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#1/2010 ZEITSCHRIFT DES FACHBEREICH 3 DER HOCHSCHULE ANHALT (FH) ARCHITEKTUR FACILITY MANAGEMENT GEOINFORMATION STANDORT DESSAU

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Magazin des Fachbereiches Architektur, Facility Management und Geoinformation der Hochschule Anhalt (FH) in Dessau. Projekte, Informationen, Hintergründe ...

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#1/2010

ZEITSCHRIFT DES FACHBEREICH 3DER HOCHSCHULE ANHALT (FH)ARCHITEKTURFACILITY MANAGEMENTGEOINFORMATIONSTANDORT DESSAU

Der Lauf der Dinge

Editorial

Zu Beginn des Sommersemesters 2009 jährte sich der Schock der Finanzkrise, die in den Vereinigten Staaten von Amerika ihren Anfang nahm und einen unaufhaltsamen Prozess auslöste, der sich über den Globus verteilte und schließlich alle Wirtschaftszentren der Welt erfasste.Einflussreiche Finanzexperten suchten nach Lösungen, wie dieser bedrohliche Dominoeffekt zu stoppen wäre. Doch das global vernetzte Finanzwesen setzte systemimmanen-te Kräfte frei, die eine ungeahnte Dynamik entwickelten.

Tragfähige Brücken zu bauen zwischen gesellschaftlichen Systemen, deren Ausprägungen auf unterschiedlichen kulturellen, politischen, wirtschaftlichen und technischen Wurzeln beruhen, ist eine unabdingbare Voraussetzung für die Zukunft kommender Generationen. Hier bieten sich Entwicklungschancen, denen sich unsere Hochschule in Dessau vor dem Hintergrund des Bauhauserbes und des-sen internationaler Wirkung verpflichtet fühlt.

Einen ebenso faszinierenden wie originellen Beitrag zum Thema der Vernetzung lieferte 1987 das Künstlerpaar Peter Fischli und David Weiss. Ihr Film „Der Lauf der Dinge“ wur-de während der documenta 8, zu einem Publikumserfolg. Er zeigt einfache Alltagsgegenstände in einem komplexen Funktionsgefüge. Eine inszenierte Kettenreaktion, die phi-losophische Fragen zu Funktionsweise der Welt aufwirft – humorvoll, ironisch, lehrreich und amüsant.

Im Sommersemester 2009 wurde vor diesem Hintergrund im Fach Strukturlehre, das darauf ausgerichtet ist, die Grenzen der klassischen Architekturlehre zu erweitern und unterschiedliche Disziplinen strukturell zu vernetzen, das Thema „Dominoeffekt“ ausgegeben. In verschiedenen Teams, untersuchten und entwickelten Studierende der Architektur und des Facility Managements Mechanismen, die durch einen Impuls gestartet, Prozes-se auslösen, Dinge in Bewegung bringen und dabei neue Energien freisetzen.

Gesellschaftliches Engagement zeigten die Studierenden durch Interventionen im Stadtraum Dessau, die überra-schende Sicht- und Denkweisen über die Kultur des Bau-ens eröffneten.Experimentierfreude beherrschte die Präsentation der Stu-dentenarbeiten in der großen Versuchshalle. Dreizehn kinetische Objekte lösten mechanische, physika-lische und chemische Prozesse aus, die Magie und Kalkül in sich vereinigten und den Raum in eine kreative „Moleku-larküche“ verwandelten.

Dinge zum Laufen bringen – das wollen wir auch mit dieser Ausgabe der FB3-Zeitung. Erfahren Sie auf den folgenden Seiten, was sich in Dessau bewegt.

Andreas TheurerProfessor für Grundlagen der Gestaltung und Plastische Formgebung

7468Vom Klang der Dinge

Mode und Architektur

Search of Entropy50

Der Domino-Effekt 18

Die Leichtigkeit des Seins

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3D Architektur Comic26

Hello Tokyo

Mode und Architektur34

Der Domino-Effekt

Inhalt Ausgabe 1 | 2010

Leben in der VertikalenCarl-Fieger-Preis 2009: Diplomarbeit Ingmar Wiebe

Für die Revitalisierung der umfangreichen Entwicklungs- und Flächenpotentiale am und im Umfeld des Alexander-platzes in Berlin wurde von der Stadt Berlin ein städtebau-licher Ideenwettbewerb ausgeschrieben. Als bestehender Zentrumskern sollte das Areal um den Alexanderplatz mit Gebäuden des Einzelhandels und des Wohnens verdichtet und städtebaulich gefasst werden. Als Gewinner aus dem Wettbewerb für die Entwicklung der neuen Stadtkrone ‚City Ost‘ gingen 1993 Kollhoff & Helga Timmerman hervor.

Städtebauliches Grundelement des Entwurfes ist eine Ge-bäudetypologie, die Block und Hochhaus kombiniert. Durch die Anordnung der insgesamt zehn Blöcke definieren sich Alexanderplatz und die von ihm abgehenden Straßen neu. Aus den Blöcken erheben sich 150m hohe Türme auf den jeweils platzabgewandten Seiten, wodurch eine homogene Trauflinie und die soziale Maßstäblichkeit des Platzes ge-wahrt werden. Der Block wird zum Sockelbau des Turmes - beide verschmelzen zu einem großen Stadtbaustein. Nach Maßgabe weniger Spielregeln zu Lage, Material und Glie-derung sollten diese zu individuellen Hochhauscharakteren entwickelt werden.

Auf der Grundlage der Wettbewerbsarbeit zum Alexander-platz Berlin von Hans Kollhoff & Helga Timmerman arbeite-te Ingmar Wiebe in seiner Diplomarbeit an der architekto-nischen Ausformulierung eines der vorgesehenen Blöcke. In seinem Entwurf übernimmt er zunächst die vorgegebene Kubatur des Stadtbausteins und betrachtet diese als ein zur Weiterverarbeitung vorgesehenes Werkstück.

Um den Baustein ‚näher‘ an den Alexanderplatz zu ‚rü-cken‘, erfuhr dessen Turm zunächst eine Torsion und blickt so dem von dort kommenden Flaneur entgegen. Durch die sich fließend windende Außenhaut vom Dach des Blockes in den Turm hinein wirken beide wie miteinander verschmolzen. Bestätigt wird dies noch durch die an sich homogene Perforation der Hülle, die der Verzerrung zu

folgen scheint. Als Lochfassade aus weiß emaillierten Alu-miniumpaneelen legt sie sich in einem Öffnungsraster von 2x2 Metern über den Baukörper. Das Rastermaß der Loch-fassade weitet sich zur Erdgeschosszone bis es sich im Bereich der Gewerbeflächen in Tradition des Berliner Büro- und Geschäftshauses ganz auflöst. So entwickelt sich eine großzügige, gut proportionierte Schaufensterfront.

Das Volumen wurde mittels Subtraktion weiter bearbeitet. An den Schnitten durch die Oberfläche tritt der Kern - das Innere - transparent hervor. Mit gezielten Eingriffen werden so Eingangsportale, Panoramafenster, Skydecks und Ter-rassen frei gelegt. In der Erdgeschossebene öffnet sich nach diesem Prinzip eine großstädtische Vorzone, die das Foyer in den Stadtraum erweitert und so eine klare Adresse mit repräsentativer Eingangssituation ausbildet. Das Ge-bäude verschmilzt auf Bodenniveau mit dem Stadtraum. Die Erdgeschossebene wird zum halböffentlichen Raum – ein Ort des Ankommens und Verteilens. Ob aus Tiefgarage oder direkter U-Bahn-Anbindung kommend oder aus dem städtischen Gewühl heraustretend, von hier aus teilen sich die Besucherströme und steigen hinauf in die verschiede-nen Ebenen der ‚vertikalen Stadt‘ - einem Konglomerat, ge-stapelt aus Funktionen und Nutzungen des Einzelhandels und der Gastronomie, einem Casino, Kongresszentrum, Ärztehaus, Fitness und Wellness, Hotelkomplex, Büros und Wohnungen und hoch hinaus bis über die Dächer Berlins zur Skybar, in der man einen 360° Panoramablick über die Stadt genießen kann. Ein autark, in sich funktionierender Baustein städtischen Lebens.

Für seine Diplomarbeit wurde Ingmar Wiebe im Winterse-mester 08/09 mit dem Carl-Fieger-Preis ausgezeichnet. Der Preis wird in jedem Semester vom bauhaus dessau e.v. an die beste Diplomarbeit bzw. Bachelorthese, wechselnd im Studiengang Architektur und Design, der Hochschule An-halt (FH) vergeben.

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StudentenpreisWürdigung der Abschlussarbeiten aus der Sicht der Studierenden

Hochspannung, immer wieder, jedes Semester, das Tref-fen der Studenten, die die Ehre haben, den oder die Kan-didaten auszuwählen. Endlose Diskussionen, die manch-mal keine Einigung bringen, bis hin zur Mehrheitswahl. Al-les schon gewesen. Mal ist es einfach, mal die Auswahl zu groß, mal zu klein oder zu schwierig und mal wird diskutiert, ob es ihn dieses Jahr überhaupt geben sollte.

Die Rede ist von dem allsemesterlichen Studentenpreis, der 2002 von Dirk Weber ins Leben gerufen wurde und nicht unbedingt die beste oder schönste Abschlussarbeit auszeichnet, sondern soll viel mehr eine Anerkennung für spektakuläre oder mutige Arbeiten sein soll, die möglicher-weise auch Mängel aufweisen, aber hinter denen eine gute Idee steckt.

Im Wintersemester 08/09 erhielt Anne Janzen diese Wür-digung für die Umnutzung und Umgestaltung der Türme in Halle. Mit dem Thema des Salzkristalls, das auf die Ge-schichte der Stadt zurückgeht, werden Wirtschaft und Uni-versität mit Kunst und Kultur verbunden und in eine direkte Beziehung zueinander gesetzt. Durch verschiedenste Nut-zungen, von Büro- und Laborräumen für die Erforschung regenerativer Energien, über kleinere Läden, Cafés oder Wohnungen, wird der Riebeckplatz wiederbelebt. Die Hoch-häuser stehen in einem optischen Gegensatz, schwarz und weiß, positiv und negativ, aber werden durch eine Brücke wieder zu einer Einheit.

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Exchange Spring Break ´09 to Graubünden, SwitzerlandBuilding in wood - Architecture between the powerful urban Alpine resorts and more rural areas

The economical contrast between growing areas (tourism, power plants or industries) and rural situations, where the economical potential is far more fragile, is enormous. The potential of architecture is, by far, more than the solving of functional problems for a client. Architecture can contribute to keep a town alive and give it a future. The more coun-trified a place is, the more intelligent has to be a concept for a building program to have a sustainable impact for a town. Economical, functional, social, and urban questions are closely related with the final construction of a building. Only an intelligent interaction of diverse fields of knowledge can develop a rural town in a sustainable future.

Out of this the studio task, which focuses on the main vil-lage of Lumbrein, that was generated as an excursion, in partnership with the HTW Chur, in which several students from RISD and their professor Chris Bardt as well as stu-dents from Kansas State University and Anhalt University of Applied Sciences Dessau took part. The program was

organized and led by assistant professor Daniel Walser (HTW Chur). The given task was a ‘real’ question with a realistic back-ground: How to stop the decline of the village with a well planned strategic intervention (on the level of economy, ar-chitecture form and architecture program)?

With visits of existing projects all over Graubünden, an insight on an urban research from the late 70s by Peter Zumthor and questioning about the specific intelligent ar-chitecture programs behind the buildings and their impact to a place, the basis was provided to develop a specific solution for this site. Some possible concepts have alrea-dy been generated by the young local architects Ramun Capaul and Cordian Blumenthal from Illanz and Lumbrein. With their close collaboration, the aim to stabilize Lumbrein economically and make it interesting for people to live the-re, should lead the studio into a completely different di-rection with alternate solutions than the projects currently being suggested.

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The urban structure of the small village Lumbrein, with 400 inhabitants (2007), in the valley Val Lumnezia, is very unique. The people there speak mainly Rhaeto Romanic, a group of Romanic languages spoken in eastern Swit-zerland and north-eastern Italy. The commune is very old and was, till the 1970’s, economically based upon farming. That’s why the consistent traditional structure consists of farmhouses in «Strickbau» construction as well as wooden barns. Today, most of the barns are empty and not in use anymore, because farming has become more and more difficult. By reason of the complicated topography of the commune and the decreasing government subsidies, the salary of the farmers is becoming more and more limited. For farming today larger barns would be needed, and non-farmers do not need such large empty volumes. Sever-al houses for living are empty too and in danger of being transferred into secondary holiday houses which would cre-ate ghost towns, which are only alive around New Years Eve and Easter. For the rest of the year such towns are more frightening and unable to contribute actively to the village society, because of a very light tourism and residents com-muting to the main village Illanz for work. As a result less and less people are living in Lumbrein.

A profound analysis of the existing village was essential to understand the needs and advantages of Lumbrein. Diffe-rent programs will require different interventions on a diffe-rent site. The volumes of the existing barns are free for use. The only limit is a law, which limits new constructions to fol-low the original volume of the existing barn. The studio task can be regarded as a chance to see the possibilities in a fresh and new perspective and to have a realistic chance to lead the village Lumbrein in a sustainable future.

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BILDER links: ‚Caplutta Sogn Benedetg‘ (Ka pelle des Heiligen Benedikt), Ge meinde Sumvitg in der Surselva im schwei ze ri schen Kan ton Graubünden, Architekt: Peter Zumthor, 1985-88 . rechts: Thermalbad ‚Felsentherme‘, Vals, Architekt: Peter Zumthor, 1992-96

Ein Projekt der Strukturlehre im 2.Semester Architektur und Facility Management

„Ausgangspunkt und Initial“ für das Strukturlehreprojekt im Sommersemester 2009 war „ein Film von Peter Fischli und David Weiss. ‚Der Lauf der Dinge‘, der 1987 während der documenta 8 zu einem Publikumserfolg wurde, machte die Künstler international bekannt. Heute zählen Fischli & Weiss zu den renommiertesten Gegenwartskünstlern der Schweiz.Der Film zeigt spielerisch eine höchst komplizierte Verket-tung von inszenierten Ereignissen, die in Folge eines ers-ten Initials nacheinander ausgelöst werden und im Sinne eines Domino-Effektes miteinander verbunden sind. Dabei werden Gebrauchsgegenstände mit Humor und Ironie in einen künstlerischen Kontext gestellt. Das alltägliche der Situation und das wiederkehrende Prinzip von Ursache und Wirkung ermöglicht einen spontanen Zugang zur künstleri-schen Aktion.“

Der Domino-Effekt - „eine Abfolge von meist ähnlichen Er-eignissen, von denen jedes einzelne zugleich Ursache des folgenden ist und die alle auf ein einzelnes Anfangsereignis zurückgehen. Der Domino-Effekt vermittelt den Eindruck, eine minimale Aktion könne eine beliebig große Wirkung erzielen. Tatsächlich löst es aber nur eine Kaskade von Um-wandlungen vorher gespeicherter Energieformen aus.Seiner Anschaulichkeit und Eindeutigkeit wegen, wird der Begriff häufig auch im Kontext sozialer und politischer Pro-zesse verwendet, die aus einer Folge sich bedingender Er-eignisse bestehen.“

(Auszug Aufgabenstellung von Prof. Andreas Theurer)

Der Domino-Effekt

Der Film selbst sollte nun Anstoß sein - aus seinem Thema sich neue Gedanken und Dinge entwickeln.So war das gesamte 2.Semester Architektur und Facility Management zu Beginn des Sommersemesters 2009 auf der Suche nach potentiellen ‚Domino-Bausteinen‘.Unter der Betreuung von Prof. Andreas Theurer und Prof. Klaus Kozel bildeten zwei der drei Gruppen Teams von 3 bis 4 Studenten, die jeweils ein eigenständiges Objekt, eine mechanische Komposition, ein Spiel aus Bewegung, Form und Farbe entwickelten. Durch einen Impuls in Bewegung gesetzt, galt es danach immer wieder neue Impulse aus-zulösen. Die Schwierigkeit bestand darin, die einzelnen Objekte dann in ihrem Funktionsablauf aufeinander abzustimmen und am Ende als eine durchgehende Aktionskette öffent-lich zu präsentieren. An einzelnen Stellen benötigte die Ket-te dann doch den ein oder anderen zusätzlichen Anstoß.

Auf der Suche nach einer Interpretation oder Adaption des Filmthemas auf Architektur und Städtebau, entwickelten die Studenten der 3. Gruppe unter der Leitung von Prof. Johannes Kister Reaktionsketten im Stadtraum - der Akti-onsgegenstand Mensch inbegriffen. Übertragen wurde das Prinzip der Kausalkette auf die Stadt und ihre Strukturen - ihren Kreislauf aus Produzieren und Konsumieren, Angebot und Nachfrage - dem Organismus Stadt, einer scheinbar unendlichen Kette von Ursache und Wirkung, Impuls und Geschehen. Durch diese Strukturen, so schien es, bewegen sich soziale Gruppen, getrieben von Trends, persönlichen Zielen und nicht zuletzt von Angebo-

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ten und Potentialen der Struktur selbst. Als Konsumenten weben wir diese Strukturen auch immer selbst mit, lassen ‚Fäden’ fallen und trennen auf, weben neu und erweitern den ‚Teppich’.

Die Frage war, ob in der Stadt jene ‚gespeicherte Energie’ steckt, die Impulse frei werden lässt?Wo lassen sich Entwicklungspotentiale finden? Und wie können diese in konstruktive Prozesse gewandelt werden - wie einen Dominoeffekt anstoßen?

Entstehen sollten ‚Impulsgeber’, die als Katalysator für städtische Transformation fungieren, Objekte oder Aktio-nen, welche strukturelle Veränderungen zunächst temporär aber auch nachhaltig zu provozieren vermögen. Es galt, Stadtroutine zu durchbrechen und Potentiale freizulegen. Mit ‚Implantaten’ im Stadtraum sollte das Stadtbild verän-dert, Frequentierungen ’um’geleitet und so ein Entwick-lungsraum generiert werden, in dem sich Akteure und Pas-santen begegnen.Mit zunächst zwei Aktionen im Stadtzentrum - ‚Schaufens-ter Studentenleben‘ und ‚Das Seminar im Stadtraum‘ - öff-neten die Studenten einen Diskussionsraum und kamen tatsächlich leicht mit Anwohnern und Passanten ins Ge-spräch. Idee war, sich selbst als Student vorzustellen - sich als Teil der Stadt erkennen zu geben, sich zu bekennen und eventuell das Bekenntnis der Anderen zu erwecken. Zum Abschluss des Projektes lud eine Ausstellung Projekt-beteiligte sowie interessierte Gäste noch einmal auf den Campus zum Dialog.

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Gegenstand dieses Artikels ist ein Zwischenbericht zu einer Entwicklungsplanung, der als Masterplanung für die Ge-meinde Oranienbaum in Sachsen-Anhalt im Sommer 2008 begonnen wurde und seitdem Ausdehnung erfuhr als re-gionale Rahmenplanung. Der Prozess zeigt das Anliegen, Praxis von kommunaler und regionaler Stadtentwicklung und Lehre erfolgreich miteinander zu verbinden. Dies be-trifft vor allem die Aufteilung und Vermittlung von Schwer-punkten: Hierbei hat der innovative Beitrag von Seiten der Hochschule idealerweise Impulswirkung für die nachfol-genden planungspraktischen Ausführungen und dient auch als Leitfaden für deren Erfolgskontrolle. Die notwen-dige Forschung im Feld zwischen Impuls und Ausführung betrifft einerseits professionelle Aspekte der Ermittlung von Planungsbedarf und Erneuerungsinteressen vor Ort sowie andererseits den Dialog zur Herstellung von Initiativen mit potentiellen Akteuren zur Durchführung von Massnahmen.

