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Lebensmittel und Pestizide Früchte der Furcht Cannabis-Zusätze Der Hype um Hanf Neuer Trend Nikotin aus dem Beutel Leitidee „3R“ Prinzip Mäusewohl Das Wissenschaftsmagazin des Bundesinstituts für Risikobewertung Ausgabe 2/2021

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Lebensmittel und Pestizide

Früchte der Furcht

Cannabis-Zusätze

Der Hypeum Hanf

Neuer Trend

Nikotin aus dem Beutel

Leitidee „3R“

Prinzip Mäusewohl

Das Wissenschaftsmagazin des Bundesinstituts für Risikobewertung Ausgabe 2/2021

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überall in unserem Alltag steckt BfR drin. Glauben Sie nicht? Gut, werden wir etwas präziser. Mit ganz vielen Dingen, mit denen wir täglich Umgang haben, befasst sich das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) von Amts wegen – aufgrund seines gesetzlichen Auftrags zur Risikobewertung und zur Risikokommunikation. Das BfR nimmt den Alltag unter die Lupe. Und die Ergeb-nisse seiner Prüfungen führen nicht selten dazu, dass das Alltagsleben verändert wird. Zum Besseren, wie wir hoffen: sicherer, gesünder, risikoärmer.

Die Themen dieser neuen Ausgabe unseres Wissenschaftsmagazins zeigen das ganz konkret.

Beginnen wir mit dem Heft-Schwerpunkt Pflanzenschutzmittel – ein gesellschaftliches Reizthema, bei dem gegensätzliche Meinungen aufeinanderprallen. Hier gilt es, sachlich zu bleiben und mit wissenschaftlichen Argumenten für den gesundheitlichen Verbraucher-schutz einzutreten. Unser Anspruch ist es, objektiv und neutral zu informieren.

Nicht nur in aller Munde, sondern auch „in aller Nase“ sind Aromastoffe. Tagtäglich neh-men wir sie mit unserer Nahrung auf. Etwa 2.500 sind in der EU zugelassen und werden zur Herstellung von Aromen eingesetzt. Umso wichtiger, diese „Schmackhaftmacher“ auf Un-bedenklichkeit zu prüfen. Das BfR ist dabei. Ebenso bei aktuellen Themen, etwa dem Trend zu hanfhaltigen Lebensmitteln und dem als „beruhigend“ angepriesenen Hanf-Inhaltsstoff Cannabidiol.

Auch auf Reinigungsmittel, Outdoorkleidung, Fast-Food-Verpackungen oder Kosmetik schauen wir im neuen BfR2GO – konkret auf per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS, die sich in ganz vielen Alltagsprodukten finden. Außergewöhnlich langlebig, wer-den sie vom Körper aufgenommen und sind im Blut nachweisbar. Welche gesundheitlichen Folgen PFAS haben, ist derzeit noch nicht endgültig geklärt. Grund zur Sorge gibt es alle-mal. Das BfR beteiligt sich an der Erforschung der komplizierten Zusammenhänge rund um PFAS und den menschlichen Organismus.

Zu guter Letzt der Blick auf einen Dauerbrenner unter den gesundheitlichen Verbrau-cherthemen: Vitamin D, das manche als Allheilmittel ansehen. Die Bewertung des BfR fällt da etwas nüchterner aus, auch wenn der Nutzen des „Sonnenhormons“ unstrittig ist. In je-dem Fall sind reichlich Spaziergänge zu empfehlen, auch in der kalten Jahreszeit. Die Win-tersonne hebt nicht nur den Vitamin-D-Spiegel, sondern auch die Alltagsstimmung.

Eine unterhaltsame und nichtalltägliche Lektüre wünscht

Professorin Dr. Tanja SchwerdtleVizepräsidentin des BfR

Liebe Leserinnen und Leser,

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Trendy – aber Vorsicht!

Mit Bienenwachs überzogene Stoff-tücher sind in. Sie decken Schüsseln ab, schlagen Brote ein und gelten als Alternative zu Alu- oder Frischhaltefolie. Doch Vorsicht bei Kontakt mit Lebens-mitteln: Bestandteile der Bienenwachs-tücher können unbeabsichtigt ins Essen übergehen. Bei gefärbten Textilien sind sogenannte primäre aromatische Ami-ne aus Druckfarben besonders kritisch. Sie sind zum Teil als krebserzeugend eingestuft. Auch die Wachsbestandteile können gesundheitliche Risiken bergen. Entspricht das Bienenwachs nicht den Anforderungen als Lebensmittelzusatz- stoff, könnte es mit Mineralöl oder Pflanzenschutzmitteln verunreinigt sein. Ebenso sollte man im Tuch den Zusatz Jojobaöl meiden – Tierversuche zeigen toxische Wirkungen von Jojobaöl in Darmzellen.Es gilt: Die Stoffe und die Bedruckung sollten sich explizit für den Lebensmit-telkontakt eignen und nie mit Fettigem – wie Kuchen, Wurst oder rohen, tieri-schen Produkten – in Kontakt kommen.Eine hygienische Kochwäsche ist un-möglich, da Wachs schmilzt. Und: DasÜbertragungsrisiko ist bei pflanzlichenProdukten zwar geringer, aber nichtauszuschließen.

Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > A-Z-Index: Bienenwachstücher> A-Z-Index: Druckfarben

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Bewerten. Forschen.Kommunizieren.

INHALT

6Schwerpunkt: Lebensmittel und Pestizide

24 Geschmacksache

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Befragung zu Zusatzstoffen

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ImpressumBfR2GO – Ausgabe 02/2021

Herausgeber:Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) Anstalt des öffentlichen Rechts

vertreten durch den Präsidenten, Professor Dr. Dr. Andreas Hensel V.i.S.d.P.: Dr. Suzan Fiack

Redaktionsanschrift: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR)Max-Dohrn-Straße 8–1010589 [email protected]

Redaktion: BfR Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

Gestaltung, Grafiken & Bildbearbeitung:Studio GOOD, Berlin

Druck:ARNOLD group, Großbeeren gedruckt auf PEFC-zertifiziertem Papier

Auflage: 3.500 (Deutsch) 500 (Englisch)

Print-ISSN 2567-3858Online-ISSN 2567-3866

DOI 10.17590/20211025-131536

© Bundesinstitut für Risikobewertung. Alle Rechtevorbehalten. Wenn Sie einen Nachdruck einzelnerArtikel zu nicht kommerziellen Zwecken wünschen,wenden Sie sich bitte an die Redaktion unter:[email protected]

In den Interviews des BfR2GO geäußerte Meinungen externer Interviewpartnerinnen und -partner geben deren eigene Auffassungen wieder.

06 Schwerpunkt06 Früchte der Furcht

Lebensmittel und Pestizide

12 „Ganz ohne Chemie geht es nicht“ Interview mit Dr. Tewes Tralau

14 Risikowahrnehmung14 Großes E – große Skepsis?

Infografik Zusatzstoffe

16 Risiken auf einen Blick Gastbeitrag Visualisierung von Risikobotschaften

18 „Corona hat gezeigt, dass wir Daten besser verstehen müssen“ Interview mit Katharina Schüller

20 Lebensmittelsicherheit20 Der Hype um Hanf

Hanfhaltige Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel

23 Beliebter Stoff BfR-Befragung zum Konsum von Cannabidiol

24 Geschmacksache Datenlücken bei mehreren Hundert Aromastoffen

27 Virus-Typen auf der Spur Post aus … Mosambik & Südafrika

28 Multitalent mit Mythos Substanzportrait Vitamin D

30 Ernährungs-Clou oder Schmu? Milchgetränke für Kleinkinder

31 Korrektes Kühlen BfR-Umfrage zur Kühlschranktemperatur

32 Produkt- und Chemikaliensicherheit32 Gefahr an Bord?

Transportsicherheit von Waren

36 Nikotin aus dem Beutel Gesundheitsrisiken neuartiger Nikotinprodukte

37 Spektrum Zusatzstoffe in Tabak und Liquids, Forschung für sichere Tattoos, Identifikationscode auf chemischen Produkten

38 Ewige Begleiter Chemikalien namens PFAS

40 Schutz von Versuchstieren40 Prinzip Mäusewohl

„3R“ als Leitidee der Forschung

43 „Ein Dialog ist sinnvoll“ Interview mit Dr. Bettina Bert

44 Institutsleben

Folgen Sie uns:

Das BfR-Wissenschaftsmagazin BfR2GOerscheint zweimal jährlich.Kostenfreies Abonnement über: www.bfr.bund.de/de/bfr2go_abo.html

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PFLANZENSCHUTZMITTEL

Die Verunsicherung in der Bevölkerung ist groß. Bei Pro-testen wie diesen fordern sie ein Verbot von Glyphosat.

* Dieser Beitrag stützt sich teilweise auf Vorträge beim 21. BfR-Forum

Verbraucherschutz. Es fand unter dem Motto „Pflanzenschutzmittel – ein

Anlass zur Sorge?“ am 9. und 10. Juni 2021 in Berlin statt.

Viele Menschen begegnen Pflanzenschutzmitteln mit Miss-trauen. Gibt es Anlass zur Sorge? Eine Bestandsaufnahme.

Pflanzenschutzmittel (PSM) genießen keinen allzu guten Ruf. Mehr noch: Viele Menschen fürchten, dass sie ihnen gesundheitlich schaden. Sie ängsti-

gen sich vor „Chemie“ im Essen, das möglichst „natur-belassen“ sein soll. Diese Einstellung wird durch eine mitunter unausgewogene Berichterstattung in den Me-dien gefördert. So erregte im Jahr 2016 die Meldung die Gemüter, dass der PSM-Wirkstoff Glyphosat in den 14 meistverkauften Biersorten nachgewiesen wurde. Doch war der Gehalt an Glyphosat so gering, dass man jeden Tag 1.000 Liter Bier trinken müsste, um gesundheitlich bedenkliche Wirkstoffmengen aufzunehmen.

Solche Berichte tragen dazu bei, die Öffentlichkeit weiter zu verunsichern. Was aber tut der Staat, um seine Bür- gerinnen und Bürger zu schützen? Welche echten ge-sundheitlichen Risiken drohen ihnen? Wie werden PSM zugelassen, wie wird ihr Gebrauch überwacht? Gibt es Anlass zur Sorge?*

Genehmigung und Zulassung: Was sie unter-scheidet

Die Zulassung von PSM sowie die Genehmigung der in ihnen enthaltenen Wirkstoffe sind in der Europäischen Union (EU) streng geregelt. Wirkstoffe werden nach vorangehender Prüfung durch einen oder mehrere Mit-gliedstaaten EU-weit genehmigt. Pflanzenschutzmittel hingegen – sie enthalten häufig mehrere Wirkstoffe und

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Beistoffe – werden von einzelnen Mitgliedstaaten natio-nal zugelassen. Vorausgegangen ist dabei meist eine zo-nale Bewertung. Die EU ist hierfür in drei Zonen einge-teilt – Deutschland gehört der mittleren an. Dabei prüft eine nationale Behörde stellvertretend für die anderen Länder der EU-Zone den Zulassungsantrag.

Ein zentraler Teil der Genehmigung ist die Bewertung des gesundheitlichen Risikos eines Wirkstoffs. Sie er-folgt hierzulande unabhängig durch das Bundesinsti-tut für Risikobewertung (BfR). Grundlegend ist dafür die Unterscheidung zwischen Gefahr und Risiko (siehe Kasten).

„Wir prüfen umfassend vom Landwirt und Weizen-feldanwohner bis hin zum Verbraucher, welches Ge-fahrenpotenzial durch einen Wirkstoff für verschiedene Personengruppen besteht“, sagt Dr. Jens Schubert vom BfR. Im Mittelpunkt steht das reale Risiko, nicht die theo- retische Gefahr.

Auf Herz und Nieren geprüft

Das BfR prüft, wie ein Wirkstoff aufgenommen und verstoffwechselt wird und welche toxischen (giftigen) Wirkungen auftreten können. Berücksichtigt wird auch, ob eine Substanz genetische Veränderungen hervorruft (Mutagenität), ob sie krebserzeugend ist (Kanzerogeni-tät) oder die Erbinformation schädigt (Genotoxizität). Ein PSM-Wirkstoff wird nur genehmigt und ein PSM nur zugelassen, wenn bei bestimmungsgemäßem Ge-brauch kein Gesundheitsrisiko zu erwarten ist.

Eine Gefahr ist möglich, ein Risiko real

Mit „Gefahr“ wird ein gesundheitsschädigendes Potenzial beschrieben, eine theoretische Möglich-keit. Das „Risiko“ bezeichnet dagegen die Wahr-scheinlichkeit, mit der diese Gefahr eintritt – also die reale Situation, in der man der Gefahr ausge-setzt ist (Exposition). Ein Beispiel: Ein Tiger ist eine Gefahr. Entscheidend für das Risiko ist aber, wie sehr wir dem Tiger ausgeliefert, also exponiert sind. Ein Tiger im Käfig ist gefährlich, aber ein geringes Risiko. Ein frei laufender hungriger Tiger in zehn Metern Entfernung dagegen ist ein extrem hohes Risiko. Nach dem gleichen Schema kann auch ein PSM-Wirkstoff eine Gefahr darstellen, da er potenziell giftig ist. Ein gesundheitliches Risiko ist bei bestimmungsgemäßem Gebrauch jedoch nicht zu erwarten, da PSM vor der Zulassung un-tersucht und bewertet sowie Bedingungen für eine gefahrlose Verwendung bestimmt wurden.

