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Farbe und Licht

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Farbe und Licht

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Johannes Klinger

Farbe und LichtEine neue Innenarchitektur

Deutsche Verlags-Anstalt München

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Inhalt

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Farbe und Licht als innovative Werkzeuge 7

1 Kommunizieren mit Farbe und Licht in privaten Wohnräumen 8

Über die Unmittelbarkeit 11Die Wechselwirkung von Farbe und Licht 12Über die Platzierung 14Die Faszination des Neuen im Vertrauten 16Die emotionale Qualität der Dinge 18 Licht als skulpturales Element im Raum 20Eine neue Wirklichkeit? 23Dynamische Farbwechsel 24Der Wert des Besonderen 26

2 Farbe und Licht in der Architektur 30

Kommunikationsbereich: Dominante Gliederungsmerkmale 32Museum: Weiße Kunsthülle 34Raum-Kunstkonzept: Shining Islands 36Treppenhalle: Außerirdisch 38Stadtbibliothek: Wechselspiel von Fragen und Antworten 40Kasino: Licht- und Schattenspiel 42Uni-Lounge: Moderne Kommunikation in historischen Räumen 44Klinik: Gegenwärtig im Labyrinth 46Fabrik der Zukunft: Blau 48Bürogebäude: Transparenz und atmosphärische Dichte 50Foyer: Farbenergie für die Charakteristik des Raumes 52Wellness: Neue Energie durch Farbe und Licht 54

3 Farbe und Licht in privaten Wohnräumen 56

Die besondere Beziehung zwischen Mensch und Raum 58Eingangsbereich 60Treppenhäuser 62Inszenierte Wegeführung 64Reflektierende Oberflächen 66Einladend – der Essbereich 68Die Küche – Werkstatt für die Sinne 70

Wohnraum – vielfältiges Leben 76Wohnen und Gesundheit 78Traumhaft – der Schlafraum als Ressource für Energien 80Ruhe und Schatten mitentwerfen 82Lichtarchitektur und Badinszenierung 84

4 Farbe und Licht in Shops und Büros 88

Farben als Signale 90Effektive Büros durch optimale Farb- und Lichtstimmung 92Die Zukunft im Blick – intelligente Beleuchtungssysteme 94Schauplatz Galerie – über die Präsentation von Kunstwerken 96Das Dazwischen – Mischen von Farbe und Licht 98Shopper’s Space – die Choreographie des Luxus 100

5 Planungspraxis – Farbe 104

Entwürfe mit Farbe 106Strategien mit Farbe 108Neue Farboberflächen 110Neue transparente Oberflächen 112Transparente Untergründe 114

6 Planungspraxis – Licht 116

Grund- und Allgemeinbeleuchtung 118Akzentbeleuchtung 120Lichtwirkungen und Lichtaussagen 122Das Licht der Nacht 124

Anhang 126Personenregister 126Bildnachweis 126Literatur 127Adressen 128

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Farbe und Licht als innovative Werkzeuge

Der Siegeszug von Farbe und Licht in Architektur und Innenarchitektur hat viele Gründe, funktionale, technische, gestalterische und einige ganz elemen-tare: Licht bedeutet für uns Leben, und Farbe erle-ben wir als lebendige Gegenwart. Die Überlegungen der Quantenphysiker besagen sogar, dass unsere Welt nichts als Farbe und Licht sei.

Licht wird sichtbar, wenn es durch Farbe reflek-tiert wird. Nach einem lang anhaltenden Siegeszug der Farbe Weiß in der modernen Architektur ist die gegenwärtige Planungskultur auf dem besten Weg, Farbe und Licht in den Mittelpunkt der Designtätig-keit zu stellen. Kreative Architekten und Designer erkennen Farbe und Licht nicht mehr nur als ästhe-tischen oder funktionalen Wert, sondern nehmen sie als Schlüsselelemente der Gestaltung wahr. Farbe lässt Licht, Raum, Form, Bewegung, Zeit und Inhalte sichtbar werden – ist gleichzeitig Farbklang und Lichtklima.

Modernste Produkttechnologie, die den Men-schen wieder in den Mittelpunkt der Überlegungen stellt, und ohne die diese Entwicklungssprünge kaum vorstellbar wären, beginnt aber erst durch Kreativität sinnvoll und anregend zu wirken. Denn das, was bei schöpferischer Arbeit wirklich ent-steht, ist gerade der entscheidende immaterielle Mehr-Wert: Authentizität, Identität, unverwechsel-bare Orte, aber auch Wohlgefühl, Inspiration und

das Verstehen neuer Bedeutungen. All das hat mit Offenheit und Überzeugung, Charakter und Klarheit, Schöpfergeist, Verfeinerung und Verführung zu tun – Casanova und Buddha, Goethe, Newton und He-lios scheinen gleichzeitig zu uns zu sprechen.

Die vielleicht interessanteste Eigenschaft der Architektur, so der Kunsthistoriker Philip Jodidio, ist die »Fähigkeit, zu träumen und noch nie da gewe-sene Lösungen zu ersinnen«. Das mag mit neuen Technologien zusammenhängen oder einfach auch damit, dass anders gedacht und inhaltlich unvorein-genommener, spartenübergreifend wahrgenommen wird.

Mehr als je zuvor sind Vorstellungen, Werk- und Ideenstrukturen, nicht Stile, die eigentlichen Mo-toren unserer zu gestaltenden Welt. Dieses Buch handelt davon. Es zeigt das Zusammenspiel von Farbe und Licht als Potenzial des Lebendigen, als Quelle zeitgenössischer Inspiration, als innovatives Werkzeug. Es enthält spartenübergreifende Anre-gungen und konkrete Informationen, vor allem aber Inspirationen, die über uns hinaus geraten, damit wir neu bei uns ankommen. Es ist ein Buch über die fle-xibelsten, sensibelsten und fantasievollsten Medien der Innenarchitektur, für die es längst keine Grenzen mehr zwischen Architektur, Design, Gestaltung und Kunst gibt.

Johannes Klinger

Seite 2 Treppenhaus in der Kohlenwäsche, Entry 2006, Essen Foto Thomas MayerLinks Die tageslichtgesteuerte Lichtdecke schafft in dem skulptural wirkenden Treppenhaus die Illusion eines fließen-den Raumes. Zusätzlich sind die Treppenstufen mit blauen und weißen Leuchtstofflampen versehen, was eine subjektiv wahrgenommene Umkehrung der Lichtverhältnisse erzeugt.

