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Festanschluss ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel PROBLEM Bei unseren alltäglichen Aufträgen in Gewer- be- und Industriebetrieben sowie in privaten Haushalten wirft sich immer wieder die Frage auf, ob 230 V-Geräte mit fest angebrachten Netzstecker fest angeschlossen werden dür- fen. Die Frage stellt sich z. B. im privaten Be- reich, wenn eine Dunstabzugshaube montiert wird und keine entsprechende Steckdose vorhanden ist. Im gewerblichen Bereich wird oft im Datennetzwerkschrank eine Steckdo- senleiste oder eine bauseits montierte Tor- steuerung fest angeschlossen. Häufig wird diese Praxis angewendet um die Schutzmaß- nahme »FI-Schutzschalter« zu umgehen. Vor kurzem hatte ich die Diskussion mit einem Elektrosachverständigen während ei- ner Abnahme. Der Sachverständige regte an, dass ein festmontiertes Klimagerät (Wandge- rät, 230 V, ca. 500 W) fest angeschlossen werden sollte. Auf meinen Hinweis, dass ich das Gerät in seiner Bauart verändere, wenn ich den Schukostecker »abzwicke« meinte er nur: »Das ist keine relevante Veränderung«. Wie sehen Sie das? M. B., Bayern ANTWORT Veränderung elektrischer Betriebsmittel Die möglichen Anschlussarten für elektri- sche Betriebsmittel bzw. Verbrauchsmittel sind in den jeweiligen Betriebsmittelnormen festgelegt. Sowohl für ortsveränderliche als auch für fest errichtete elektrische Ver- brauchsmittel sind in den meisten Fällen so- wohl Festanschlüsse als auch Anschlüsse über Stecker möglich. Das gilt z. B. auch für die von Ihnen angeführten Dunstabzugshau- ben nach DIN EN 61591 (VDE 0705- 1591):2016-03, wobei der Hersteller vorge- ben muss, ob das »Gerät« für einen Festan- schluss vorgesehen ist. Fakt ist aber, dass die »Veränderung« elektrischer Betriebsmitteln bzw. Ver- brauchsmittel ein sehr heikles Thema dar- stellt. In jedem Fall erlöschen jedoch bei der Maßnahme »Entfernen des Steckers« Ge- währleistung, Garantie sowie Produkthaftung des Herstellers. Sie könnten diesen Punkt jedoch ggf. mit dem Hersteller abklären. Des Weiteren gilt, dass auch die Konformität mit der Niederspannungsrichtlinie nicht mehr gegeben ist. Somit werden Sie zum Hersteller und müssen eine CE-Kennzeichnung mit Konformitätserklärung vornehmen. Ich muss gestehen, dass ich den Vor- schlag »Direktanschluss« früher schon eini- ge Male propagiert habe, ohne mir Gedan- ken über die eventuell dabei entstehenden Probleme zu machen. Bestärkt wurde ich in meinen diesbezüglichen Vorschlägen durch die Aussage im Abschnitt 411.3.3 von der inzwischen ungültigen DIN VDE 0100- 410:2007-06, wo folgender Hinweis enthal- ten war: »In Fällen, bei denen die ausschließ- liche Verwendung der Steckdose für be- stimmte Betriebsmittel in Zweifel gezogen wird, wird empfohlen, entweder auf die Aus- nahme zu verzichten oder das Betriebsmittel fest anzuschließen.« Dieser Hinweis ist – ver- mutlich aus den oben angeführten Gründen – in der Ausgabe von DIN VDE 0100- 410:2018-10 nicht mehr enthalten. Anschluss einer Dunstabzugshaube Kommen wir nun zu der von Ihren genann- ten Begründung, einen Festanschluss reali- sieren zu wollen. Für mich stellt sich die Fra- ge, warum es nicht möglich sein sollte, an der vorhandenen Anschlussstelle statt eines Direktanschlusses der Dunstabzugshaube, eine Steckdose zu errichten. Soll dabei die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) ge- spart werden? Selbst wenn der Stromkreis in klassischer Nullung ausgeführt wäre, ließe sich auch eine Fehlerstrom-Schutzeinrich- tung in einer Baueinheit mit einer Steckdose (SRCD) nach DIN VDE 0664-50 errichten. Es sei hier noch angemerkt, dass bei Gerä- ten für den Hausgebrauch einem Anschluss über Stecker der Vorzug gegeben sein sollte, damit die Reinigung oder auch der Aus- tausch solcher Geräte – was ja meist durch einen elektrotechnischen Laien erfolgt – sicherer (durch Ziehen des Steckers) bzw. erleichtert wird. Mehrfachsteckdose in Datennetzwerkschrank Auch hierbei gelten alle oben angeführten Hin- weise. Allerdings kann es im gewerblichen Be- reich noch zu weiteren Problemen kommen. Hier muss die Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) und die Betriebssicherheitsverord- nung (BetrSichV) berücksichtigt werden. Anschluss einer Torsteuerung Auch hierzu gelten die gleichen Hinweise wie oben. Allerdings werden Torsteuerungen – zumindest im gewerblichen Bereich – fast immer fest angeschlossen. Maßgebend aber ist letztlich die vom Hersteller gelieferte Aus- führung. Aussage des Elektrosachverständigen Die Aussage, dass es sich nicht um eine rele- vante Veränderung handele, halte ich für äu- ßerst fragwürdig. Nicht der Umfang einer Änderung ist hier maßgebend. Es sei mir noch der Hinweis erlaubt, dass Klimageräte mit einem Nennstrom größer 25 A fest ange- schlossen werden müssen. Daher dürfen diese keinen Stecker aufweisen – siehe Ab- schnitt 25.1 von DIN EN 60335-2-40 (VDE 0700-40):2014-01. Fazit Womöglich gibt es ja mitunter Gründe, die zur Forderungen nach einem Festanschluss führen – z. B. wegen zu hoher Ableitströme. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dann be- steht ja die Möglichkeit, entsprechende Ge- räte ohne Stecker auszuwählen. Werner Hörmann Aktuelle DIN VDE 0100-410, Ungültige DIN VDE 0100-410:2007-06, DIN VDE 0664-50, DIN EN 60335-2-40 (VDE 0700-40), DIN EN 61591 (VDE 0705-1591), AM-VO, BetrSichV PRAXISPROBLEME 2 de .