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Anhand der Informationen zu einem Wirkstoff ermit-telt das BfR mit Expertinnen und Experten der ande-ren Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) EU-einheitliche Grenzwerte, die es einzuhalten gilt. Wesentlich ist dabei, dass die Dosis eines Stoffes für seine Giftigkeit entscheidend ist. In geringer Menge können Rückstän-de von PSM in Lebensmitteln toleriert werden – weit unterhalb einer schädlichen Dosis. Die Grenze des Er-laubten markiert der sogenannte Rückstandshöchstge-halt eines Wirkstoffs und seiner Abbauprodukte.

Beim Ermitteln („Ableiten“) der Grenzwerte wiederum wird ein Sicherheitsabstand berücksichtigt. Eine Dosis, die im Tier einen Effekt erzeugt, wird bei der Übertra-gung auf den Menschen um den Faktor zehn verringert und dann nochmals um den Faktor zehn, um die un-terschiedliche Empfindlichkeit verschiedener Personen zu berücksichtigen.

Der Grenzwert und das Gift

Die Grenzwerte sind mit Leitplanken im Straßenverkehr vergleichbar. So wie diese Verkehrsunfälle zu verhindern helfen, sollen Grenzwerte den sicheren Gebrauch eines Wirkstoffs gewährleisten. Es ist jedoch ein Missver-ständnis, dass sie eine Grenze zwischen „schädlich“ oder „giftig“ und „unschädlich“ oder „ungiftig“ darstellen.

Ein Beispiel: Der ADI-Wert (die zulässige tägliche Auf-nahmemenge) gibt jene Menge eines Wirkstoffs an, die lebenslang täglich aufgenommen werden kann, ohne dass mit gesundheitlichen Schäden zu rechnen ist. Eine gelegentliche Überschreitung fällt nicht ins Gewicht, da sie durch geringere Aufnahme an anderen Tagen ausge-glichen wird.

Hochwertige Lebensmittel sicherstellen

Während das BfR als unabhängiges Institut die Risiko-bewertung vornimmt, ist das Bundesamt für Verbrau-cherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) im weite-ren Schritt mit dem Risikomanagement beauftragt. Die Aufgaben des BVL umfassen neben der Zulassung unter anderem auch das Festlegen der Anwendungsgebiete so-wie die Überwachung des Einsatzes von Pflanzenschutz-mitteln.

Bei der Zulassung von PSM berücksichtigt das BVL ne-ben dem gesundheitlichen Risiko (bewertet durch das BfR) auch die Frage der Wirksamkeit (bewertet durch das Julius Kühn-Institut) und der Umweltverträglich-keit (bewertet durch das Umweltbundesamt). Das BVL legt detailliert fest, wie, wo und von wem das PSM an-gewendet werden darf.

„Pflanzenschutzmittel stellen sicher, dass hochwer-tige Lebensmittel für alle verfügbar sind“, sagt Dr. Martin Streloke, Abteilungsleiter beim BVL. Er sieht

„Das BfR prüft umfassend, welches reale Risiko durch einen Wirkstoff besteht.

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„Pflanzenschutzmittel sind kein Anlass zur Sorge, wenn sie bestimmungsgemäß angewandt werden.

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den Pflanzenschutz mit schwierigen Problemen kon-frontiert. Sorgen bereitet Streloke, dass die Gesamtzahl der PSM-Wirkstoffe seit Jahren unverändert ist, obwohl seit dem Jahr 2016 rund 20 Prozent mehr PSM zugelas-sen wurden. Es ergab sich aber eine Verschiebung zwi-schen den Wirkungsbereichen zulasten der Insektizide. Dadurch mussten seit dem Jahr 2016 rund 20 Prozent mehr nur kurzzeitig verfügbare Notfallzulassungen er-teilt werden, Tendenz steigend. „Der Verlust wichtiger PSM-Wirkstoffe führt zu größer werdenden Lücken beim Schutz vieler Kulturen“, beklagt er.

Lebensmittel: 20.000 Kontrollen pro Jahr

Zuständig für Kontrollen von Lebensmitteln auf PSM-Rückstände ist die Lebensmittelüberwachung der jeweiligen Bundesländer. Jedes Jahr werden rund 20.000 Lebensmittelproben auf Rückstände von Pesti-ziden durch 19 Untersuchungsämter untersucht.

„Insgesamt wurden im Jahr 2019 in etwa 40 Prozent der Lebensmittelproben keine Pflanzenschutzmittel-Rück-stände festgestellt“, berichtet Anne Katrin Pietrzyk vom BVL. „In knapp 60 Prozent fanden sich tolerierba-re Rückstände unterhalb der Höchstgehaltsgrenze, und in gut zwei Prozent wurde diese überschritten.“

Ist der Rückstandshöchstgehalt in einem Produkt über-schritten, muss zunächst die Messungenauigkeit berück-sichtigt werden. Ist diese abgezogen und liegt der Mess-wert immer noch oberhalb der Grenze, gilt das Produkt als nicht mehr „verkehrsfähig“. Das bedeutet jedoch nicht, dass bereits ein gesundheitliches Risiko von ihm ausgeht. In der Regel werden erst bei sehr viel höheren Konzentrationen gesundheitlich bedeutsame Grenz- werte erreicht.

„Bio“ mit weniger synthetischen Spuren

Wer mit dem Essen dennoch so wenig „synthetische“ PSM-Rückstände wie möglich zu sich nehmen will, kann auf Öko-Lebensmittel zurückgreifen. Diese sind zu knapp 80 Prozent frei von Spuren „synthetischer“ Pestizide. Nicht berücksichtigt sind dabei allerdings die in der Bio-Landwirtschaft erlaubten (und nicht er-mittelten) „nicht-synthetischen“ Pflanzenschutzmittel.

Kritik an der bestehenden Risikobewertung von PSM kommt von Nichtregierungsorganisationen wie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Aus Sicht von Corinna Hölzel von der Abtei-lung Biodiversität des BUND ist die Risikobewertung veraltet, weil sie Mehrfachbelastungen und hormonell wirksame Pestizide unterschätze.

In der Debatte: Glyphosat

Glyphosat ist weltweit der am meisten verwendete Wirkstoff in Unkrautbekämpfungsmitteln (Herbizi-den). Die Substanz ist hochwirksam – und hoch- umstritten. Seit Jahrzehnten kämpfen Umweltorga-nisationen wegen ökologischer und gesundheitlicher Bedenken für ein Verbot. In der EU ist Glyphosat zur Verwendung in Pflanzenschutzmitteln bis zum 15. Dezember 2022 genehmigt. Über eine erneute Genehmigung wird derzeit beraten. Die endgültige Entscheidung fällt die EU-Kommission zusammen mit den Mitgliedstaaten auf Grundlage eines Be-richts der Europäischen Behörde für Lebensmittel-sicherheit (EFSA). Dieser wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2022 vorliegen.

Kontrollen als mangelhaft kritisiert

Kontrollen auf PSM-Rückstände seien mangelhaft, da Verstöße nicht ausreichend bestraft würden und in der EU nicht zugelassene Pestizide über importier-te Lebensmittel auf den Markt kämen. Zudem müsse das Vorsorgeprinzip konsequent angewandt werden. Die Zulassung für einen PSM-Wirkstoff wie Glyphosat dürfe nicht verlängert werden, da dieser nach Angaben der Internationalen Agentur für Krebsforschung wahr-scheinlich krebserzeugend sei und als Totalherbizid stark biodiversitätsschädigend wirke.

„Jede Substanz ist gefährlich“, kontert Dr. Tewes Tralau, beim BfR für den Bereich „Sicherheit von Pes-tiziden“ verantwortlich. Entscheidend sei stets die Do-sis, der man ausgesetzt ist. Dies gelte für jede Substanz und jedes Pflanzenschutzmittel, unabhängig davon, ob „synthetisch“ oder „biologisch“.

Tralau verwahrt sich dagegen, dass die Risikobewer-tung von PSM „veraltet“ sei und Gefahren nicht aus-reichend berücksichtige. Grundlage vernünftigen Handelns seien wissenschaftliche Studien. Ein bloßer Verdacht oder Spekulationen seien keine ausreichende Basis – auch nicht für das Vorsorgeprinzip. „Aus mei-ner Sicht sind Pflanzenschutzmittel kein Anlass zur Sorge – wenn sie bestimmungsgemäß angewandt wer-den“, lautet Tralaus Fazit als Wissenschaftler. ◘

Mehr erfahren:www.bfr-akademie.de > Veranstaltungsarchiv: 2021 > 21. BfR-Forum Verbraucherschutz „Pflanzenschutzmittel – ein Anlass zur Sorge?“

PFLANZENSCHUTZMITTEL

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„Ganz ohne Chemie geht es nicht“

Herr Tralau, die meisten Menschen wollen Nah-rungsmittel, die frei von Pestiziden sind. Kön-nen Sie das verstehen?Dahinter steht der Wunsch, Lebensmittel so zu sich zu nehmen, wie die Natur sie geliefert hat. Persönlich kann ich das gut nachvollziehen, wissenschaftlich be-trachtet ist es jedoch fast ein Ding der Unmöglichkeit. Es sei denn, man sammelt Beeren im Wald. Aber das Gemüse, das ich im Supermarkt kaufe, wird häufig mit Pestiziden in Kontakt gekommen sein.

Wie groß ist denn die Gefahr durch Rückstände von Pflanzenschutzmitteln (PSM) auf Lebens-mitteln?Es gibt kein nennenswertes Risiko für den Konsumen-ten, das von Rückständen auf Lebensmitteln ausgeht. Wenn dem so wäre, wäre ein PSM nicht zulassungs-fähig. Bei der Zulassung werden auch die Rückstände gesundheitlich bewertet. Ein PSM wird nur zugelassen, wenn nach dem Stand von Wissenschaft und Technik kein gesundheitliches Risiko besteht.

Aber können nicht Überdosierungen eines Mit-tels dazu führen, dass Obst oder Gemüse stark belastet werden?Es ist natürlich denkbar, dass ein PSM nicht bestim-mungsgemäß eingesetzt wird. Ein Landwirt, der zu viel von einem Mittel ausbringt, wird jedoch bei der Über-wachung auffallen und muss mit rechtlichen Konse-quenzen rechnen. Aber selbst in diesem Fall wäre nicht von einer Gesundheitsgefahr auszugehen – dazu sind die Sicherheitsabstände zu groß, also die eingebauten Puffer bei der Festlegung der Dosierungsgrößen und gesundheitlichen Grenzwerte.

Wie bewerten Sie die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelüberwachung?Sie zeigen, dass die meisten Proben entweder PSM-frei sind oder im grünen Bereich, also innerhalb der als un-gefährlich festgelegten Spannbreite. Nur ein ganz klei-ner Teil der Proben wird überhaupt auffällig.

Kritische Stimmen sagen: Es geht auch ohne chemische Mittel auf dem Acker. Ganz ohne Chemie geht es nicht, das muss man klar sagen. Selbst die Bio-Landwirtschaft muss auf Spritz-

mittel zurückgreifen. Ein klassisches Beispiel ist Kup-fersulfat, ohne das ein großer Teil des Bio-Anbaus nicht möglich wäre. Übrigens ein Mittel, das aufgrund seiner Eigenschaften im konventionellen Anbau heute wahr-scheinlich nicht mehr so problemlos zugelassen würde.

Wo wird Kupfersulfat eingesetzt?Vorrangig im Weinbau. Wer Biowein anbaut, ist auf Kupfersulfat als Mittel gegen Pilzbefall angewiesen.

Wie bewerten Sie das gesundheitliche Risiko durch „Bio“ im Vergleich zu „Chemie“?Beim Risiko gibt es keinen Unterschied. Auch che-misch-synthetische PSM sind sicher. Zwischen Natur und Chemie zu unterscheiden, ist wissenschaftlich un-tragbar. Was wir als Natur ansehen, ist ebenso Chemie. Ein Beispiel aus der Bio-Landwirtschaft: Dort werden Pyrethroid-Extrakte verwendet. Pyrethroide sind von Chrysanthemen gebildete Insektengifte. Solche Pflan-zenauszüge haben eine schwankende Zusammenset-zung. Wenn das gleiche Produkt im chemischen Pflan-zenschutz eingesetzt wird, dann als Reinsubstanz. Abgesehen von diesem Unterschied gilt: Pyrethroid ist Pyrethroid, ob „Bio“ oder „Chemie“.

Die Farm-to-Fork-Strategie der EU sieht bis 2030 eine Halbierung des Einsatzes syntheti-scher Pestizide vor. Ist das machbar, und wel-che Konsequenzen würde das haben?Ökologische Landwirtschaft hat weniger Erträge als konventionelle. Die heutige Lebensmittelversorgung wäre ohne synthetische PSM so nicht möglich. Die Alternativen der Bio-Landwirtschaft, wie etwa pflan-zenstärkende Mittel oder mikrobiologische PSM, bei

„Was wir als Natur ansehen, ist ebenso Chemie.

Entscheidend ist die Dosis: Dr. Tewes Tralau, Pestizid-Experte am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), über die Risiken von Pflanzenschutzmitteln und die Suche nach Alternativen.

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Wie sieht es mit dem gefahrenbasierten Ansatz aus? Bei diesem wird ein Stoff verboten, weil er gefährlich ist. Das klingt erstmal überzeugend, ist es aber nicht. Um beim Beispiel Kieselstein zu bleiben: Ich verbiete unabhängig von der Größe alle Steine, vom Sandkorn bis zum Geröllbrocken.

Aber niemand will Kieselsteine verbieten …Vieles von dem, was wir täglich zu uns nehmen oder mit dem wir in Kontakt treten, ist von den reinen Eigen-schaften her gefährlich. Kaffee wäre heute nicht mehr zulassungsfähig. Oder nehmen wir das Smartphone, mit dem Sie gerade das Interview aufzeichnen. Man kann das gefahrlos benutzen, auch wenn die Chemikalien und Metalle, aus denen es besteht, ein toxikologischer Alptraum sind. Besonders dann, wenn Sie es aufessen sollten.