Farbe­und­Licht­als­innovative­Werkzeuge

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� �

Farbe und Licht ist das, was wir zuerst wahrnehmen. Dreidimensionalität wird begreifbar. Raum wird ab-lesbar. Atmosphären fühlbar. Körperlichkeit spürbar. Architektur ist längst kein statisches Produkt mehr, sondern Teil eines sinnlich-kommunikativen Prozes-ses. Der Erfolg dieser Bauwerke ist nicht nur von Funktion, Standort und Kosten abhängig, sondern in hohem Maße von ihrer ästhetischen Bewertung, ihrer Interpretation, ihrer Raum- und Lebensqualität. Genau hier kommt der Gestaltung von Farben und Licht als Mittler von Mensch und Raum eine zentrale Bedeutung zu. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass unser Wohlbefinden, unsere Inspi-ration und Leistungsbereitschaft, Entspannung und Produktivität untrennbar mit Farbe und Licht zusam-menhängen. Von daher ist der Beitrag einer innova-tiven Beleuchtung, einer fantasievoll differenzierten Farbgestaltung, eines durchgängigen Entwurfsthe-

1 Kommunizieren mit Farbe und Licht in privaten Wohnräumen Natürlich, Sie können Ihre Räume mit einer Glühbirne

unter der Decke beleuchten. Mehr braucht man nicht, um Schlüssel zu finden.

Ingo Maurer

mas oder die passende Inszenierung der Form ein ebenso selbstverständlicher Faktor wie die Statik und die Erschließung eines Gebäudes.

Ein gebauter Raum sollte sich mitteilen, zeigen, lesbar und fühlbar sein. Das Auge ist dabei ein we-sentlicher Motor für das Empfinden und das daraus resultierende Denken und Handeln. So ist Design im Grunde einer der zentralen Gedanken eines Bau-vorhabens. Wer heute mit Architektur darstellen, in-szenieren, erleben, erfahren und sinnlich kommuni-zieren will, der erforscht die Sprache von Farbe und Licht und befreit sie dabei von überkommenen Re-geln und Ansichten. Auf diese Weise wird die Kraft des Spektrums – vom einfach strukturierten Schat-ten bis zu den sich ständig weitenden Perspektiven des technisch Möglichen – bewusster und unver-brauchter eingesetzt. Modernes Gestalten – das bedeutet im hohen Maß Kommunizieren durch Far-

be und Licht. Gleichgültig, ob Ihre Leitidee der un-verwechselbare Raum, das überraschende Detail, die optimale Kommunikation, die konsequente Infor-mation ist. Seien Sie offen und mutig. Überraschen Sie sich. Kreativität, Innovationsbewusstsein, Neu-gierde, Kompromisslosigkeit und der Mut, an die eigenen Grenzen vorzustoßen, kennzeichnen nicht nur den guten Künstler, sie kennzeichnen auch den wahren Architekten, Gestalter, Manager und Bau-herren. »Denn wo es um beispielhafte Qualität geht, haben Kompromisse nichts zu suchen. Diese aber«, so der Kunstberater Helge Achenbach, »kommen zwangsläufig zustande, wenn Entscheidungen ge-sucht werden, die niemandem weh tun.«

Kommunizieren­mit­Farbe­und­Licht Kommunizieren­mit­Farbe­und­Licht

Das Ergebnis jeder nennenswerter Farb- und Lichtge-staltung ist über alle Funktionen hinaus die Prägung eines individuellen Ortes. Beispiele: Linke Seite links Armin Mohsen Daneshga Linke Seite Mitte netherblu Linke Seite rechts Ingo Maurer Oben links Cossmann und de Bruyn Oben Mitte Interlübke Oben rechts Johannes Klinger

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Wenn Proportionen, Farbe und Licht dem Raum eine Einheit geben, dringen sie nachhaltig und inspirierend in unser Bewusstsein ein. Gerade die Möglichkeit zur sinnlichen Verwandlung des Raumkörpers zeich-net Farbe und Licht gegenüber anderen Medien der Architektur aus. Es bedarf im Grunde nicht viel, denn stimmen einmal Proportion, Licht und Farbe, wirken diese Räume bereits durch sich selbst. Dann bilden sie in Inhalt und Form eine umfassendere Einheit. So können wir gerade jene Unmittelbarkeit und Emo-tionalität herstellen, nach der sich viele Menschen sehnen. Dabei wird nicht nur unser Sehen inspiriert – gerade unser Unterbewusstsein entscheidet in Bruchteilen von Sekunden, ob wir diese Umgebung akzeptieren oder nicht.

Verhaltensforscher, die sich mit den Reaktionen von Menschen auf gebaute Umwelt beschäftigen, sehen den Aspekt der gemochten oder abgelehn-ten Architektur vor allem als eine Frage der geglück-ten Emotionalisierung. Einen kommunikativen Raum fühlen wir mit allen Sinnen. Dabei ist das Ziel der

Über die Unmittelbarkeit

Gestaltung keineswegs, das Auge zu täuschen, sondern unseren Geist durch Auge und Gefühl zu überzeugen. Farbe und Licht werden als kulturelle, soziale und emotionale Werkstoffe verstanden — und nicht länger nur als technische Problemstellung. Sie zeigen, wie veränderte Räume auch zu verän-dertem Verhalten führen können!

Spiegelt die Außenwelt die Innenwelt? Ist jeder gebaute Raum nicht nur gedachter, sondern auch gefühlter Raum? Gerade die von der Ratio dominierten Konzepte der Architektur benötigen Elemente des Schöpferischen voller entspannter Leichtigkeit. Sie bilden eine Membran aus Gegenwärtigem und Präsenz, Individualität und Besonder-heit, die die Menschen anzieht. Informations-, Kommuni-kations- und Medienzentrum (IKMZ) Cottbus. Lesebereich Architektur Herzog & de Meuron

Zwei Hauptaspekte – Raum und Farbe – sind unsichtbar. Die Ganzheitlichkeit wird nicht gesehen. Dieses nicht gesehene Wesen, die Entwicklung ihrer Einzelaspekte sowie die Komplexität des Denkens, können verdrängt werden durch Verfälschungen und Geschwätz über Material.