In Sachsen-Anhalt sind vor allem Arbeitsstätten neu zu inte-grieren, um Abwanderung zu verhindern. Deshalb geht es in diesem Projekt um die Frage, wie das Weltkulturerbe der barocken Gründung von Schloss und Stadtkern historisch respektiert, touristisch erschlossen und regionalpolitisch verträglich in einen Rahmen von bereits bestehenden und zukünftig zu gestaltenden Orten eines regionalen Themen-parks mit Weltkulturerberang integriert werden kann. Dieser Themenpark liegt zwischen den drei großen Städten Des-sau (Bauhaus), Wittenberg (Luther) und Bitterfeld (Solar Valley). Er ist gerahmt durch die regionale Planung des „Lutherweges“ und betrifft dazwischen bereits inszenierte Stationen historischer Entwicklung zwischen Aufklärung (Wörlitz) und Industrienachfolge („Ferropolis“). Er betrifft auch die massiven Vermächtnisse der industriellen Blü-te und deren Wandel für aktuelle Nutzungen (ehemaliges Heizkraftwerk Vockerode an der Elbe).

Die Suche nach gut integrierbaren Arbeitsstätten wurde auf die Gründerin der Barockstadt, Fürstin Henriette Catharina von Oranien-Anhalt, zurückgeführt. Deren 300. Todestag im November 2008 und ihre innovativen Taten zum Aufbau von Landwirtschaft, Wirtschaft und sozialer Infrastruktur waren Anlässe für die Nominierung des Ortes als Frauen-ort geworden. Das Symbol der Familie, der Orangenbaum, wurde aktuell im Rahmen von Studienarbeiten zum Anlass genommen für eine besondere Fortführung dieser Innova-tionen zugunsten einer hochwertigen Produktion von Le-

bensmitteln und Genussgütern. Diese Produktion („Oran-genproduktion“) sollte ihre Wurzeln neu entdecken in der ortsansässigen Land- und Forst- sowie Jagdwirtschaft, dem Fischen und Räuchern und dem Gartenbau mit ver-bundenen Zweigen des Handwerks und der Gastronomie, dies alles für einen Tourismus der Kulturwirtschaft. In Form der Vision „Orangenproduktion“ ergeben sich Perspekti-ven, die auch materiell über die Fortführung des Barocken Erbes hinausgehen, bzw. dieses Erbe „alltagstauglich“ machen und so Hochkultur und Gebrauchskultur in neuer Weise beleben dürfen. Das heißt konkret, dass die Oran-genbäume, die das barocke Erbe symbolisieren, weiterhin kugelförmig geschnitten werden, während diejenigen Bäu-me, die der Belebung des Erbes durch die Produktion der Genussmittel dienen, für das Tragen der Früchte in anderer Weise geschnitten werden müssen. Hiefür wird die Aufklä-rung, als Geisteshaltung, die die Region Anhalt seit Beginn des 18. Jhdt in besonderer Weise berühmt gemacht hat, zum Rahmen für fortgesetzte innovative Prozesse erklärt und so aus ihrer historischen Verortung mit vorwiegender Manifestation in Wörlitz „befreit“ und in die Region hinein ausgedehnt. Dieser Stand der Diskussion entspricht der vorausgehend auch mittels Pressemeldungen erörterten Vision „Barockstadt Oranienbaum – Paradies der Aufklä-rung im Fluss der Landschaften zwischen Elbe und Mulde“ mit heftigen Widersprüchen von Seiten der Bevölkerung gegen das Bild „Paradies der Aufklärung“.

Von der Masterplanung zurregionalen RahmenplanungDie Aufgabe war von Seiten des ehrenamtlichen Bürger-meisters an die Hochschule Anhalt mit der Bitte um Be-ratung in Sachen „Masterplanung“ herangetragen worden. Diese Anfrage war von Prof. Dr. Andrea Haase, Professorin für Städtebau und Städtebauliches Entwerfen, im Winterse-mester 2008/09 und im Sommersemester 2009 beantwor-tet worden durch unterschiedliche thematische Zugänge in Projekten des internationalen Masterkurses Architecture, des Bachelor Kurses Architektur und des Masterkurses Facility und Immobilienmanagement im Wintersemester 2008/09 und im Sommersemester. Die Bedeutung der Re-gion als Bezugsrahmen wurde von Prof. Haase im Winter-semester postuliert mit Bezug zu der Frage, ob der § 171f BauGB zur besonderen Förderung von Standorten nach Landesrecht eine regionale Ebene für mögliche Anwen-

Orangenproduktionam Frauenort?

Eine Masterplanung für Oranienbaum - Strukturkonzepte auf dem Prüfstand

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dungen finden könnte, nachdem klar geworden war, dass insbesondere die Orte mit historischer Bedeutung und da-durch „gefangener Lagevorteile“ für Innovationen nicht in-nerhalb ihrer teilräumlichen Umgebungen die notwendiger Voraussetzung zur Unterstützung von Erneuerungsmaß-nahmen finden.

Das Thema „Masterplanung“ fand Ausgangspunkte der Diskussion im barocken Kern der Stadt und den durch Erhaltungssatzung gesicherten raumstrukturellen Rah-menbedingungen dort und führte von dort über die Einbe-ziehung besonderer Problemlagen industrieller Prägung zur Kontextbestimmung „Region Anhalt, Bitterfeld und Wittenberg“. Dies bedeutete im Ergebnis aller Beratun-gen sowie im Gespräch mit den Ministerien der Wirtschaft, der Finanzen und der Landesentwicklung, zuletzt auch mittels Beratung zur Gründung von Initiativen der Durch-führung von Maßnahmen durch das Zentrum für Weiter-bildung der Industrie- und Handelkammer Dessau und Halle, dass alle relevanten Maßnamen des Wandels ihre Förderungswürdigkeit mit Bezug zur Region ableiten und deren Wertschöpfung für das Oberzentrum Dessau und das Mittelzentrum Wittenberg nachweisen müssen. Die Förderungswürdigkeit verlangt darüber hinaus jedoch den Nachweis der örtlichen Initiativen.

Strukturkonzepte auf demPrüfstand Die studentischen Arbeiten der internationalen Studenten testeten im Wintersemester Perspektiven der Entwicklung mittels Szenarien und alternativen Konzepten für gewählte Lagen einer möglichen Transformation; im Sommersemes-ter lagen die Schwerpunkte bei der Bestimmung von Über-gängen zwischen Stadtkern, Landschaft und besonderen Lagen der Transformation innerhalb der Landschaft. Die Arbeiten der Bachelor-Studenten waren im Wintersemes-ter einerseits thematisch auf bestimmte Schwerpunkte der Forschung ausgerichtet, andererseits hatten sie auch da-mit begonnen, Orte räumlich zu konzipieren; im Sommer-semester lag der Schwerpunkt der Arbeiten bei der Unter-suchung der „Ränder“ der Barockstadt. Es zeigte sich im Rahmen der öffentlichen Präsentationen in Oranienbaum im Januar und mittels der Nachwirkungen in der Tages-presse, dass die Ideen der Studenten zur Raumbildung nur soweit tragfähig sind, wie sie selbst von Vorstellungen in der Bevölkerung getragen werden können. Die Bemühun-gen im Vorfeld von Anträgen auf Förderung einer Planung zur Stadtentwicklung zeigten, dass Ideen nur so gut sind, wie sie von konkreten Investitionsinteressen beantwortet werden können und wie diesen Interessen Raum zur Um-setzung auf verfügbaren Flächen gegeben wird.

Es bestand Interesse von einem Investor, einen Miniatu-renpark für touristische Zwecke einzurichten. Leider waren die inhaltlichen Ziele dieses Interesses bisher nicht mit den umwelt- und naturschützenden regionalpolitischen Zielen zur Wahrung des Weltkulturerbes abgestimmt; die für die Umsetzung begehrte Fläche war durch Besitz des Nationa-len Kulturgutes Natur vorgeprägt und belegt. Bedingungen der Kontamination des Bodens durch Arsenbelastungen von Giftgasherstellung in den 1940er Jahren kamen er-

schwerend hinzu. Ein Besuch im Umweltbundesamt dien-te der Klärung der Bedingungen im Vorfeld eines Antrags auf Forschungsförderung zugunsten einer Perspektive zur Entlastung von Boden und Grundwasser und zur Regulie-rung territorialer Begrenzungen. Dieses Wissen traf auf die Drittmittelgeförderte Forschungen der Hochschule Anhalt, Fachgebiet Landschaftsgestaltung, zur Behandlung der Flächen unter Aspekten des Naturschutzes im Rahmen von Studien zu einer „Halboffenlandschaft“.

Parallelwelten des WissensDie definitive Berücksichtigung von Förderkonditionen der EU für alle Ziele und Maßnahmen der Transformation von Seiten der Hochschule stieß auf die einges hränkte Be-geisterung aller vor Ort Beteiligten, da die EU als Institution und als Hierarchieebene über der Ebene des Bundes we-der positiv wahrgenommen wird, noch regional überhaupt ein Verständnis von Planungsebenen verbreitet ist, das über das eigene Grundstück, den gemeinsamen Raum von Strasse oder Marktplatz und resultierende Verantwor-tungen, hinausgehen würde. Dahinter steht die Angst, „anderes“ auch finanzieren zu müssen. Die Initiativen zur Entwicklung dieses Verständnisses mit Blick auf teilräumli-che und kommunale Zusammenhänge wurden durch Prof. A. Haase eingeleitet und durch eine systematische Aus-wertung von Schritten der Kooperation mit der Gemeinde Oranienbaum und einzelnen Bürgern unter dem Thema „Anwendung und Entwicklung von Wissen“ präzisiert. Ziel war eine Argumentation zur Orientierung für Förderungen einer integrierenden Planung in Teilräumen und Region. Die Unterschiede zwischen Ortsbezug und Fachwissen fanden eine bedauerliche Schnittstelle: Dies war die Erwartung der Bevölkerung, pragmatische Vorschläge für Wandel im Sinne der reinen „Anwendung von Wissen“ schnell zu er-halten. Eine „Anwendung und Entwicklung von Wissen“ für eine umfassende Integration von Raum, Funktionen und möglichen Akteuren in neue Perspektiven für Wandel und in ein systematisches Wissensmanagement für „Lernende Organisationen“ einer „lernenden Region“ einzubetten, und dieses zugleich zum kulturwirtschaftlichen Motor für Wandel zu machen, waren als Ziele vor Ort nicht wirklich vorstellbar. Die „Parallelwelten des Wissens“, die durch das Wissensmanagement und die Lernprozesse aller Akteure im Sinne der EU zugunsten gemeinsamer Aktionen erfasst und gezielt abgebaut werden sollen, wurden de facto erst einmal verschärft als Kontraste deutlich.

Visionen: Zur Bedeutung von GeschichteDas größte Problem der Verständigung lag in der Vorstellung für die Zukunft. Visionen wurden systematisch und abstrakt von der „Kulturtragenden“ Bevölkerung in der Geschichte selbst gefunden und den professionellen Zielen der Be-gegnung von Geschichte durch moderne Formen und Sys-teme von Nutzung und Gestaltung, die nicht Geschichte schlicht zitieren, entgegen gestellt. Visionen wurden für die Lehre unter den Aspekten der Raumbildung (Nutzung, Bild, Konzept), das heißt offen als Rahmen für weitergehende Konkretisierung, gesucht. Zunächst wurden, als Input in die Lehre, die abstrakten Zugänge zu einer Zukunft für einzelne

Teilräume und deren mögliche Transformation in Gemeinde und Region gesucht und definiert. Im Ergebnis von Bildern aus studentischen Arbeiten wurde im Januar bereits von Prof. A. Haase eine verbale Vision der Öffentlichkeit vorge-stellt, die durch Testentwürfe teilweise konkretisiert wurde: „Barockstadt Oranienbaum – Paradies der Aufklärung im Fluss der Landschaften zwischen Elbe und Mulde“. Die-se Vision vertrat die Geschichte als Ausgangsbedingung für Weiteres „Barockstadt Oranienbaum“. Sie stellte dieser Ausgangsbedingung ein Programm für Wandel gegenüber „Paradies der Aufklärung“. Dies bedeutete, dass Orte zum Wohlfühlen zu schaffen wären. Sie verband Ausgangsbe-dingung und Programm für Wandel durch eine bildhafte Darstellung der dafür notwendigen Prozesse: „im Fluss“. Sie verortete dieses Wandel durch die territoriale Bestim-mung der regionalen Reichweite des Wandels: „der Land-schaften zwischen Elbe und Mulde“. Die hierzu erbetene Stellungnahme von Prof. Kirsten Langkilde, Universität der Künste, Berlin, erbrachte die Konkretisierung der Vi-sion durch das Bild aus einer anderen, aber international vergleichbaren Situation von ursprünglicher Hochkultur in Dänemark und deren Tragfähigkeit als Ausgangsort für den Anstoß von Wandel bei drohender Anwanderung der Bevölkerung: Der feudal gegründete Ort eines Schlosses, umgenutzt für hochwertigen Genuss im Kontext von dafür produzierender Landwirtschaft, Gärten und verbundener Weiterbildung. Die Übertragung dieses Bildes auf die Mög-lichkeiten einer Transformation in Oranienbaum bedeutete, den strukturellen Wandel materieller und immaterieller Be-dingungen von ursprünglicher und neu bestimmter Hoch-kultur hin zu neuen Gebrauchs- und Gestaltwerten in den Blick zu nehmen und deren „Alltagstauglichkeit“ für kon-krete Arbeitsprozesse und Wirtschaftlichkeit am Ort und in der Region vorzubereiten. Schloss und Marktplatz als Orte der Gründung der Barockstadt Oranienbaum wurden in diesem Rahmen als Ausgangsorte einer Erneuerung für

spätindustrielle Ziele im historischen Rahmen gefestigt und zugleich perspektivisch neu belebt. Die regionale Ein-bindung dieser Belebung erfordert eine thematische und räumliche Differenzierung der vorhandenen Orte zuguns-ten ihrer jeweiligen Einmaligkeit und einer positiven Kon-kurrenz im Verhältnis zueinander. Der Themenpark von Weltkulturerberang wird in diesem Rahmen neu gesucht als Vielfalt von Verbindungen zwischen Orten und Wegen in dem durch den Lutherweg bestimmten Gebiet im Städ-tedreieck Bitterfeld, Dessau und Lutherstadt Wittenberg. Die demographische Tendenz der Schrumpfung wird zur Grundlage genommen für die neue Bedeutungszuweisung von Land und seiner Bewirtschaftung durch Pflanzungen, Tierhaltung und produktionsnahe Schulungen.

Die Gestaltung von Wandel für das Gebiet erfährt so eine innovative Synthese von Gebrauchs- und Gestaltwerten und bedeutet in diesem Sinne eine neuartige Integration von Kunst in den Alltag, nachdem Kunst seit Beginn der Industrialisierung in Sonderfunktionen und deren Räume für die Gesellschaft verwiesen worden ist. Die Integration wird gesehen in Form der Ästhetik von Räumen für soziales Handeln, die öffentliche Räume in Stadt und Landschaft durch gemeinschaftliche ökonomische Nutzung teilen und beleben. Es wird gewünscht, dass Bewohner wie Besu-cher diese Synthese lesen und als Zeichen ihrer Zeit am Ort verstehen lernen. Der Diskurs hierzu ist, als Diskurs von Aufklärung, in der Zukunft noch zu führen. Eine Umsetzung von einzelnen Maßnahmen ist, als Rahmen für ein kultur-wirtschaftliches Tourismuskonzept, noch regional für die internationale Vermarktung zu verwurzeln. Es ist auch Ge-genstand von Aufklärung, das dialektische Wirken von in-ternationaler Werbung und regionaler Kultur unter kreativen Aspekten einer Wirtschaftlichkeit am Ort gebrauchstauglich und umweltverträglich zu gestalten.

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*Prof. Dr. Andrea Haase

3D ARCHITEKTUR

COMIC

ARCHITEKTUR

COMIC

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Architekturstudenten als Comiczeichner

„Es gibt eine Reihe von zeichnerisch hochwertigen Co-micserien, die besonders den kreativen Umgang mit Ar-chitektur und Stadtlandschaft pflegen. Comics leben von der Steigerung der visuellen Erlebnisse und inhaltlichen Strukturen.

D.h., dass unser Verständnis für das räumliches Sehen in einem Comic virtuos vereinfacht und gesteigert wird, um Zusammenhänge zu komprimieren. Kompositionen wer-den dramatisch geordnet, weil der Comic mit wenigen Bildern auskommen muss. Bewegung und Raumtiefe sind kondensiert erlebbar.

** Comics leben von der Steigerung der visuel-len Erlebnisse und inhaltlichen Strukturen. **

Zum Einen sind dies Kriterien, die auch für die Vermittlung von Entwürfen im Planlayout von Bedeutung sein könnten, zum Anderen kann man die zeichnerischen Gesetzmäßig-keiten in diesen Illustrationen sehr plastisch nachvollzie-hen. Inhalte und Charaktere werden auf das klischeehafte reduziert. Also auch eine Übung Botschaften zusammen-zufassen und interpretierte Aussagen zu treffen, zu mani-pulieren.

In den beiden Modulen ‚Space and Form‘ und ‚Space and Volume‘ wird erst rein flächig, dann im zweiten Schritt räum-lich erweitert, die Sprache des Architekturcomics benutzt. Dabei geht es weniger, um das erzählerische und filmische Moment eines Comics, sondern mehr um die zeichneri-sche Ästhetik.Die berühmtesten Zeichner (meist Franzosen) haben phantastische Stadtutopien grafisch erfunden und damit so berühmte Filme wie Blade Runner, The fifth Element, 12 Monkeys, Dune, Star Wars. Matrix und Brazil erst möglich gemacht. Sie alle stehen natürlich unter dem Einfluss der Szenerie aus Metropolis (Fritz Lang).“

(Auszug Aufgabenstellung Prof. Carl Constantin Weber)

DIA Module space and volume + space and formdrawing work and sculptural work in the architectural context

relief sculpture + stage setting

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Mode und ArchitekturEin „Dessauer Gespräch“ mit Peter Paul Polte

Im Rahmen der Vortragsreihe „Dessauer Gespräche“ durften wir im Sommersemester 2009 Peter Paul Polte, Journalist, Herausgeber der „Textilwirtschaft“ und Präsident der Europäischen Modeakademie, an unserem Fachbereich begrüßen. In einem Interview mit Johannes Kister, Professor für Entwerfen und Baukonstruktion an der Hochschule Anhalt, begaben sich beide auf die Suche nach Verbindungen der Welten der Mode und der Architektur …

Prof. Johannes Kister: Zur Einführung in das Thema, warum könnte Mode, oder was damit verbunden ist, für Architekten interessant sein? … So was sieht man in Zeitschriften und denkt „das ist ja völlig bekloppt, so läuft ja kein normaler Mensch durch die Gegend“. Vielleicht kann das Rätsel gleich noch Herr Polte lösen, warum in den Modemagazinen immer solche Dinge auftauchen.Aber was sieht man da? Man sieht etwa die Transformation eines Kleidungsstückes, eines Overall, der eigentlich aus einem anderen Zusammenhang kommt - nämlich als Arbeitskleidung - in einen modischen Bereich. Also beschäftigt sich die Mode mit einem Element, das wir in der Architektur sehr gut kennen. Nämlich Dinge in einem anderen Zusammenhang neu wirken zu lassen oder damit bestimmte Dinge auszusagen.