Und Pflanzenschutzmittel?PSM sind per se gefährlich, das ist keine Frage. Aber diese Gefahr ist beherrschbar. Deshalb sollte man sie nicht pauschal verbannen, wie es der gefahrenbasierte Ansatz nahelegt. Die Welt ist voller gefährlicher Che-mikalien, die uns nützen. Siehe Smartphone. Das will auch keiner verbieten. ◘

denen Bakterien oder Pilze ihrerseits als Schädlings-bekämpfungsmittel fungieren, können die Lücke nicht füllen. Geringere Ernten sind daher unvermeidlich. Dementsprechend muss ich andernorts Erträge zu-kaufen, die ich damit dem dortigen Markt entziehe. Es wird schwierig werden, die Ziele zu erreichen.

Das BfR bewertet das konkrete gesundheitliche Risiko durch Pflanzenschutzmittel. Politisch gewünscht, etwa in der EU, ist immer mehr eine gefahrenbasierte Bewertung. Was ist der Unter-schied?Bei einem risikobasierten Ansatz beziehe ich die Expo-sition mit ein. Ich berücksichtige also, wie sehr jemand einer Substanz ausgesetzt ist, wie stark er „exponiert“ ist. Das ist entscheidend für das Risiko: Je größer die Exposition, umso höher ist die Dosis und damit die Giftigkeit. Jede Substanz ist hochdosiert giftig.

Ein Beispiel?Stellen Sie sich vor, ich bewerfe Sie mit einem kleinen Kieselstein. Dann werden Sie das kaum spüren. Aber je größer der Kiesel ist, umso schlimmer wird’s. Ein großer Stein bringt Sie in echte Gefahr. Es ist immer das gleiche Material, und doch ist das Risiko ganz verschieden. Bei Chemikalien ist es genauso: Entscheidend ist die Dosis.

Die gesundheitlichen Risiken im Blick: Dr. Tewes Tralau leitet am BfR die Abteilung Sicherheit von Pestiziden.

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INTERVIEW DR. TEWES TRALAU

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Zusatzstoffe stecken in zahlreichen verarbeiteten Lebensmitteln und tauchen in der Zutatenliste meist als E-Nummern auf. Wie wichtig sind

der Bevölkerung in Deutschland die Funktionen von Zusatzstoffen? Eine repräsentative Befragung des BfR liefert neue Zahlen.

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– große Skepsis?

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Zugrundeliegende Studie:Repräsentative Online-Befragung von 1.015 Personen (deutschsprachige Bevölkerung ab 16 Jahren) im Mai 2021

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RISIKOWAHRNEHMUNG

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Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > Publikationen > BfR-Verbrauchermo-nitor > BfR-Verbrauchermonitor 2021, Spezial Zusatz-stoffe in Lebensmitteln

GroßesEinen hohen Nutzen sehen 48 % in Konservie-rungsstoffen, während 44 % in ihnen auch ein hohes gesundheitliches Risiko vermuten. Letzte-res schreiben die Befragten vorrangig Süßungsmit-teln (54 %) und Geschmacksverstärkern (47 %) zu.

Zusatzstoffe in Lebensmitteln

E 951, E 621, E 160a oder E 270 … So kryptisch bezeichnet die Fachwelt Lebensmittelzusatzstoffe. Gemeint sind Süßungsmittel, Geschmacksverstärker, Farb- und Konservierungsstoffe. In der EU zugelassen tragen sie E-Nummern. Laut Bundesamt für Verbrau-cherschutz und Lebensmittelsicherheit gibt es derzeit rund 320. Ein Zusatzstoff stellt für das Lebensmittel keine Zutat dar – er wird aus technologischen Gründen zugesetzt und beeinflusst beispielsweise das Aussehen, den Geschmack, die Konsistenz oder Haltbarkeit des Produkts. Zugelassen wird ein Lebensmittelzusatzstoff in der EU nur, wenn er als gesundheitlich unbedenklich und technologisch notwendig bewertet wird. Zudem dür-fen Verbraucherinnen und Verbraucher durch dessen Verwendung nicht getäuscht werden.

legen beim Kauf von Lebensmitteln großen Wert auf natürliche Inhaltsstoffe.

81 %

Unverträglichkeiten (27 %) und mögliche Krebserkrankungen (26 %) werden am häufigsten als gesundheitliche Risiken von Lebensmittelzusatzstoffen genannt. Darauf folgt die Sorge, dass Lebensmittelzusatzstoffe Übergewicht fördern können (23 %).

23 %

der Befragten fühlen sich über die Kennzeichnung von Zusatzstoffen in Lebensmit-teln schlecht informiert.

Befragten (74 %) ist eine angenehme Konsistenz von Lebensmitteln wichtig. Ein ansprechendes Aussehen (70 %) und ein intensiver Geschmack (66 %) werden ebenfalls als wesentlich erachtet.

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Mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, beim Kauf von Lebensmitteln bestimmte Zusatzstoffe zu meiden – am häufigsten seien das Geschmacksverstärker (84 %) gefolgt von Süßungsmitteln (69 %).

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ZUSATZSTOFFE

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Jeden Tag treffen wir Entscheidungen, die unse-re Gesundheit beeinflussen können. Im Idealfall helfen uns wissenschaftliche Erkenntnisse dabei,

die Risiken unterschiedlicher Handlungsmöglichkei-ten abzuwägen – etwa den Nutzen und Schaden einer Impfung – und gute Entscheidungen zu fällen. Eine zentrale Voraussetzung hierfür ist, dass Risikoinforma- tionen in verständliche Formate verpackt werden.

Folgen einer unzureichenden Vermittlung von Risiken

Schlecht verpackte Risikoinformationen können un-ser Verständnis und unsere Wahrnehmung von Risi-ken erschweren und sich negativ auf unsere Entschei-dungsfindung auswirken. Dies kann dazu führen, dass wir Risiken unter- oder überschätzen und dadurch die Vor- und Nachteile bestimmter Handlungsmöglichkei-ten ungünstig abwägen. Bei medizinischen Maßnahmen könnten wir beispielsweise eine Entscheidung treffen, die unnötige Folgeuntersuchungen oder weitere Be-handlungen nach sich zieht, oder die wir später bereuen.

Werden Risikobotschaften nicht verständlich kom-muniziert, kann das zudem gesundheitliche Ungleich-heiten in der Gesellschaft verstärken. Denn einige Menschen haben Schwierigkeiten beim Verstehen von Texten und Zahlen. Dadurch sind sie weniger gut über Risiken informiert und schätzen diese möglicherweise falsch ein. In der Folge steigt die Wahrscheinlichkeit,

dass sie schlechtere Gesundheitsentscheidungen tref-fen, und bestehende Ungleichheiten in der Gesellschaft werden verschärft.

Wie wird die Kommunikation von Risiken besser?

Wir können Risiken besser einordnen, wenn beispiels-weise Informationen zur Wahrscheinlichkeit eines Nutzens oder Schadens in Zahlen statt wörtlich dar-gestellt werden (zum Beispiel: „Bei 5 von 100 Personen tritt eine Nebenwirkung auf“ ist konkreter erfassbar als „Das Risiko von Nebenwirkungen ist gering“). Der Grund ist, dass Menschen dazu neigen, wörtliche Wahrscheinlichkeitsaussagen unterschiedlich zu in-terpretieren. Einfache Häufigkeiten oder Prozentan-gaben (zum Beispiel 5 von 100 oder 5  Prozent) sind verständlicher als Wahrscheinlichkeitsangaben oder 1-von-X-Formate (zum Beispiel 1 von 20).

Werden sowohl Zähler als auch Nenner angegeben, lässt sich vermitteln, ob das Risiko bedeutend oder ge-ring ist. Der Nenner sollte beim Vergleich von Risiken konstant bleiben (etwa immer 100). Unklar sind rela-tive Angaben zur Risikominderung („Die Maßnahme hat die Infektionszahlen um 20  Prozent gesenkt“), stattdessen sollten absolute Angaben zur Risikominde-rung gemacht werden („Die Maßnahme hat die Zahl der Infektionen von 5 von 100 Personen ohne Behand-lung auf 4 von 100 Personen mit Behandlung gesenkt“).

Grafiken können Informationen über Risiken verständlicher machen, insbesondere für Menschen mit einem begrenzten

Zahlenverständnis und geringerer Lesekompetenz.

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Risiken auf einen Blick

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RISIKOWAHRNEHMUNG

Page 19: Früchte der Furcht

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Letztere veranschaulichen die absolute Größe eines Risikos. Existieren nicht ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse, um ein Risiko in Zahlen auszudrücken, sollten die Gründe hierfür benannt werden.

Die Vorteile visueller Formate

Visuelle Darstellungen können numerisch oder wört-lich formulierte Informationen zu Risiken sinnvoll er-gänzen oder ersetzen. Sie können die Verständlichkeit erhöhen, insbesondere bei Menschen mit begrenzter Rechen- oder Lesekompetenz. Visuelle Darstellungen zeigen Größenverhältnisse dabei als Teil-Ganzes-Gra-fiken (zum Beispiel über die proportionale Anzeige von Zähler und Nenner). So lassen sich Größenvergleiche visuell einfach erfassen, auch ohne die Notwendig-keit numerischer Berechnungen. Ein Beispiel für eine gelungene visuelle Darstellung ist die Faktenbox des Harding-Zentrums für Risikokompetenz zu den Vor- und Nachteilen der mRNA-Schutzimpfungen gegen COVID-19 (siehe Abbildung). Sie wurde gemeinsam mit dem Robert Koch-Institut entwickelt und in neun Sprachen übersetzt. Die Risikoinformationen werden als Icons in Form kleiner Kästchen angezeigt. Sie stel-len die wichtigsten Endpunkte zu Nutzen und Schaden für je 1.000 Erwachsene mit und ohne mRNA-Impfung in einem ausgewogenen Verhältnis gegenüber. Dies erleichtert es, die Größenordnung möglicher Risiken sowohl innerhalb als auch zwischen dargestellten Ent-scheidungsmöglichkeiten zu vergleichen. ◘

Gesundheitliche Risiken im Profil

Mittels des BfR-Risikoprofils visualisiert das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die Ergebnisse seiner gesundheitlichen Risikobewer-tungen. Gemeinsam mit dem Harding-Zentrum für Risikokompetenz entwickelt das BfR das Risiko-profil im Forschungsprojekt VisRisk weiter. Das Ziel ist eine tabellarische und grafische Darstellung, die die wichtigsten Fakten einer Risikobewertung zu-sammenfasst und so das Risikoverständnis und die Entscheidungskompetenz der Verbraucherinnen und Verbraucher stärkt. Handlungsmöglichkeiten zur Minimierung eines gesundheitlichen Risikos werden auf einen Blick erkennbar.

Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > A-Z Index: Risikoprofil

Mehr erfahren:www.hardingcenter.de > Transfer und Nutzen > Fakten-boxen

Auszug aus der Faktenbox zum Nutzen und Schaden der mRNA-Schutzimpfungen gegen COVID-19 für Erwachsene unter 60 Jahren des Harding-Zentrums für Risikokompetenz und des Robert Koch-Instituts.

Visualisierungsbeispiel: Coronaimpfung

Ein Gastbeitrag von Christin Ellermann, Michelle McDowell, Clara Schirren und Dr. Mirjam Jenny vom Harding-Zentrum für Risikokompetenz der Universität Potsdam und vom Robert Koch-Institut in Berlin.

Diese Faktenbox vergleicht Erwachsene unter 60 Jahren ohne Impfung gegen COVID-19 (linke Spalte) mit geimpften Erwachsenen (rechte Spalte)

Wie viele erkrankenan COVID-19?

Wie viele von ihnen müssen aufgrund eines schweren Verlaufs im

Krankenhaus behandelt werden?

Wie viele können aufgrund einer Impfdosis an ein-zelnen darauffolgenden

Tagen nicht am Alltag teil-nehmen (wegen vorüber- gehender Erschöpfung, Fieber, Schmerzen oder

Schüttelfrost)

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GASTBEITRAG

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Frau Schüller, seit mehr als anderthalb Jahren werden wir mit Hochrechnungen zu Corona re-gelrecht „bombardiert“. Gerade zu Beginn erwie-sen sich Prognosen über die Ausbreitung der Pandemie häufig als unzutreffend. Warum war das so? Die Bewertung eines Risikos als Grundlage für weitere Entscheidungen erfolgt stets auf Basis von Daten, die schon vorhanden sind. Doch genau diese Daten sind ausgerechnet zu Beginn einer Krise nicht besonders gut für eine Lagebeurteilung geeignet, da sie nicht dafür erhoben wurden und deshalb beispielsweise nicht re-präsentativ sind. Wir können aus ihnen keine präzisen Handlungsempfehlungen ableiten. Sie können allenfalls als Leitplanken unseres Handelns dienen.

War man sich zu früh zu sicher? Die Prognosen erweckten häufig den Anschein. Doch man muss zwei Quellen der Unsicherheit beachten. Die eine steckt in der Natur jeder Datenanalyse: Schätzun-gen sind stets zu einem gewissen Grad ungenau. Diese Unsicherheiten können als Schwankungsbreiten be-nannt werden, in sogenannten Konfidenzintervallen. Außerdem kann es immer Einflüsse auf das Geschehen

geben, die nicht absehbar sind wie zum Beispiel Virus-mutationen, Wetterschwankungen oder Reaktionen auf die Prognose. Dies war bei der Corona-Pandemie der Fall.