Donald Judd

Über­die­Unmittelbarkeit­

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12 Kommunizieren­mit­Farbe­und­Licht 13Kolumne

Grundschrift

Schon immer stellen Farbe und Licht – als Quelle und Reflektor – für unser Auge jene gegenseitige Be-einflussung dar, durch die unsere sichtbare Welt ent-steht. Farbe wird nur durch Licht wahrgenommen. Farbe verwandelt Licht. Licht verwandelt Farbe. Far-be geht mit allem, was sie umgibt, eine Synthese ein. Wie in einer Melodie entfaltet sich die eigentliche Wirkung von Farbe und Licht im Raum als ständig wechselndes Klangbild.

Bei genauer Betrachtung entdecken wir Feuer, Glühlampe, Halogen oder LED als Lichtquellen mit jeweils unverwechselbaren spektralen Fingerabdrü-cken. Die Farb-Pigmente der Oberflächen wiederum arbeiten wie Transformatoren, die das auftreffende Licht ihrerseits verwandeln. Aus dieser so fragilen und wandelbaren Einheit von Farbe und Licht ent-stehen Informationen und Stimmungen. Diese fas-zinieren uns nicht nur – sie berühren uns auf allen Ebenen der menschlichen Existenz.

Nicht Farbe und Licht allein, sondern Licht und Farbe gemeinsam gehören als das wirksamste Po-tenzial der Innenarchitektur in den Mittelpunkt aller

Überlegungen. Dabei hätte die reine Fixierung auf die heutigen technischen Möglichkeiten einen Kom-plexitätsverlust zur Folge, der, wie wir oft erleben, schnell zu Standardisierung und Abstumpfung, und dabei zu Allerweltsergebnissen und Kitsch führen kann. Ihr gemeinsamer kreativer Ausdruck jedoch, ihre vielfältigen Möglichkeiten und Wechselwir-kungen zwischen Material, Medium und Inhalten bil-den einen unerschöpflichen Ideen-, Wissens- und Ressourcenpool.

Oben und rechte Seite Die skulpturale Wand wurde aus ge-härtetem Spezialpapier geformt. Das farbige Licht modelliert Höhen und Tiefen und hebt die lebhaften Strukturen hervor. Die Farbwirkung entsteht aus additiver und subtraktiver Farbmischung: Ein Farbanstrich aus Violett und Gelb bildet die Grundlage für wechselnde Lichtprojektionen auf der Oberfläche. Die in die Oberfläche geschnittenen Lichtschlitze werden mit farbdynamischen LED-Leuchten hinterleuchtet. Konzept, Farbe und Lichtrealisation Johannes Klinger und Team Skulpturale Realisation Antal-Huba Laszlo

Die Wechselwirkung von Farbe und Licht

Glaube an das, was du nicht benötigst.

Robert Barry

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14 Kommunizieren­mit­Farbe­und­Licht 15

In Farbe und Licht denken

Jede Planung eines Raumes sollte mit der Platzie-rung von Licht und der Raumempfindung durch Farben beginnen. Denken Sie in Licht und nicht an Leuchten, in Atmosphäre und nicht an Produkte – auf diese Weise richten Sie Ihren Blick auf das Wesentliche. Nur so lassen sich elementare Fra-gen klären: Wo soll denn Licht erscheinen? Welche Farbe bringt dieses Licht zur Geltung? Unterstützen beide die Idee und die Funktion des Raumes?

In beiden Entwürfen auf diesen Seiten wurde auf eine Strenge im Detail geachtet, die eine bewuss-te Gegenwelt zur turbulenten Alltagswelt darstellt. Dabei wird deutlich, wie sich selbst kleine Räume durch ausdrucksvolle Farb- und Lichtkonzeptionen in wahre Oasen verwandeln.

Über die Platzierung Sehr oft erinnert man sich nicht an Einzelheiten eines Gebäudes, was bleibt, ist der Eindruck seiner Atmosphäre.

Hervé Descottes

Oben Zwei wichtige Elemente seiner Kultur beeinflussen die Arbeiten eines jungen Architekten mit persischen Wurzeln: die Kalligraphie und die Farbe Safran. Ihre Umsetzung in den gebauten Raum bildet die Grundlage seiner Gestaltung mit Farbe und Licht. Persische Botschaft. Ambassadors Residence, Wien. Architekt Armin Mohsen DaneshgarLinke Seite Eine reflektierende Oberfläche, blendfreies Licht und die geheimnisvolle, Raum erweiternde Blaustimmung definieren das Schwimmbad und das Wellnesszentrum eines römischen Hotels. Das verwendete Bisazzamosaik wird mit seinen nuancierten Tönen als erfrischender Träger von Farbstimmungen wahrgenommen. Hotel Aleph, Well-ness Gestaltung des Innenraums Adam Tihany

Über­die­Platzierung

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16 Kommunizieren­mit­Farbe­und­Licht 1�

In Kunst und Design ist das Sichten und Erkennen möglicher Potenziale eines der entscheidenden The-men. Diese sind aber niemals vorab definierbare Grö-ßen, keine allen Regeln der Schule entsprechenden Umsetzungen, sondern das Unbekannte, das Un-angepasste, das irgendwann, bei entsprechender Visualisierung, viele Menschen wie mit einem ma-gischen Impuls zu wecken vermag.

Im Erlebnisverlauf unserer Wahrnehmung sind Vages und Bestimmtes, Vertrautes und Fremdes voneinander abhängig – besonders die befürwor-tenden und ablehnenden Positionen, die wir nach-einander im Hinblick auf unser zukünftiges Handeln einnehmen. In uns entstehen die Empfindungen der Neugierde und der Erregung, des Zweifelns und der Verunsicherung beinahe gleichzeitig. Wir reagieren auf Wahrgenommenes einmal mit spontaner Zu-stimmung, in anderen Situationen dagegen tauchen Fragen auf, werden Möglichkeiten und Abgründe erkennbar mit ihrer Anziehungskraft oder abschre-ckenden Unerreichbarkeit. Dazwischen liegt das fremde Neue. »Alle Form-, Farb- und Textspuren, die unser anschauliches Denken mobilisieren, lassen sich sinnstiftend betrachten, gerade weil sie nicht eindeutig sind«, so Peter Jenny.

Wegweisende Arbeiten in Architektur und Kunst wecken Aufmerksamkeit und machen neugierig.

