit auftritt. Mittlerweile kann davon ausgegangen werden, dass die mikroskopische Kolitis eine ähnliche Häufigkeit aufweist wie der Morbus Crohn oder die Colitis ulcerosa. Die Erkrankung zeigt eine deutliche weibliche Prädominanz (70–75%). Das durchschnittliche Alter bei Diagnosestellung liegt um die 60 Jahre, wobei 25% der Patienten jünger als 45 Jahre sind [4]. Bei älteren Patienten wurde in bis zu 20% der Fälle die mikroskopische Kolitis als Ursache der Diarrhö be­schrieben. Auch bei Kindern ist die mikroskopische Kolitis kasuistisch beschrieben.

In bis zu 40% der Fälle beginnt die Erkrankung mit einer akuten Episode. Der Verlauf ist in den meisten Fällen chronisch rezidivierend. Basierend auf neueren prospektiven Studien erleiden 60–80% der Patienten nach Beenden einer effektiven Therapie ein symptomatisches Rezidiv, die meisten davon innerhalb der ersten 3 Monate. Es scheint, dass die lymphozytäre Kolitis im Vergleich zur kollagenen Kolitis seltener rezi­diviert. Schwere Komplikationen der mikroskopischen Kolitis sind selten, lediglich in Einzelfällen wurde über spontane Perforationen während der Koloskopie berichtet. Ein erhöhtes Darmkrebsrisiko scheint nicht zu bestehen.

Tab. 1

P Die mikroskopische Kolitis ist eine chronisch entzündliche Darmerkran­kung mit einer steigenden Inzidenz. Betroffen sind vor allem Frauen in der zweiten Lebenshälfte.

Inzidenz der mikroskopischen Kolitis (modifiziert nach [1])

Region Zeitraum Kollagene Kolitis

Lymphozytäre Kolitis

Örebro, Schweden 1984–1988 0,8 –

Örebro, Schweden 1989–1993 2,7 –

Örebro, Schweden 1993–1995 3,7 3,1

Örebro, Schweden 1996–1998 6,1 5,7

Örebro, Schweden 1999–2003 4,7 5,1

Örebro, Schweden 2004–2008 5,8 4,5

Terassa, Spanien 1993–1997 1,1 3,1

Terassa, Spanien 2004–2008 2,6 2,2

Olmstead County, USA 1985–1997 1,6 2,7

Olmstead County, USA 1998–2001 7,1 12,6

Calgary, Kanada 2002–2004 4,6 5,4

Calgary, Kanada 2004–2008 7,2 14,0

Zeeland, Dänemark 2002–2010 10,8 6,7

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Risikofaktoren und assoziierte Erkrankungen

Bisher ist nur wenig über Risikofaktoren der mikroskopischen Kolitis gesichert. In 3 Kohortenstudien konnte kürzlich gezeigt werden, dass Tabakrauchen offenbar einen wichtigen Risikofaktor für die kollagene (OR = 2,4, 1,5–2,8) und die lymphozytäre Kolitis (OR = 1,6, 1,0–2,5) darstellt. Zudem erkrankten Raucher im Durchschnitt 10 Jahre früher als Nichtraucher [5].

Zahlreiche Medikamente wurden in der Literatur als potenzielle Auslöser bzw. Risiko­faktoren einer mikroskopischen Kolitis beschrieben, allerdings ist ein kausaler Zu­sammenhang für die meisten nicht gesichert. In Fallkontrollstudien wurde eine Assoziation zu nicht­steroidalen Antirheumatika, Protonenpumpenhemmern, Seroto­nin­Wiederaufnahmehemmern, Statinen und Betablockern beschrieben [6].

Auch Infektionen wurden als mögliche Auslöser der mikroskopischen Kolitis beschrie­ben, wobei es sich dabei auf kasuistische Berichte (E. coli, Campylobacter, Clostridium difficile) oder auf inkonsistente Fallserien (Yersinien) beschränkt.