** So was sieht man in Zeitschriften und denkt „das ist ja völlig bekloppt, so läuft ja kein normaler Mensch durch die Gegend“. **

Auch dieser junge Mann in der ungewöhnlichen Bekleidung verkörpert ein architektonisches Prinzip. Nämlich das Prinzip der Schichtung, der Kombination von Dingen, die eigentlich nicht zusammen passen, die nicht zusammen ein Gemeinsames geben, ein Crossing von verschiedenen Dingen. Auch ein architektonisches Prinzip der Komposition.Und wenn man dieses Thema weiter verfolgt, dann stößt man zum Beispiel auf den Architekturtheoretiker Gottfried Semper, für den die Architektur aus dem Textilen geboren ist. Die Entwicklung der Architektur aus der textilen Kunst. Und wer die Architektur der Avantgarde oder der Aktualität verfolgt, der entdeckt dieses Bauwerk, gerade fertig geworden, von Jean Nouvel. Das Konzerthaus mit einer textilen Hülle, die im Grunde genommen die Frage der Festigkeit der Architektur völlig neu interpretiert, quasi als Paravent, hinter dem sich dann der Innenraum des Hauses

inszeniert. Oder denken sie an Dominique Perrault. Er hat die gewobenen Edelstahlvorhänge in der Architektur eingeführt. Eigentlich ein Teppich. Genauso wie die archaischen Häuser, die Jurten, aus denen Gottfried Semper die Architektur entwickelt hat. Aus den geknüpften Teppichen entwickelt Dominique Perrault die berühmte ‚Bibliothèque National‘ in Paris‘.

Doch nun zu Herrn Polte.Herr Polte ist tätig in der Kommunikation und in der Vermittlung im Wirtschaftsbusiness der Mode. Er ist Herausgeber der ‚Textilwirtschaft‘. Sie ist vergleichbar mit der ‚Bauwelt‘ für die Architekten. Folglich ist die Textilwirtschaft das Magazin, welches vermittelt zwischen den Modeschaffenden und denen, die Mode kaufen oder verkaufen. Also die Kommunikationsstelle zwischen Wirtschaft und Produktion. Er ist von Haus aus Journalist, er hat Volkswirtschaft und Soziologie studiert.Er hat für viele Zeitungen geschrieben und ist einer der auf den internationalen Modebühnen zuhause ist. Er ist natürlich immer zwischen Paris, Mailand, London und New York unterwegs, wohnhaft aber in Frankfurt. Herr Polte ist auch Präsident der Modeakademie, verantwortlich für zahlreiche Veranstaltungen und Workshops, die sich mit dem Thema Mode befassen.

Peter Paul Polte: Erst mal einen schönen guten Abend für Sie alle.Wir hatten natürlich gehofft, dass mehr Gäste kommen, da wir ja keinen Vortrag nur über Modetendenzen halten. In so fern haben wir gedacht, dass sich dafür auch ein paar Männer interessieren heute Abend. Jetzt sind nur Frauen da!

Aber fangen wir bei Brunello an. Den kenne ich natürlich gut. Das ist ein unglaublich netter Mann. Wir saßen neulich zusammen, er hat bei uns einen Vortrag gehalten. Der Zusammenhang, den sie hergestellt haben, Herr Kister, der ist ja bei ihm besonders schön und besonders interessant für Sie.Brunello kommt aus einem sehr kleinen Dorf in Umbrien und er kommt aus ganz kleinen Verhältnissen. Sein Vater war irgendwo Weber und er ist aus dieser Tradition hervor gegangen, hat dann Textilingenieur gelernt. Und er hat etwas ganz besonderes gemacht, das ist auch sehr viel durch die Presse gegangen. Er hat das Heimatdorf, aus

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Johannes Kister: Die Mode ist ja bekannt für den Kampf der Schönheitsideale untereinander. Vielleicht ist es ja auch signifikant, jeder definiert Schönheit anders. Und wenn so ein Begriff in der Welt ist, wie definiert man in der Mode eigentlich diesen Begriff - Schönheit? Was kann das bedeuten?

Peter Paul Polte: Das ist eine hoch komplizierte Angelegenheit. Es gibt viele Untersuchungen über Schönheit, mit denen sie sich sicher mehr beschäftigen als wir. Schönheit hat ja sehr viel mit Symmetrie zu tun. Es gibt sehr intensive Untersuchungen über die Schönheit der Menschen. Und symmetrische Menschen sind ja besonders schön oder werden als schön empfunden, wohlproportionierte Menschen werden als schön empfunden. Schöne Menschen haben bessere Chancen bei Männern oder Frauen, je nachdem, oder im Beruf.Und natürlich gibt es einen zynischen Begriff von Schönheit. Den muss man dazu ja auch nennen. Weil es so viele unbedingte Schönheitsbegriffe gibt, verführen sie so viele Menschen zu schrecklichen Dingen, etwa zu Magersucht. Weil sie meinen, sie müssen so schön sein, wie die Schönheitsikonen. Also ist die Schönheitsindustrie,

dem er kommt, vollkommen revitalisiert. Es ist dort ähnlich wie in der Provence in Südfrankreich. Viele Dörfer sind im Laufe der Jahrzehnte nach dem Krieg kaputt gegangen, weil die Menschen dort keine Arbeit mehr gefunden haben. Sie sind in die Großstädte gewandert und wir haben völlig entleerte Dörfer mit entsprechendem Verfall.Und er hat gesagt „Nein, ich will da nicht zuschauen, ich möchte das so nicht, das ist meine Heimat.“. Und er hat Arbeit in den Ort geholt. Das, was er entwickelt hat, wurde im Laufe der Jahrzehnte sehr erfolgreich. Und er hat gesagt, was wir hier tun, das machen wir nicht in China, sondern hier. Wir versuchen es so zu produzieren, dass die Leute es trotzdem bezahlen können. Und wir arbeiten und leben in den Dörfern aus denen wir kommen. Er hat ein ganzes Dorf vollkommen revitalisiert bis hin zu Kultureinrichtungen und und und. Insofern ist er ein besonderes Beispiel. Er ist kein Architekt, er hat im Grunde das Alte, die authentische Welt, wieder generiert und sie machen heute sehr moderne und sehr erfolgreiche Produkte. Übrigens für Männer und für Frauen. Und auch sehr hochpreisige.Er ist ein gutes Beispiel für die Verbindung Mode, Architektur und Authentizität. Bei allem was er macht, legt er größten Wert auf Glaubhaftigkeit und auf Qualität.

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von der wir ein Teil sind, ja auch eine zynische Industrie.

Johannes Kister: Vielleicht zuerst einmal ein wenig von dem Schönheitsbegriff zu dem Begriff des Authentischen. Etwas was die Architektur ja bestimmt… man will etwas realisieren, man will eine Umwelt generieren, die zeitgemäß ist und die etwas von heute ausdrückt.Und da sind wir in der Architektur ja sehr gespalten. Da gibt es diese Fraktion, die sagt, wir wollen zurück zu den Gesimsen, wir wollen zurück zu einer klassischen Architektur. Und dann gibt es natürlich auch die Avantgarde-Haltung. Gibt es diese Art der Suche nach einem authentischen Ausdruck unserer Zeit auch in der Mode?

Peter Paul Polte: Immer wieder, natürlich. Über die Epochen. Wenn man sich mit Modegeschichte beschäftigt, kommt man leicht darauf.Um das ganz kurz zu skizzieren, die meisten haben ja vielleicht den Film ‚Das Parfum‘ gesehen, oder haben sogar das Buch gelesen von Patrick Süßkind. Das Buch fängt ja damit an, dass jemand nach Paris kommt. Im tiefen 18. Jahrhundert. Und er beschreibt es so, dass wenn ein Fremder im tiefen 18. Jahrhundert nach Paris käme und durch die Stadttore getreten wäre, wäre er sofort erkannt worden als ein Fremder.

** Und wir sprechen vielleicht zum ersten Mal von einer Freiheit der Kleiderordnung so im ausgehenden 19. Jahrhundert. **

Denn in einer Hauptstadt wie Paris war jeder Mensch nach festen Regeln angezogen. Die Bevölkerung war nach Zünften aufgeteilt. Die Geistlichkeit hatte ganz klare Bekleidungsregeln, der Adel sowieso und dann kommen die ganzen Zünfte, die Kaufleute und und und. Jeder hatte eine ganz bestimmte Kleiderordnung. Das ist etwas historisch sehr Wichtiges. Aus dieser Kleiderordnung durfte man nicht ausbrechen. Wir hatten keine Freiheit der Kleidung in der Vergangenheit.Dann kommt die Französische Revolution. Man knüpft die Aristokraten auf, und es kommt in jeder Beziehung zu einer Revolution. Man vertreibt die Geistlichkeit und allmählich lösen sich auch die Zünfte auf. Das ist ein ganz wesentliches Element des 19. Jahrhunderts. Und wir sprechen vielleicht zum ersten Mal von einer Freiheit der Kleiderordnung so im ausgehenden 19. Jahrhundert. Es entsteht das Bürgertum, es entsteht die Sehnsucht nach Distinktion, nach Abgrenzung. Die reichen Leute wollen anders aussehen als die armen Leute usw.. Die ersten Modeschöpfer tauchen vielleicht so um 1880 auf, dann kommen die ersten Couturiers in Paris und in London. Und sie sind vor allem für die feine Gesellschaft zuständig. Das dauert bis in die Belle Epoque hinein, 1914 bis 1918.Und dann kommt eine Figur die sie auch alle kennen, nämlich Coco Chanel. Ein Mädchen aus einer Klosterschule, eine Waise, heimatlos, lernt bei den Schwestern nähen. Und mit diesem einzigen Talent, was sie hat, erobert sie die Welt. Sie erobert erst mal ein paar sehr reiche Männer. Das war eines ihrer hervorstechenden Elemente. Sie war eine unglaublich charmante und kluge Frau.Im ersten Weltkrieg fängt sie in Deauville an, aus Stoffen,

die man eigentlich für Lazarettinsassen benutzt, Kleider zu machen. Das heißt, sie bricht zum ersten mal aus. Und ihre große Revolution kommt dann in den 20er Jahren. Sie ist eigentlich die erste moderne Frau, die aus den alten Kleiderordnungen ausbricht und moderne Kleider macht. Sie ist die erste, die sich mit Pullovern beschäftigt, die Jersey verarbeitet für Frauen und eine lockere lässige Kleidung herstellt. Das was wir heute Casual Wear nennen. Also insofern ist sie wirklich die Berühmteste. Und Karlchen, Karl der Große, der das nun seit 20 Jahren macht, ist eigentlich gar kein Chaneltyp. Sie haben Ihn ja kennen gelernt. Er ist eine sehr manierierte Figur. Aber zurück, die 20er.

Johannes Kister: Von Karl Lagerfeld ist die Rede.

Peter Paul Polte: Karl Lagerfeld ja.Die 20er und 30er Jahre sind dann natürlich sehr moderne Jahre, Bauhaus, sie haben sich ja auch mit Kleidung beschäftigt. Es kommt dann ja auch der Sport. Sie haben vor dem 1. Weltkrieg das Phänomen des Sportes nicht, das kommt dann erst. Und dann geht es halt in unsere Zeit.

** Das Uniforme ist für uns Architekten etwas Notwendiges, weil es zu einer Verbindung der Elemente untereinander führt **

Johannes Kister: Das Uniforme und das Individuelle, sind ja für Architekten auch Grundgedanken. Das Uniforme ist für uns etwas Notwendiges, weil es natürlich zu einer Verbindung der Elemente untereinander führt, in einem städtebaulichen architektonischen Kontext. Das Individuelle ist aber natürlich ein ganz großes Phänomen der Zeit, der individuelle Ausdruck, der natürlich in der Architektur auch sehr kritisch gesehen wird. Das Individuelle ist aber sicherlich eine Basis der Mode…

Peter Paul Polte: Ja natürlich, beides. Beides ist auch Element der Mode. Es gibt einen berühmten Satz „Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“. Der gilt auch für die Mode. Im Krieg, in der Liebe und in der Mode ist im Prinzip alles erlaubt. Jeder kann sich ja anziehen wie er will. Sage ich - stimmt aber nicht. Natürlich haben wir das Uniformelement ganz stark. Gucken Sie sich an, sie haben im Prinzip ein uniformes Element an. Da sie aber ein individueller Mensch sind, sind sie ein bisschen aus dem Raster ausgebrochen. Sie haben eine ungewöhnliche Farbe an.

** Es gibt einen berühmten Satz „Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“. Der gilt auch für die Mode. **

Johannes Kister: Eine chinesische Farbe.

Peter Paul Polte: Ja so indigo, blau… geht zurück auf die Jeansproduktion.Nein, ich will damit Folgendes sagen, Herr Kister. Ich komme ja aus Frankfurt und in Frankfurt gibt es 70.000 Angestellte bei den Banken. Männer und Frauen. Und alle diese Menschen sind gezwungen, sich jeden Tag Uniformen anzuziehen. Wenn ich morgens ins Büro fahre und ich sehe sie alle strömen, sie haben immer, jeden Tag

mich erschießen. Er lebt nicht mehr, ich weiß nicht mehr was ich anziehen soll.

Johannes Kister: Also ich komme noch einmal darauf zurück, weil es etwas ist, das aus dem Alltag des praktizierenden Architekten gesprochen ist, der Bauherren hat, die bis zu einer gewissen Grenze betreut werden wollen, aber dann auch eine klare Differenzierung zu ihrem individuellen Lebensraum in Anspruch nehmen. Und sicherlich auch zu Recht in Anspruch nehmen. Die aber umgekehrt, von der anderen Seite, leichter überwunden wird. Mir scheint es fast so, als dass meine Bereitschaft, das auch in meinem Lebensraum weiter zu führen, größer ist, als umgekehrt. Von einem berühmten Architekten ein Haus zu haben und ihn dann auch zu fragen, Herr Nouvel oder Zaha Hadid, kann ich von Ihnen noch ein Kleid oder einen Anzug haben, damit ich in das Haus passe.Was man dem Bauhaus vorgeworfen hat und den Bauhausmeistern und das war ja auch eine fundamentale Kritik, dass man dort als Individuum in einen Formkanon hinein gebracht wird.Das bedeutet aber auch ein Verlust an Kompetenz von Seiten der Architekten. Wie ich zum Beispiel auch ganz aktuell hinnehmen muss, dass der Bauherr sagt, ich will jetzt kein Kister-Foyer, ich will eins von Karl Lagerfeld. Ich bin da gespannt, weil ich innerlich die Trennung mache zwischen Architektur und Innenarchitektur. Aber vielleicht ist das in der modernen Philosophie einer Marketingidee zu vorsichtig.

Peter Paul Polte: Sie haben ja eine Karikatur der ganzen Geschichte bei Jacques Tati „Die Ferien des Monsieur Hulot“, „Mon oncle“ und so weiter. Diese Filme gehen ja gerade wieder durch die Presse, weil sie 50 Jahre alt werden. Also diese großen französischen Filme, die sind ja Gesamtkunstwerke bis zur Bekleidung. Da wurde ja genau vorgeschrieben, wann sie eine gestreifte Krawatte tragen müssen und und und, und dass der Badvorleger zur Krawatte passt. Das ist aber eine Karikatur und deswegen sind die Filme ja so berühmt geworden. Das sind ja Laborsituationen, Laborhäuser und Labormenschen. Und das funktioniert nicht. Gott sei Dank nicht.

Johannes Kister: Und das ist auch kein Ideal der Modewelt?

Peter Paul Polte: Nein, nein. Das gibt es vielleicht in Ansätzen schon, das kann man so sehen. Sie wissen ja auch, dass sich im Grunde alle großen Modehäuser in die Welt der Kosmetik gedrängt haben. Wenn sie so wollen, ist das ja eine Welt der perfekten idealen Schönheit. Und auch dort ist Chanel einer der ersten Namen gewesen. Aber dieses war nicht ihre Idee, sondern die Idee der Familie Wertheimer, denen seit den 20er Jahren auch das Haus Chanel gehört. Das ist die Idee von Chanel No.5. Also der Name einer berühmten Modemacherin, die ja damals schon sehr stark durch die Presse gegangen ist wird benutzt, um Parfüm zu lancieren. Es ist eine Marketingidee. Das ist für unseren Bereich sehr wichtig. Und das Ganze findet dann noch einmal statt mit Jeanne Lanvin, einer Zeitgenossin von Chanel in den 20er, 30er Jahren mit Arpège. Beide Düfte gibt es bis heute. Chanel und Arpège sind bis heute mit die erfolgreichsten Düfte, die es gibt.

einen grauen Anzug an. Sie dürften natürlich nie so einen blauen Anzug anziehen, er muss immer anthrazitgrau sein. Er darf ja nicht mal dunkelblau sein. Und sie müssen immer weiße Hemden tragen. Die größte Revolution des letzten Jahrzehnts ist, dass sie keine Krawatte mehr tragen müssen. Das ist eine echte Revolution gewesen bei diesen Leuten, d.h. sie haben da ein ganz starkes Element der Uniformität. Und auch bei den Frauen, die da arbeiten. Die haben immer schwarze Hosenanzüge und weiße Hemden und niemand darf daraus ausbrechen. Nur in den ganz großen Etagen, also in den Vorstandsetagen dürfen sie ausbrechen, denn da beginnt wieder das Reich der Freiheit. Also ich will damit sagen, das Element der Uniformität ist auch ein ganz starkes Element der Mode und das Reich der Individualität natürlich auch. Es ist aber so, wenn sie mal genau hin schauen, in vielen Bereichen der Kleidung verhalten sich auch junge Leute erstaunlich uniform. Nehmen Sie das Beispiel der Jeans. Es ist auch eine Uniform. Es ist vielleicht eine Uniform der Freiheit. Aber es ist natürlich eine Uniform. Wir sagen nicht Uniform dazu im Jargon der Soziologen, sondern wir sagen einfach, es ist ein Element der Anpassung. Und dass ist uniform. Es gab historisch immer Zwänge, es gab ganz starke Ordnung. Und dann beginnt allmählich der Ausbruch aus der Ordnung und eine der ersten war Coco Chanel. Die Revolution der Bekleidung beginnt im Grunde ja auch erst in unserer Zeit. Das ist ein neues Element.

Johannes Kister: Man muss sich ja manchmal fragen, wie werden unsere Städte oder die Architektur angenommen, oder wie bewegt man sich in einer Architektur. Wie kleidet man sich in der Architektur. Sie haben es vorhin erwähnt, das Bauhaus hier war ja auch eine Idee des Gesamtkunstwerkes. Dazu gehörte eben auch die persönliche Erscheinung. Und umgekehrt ist es ja das, was jetzt Lagerfeld oder andere Designer machen - die Idee des Gesamtkunstwerkes von einer anderen Seite.Ich glaube, es gibt heute keinen Architekten mehr, der so weit gehen würde. Geradezu ist es entgegen der Theorie zu sagen, ich zieh meine Bauherren auch noch an. Umgekehrt ist es ja so, dass durchaus die Architektur selbst bis ins Letzte gestaltet werden kann. Wenn sie zu einem Label oder zu einer Identität gehört. Wie erklären sie sich dieses Phänomen?