Die Faszination des Neuen im Vertrauten

Die Zukunftsdimension bildet die eigentliche Grundlage unserer Wertschätzung.

Wolfgang Meisenheimer

Sie entziehen sich der Gleich-Gültigkeit. Solch wirksame Ideen, wenn sie zeitgemäße Mittel des Ausdrucks verwenden, fordern den Betrachter als Dialogpartner heraus und schaffen es auf ihre Wei-se, jene Grenzen zu überwinden, die jeder Mensch unbewusst zieht. Wenn Ideen berühren, werden sie zu persönlichen Schlüsselerlebnissen. So gesehen sind Neugier, Zuneigung, aber auch Unverständnis, Abneigung und Hassliebe auf den ersten Blick keine schlechten Signale, es entstehen Risse in der ge-wohnten Vertrautheit, und damit entsteht Raum für Neues – auch im Umgang mit Farbe und Licht.

Bei der Leuchte »Thousand and one Light« wurde das Potenzial neuer technischer Möglichkeiten gestalterisch umgesetzt. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie ein flie-gender Teppich. Weiße und farbige LEDs bilden leuchtende, sich überlagernde Muster, die an Schriftzeichen erinnern. Farbe und Helligkeit der LEDs können eingestellt und nach Bedarf programmiert werden. »Thousand and one Light«, Lichtinstallation 4 m x 2,20 m Gestaltung Ingo Maurer

Die­Faszination­des­Neuen­im­Vertrauten

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1� Kommunizieren­mit­Farbe­und­Licht 1�

Seelische Befindlichkeiten, Ängste, Wohlbefinden sowie das ganze Spektrum der Emotionen, sind keine berechenbaren Größen, und trotzdem entde-cken Wissenschaft, Philosophie und Technik heute ihr besonderes Potenzial. Unsere Gefühle werden von dem Neurologen Antonio Damasio als ein »fort-laufender Kommentar zur Tauglichkeit oder Untaug-lichkeit der Dinge« bezeichnet. Der deutsche Gehirn-forscher Professor Gerhard Roth fand heraus, dass Richtungsentscheidungen im »limbischen System«, dies ist gewissermaßen der Bauch des Gehirns, ge-troffen werden, bevor die Ratio anspringt. Sein Kol-lege Ernst Pöppel bezeichnet Emotionen sogar als den »Klebstoff« der Identität – »das, was den Men-schen zum Menschen macht«, und der Philosoph Robert C. Solomon betont, dass gerade unsere Gefühle dazu beitragen, dem Leben einen Sinn zu geben. Wen wundert es also, dass auch in der mo-dernen Innenarchitektur die Frage, wie und wodurch Identifikation oder Ablehnung, Aktivität, Sicherheit, Freude und Aufmerksamkeit erzeugt werden, eine immer größere Bedeutung gewinnt.

Mit dieser stärkeren Beachtung menschlicher Empfindungen erfahren gerade Farbe und Licht eine besondere Aufmerksamkeit, da sie keine gewöhn-lichen Werkstoffe, sondern Medium, Mittler, ja sogar Beweger sind. Sie bilden eine immaterielle Brücke zwischen der materiellen Wirklichkeit und unserer in-neren Wahrnehmung. Die vom Verstand dominierten Konzepte der Architektur benötigen diese Elemente des Schöpferischen, eine entspannte Leichtigkeit und emotionale Kommunikation. Sie bilden eine Be-

Die emotionale Qualität der Dinge

sonderheit, die die Menschen anzieht. Deshalb ist es spannend, Malerei als Ausdruck von Individuali-tät in modernes Raumdesign einzubringen, da sie sich nicht der rationalen Analyse unterordnet und so den sinnlich-intuitiven Raumgedanken erweitert. Sicherlich sind Technik, Theorie, Systematik und Konstruktion unverzichtbare Voraussetzungen für reale Raumwirkungen, doch diese Überlegungen allein lassen wenig Platz für eine auf Intuition beru-hende Handlung und für Prozesse, die der Materie Bedeutung verleihen. Daher erfordern gelungene Lösungen eine sichtbare schöpferische Vereinigung von faktischem und gefühltem Wissen. Es ist das Anliegen jedes kreativen Planers, sich nicht mit Ab-gegriffenem, Stereotypem und Leblosem zufrieden zu geben, sondern Frische und Aktualität zum Aus-druck zu bringen.

Die Beschäftigung mit Malerei und Farbe schärft den Blick und ermöglicht eine sorgfältigere Beob-achtung von seelischen Zuständen, die sie dadurch auch positiv beeinflussen kann.

Diese Malerei schaff Individuelles im makellosen Ambiente. Gerade im Wechselspiel von Gewusstem und Geschautem relativieren Intellekt und Sinnlichkeit einander und beflügeln sich. Während der Verstand die Form begreift, ergreift die Farbe uns. Ein Bild aus der Serie »Schlafende rote Engel«. Mixed Media auf MDF, satiniertes Glas, LED Gestaltung

Johannes Klinger und Team

Von der Zeichnung verlange ich klare Definitionen, Malerei verbinde ich mit einem Gesamtton. Zeichnungen lese ich, Bilder will ich hören.

Stefan Szczesny

Die­emotionale­Qualität­der­Dinge

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20 Kommunizieren­mit­Farbe­und­Licht 21

Immer offensichtlicher zeigen Arbeiten mit Farbe und Licht ihren Einfluss auf Körper, Seele, Fantasie und Geist. Doch wodurch kommt dieser Einfluss zustande? Ist es, weil beide Medien sichtbar sind, aber letztlich in Materie nicht aufgehen? Weil sie auf Oberflächen, auf lichtempfindlichen Trägern stets auch etwas anderes zeigen: eine Sicht, einen An-blick, ein Dazwischen – statt nur einen Raum, eine Architektur, ein Kunstwerk?

Farbe und Licht sind grundlegende Elemente eines neuen Schönheitskanons, der Entwürfe von starren Regeln wie Symmetrie und Regelmäßigkeit befreit, um sich so der Entdeckung der Vielgestaltig-keit und Zufälligkeit zu öffnen. Um der Mittelmäßig-keit des Alltäglichen entfliehen zu können, gibt es in

Licht als skulpturales Element im Raum

Es kann sehr hilfreich sein, ein Kunstwerk nicht als Objekt anzusehen, sondern als einen Auslöser für Erfahrung.