Welche Lehren ziehen Sie daraus?Corona zeigt uns, wie wichtig solide Informationen und eine robuste Daten-Infrastruktur sind. Es ist außerdem entscheidend, welche Daten vorliegen. „You can’t ma-nage what you can’t measure“, lautet ein Spruch – „Was man nicht messen kann, kann man nicht steuern.“ Das bedeutet: Wo Informationen fehlen, gibt es blinde Fle-cken beim Management einer Krise sowie Probleme, die man nicht wahrnimmt. Zudem existiert eine kognitive Verzerrung.

Was ist damit gemeint?Unvollständige Daten werden von uns überbewertet. Einfach deshalb, weil sie vorhanden sind.

Können Sie ein Beispiel nennen?Wenn jeden Tag die aktuelle Zahl gemeldeter Coro-na-Fälle in den Schlagzeilen rauf und runter wandert, dann geht es irgendwann nur noch um diese eine Größe.

Die Statistikerin Katharina Schüller gehört zum Team der populär- wissenschaftlichen Aktion „Unstatistik des Monats“, die den öffentlichen Umgang mit Zahlen kritisch hinterfragt. Im Interview erklärt sie, warum wir Daten oft unbewusst falsch einordnen.

„Corona zeigt, dass wir Daten besser verstehen müssen“

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RISIKOWAHRNEHMUNG

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Katharina Schüller regt einen bewussten Umgang mit Statistiken an. Sie ist im Vorstand der Deutschen Statistischen Gesellschaft sowie Leiterin der Münchner Beratungsfirma „Stat-up“.

Gleichzeitig ignorieren wir die Wissenslücken. Denn, was wäre, wenn in der „Tagesschau“ ebenfalls täglich be-richtet würde, wie viele Menschen wegen der Pandemie ihren Job verloren haben? Oder wie viele Schulstunden ausgefallen sind? Oder wie häufig Depressionen festge-stellt wurden? Dann hätten wir eine ganz andere Vorstel-lung von den Folgen der Pandemie.

Es ist also falsch, sich nur auf die Infektionszah-len zu konzentrieren?Ja, absolut. Nur der Zugang zu den unterschiedlichsten Datenquellen zeichnet ein ganzheitliches Bild von einer Krise. Diese müssen wir auswerten und in Relation zu-einander setzen. Von der Corona-Krise sind doch Mil-lionen Menschen mit sehr unterschiedlichen Lebens-umständen betroffen. Etwa alleinerziehende Mütter mit Schulkindern, die es häufig schwer haben. Diese Vielfalt der Perspektiven müssen wir ernst nehmen. Sonst er-kennen wir nicht, dass es Zielkonflikte geben kann und Maßnahmen unerwünschte Nebenwirkungen haben.

Wie können wir diese Vielfalt der Perspektiven besser berücksichtigen? Es geht um die Frage: Welche Aspekte der Realität will ich einbeziehen? Wir sollten eine Pandemie wie Corona als ein komplexes System begreifen: Welche Gesichts-punkte sind relevant, um dieses System zu steuern und um gut aus der Pandemie rauszukommen? Welche Ziele sind wichtig? Daten allein helfen nicht. Doch ihre kom-petente Analyse ist ein wesentlicher Faktor, um Konse-quenzen aus einer solchen Situation zu ziehen und zu steuern – und vieles von dem, was wir im vergangenen Jahr erlebt haben, besser beherrschbar zu machen.

Ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit ist „Data Literacy“ – der kompetente Umgang mit Daten. Kann sichdurch Data Literacy unsere Fähigkeit, Risiken zubeurteilen, verbessern?Für mich ist der Umgang mit Daten eine Voraussetzungfür Risikokompetenz. Wir müssen lernen, Daten undInformationen kritisch zu hinterfragen. Wir müssenverstehen, was in den Daten steckt und was erst durchunsere Interpretation hinzugefügt wird. Die Bewertungerfolgt nie nur objektiv, sondern abhängig davon, welche Ziele man verfolgt. Bei Corona etwa stellt sich die Frage: Geht es bei den Maßnahmen nur darum, eine unmit-telbare Bedrohung abzuwenden oder interessieren unsmittel- und langfristige Folgen und Fragen der Lebens-qualität? Je nachdem, welche Ziele wir verfolgen, müs-sen wir Daten nach spezifischen Kriterien einordnenund sie entsprechend bewerten.

Welche praktischen Konsequenzen sollte man daraus ziehen?Die Entscheider, zum Beispiel Politiker, brauchen ein besseres Verständnis für Daten: Was sind die Stärken von Daten, wo liegen ihre Grenzen, wo ihre Möglich-keiten? Sie sollten wissen, wie man Daten kommuniziert – einschließlich deren Unwägbarkeit, die wir immermitdenken müssen. Zudem brauchen wir hochwertigeöffentliche Daten und Statistiken, denen eine belastbareInfrastruktur zugrunde liegt. Diese wird häufig verges-sen, wenn wir über Kompetenz in der Krise sprechen.Der Aufbau einer Dateninfrastruktur klingt nicht sohip und sexy wie die Schlagworte Big Data, KünstlicheIntelligenz oder Dashboards – und doch brauchen wirein qualitätsgesichertes professionelles System für dieDatenbereitstellung und -analyse, auf das Politik undVerwaltung zuverlässig zugreifen können.

Wie moralisch ist das Sammeln von Informatio-nen? Stichwort Datenethik.Wenn es ums Sammeln und Verarbeiten von Informa-tionen geht, wird die Moral-Frage sehr oft nur dahinge-hend gestellt, was man nicht darf. Als ob es bei der Daten- ethik einzig darum geht, Daten nicht zu missbrauchen. Zur Datenethik gehört ebenso, was man soll: Daten für einen guten Zweck nutzen und zum Wohl der Gesell-schaft einsetzen. Denn genauso unethisch wie der Miss-brauch ist es, Daten nicht zu nutzen, obwohl sie helfen könnten, Probleme wie die jetzige Pandemie besser und schneller zu lösen. ◘

„Unvollständige Daten werden von uns überbewertet. Einfach, weil sie vorhanden sind.

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INTERVIEW KATHARINA SCHÜLLER

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Hanfhaltige Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel: Ein Must-have für die gesunde Küche oder mit Vorsicht zu genießen?

Hanfnudeln, Hanftee, Hanfschokolade … – Pro-dukte mit Hanf erobern die Supermarktrega-le, Drogerien und Online-Shops und sind im

wahrsten Sinne in aller Munde.

Die Hanfpflanze, auch unter dem lateinischen Namen Cannabis bekannt, wird bereits seit Jahrhunderten viel-seitig genutzt, ob zur Gewinnung von Fasern für Texti-lien oder für Heilmittel, aber auch zu Rauschzwecken. Als Nutzpflanze erlebt sie nun ein Comeback. Zahlrei-che Produkte mit Hanf haben es in den vergangenen Jahren in den Handel geschafft. Darunter sind vor al-lem Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel, aber auch Cremes, E-Zigaretten und sogar Futterzusätze für Haustiere. Als Zutat enthalten sie oft Hanfsamen bzw. daraus gewonnenes Öl oder Proteinpulver. Die Samen der Hanfpflanze sind, ähnlich wie Leinsamen, reich an wertvollen Amino- und Fettsäuren.

Was steckt hinter dem Rausch?

Im Unterschied zu den Samen und Wurzeln der Pflan-ze bilden die übrigen Pflanzenteile – wie Blätter und Blüten – sogenannte Cannabinoide. Zu den bekanntes-ten gehören Tetrahydrocannabinol (THC) und Canna-bidiol (CBD). Für Produkte, die Blätter oder Blüten von Nutzhanf oder daraus hergestellte Extrakte enthalten, ist die Rechtslage komplex. Sie können im Einzelfall von den zuständigen Behörden als Betäubungsmittel angesehen werden.

THC wird vor allem für die berauschende, psychoakti-ve Wirkung von Cannabiserzeugnissen verantwortlich gemacht. THC hat eine wahrnehmungsverändernde Wirkung und wird in Deutschland als Betäubungsmit-tel gelistet. Daher steht der Inhaltsstoff bei hanfhaltigen

Lebensmitteln auch im Fokus, wenn es um mögliche ge-sundheitliche Risiken geht.

In einer Bewertung aus dem Jahr 2015 kommt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zu dem Schluss, dass bei kleineren Aufnahmemengen an THC primär mit einer Wirkung auf das zentrale Nerven-system und das Herz-Kreislauf-System zu rechnen ist. Die Folgen können beispielsweise Stimmungsschwan-kungen und Müdigkeit sein. Als Konsequenz hat die EFSA eine sogenannte akute Referenzdosis (ARfD) von 0,001 Milligramm THC pro Kilogramm Körpergewicht abgeleitet. Dieser Wert beschreibt die geschätzte ma-ximale Aufnahmemenge an THC, die man im Verlauf eines Tages über Lebensmittel aufnehmen kann, ohne ein erkennbares Gesundheitsrisiko einzugehen.

Zu viel THC durch Hanflebensmittel

Aktuelle Modellrechnungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zur Aufnahme von THC über Lebensmittel deuten darauf hin, dass insbesondere der Verzehr von Hanftee zu einer Überschreitung der von der EFSA abgeleiteten ARfD führen könnte. Auch Hanfsamen und aus ihnen hergestellte Lebensmittel wie Hanfsamenöl können durch Verunreinigungen bei der Gewinnung und Verarbeitung teilweise hohe THC-Gehalte aufweisen. „Vor allem Kinder haben aufgrund ihres geringen Körpergewichts ein erhöhtes Risiko, zu viel des Stoffes aufzunehmen“, sagt Professor Dr. Bernd Schäfer, Leiter der Fachgruppe Lebensmit-teltoxikologie am BfR. Einheitliche Höchstgehalte für THC in Lebensmitteln existieren aktuell noch nicht. Die Einführung von Höchstgehalten für Hanfsamen und daraus hergestellte Erzeugnisse wird aber derzeit auf EU-Ebene diskutiert.

Der Hype um Hanf

HANFHALTIGE LEBENSMITTEL

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Die Hersteller von CBD-haltigen Produkten behaupten in ihren Marketing-Slogans, CBD wirke beruhigend und schmerzstillend und helfe bei Schlafstörungen. Doch was weiß die Forschung über die Wirkung von CBD auf den Menschen? Bislang gibt es in Deutschland ein zu-gelassenes (und verschreibungspflichtiges) Arzneimit-tel mit CBD als Wirkstoff zur Behandlung bestimmter Epilepsieformen – hier ist eine positive Wirkung belegt. „Die meisten als gesundheitlich positiv angepriesenen Wirkungen sind bisher hingegen nicht wissenschaftlich belegt“, betont Schäfer. Auch liegen Erkenntnisse zu po-tenziell schädlichen Wirkungen von CBD in Lebensmit-teln bislang nur in geringem Umfang vor.

Unerwünschte Effekte nicht auszuschließen

Die Sicherheit von CBD wird aktuell von der EFSA im Rahmen mehrerer Zulassungsverfahren für neuartige Lebensmittel geprüft. „Aus der arzneilichen Anwen-dung von CBD bei bestimmten Epilepsieformen ist allerdings bereits bekannt, dass CBD zumindest bei höheren Aufnahmemengen unerwünschte Effekte ver-ursachen kann. Dazu zählen beispielsweise eine sedie-rende, also schlaffördernde Wirkung, und Störungen der Leberfunktion“, sagt Schäfer. „Zudem kann es nach jetzigem Kenntnisstand durchaus zu Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln kommen. Eine berauschen-de Wirkung scheint jedoch nach jetzigem Kenntnisstand im Gegensatz zu anderen Cannabis-Inhaltsstoffen nicht zu bestehen.“

Wie werden CBD-haltige Produkte im Handel reguliert?

Aktuell finden sich immer mehr CBD-haltige Erzeug-nisse auf dem Markt, die als Nahrungsergänzungsmittel deklariert sind. Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) sind derartige Pro-dukte gegenwärtig aber nicht verkehrsfähig, da sie als neuartige Lebensmittel angesehen werden, die vor der Vermarktung einer Zulassung durch die Europäische Kommission bedürfen. Bisher wurde aber noch kein CBD-haltiges Produkt als neuartiges Lebensmittel zu-gelassen, da die hierfür erforderliche Sicherheitsprüfung durch die EFSA noch nicht abgeschlossen ist.

Gut zu wissen: Generell darf der Verzehr von Lebens-mitteln keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zur Folge haben. Zudem dürfen Inhaltsstoffe von Lebens-mitteln, also auch von Nahrungsergänzungsmitteln, keine pharmakologische Wirkung haben. Das heißt: Sie dürfen keine Eigenschaften zur Heilung oder Linderung von Krankheiten besitzen – denn sobald sie diese besit-zen, handelt es sich um Arzneimittel, nicht um Lebens-mittel. ◘

Hanfhaltige Produkte erobern die Supermarktregale: Es gibt noch viele offene Fragen zu möglichen gesund-heitlichen Folgen.

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Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > A-Z Index: Hanf

LEBENSMITTELSICHERHEIT

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Dass der Absatz von Produkten, die Cannabidiol (CBD) enthalten, in den kommenden Jahren weltweit weiter steigen wird, zeichnet sich ab. US-Marktforscher beispielsweise trauen dem Markt in ersten Analysen in den nächsten fünf Jahren ein jährliches Wachstum von circa 20 Prozent zu – ein milliardenschweres Geschäft. Dass der Konsum auch hierzulande weiter zunehmen wird, zeigen neueste Daten des Bundesinstituts für Ri-sikobewertung (BfR).