** Als Cristóbal Balenciaga gestorben ist, hat eine berühmte Kundin gesagt, ich kann mich erschießen. Er lebt nicht mehr, ich weiß nicht mehr was ich anziehen soll. **

Peter Paul Polte: Ja, das gibt’s in der Mode natürlich auch. Also viele Hersteller oder viele Marken glauben, wenn ich einen Kunden gewonnen habe, dann ist er mir hundertprozentig hörig. Und in der Entwicklung von Kollektionen macht man es auch so… man entwickelt ja Kollektionen für jede Gelegenheit des Tages. 24 Stunden am Tag bis hin zum Nachthemd. Aber kaum jemand auf der Welt ist den Modemachern so hörig.Ja…, es gibt Ausnahmen. Als Cristóbal Balenciaga gestorben ist, hat eine berühmte Kundin gesagt, ich kann

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Ich hab einfach mal die Vogue mitgebracht. Wenn Sie solche Zeitschriften nehmen, die leben ja nur davon. Also die Anzeigen der Kosmetikindustrie dominieren solche Zeitschriften, weil die Kosmetikkonzerne ungeheuer reich sind und sehr viel Geld verdienen. Und natürlich ist klar, dass man an einem Fläschchen Chanel No.5 mindestens 99 Prozent verdient. Also sie brauchen nicht viel Extrakt dafür. Das ist einfach das große Geschäft. Und alle Häuser, Chanel oder Dior, haben ungezählte Lizenzprodukte. Also Dior war ja der Erste, der gesagt hat, wir vermarkten den Namen mit Feinstrümpfen, so fing das an, das war ein Riesengeschäft weltweit. Das waren die Nylonstrümpfe, die da kamen nach dem Krieg, und dann geht es immer weiter. Schuhe von Dior, Strümpfe von Dior, Kosmetik von Dior, Männerkleidung von Dior, Männerdüfte von Dior, und und und. Also das ist heute die Hauptertragsquelle der großen Häuser. Das ist im Prinzip Ihr Gesamtmensch. Aber eher als Marketing oder Geschäftsidee.

Johannes Kister: Da drängt sich sofort eine Frage auf. Wir begeben uns auf das Feld der Manipulation. Es ist klar, wir werden manipuliert und wir begeben uns da natürlich auch gern in einen bestimmten Bereich der Manipulation.

Peter Paul Polte: Das ist ja auch eine inszenierte Welt, die wir da sehen. Und sie gefällt uns vielleicht. Brunello lädt seine Freunde zum authentischen Spaghettiessen, wir trinken italienischen Rotwein, wir sind auf einem Hügel in den umbrischen Bergen, der Sonnenuntergang, wir fühlen uns wohl, alle sind gesund und schön… Also das ist die Welt von Brunello Cucinelli.

Johannes Kister: Ja, fast wie in Dessau.Also jung und schön sind wir ja, und italienischen Wein gibt es auch, und viel Natur haben wir auch, wir haben Wörlitz…Nein, die Frage ist natürlich schon, warum es Architektur scheinbar nicht gelingt, den Effekt der Dienstleistung, den ja nun die Kleidung auch darstellt, einzunehmen. Wir haben ja nicht deswegen alle etwas an, weil wir gerade das anziehen wollen, weil wir uns damit in eine Uniform oder eine Identität begeben, sondern weil man natürlich etwas an hat. Weil es kalt ist, und weil …

Peter Paul Polte: Das war aber vor Christi Geburt

Johannes Kister: Aber es ist ja der Mode gelungen, aus dem Dienstleistungseffekt, dem einfachen Simpel der Bekleidung, aus diesem Phänomen ein Bild zu generieren. Auch wenn manche sagen, ich ziehe an, was ich gerade im Schrank hab, was natürlich de facto nicht so ist, wenn man reflektiert. Da tut sich Architektur und das Bauen einfach definitiv schwerer. Wir sind sehr in dieser Dienstleistung verhaftet und man bewundert manchmal, mit welcher Leichtigkeit und auch mit welcher Bildhaftigkeit Welten, Bilder generiert werden, die scheinbar den Architekten so schwer fallen.Also so eine Art von Verheißung zu suggerieren, die bedeuten würde, beispielsweise mit mir so ein Haus zu bauen. Wie schafft das die Mode, was spricht sie da an? Wo hat da Architektur ein Defizit?

Peter Paul Polte: Ach ich seh das gar nicht so. Also ich empfinde eigentlich, dass sich Bekleiden und das Wohnen als die zwei großen Bereiche der Freiheit und des individuellen Ausdruckes. Also das sehe ich sehr positiv. Also wie man sich bekleidet ist ja kein Zufall. Es hat eben nichts mit Wärme und Kälte zu tun, sondern jeder von Ihnen steht morgens auf und überlegt sich, was er anzieht.Vielleicht sagen manche von Ihnen, Nein, ich tue das nicht. Aber ich glaube das nicht. Jeder überlegt sich das. Und jeder sieht sich ja auch kritisch. Das ist ja nicht egal, wie man gekleidet ist. Man möchte in einer ganz bestimmten Art und Weise erscheinen. Man ist ja nicht allein auf der Welt, sondern Menschen sind soziale Wesen und wir möchten wirken. Es gibt ein berühmtes Buch, zu einer berühmten Ausstellung über Mode, das heißt „Anziehungskräfte“. Wir wollen natürlich immer Leute anziehen, wir wollen attraktivieren. Wir wollen Leute gewinnen für uns, das geht gar nicht anders. Also sonst wären wir keine sozialen Wesen.Also mehr oder weniger versucht jeder, sich zu gestalten, nach dem Begriff, den er als schön empfindet. Das ist ja klar. Frauen wechseln etwas schneller als Männer, sie wechseln ja auch ihre Identitäten schneller. Im Gegensatz zu uns Herr Kister, kann eine Frau heute Abend beschließen, dass sie morgen blond wird oder schwarz oder kastanienbraun.Damit hätten wir etwas Probleme. Wenn man es genau sieht auch nicht, wir könnten heute sagen, wir gehen morgen doch mal in so einen Laden mit Haarteilen. Man wird ja jünger. Hätte ich ja vielleicht schon längst gemacht, aber sie sagt immer ich mag das nicht. Ok. Aber sie als Frauen tun sich da ja viel leichter. Sie sagen, ich hab das jetzt durchgeblättert hier, und die Schauspielerin so und so find ich ganz toll. Blond möchte ich auch, blond ist scharf, macht die Männer an und so, ist doch ganz einfach. Die Mechanismen sind doch bekannt. Also Bekleidung als Ausdruck der Individualität und der Attraktivierung von anderen Menschen ist ganz wichtig. Insofern behaupte ich, dass jeder von Ihnen, jeder der jetzt hier sitzt, sich jeden Morgen Gedanken macht, wie er sich morgens anzieht. Und wenn man das jetzt auf das Wohnen überträgt… das Wohnen ist ein Reich der Freiheit. Man macht es sich schön zu Hause. Und dann kommt das berühmte deutsche Wort, das überhaupt nicht übersetzbar ist, gemütlich, ich will es zu Hause gemütlich haben.

** Ich möchte eigentlich mal Gasableser werden. Damit man mal durch alle diese Wohnungen kommt, das wäre doch wirklich spannend. **

Das ist ja ganz wichtig. Das machen die Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten. Es gibt schöne Wohnungen, es gibt nicht so schöne Wohnungen. Ich hab schon manchmal gesagt zu meiner Frau… wir hatten immer Hunde, und dann geht man ja abends durchs Viertel und so. Und dann sieht man die vielen beleuchteten Wohnungen, und sagt, ich möchte eigentlich mal Gasableser werden. Damit man mal durch alle diese Wohnungen kommt, das wäre doch wirklich spannend.Das wäre für mich ein hoch interessanter Beruf, fremde Wohnungen zu sehen. Vielleicht wäre es auch grauenhaft, ich weiß es nicht so genau. Es gibt ja auch schreckliche

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die ersten Filme in dieser Art. Und ich weiß noch, ich habe Anfang der 60er Jahre in München studiert und ein paar Jahre zuvor gab es die sogenannten Münchner Krawalle. Da rotteten sich mit den ersten Rockfilmen junge Leute auf der Straße zusammen, die hatten diese komischen blauen Hosen an. Das waren ja wirklich Arbeiterhosen vom Ursprung her und sie hatten so lackschwarze James-Dean -Lederjacken an. Und da ist die Polizei gekommen mit Gummiknüppeln und hat sie auseinander getrieben. Weil, so lief man natürlich nicht rum, da roch man Revolution. Oder eine andere Mode, das hab ich auch selbst erlebt, 1964, ich war in einer Pressekonferenz bei den Beatles. 1964, da waren die ja noch blutjung, da waren sie noch in dem Starclub in Hamburg. Die waren ja oft in Hamburg oder in Deutschland unterwegs. Das war eine Tournee in Essen, wo ich war. Ich bin aus dem Ruhrgebiet. Und die hatten so lange Haare. Das gab es nicht. Das war eine Revolution, das Jungs so lange Haare hatten. In Deutschland hatten die Jungs immer kurze Haare. Lange Haare hatte man zuletzt im Zeitalter der Romantik, Wörlitz 1780. Also das war eine echte Revolution, das kann ich ihnen sagen. Und dann haben sich die langen Haare, die Pilzköpfe, ganz langsam durchgesetzt. Väter haben ihre Söhne verdammt. Sie haben gesagt, so lange du die Füße unter meinen Tisch steckst, lässt du dir die Haare abschneiden.Also dieser Ausdruck der Freiheit ist etwas Junges.Und die Jeans waren natürlich auch ein Ausdruck des Aufbegehrens. Aus dieser Rolle sind sie dann geschlüpft in eine Selbstverständlichkeit. Heute hat jeder Jeans an, wirklich jeder. Der letzte Kraftfahrer, der letzte Mensch in der Seniorenresidenz, ja jeder 90 jährige hat heute Jeans an. Jeder, das ist ja das Blöde für Sie.Das war mal ganz jung, und ich hab mal einen Satz gehört, der hat mir sehr gefallen. „Die Alten nehmen den Jungen alles weg“, das ist auch so, das ist schrecklich.Heute ist es so, als die ganze Sportswear-Bewegung kam, auch 40 Jahre alt oder so, da haben die Alten gesagt, wie kann man so rumlaufen. Man muss `nen Anzug anhaben. Heute zieht jeder Alte Sportswear an. Und die Jungen ziehen sich plötzlich wieder formell an. „Der Club der toten Dichter“, wenn sie das gesehen haben. Die sehen alle ganz schnieke aus, haben weiße Hemden und Krawatten an. Schöne Feinstrick-Strickjacken und so weiter. Schön scharf gebügelte Hosen. Die braven Jungs von nebenan. Also diese Wellenbewegung haben wir permanent in der Mode. Die Jungen machen immer das Gegenteil von dem, was die Alten machen.

** Der letzte Kraftfahrer, der letzte Mensch in der Seniorenresidenz, ja jeder 90 jährige hat heute Jeans an. **

Johannes Kister: Also das bringt mich auf die Frage, wie arbeitet man denn in der Produktion von Mode? Wie verfolgt man den Zeitgeist?Es ist ja auch immer so, die Modestars haben ja die Attitüde des Künstlers, der aus sich autonom etwas erfindet, die Kreation und autonom über dem Business steht. Das ist ja auch etwas Kultiviertes, was ja vielleicht auch unter das Kapitel Personenkult fällt. Heißt das, das Ohr am Zeitgeist zu haben, um solche Trends zu spüren. was ist das, was vielleicht getragen wird? Man muss ja modern sein. Wer

Wohnungen. Wir haben einmal ein Projekt gemacht mit zwei jungen Leuten aus Berlin. Sie haben einen Vortrag gehalten und haben von sich aus gesagt, wir machen mal so ein Wohnungsprojekt. Wir gehen mal durch alle Wohnungen unserer Freunde. Das ist so die Generation gewesen, zwischen 22 und 30. Also diese Generation im Aufbruch, Studentengeneration, zum Teil schon berufstätig, zum Teil schon Geld verdienend, zum Teil noch abhängig von den Eltern. Also sehr unterschiedlich. Das war hoch spannend für uns, denn es gab welche, die hatten richtig schöne Wohnungen. Es gab auch welche - es waren immer Männer - die lebten aus Pappkartons. Man sieht das Phänomen öfter in den Tatortkrimis, die haben ja auch nie eigene Wohnungen, die jungen Kommissare. Die wohnen immer im Hotel, bei irgendwelchen Freunden oder der Freundin, oder mit Pappkartons, müssen sie mal drauf achten.Also ich will damit sagen, das Reich des Wohnens ist natürlich ein großes Reich der Freiheit. Und das verbindet uns.

Johannes Kister: Ja, das schon. Aber, der Architekt kommt ja meist gar nicht bis zu dem Bereich des Wohnens, dieser Individualität des Inneren. Wenn man so will, ist da ja Kleidung die Individualität des Äußeren. Damit geht man auf die Straße, in den öffentlichen Raum. Das ist ein interessantes Phänomen. Wie gehen die Menschen in die Stadt, wie stellt man sich öffentlich dar?Wenn ich das in Jogginghose und Turnschuhen tue, oder im Military-Outfit quasi als Nahkämpfer des urbanen Raumes. Oder mit Hut, das zum Beispiel ist ja fast schon exotisch. Wenn ich diesen Hut habe oder eine Kappe, dann kann ich sicher sein, da fällt man auf. Denn das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir werden definiert durch die Mode? Aber wer definiert das eigentlich? Wir sprachen eben über die, die Mode erfinden, und Sie wissen wahrscheinlich schon, was wir im nächsten Sommer tragen?

** Es wird ja auch oft geredet vom Modediktat. Es gibt kein Modediktat. Es gibt ein Gesellschafts-diktat. **

Peter Paul Polte: Das wissen wir überhaupt nicht. Weil Sie frei sind, zu tragen, was sie wollen. Es wird ja auch oft geredet vom Modediktat. Es gibt kein Modediktat. Es gibt ein Gesellschaftsdiktat, es gibt ein Anpassungsdiktat. Man will sich immer anpassen. Jeder Mensch will sich anpassen. Wenn Sie, das kennen Sie ja auch, in so einem Hörsaal sind, und Sie fragen dann, so, wer möchte denn jetzt mal was sagen. Man möchte immer im Strom der Gemeinsamkeit schwimmen.Da auszubrechen, muss man sehr mutig sein, sehr provozierend. Das kennen Sie alle das Spiel, Guppendynamik. Die Mode ist kein Diktat. Die Mode macht Angebote. Und sie hat vielleicht manchmal das Glück, das die Angebote begriffen und auch angenommen werden. Nehmen wir das Beispiel der Jeans, weil sie das auch alle kennen. Die Jeans sind ja noch gar nicht alt. Sie sind 50 Jahre alt. Die sind so 1955 gekommen mit der Rockbewegung, Rock n Roll, Rock about it usw.. Da kamen

Welt der Harmonie. Die Leute, die den Krieg erlebt hatten, wollten Schönheit. Sie wollten keine Hässlichkeit. Dann kommt der Bruch, dann kommt der Vietnamkrieg, 1968, die Revolution in Paris, auch in Deutschland. Also die Jungen sagen, raus aus den Talaren von tausend Jahren, raus aus dem Muff. Sie kennen das ja, sie waren ja Gott sei Dank damals noch nicht Professor. Die alten Professoren werden niedergeschrien, und es kommt zur Revolution der Universität. Also da kommt der nächste Umbruch, der Umbruch in die Gegenwelt. Man will nicht mehr diese heile Welt, die ist verlogen. Wir wollen eine neue Welt, eine moderne Welt, und entsprechend ändert sich die Mode. Es gibt zwei berühmte Figuren, die übrigens von der Architektur her kommen. Emanuel Ungaro und André Courrèges. Zwei im Grunde von der Architektur her kommende Menschen, die dann eine sehr konstruktive Kleidung bauen, sehr modern, völlig neue Materialien nehmen. Es kommt Lackleder und so etwas. Und weiß, es kommt auch zum ersten mal die Farbe weiß in die Mode, ganz ganz stark, und Pastelltöne, leichte Pastelltöne. Das findet sich auch in den Filmen von Jacques Tati wieder. Und Op-Art und kinetische Art …Die 60er gelten ja bei Ihnen in der Architektur als das modernste Jahrzehnt der Nachkriegszeit, in der Mode auch. Sie haben ja auch so eine optical Krawatte heute, das ist damals geboren wurden. Also immer wieder Zeitgeist.

Johannes Kister: Da haben sie vollkommen recht. Die ist von Adam Kimmel aus New York, der genau in diese Zeit zurückgreift.

Peter Paul Polte: Und dann kommt noch ein Element, das ist heute sehr stark. Das ist das Element des Authentischen.Ich sag es deswegen, weil es auch Ihre Generation betrifft.Und das ist Polo Ralph Lauren. Polo Ralph Lauren fängt an auch in den 60er Jahren. Aber er hat eine andere Idee gehabt. Der hat nicht diese Modernität gehabt, sondern er greift zurück auf das Phänomen des Authentischen, auf das alte Amerika, auf die Gemütlichkeit, auf die Kernigkeit, auf den Cowboy, auf den Indianer ...Und er ist auch der Erste, der Shop in Shops damals macht in New York, in den Kaufhäusern. Und er legt dann so indianische Kelim-Teppiche hin und Ledermöbel und handgeflochtene Geschichten und karierte Cowboyhemden und Jeans… Das ist ja bis heute so. Polo Ralph Lauren ist so die Welt des Authentischen, des Sports. Er holt viele Elemente aus dem Sport. Es gibt inzwischen viele andere Kollektionen, die das nachmachen. Wenn sie so wollen, Timberland ist so etwas - Abenteuer, Bergschuhe, Bergsteigen, Rucksack, Schweiß und Männlichkeit und so. Diese Welt wird ja gebaut. Die Geschäfte und die Shops werden ja für die Kleidung extra hergerichtet. Die authentische Welt wird gebaut. Also da haben sie auch die Einheit von Raum und Bekleidung.

Johannes Kister: Also ich meine, das ist ja schon faszinierend Herr Polte. Diese geschichtliche Vernetzung von Dingen, die sich gegenseitig beeinflussen. Aber würden sie mir einen Gedanken erlauben, der mir und vielleicht auch uns ein wenig zu denken gibt. Man beobachtet viel und versucht auf Stimmungen, auf die weichen Faktoren zu reagieren. Aber wir als Architekten sind oft sehr

die falsche Kollektion hat, ist möglicherweise dann auch wirtschaftlich bankrott. Das ist ja Druck. Da geht es uns Architekten wahrscheinlich schon besser. Wir laufen nicht Gefahr, dummerweise die Kollektion in der falschen Farbe gehabt zu haben und damit völlig daneben zu liegen. Wie arbeitet man da eigentlich, wie kommt man an diese Fragen heran?