Brian Eno

uns ein natürliches Interesse gerade jenen Objekten gegenüber, die in der alltäglichen Welt nicht exis-tieren. Dabei stellt die Banalität der reinen Funktion eine Hürde dar, eine Verminderung der Erfahrungs-möglichkeiten. Findet kein Erleben statt, bleibt die Wand ein Stück Glas oder Beton und die Beleuch-tung eine Neonröhre. Es fehlt der Antrieb des Stau-nens.

Farbe und Licht bringen virtuelle Volumina hervor. Moderne Lichträume sind nicht mehr Abbild von ir-gendetwas, sondern Sinnbild zeitgemäßer künstleri-scher Inhalte, die in der Lage sind, das Unerwartete, Formlose, Hybride, Ungleichmäßige, Unaussprech-bare in die ästhetische Sphäre der Gestaltung mit einzubeziehen.

Licht ist nicht nur die vierte Dimension der Architektur, Lichträume sind Ausdruck einer Sehnsucht nach unend-licher Ausdehnung, nach Entgrenzung der Malerei und der Kunst, nach der Ausdehnung eines Bildes in ein Meer von Farbe. Oben »COTE NOIR«, Lichtraum, Neon, bemaltes Glas Gestal-

tung Johannes Klinger und Team Linke Seite »Nowhere Now here«, Lichtraum, Neon, bemaltes Glas Gestaltung Johannes Klinger und Team

Licht­als­skulpturales­Element­im­Raum

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Grundschrift

Kommunizieren­mit­Farbe­und­Licht 23

Wir sprechen vom »Fließen« der Zeit, vom »Fluten« des Lichts, von fließenden Raumkonzepten, vom Fluss der Kreativität, von fließenden Prozessen, als wären diese Begriffe Flüssigkeiten. Vormals feste zuverlässige Größen, Systeme, Strukturen, Verhält-nisse, Architekturen und Standpunkte verändern sich heute, werden fluide – ein Phänomen, das Phi-losophen, Psychologen, Soziologen, Wirtschafts-wissenschaftler, Architekten, Designer und Künstler gleichermaßen beschäftigt und – je nach Stand-punkt – inspiriert oder irritiert. Fluide ProzesseDas Grundprinzip ist überall das Gleiche: Fluide Strukturen signalisieren den Einbruch des Zeitlichen in unser Bewusstsein. Durch sie wandelt sich die bis dato eher statisch empfundene Welt in eine dy-namische.

Das Flüchtige, Werdende, Assoziative, das Be-wegte und Bewegende – all das wird immer öfter als Inbegriff der Modernität verstanden: Die Ästhetik der Bewegung und Wandelbarkeit löst die Ästhetik starrer Formen ab. Moderne Kreative könnte man als »Erforscher von Möglichkeitsbedingungen« be-zeichnen, deren Intuition jene magische Spur findet, die den Blick freigibt für Wesentliches.

Eine neue Wirklichkeit?

Kunstwerke sind stets auch Versuche, die menschliche Existenz zu erfahren, sie anschaulich zu machen, sie zu transzendieren.

Stephan Schmidt-Wulffen

Lichtspuren: Die Fotoarbeiten von Andreas Feil bilden nicht ab, sondern sie enthüllen eine Realität jenseits der sichtbaren Welt. Die Quellen seiner Farblinien und Flächen sind Fotos historischer Ereignisse oder banaler kom-merzieller Bilder. Sie sind somit konkrete, uns vertraute Abbildungen von Objekten und Geschehnissen. In einem digitalen Verfahren verändert er diese Bildvorlagen, bis die Bildaussagen zugunsten gleichwertiger Farb-Lichtstruktu-ren aufgehoben werden. Er unterläuft den herkömmlichen Anspruch der Fotografie. Er löst die für unsere Sehgewohn-heiten erkennbare Realität auf und schafft so eine neue Wirklichkeit, die aber von der sichtbaren nicht getrennt ist. Sie sind nicht Wirklichkeit, bilden diese nicht ab, sondern benennen das Wirkliche gleichsam als »Spur«, die nach dem Verschwinden alles anderen übrig bleibt und in Farbe und Licht erscheint. Gestaltung Andreas Feil, »Ohne Titel«, Fotografie 2004

Eine­neue­Wirklichkeit?

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24 Kommunizieren­mit­Farbe­und­Licht 25

Das Prinzip der additiven Farbmischung aus Rot, Grün und Blau erzeugt Millionen von Farbnuancen aus dem sichtbaren Lichtspektrum. Dynamische Farbwechsel lassen die Umgebung immer wieder anders erscheinen. Kunst und Kitsch trennen sich hier nur durch die Qualität der Formgebung und die Sensibilität des Programmierers.

Dynamische Farbwechsel

Mehrstöckige Lichtsäule als faszinierender Blickfang. Modehaus Sinn Leffers, Kassel Lichtplanung und Leuchten Ansorg GmbH, Mühlheim

Die meisten Menschen betrachten die Räume, in denen sich das Leben bewegt, als eine Gegebenheit, der sich ihr Leben unterwirft. Aus kreativer Sicht jedoch sind sie wandel- und verwandelbar.

Johannes Klinger

Dynamische­Farbwechsel

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26 Kommunizieren­mit­Farbe­und­Licht 2�

Auf der ästhetisch-funktionalen Differenzierungsebe-ne wird jeder Nutzbau zur Architektur. Hier treffen wir auf hoch entwickeltes und verfeinertes Systemden-ken. Individuelle Entwürfe, besondere Produkte und differenzierter Umgang mit Material sind das Bemer-kenswerte der Differenzierungsebene.

Während in der Basisebene Zweckbeleuchtung und Farbauftrag in erster Linie die Aufgabe haben zu funktionieren, werden an eine akzentuierte Be-leuchtung und einen differenzierten Farbauftrag noch weitere Anforderungen gestellt: Ihre Akzente unter-stützen die Aussagen der Architektur, heben Details hervor, untergliedern Raumzonen, heben Bedeu-tungen hervor. Auf dieser Ebene fand und findet ein Großteil der Architekturrealisation statt.