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Page 1: Festanschluss ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel · Festanschluss ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel ProBlem Bei unseren alltäglichen Aufträgen in Gewer-be-

Festanschluss ortsveränderlicher elektrischer Betriebsmittel

ProBlem

Bei unseren alltäglichen Aufträgen in Gewer-be- und Industriebetrieben sowie in privaten Haushalten wirft sich immer wieder die Frage auf, ob 230 V-Geräte mit fest angebrachten Netzstecker fest angeschlossen werden dür-fen. Die Frage stellt sich z. B. im privaten Be-reich, wenn eine Dunstabzugshaube montiert wird und keine entsprechende Steckdose vorhanden ist. Im gewerblichen Bereich wird oft im Datennetzwerkschrank eine Steckdo-senleiste oder eine bauseits montierte Tor-steuerung fest angeschlossen. Häufig wird diese Praxis angewendet um die Schutzmaß-nahme »FI-Schutzschalter« zu umgehen.

Vor kurzem hatte ich die Diskussion mit einem Elektrosachverständigen während ei-ner Abnahme. Der Sachverständige regte an, dass ein festmontiertes Klimagerät (Wandge-rät, 230 V, ca. 500 W) fest angeschlossen werden sollte. Auf meinen Hinweis, dass ich das Gerät in seiner Bauart verändere, wenn ich den Schukostecker »abzwicke« meinte er nur: »Das ist keine relevante Veränderung«.

Wie sehen Sie das? M. B., Bayern

Antwort

Veränderung elektrischer Betriebsmittel

Die möglichen Anschlussarten für elektri-sche Betriebsmittel bzw. Verbrauchsmittel sind in den jeweiligen Betriebsmittelnormen festgelegt. Sowohl für ortsveränderliche als auch für fest errichtete elektrische Ver-brauchsmittel sind in den meisten Fällen so-wohl Festanschlüsse als auch Anschlüsse über Stecker möglich. Das gilt z. B. auch für die von Ihnen angeführten Dunstabzugshau-ben nach DIN EN 61591 (VDE 0705-1591):2016-03, wobei der Hersteller vorge-ben muss, ob das »Gerät« für einen Festan-schluss vorgesehen ist.