Peter Paul Polte: Ja ich versuche das an verschiedenen Bildern deutlich zu machen, weil das wechselt auch hin und her. Es gibt ja den berühmten Satz aus der modernen Philosophie ‚faut être modern‘, ich glaube von Jean-Paul Sartre. Man muss modern sein. Das ist die Philosophie des zwanzigsten Jahrhunderts gewesen. Es geht aber hin und her. Nehmen wir ein Beispiel. Sie haben einen berühmten Kollegen in ihrer Branche - Adolf Loos. Adolf Loos hat in den frühen zwanziger Jahren, noch vor dem ersten Weltkrieg, dieses berühmte Haus gebaut an der Wiener Hofburg, das Michaelerhaus. Das steht ja Gott sei Dank noch, hat den Krieg überstanden. Das war ja damals eine ungeheure Provokation. Da steht diese geballte Ladung des 17. und 18. Jahrhunderts, die Wiener Hofburg, die Inkarnation eines Weltreichs. Und dann kommt so ein kleiner Rotzlöffel und stellt denen da ein unglaublich schmuckloses Gebäude hin. Ja? Zeitgeistbeispiel. Sowas haben wir in der Mode immer wieder. Natürlich müssen die guten Modemacher den Zeitgeist sehr gut erspüren und das tun sie auch. Es sind oft sehr gebildete und hoch sensible Menschen. Karl Lagerfeld gilt als hoch gebildet. Als wirklich hoch Interessierter hat er eine riesige Bibliothek. Ich habe mal jemanden gekannt, sie hat mit ihm gearbeitet und gesagt, ich habe noch nie so viel gelernt wie in den Jahren, als ich mit Karl Lagerfeld gearbeitet habe.Er hat immer gesagt, haben sie das Buch gelesen, haben sie das gelesen, waren Sie in dem Film, waren Sie in der Oper und und und. Er wusste immer alles. Er spricht ja auch alle Sprachen gleich schnell. Er ist wirklich intelligent. Oder sprechen wir über die 30er Jahre, sehr arme Jahre, schreckliche Jahre. Es kommt der Krieg, Zerstörung. Niemand kann sich etwas erlauben. Es gibt ja auch nichts zu kaufen. Es waren einfach schreckliche Jahre. Die Leute sind an der Front, keiner kann etwas produzieren. Dann kommt der berühmte 12. Februar 1947. Dieses Datum müssen sie sich merken. Das ist in der Zeitgeschichte ein ganz wichtiges Datum. Es ist die erste Modenshow von Christian Dior. Ein junger Mann, der vorher Kunstgallerist war, dann in verschiedenen Häusern gearbeitet hat, wird gesponsert von einem berühmten Textilfabrikanten, Marcel Boussac. Er ermöglicht ihm, ein Modehaus aufzubauen. Man erfindet den Begriff des New Look. Es sind die ersten schönen Frauen, die nach dem Krieg über den Laufsteg gehen. Und was tragen sie? Kleider im Stil der Kaiserin Eugenia von 1860! Er greift zurück auf eine ganz alte verzopfte Epoche und er trifft den Nerv des Zeitgeistes voll.Die ganze Welt jubelt. Warum? Man hat darüber viel gerätselt und analysiert. Es ist deswegen gewesen, weil sich die Frauen viele Jahre lang nichts kaufen konnten. Sie gingen immer in diesen blöden gleichen alten Klamotten. Und dann kommt plötzlich einer, der sagt, ich zeige euch eine Welt der Schönheit. Und so war auch der Zeitgeist der 50er Jahre. Das geht dann bis in die 60er. Es war eine

Aluminium.Ich wollte aber noch etwas sagen. Wo sie da so die Einführung gemacht haben, gingen mir verschiedene Gedanken durch den Kopf. Ich hatte mir keine Gedanken gemacht über unser Gespräch, denn ich kenne ja auch Ihre Welt nicht. Aber es gibt natürlich ganz starke Parallelitäten. Das Wort Eklektizismus ist für uns ganz wichtig. Das ist ja auch für sie ganz wichtig. Also die ganze Epoche des Historismus besteht ja nur aus Eklektizismen. Wir sind vorhin durch die Stadt gegangen, dann habe ich gedacht, was haben die denn da für eine Trutzburg in der Stadt stehen, und dann haben wir gemerkt, es ist das Rathaus. Eine mittelalterliche Festung, wie Palazzo Strozzi in Florenz, also mit so dicken Bruchsteinen. Oben wird es Renaissance, unten ist es tiefstes Mittelalter. Deswegen ist vielleicht auch die Welt von Wörlitz so schön, denn sie ist in sich sauber. Klassizistisch mit ein paar zitierten Römischen Ruinen. Die Architekten arbeiten ja gerne mit solchen Zitaten. Also Eklektizismen haben wir auch in der Mode gerne, weil den Leuten fällt natürlich auch nicht immer etwas Neues ein. Dann blättern sie in schicken alten Büchern. In der Stoffindustrie sind etwa in Orten wie St. Gallen berühmt für ihre alten Webereien. Die haben riesige Bibliotheken von alten Stoffmustern, schon aus dem 17./18. Jahrhundert. In der Schweiz wird ja alles aufgehoben. Das ist ja so ein Land. Alles. Da fahren Leute hin aus der ganzen Welt, blättern in diesen alten Stoffbüchern, Stoffmustern und so weiter, lassen sich inspirieren. Das findet ständig statt. Denn so viel kann man ja gar nicht erfinden. Und so viel Möglichkeiten gibt es ja auch nicht bei Bekleidung. Wir haben alle eine Brust, einen Rumpf und zwei Arme, und irgendwie muss da was dran. Es gibt ja nicht so viel Möglichkeiten. Also das Spielfeld ist klein.

Johannes Kister: Herr Polte. Ganz ganz herzlichen Dank. Ich finde das wunderbar, diese Öffnung des Blickes, etwas zum Nachdenken für uns. Diese Vorträge hier stehen ja auch für Dinge, die alle so mit sich nehmen. Sich daran zu erinnern, sich inspirieren zu lassen, die Wahrnehmung zu schärfen, auch neue Quellen der Wahrnehmung zu entdecken. Blicke zu riskieren auf Dinge, die zuerst unvereinbar und vielleicht widersprüchlich scheinen. Einige in der Architektur meinen sicher, Mode sei etwas ganz Anderes. Aber ich glaube, dass sie für uns sehr inspirierend ist und danke Ihnen sehr herzlich für Ihr Kommen.

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Um den Bogen der Begeisterung beim Leser nicht zu überspannen, wurde das Interview um einige Passagen gekürzt.

pragmatisch, weil man doch feststellt, man generiert viele Fakten. Also wir haben ja so eine Wettbewerbskultur und kriegen dann immer nur Zettel und dann steht da so und so viel Toiletten und die Räume und das alles. Und der Bauherr definiert sich durch die 2 qm hier und die 3 qm dort.Und so ist doch die Frage der Gestaltung auch von solch sachlichen Dingen sehr abhängig. Was könnten Sie den Architekten aus Ihrer Erfahrung raten? Wenn man entwirft… was würden Sie uns so ins Stammbuch schreiben wollen?

** Was wir in der Mode machen, das ist ja relativ harmlos. Man trägt es zwei, drei Jahre und dann schmeißt man es weg. **

Peter Paul Polte: Also ich würde Architekten empfehlen, sehr streng zu arbeiten. Weil alles, was nicht streng ist, entwertet sich relativ schnell. Was wir in der Mode machen, das ist ja relativ harmlos. Man trägt es zwei, drei Jahre und dann schmeißt man es weg. Dann kommt es in die Kleidersammlung. Es tut nicht weh, es hat auch seine Dienste getan. Oder um es betriebswirtschaftlich zu sagen - es hat sich amortisiert. Architektur ist immer viel teurer. Und in so fern würde ich sagen, Sie sollten nicht modisch bauen, Sie sollten streng bauen. Das ist ja auch die besondere Leistung oder die Philosophie der Bauhausbewegung.Je strenger umso besser. Also viele Gebäude aus den 50er Jahren etwa gefallen mir sehr gut. Sind vielleicht oft einfach gemacht, mit einfachen Mitteln aber sehr sehr ehrlich. Und das gefällt mir. Die können ganz gut bestehen heute.

Johannes Kister: Sie haben gesagt ehrlich, was empfinden sie als ehrlich?

Peter Paul Polte: Ja, das, was streng ist und wo nichts kaschiert ist. Also wo ich sehe, wie es gemacht ist. Sie haben ja in Ihrem Job den Begriff der konstruktiven Ehrlichkeit. Man sieht, wie es gemacht ist. Das ist ja auch das Centre Pompidou, konstruktive Ehrlichkeit. Die Leitungen werden alle draußen entlang gelegt, man sieht, wo ein Loch ist, wo es tropft und so. Also konstruktive Ehrlichkeit, das finde ich ok.

** Wir haben alle eine Brust, einen Rumpf und zwei Arme, und irgendwie muss da was dran. Es gibt ja nicht so viel Möglichkeiten. **

Johannes Kister: Wie sehen Sie da die Frage von Materialität und Ehrlichkeit?

Peter Paul Polte: Ganz wichtig. Also Material, das ist für uns auch ganz wichtig. Material muss schön altern. Und ich habe eben oft das Gefühl bei der Architektur der 90er Jahre, dass es nicht schön altert. Es wird dann schäbig. Und ich finde, das ist traurig. Wenn es schäbig wird, wird es traurig.Wenn sie Louis Vuitton nehmen… also wir haben Vuitton-Taschen, die sind 35 Jahre alt. Sie waren noch nie kaputt, sie haben immer gehalten, und sie altern ehrlich. Sie sind heute angeschmuddelt, das ist halt so, durch die Fliegerei und so weiter. Aber das Material ist super, und deswegen ist Louis Vuitton so berühmt. Das Material geht nicht kaputt. Das ist was Schönes. Das ist wie ein Porsche aus

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Im Rahmen des Symposiums ‚bauhaus lectures‘, ausgerichtet vom Dessau Institut of Architecture, zu Gast waren auch 2 junge Berliner Modedesignerinnen, Julia Böge und Simone Gabrieli, die zusammen mit Jasmin Moallim im Jahr 2006 das Modelabel q.e.d. begründet haben. Während des gemeinsamen Mode-Studiums entdeckte das Trio seine geteilte Vorliebe für die Farbe Schwarz und nahm dies als Anlass für die weitere Zusammenarbeit.Ihre Entwürfe zeichnen sich durch eine Mischung aus Minimalismus und gleichzeitiger Experimentierfreude aus. Klare Silhouetten werden kombiniert mit cleveren Details. Minimalistisch, klar, und dennoch experimentierfreudig, die Grenzen des Möglichen immer wieder aufs Neue auslotend und dabei nie die Tragbarkeit aus den Augen verlierend… Die Bilder der folgenden Seiten sind bei Modenschau und Gespräch auf der Bühne der Bauhausaula entstanden.

Bauhaus Lectures - Modedesignerinnen vom Berliner Label ‚qed‘ zu Gast

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Im letzen Sommer ging das Südafrika-Projekt der Hoch-schule Anhalt in eine neue Runde. Bereits im Jahr 2007 entwarfen und bauten Studenten unseres Fachbereichs ein Gebäude - damals eine Bibliothek für die Montic Primary School in einem Township nahe Johannesburg.Ab Mitte Juli 2009 war nun wieder eine Gruppe Studenten in Südafrika - es entstand ein Schulgebäude, erneut in der Siedlung Montic.Die Kooperationen die sich im Projekt 2007 bewährt ha-ben, wurden auch jetzt wieder genutzt. Neu ist, dass auch die afrikanischen Schüler des ITHUBA-Skills-College, einer Handwerksschule, an der Afrikaner und Europäer gemein-sam lernen, den Bau aktiv unterstützen werden. So ist der Bau Teil des dortigen interaktiven Lernkonzeptes. Die Studenten investieren in dieses Projekt viel Engage-ment und Enthusiasmus. Dies liegt hauptsächlich am dirkten Realitätsbezug, das Mithelfen in Südafrika wird viel wichtiger, als die zu erwerbenden Studien-Credits. Für vie-le ist das soziale Engagenment ein großer Motivator. Für die Studenten, die in diesem Sommer nach ‚Südafrika‘ fuhren, gab es aber auch Ängste. Für Janine ist vor allem die hohe Kriminalitätsrate dort ein Grund zur Sorge. Auf der anderen Seite beruhigt sie aber, dass das Unternehmen

in diesem Sommer schon das zweite Mal stattfindet. Ihre Kommilitonen Julian und Marco befürchten eher, dass es durch den engen Zeitplan Schwierigkeiten gibt und dies zu Differenzen in der Gruppe führen könnte. Doch über allen Zweifeln steht die Begeisterung für dieses ‚ganz andere‘ Studienprojekt.Da uns aber besonders interessiert, wie sich die Erfahrung ,ein Schulgebäude in Afrika mit zu bauen, ganz persönlich auf die Mitwirkenden auswirkt, haben wir einfach einmal nachgefragt ...Carola Rauch, Dirk Rassler und Sebastian Opp waren mit vor Ort und haben vielfältige Erfahrungen mitgebracht.

FB3: Was war für euch der besondere Reiz an diesem Projekt?Sebastian Opp: Als Student in einem fremden und fernen Land sein erlerntes Wissen auf die Probe zu stellen. Unter Berücksichtigung von Kultur und klimatischen Bedingun-gen ein nachhaltiges Gebäude nicht nur theoretisch zu ent-werfen sonder auch praktisch zu realisieren.Dirk Rassler: Die Herausforderung, ein Gebäude in einem fremden Land, mit anderer Kultur, anderem Klima, schwie-riger Sicherheitslage und mit wenig finanziellen Mitteln in

Dessauer Studenten machen Erfahrungen in Südafrika

sehr kurzer Zeit zu bauen. Carola Rauch: Ich schließe mich Dirk an. Die Herausforde-rung, sie projektspezifischen Ziele unter den begrenzt ver-fügbaren Ressourcen und im bestehenden Projektumfeld zu erreichen.

FB3: Welche Befürchtungen hattest Du, nicht so sehr auf die Verwirklichung des Projektes bezogen, sondern für Dich persönlich?Sebastian Opp: Letztendlich ohne Unfall über die Runden zu kommen.Dirk Rassler: Nun, die Sicherheitslage ist nicht unproblema-tisch. Das ist meine größte Sorge, das dem Team oder mir etwas passiert. Immer sehr vorsichtig sein.Carola Rauch: Die Durchführung eines Projekts, das von Studenten geplant, in Südafrika realisiert und durch Spen-den finanziert wird sowie südafrikanische Baumaterialien und Baumethoden verwendet, ist mit erheblichen Befürch-tungen verbunden. Persönlich habe ich gehofft, gesund wieder in Dessau anzukommen.

FB3: Hast Du Dich durch das Projekt verändert?Dirk Rassler: Während des Projektes lernt man enorm viel über sich selbst, seine persönlichen Grenzen, seine Stär-ken, seine Schwächen. Das Projekt verändert deine Sicht auf viele Dinge. Du erkennst, wie unglaublich unwichtig vie-le wertgeschätzte Dinge sind und was wirklich wichtig ist.Sebastian Opp: Der persönliche Horizont hat sich vergrö-ßert, nicht nur der geographische auch der kulturelle und geistige. Man hat eine andere Sicht auf die Dinge, die in Afrika geschehen, insbesondere die in Südafrika.

FB3: Wurde z. B. Dein Blick geschärft?Sebastian Opp: Afrika wurde in der Geschichte von Euro-päern geprägt, in Südafrika konnte man dies sehr genau beobachten, Zusammenhänge begreifen und Misszustän-de verstehen. Dirk Rassler: Das Wesentliche, das wirklich Wichtige im Le-ben zu erkennen ist eine enorme Bereicherung. Wahrzu-nehmen, wie schlecht es anderen Menschen gehen kann und aus dieser Erfahrung heraus Schlüsse zu ziehen.

FB3: Hat das Projekt Deine Laufbahn verändert?Sebastian Opp: Seit dem Abschluss des Projektes 2007 ist es immer wieder zu Auftritten gekommen, bei denen dieses Projekt Thema war. Jetzt, 2009 verdiene ich sogar etwas Geld damit und es gehört zu einem Teil meines Arbeitsle-bens.

Carola Rauch: Ich habe meine Diplomarbeit über „Projekt-entwicklung von Sozialimmobilien in Südafrika“ geschrie-ben. Auch an dem neuen Südafrikaprojekt „Ithuba“ arbeite ich mit, wenn aber in einem geringerem Umfang.Dirk Rassler: Ja, ich bin bereits im Beruf und mein Arbeitge-ber stellt mich für die Dauer des Aufenthaltes in Südafrika frei. Ich empfinde das als große Wertschätzung. Auch glau-be ich, dass ein soziales Projekt wie dieses einen enormen Pluspunkt im Lebenslauf darstellt.

FB3: Wie läuft das Projekt weiter? Wie hat es sich entwi-ckelt? Was ist anders?Sebastian Opp: Das Bibliotheksprojekt ist vollendet und wur-

de sehr gut angenommen, wenn auch als Lehrerzimmer, was natürlich den eigentlichen Charakter des Gebäudes sowie unsere Intension den Kindern zu helfen, etwas trübt.Carola Rauch: Doch die Geschichte Südafrika setzt sich an der Hochschule Anhalt fort. Es gibt ein neues Projekt: ITHU-BA. Ein neues Team aus Architektur- und Facility Manage-ment-Studenten plant seit April 2008 unter der Leitung von Prof. Claus Dießenbacher und Sebastian Opp und fliegt im Juli 2009 nach Südafrika, um das geplante Schulgebäude und die Werkstatt zu bauen. Das Gebäude ist Teil des 2008 gegründeten ITHUBA-Skills-College.Dirk Rassler: Das ITHUBA-Skills-College hat einen koordi-nierten Rahmen, es gibt z. B. einen städtebaulichen Mas-terplan, in welchen wir unser Projekt integrieren. Dieses mal iwird anders sein, dass wir viel weniger Studenten mit beruflicher Vorbildung dabei und auch viel weniger Zugriff auf Ressourcen wie Baumaschinen und Ähnliches haben. Es wird wohl für alle Beteiligten schwerer und langwieriger. Zu Gute kommt uns, dass ein Teil des Teams bereits Erfah-rungen mit dem letzten Projekt sammeln konnte.Carola Rauch: Und das Gesamtprojekt ITHUBA, an dem mehrere europäische Hochschulen beteiligt sind, wird von Myheart, dem angagierten Direktor der Schule und dem Ithuba-Gründer Christoph Chorherr geleitet, so dass si-chergestellt wird, dass die errichteten Gebäude auch Ihrer intentionalen Nutzung zugeführt werden.

FB3: Hat es sich gelohnt (finanziell)?Sebastian Opp: Für die meisten des Teams war es eine gro-ße finanzielle Investition, ohne die das Projekt nicht reali-siert hätte werden können.Carola Rauch: Alle finanziellen Mittel, die der privaten Spen-der, der Hochschule, der Studenten und nicht zuletzt der Professoren, wurden meiner Meinung nach für ein gelun-genes Projekt ausgegeben, was nicht nur den Schülern in Südafrika zu Gute kommt, sondern auch uns (ehemaligen) Studenten in Deutschland.Dirk Rassler: Ja, dieses Projekt in seinen Lebenslauf auf-nehmen zu können ist sicher eine langfristige Investition, aber sie lohnt sich definitiv.

FB3: Wie ist es, wenn Du mit anderen darüber sprichst? Kommt deine Begeisterung bei deinen Freunden an?Sebastian Opp: Ich selber bin nicht immer auf Begeisterung gestoßen, dennoch gab es sehr viele Interessierte.Dirk Rassler: Ich strahle enorm viel Begeisterung aus und kann sehr überzeugend sein, wenn ich über das Projekt spreche. Viele reagieren begeistert und interessiert, manch andere reagieren mit Kopfschütteln und Unverständnis. Das sind die Egoisten, deren einziges Glück es ist, auf un-serer Seite des Mittelmeeres geboren zu sein, mehr nicht. Es gibt viele Menschen, die sich für nichts und niemanden konkret einsetzen. Das ist sehr verstörend und enttäu-schend.Carola Rauch: Wenn ich mit nicht Beteiligten darüber spre-che, dann spreche ich mit der Begeisterung, die ich tat-sächlich für das Projekt, die Leute und das Land empfinde. Doch das tatsächliche Empfinden kommt nur durch die eigene Erfahrung. 4

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Das Interview führte Lisa Hessling

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Material change

Search of EntropyAdding elements which till this very moment were not intended to be here.

In terms of work, entropy can be thought of as the lost or unperceived processes that are behind an end product. In art and architecture, these processes can be, and often are, rather inconspicuous and therefore not understood. In a two week workshop with the Argentine architect and professor, Carlos Campos, students aimed towards finding the entropy in their work.

** In art and architecture, these processes can be, and often are, rather inconspicuous and therefore not understood. **

In the beginning of the workshop students were asked to translate a facade of the Bauhaus into a ‘code’ that was to be defined by each individual student. The point being to abstract their perceptions of a space - preception refering to smell, sound, visual or any mix of the senses - into a syntactic diagram. This diagram was translated into a work such as a painting, a model, or some other physical object aimed at understanding and displaying the content of the syntax diagram.

After following their individual processes involved in creating an object, groups were formed to make an intervention near the Bauhaus. The actions taken by the students were to be provocative, informative and connected in someway to the Bauhaus or it’s ideas. One of these events was drawing with light.