Über das Konsumverhalten in Deutschland war bislang wenig bekannt. Erstmals untersuchte ein Expertenteam des BfR nun im Jahr 2021 anhand einer Onlinebefra-gung unter 2.000 Personen, die schon von CBD gehört haben, folgende Themen: Wer konsumiert Produkte mit CBD – und warum? Wie wird das gesundheitliche Risi-ko im Vergleich zum Nutzen eingeschätzt?

Die Hälfte der Befragten (50 %), die bisher noch keine Produkte mit CBD konsumiert haben, geben an, dass sie in Zukunft Produkte kaufen oder nutzen würden. 27  Prozent der Befragten haben die Substanz bereits konsumiert oder genutzt. Unter ihnen liegt der Anteil bei den unter 30-Jährigen etwas höher als in den älte-ren Gruppen. „Die Gründe für den Konsum sind laut unserer Befragung vielfältig“, sagt Johanna Geppert, Kommunikationswissenschaftlerin am BfR. „Es wurde unter anderem eine mögliche schmerzlindernde Wir-kung genannt oder die mögliche Hilfe zur Entspannung, aber auch reine Neugier auf das Produkt.“ CBD wird zudem zumeist regelmäßig konsumiert: 42 Prozent der Personen, die CBD bereits konsumiert haben, geben an, Produkte mindestens einmal in der Woche zu nutzen. Die mit Abstand beliebtesten sind dabei Öle und Tink-turen. Gekauft werden sie größtenteils in Online-Shops – wichtige Kaufkriterien stellen der CBD-Gehalt undder Preis dar.

Dass 50 Prozent der Befragten, die noch keine CBD-Er-zeugnisse ausprobiert haben, sich vorstellen könnten, dies zu tun, passt laut Johanna Geppert auch zu dem Ergebnis, dass der gesundheitliche Nutzen der Produk-te auch von den Personen, die noch kein CBD konsu-

Beliebter StoffEine aktuelle Befragung des BfR erhebt erstmals Daten zum Konsum von Cannabidiol in Deutschland.

miert haben, wesentlich höher eingeschätzt wird als das gesundheitliche Risiko: Mehr als die Hälfte dieser Befragten (51 %) sehen einen (sehr) hohen Nutzen. Im Vergleich dazu vermutet nur gut ein Achtel (13 %) ein (sehr) hohes Risiko.

Als gesundheitliches Risiko wird am ehesten eine mögliche Gewöhnung an CBD und Abhängigkeit von CBD gesehen. 30 Prozent der Befragten glauben, dass CBD-Produkte THC enthalten können. Dass jedoch bereits der Stoff CBD berauschend wirken kann, davon gehen wiederum weniger Befragte aus (24 %). Ärztli-chen Rat vor dem Konsum der Produkte holten sich in der Gruppe der ab 60-Jährigen 29 Prozent ein, bei den unter 30-Jährigen waren es 14 Prozent. Nur 40 Prozent der Befragten glauben, dass die Wirkung von Medika-menten durch CBD-Produkte beeinflusst werden kann. Von Nebenwirkungen nach dem Konsum berichten fünf Prozent. ◘

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HANFHALTIGE LEBENSMITTEL

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GeschmacksacheDie Vielfalt bei Aromastoffen ist riesig – doch Datenlücken

behindern deren gesundheitliche Bewertung.

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LEBENSMITTELSICHERHEIT

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Aromastoffe machen aus Lebensmitteln wahre Ge-schmackserlebnisse. Die chemischen Verbindungen werden vielen Produkten wie Getränken, Süßwaren, Snacks, Milchprodukten oder Fertiggerichten zugesetzt. Ihre Aufgabe: gezielt einen bestimmten Geruch oder Ge-schmack zu verleihen oder diesen zu verstärken. Da Le-bensmittel schon bei ihrer Produktion, beim Transport und bei der Lagerung an Eigenaroma verlieren können, würden viele ohne Aromen fade schmecken. Die Stoffe können aber noch mehr: Sie sorgen auch für konstan-ten Geschmack – schließlich sollen die Lieblings-Chips nach jeder Kartoffelernte gleich gut munden.

Etwa 2.500 chemisch definierte Aromastoffe sind in der EU zugelassen und werden zur Herstellung von Aromen eingesetzt. Denn erst komplexe Gemische aus Aroma-stoffen und anderen Stoffen, wie Lebensmittelzusatz-stoffen, Trägerstoffen beziehungsweise Lösungsmitteln, bilden Aromen, die dann in fester oder flüssiger Form vorliegen und zum Aromatisieren von Lebensmitteln verwendet werden können. Ein Aroma kann aus mehr als 100 Komponenten bestehen. Geringe Mengen davon, die im Milligramm- bis Gramm-Bereich liegen, können schon ausreichen, um einem Kilogramm Lebensmittel Geschmack einzuhauchen.

Natürlich oder naturidentisch – welche Begrif-fe heute gelten

Früher wurden in der deutschen Aromenverordnung natürliche, naturidentische und künstliche Aromastof-fe unterschieden. Die Begriffe „naturidentisch“ und „künstlich“ werden in der inzwischen auch in Deutsch-land gültigen EU-Aromenverordnung jedoch nicht mehr verwendet. „Ob ein Stoff natürlichen Ursprungs ist oder nicht, ist für sein Gefährdungspotenzial und die gesundheitliche Unbedenklichkeit einer Aufnahme die-ses Stoffes unerheblich. Maßgeblich sind die chemische Struktur und die damit verbundenen chemisch-phy-sikalischen Eigenschaften“, erklärt Dr. Rainer Gürtler, Lebensmitteltoxikologe am Bundesinstitut für Risiko-bewertung (BfR). Die Aromastoffe müssen dabei nicht zwingend aus den Lebensmitteln stammen, denen sie ihr typisches Aroma verleihen. Sie können auch aus ande-ren pflanzlichen oder tierischen Materialien stammen, mit Mikroorganismen wie Bakterien und Hefen produ-ziert oder rein chemisch-synthetisch hergestellt werden.

Ihre Kennzeichnung ist in der EU-Aromenverordnung und der Lebensmittelinformationsverordnung der EU geregelt. Wird auf einer Produktverpackung etwa die Frucht Erdbeere als Aromaquelle genannt, ist die Be-zeichnung „natürlich“ nur erlaubt, wenn mindestens 95  Prozent des Aromabestandteils aus dieser Quelle stammen. Im Joghurt steckt dann nicht zwingend eine frische Beere, sein Aroma kann in dem Fall auch aus Erdbeeren stammen, die zum Beispiel gefriergetrocknet waren. Bei weniger als 95 Prozent einheitlicher natürli-cher Ursprungsquelle muss es „natürliches Erdbeeraro-ma mit anderen natürlichen Aromen“ heißen, sofern der Aromastoff nur zum Teil aus Erdbeeren stammt, deren Aroma jedoch leicht erkennbar ist.

„Mehrere Hundert Aromastoffe sind bis heute nicht abschließend bewertet.

Gut zu wissen

Oft heißt es, dass Aromen sich aufs Essverhalten auswirkten und wir ihretwegen sogar mehr vom Lebensmittel verspeisten, als nötig sei. Stimmt das? „Uns liegen keine belastbaren Daten vor, die diese Annahme stützen“, sagt Lebensmitteltoxiko-loge Dr. Rainer Gürtler. Es gibt jedoch Hinweise, dass sensorische Erfahrungen in der Säuglingszeit die Geschmacksentwicklung beeinflussen und Auswirkungen auf spätere Lebensmittelpräferen-zen haben könnten. Aromastoffe sollten deshalb laut BfR bei der Herstellung von Säuglingsanfangs-nahrung und von Lebensmitteln für besondere medizinische Zwecke für Säuglinge in den ersten 16 Wochen nicht eingesetzt werden.

Mehr erfahren:Stellungnahme Nr. 049/2020 des BfR vom 03.11.2020

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AROMASTOFFE

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Einer der beliebtesten Duft- und Aromastoffe ist Va-nillin: Der jährliche weltweite Bedarf liegt laut des Deutschen Verbands der Aromenindustrie bei 15.000 Tonnen – sei es für Schokolade, Eis, Backwaren, Ge-tränke, Kosmetik oder pharmazeutische Produkte. Die Nachfrage übersteigt die Ressourcen an echten Vanille-schoten damit deutlich, zudem sind Methoden zu deren Gewinnung vergleichsweise teuer. Deshalb wird Vanillin in großem Maße chemisch, unter anderem aus fossilen Rohstoffen, hergestellt. Dem Verband zufolge stammen heute mehr als 90 Prozent des weltweit verwendeten Va-nillins aus synthetischer Herstellung.

Viele Daten sind noch lückenhaft

Neben der Kennzeichnung ist auch die Verwendung von Aromastoffen in der EU-Aromenverordnung ge-regelt: Danach dürfen die weitaus meisten Aromastoffe ohne Einschränkungen verwendet werden, einige dürfen jedoch nur bestimmten Lebensmittelkategorien in be-stimmten Höchstmengen zugesetzt werden. Zwar liegen heute zu fast allen Aromastoffen Gutachten vor, die Da-ten sind jedoch oft lückenhaft. „Mehrere Hundert Aro-mastoffe sind von der Europäischen Behörde für Lebens-mittelsicherheit (EFSA) bis heute nicht abschließend bewertet – und trotzdem ohne Einschränkung in ihrer Verwendung zugelassen“, sagt Gürtler. Zu diesen Stoffen fordert die EFSA verlässlichere Informationen zu Ver-wendungsmengen und dann, abhängig von diesen Da-ten, gegebenenfalls zusätzliche toxikologische Studien, bevor die Bewertungen abgeschlossen werden können.

Die Anzahl von insgesamt rund 2.500  Aromastof-fen, die alle seit Jahrzehnten im Verkehr sind und seit dem Jahr 2000 auf EU-Ebene zu bewerten waren, ist schlichtweg enorm: „Es wurden deshalb Gruppen chemisch ähnlicher Stoffe gebildet und bewertet, und vorrangig die Möglichkeit einer erbgutschädigenden Wirkung berücksichtigt“, erklärt Gürtler. Allein diese Bewertungen von Gruppen chemisch ähnlicher Aro-mastoffe hat schon gut 20 Jahre gedauert. Hätten die Aromastoffe alle einzeln toxikologisch geprüft und be-wertet werden sollen, wäre der Aufwand noch weitaus größer gewesen.

Bislang wurden 45  Aromastoffe aus der sogenannten Unionsliste der EU-Verordnung gestrichen, davon ei-nige Aromastoffe wegen gesundheitlicher Bedenken und einige andere, weil Bedenken nicht ausgeräumt werden konnten und die Aromenindustrie dann keine zusätzlichen toxikologischen Daten vorgelegt, sondern auf die weitere Verwendung der betreffenden Stoffe verzichtet hat.

Die für Aufnahmeschätzungen benötigten Daten wer-den bislang ausschließlich von der Aromenindustrie zur Verfügung gestellt. Während Produktions- und Importmengen in der Regel vorliegen, fehlen für zahl-reiche Aromastoffe verlässliche Angaben zu deren Verwendungsmengen in Lebensmitteln. „So können die Aufnahmemengen von circa 1.300 Aromastoffen bisher nur grob geschätzt werden“, erläutert Gürtler. „Auf EU-Ebene wird nun diskutiert, wie die Schätzun-gen der Aufnahmemengen verbessert werden können“, sagt der Experte. Oft sind beispielsweise auch noch keine geeigneten Analysenverfahren verfügbar, die den oftmals sehr geringen Gehalt der einzelnen Stoffe im Lebensmittel erfassen könnten. Hierfür Methoden zu entwickeln und zu standardisieren, gehört zu den Auf-gaben des neu am BfR eingerichteten Nationalen Re-ferenzlabors für Lebensmittelzusatzstoffe und Aromen (siehe Kasten). ◘

Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > A-Z Index: Aromastoffe

Neues Referenzlabor

Ist wirklich nur drin, was auf der Verpackung steht?Als erster EU-Mitgliedstaat hat Deutschland einReferenzlabor für Lebensmittelzusatzstoffe undAromen eingerichtet. Am BfR werden künftig neue Analysenverfahren entwickelt, um unter anderem den Einsatz und die Aufnahme von Zusatzstoffen und Aromen zu überwachen. Zudem wird geprüft, ob Aromen natürlichen oder synthetischen Ursprungs sind. Auch die Verwendung von nicht zugelassenen Zusatz- und Aromastoffen soll mit analytischen Methoden nachgewiesen werden.

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LEBENSMITTELSICHERHEIT

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Seit 15 Jahren schützen Impfstoffe vor einer Infektion mit dem Rotavirus. Auch auf dem afrikanischen Kon-tinent konnte die Zahl der schlimmen Verläufe gesenkt werden. Doch Fachleuten fiel etwas auf: „Die Impfstof-fe wirken in Afrika insgesamt schlechter als in Europa oder Nordamerika“, sagt Professor Dr. Reimar Johne vom BfR. Er leitet das Forschungsprojekt „AfRota“ (Antigens and Reassortant Strains for Rotaviruses Circulating in Africa), das im Jahr 2018 startete. Ge-meinsam mit drei Partnern aus Mosambik und Südaf-rika ging das BfR-Team den Gründen für die geringere Wirksamkeit nach. Die Erkenntnis: „Die zugelassenen Impfstoffe werden auf Basis von Virusstämmen aus Europa und Nordamerika hergestellt. In Afrika kom-men andere Virusstämme vor, deshalb könnten die Impfstoffe dort an Wirkung verlieren“, erläutert Johne.