Autoimmunerkrankungen wie rheumatische Erkrankungen, Schilddrüsenerkrankun­gen, Zöliakie und Diabetes mellitus sind bei Patienten mit kollagener (OR = 11,0, 5,1–23,8) und lymphozytärer Kolitis (OR = 16,6, 6,4–43,1 signifikant häufiger zu finden.

Klinische Symptome und Lebensqualität

Das Leitsymptom der mikroskopischen Kolitis ist die wässrige, nicht­blutige Diarrhö, die im Gegensatz zu Patienten mit Reizdarmsyndrom fast täglich auftritt. Häufig be­stehen auch nächtliche Durchfälle, imperativer Stuhldrang, Bauchschmerzen und leichter Gewichtsverlust (Tab. 2) [4]. Die kollagene und die lymphozytäre Kolitis sind anhand des Symptomspektrums nicht unterscheidbar, allerdings scheint die Symp­tomlast bei lymphozytärer Kolitis tendenziell geringer zu sein. Schwere Dehydratatio­nen sind selten.

P Rauchen ist wahrscheinlich ein wichtiger Risikofaktor für die mikro­skopische Kolitis. Der Einfluss von Rauchstopp auf den Krankheits­ verlauf ist nicht bekannt.

P Das Leitsymptom der mikroskopi­schen Kolitis ist die fast täglich auf­tretende, wässrige, nicht­blutige Diarrhö. Häufig existieren auch Bauch­schmerzen und nächtliche Durchfälle.

Tab. 2Klinische Charakteristika der mikroskopischen Kolitis (modifiziert nach [4])

Diagnose Kollagene Kolitis

n = 270

Lymphozytäre Kolitis

n = 168

Inkomplette MC

n = 101

Alter (Jahre) 65 63 62

Weibliches Geschlecht (%) 74 64 82

Monate bis zur Diagnose 6 4 5

Stühle/Tag (n) 7 6 5

Wässrige Diarrhö (%) 92 88 68

Nächtliche Diarrhö (%) 57 39 31

Abdominelle Schmerzen (%) 48 52 56

Gewichtsverlust (%) 59 48 59

Imperativer Stuhldrang (%) 74 67 75

Inkontinenz (%) 43 34 22

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Patienten mit mikroskopischer Kolitis haben eine signifikant reduzierte Lebensqua­lität, vergleichbar mit Patienten mit Colitis ulcerosa (Abb.1). Während gegenwärtig keine validen Biomarker zur Bestimmung der Aktivität oder Remission der Erkrankung existieren, konnte in umfangreichen Lebensqualitätsanalysen bei Patienten mit kolla­gener Kolitis ein „Cut­off“ identifiziert werden, anhand dessen zwischen aktiver Erkran­kung und Remission unterschieden werden kann [7]. Demnach hatten Patienten mit ≥ 3 Stühlen/Tag oder ≥ 1 wässrigen Stuhl/Tag (basierend auf einer einwöchigen Sym­ptomregistrierung) eine signifikant eingeschränkte Lebensqualität (= aktive Erkran­kung). Demgegenüber hatten Patienten mit im Wochendurchschnitt < 3 Stühlen/Tag und < 1 wässrigen Stuhl/Tag eine normale Lebensqualität (= Remission).

Diagnostik und histologisches Spektrum

Die Diagnosestellung der mikroskopischen Kolitis basiert ausschließlich auf histopa­thologischen Befunden anhand von Stufenbiopsien des Kolons. Der endoskopische Befund ist üblicherweise unauffällig. Nur selten ist eine gering ödematöse oder ery­thematöse Schleimhaut zu finden. Ein ebenfalls seltener, aber suggestiver Befund sind sogenannte „mucosal tears“, die spontanen Schleimhauteinrissen während der Kolo­skopie entsprechen. Die topografische Verteilung der mikroskopischen Kolitis wird immer noch kontrovers diskutiert. Gegenwärtig wird empfohlen, im Colon ascendens, C. transversum und C. descendens/Sigma zu biopsieren. Eine Rektumbiopsie allein ist nicht ausreichend [4].