The Maholy-Nagy master house plan was drawn with light using an extended exposure on a camera. Four students, Joshua Jewett, Christian Kühne, Savanna Nightengale and Joshua Perez, assigned themselves sections of the plan and, aiming flashlights at the camera, walked their respective paths. The result was a plan of light. The entropy can be thought of as the thought, preparation and execution of their actions in order to create something that is meaningful; something that is an end product shared with others.

The projects ranged from sound recordings base on the translated facade to projects of images and textures onto the Bauhaus, to the flying of thousands of paper origami birds. It was truly something where entropy was not only present but was in the foreground.

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Spuren

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EntwerfenKreation

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Entwicklung

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Raum

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Chancen

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Der Lauf der DingeAutomatismus

Prozesse

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den Stein ins Rollen bringen

Reihe

Selbstläufer anstoßen

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AktionReaktion

Folgen

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Bewegung

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Leben

aufsteigen

sich einen Weg bahnenBahn brechen

Spuren hinterlassen

frischer Wind

Aufbruch

Fortschritt

freier Wille Abhängigkeiten

haltlos

machtlos

autark

autonom

mein Weg

frei sein

Entwicklung

Werden

Transformation

Entstehen

Verwandlung

WandlungWandel

Metamorphose

Neubeginnverlorenunwiederbringlich

Verfall Auflösung

entschwinden

vergehen

Kommunikation

StrömungenBeziehungen

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den Ton angeben

da sein

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Unendlichkeit

Ewigkeit

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Am laufenden BandExkursion zum BMW-Werk in Leipzig

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Wenn Studenten des Studienganges Facility Management eine Exkursion planen, stellt sich ihnen die Frage nach der allumfassenden und aufschlussreichsten Sichtweise, auf die Dinge des wirtschaftlichen Bereiches. Und wo und wie lässt sich diese Sicht besser und naheliegender aufzeigen, als im Rahmen einer interdisziplinären Vorlesungsreihe, wie sie etwa Dipl.-Ing. Helmar Oehm unter dem Titel „FM in der Industrie“ anbietet. Und wie erhält der interessierte Student die Möglichkeit, diese auch noch mit der für man-chen schönsten Nebensache des täglichen Bedarfs, dem Automobil, zu verbinden? Er begibt sich auf den Weg und wirft einen Blick hinter die Kulissen eines der führenden Automobilhersteller der Welt, welcher ganz zufällig auch noch einen Standort in der näheren Region hat. Man fährt in die heiligen Hallen des Montagewerkes der 1er und 3er Reihe der Bayrischen Motoren Werke AG nach Leipzig und schlängelt sich entlang der eigens für die fachkundigen Besucher konzipierten Wege, versehen mit einem „kleinen Männlein im Ohr“ und so immer mit der passenden Infor-mation versorgt.

In dem Dickicht von Verwaltungs- und Produktionseinrich-tungen bekommt man so einen ganz direkten und auch fachspezifischen Einblick in die Bereiche der Verwaltung, mit ihren flachen Strukturen, in die Produktion, mit ihren scheinbar endlosen Montagebändern und vor Energie strotzenden Schweißautomaten, sowie und das vor allem, in sein Technisches Gebäudemanagement.Eine der, wenn nicht gar die spannendste, Station, war ohne Frage die Energie- und Schaltzentrale, mit ihren typi-schen Anforderungen an die Haustechnik. Sehr genau und aufschlussreich erläuterten hier die Mitarbeiter vor Ort noch einmal das integrierte Störfallmanagement, mit all seinen Besonderheiten.

Wem sich also die Möglichkeit bietet, Wissen im Studium auf so angenehme Art zu erwerben, sollte sie unbedingt nutzen. Es muss ja nicht immer eine Reise in die Welt des Automobilbaus sein - aber kann es schon.

‚Campus Office‘auf der Landesgartenschau`10 in AscherslebenWettbewerbssieger überzeugt mit variablem Entwurfskonzept

werb und freuen sich nun auf die Umsetzung des Sieger-entwurfs. „Der campus.office-Pavillon ist eine sehr schö-ne und seltene Gelegenheit für Studenten, die eigene Vi-sion eines Bauwerkes zu realisieren“, so Prof. Dr. Höhne. Gemeinsam mit seinem Kollegen Prof. Dr. Dießenbacher, Spezialist für Neue Medien und CAD-Anwendungen, und einer engagierten Studentengruppe des vierten bis achten Semesters, möchte der Fachmann für Baukonstruktion das Projekt in wenigen Monaten schlüsselfertig übergeben.

** Die Siegerarbeit überzeugte die Jury mit einem prägnanten und zugleich flexiblen Vorschlag, einem modular aufgebauten Pavillon. **

Der Standort des Pavillons auf der Landesgartenschau steht bereits fest: An prominenter Stelle auf der südlichen Herrenbreite in Aschersleben wird er Bernburger Studenten als zentrales Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude dienen. Die zukünftigen Landschaftsarchitekten und Um-weltplaner zeichnen in der Zeit vom 24.April bis 10. Okto-ber 2010 für das Veranstaltungsangebot in dem transpa-renten Pavillon verantwortlich. Unter Leitung von Prof. Rei-ner Schmidt, Dozent für Stadt- und Freiraumentwicklung am Hochschulstandort Bernburg und Initiator des campus.

Auf der dritten großen Gartenschau Sachsen-Anhalts, der Landesgartenschau 2010 Aschersleben, baut die Hoch-schule Anhalt den zentralen Veranstaltungspavillon cam-pus.office. In einem studentischen Wettbewerb wurde der Dessauer Architekturstudent Erik Przebierala als 1. Preis-träger gekürt. Die Siegerarbeit aus dem Wintersemester 2008/09 überzeugte die Jury mit einem prägnanten und zugleich besonders flexiblen Vorschlag: Ein modular aufge-bauter Pavillon erlaubt ein sehr vielfältig nutzbares Raum-nutzungskonzept. Je nach Bedarf kann ein Teil des Aus-stellungsgebäudes nach außen geschoben werden. So entsteht ein erweiterter Raum, der sich als öffentliches Fo-rum für bis zu 30 Personen erschließt. Ebenso flexibel wur-de das Möblierungssystem konzipiert. Es passt sich ge-schickt den jeweiligen Nutzungsansprüchen an und bietet auf mehr als 100 Quadratmetern sowohl ruhige Rückzugs- und Besprechungsräume, als auch die Möglichkeit den Pa-villon der Hochschule Anhalt als Vortrags- und Seminarge-bäude zu nutzen.

Die Umsetzung der Entwurfsidee wird in den kommenden Monaten als studentisches Projekt weiterverfolgt. Die Des-sauer Architekturprofessoren Dr. Matthias Höhne und Dr. Claus Dießenbacher betreuten den Studentischen Wettbe-

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office, wollen sie der Hochschule Anhalt in Aschersleben ein breites Podium verschaffen.

** Der campus.office-Pavillon ist eine sehr schö-ne und seltene Gelegenheit für Studenten, die ei-gene Vision eines Bauwerkes zu realisieren **

Mit dem campus.office gelingt der Hochschule Anhalt nicht nur der Beweis einer professionell orientierten Ausbildung, sondern ebenso der eines nachhaltigen und praxistaug-lichen Nutzungskonzeptes. Im Sinne des bewussten Res-sourceneinsatzes wird das mobile Veranstaltungsgebäude nach dem Ende der Landesgartenschau Aschersleben im Oktober 2010 zum Campus Bernburg verbracht. Dort soll es dann tatsächlich in der Lehre als studentisches Atelier eingesetzt werden und die im Rahmen der Landesgarten-schau begonnene studentische Öffentlichkeitsarbeit der Hochschule Anhalt fortsetzen.

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Die Leichtigkeit des SeinsInternationaler Masterstudiengang ‚Membrane Structures‘

Ein Hauch von weiter Welt weht fast unbemerkt über den Campus. Er schlägt seine Zelte überall auf, um sie zu guter Letzt wieder hier auf dem Campus zu versammeln. Und diese Zelte halten, was sie versprechen ...

Im Internationalen Masterstudiengang ‚Master of Membra-ne Structures‘ entwickeln Studenten aus der ganzen Welt membrane Tragwerke, die eines haben eines gemeinsam: sie strahlen eine Leichtigkeit aus, die in der Architektur ih-resgleichen sucht.

Eines der Projekte des letzten Sommersemesters lässt sofort Urlaubstimmung aufkommen, und versetzt den ge-neigten Betrachter aus dem Alltag an den wunderschönen Strand von El Salvador. Hier galt es, eine Seebrücke in ei-nen überdachten Fischmarkt zu verwandeln. Die Studen-ten hatten bei diesem Projekt mit allerlei Widrigkeiten zu kämpfen. Da waren das Meer, seine Winde und nicht zu vergessen das Salz, welches auf der Haut im Sommerur-laub einen gewissen Reiz haben mag, aber die Entwicklung konstruktiver Lösungen erschwerte. Die außerordentliche Komplexität dieser wie auch der an-deren Aufgaben des Kurses lässt sich etwa daran ablesen, dass alle Projekte bis zur kleinsten Schraube durchgeplant

und berechnet wurden. Dafür stehen den Studenten des Fernstudienganges die Dozenten immer wieder per Video-konferenz zur Verfügung, so dass ein gemeinsames inter-aktives Arbeiten ermöglicht wird. Diese Komplexität ist es auch, die einer kleinen Idee zur Wirklichkeit verhilft, wie die StudentenInnen Dipl.-Ing. Sa-har Yasaei aus dem Iran oder Dr.-Ing. Alfred Görstner und Dipl.-Ing. Jürgen Bialozyt aus Deutschland beim Projekt des Fischmarktes in Guatemala eindrucksvoll unter Beweis stellen. Die Reise könnte auch nach Malta führen, denn auf der Mittelmeerinsel gab es ein weiteres studentisches Pro-jekt - die Überdachung einer Tempelanlage, entworfen von Dipl.-Ing. Wolfgang Warisch aus Deutschland. Wen es aber gerade nicht in die Ferne zieht, kann auch in heimischen Gefilden membrankonstruktionen Made in Dessau entdecken, etwa das Neue Laboratorium in Stutt-gart. Dieses soll einer Forschungs- und Versuchsstätte eine schützende und gleichermaßen leichte Umhüllung geben. Studentische Lösungen entwickelten unter anderem Arch. Erez Amitay und Eng. Iago Gonzalez Quelle aus Italien.

Wer sich also eine frische Brise Architektur um die Nase wehen lassen möchte, sollte ruhig einmal beim Studien-gang Membrane Structures vorbeischauen.

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Weitere Informationen zum Fernstudiengang Membrane Structures finden Sie im Internet unter www.membranestructures.de.

BILDER vorherige Doppelseite: Projekt Fischmarkt Gua-temala . links: Dipl.-Ing. Sahar Yasaei . rechts: Dipl.-Ing. Javier Sanchezlinks: Projekt Fischmarkt Guatemala . Dr.-Ing. Alfred Görstner und Dipl.-Ing. Jürgen Bialozyt . rechts: Neues La-boratorium Stuttgart . Amitay Quelle

Vom Klang der Dinge

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Musik . Gespräche aus verschiedenen Richtungen – ein-zelne Wörter lösen sich aus dem Klangteppich . Tassenge-klapper eindeutig von links . der Espressoautomat summt und gluckert . hier und da wird ein Stuhl geschoben – man macht die Tür auf (automatisch schließt sie sich wieder – ein dumpfes Klicken) und steht in einer anderen Klangwelt – von außen auditiv abgeschlossen/nichts mehr zu hören. Aus den Tönen und Resonanzen des gebauten Raumes und seiner implantierten Objekte werden Klangelemente – entwickelt sich die Audio-Identität des Raumes – sein Klan-graum.

Der architektonische Klangraum

Auf der Suche nach den Mitteln der Architektur, Klangräume zu entwerfen, untersuchten Studenten des Masterkurses Ar-chitektur im Studio Raumlabor, unter der Betreuung von Prof. Johannes Kister und Prof. Dieter Raffler, im Wintersemester 2008/09 physikalische wie auch wahrnehmungspsycholo-gische Phänomene der Akustik am Beispiel des Studenten-cafés und anderer ausgewählter Räume der Hochschule.

Für das Eintauchen in die Welt des Hörens hieß es zunächst: Augen zu und … Ohren auf! Zuhören! Mit dem aktiven Hören verbinden sich ganz andere Erfah-rungen als während passiver Beschallung.Um sich also selbst für das Hören zu sensibilisieren, wurde Architektur einmal ganz anders betrachtet – mit dem Ohr. Es entstanden Hörprotokolle, in denen versucht wurde, die Charakteristik eines Raumes insbesondere während seiner Benutzung visuell darzustellen und so in seine Bestandteile aufzuschlüsseln. (siehe Abb.1, S.35) Eine Methode, die ver-spricht, etwa zu einer Bibliothek von Klangelementen oder auch Klangkombinationen mit entsprechenden Aussagen zu Quelle und Wirkung zu kommen.

Wie muss ein Raum beschaffen sein? Wie kann er mit sei-nem Betrachter, seinem Nutzer kommunizieren – und wann sollte er sich zurückhalten?

Der Raum und die in ihm enthaltenen Objekte und Subjekte gehen eine Symbiose ein. Über das Geräusch und seine Resonanzen, werden mit dem Ohr räumliche Zusammen-hänge ergründet – der Ort im Zusammenklang mit Auge, Geruchs- und Gleichgewichtssinn entdeckt. Das Hören vervollständigt die Wahrnehmung des Ortes, gibt ein Feed-back zur Ortung und eigenen Verortung im Raum und bil-det die Grundlage für Kommunikation in ihm.Dabei werden Wahrnehmung und Assoziation im Bedeu-tungsraster unserer Gedankenwelt abgeglichen. Erfahrung, Erinnerung und Vergleich mit bekannten Raum- und mithin Klangwelten werden zum Gradmesser und Ergänzungs-produkt des aktuell Erlebten. Klangraum und visuell Erfass-tes werden in Deckung gebracht. Durch visuelles Scannen von Raumvolumen, Materialität, Einrichtung und sich im Raum befindenden Menschen werden Erfahrungshorizont und Erlebnis abgeglichen, Unstimmigkeiten zum auditiven Reiz als Dissonanz bewertet und, wenn als ‚wahr‘ einge-stuft, als neue Erfahrung abgespeichert. Aus möglicherwei-se Unerwartetem entsteht ein Moment des Unbekannten. Die Klangwelt wird durch den visuellen Reiz kontaminiert.

(Haben Sie unter die debilen Bilder eines Homeshopping-Senders schon einmal Klänge von Motörhead gelegt?) Der Kopf konstruiert seine eigene Interpretation, sucht in Asso-ziationen die Verbindung – lässt Audio- und Video-Spur zu einer neuen Wahrheit verschmelzen.

Unsere ‚Wahrheit‘ ist nur all zu sehr visuell geprägt – mei-nen wir. Doch die meist nur unterschwellig, als Unterma-lung, wahrgenommene Klangwelt lässt uns, was unter dem Anschein dem Auge verborgen bleibt, erst verstehen. So können wir etwa eine Raumgeometrie durch Nachhall-zeiten erahnen – ‚vorhersehen‘, auch wenn wir seine Ge-samtheit noch nicht im Blick haben oder Materialität durch seine Klang- und Resonanzeigenschaften erkennen. Somit schauen – hören wir tiefer hinein, wie in eine Nuss, ob sie hohl ist oder ihren begehrten Kern enthält. Mit der Klang-Identität von Orten oder auch Objekten ver-binden wir Wertigkeiten, schließen auf Materialeigenschaf-ten und Verarbeitungsqualität. Längst haben Produktde-signer erkannt, dass es heute ohne Sounddesign kein vermarktbares Produkt gibt. Passend zum ‚Image‘ wird auch seine Klangwelt komponiert – Autotür, Zentralver-riegelung, Fensterheber, Motorengeräusch – alles aufein-ander abgestimmt. Dabei wird der Nutzer durchaus auch bewusst getäuscht.

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Zur Komposition des architektonischen Raumes gehören also nicht nur visuelle Qualitäten in Gestalt, Material und Farbigkeit sondern auch Klang-und Resonanzeigenschaf-ten seiner Elemente. Zusammen mit Geruch und Haptik sowie den Aktivitäten in ihm wird seine individuelle Aura erzeugt.

Mit dem Entwurf der Raumgeometrie, des Maßstabes, mit jeder Öffnung, jeder Stütze, Wandscheibe und Treppe, mit dem Bestimmen der Bauart, der Materialität, der Einbau-

ten … entsteht immer auch ein Stück ‚Klangraum‘. Mit dem Ausbau beginnt dann die Feinabstimmung – Wandoberflä-chen, Fußbodenbeläge, Türen, Türklinken, Schließmecha-nismen etc.. Das ‚Instrument‘ Architektur wird gestimmt – dazu bestimmt von seinen Nutzern gespielt zu werden.

Die Ergebnisse des Studios wurden in einer Broschüre zu-sammengefasst. Einzusehen unter www.afg.hs-anhalt.de/projekte/vomklangderdinge

Abb.1: Klangprotokoll des Foyers in Geb.08, Lisa Dietz

T O K Y O

** Das Praxissemester ** Erste Schritte ins Berufsleben

Drei Wege ** Drei Berichte ** von Andreas Hänsel, Ilja Neutzner und Peter Tietgen

K I E L

N Ü R N B E R G

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Facility Management-Praktikum bei der Bundesagentur für Arbeit

Die meisten assoziieren mit der Bundesagentur für Arbeit die Hauptverwaltung in Nürnberg, aus der regelmäßig die Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben werden und die di-versen Jobcenter, welche den Arbeitssuchenden zur Ver-fügung stehen.Vielen ist dabei gar nicht das Ausmaß dessen bewusst, was an Unterstützungsprozessen notwendig ist, um die-ser staatlichen Einrichtung, mit ihrer Vielzahl an Funktio-nen und Liegenschaften, die Bewältigung der eigentlichen Kernaufgaben zu ermöglichen. Hierbei steht vor allem das Facility Management mit seinen kaufmännischen, techni-schen, infrastrukturellen Leistungen sowie dem Flächen-management im Fokus der Betrachtung. Zur Sicherung des Fortganges der Kernprozesse ist das mit dem Haupt-sitz in Nürnberg ansässige Unternehmen ‚BA - Gebäude-, Bau- und Immobilienmanagement GmbH‘ von der Bun-desagentur mit der Planung, Durchführung sowie Kontrolle ausgewählter gebäude- und anlagenbezogener Aktivitäten beauftragt. Das hundertprozentige Tochterunternehmen betreut deutschlandweit ca. 2135 Liegenschaften mit einer Netto-Grundfläche von mehr als 5 Mio. Quadratmeter (An-mietungen sowie Eigentum).

Im Rahmen meines Praktikums für dieses Unternehmen, durfte ich im Bereich des Instandhaltungsmanagements, also dem technischen Facility Management, erste berufs-spezifische Erfahrungen sammeln. Neben der Betreuung von Instandsetzungsmaßnahmen gemäß dem Leistungsbild technische Ausrüstung der HOAI, bin ich vor allem mit der Analyse und anforderungs-gerechten Entwicklung von Rahmenverträgen über die Ins-pektion, Wartung und Instandsetzung technischer Gebäu-deanlagen (z.B. Heizungs- und Aufzugsanlagen) betraut worden. Diese dienen der Ausschreibung von Leistungen im Sinne der Vergabe- und Vertragsordnung, an die das

Unternehmen als öffentlicher Auftraggeber gebunden ist. Ein besonderes Highlight meiner Arbeit war die Verfassung eines Handbuches über die Sicht- und Funktionsprüfung von Brandschutztüren für die Bundesagentur, das in den bereits erwähnten Liegenschaften Anwendung finden soll, um einen Beitrag zur Sicherheitsbewahrung von Personen und Sachwerten zu leisten.