Um das Rotavirus, seine Stämme und die Möglich-keiten angepasster Impfstoffe für diese Region zu ver-stehen, wurden in Maputo (Mosambik) am Instituto Nacional de Saúde Proben von Menschen und Tieren charakterisiert und dabei eine Vielfalt an Stämmen nachgewiesen. Man fand heraus, dass sich ausgerech-net die Virus-Typen, die nicht in den Impfstoffen vor-handen waren, ausbreiten. Ein Team an der University of the Free State in Bloemfontein (Südafrika) nahm ausgewählte Stämme unter die Lupe: Sogenannte Ge-samtgenom-Analysen zeigen, dass sie sich ständig wei-terentwickeln und genetisches Material austauschen. Auf diese Weise bilden sich völlig neue Typen, soge-nannte Reassortanten.

Johne: „Wir benötigen zukünftig neue Impfstoffe, die auf die veränderten Viren zugeschnitten sind.“ Das BfR entwickelt bereits Systeme, mit denen gezielt Reassortan- ten mit Anteilen der in Afrika identifizierten Rotavi-rus-Typen hergestellt werden können und die in spe-

Mehr erfahren:Falkenhagen, A. et al. 2020. Generation of Simian Rotavi-rus Reassortants with VP4- and VP7-Encoding Genome Segments from Human Strains Circulating in Africa Using Reverse Genetics. Viruses. 12, 201. DOI: 10.3390/v12020201

Eine Rotavirus-Infektion kann besonders für Kleinkinder lebensbedrohlich sein. Impfstoffe schützen, doch in Entwicklungsländern sind sie weniger wirksam als in Industrieländern. Warum ist das so? Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und seine Partner gingen der Frage speziell für Subsahara-Afrika nach.

Virus-Typen auf der Spur

POST AUS …

Mosambik & Südafrika

Rotaviren

Rotaviren sind weltweit verbreitet und können vor allem bei Kleinkindern schweren Durchfall auslösen. Die Erreger sind hochansteckend und werden durch Schmierinfektion übertragen – vom Stuhl über Hände, Gegenstände, über verunreinig-te Lebensmittel und Trinkwasser und sogar über infizierte Tiere. In Deutschland gibt es dank guter ärztlicher Versorgung und hoher Hygienestan-dards kaum Todesfälle. In Entwicklungsländern ist die Kombination aus mangelnder Hygiene und un-zureichender klinischer Behandlung fatal. Im Jahr 2016 starben laut einer Studie allein in Subsaha-ra-Afrika rund 105.000 Kinder unter fünf Jahren an Rotaviren, bei weltweit 128.500 Todesfällen.

zifischen Impfstoffen für die Region verwendet werden könnten. Parallel arbeitet die North-West University in Potchefstroom (Südafrika) daran, Rotavirus-Partikel herzustellen, die sich nicht vermehren können. Diese wären als Impfstoffe eventuell noch sicherer einsetzbar.

Viele Fragen sind noch offen: Eignen sich die herge-stellten Viren und Partikel tatsächlich als Impfstoffe? Wie kann man diese hochwirksam und gleichzeitig si-cher machen? Eine weitere Projektphase soll die benö-tigten Impfstämme genauer identifizieren. ◘

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Vitamin D brauchen wir vor allem für starke Knochen. Angeblich schützt es aber auch vor zahlreichen Krankheiten.

Was sagt die Wissenschaft? Und worauf ist zu achten?

Multitalent mit

Mythos

Schützt Vitamin D vor Corona?

Es gibt Hinweise darauf, dass ein unzureichender Vitamin-D-Serumspiegel mit einem erhöhten Risiko für akute Atemwegsinfekte einhergeht. Für die COVID-19-Erkrankung, auch ein Infekt der Atemwege, ist die Datenlage derzeit aber noch unklar. Bislang konnte nicht gezeigt werden, dass gut mit Vitamin D versorgte Personen durch eine zusätzliche Gabe besser vor einer Infektion mit dem Corona-Virus geschützt sind. Eine generelle Empfehlung zur Einnahme von Vitamin-D-Präparaten mit dem Ziel der Vorbeugung einer SARS-CoV-2-In-fektion oder eines schweren Verlaufs einer COVID-19-Erkrankung ist daher aus Sicht des BfR derzeit nicht begründbar. Wer trotzdem vorsorglich Vita-min D ergänzen möchte, kann pro Tag 20 Mikrogramm einnehmen.

Mehr erfahren:Mitteilung Nr. 015/2021 des BfR vom 14. Mai 2021©

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LEBENSMITTELSICHERHEIT

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Wenn die Tage kürzer werden und der Winter naht, rückt ein ganz bestimmter Mikronährstoff in den Fokus: Vitamin D. Das sogenannte „Sonnenvitamin“ nimmt eine Sonderstellung unter den Vitaminen ein, da es un-ter dem Einfluss von Sonnenlicht in der Haut vom Kör-per selbst gebildet werden kann. Über die Nahrung ist die Aufnahme in der Regel gering, da Vitamin D nur in wenigen Lebensmitteln enthalten ist. In nennenswer-ten Mengen kommt es zum Beispiel in fettem Seefisch, Eiern oder Pilzen vor. Wie alle Vitamine ist Vitamin D an vielen zentralen Prozessen des Stoffwechsels betei-ligt und somit ein für den Menschen lebenswichtiges Multitalent. Es regelt unter anderem den Calcium- und Phosphatstoffwechsel und macht Zähne und Knochen härter. Außerdem stärkt es die Muskelkraft und trägt zu einem gut funktionierenden Immunsystem bei.

In aller Munde

Vitaminhaltige Nahrungsergänzungsmittel gehören zu den am häufigsten verwendeten Nahrungsergänzungs-mitteln in Deutschland. Während der COVID-19-Pan-demie ist der Hype um Nahrungsergänzungsmittel, darunter auch Vitamin-D-Präparate, mit der Angst vor Ansteckungen weiter gestiegen. Im Internet gibt es Meldungen, dass Vitamin D vor einer Infektion mit dem Corona-Virus schütze oder den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung abschwäche (siehe Kasten). Zudem wird auch ein Zusammenhang zwischen einer unzureichenden Vitamin-D-Versorgung und chroni-schen Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislauf-Erkran-kungen und Diabetes diskutiert. Wissenschaftlich be-legt ist das bislang aber nicht.

Körpereigene Produktion ankurbeln

Wie viel Vitamin D der Körper bildet, ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich und hängt von zahlrei-chen Faktoren wie Hauttyp, Alter und Jahreszeit ab. Bei genügend Sonnenlicht trägt die körpereigene Bildung mit 80 bis 90 Prozent zur Versorgung bei. Das Bundes- amt für Strahlenschutz empfiehlt deshalb, Gesicht, Hände und Arme zwei- bis dreimal pro Woche unbe-deckt und ohne Sonnenschutz der Sonne auszusetzen. Ein Sonnenbrand sollte aber grundsätzlich vermieden werden. Am besten versorgt ist, wer sich regelmäßig an der frischen Luft bewegt. Während der helleren Mona-te kann der Körper im Fett- und Muskelgewebe Reser-ven für den Winter anlegen.

Für wen sind Vitamin-D-Präparate sinnvoll?

Vitamin-D-Präparate können für Menschen sinnvoll sein, die sich selten im Freien aufhalten oder die aus kulturellen Gründen nur mit komplett bedecktem Kör-per nach draußen gehen. Auch dunkelhäutige Men-schen gehören dazu, da der hohe Gehalt des Hautpig-ments Melanin nur wenig UVB-Strahlung durchlässt. Eine weitere Risikogruppe sind Seniorinnen und Se-nioren, weil die Vitamin-D-Bildung im Alter deutlich abnimmt. Zudem haben Ältere oft chronische Erkran-kungen und sind weniger beweglich, weshalb sie sich

Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > A-Z Index: Vitamin D

Wieso 20 Mikrogramm Vitamin D?

Gesetzlich verbindliche Höchstmengen für Vita-mine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungs-mitteln (NEM) und angereicherten Lebensmitteln existieren derzeit weder auf nationaler noch auf europäischer Ebene. Das BfR befasst sich seit etwa zwei Jahrzehnten mit der Bewertung der gesundheitlichen Risiken von Vitaminen und Mineralstoffen und hat entsprechende Vorschläge für Höchstmengen erarbeitet. Diese sind so be-rechnet, dass bei der zusätzlich aufgenommenen Nährstoffmenge auch dann keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten sind, wenn neben NEM auch angereicherte Lebensmittel konsumiert werden. Die Höchstmengenvorschläge sollen dem Risikomanagement als Diskussionsgrundlage dienen und die Basis für gesetzliche Regelungen auf EU-Ebene schaffen. Für Vitamin D in NEM lautet die Empfehlung des BfR für Jugendliche und Erwachsene: maximal 20 Mikrogramm pro Tag.

Mehr erfahren: Stellungnahme Nr. 009/2021 des BfR vom 15. März 2021

womöglich seltener oder gar nicht im Freien aufhalten. Insbesondere bei älteren Menschen, die in Pflegewohn-heimen leben, kann daher ein Vitamin-D-Mangel auf-treten. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt für diese Gruppe deshalb, eine generelle Gabe von bis zu 20 Mikrogramm Vitamin D (800 In-ternationale Einheiten) pro Tag zu erwägen.

Was man bedenken sollte

Wer Vitamin D ergänzen möchte, kann auf Nahrungs-ergänzungsmittel mit bis zu 20 Mikrogramm Vitamin D pro Tag zurückgreifen. Dies gilt für Jugendliche und Erwachsene. Bei dieser Menge wird der Tagesbedarf gedeckt, während gesundheitliche Beeinträchtigungen nicht zu erwarten sind. Die Einnahme höherer Dosie-rungen, insbesondere sehr hoher Mengen, sollte nur un-ter ärztlicher Kontrolle und unter Berücksichtigung des individuellen Vitamin-D-Status erfolgen. Die unkont-rollierte Einnahme von hochdosierten Vitamin-D-Prä-paraten in Eigenregie kann der Gesundheit schaden. ◘

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Ist Kindermilch ein Muss? Und wie viele Kinder trinken sie? Die Antwort darauf und weitere Fakten zur Ernährung von Kleinkindern liefert die KiESEL-Studie des BfR.

„Auf die Ernährungsbedürfnisse von Kindern abge-stimmt“ – solcherlei Aussagen finden sich häufig auf Verpackungen von Milchgetränken für Kleinkinder. Diese oft auch als „Kindermilch“ bezeichneten Geträn-ke enthalten im Vergleich zu Kuhmilch meist weniger Eiweiß und sind mit Vitaminen und Nährstoffen an-gereichert. Deshalb werden sie als besonders geeignet für die Ernährung von Kleinkindern ab zwölf oder 24 Monaten beworben.

Genutzt für Ein- und Zweijährige

Aktuelle Untersuchungen des Bundesinstituts für Risi-kobewertung (BfR) zeigen, dass knapp zehn Prozent der Kinder zwischen einem halben und fünf Jahren schon einmal Kindermilch erhalten haben. BfR-Studien- leiterin Nicole Nowak erklärt: „Das erste Mal wird mit Kindermilch hauptsächlich in den Lebensmonaten zwölf bis 13 sowie 18 und 24 begonnen. Die Mehrheit der Kinder, 83  Prozent, erhalten die Kindermilch in einer Säuglingsflasche. Die Produkte werden also wie Säuglingsmilch genutzt.“

Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > A-Z Index: KiESEL-Studie

Ernährungs-Clou oder Schmu?

Was essen Kinder heutzutage und wie viel?

Diese Ergebnisse zum Verzehr von Kindermilch stam-men aus der KiESEL-Studie des BfR. KiESEL ist die Kurz-form für „Kinderernährungsstudie zur Erfassung des Lebensmittelverzehrs“. In der Studie wird die Ernährung von Kindern im Alter von sechs Monaten bis einschließ-lich fünf Jahren deutschlandweit untersucht. Das Ziel des KiESEL-Forschungsteams: Aktuelle Informationen zum Lebensmittelverzehr von Kindern erhalten, um gesund-heitliche Risiken durch Ernährungsgewohnheiten so ge-nau wie möglich bewerten zu können. Aber warum der Fokus auf Kinder in dieser Altersspanne? „Jüngere Kin-der verzehren bezogen auf ihr Körpergewicht größere Mengen an Lebensmitteln als Erwachsene“, so Diplom- Oecotrophologin Nowak. „Daher ist es für uns beson-ders wichtig, genaue Expositionsdaten von Kindern in dieser frühen Lebensphase zu ermitteln – also welche Lebensmittel und wie viel sie davon zu sich nehmen.“

Zu Tisch mit dem BfR

Das Studienteam besuchte zwischen den Jahren 2014 und 2017 insgesamt 1.104 Familien in ganz Deutschland und befragte sie zum Ernährungsverhalten ihrer Spröss-linge. Zusätzliche Ergebnisse lieferten Ernährungsta-gebücher, in denen Eltern und Betreuungseinrichtun-gen der Kinder vier Tage lang genau dokumentierten, was diese essen und trinken. Mit den gewonnenen Daten lässt sich realistisch schätzen, welche Menge an Nährstoffen und – für das BfR besonders interessant – Zusatzstoffen, Pflanzenschutzmittelrückständen oder unerwünschten Stoffen Kinder über Lebensmittel auf-nehmen. So wird geprüft, ob die zugelassenen Mengen unbedenklich sind oder weiter begrenzt werden sollten. Die KiESEL-Studie trägt dazu bei, die Lebensmittel- sicherheit für Kinder weiter zu verbessern.

Übrigens: Nach Einschätzung des BfR ist Kindermilch in einer ausgewogenen Kleinkindernährung überflüs-sig. In Deutschland sind Kleinkinder bis auf wenige Ausnahmen (Vitamin D, Jod und zum Teil Eisen) über die herkömmliche Ernährung, einschließlich Kuhmilch, ausreichend mit Mikronährstoffen versorgt. Daher kann der Verzehr von Kindermilch zu unnötigen oder sogar unerwünscht hohen Nährstoffaufnahmen führen. ◘

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Grad Celsius ist die Durchschnittstemperatur in privaten Kühlschränken in Deutschland.