Histologisch findet sich bei der mikroskopischen Kolitis praktisch immer eine chroni­sche Inflammation der Lamina propria mit einer erhöhten Zahl von Lymphozyten und Plasmazellen. Bei der kollagenen Kolitis ist typischerweise das subendotheliale Kolla­genband verbreitert, wobei gegenwärtig als diagnostischer Grenzwert eine Breite >10 µm in gut orientierten Biopsien gilt (Abb. 2). In unsicheren Fällen wird eine Tenas­cin­ oder eine Van­Gieson­Färbung empfohlen. Bei der lymphozytären Kolitis findet man typischerweise eine erhöhte Anzahl intraepithelialer Lymphozyten (IEL), wobei ein Grenzwert von > 20 pro 100 Epithelzellen als diagnostisch gilt. In unsicheren Fällen wird eine CD3­Färbung empfohlen (Abb. 3)

Abb. 1

P Die mikroskopische Kolitis führt zu einer signifikanten Verschlechterung der Lebensqualität, vergleichbar mit der Colitis ulcerosa.

Einfluss der kollagenen Kolitis auf die Lebensqualität (sIBDQ)* und Einfluss der Therapie mit Budesonid (modifiziert nach [12]) *Jowett et al. Am J Gastroenterol 2001

Budesonid 9 mg/Tag für 8 Wochen

70

60

50

40

30

20

59,3

Normal Colitis ulcerosa Kollagene Kolitis Kollagene Kolitis

48,4

57,3

44,1

P Die mikroskopische Kolitis kann nur histologisch durch Stufenbiopsien des Kolons diagnostiziert werden. Histologisch werden heute 3 Subtypen unterschieden (kollagene Kolitis, lymphozytäre Kolitis, inkomplette mikroskopische Kolitis).

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Kritisch ist anzumerken, dass die derzeit verwendeten diagnostischen Kriterien nicht validiert sind und auch nicht mit klinischen Symptomen korrelieren. Zudem können die histologischen Veränderungen im Verlauf inkonsistent sein. Vor diesem Hinter­grund wurde jüngst ein dritter histologischer Subtyp der mikroskopischen Kolitis in die Diskussion geführt, der als inkomplette mikroskopische Kolitis (MCi) beschrieben wird. Darunter werden Patienten verstanden, die die typischen klinischen Symptome, eine chronische Inflammation der Lamina propria und eine erhöhte Anzahl an IEL oder ein verdicktes Kollagenband aufweisen, aber nicht die jeweiligen diagnostischen Grenzwerte erreichen [4].

Eine bildgebende Diagnostik ist bei gesicherter mikroskopischer Kolitis nicht indiziert. Fäkale Biomarker wie Calprotectin, Lactoferrin oder Myeloperoxidase haben in der Routinediagnostik bislang keinen gesicherten Stellenwert.

Abb. 2

Histologisches Bild der kollagenen Kolitis (links H&E-Färbung, rechts Goldner-Färbung) mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. Daniela Aust, Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Dresden

Abb. 3

Histologisches Bild der lymphozytären Kolitis (links H&E-Färbung, rechts CD3-Färbung) mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. Daniela Aust, Institut für Pathologie, Universitätsklinikum Dresden

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Ätiologie und Pathophysiologie

Die Ätiologie und Pathophysiologie der mikroskopischen Kolitis ist nicht vollständig geklärt und wahrscheinlich multifaktoriell [1]. Für einen möglichen genetischen Hin­tergrund sprechen die Beobachtung einer familiären Häufung und die Assoziation zu bestimmten HLA­Typen und TNF2­Allelen. Weiterhin wurde eine Assoziation zu einem Polymorphismus im Matrix­Metalloproteinase (MMP)­9­Gen beschrieben.