Im Bereich des Lichts geht es auf der Differen-zierungsebene darum, ideale Lichtverhältnisse zu schaffen. Auch hier steht gestalterisch die Funktion klar im Vordergrund. Das bedeutet, dass alle vorge-schriebenen Normen erfüllt und zurückhaltend ge-staltende Leuchten eingesetzt werden. Das Konzept dieser Beleuchtungen basiert auf den Bedürfnissen der Benutzer und kommt unter Berücksichtigung von Normen und Empfehlungen zum Einsatz. Produkt-entwicklungen in diesem Bereich wie zum Beispiel +Lichtbandsysteme, Bürostehleuchten oder Leuch-ten mit komplexen Lichtlenksystemen ordnen sich dem gebauten Raum unter. Ihre Ästhetik ist dezent, reduziert, technisch, unauffällig. Sie stehen für die ef-fizienteste Art künstlichen Lichts im Innenraum.

Auch die Farbanwendung ist differenzierter und ästhetischer als in der Basisebene. Die Gestaltung mit Farbe ist nach Arbeitsschritten genormt. Ge-staltungstechniken von spezialisierten Malerfirmen, Anstriche mit Le-Corbusier-Farben sind geeignete Möglichkeiten dieser Gestaltungsebene. Der Handel bietet mittlerweile eine Fülle an Gestaltungstechniken sowie nützliche Farbfächer an.

Die Differenzierungsebene ist sachlich, effizient und voller Produktinnovationen auf hohem Qualitäts-niveau. Allerdings haben sich auf Grund gestiegener Ansprüche und Sehgewohnheiten die Anforderungen geändert: Viele einstige Differenzierungsfaktoren sind längst zum Standard geworden. Deshalb kommt es auch hier immer stärker darauf an, wie kreativ die Werte bereitgestellt werden. Auch in der Differenzie-rungsebene wird die Bedeutung der Raum-Mensch-Beziehung in der Gestaltung moderner Büro- und Arbeitswelten immer mehr wahrgenommen.

Der Wert des Besonderen

Raum wird von einem Architekten oder einem Künstler geschaffen; er wird nicht einfach gefunden und zu Paketen gepackt. Er entsteht aus Ideen.

Donald Judd

An der Spitze der Pyramide steht das Essenzielle. Kulturelle Avantgardisten haben schon immer eine rein funktionelle Gestaltung angezweifelt. Hier geht es um Arbeiten, die über das übliche Maß »guter« Architektur hinausreichen. Mit der Kraft ungewöhn-licher Ideen etwas Besonderes im Menschen berüh-ren zu können, ermöglicht die Integration aller Sinne in die Welt der Architektur. Raumschöpfungen und Designs, die in Inhalt und Form eine neue umfas-sendere Einheit bilden sollen, setzen ein Denken und Handeln jenseits gewohnter Bahnen voraus.

Diese subjektive Position unterscheidet sich vom funktionalen Standpunkt nicht darin, dass sie »objektive Fakten« leugnen würde, sondern dass sie der Realität persönliche Gewichte und emoti-onale Werte geben möchte. Überzeugende krea-tive Leistungen, zum Beispiel gelungene Farb- und Formkompositionen, erkennen Sie immer als Feinab-stimmungen und Kommentare des Selbst. Niemand sollte deshalb länger die Augen vor der Tatsache verschließen, dass jede souveräne Gestaltung den Prinzipien der Identität folgen will, damit Denken, Fühlen und Handeln zu jener Sinn gebenden Kraft verschmelzen können, die eine Raumgestalt unver-wechselbar machen, um sie auf diese Weise in den höchsten Bereich transportieren zu können: den schöpferischen. Die essenzielle Ebene zeichnet sich also durch die Einzigartigkeit ihrer Objekte aus.

An den besten aktuellen Bauten entwerfen De-signer, bildende Künstler und Szenografen gemein-sam mit Architekten. Ob es um Vermittlung von Raum, den Transport von Stimmungen, Information, spezielle Aussagen oder um Raumbewusstheit geht – es gibt Unternehmer, Manager und Architekten, die sich diesen kreativen und kulturellen Auseinan-dersetzungen stellen, die, auf der Höhe der Zeit, zu kulturellen Höchstleistungen anspornen.

»Voyage«, einen Crystal Palace-Lüster aus 52000 Kristallen, schuf der Designer Yves Béhar in Zusammenarbeit mit Swarovski und Bombay Sapphire. Der Lüster, der im New Yorker Flughafen JFK seine Verwendung finden soll, lässt 2000 integrierte Lichtpunkte, gesteuert durch Bewegungs-sensoren, im Takt der durch den Flughafen strömenden Passagiere pulsieren.

Der­Wert­des­Besonderen

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Farben sind Lockmittel für das Auge, Vitamine für die Seele, gleichzeitig Informationen für das Gehirn. Bevor wir richtig zu denken beginnen, haben Farben schon gesprochen. Denn zuerst sieht der Mensch Farben (100tel-Sec.), dann die Grafik (10tel-Sec), und zuletzt nimmt er den Text wahr.

Karl Ryberg

Wandentwurf. Neon, bemaltes Glas, bemaltes und geschnit-tener Spezialpapier Konzeption Johannes Klinger und Team

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Farbe und Licht in der Architektur dienen dem Men-schen als Mittel der Raumstrukturierung, der Informa-tion, der Individualisierung, als Medium der Emotion und der Fantasie. Sie in kreative Gestaltungskon-zeptionen einzubinden bedeutet, diese nicht nur technisch, physikalisch und funktional – also tech-nokratisch, rational – zu begreifen, sondern darüber hinaus ihre ästhetischen und psychologischen Wir-kungsaspekte und Potenziale entfalten zu wollen.

Hervorragenden Entwürfen liegt über alle Regeln und Normen hinaus das Anliegen zu Grunde, eine eigenständige und nur in dieser Form mögliche Aus-sage machen zu wollen. Obwohl alle Überlegungen auf einer seriösen technischen Planung basieren

2 FarbeundLichtinderArchitektur

müssen, erweitern sich die Wirkungspotenziale von Farbe und Licht durch innovative Strukturen und die Kraft schöpferischer Fantasie. Auf diese Weise ver-bindet sich die Vermittlung von Rauminformation mit der Prägung eines speziellen Ortes.

Alle herausragenden Architekten, Designer und Künstler verbindet etwas, das nur schwer zu benen-nen ist – nennen wir es eine besondere Haltung.