Das geht aus einer Online-Umfrage des Bundesinstituts für Risi-kobewertung (BfR) mit 1.000 Personen ab 16 Jahren hervor. Da-bei wurde deutlich: Nur jeder zweite Befragte verfügt über eine eingebaute Anzeige oder ein separates Thermometer in seinem Kühlgerät – und kennt somit die genaue Temperatur zum Kühlen von Lebensmitteln zu Hause. Die Studie des BfR liefert erstmals Anhaltspunkte zu realen Temperatureinstellungen in Haushalts-kühlschränken in Deutschland. Aussagekräftige Daten werden voraussichtlich ab dem Jahr 2022 durch Aufzeichnung der Kühl-schranktemperaturen über zwölf Monate in ausgewählten Haus-halten erhoben. Übrigens: Um Lebensmittelverderb zu vermeiden, sollten Kühlschränke bestenfalls auf unter 5 °C und maximal auf 7 °C eingestellt sein. ◘

Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > Publikationen > Merkblätter für Verbraucher/innen > Schutz vor Lebensmittelinfektionen im Privathaushalt

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Beim Wort „Gefahrgut“ denken die meisten an Schwerlastwagen oder Tanklaster mit Warnschildern. Doch auch von alltäglichen Produkten kann auf dem Transportweg eine Gefährdung ausgehen.

Gefahr an Bord?

Ägypten, 23. März 2021, 07:40 Uhr Ortszeit: Im Suez-kanal stellt sich das 400 Meter lange Containerschiff Ever Given quer und blockiert den Seeweg. Zwölf Pro-

zent des weltweiten Seehandels sind lahmgelegt. Der Vorfall findet seinen Stammplatz in den Medien rund um den Glo-bus, und bald zeigt sich: Es hätte noch schlimmer kommen können. Denn glücklicherweise war die Sicherung und Stau-ung der Ware auf dem fast eine Woche lang festgefahrenen Schiff fachgerecht.

Auf Meereskolossen wie der Ever Given, aber auch auf Gü-terzügen oder Lastwagen werden jeden Tag Abermillionen von Transportcontainern mit unterschiedlichster Fracht rund um die Welt bewegt. Die Bandbreite der Produkte ist so abwechslungsreich wie die Angebotspalette im Welthandel – vom Plastik-Badetierchen bis zum Rasendüngergranulat ist alles Erdenkliche dabei. Das Herausfordernde daran: Viele Waren bergen ungeahntes Gefahrenpotenzial, wenn sie auf dem oft langen Weg in die internationalen Handelsregale nicht in der richtigen Art und Weise transportiert werden. Hier ist die Wissenschaft mit an Bord, denn die möglichen Gefährdungen sind chemischer, biologischer und physikali-scher Natur.

GEFAHRGUT

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Löcher fressender Fruchtsaft

Auf ihrem Weg, den Waren bis zum Endkunden zu-rücklegen, ist neben dem Bereich der Produkt- und Lebensmittelsicherheit auch die Transportsicherheit gefragt und damit die Expertise des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR). Dr. Renate Krätke küm-mert sich am BfR mit ihrem Team um Fragen rund um den Transport gefährlicher Güter. Auf diesem von vie-len nationalen wie internationalen Behörden betreuten Gebiet regeln umfassende Vorschriften verschiedenste Sicherheitsaspekte beim Transport auf Straße, Schiene, Wasserstraßen und auf See, unter anderem auch, wie etwa die Ladung auf einem Schiff zu verpacken und zu platzieren ist. Besonders wichtig ist das für flüssige oder feste Massengüter, die unverpackt als lose „Schüttgü-ter“ in Tankschiffen oder Massengutfrachtern (soge-nannten Bulkern) unterwegs sind.

„Zum Beispiel kann die Zitronensäure im Fruchtsaft zur Korrosion von Metallbehältern führen“, erklärt Biologin und Toxikologin Krätke. Dasselbe gelte auch für Essig mit einem Säuregehalt von mehr als zehn Pro-zent oder unverdünnten Colasirup mit Phosphorsäure. „Sind solche Güter teils wochenlang auf Schiffen unter-wegs und nicht ordnungsgemäß verpackt und gestaut, hat dies Folgen für Ware und Behälter“, sagt Krätke. „Wir arbeiten beispielsweise an der Festschreibung von Beförderungsbedingungen mit, die garantieren, dass säurehaltige Flüssigkeiten in nicht korrodierenden Transporttanks befördert werden.“

Riskante Schnäpse

Bei alkoholischen Getränken sind die Transportrisi-ken auf den ersten Blick recht klar: Je hochprozentiger das Getränk bzw. je mehr Ethanol enthalten ist, desto riskanter ist die Beförderung. Maßgeblich dafür sind die Temperaturen für den Flammpunkt (das heißt, die Flammenbildung bei Kontakt mit einer Zündquelle) und für den Siedebereich (das heißt, den Wechsel vom flüssigen in den gasförmigen Zustand). Daraus ergeben sich strikte Vorgaben für die Gefahrgut-Einstufung. Das bedeutet in der Praxis, dass Schnäpse anders ver-staut werden müssen als etwa Bier das weniger Alkohol enthält, und bei dem es erst bei deutlich höheren Tem-peraturen zu einem Transportproblem kommen kann.

Regeln gegen Rutschpartien

Manche Materialien könnten bei Transportbewe-gungen leicht ins Rutschen geraten, ihren Behälter verschieben und so die Stabilität im Laderaum beein-flussen. Für diese losen Güter gibt es sogenannte „Ru-hewinkel“, welche bestimmen, wie steil und hoch sie aufgeschüttet werden dürfen. Dies kann auch Lebens- oder Futtermittel betreffen, etwa Tapiokastärke in Form von Pulver oder Kügelchen (Tapiokaperlen). Die Regelungen tragen dazu bei, dass sich eine Ladung auf dem Verkehrsträger nicht verschiebt und Schiffe, Züge oder Lkw keine bedrohliche Schieflage bekommen.

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

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Schleichende Selbsterhitzung

Weitere Vorschriften bestimmen, dass Lebens- und Futtermittel nicht neben Gütern wie Rohöl oder Che-mikalien gestaut werden dürfen. Das schützt nicht nur die Nahrungsmittel, sondern auch das gesamte Trans-portfahrzeug und die Besatzung, so Dr. Enikő Kámory. „Auch vermeintlich harmlose Lebensmittel können bei falschen Transportbedingungen Risiken bergen“, er-klärt die BfR-Wissenschaftlerin. Bei falscher Lagerung führen beispielsweise bei festen Nahrungsmitteln, die fett- und ölhaltig sind und Feuchtigkeit aus der Um-gebung aufnehmen, natürliche Abbauprozesse dazu, dass sich das Material selbst erwärmt. Das geschieht zunächst langsam, kann sich aber mit der Zeit verstär-ken und zu einer spontanen Selbstentzündung führen. Greift ein entstandenes Feuer im Container um sich, sind auch benachbarte Ladungen, beispielweise Che-mikalien, dann nicht mehr sicher.

Explodierendes Mehl

Ein anderes Beispiel dafür, welche Konsequenzen in diesem Fall falsches Lagern, grundsätzlich aber auch falsches Transportieren im Extremfall haben können, ist die Zerstörung einer Getreidemühle in Bremen, die zu den folgenschwersten Explosionen in Deutschland seit dem Ende des zweiten Weltkriegs zählt. Im Jahr 1979 verloren bei dem Unfall 14 Menschen ihr Leben, der Sachschaden belief sich auf 100 Millionen D-Mark. Der Auslöser war Mehl – genauer gesagt, eine durch Mehl verursachte Staubexplosion. Je kleiner die Staubpartikel sind, desto empfänglicher sind sie für eine Explosion beim Kontakt mit einer Zündquelle. Ein ähnliches Sze-nario könnte sich beim Transport alltäglicher Genuss-mittel wie Zucker, Gewürzen, Kaffee oder Kakao jeder-zeit ereignen, wenn die für den Transport dieser Güter vorgeschriebenen Regeln nicht befolgt werden, denn auch diese legen in Containern oft lange Reisen zurück.

Auf der Ever Given im Suezkanal wurden die wissen-schaftlich fundierten Transportvorschriften offenbar eingehalten. So konnten die Waren trotz der längeren Verweildauer vier Monate nach der Freilegung des Frachters im Zielhafen unfallfrei entladen werden. Es zeigt sich, dass die wissenschaftlich und empirisch be-legten Transportvorschriften in der Realität wirksam sind. ◘

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Neuartige Nikotinprodukte drängen auf den Markt. Neben der E-Zigarette setzen Hersteller jetzt verstärkt auf „weiße“ Fabrikate.

Diese enthalten nur Nikotin, keinen Tabak. Eine BfR-Studie untersucht das Gesundheitsrisiko des neuen Trends.

Nikotin aus dem Beutel

Nikotinbeutel, -pouches oder Nikopods: Anbieter spre-chen auch von „All White“-Produkten. Kleine Beutel, ähnlich Kissen, mit einem weißen Pulver gefüllt, das aus Nikotinsalzen, Trägerstoffen, Aromen und Sü-ßungsmitteln zusammengesetzt ist. Ob Minze, Orange oder Hanf – die Geschmacksauswahl ist vielfältig. Die weißen Beutel werden, ähnlich Bonbons, in Dosen an-geboten. Zwischen Zahnfleisch und Lippe geklemmt, bleiben sie dort etwa 20 bis 60 Minuten, um Nikotin abzugeben, das über die Mundschleimhaut direkt in die Blutbahn eintritt.

Die „All White“-Produkte erinnern an Kau- oder Oral-tabak, wie traditioneller Priem oder skandinavischer Snus. Allerdings sind sie damit nicht zu verwechseln, da sie ausdrücklich keinen Tabak enthalten, sondern Nikotinsalze.

Gesundheitliche Auswirkungen

Seit dem Jahr 2019 werden die neuartigen Produkte auch bei uns gesichtet – ihr Vertrieb ist auf dem deutschen Markt jedoch bislang verboten. In einer Studie unter-sucht das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die gesundheitlichen Auswirkungen durch den Kon-sum der Beutel. Dem Forschungsteam ist es zunächst wichtig zu wissen, wie viel Nikotin über die Produkte aufgenommen wird. „Dazu haben wir stichprobenartig verschiedene ‚All White‘-Produkte mit unterschied-lichen Geschmacksrichtungen und Nikotinstärken analysiert“, sagt Wissenschaftlerin Nadine Dreiack. Im Labor wurden Gewicht sowie die Nikotingehalte und pH-Werte der Beutel bestimmt. „Letztere sind wich-tig, da Nikotin ein basisches Alkaloid ist und bei ho-hen pH-Werten schneller über die Mundschleimhaut aufgenommen wird“, erklärt Kollege Sebastian Malke. Und Wissenschaftlerin Nadja Mallock fügt hinzu: „Die Studienergebnisse zeigen, dass Gewicht und Nikotin-gehalte der Produkte stark schwanken. Die gewichtsbe-zogenen Nikotingehalte weisen eine große Spannbreite zwischen 4,48 und 75,5 Milligramm pro Gramm Beutel auf.“ Privatdozent Dr. Thomas Schulz, der am BfR die gesundheitlichen Auswirkungen von Nikotinproduk-ten bewertet, erläutert: „Dies kann ein Gesundheitsri-siko darstellen. Denn bereits 16,7 Milligramm Nikotin wirken bei oraler Aufnahme akut giftig.“

• Oral aufgenommenes Nikotin gelangt über die Mundschleimhaut schnell ins Blut.

• Auch in dieser Abgabeform kann Nikotin süch-tig machen.

• Kindern, Jugendlichen, Schwangeren, Stillenden, Menschen mit Herz-Kreislauf-Er-krankungen wie Bluthochdruck oder koronarer Herzkrankheit sowie Nichtraucherinnen und Nichtrauchern wird generell vom Nikotinkonsum abgeraten. Sie sollten daher auch auf „All White“-Produkte verzichten.

Geht nicht nur ans Herz

Untersuchungen haben gezeigt, dass sich der Herz-schlag bereits beim Konsum eines Beutels mit 6  Mil-ligramm Nikotin um zehn Schläge pro Minute erhöht. Als pharmakologische Wirkung von Nikotin auf den Körper sind neben der gesteigerten Herzfrequenz auch eine Erhöhung des Blutdrucks sowie negative Aus-wirkungen auf die Spermienqualität bekannt. Schulz schätzt, dass auch über oral aufgenommenes Nikotin aus „All White“-Produkten ähnliche Nikotinspiegel im Blut erreicht werden wie beim Rauchen von Zigaretten oder Dampfen von E-Zigaretten. Nikotin reichert sich in Speichel, Magensaft und Muttermilch an und pas-siert problemlos die Plazentaschranke. ◘

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Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > A-Z-Index: Nikotin Stellungnahme Nr. 027/2021 des BfR vom 20. September 2021

PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

Page 39: Früchte der Furcht

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Gesundheitsrisiko durch Zusatzstoffe in Tabak und Liquids

Wissenschaftliche Studien weisen auf die Möglichkeit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung bei Inhala-tion bestimmter Inhaltsstoffe in Rauchtabak hin. Das ergab die gesundheitliche Bewertung des Bundesinsti-tuts für Risikobewertung (BfR) für die Stoffe Diacetyl (2,3-Butandion), 2,3-Pentandion, 2,3-Hexandion und 2,3-Heptandion sowie für Guarkernmehl und Sorbitol. Demnach kann außerdem die Verwendung von Cannabidiol in Zigarettentabak und in Liquids für E-Zigaretten den Eindruck eines vermeintlichen gesundheitlichen Nutzens erwecken. Die europäische Tabakproduktrichtlinie sieht in solchen Fällen ein Verbot vor. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hatte das BfR beauftragt, zu prü-fen, ob es weitere wissenschaftliche Hinweise auf Stoffe mit einem Gesundheitsrisiko bei Inhalation gibt. Ge-mäß der deutschen Tabakerzeugnisverordnung sind bereits einige Substanzen mit einschlägig ausgelobten Eigenschaften verboten.