In­vitro­Experimente konnten zeigen, dass eine signifikante Störung der Mukosabarri­ere besteht, die zu einer transmukosalen Aufnahme nicht­pathogener Darmbakterien führt. Unklar ist, ob es sich dabei um ein primäres oder ein sekundäres Phänomen handelt. Die Ursache für die Kollagenbandverbreiterung bei der kollagenen Kolitis ist eine Imbalance zwischen Fibrogenese und Fibrolyse, an der eine Restriktion von MMPs, ein Anstieg von MMP­Inhibitoren sowie eine Überexpression von Mediatoren wie TGFβ1 und VEGF beteiligt sind. Der Pathomechanismus der Diarrhö bei kollagener Kolitis besteht zum einen in einer reduzierten Resorption von Na+­ und Cl–­Ionen auf­grund defektiver Transportermechanismen und der Dicke des Kollagenbandes. Des Weiteren spielt eine aktive Sekretion von Cl–­Ionen sowie eine sogenannte „leak­flux­induzierte Diarrhö”, bedingt durch eine verminderte Funktion von tight­junction­Mo­lekülen, eine wichtige Rolle [8]. Im Rahmen der intestinalen Inflammation sind einer Vielzahl von Zytokinen und Mediatoren beschrieben worden, aus denen sich bislang aber keine klinische Relevanz ergibt. Die kollagene Kolitis weist ein TH1­dominates Zytokinprofil (IFN­γ, IL­15, TNF­α) auf.

Therapie

In der Therapie der mikroskopischen Kolitis muss der Schweregrad der Symptomatik, die Beeinträchtigung der Lebensqualität und die Verfügbarkeit randomisierter Studi­en berücksichtigt werden. Das primäre Therapieziel ist das Erreichen einer klinischen Remission und die Normalisierung der Lebensqualität. Bei Patienten mit rezidivieren­der Erkrankung ist eine effektive remissionserhaltende Therapie wünschenswert.

In der Vergangenheit basierte die Therapie der mikroskopischen Kolitis weitgehend auf unkontrollierten Observationsstudien, deren Bewertung durch den variablen Ver­lauf der Erkrankung und die Verwendung uneinheitlicher Response­Kriterien einge­schränkt war. Mittlerweile liegen mehrere randomisierte plazebokontrollierte Studien vor, auf deren Grundlage ein rationales und evidenzbasiertes therapeutisches Vor­gehen möglich ist.

Die stärkste Evidenz existiert gegenwärtig für orales Budesonid, einem topisch wirksa­men Steroid mit einem hohen hepatischen First­pass­Effekt und einer minimalen sys­temischen Bioverfügbarkeit. In 4 plazebokontrollierten Studien hat sich Budesonid 9 mg täglich in der Kurzzeittherapie der kollagenen Kolitis als hocheffektiv erwiesen (Abb. 4) [9]. Metaanalytisch beträgt die klinische Ansprechrate bzw. Remissionsrate ca. 80% mit einer Number­Need­to­Treat (NNT) von 2 [10]. Für die lymphozytäre Kolitis existieren bislang 2 plazebokontrollierte Studien, die ähnlich hohe Ansprechraten für Budesonid gezeigt haben (Abb. 5) [11]. Nach Beenden einer wirksamen Kurzzeitthera­pie kommt es in bis zu 80% der Fälle zu einem symptomatischen Rezidiv. In 2 plazebo­kontrollierten Studien konnte gezeigt werden, dass eine Therapie mit Budesonid 6 mg täglich für 6 Monate in ca. 80% der Fälle eine Remission erhalten kann (NNT 2) [12].

P Die Ätiologie und Pathophysiologie der mikroskopischen Kolitis ist multifaktoriell.