Fakt ist aber, dass die »Veränderung« elektrischer Betriebsmitteln bzw. Ver-

brauchsmittel ein sehr heikles Thema dar-stellt. In jedem Fall erlöschen jedoch bei der Maßnahme »Entfernen des Steckers« Ge-währleistung, Garantie sowie Produkthaftung des Herstellers. Sie könnten diesen Punkt jedoch ggf. mit dem Hersteller abklären. Des Weiteren gilt, dass auch die Konformität mit der Niederspannungsrichtlinie nicht mehr gegeben ist. Somit werden Sie zum Hersteller und müssen eine CE-Kennzeichnung mit Konformitätserklärung vornehmen.

Ich muss gestehen, dass ich den Vor-schlag »Direktanschluss« früher schon eini-ge Male propagiert habe, ohne mir Gedan-ken über die eventuell dabei entstehenden Probleme zu machen. Bestärkt wurde ich in meinen diesbezüglichen Vorschlägen durch die Aussage im Abschnitt 411.3.3 von der inzwischen ungültigen DIN VDE 0100-410:2007-06, wo folgender Hinweis enthal-ten war: »In Fällen, bei denen die ausschließ-liche Verwendung der Steckdose für be-stimmte Betriebsmittel in Zweifel gezogen wird, wird empfohlen, entweder auf die Aus-nahme zu verzichten oder das Betriebsmittel fest anzuschließen.« Dieser Hinweis ist – ver-mutlich aus den oben angeführten Gründen – in der Ausgabe von DIN VDE 0100-410:2018-10 nicht mehr enthalten.

Anschluss einer DunstabzugshaubeKommen wir nun zu der von Ihren genann-ten Begründung, einen Festanschluss reali-sieren zu wollen. Für mich stellt sich die Fra-ge, warum es nicht möglich sein sollte, an der vorhandenen Anschlussstelle statt eines Direktanschlusses der Dunstabzugshaube, eine Steckdose zu errichten. Soll dabei die Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (RCD) ge-spart werden? Selbst wenn der Stromkreis in klassischer Nullung ausgeführt wäre, ließe sich auch eine Fehlerstrom-Schutzeinrich-tung in einer Baueinheit mit einer Steckdose (SRCD) nach DIN VDE 0664-50 errichten.

Es sei hier noch angemerkt, dass bei Gerä-ten für den Hausgebrauch einem Anschluss über Stecker der Vorzug gegeben sein sollte,

damit die Reinigung oder auch der Aus-tausch solcher Geräte – was ja meist durch einen elektrotechnischen Laien erfolgt – sicherer (durch Ziehen des Steckers) bzw. erleichtert wird.

Mehrfachsteckdose in DatennetzwerkschrankAuch hierbei gelten alle oben angeführten Hin-weise. Allerdings kann es im gewerblichen Be-reich noch zu weiteren Problemen kommen. Hier muss die Arbeitsmittelverordnung (AM-VO) und die Betriebssicherheitsverord-nung (BetrSichV) berücksichtigt werden.

Anschluss einer TorsteuerungAuch hierzu gelten die gleichen Hinweise wie oben. Allerdings werden Torsteuerungen – zumindest im gewerblichen Bereich – fast immer fest angeschlossen. Maßgebend aber ist letztlich die vom Hersteller gelieferte Aus-führung.

Aussage des elektrosachverständigen

Die Aussage, dass es sich nicht um eine rele-vante Veränderung handele, halte ich für äu-ßerst fragwürdig. Nicht der Umfang einer Änderung ist hier maßgebend. Es sei mir noch der Hinweis erlaubt, dass Klimageräte mit einem Nennstrom größer 25 A fest ange-schlossen werden müssen. Daher dürfen diese keinen Stecker aufweisen – siehe Ab-schnitt 25.1 von DIN EN 60335-2-40 (VDE 0700-40):2014-01.

Fazit

Womöglich gibt es ja mitunter Gründe, die zur Forderungen nach einem Festanschluss führen – z. B. wegen zu hoher Ableitströme. Sollte dies tatsächlich der Fall sein, dann be-steht ja die Möglichkeit, entsprechende Ge-räte ohne Stecker auszuwählen.

Werner Hörmann

Aktuelle DIN VDE 0100-410, Ungültige DIN VDE 0100-410:2007-06, DIN VDE 0664-50, DIN EN 60335-2-40 (VDE 0700-40), DIN EN 61591 (VDE 0705-1591), AM-VO, BetrSichV

PraxisProbleme

2 de .