Dies kann eine sehr spezielle Sicht der Dinge sein, eigene kreative Arbeitsstrukturen und Vorge-hensweisen, eine innere Position, ein Thema, eine Lebenshaltung, eine eigene Art, mit sich und der Welt zu kommunizieren, die sie in die Lage versetzt, ihr kreatives Potenzial zu entfalten. Eine kreative, in-

FarbeundLichtzusammenkönnenHäuserversetzen.

Otto Steidle

terdisziplinäre Offenheit für Wissen, Eigenschaften und Talente anderer sowie eine schöpferische Neu-gierde für die Besonderheit der Aufgabe und deren Umstände hilft ihnen, sich komplexen Vorgängen auf einzigartige Weise zu nähern.Erst in dem Augenblick, in dem ein Raum schöpfe-risch gestaltet ist, entfalten Farbe und Licht ihr ma-gisches Potenzial, und der Raum dringt nachhaltig und inspirierend in unser Bewusstsein ein.

Linke Seite links Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum Cottbus (IKMZ), Herzog & de MeuronLinke Seite rechts Gesundheitszentrum Lanserhof bei Innsbruck, Regina Dahmen-IngenhovenOben links Shining Islands, netherbluOben rechts UKE Kasino – Neubau der Patientenversorgung und des Personalkasinos als Aufstockung auf das Apothe-kengebäude im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Architekten Prof. Klaus Sill

Farbe und Licht in der Architektur Farbe und Licht in der Architektur

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32 Farbe und Licht in der Architektur 33Kommunikationsbereich: Dominante Gliederungsmerkmale

Ganz sicher ist gebaute Architektur kein Freibrief für farbliche Überarbeitung. Zunächst lautet daher die Grundfrage: Soll Farbe die vorhandene oder ge-plante Architektur unterstützen oder kann Farbe eine neue Ordnung, eine neue Gliederung einbringen, durch die letztlich die architektonische Idee erweitert wird? Wie dieses Beispiel belegt, kann Farbe durch-aus eine völlig neue Sicht des Raumes bewirken.

Die Arbeiten der Architekten Herzog & de Meu-ron waren in ihren frühen Jahren von einer minima-listischen Strenge geprägt, die oft kopiert wurde. Da sie aber weder nur einen minimalistischen noch einen anderen Stil wollten, begannen sie die Aus-

Kommunikationsbereich:DominanteGliederungsmerkmale

drucksmöglichkeiten ihrer Disziplin auszuloten. Zum Geheimnis ihres Erfolges wurden einprägsame Formen ohne Stil-Klischees. Hier die poppig bunte Wendeltreppe in der Unibibliothek in Cottbus, deren mutiges Farbraumkonzept im lichten Inneren für eine überzeugend selbstbewusst vorgetragene Raum-identifikation sorgt.

Das eigentliche Zentrum der Bibliothek ist die große knall- bunte Treppenspirale, die alle Geschosse durchzieht. Informations-, Kommunikations- und Medienzentrum (IKMZ) Cottbus Architekten Herzog & de Meuron

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Den Architekten Richard Meier fasziniert die Welt von Licht und Schatten, die unabhängig von allen As-soziationen mit bestimmten Farben oder Materialien existiert. Weiß erzeugt für ihn eine neutrale Oberflä-che, auf der sich das Erlebnis eines Raumes auf-baut. Es verstärkt die Wahrnehmung von Organisa-tion und Ordnung der räumlichen Prinzipien. Durch klare Strukturen, sowie den Einsatz von Glas und Weiß wird es dem Licht ermöglicht, die Architektur zu durchfluten. So kann das Licht überall und in höchst unverfälschter Weise erlebt werden.

Aus dieser Idee entstand ein anspruchsvolles Tageslichtmuseum, das nicht nur Kunst- und Archi-tekturliebhaber anzieht, sondern auch Interessierte aus dem Bereich Licht- und Lichtsteuerung: Den Innenräumen so viel Tageslicht und Transparenz wie möglich nach außen zu erhalten, stellte die Licht- und Elektroplaner vor eine ganz besondere Aufgabe. Da die höchstzulässige Lichtmenge für ausgestellte Gemälde und Grafiken nicht überschritten werden

Museum:WeißeKunsthülle

darf, wurde ein spezielles Sonnenschutz- und Ta-ges-Lichtlenksystem entwickelt. Glas-Querlamellen mit weißem Aufdruck in Kombination mit gesteu-erten Innenbehängen regulieren den Tageslichtein- fall. Je nach festgelegter Lichtmenge werden im Ausstellungsraum Innenrollos mit verschiedener Lichtdurchlässigkeit durch ein Steuerungssystem heruntergefahren, und Tageslicht wird dosiert mit Kunstlicht kombiniert. Eine über Tageslichtmesskopf vom Computer errechnete Lichtmenge bewirkt die gewünschte gleich bleibende Beleuchtung im Aus-stellungsraum.

Die strahlende Farbe Weiß, die Architektur und Raumskulptur in ihrer Einzigartigkeit fördert und eine großartige Architekturskulptur schafft, die auf beson-dere Weise zwischen Innenraum und außen korres-pondiert, kann, gerade durch ihre enorme Helligkeit und Reflexionskraft, eine Diskrepanz zwischen Ar-chitektur und Kunstbetrachtung hervorrufen.

Museum: Weiße Kunsthülle

Linke Seite Wechselnde Beziehung von innen nach außen: In der Nacht verkehren sich die Lichtverhältnisse – das Museum strahlt in den Park, und das Gebäude wird transparent. Museum Frieder Burda, Baden-Baden Architekt Richard Meier, New York Maler Heinrich Schmid, Offenburg

Unten Grafisch angeordnete Lichtbänder mit hohen Direkt-lichtanteilen sind mit indirektem Licht aus einer abge-hängten Decke kombiniert. Diese Mischung schafft ein ruhiges, dennoch nicht langweiliges Beleuchtungsniveau, das tagsüber durch abgeblendetes Tageslicht aus riesigen Fensterflächen unterstützt wird. Angesichts der Raum-dimensionen konnte eine gleichmäßige Beschichtung der Farbe Weiß nur mit vielen Gerüstlagen per Spritzapplikation erreicht werden.