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Prednisolon wurde in einer randomisierten Studie untersucht, hat jedoch keine Über­legenheit gegenüber Plazebo gezeigt. Zudem weist Prednisolon im metaanalytischen Vergleich ein deutlich schlechteres Nebenwirkungsprofil auf. Mesalazin 3 g täglich konnte in einer aktuellen europäischen Multizenterstudie bei Patienten mit kollage­ner Kolitis keine Überlegenheit gegenüber Plazebo zeigen. Auch alternative Therapie­ansätze wie Probiotika oder Weihrauchextrakt haben in plazebokontrollierten Dop­pelblindstudien keinen signifikanten Vorteil gegenüber Plazebo zeigen können. Bismutsubsalizylat war in einer kleinen plazebokontrollierten Studie bei Patienten mit kollagener und lymphozytärer Kolitis besser als Plazebo. Allerdings wurde diese Stu­die 1999 nur als Abstrakt berichtet und nie voll publiziert. Loperamid, Colestyramin und E. coli Nissle 1917 scheinen in unkontrollierten Observationsstudien und auch im klinischen Alltag einen gewissen Effekt zu haben, allerdings wurde deren Wirksamkeit nie formal in adäquaten Studien untersucht.

Abb. 4

Klinisches Ansprechen auf Budesonid 9 mg täglich für 6–8 Wochen bei kollagener Kolitis

100

80

60

40

20

0

73

25

77

12

100

20

80

38

% Remission/Response Budesonid

Plazebo

Beart, Gastroenterology

2002

Miehlke, Gastroenterology

2002

Bonderup, Gut 2002

Miehlke, DDW 2012

Abb. 5

P Bei aktiver mikroskopischer Kolitis ist Budesonid die Therapie der ersten Wahl. Evidenz­basierte Alternativen zu Budesonid sind bislang nicht verfügbar.

Klinisches Ansprechen auf Budesonid 9 mg täglich für 6–8 Wochen bei lymphozytärer Kolitis

100

80

60

40

20

0

86

48

91

25

% Remission/Response Budesonid

Plazebo

Miehlke, Gastroenterology 2009

Pardi, DDW 2009

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Zu Immunsuppressiva wie Azathioprin und Methotrexat existieren bisher nur wenige widersprüchliche Berichte, sodass diese Substanzen nicht generell empfohlen wer­den können. Mittlerweile liegen auch erste positive Erfahrungen zu Adalimumab und Infliximab bei einzelnen Patienten mit therapierefraktärer mikroskopischer Kolitis vor, sodass bei solchen Patienten ein individueller Therapieversuch mit diesen Substanzen gerechtfertigt scheint, bevor eine chirurgische Therapie im Sinne einer Ileostomie in Erwägung gezogen wird [13].

Basierend auf den bislang verfügbaren Daten klinischer Studien wurde von der European Microscopic Colitis Group (EMCG) ein Therapiealgorithmus entwickelt [1], der topisches Budesonid als Therapie der ersten Wahl bei allen Patienten mit aktiver mikroskopischer Kolitis empfiehlt (Abb. 6). Bei nur milder Symptomatik kann alternativ auch Loperamid oder Colestyramin erwogen werden. Kommt es nach Beenden einer effektiven Therapie mit Budesonid zu einem symptomatischen Rezidiv, wird eine er­neute Therapie mit Budesonid in möglichst niedriger Dosis empfohlen. Bei fehlendem Ansprechen auf Budesonid oder Unverträglichkeit sind in Abhängigkeit von der Schwere der Diarrhö Immunsuppressiva oder anti­TNF­α­Antikörper in Erwägung zu ziehen. Die Ileostomie gilt als ultima ratio.

Zu empfehlende Literatur

1 Münch A, Aust D, Bohr J, Bonderup O, Bañares FF, Hjortswang H, Madisch A, Munck LK, Ström M, Tysk C, Miehlke S; for the European Microscopic Colitis Group (EMCG). Microscopic colitis: Current status, present and future challenges: Statements of the European Microscopic Colitis Group. J Crohns Colitis 2012. [Epub ahead of print]

2 Olesen M, Eriksson S, Bohr J, Järnerot G, Tysk C. Microscopic colitis: a common diarrhoeal disease. An epidemiological study in Orebro, Sweden, 1993–1998. Gut 2004; 53: 346–350.