** Das hundertprozentige Tochterunternehmen der Bundesagentur für Arbeit betreut deutsch-landweit ca. 2135 Liegenschaften. **

Die üblichen Bedenken über einen „Firmenneuling“, etwa bezüglich der Leistungsanforderungen oder mögliche In-tegrationsschwierigkeiten, haben sich bei mir glücklicher-weise nicht bestätigt. Dies liegt vor allem darin begründet, dass man mir von Anfang an das Vertrauen schenkte, verantwortungsvolle Aufgaben bewältigen zu können und mich als gleichberechtigten Kollegen ansah. So mangelte es dann in der Folgezeit auch nie an der Wertschätzung meiner Arbeitsergebnisse, was in der Konsequenz meine Begeisterung und Leistungsmotivation für die täglichen Arbeitsprozesse bis heute entscheidend prägte. Für alle meine fachbezogenen Fragen und sonstigen Anliegen hat te man stets ein offenes Ohr und stand mit Rat und Tat zur Seite.Aufgrund der vorgenannten Vorraussetzungen stand für mich deshalb auch schnell fest, in diesem Unternehmen meine Bachelorarbeit zu schreiben. Ob diese - beiden Seiten bereichernde - Verbindung über das Vertragsende am 31. Juli 2009 hinausgeht, bleibt ab-zuwarten. In jedem Fall ist der im Rahmen dieses Prakti-kums für mich schon jetzt gewonnene praktikable Zuwachs an Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz etwas, das ich nicht missen möchte.

*Andreas Hänsel

... Kompetenzen sammeln

„Welcome to Japan!“

Ach so! Ähhh ... ja. Gut!

„Ähh, konnichi wa! Nihon-go nai desu. Gomen nasai!“

„Thank you! Ähh, ... Arigatou gozaimasu!“

Hä?

Ähm, ja! Genau!

Irgendwie hört es sich schon ganz schön abgedreht an; Ich mach mein Praktikum in Japan. Nach einigem Suchen und etlichen verschickten Portfolios habe ich ein Büro ge-funden, dass eine angenehme Größe hat, interessante Pro-jekte bearbeitet und vor allem auch Englisch als gemein-same Sprache akzeptiert. So richtig kann ich es noch gar nicht glauben und schon gehts los!Wie im Traum ziehen Frankfurt und Peking an mir vorbei und plötzlich finde ich mich am Narita International Airport nahe Tokyo wieder und kämpfe mich durch die Einreisefor-malitäten. Schon jetzt spürt man die Präzision der Japaner. Nach etwa einer Stunde Zettel ausfüllen, öffnen sich die

Praxissemester zwischen Hochkultur, Kitsch und Hypermoderne

Türen und mir knallt die schwülwarme japanische Abend-luft ins Gesicht. DAS ist es also denk ich und guck auf das schier undurchdringliche Gewusel aus Parkflächen, Stra-ßen, Straßen auf Stelzen, Unmengen an Bussen, Autos und Horden von geschäfftigen Menschen. Aber erst einmal ei-nen Zug nach Yokohama suchen und ins Hotel, allen Be-scheid sagen, dass ich lebe, und meinen Jetlag pflegen. Die über 12 und 3 Stunden langen Flüge fordern ihren Tribut mit aller Macht.

** an einem Samstag ist das Büro besetzt und es wird gearbeitet. „Aber nicht so sehr.“ meint Wata-nabe-san „heute nur ca. 8 Stunden“ **

Nach ungefähr einer Woche zum Eingewöhnen in Yokoha-ma und den Großraum Tokyo treff ich zum ersten Mal mei-ne neuen Arbeitskollegen und erfahre einen kleinen Vorge-schmack auf die kommenden Monate; an einem Samstag ist das Büro besetzt und es wird gearbeitet. „Aber nicht so

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sehr.“ meint Watanabe-san „heute nur ca. 8 Stunden“ ...na dann ist ja gut, denk ich mir und bin gespannt! Tatsächlich stimmt das Kischee vom permanent arbeitenden Japaner halbwegs; auch bei mir sind Arbeitszeiten von 16h pro Tag angesagt. Aber als Praktikant habe ich die Wochenenden frei. Meistens zumindest. Man wird hier richtig eingespannt, aber auf der anderen Seite bekommt man auch „richtige“ Aufgaben und so arbeite ich u.a. auch an einigen Wettbe-werben und trete etwa gegen Größen, wie Kengo Kuma an. Oder Toyo Ito sitzt in der Jury... Allerdings dauert es einige Zeit, bis man die Zeichensprache, die Entwurfsprinzipien und Normen der japanischen Architektur und den gene-rellen Ablauf im Büro verstanden und verinnerlicht hat. So vergeht die Zeit wie im Flug, die Woche über (fast) nonstop arbeiten und an den freien Tagen ab nach Tokyo! So etwas wie diesen Dschungel von Gebäuden, Türmen, Leuchtre-klame, Lärm, Vehikeln jeder Art und vor allem Menschen-massen habe ich noch nie erlebt. Und ich glaube, wenn man es nicht erlebt hat, kann man es sich auch nicht vor-

stellen. Genauso wie die Pendlerzüge während der Rush Hour, die so voll sind, dass Bahnangestellte auf den Bahn-steigen die Fahrgäste in die Züge pressen müssen. Kurz vor Ende meines Praktikums gibt mir mein Chef frei und schickt mich auf Kulturreise nach Kyoto um das alte „wah-re“ Japan kennenzulernen. Und tatsächlich kann man hier die alte japanische Hochkultur an jeder Ecke spüren. Nicht gerade schwer, wenn man zwischen gigantischen Buddha-Statuen und Tempelanlagen (z.T. von 800 n.Chr.) steht, den Geruch von grünem Tee in der Nase hat und den Wind durch den Bambuswald rauschen hört. Inzwischen kommt es mir recht unwirklich vor, bald wieder in Deutschland zu sein und zu studieren. Ich würde gerne noch hier bleiben!Und auf einmal geht wieder alles so schnell; noch mit dem Sake vom Abschiedsfest im Kopf, steh ich wieder in Nari-ta und sage: „Sayounara! Domo arigatou gozaimashda!“

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Nachdem ich einen Vortrag der Filmarchitektin und Sze-nenbildnerin Silke Buhr besucht hatte, dachte ich, dass es eigentlich ganz lustig sein könnte, das Praxissemester nicht in einem Architekturbüro zu absolvieren, sondern sich mal mit einer anderen Form der Gestaltung zu beschäftigen, die mit dem Studium nicht allzu direkt zu tun hat.Allerdings reizt mich szenisches Spiel auf der Bühne mehr als jenes vor einer Kamera. Außerdem beschäftige ich mit schon sein langem mit Theater und Schauspiel, weshalb man durchaus sagen könnte, Theater sei mein Hobby. Und da es ja grundsätzlich super ist, sich auch in der Ausbil-dung mit seinem Hobby zu beschäftigen, gebar ich die Idee ,man könne sein Praktikum in der Ausstattung eines Theaters machen. Zu dieser Zeit wusste ich allerdings noch nicht, dass man zu der Abteilung in der ich arbeiten wollte, Ausstattung sagt. Deshalb fragte ich bei Herrn Professor Kozel, ob ich mein Praktikum auch als Bühnenbildner machen könne. Nach der Freigabe machte ich mich an die Bewerbung und lernte, dass der Bühnenbildner an sich freiberuflich arbeitet. Viele Theater also Gäste haben, die die Bühnenbilder ma-chen. Zum Glück habe ich aber eine Telefon-Flatrate, also konnte ich kostengünstig so lange weiter telefonieren, bis ich Theater fand, die an einem Praktikanten Interesse hat-ten. So schickte ich irgendwann Bewerbungen nach Mag-deburg, Kiel und Dessau. Nachdem ich doch nicht soviel Lust auf Magdeburg entwickelte und Dessau sich bis heute nicht gemeldet hat, wurde ich in Kiel als Praktikant in der Ausstattung angenommen.

Bühnenbilder** Das Praxissemeter des Peter Tietgen **

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wurf und Ausführung eines Bühnenbildes dem Bauablauf sehr ähnlich sind. Natürlich geht das alles am Theater viel schneller, als auf einer Baustelle. Und die Details sind na-türlich auch nicht so belastend, wie die, die man so aus der Baukonstruktion kennt. Weil das mit den Details alles ein bisschen einfacher ist, durfte ich mich bald in die Betreu-ung der Werkstätten einbringen. Außerdem mussten Pläne gezeichnet und Requisiten entworfen werden.

Den Gipfel des eigenverantwortlichen Arbeitens erreichte ich, als es darum ging, mit den Assistenten den alljährlichen Theaterball zu planen. Vom Konzept bis zur Ausführung gab es hier viele Freiheiten, aber auch viel zu tun. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, wie das denn so ist, eine Idee auszuarbeiten und dann auch so zu realisieren, so dass man das Ergebnis anderen präsentieren kann. Das ist ja ein bisschen wie das, wofür ich im Studium übe. Vielleicht hatte mein Praktikum ja doch was mit Architektur zu tun.

** Vielleicht hatte mein Praktikum ja doch was mit Architektur zu tun. **

In Kiel angekommen wurde ich schnell in den Arbeitsablauf eingebunden, also nichts mit Kaffee kochen und so. Die Aufgaben des Ausstattungsleiters, der Assistenten und des Praktikanten, bestehen in der Betreuung der Ausführungs-arbeiten, die man so braucht, damit zur Premiere alles nett aussieht und gut funktioniert. Aber das ist halt nicht nur de Betreuung der Werkstätten, die das Bühnenbild bauen. Die Betreuung der Schneiderei gehört genau so dazu, wie das Schneiden irgendwelcher Filmchen am Computer, die dann woanders auf einem Bildschirm erscheinen können. Außer-dem entwirft der Chef, also der Ausstattungsleiter auch ei-gene Bühnenbilder für Stücke. Das war ganz praktisch, weil ich ziemlich genau verfolgen konnte, was so ein Bühnen-bild vom ersten Modell bis zu Premiere alles durchmacht. Schnell wurde klar, dass grundsätzliche Abläufe bei Ent-

*Peter Tietgen

Bares für Leistung

Bafög, Studiendarlehen, Stipendien, Jobben … es gibt viele Möglichkeiten, ein Studium zu finanzieren. Seit dem Sommersemester 2007 unterstützt auch die Hochschule Anhalt ihre Studenten mit einem Stipendium aus eigenem Hause.

Studierende mit hervorragenden Leistungen in allen grund-ständigen Bachelorstudiengängen haben die Möglichkeit, sich jeweils im Winter- für das folgende Sommersemester an ihren Fachbereichen zu bewerben, vorausgesetzt, sie planen in diesem die Anfertigung ihrer Abschlussarbeit. Bewerber sollten alle - innerhalb der Regelstudienzeit er-brachten - Vorleistungen der Semester 1 bis 4 bei den 6-se-mestrigen Studiengängen (Facility Management, Geoinfor-matik und Vermessungswesen) bzw. der Semester 1 bis 6 bei dem 8-semestrigen Studiengang (Architektur) ebenso mitbringen, wie einen guten Notendurchschnitt. Der Fach-bereichsrat empfiehlt dann jeweils die beiden Studenten mit den besten Studienleistungen unter allen Bewerbern an Präsidenten und Senat, die diese Wahl nochmals bestäti-gen.

Ist das Bewerbungsverfahren erfolgreich überstanden, darf sich der frischgebackene Stipendiat über 300 EUR in jedem der 6 Monate des neuen Semesters freuen und all seine Energie in die Arbeit an der Bachelorthese stecken - ohne anstrengende Nachtschichten in Kino oder System-gastronomie. BAföG-Empfänger können leider nur bedingt von der För-derung profitieren, da der Gesetzgeber eine Anrechnung des Stipendiumsbetrages auf die Zahlung zur Ausbildungs-förderung vorsieht. Nichtsdestotrotz lohnt es. Das Stipendi-um muss nicht, wie die Bafög-Zahlungen, die ja zum Teil als Darlehen gewährt werden, zurückgezahlt werden.

Genaue Informationen und Fristen zur Bewerbung für das Leistungsstipendium gibt es im Dekanat. Dort kann auch der formlos zu stellende Antrag abgegeben werden.

Die Hochschule Anhalt vergibt Stipendien an ihre Studenten

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Darüber hinaus…

Jenseits dieser internen Fördermöglichkeit für das Ab-schlusssemester gibt es eine ganz Reihe von Stipendien verschiedener Organisationen, die auch schon ab Studi-enbeginn finanzielle Unterstützung gewähren. Studierende, die besonders begabt sind oder sich sozial oder politisch engagieren, sei es in einer Partei, in Vereinen oder anderen Initiativen, haben die Möglichkeit, ihre Ausbildung hier för-dern zu lassen. Diese Anbieter können Stiftungen sein, aber auch partei-nahe oder soziale Organisationen. Das Spektrum ist sehr groß, zumal viele nur einen ganz bestimmten Kreis von Stu-dierenden fördern möchten. Ein genauer Blick auch auf lo-kale oder von Unternehmen getragene Angebote lohnt un-bedingt. Nicht wenige dieser Anbieter, etwa die Deutsche Telekom oder McKinsey haben durchaus das Problem, dass sich kein passender Student(in) bei ihnen bewirbt.

Die Höhe des Stipendiums orientiert sich, insbesondere bei den großen Organisationen, in aller Regel am BAföG-Satz. Hinzu kommen häufig weitere Extras, etwa Büchergeld. Stiftungen, deren Förderung rein privat finanziert ist, schüt-ten z.T. auch kleinere Beträge aus, die nicht zum alleinigen Lebensunterhalt gereichen, aber das Studienleben durch-aus erleichtern können. In vielen Fällen kann man sich selbst um eine Förderung bewerben, bei anderen bedarf es des Vorschlages eines Dritten. Zu beachtende Fristen und die Auswahlverfahren unterscheiden sich dann von Organisation zu Organisation im Detail recht erheblich.

Hier eine Auswahl der wichtigen größeren Organisationen.Parteinahe Stiftungen. Begabte Studierende, die sich auch gesellschaftlich engagieren, werden von den Stiftungen der großen Bundestagsparteien gefördert. Je nach nahe stehender Partei legt der Förderer im Auswahlverfahren Wert auf verschiedene Dinge, etwa Aktivitäten in Gremien der studentischen Selbstverwaltung oder politischen stu-dentischen Organisationen.

* Konrad-Adenauer-Stiftung www.kas.de* Heinrich-Böll-Stiftung www.boell.de

* Friedrich-Ebert-Stiftung www.fes.de* Bundesstiftung Rosa Luxemburg www.rosalux.de* Friedrich-Naumann-Stiftung www.fnst.de* Hans-Seidel-Stiftung www.hss.de

Konfessionelle TrägerZwei kirchliche Studienwerke fördern Studierende, die sich mit den Grundzügen der Religion identifizieren und eine entsprechende konfessionelle Bindung haben.* Evangelisches Studienwerk e.V. Villigst www.evstudienwerk.de* Cusanuswerk www.cusanuswerk.de

Weitere Stiftungen* Hans-Böckler-Stiftung (Stiftung des Deutschen Gewerkschaftsbundes) www.boeckler.de * Stiftung der Deutschen Wirtschaft (sdw) www.sdw.org* Studienstiftung des deutschen Volkes www.studienstiftung.de* Absolventa e.V. www.absolventa.de/stipendium

Gefördert von großen namhaften deutschen Unternehmen. Etwa der Deutschen Bahn oder MLP, vergibt der Absolven-ta e.V. das so genannte ‚Erste demokratische Stipendium’ in Höhe von insgesamt 25.000 Euro an Studenten und Ab-solventen aller Fachrichtungen und Hochschulen jenseits konventioneller Eliteförderung. Jeder kann sich bewerben, es gibt keine spezifischen Voraussetzungen. Selbst der Förderbetrag kann individuell bestimmt werden. Die Stipendiaten gehen aus einer demokratischen Abstim-mung hervor, an der jeder mitwirken kann. Die Bewerber formulieren dafür ein so genanntes Motivationsschreiben, dass darlegt, wofür gerade sie das Stipendium verdienen, ob Auslandssemester oder kostspieliges Modell - es gilt, die ‚Wähler’ zu überzeugen.

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FAHR DOCH MAL NACH . . .

DRESDENVon den verschiedenen Gesichtern einer Stadt im Wandel der Zeit am Beispiel der Architektur und Baukunst im Elbflorenz und auf dem Balkon Europas.

Es ist jedes Mal wieder ein schöner Anblick, wenn man über den Hügelkamm fährt und im Tal vor einem die barocke Ku-lisse mit ihren Türmen und Kuppeln im goldenen Licht der Abendsonne glänzt.Aber auch die Ankunft via Bahn im Dresdner Hauptbahn-hof lohnt sich. Die Rekonstruktion und Sanierung durch das Büro Foster+Partners London zeigt eindrucksvoll eine ge-lungene Kombination von denkmalgeschütztem Tragwerk und neuen Materialien, wie hier die transluzente Teflon-membran, für die eigentliche Dachdeckung.Einmal angekommen kann man sich entscheiden, „welches“ Dresden man kennenlernen möchte. Denn ab-seits von Barock, Neorenaissance, und ... gibt es noch an-dere Seiten der Stadt zu entdecken. Eine, die einem recht schnell ins Auge fällt, ist die der Nachkriegsmoderne oder auch der DDR-Postmoderne. Durch die flächendeckende Zerstörung der Innenstadt im zweiten Weltkrieg hatten die Planer der Wiederaufbaukomitees in den 50er und 60er Jahren viel zu tun, aber auch relative freie Hand bei der Neugestaltung. So kann man im Stadtbild ganz klar die Ideen der Aufbruchszeit nach der „Befreiung von Krieg und Terror“ ablesen. Die großen weiten Straßenzüge und Plätze im Gegensatz zu den Großbauten im Stile von Le Corbusiers „Unité d‘habitation“. Leider verschwinden im-mer mehr Zeugen dieser Zeit im Züge der Sanierung der

Innenstadt. So wurde etwa das Rundkino (1970-72) [1] in „den Hinterhof“ neuer Geschäftshäuser an der Prager Stra-ße verbannt. Noch drastischer war der Abriss des Centrum Warenhauses, das mit seiner Aluminium-Wabenfassade prägend für den Kopf der Einkaufsstraße Prager Straße war. Die Straße selbst, als eine der ersten Fußgängerzonen Deutschlands, wurde nach den modernen Vostellungen der offenen Stadt 1965-78 erbaut. Auch die Plastik „Völ-kerfreundschaft“ und der Springbrunnen „Pusteblume“ sind Bestandteile dieser neuen Stadtlandschaft. Im Nor-den begrenzt der Altmarkt die „moderne“ Innenstadt. Hier steht auch der Kulturpalast [2] - ein Kultur-, Kongress- und Konzerthaus (1962-69) - der den Platz eingrenzt und zur hi-storischen Altstadt leitet. Hier kann man den neuen „alten“ Neumarkt [4] inspizieren und sich dem vollen Barock-tou-risten-Programm hingeben. Von da aus kommt man über die Hauptstraße, auf der anderen Seite der Elbe - vorbei am „Goldenen Reiter“, eine Statue vom reitenden August dem Starken - in die Neustadt. Dieses Gründerzeit-, Ju-gendstilviertel ist bei den Bombardierungen im Krieg re-lativ glimpflich davon gekommen, verwahrloste zu DDR-Zeiten und wurde Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre von Künstlern, Hausbesetzern und der alternativen Jugend entdeckt und belebt. Inzwischen beinahe komplett saniert, ist die Neustadt Dreh- und Angelpunkt der Jugend- und

[1] [2]

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Freizeitkultur. Auf einem Gebiet von 4 mal 4 Querstraßen sammeln sich hunderte Bars, Clubs, Rastaurants und Ate-liers sowei zahllose Geschäfte. Aber auch hier findet man architektonische Sehenswürdigkeiten, wie das Postamt an der Königsbrücker Straße (besonders interessant sind hier die Postmensa und der ehemalige Eingangsbereich zwi-schen den beiden Gebäudeteilen) und das Hochhaus am Albertplatz von 1929.Aber auch im Bereich der modernen Architektur nach 1990 hat Dresden einiges zu bieten. Angefangen von dem be-reits erwähnten Hauptbahnhofumbau von Sir Norman Fo-ster, sind da der Kristallpalast von Coop Himmelb(l)au [5]

(ein Multiplex-Kino), der Umbau des Militärhistorischen Mu-seums von Daniel Libeskind, die Sächsische Landes- und Unibibliothek von Ortner+Ortner, der Sächsische Landtag von Peter Kulka, die neue Synagoge [6] sowie der Umbau des St. Benno Gymnasiums durch Behnisch und Partner nur einige Beispiele.Neben der Baukunst gibt es in Dresden natürlich auch eine Vielzahl an Museen, Galerien und Messen. Interessant ist hier die Bandbreite, neben den Klassikern, etwa den Ge-mäldegalerien, der Rüstkammer oder dem Grünen Gewöl-be, gibt es zum Beispiel die ‚Ostrale‘ [3], eine jährlich statt-findende Ausstellung zeitgenössischer Kunst.