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Raum-Kunstkonzept:ShiningIslands

Hier wurde mit Erfolg die Umkehr der gewohnten Rei-henfolge von Architektur und Kunst praktiziert, um so festgefahrene Strukturen aufzubrechen und zu neu-en Erkenntnissen zu gelangen. Anhand eines vom Künstler entworfenen Raum-Kunstkonzepts entwi-ckeln Architekt und Künstler gemeinsam die Funk-tion; Kunst wird nutzbar und begehbar. Disziplinen werden zur Einheit, neue, offene Räume entstehen. Shining Islands steht exemplarisch für diese Strate-gie: Die temporäre Metamorphose eines Bürohaus-foyers zu einer Farb-Licht-Skulptur; der künstlerische Entwurf der fluoreszierenden Teppichbodeninseln ist Ausgangspunkt ungewohnten Raumerlebens sowie der Entdeckung neuer Nutzungen. Kunst und Bau statt Kunst am Bau durch Veränderung der Pro-zesse.

Unten und linke Seite Räume haben nicht nur Form und Ausdehnung, sondern auch Atmosphären. Das Modell atmo-sphärischer Inseln hebt Räume angemessen vom System der Geometrie ab. Es macht sie spannender, menschlicher. Emotionen verführen dazu, den Raum für sich in Besitz zu nehmen. Foyer eines Bürogebäudes im Mediapark, Köln Konzept und Innenarchitektur netherblu Künstlerischer Entwurf Regine Schumann Material Carpet Concept

Raum-Kunstkonzept: Shining Islands

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Grundschrift Einzigartig komponierte Lichtinstallationen bieten der auf die Spitze getriebenen rationalen Moderne eine Erweiterung in die emotionalen oder poetischen Di-mensionen der Wahrnehmung. Als einer der heraus-ragendsten Lichtgestalter hat dies Ingo Maurer mit seinem Team als erster in einer bisher unbekannten Dimension in die heutige Architektur eingebracht. So unterschiedlich seine Arbeiten erscheinen, sie sind sowohl ortsbezogen rational als auch sinnlich-poe-tisch zugleich.

Richtungweisend für die Lichtinstallation in die-sem Treppenhaus war das Konzept des Architek-turbüros Steidle und Partner. Das Treppenhaus ist Bindeglied zwischen zwei Gebäudeteilen sowie den oberen und unteren Stockwerken. Es ist mit einem Oberlicht versehen. Als der Auftrag für diese Installa-tion erteilt wurde, waren die Treppen bereits mit der Zweckbeleuchtung ausgestattet.

Die Lichtinstallation der Treppenhalle verbindet Funktionalität mit unterhaltsamer Ästhetik: Eine Viel-

zahl farbiger Neonröhren zeichnet die Konturen der Treppenunterseite nach.

Durch unorthodoxes Kombinieren unterschied-lichster Neonfarben entstehen vielfältige, aufregen-de Farbmischungen. Anstelle der ursprünglich ge-planten Geländer aus vertikalen Stangen wurden auf Anregung von Ingo Maurer Glasgeländer installiert, in denen sich das verschiedenartige Licht reflektiert.

Durch diese Lichtinstallation wurde dem ur-sprünglich sehr schlicht geplanten Gebäude ein an- und aufregendes Element hinzugefügt.

Unten links und rechte Seite beide Durch unorthodoxes Kombinieren unterschiedlichster Neonfarben entstehen viel-fältige, aufregende Farbmischungen. KPMG, Bürogebäude, Theresienwiese, München Architektur Steidle + Partner, München Lichtdesign Ingo Maurer und Team, MünchenUnten rechts Eine verstellbare Lamellendecke aus rubin-farbenem Glas

Treppenhalle:Außerirdisch

Treppenhalle: Außerirdisch

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In der zeitgenössischen Kunst ist es nicht mehr möglich, das Spektrum künstlerischen Schaffens auf Malerei, Skulptur, Fotografie oder andere tradi-tionelle Kunstformen zu reduzieren. Künstlerische Konzepte bedienen sich heute der technischen Me-dien, um aktuelle Fragestellungen in einer aktuellen Bildsprache zu äußern.

»Alle haben Fragen – wir haben Antworten«, so lautet der Slogan der Stadtbibliothek Ulm.

In diesem Sinne beschreibt auch die Lichtinstal-lation für den Eingangsbereich die Funktion der

Stadtbibliothek:WechselspielvonFragenundAntworten

Stadtbibliothek: Wechselspiel von Fragen und Antworten

neuen Ulmer Stadtbibliothek: das Wechselspiel von Fragen und Antworten, Neugier und Wissen. An den Außenwänden des Windfanges wurden Gruppen von sich überlagernden Frage- und Ausrufezeichen installiert. Der Eingang ins Gebäude ist als Ort be-wusst gewählt: Hier überschreitet der Besucher symbolisch die Grenze zwischen Fragen und Wis-sen. Ähnlich der Waschung und Reinigung, der man sich beim Betreten eines öffentlichen Bades unter-zieht, ist hier eine »Lichtdusche« installiert, die der Bibliotheksbesucher durchschreitet.

Das dynamische Pulsieren von Farbe und Licht verleiht dem Eingangsbereich eine starke Präsenz und wirkt in den gesamten Erdgeschossbereich der Bibliothek hinein. Dank der Transparenz des Gebäudes wird sogar der benachbarte Stadtraum mit einbezogen. »???!« Auftraggeber Stadt Ulm Künstler Albert Hien, München

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Grundschrift Wirklich große Entwürfe zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit einfachen Mitteln eine außergewöhn-liche Raumwirkung erzeugen können. Das neu ent-standene Personalkasino des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf punktet nicht nur durch einen ausgewogenen Mix aus naturbelassenen Materi-alien und den Einsatz kräftiger Farben für ein intui-tives Orientierungssystem, beachtenswert ist auch der ungewöhnliche Einsatz von Standard-Bauele-menten: Die Loch-Aluminiumplatten, durch die das sich verändernde Tageslicht fällt, bieten ein aufre-gendes Raumerlebnis – und verhelfen dem Kasino mit seinem Licht- und Schattenspiel zu seiner Ein-zigartigkeit.

UKE Kasino – Neubau der Patientenversorgung und des Personalkasinos als Aufstockung auf das Apothekengebäu-de im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Architektur Architekten Prof. Klaus Sill

Kasino:Licht-undSchattenspiel

Kasino: Licht- und Schattenspiel