P In schweren therapierefraktären Fällen können Immunsuppressiva oder anti­TNF­α­Antikörper erwogen werden.

Abb. 6

Therapiealgorithmus der mikroskopischen Kolitis nach Empfehlungen der EMCG [1]

Aktive mikroskopische Kolitis

Medikamenten­assoziiert? Rauchstopp?

Loperamid Colestyramin

Mesalazin Bismut

Budesonid 9 mg/Tag, 6–8 Wochen

Budesonid 9 mg/Tag, dann niedrig dosiert (bis 6 mg/Tag)

+ Kalzium/Vitamin D

Nonresponse/Intoleranz

Azathioprin/6­MP, Adalimumab, Infliximab

Ileostomie

Nonresponse/Intoleranz

Überprüfen der Diagnose, Differenzialdiagnosen?

Rezidiv

evidenzbasiert empirisch

Literatur

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3 Pardi DS, Loftus EV Jr, Smyrk TC, Kammer PP, Tremaine WJ, Schleck CD, Harmsen WS, Zinsmeister AR, Melton LJ 3rd, Sandborn WJ. The epidemiology of microscopic colitis: a population based study in Olmsted County, Minnesota. Gut 2007; 56: 504–508.

4 Bjørnbak C, Engel PJ, Nielsen PL, Munck LK. Microscopic colitis: clinical findings, topography and persistence of histopatho­logical subgroups. Aliment Pharmacol Ther 2011; 34: 1225–1234.

5 Vigren L, Sjöberg K, Benoni C, Tysk C, Bohr J, Kilander A, Larsson L, Ström M, Hjortswang H. Is smoking a risk factor for collagenous colitis? Scand J Gastroenterol 2011; 46: 1334–1339.

6 Beaugerie L, Pardi DS. Review article: drug­induced microscopic colitis – proposal for a scoring system and review of the literature. Aliment Pharmacol Ther 2005; 22: 277–284.

7 Hjortswang H, Tysk C, Bohr J, Benoni C, Kilander A, Larsson L, Vigren L, Ström M. Defining clinical criteria for clinical remission and disease activity in collagenous colitis. Inflamm Bowel Dis 2009; 15: 1875–1881.

8 Bürgel N, Bojarski C, Mankertz J, Zeitz M, Fromm M, Schulzke JD. Mechanisms of diarrhea in collagenous colitis. Gastroenterology 2002; 123: 433–443.

9 Miehlke S, Heymer P, Bethke B, Bästlein E, Meier E, Bartram HP, Wilhelms G, Lehn N, Dorta G, DeLarive J, Tromm A, Bayerdörffer E, Stolte M. Budesonide treatment for collagenous colitis: a randomized, double­blind, placebo­controlled, multicenter trial. Gastroenterology 2002; 123: 978–984.

10 Stewart MJ, Seow CH, Storr MA. Prednisolone and budesonide for short­ and long­term treatment of microscopic colitis: systematic review and meta­analysis. Clin Gastroenterol Hepatol 2011; 9: 881–890.

11 Miehlke S, Madisch A, Karimi D, Wonschik S, Kuhlisch E, Beckmann R, Morgner A, Mueller R, Greinwald R, Seitz G, Baretton G, Stolte M. Budesonide is effective in treating lymphocytic colitis: a randomized double­blind placebo­controlled study. Gastroenterology 2009; 136: 2092–2100.

12 Miehlke S, Madisch A, Bethke B, Morgner A, Kuhlisch E, Henker C, Vogel G, Andersen M, Meier E, Baretton G, Stolte M. Oral budesonide for maintenance treatment of collagenous colitis: a randomized, double­blind, placebo­controlled trial. Gastroenterology 2008; 135: 1510–1516.