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[3]

[5] [6]

[4]

Wer kennt das nicht? Der Wecker klingelt, man haut drauf und schläft weiter... Der Wecker „Clocky“ allerdings rollt vom Nachttisch und stromert laut piepsend durch das Zimmer. Also, raus aus den Federn um den Störenfried zu suchen... gesehen bei geeksugar.comUnd wenn man schon mal aufgestanden ist, kann man auch mal rausgehen und im Park chillen oder Musik hören. Zum Beispiel mit den faltbare Papplautsprechern. www.muji.com

Bei so viel Mobilität findet man in den Mobile-Housing-Mo-dellen einen zuverlässigen Begleiter, einfach das „Haus“ aus dem Koffer ausklappen ... Ideal für urbane Nomaden! www.winfried-baumann.deAuch schön zum Begleiten, die (teilweise motorisierten) tie-rischen Freunde von Domke. www.domke.ch...oder man liest. zB:‚Dummy‘ Das Gesellschaftsmagazin ... Jede Ausgabe ganz neu layoutet - nur der Titel bleibt. Immer wieder neu ... www.dummy-magazin.de‚Weiße Elephanten‘ ... Aufnahmen des Schweizer Fotogra-fen Christian Helmle von ungenutzt gebliebenen monu-mentalen Solitärbauten. Bedrückend ... Verlag Jovis ‚Pictoplasma. The Character Encyclopedia‘Ein Kompendium des Character-Design. Inspirierend ... Pictoplasma Publishing Berlin‚Die Simpsons und die Philosophie‘... humorige Einführung in philosophische Grundsatzfragen mit der gelben Familie. Erhellend ... Tropen Verlag

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Hier ist Platz für eure Meinung ... schreibt uns ... Was gefällt, was nicht, was fehlt ... Von Themenvorschlag bis Verriss ... bitte alles an .... [email protected]

Der NestbeschmutzerBewegte sich unser Nestbeschmutzer in Folge 1 noch in den Gefilden der geistigen Nahrung in Form der Hochschul-bibliothek, wollen wir uns nun den körperlichen Genüssen des kulinarischen Angebotes auf dem Campus und in sei-nem Umfeld zuwenden. Wo finden Student wie Professor in nach schwerer Arbeit wohlverdienter Mittagspause ein schmackhaftes wie gesundes und wiewohl preiswertes Mahl, dass für die Aufgaben des noch vor ihnen liegenden Tages stärkt? Begriffe wie ‚Mensa’ und ‚Kantine’ sind für uns oft noch angefüllt mit Erinnerungen an in brutaler Ma-nier zu Tode gekochten Nudeln, bis zur Unkenntlichkeit ver-brannten Kartoffelröstis, der Abwesenheit jeglicher Gewür-ze jenseits von Salz und wohl schon in prähistorischer Zeit zu Staub zerstoßenem Pfeffer sowie schlaflosen Nächten nach dem mutigen Genuss unverdächtig wirkender aber doch nachhaltig in Erinnerung verbleibender Fischgerichte. Doch werden sie ihrem Ruf als kulinarischer Abenteuer-spielplatz für Hartgesottene auch heute noch gerecht?Sehen wir uns ein wenig um …

Die Bauhausmensa >> Im mit Historie aufgeladen Umfeld der Bauhausmensa, hier saßen und aßen schon die großen Meister, werden dem hungrigen Studenten Kleinstportionen mit dem Image des Ökologisch-Gesunden dargeboten. Getraut sich der Erstbesucher vor Erfurcht kaum auf einem der klassischen Höckerchen Platz zu nehmen, wünscht er sich nach wenigen Minuten sogleich die vertraute Bequem-lichkeit des gemeinen Kantinenstuhl-Billigmodells herbei. Die, historisch verbürgte, Ansicht, ‚Kurz Essen – viel Ar-beiten’ zumindest funktioniert heute wiewohl auch damals wunderbar. Erlebte Geschichte zum Nulltarif. Der regelmäßige Gast kommt zudem in den Genuss zahllo-ser Gratisführungen in allen Weltsprachen durch die Farb- und Formenwelt des historischen Gemäuers und wird ganz umsonst auf unzähligen Fotos nicht nur japanischer Foto-enthusiasten verewigt und tritt den Weg in die große weite Welt an.Doch zum Essen …. Nimmt die Haute Cuisine schon seit Längerem Abstand von so egomanisch-auftrumpfenden Bezeichnungen wie ‚Mehliertes Zanderfilet an Ingwerkohl auf Himbeerschaum’ kann hier derlei noch bestaunt wer-den. Die, Ausnahmen bestätigen wie immer die Regel, bis zur Vitaminfeindlichkeit fettreduzierten und nicht selten an Schonkostgerichte auf Intensivstationen erinnernden Ge-richte dürfen mit exotischen und, ob der geringen Frequen-tierung gern leicht ranzigen, parfümierten Ölen betröpfelt werden. Die traditionelle Gemüsefreiheit der Gerichte lässt den Blick auf die Salatbar schweifen, der ob der lieblos mit kleinge-schnibbeltem Irgendwas-Grünzeug gefüllten Behälter auch gleich wieder abgleitet. Bleibt es also bei Kohlenhydraten und Eiweiß – das Herz des Trennköstlers zumindest dürfte höher schlagen. Der geneigte Gast bewaffnet sich zudem am Besten so-gleich an der Ausgabe mit Salz und Pfeffer, um den chro-nisch unterwürzten Speisen etwas Schmiss zu verleihen. Die Zunge verlangt neben dem Magen ja auch nach ihrem Recht.

Fazit Erwarten Sie neben nobel-distinguierten Gerichtena-men und historischer Kulisse keine weiteren Extras.

Tipp Knurrt der Magen schon beim Anblick der soeben in Empfang genommenen Kleinstportion beleidigt auf, hilft ein ergänzender Griff in die Brötchenschale. Die ‚Sättigungs-beilage’ wird auch ohne zugedachte Suppe ihrem Namen voll und ganz gerecht.

Preis ,,,,, Gesundheitswert ,,,,, Ambiente ,,,,, Hygiene ,,,,, Geschmack ,,,,, Freundlichkeit ,,,,,Bewertung >> Gesamt ,,,,,

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Die Studentenmensa >> Einfach - günstig - schnell – wäre das perfekte Motto der Mensa des Studentenwerkes. Hier wird die gute alte Schnitzel-Pommes-und-Spagetti-Napoli-Kultur noch am Leben erhalten. Steht ab und an auch Exo-tisches wie eine Asiatische Gemüsepfanne auf dem Plan, schwelgt der Gast doch in der Regel in heimischen Spezi-alitäten von Hackfleischstippe und Schweineschnitzel bis Wurstgulasch. So lernt auch der aus fernen Ländern an-gereiste Masterstudent ein gutes und deftiges Stück deut-sche Kultur kennen. Der Leser ahnt es: der zur Fleischlosig-keit verdammte StudentuS VegetariuS trägt schwer am Erbe der deutsch-deftigen Küche. Hat er auch dem allerorten überfischten Gesellen der Meere abgeschworen, bleiben ihm nicht selten nur die Salatbar oder das figurprägende Dessertangebot.

Die namenprägende Epoche der „Schweinemensa“, sei-nerzeit noch in den Räumlichkeiten des alten Impfstoffwer-kes, die Verabreichung einer solch prophylaktischen Injekti-on war seinerzeit auch durchaus empfehlenswert, hat man Gott sei Dank hinter sich gelassen. Die zahllosen Opfer dieser Ära bleiben aber wohl auf immer ungesühnt.

Erhalten geblieben sind uns die knorrige Herzlichkeit der Damen an Kelle und Kasse und die unschlagbar günsti-gen - da subventionierten - Preise (ab 1,40 EUR), die die ob opulenter Warmhaltezeiten musartige Konsistenz und ergo Beinahe-Vitaminfreiheit (früher musste für die Freiheit noch gekämpft werden, heute gibt es sie gratis in jeder Stu-dentenmensa) von Kartoffel, Nudel uns Co. fast vergessen machen.

Zudem dürfen die Teller bei den Bedien-dich-doch-selbst-Gerichten bis zum Überquellen auf Tablettebene voll ge-packt werden. Langjährige Studenten konnten in dieser Disziplin zahllose Trainingeinheiten absolvieren und haben es nicht selten zu wahrer Meisterschaft gebracht.Der gemeine Architekturstudent kommt hier ahnungslos in die Gunst der einen oder anderen Nachhilfe auf dem Ge-biet der angewandten Statik und mag die baustoffuntypi-sche weiche Viskosität der Mehrzahl der Speisen ein ums andere Ma(h)l verflucht haben.

Fazit schnell, günstig und besser als ihr Ruf

Tipp Mach mit beim Wettbewerb – „Wer stapelt am Höchs-ten“ … , natürlich Essen auf den Teller. Aktuelle Speiseplä-ne sogar mit, mal mehr mal minder appetitanregenden, Fo-tografien der Gerichte, unter www.studentenwerk-halle.de.

Preis ,,,,, Gesundheitswert ,,,,, Ambiente ,,,,, Hygiene ,,,,, Geschmack ,,,,, Freundlichkeit ,,,,,Bewertung >> Gesamt ,,,,,

Die Kantine im UBA >> Wagt sich der geneigte Student auf die seltenen Pfade etwas abseits des Campus, findet sich neben dem architektonischen Kleinod des jüngst erbauten Umweltbundesamtes dessen beigeordnete Kantine. (Eine Anerkennung des Ausfluges in Form eines Exkursions-scheines für Architekturstudenten befindet sich in Vorbe-reitung.) Hier kann die vergangen geglaubte Kultur der Spontis, Fun-dis und Realos noch einmal live erlebt werden, auch wenn an deren Vertretern der Zahn der Zeit etwas genagt zu ha-ben scheint. So sind Stoffturnschuh und Selbstgestricktes nicht selten schnöder Einheitskonfektion gewichen. Der Ökoaktivist und Gelegenheitssurvivalabenteurer glänzt da-für gleich nebenan mit der ‚betatzten’ Jacke (ja-ja ich war im letzten Urlaub vier Wochen ohne GPS und Wechselwä-sche gaaanz allein in den Anden unterwegs!). Ein Besuch zur typischen Es-ist-12-ich-hab-Hunger-jetzt-aber-schnell-Zeit wird andrangsbedingt leider schnell zum Stehimbiss, doch die hier heimische Spezies der UBA-Kollegen rückt gern etwas zusammen, und so gerät das Mittagessen kurzerhand zur Kontaktbörse.

Ist der Slalom durch die schräg gesetzt und wild im Saal verteilten Stützen (na gut, irgendwie muss das Dach ja hal-ten) absolviert und der Sitzplatz errungen, kommt nun der inzwischen wohlig brummende Magen zu seinem Recht. Ja, kämpfen lohnt noch. Unter ethisch wie BIOlogischen Aspekten, und erfreulicherweise kommen auch die kulina-rischen nicht zu kurz, zubereitete Speisen erfreuen in aller Regel unseren Gaumen. Eine Eroberung wert ist zudem die Salatbar, die, übrigens als einzige in unserem Test, wirklich Appetit auf Gesundes macht. Hier war der Koch nicht nur messerschwingend und abfüllend unterwegs, sondern hat sich in die Niede-rungen von Dressing und Topping gewagt. Da verschmerzt der Hungrige auch den erschreckten Blick auf den alsbald bedrohlich anschwellenden Betrag auf der Kassenanzeige. Na gut, dann wohl nicht auch noch einen Cappuccino, die Hüfte wird’s danken.

Unsere Jungmanager des Facility Managements wird, ganz unkulinarisch, erfreuen, dass „Die Facility Profis“, wie man in stiller Bescheidenheit für sich wirbt, von Vattenfall Europe die Verköstigung unterhalten. Da kann man den regelmäßigen Besuch doch glatt als studienbegleitendes Praktikum betrachten, auch wenn die Ökobilanz des ach so passiven und nachhaltigen UBA-Baus damit in jähe Tiefen gerissen wird. Auch hier sollte eine Anerkennung, wahlwei-se auch als Exkursion oder - bei regelmäßigem Besuch - Wahlpflichtfach wohlwollend geprüft werden.

Fazit Unser Testsieger - wer bereit ist, ein paar Cent mehr auszugeben, wird hier nicht enttäuscht.

Preis ,,,,, Gesundheitswert ,,,,, Ambiente ,,,,, Hygiene ,,,,, Geschmack ,,,,, Freundlichkeit ,,,,,Bewertung >> Gesamt ,,,,,

Die Redaktion ehrt ab der aktuellen Ausgabe in jedem Blatt ein herausragendes Stück Architektur(geschichte). Verge-ben wird das Gütesiegel der „ROSA ZIEGEL“. Dieses darf ab dem Zeitpunkt der Verleihung am Objekt gut sichtbar angebracht werden. Helfen Sie uns, aus der Masse der schier unendlichen Viel-falt wertvoller architektonischer und städtebaulicher Neu-schöpfungen die EINE richtige Wahl für die Vergabe des wertvollen Siegels zu treffen. Bitte senden Sie Empfeh-lungen, gern mit Schnappschuss und kurzem Statement, an [email protected].

Der „ROSA ZIEGEL“ als Preis für nicht gelungene Architek-tur geht dieses Mal an die neue Centrum-Galerie Dresden, entworfen u.a. von Peter Kulka. Die Auszeichnung steht in diesem Falle nicht für einen schlechten Entwurf, vielmehr für die baupolitischen Vorgänge - in diesem Fall und ge-nerell. Es werden immer mehr Gebäude aus den späten 60er und 70er Jahren abgerissen. Man gewinnt den Eindruck, dass die Baudezernenten und Entscheidungsträger eine ganze Epoche auslöschen wollen. Dabei geht es gar nicht ein-mal um die gesichtslosen Plattenbauten der Vorstädte (in Ost und West), sondern um die architektonisch wertvollen ‚Sonderbauten‘, die seinerzeit Aufsehen erregten. Der in Deutschland nicht selten übermotivierte Denkmalschutz jedoch scheint genau da auszusetzen und die Augen zu verschließen.Im Fall des alten Centrum Warenhauses kämpften Bürger und Interessengruppen über 10 Jahre lang gegen den dro-henden Abriss. Ebenso schüttelte man den Kopf über die tausenden zusätzlichen Quadratmeter Verkaufsfläche in der mit Einkaufszentren reich gesegneten Innenstadt. Es half nichts. Man hörte Besänftigungsversuche, etwa „Die alten Aluwaben der Fassade werden, wieder aufgear-beitet, am neuen Ersatzbau wieder Verwendung finden ... „2007 sah man Bagger und Radlader über die abmontierten Fassadenelemente walzen. Verwendet wurden nun Repli-ken der einmaligen - inzwischen keinmaligen - Blechwa-benfassade, und das zudem eher in Anmutung einer Bor-düre statt als Fassade.

So ist wieder ein Stück jüngere Baugeschichte und auch ein Stück Identifikation verloren gegangen.

Der Rosa Ziegel

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*i.n

Bildnachweis* ‚Leben in der Vertikalen‘ S.04-07 Ingmar Wiebe * ‚Studen-tenpreis‘ S.08/09 Anne Janzen * ‚Exchange Spring Break ´09 to Graubünden, Switzerland‘ S.10-17 Susan Döbrich, Savanna Nightengale, Ilja Neutzner * ‚Der Domino-Effekt‘ S.18 Peter Weber S.19 Christopher Schmidt * ‚Orangenpro-duktion am Frauenort?‘ S.21 Filipe S. de Souza S.22/25 Deo Mario Priyatna * ‚3D Architektur Comic‘ S.26/27/32 Paula Karbownik S.28 Narcisa Hadzic S.30 Maja Mikna S.31/33 Kamila Kawecka * ‚Mode und Architektur‘ S.35 Anja Klein, Steffen Peist S.36 Jörg Dressler S.40 S. Hainz, pixelio.de S.44/45 Anja Müller * ‚Heimspiel‘ S.46/47 Carl Constan-tin Weber * ‚Ithuba persönlich‘ S.48 Ithuba Team FB3 * ‚Search of Entropy‘ S.50/51 Savanna Nightengale, Josh Pe-rez * ‚Der Lauf der Dinge‘ S.52 Adcuz, flickr.de S.54 a kep, flickr.de S.55 Chaval Brasil S.56 chipmonk, flickr.de S.57

Herausgeber Fachbereich Architektur, Facility Management und Geoinformation der Hochschule Anhalt (FH)

Hochschule Anhalt (FH) I FB3PF 2215 I 06818 Dessau-Roßlau

RedaktionCornelia BöttnerSusan DöbrichJörg DresslerLisa HesslingAnja MüllerIlja Neutzner

Anmerkungen, Inspirationen, Kritisches, Themenvorschläge bitte an:[email protected]

Erscheinungsweisehalbjährlich

DruckRupa-Druck Dessau

www.afg.hs-anhalt.de© Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwendung nur mit Genehmigung des Herausgebers.

Die letzte Ausgabe unserer Fachbereichszeitung unter dem Titel ‚tiefb3lick‘ ist leider vergriffen. Sie können diese online einsehen unterhttp://issuu.com/hsanhaltfb3/docs/tiefblick3

Impressum

SparkyLeigh, flickr.de S.58 BirgitH, pixelio.de S.59 Tobias Bräuning, pixelio.de * ‚Am laufenden Band‘ S.60 BMW AG * ‚Campus Office‘ auf der Landesgartenschau 10 in Aschers-leben‘ S.62/63 Erik Przebierala * ‚Die Leichtigkeit des Seins‘ S.64 Sahar Yasaei S.65 Javier Sanchez S.66 Alfred Görstner, Jürgen Bialozyt S.67 Amitay Quelle * ‚Vom Klang der Dinge‘ S. 68-71 Lisa Hessling * ‚Hello Tokyo‘ S.74/75 Ilja Neutzner * ‚Bühnenbilder‘ S.76-79 Elisabeth Richter, Norbert Zierman, Peter Tietgen * ‚Bares für Leistung‘ S.80 adel, pixelio.de * ‚Fahr doch mal hin - Dresden‘ S.82-85 Ilja Neutzner * ‚Albert Einstein‘ S.86 geeksugar.com, muji.com, winfried-baumann.de, domke.ch, Lisa Hessling * ‚Der Nest-beschmutzer‘ S.88/89 Martin Hobohm * ‚Der Rosa Ziegel‘ S.90 Steve Michaelis S.91 Ilja Neutzner