13 Esteve M, Mahadevan U, Sainz E, Rodriguez E, Salas A, Fernández­Bañares F. Efficacy of anti­TNF therapies in refractory severe microscopic colitis. J Crohns Colitis 2011; 5: 612–618.

Literatur

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Bitte beachten Sie:Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich.

Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro­Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken!

Wichtig:Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

Falk Gastro-Kolleg

Darm

Fragen zur mikroskopischen Kolitis

Frage 1:Welche Aussage zur Epidemiologie der mikroskopischen Kolitis trifft zu?

EE Die mikroskopische Kolitis ist ein sehr seltenes KrankheitsbildEE Die Inzidenz der mikroskopischen Kolitis ist rückläufigEE Die Häufigkeit entspricht der von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa EE Es sind überwiegend Männer betroffenEE Die mikroskopische Kolitis ist bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen

Frage 2:Welche Aussage zur Ätiologie der mikroskopischen Kolitis trifft nicht zu?

EE Es wird eine genetische Komponente angenommenEE Medikamente können als Auslöser eine Rolle spielenEE Rauchen scheint ein wichtiger Risikofaktor zu seinEE Nahrungsmittel spielen eine wichtige RolleEE Ein Gallensäureverlust kann als Ursache eine Rolle spielen

Frage 3:Welches ist das Leitsymptom der mikroskopischen Kolitis?

EE Abdominelle SchmerzenEE FieberEE GewichtsverlustEE Wässrige DiarrhöEE Obstipation

Frage 4:Welche der folgenden Antworten trifft nicht zu?

EE Die mikroskopische Kolitis ist eine Erkrankung des höheren LebensaltersEE Die mikroskopische Kolitis ist ein chronisches KrankheitsbildEE Die Symptomatik kann intermittierend verlaufenEE Die Lebensqualität wird durch die mikroskopische Kolitis nicht eingeschränktEE Es gibt aktuell keine kausale Therapie des Krankheitsbildes

Frage 5:Welches ist die wichtigste Differenzialdiagnose der mikrosko­pischen Kolitis?

EE Morbus CrohnEE Colitis ulcerosaEE ReizdarmsyndromEE DivertikulitisEE Ischämische Kolitis

Frage 6:Wie wird die Diagnose der mikroskopischen Kolitis gestellt?

EE LaborparameterEE AbdomensonografieEE Rektosigmoidoskopie mit BiopsieEE Hohe Koloskopie mit StufenbiopsieEE Gastroskopie mit Duodenalbiopsie

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Falk Gastro-Kolleg

Darm

Frage 7:Welche Therapie ist für die kollagene Kolitis zugelassen und stellt mittlerweile die Standardtherapie dar?

EE ColestyraminEE WeihrauchextraktEE BudesonidEE BismutEE Probiotika

Frage 8:Welches ist die korrekte Dosis von Budesonid in der Akuttherapie bei mikroskopischer Kolitis?

EE 3 mg/TagEE 6 mg/TagEE 9 mg/Tag EE 12 mg/TagEE 15 mg/Tag

Frage 9:Für welche Substanz liegen plazebokontrollierte Studien zur Erhaltungstherapie bei mikroskopischer Kolitis vor?

EE ColestyraminEE WeihrauchextraktEE BudesonidEE BismutEE Probiotika

Frage 10:Welche Aussage zum therapeutischen Management der mikro­skopischen Kolitis trifft nicht zu?

EE Die Therapie der Wahl bei Patienten mit mäßiger bis schwerer Symptomatik ist Budesonid 9 mg/Tag für 6–8 Wochen

EE Eine intermittierende Therapie mit Budesonid ist bei rezidivierenden Symptomen eine mögliche Therapiestrategie

EE Nach Erreichen einer Remission durch Budesonid sollte ein Auslassversuch erfolgen

EE Auch asymptomatische Patienten benötigen eine medikamentöse Therapie EE In schweren therapierefraktären Fällen kann eine anti­TNF­α­Therapie erwogen

werden