Mehr erfahren: Stellungnahme Nr. 021/2021 des BfR vom 2. Juli 2021

„UFI“ kann im Notfall Leben retten

Chemische Produkte wie zum Beispiel Reiniger ent-halten oft gesundheitsgefährdende Bestandteile. Erster Kontakt bei einem Unfall ist der Rettungsdienst oder der Giftnotruf. Oftmals kann das beteiligte Produkt dort jedoch nicht sicher identifiziert werden. Der neue „UFI“ soll das ändern: UFI steht für „Unique Formula Identifier“ (eindeutiger Rezepturidentifikator). Der 16-stellige Code aus Ziffern und Buchstaben verknüpft das gefährliche Produkt mit allen Informationen über Inhaltsstoffe und Eigenschaften, die den Giftnotrufzen-tren dazu übermittelt wurden. Bei einem Notfall erhal-ten Betroffene und medizinische Dienste mit Hilfe des UFI schnell Auskunft über das Vergiftungsrisiko und die beste medizinische Versorgung. Viele Produkte, die als gesundheitsschädlich eingestuft sind, tragen in der EU den UFI bereits heute auf dem Etikett. Ab dem Jahr 2025 ist er auf fast allen als gefährlich eingestuften Produkten vorgeschrieben. Das BfR hatte im Jahr 2011 den UFI mit angeregt und ist seitdem an der Entwick-lung beteiligt.

Mehr erfahren: https://poisoncentres.echa.europa.eu > Jede Sekunde zähltwww.youtube.de > Accidental poisoning - how the UFI code helps

Forschung für sichere Tattoos

Bei der 2. Internationalen Konferenz zur Sicherheit von Tätowiermitteln kamen im November 2021 in Berlin Fachleute aus den Bereichen Toxikologie, Analytik, Gesetzgebung und Herstellung zusammen. Die BfR-Ver-anstaltung bot eine Plattform, um Kriterien für die toxikologische Bewertung von Tätowiermitteln und ihre Herstellungsqualität zu diskutieren. Zwar gelten Tattoos für viele Menschen als gesundheitlich unbedenklich, doch Tätowiermittel und die Langzeitwirkung von Farbpigmenten im Körper sind noch wenig erforscht. Die Fachleute bewerteten beispielsweise aktuelle Forschungsergebnisse und identifizierten Datenlücken. Auch die neue Regulierung durch die Europäische Chemikalienverordnung wurde diskutiert. Ab Januar 2022 werden schrittweise bestimmte Stoffe, die in Tätowiermitteln und Permanent Make-up verwendet werden, in der EU beschränkt, unter anderem die Pigmente Blau 15:3 und Grün 7. Das BfR hat Mindestanforderungen an Tätowiermittel und Prüfmethoden für Hersteller und Inverkehrbringer formuliert. Die Stellungnahme soll unter anderem dazu beitragen, Tätowierpigmente zu identifizieren, die für Tattoos nicht geeignet sind. Das BfR spricht wegen fehlender Daten noch keine Verwendungsempfehlungen aus.

Mehr erfahren:Stellungnahme Nr. 031/2021 des BfR vom 14. Oktober 2021

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Sie sind äußerst stabil und finden weitreichenden Einsatz in zahlreichen Alltagsprodukten wie Anti- haft-Pfannen, Imprägniermittel, Feuerlöschschaum, Reinigungsmittel, Outdoorkleidung, Fast-Food-Ver-packungen, To-go-Becher, Kältemittel und sogar Kos-metik. Diese machen sie wasser-, fett- und schmutz-abweisend. Die Rede ist von sogenannten per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen – kurz: PFAS. Doch ihr Segen ist zugleich ihr Fluch: Die Molekülstruktur der Chemikalien ist so stabil, dass sie in der Umwelt nur schwer abgebaut werden. Über Luft- und Wasser-

ströme verteilen sich PFAS rund um den Globus, sind in Grundwasser und Böden zu finden und reichern sich in Pflanzen und Tieren an. Der Mensch nimmt sie zumeist über Trinkwasser und Lebensmittel auf. Forscherteams weisen PFAS-Gehalte weltweit und überall nach – auch in menschlichem Blut und Muttermilch.

Die Liste möglicher gesundheitlicher Auswirkungen durch erhöhte PFAS-Gehalte im Körper ist lang: Dazu zählen ein höherer Cholesterinspiegel, ein niedrigeres Geburtsgewicht bei Neugeborenen, erhöhte Konzen-

Ewige Begleiter

Die Chemikalien namens PFAS stecken in zahlreichen Alltagsprodukten und stehen als großes Problem für Umwelt

und Mensch im Fokus. Neue Erkenntnisse zu gesundheitlichen Risiken liegen vor, und ein weitgehendes Verbot rückt näher.

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PRODUKT- UND CHEMIKALIENSICHERHEIT

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trationen eines Leberenzyms und Wirkungen auf das Immunsystem. Letzteres bestätigte die Fachgruppe „Risiken besonderer Bevölkerungsgruppen und Hu-manstudien“ des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) mit einer Studie zu PFAS bei Kindern, die im Jahr 2020 publiziert wurde. Sie zeigt, dass bei Kindern die Antikörperkonzentration nach Impfungen geringer ist, wenn sie höhere Gehalte von PFAS im Blut aufweisen. Das Team von Privatdozent Dr. Klaus Abraham unter-suchte dafür zurückgestellte Blutproben, die Ende der 1990er-Jahre an der Berliner Charité von Säuglingen genommen wurden.

Richtwert wird teilweise überschritten

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat diese Arbeit als Schlüsselstudie für eine neue Bewertung des gesundheitlichen Risikos durch PFAS herangezogen und eine neue, niedrigere tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge von 4,4 Nanogramm pro Kilogramm pro Woche abgeleitet. Das BfR legte diesen Richtwert seiner eigenen gesundheitlichen Bewertung zugrunde und veröffentlichte diese im Sommer 2021. Das Ergebnis: Bei etwa 50 Prozent der Erwachsenen und Jugendlichen in Deutschland überschreitet die lang-fristige Aufnahme über Lebensmittel den gesundheits-basierten Richtwert für bestimmte PFAS. Sind Mütter betroffen, kann dies bei ihren lang gestillten Säuglingen in den ersten Lebensjahren zu einer verminderten Kon-zentration an Impfantikörpern im Blut führen.

Schon bald ein weitgehendes Verbot?

Die gute Nachricht: Seit etwa 30 Jahren gehen die ge-messenen Gehalte einiger häufig im Blut der Bevölke-

rung nachweisbarer PFAS deutlich zurück. Dennoch zeigen die aktuellen Zahlen des BfR, dass auch die der-zeitigen Gehalte noch zu hoch liegen. Das Institut un-terstützt daher das Vorhaben in der EU, die Herstellung und Verwendung aller PFAS-Verbindungen stark ein-zuschränken. Eine entsprechende Ankündigung haben fünf EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, veröf-fentlicht. Im Juli 2022 wird der Vorschlag zur Beschrän-kung dann bei der Europäischen Chemikalienagentur eingereicht. Konkret bedeutet das: Jeglicher Einsatz von PFAS, der nicht als gesellschaftlich unabdingbar gilt oder für den gleichwertige Alternativen vorliegen, soll künftig verboten werden.

Bessere Analysemethoden, mehr Forschung

Noch immer sind wichtige Fragen offen. So ist zum Bei-spiel unklar, ob hohe PFAS-Konzentrationen im Blut tatsächlich mit einem erhöhten Infektionsrisiko ein-hergehen. Zudem sind die Analysetechniken in vielen Fällen nicht empfindlich genug, die Gehalte in vielen Lebensmittelproben zu messen, sodass verbesserte Me-thoden entwickelt werden müssen. Wissenslücken be-stehen auch zum Übergang von PFAS aus der Umwelt in die Lebensmittelkette. Hierzu beteiligt sich das BfR an Forschungsprojekten wie „PROSPeCT“. Ziel ist es, herauszufinden, wie PFAS aus dem Boden in Pflanzen gelangen, um künftig Richtwerte für Böden abzuleiten und die Lebensmittelsicherheit in belasteten Gebieten zu gewährleisten. ◘

PFAS – was ist das Problem?

Mögliche Folgen für die Gesundheit

niedrigeres Geburtsgewicht bei Neugeborenen

Wirkungen auf das Immunsystem

höhererCholesterinspiegel

erhöhte Konzen- trationen eines Leberenzyms

Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > FAQ: Per- und polyfluorierte Alkyl-substanzen (PFAS)Stellungnahme Nr. 020/2021 des BfR vom 28. Juni 2021

Das ist noch unerforscht

Weiterer ForschungsbedarfEmpfindlichere Analysemethoden für

PFAS in Lebensmittelproben müssen

entwickelt werden

Die Verwendung von PFOS ist seit 2009,

die von PFOA seit Juli 2020 weitgehend

verboten. Weitere PFAS (C9 bis C14) sind

in der EU bereits von Februar 2023 an beschränkt.

Auf europäischer Ebene wird an Beschränkungen der

Herstellung und Verwendung aller PFAS gearbeitet.

Gehen hohe PFAS-Konzen-trationen im Blut tatsächlich mit einem erhöhten Infekti-

onsrisiko einher?

Wie genau gelangen PFAS aus der Umwelt in die Lebensmittel-

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INDUSTRIECHEMIKALIEN

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Muntere Tierchen: Das Gesetz schreibt die Beachtung der sogenannten „3R“ vor.

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SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

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Vor mehr als 60 Jahren formulierten zwei britische Forscher Grundsätze, wie mit Versuchstieren umzugehen ist.

Ihre Gedanken sind mittlerweile als „3R-Prinzipien“ zu einer wichtigen Leitidee der Forschung geworden.

Prinzip Mäusewohl

Hier können Mäuse Mäuse sein – das wäre eine passende Aufschrift an dem zimmergroßen Ge-hege. Im Halbdunkel huschen die Nager durch

das Gelände, zwängen sich neugierig durch enge Gän-ge und beschnuppern sich interessiert. Der geräumige „Abenteuerspielplatz“ der Kleinsäuger befindet sich im Deutschen Zentrum zum Schutz von Versuchstieren am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Ber-lin-Marienfelde. Professor Dr. Lars Lewejohann und sein Team erforschen, wie Mäuse sich in unterschiedli-chen Umgebungen verhalten. Ein wesentliches Ziel der Arbeit ist es, die Lebensbedingungen vor, bei und nach Tierversuchen zu verbessern. Der englische Fachaus-druck dafür lautet Refinement (Verfeinerung).

Zusammen mit den Grundsätzen Replacement (Ersatz) und Reduction (Verringerung) bildet das Refinement das Fundament für den ethisch verantwortlichen Um-gang mit Versuchstieren. Diese 3R-Prinzipien formu-lierten der Zoologe William Russell und der Mikro-biologe Rex Burch erstmals in ihrer 1959 erschienenen Abhandlung „The Principles of Humane Experimental Technique“ („Grundsätze einer humanen Experimen-tiertechnik“).

Es war der Beginn einer stillen Revolution in der tierex-perimentellen Forschung. Mehr als 60 Jahre danach trägt sie Früchte: „3R“ hat sich weltweit Geltung verschafft und muss bei wissenschaftlichen Vorhaben bedacht werden. Auch der deutsche Gesetzgeber verlangt, diese Leitideen bei Tierversuchen zu berücksichtigen. Gibt es zum Beispiel eine tierversuchsfreie Methode für den gleichen Forschungsansatz, so ist diese zu bevorzugen.

Tierhaltung: Verbesserungen möglich

„Für die Öffentlichkeit steht der Verzicht auf Tier-versuche oder ihr Ersatz im Vordergrund“, sagt der BfR-Wissenschaftler Lewejohann. „Aber trotz erheb-licher Fortschritte werden wir vorerst nicht auf die-se verzichten können, etwa bei der Entwicklung von Arzneimitteln und Impfstoffen.“ Anstelle eines Ent-weder-Oder setzt der Biologe auf eine pragmatische, schrittweise Verbesserung des Versuchstierwohls. „Da gibt es Potenzial für weitere Entwicklungen, etwa bei den Haltungsbedingungen.“

Lewejohann demonstriert das am Thema Haltung von Mäusen (sie machen zwei Drittel der in Deutschland eingesetzten Versuchstiere aus). Im geräumigen Groß-gehege genießen sie weitestgehende Freiheit und haben wegen des ständig vorhandenen Futters bessere Bedin-gungen als in der freien Wildbahn. „Hier finden die Tiere ideale Bedingungen vor, sie langweilen sich nicht, und selbst ältere Mäuse spielen“, erläutert Lewejohann. „Natürlich können Forschungseinrichtungen so etwas schon aus Platzgründen nicht eins zu eins überneh-men, aber es gibt gute Kompromisse.“

Nachts kommt Leben in die Käfige

Eine Möglichkeit ist, Käfige über Röhren miteinander zu verbinden und den Tieren so mehr Bewegung zu er-möglichen. „Tagsüber schlafen Mäuse“, sagt der Wis-senschaftler. „Das erweckt den falschen Eindruck, sie seien träge – aber nachts erwachen sie zum Leben und sind dann ziemlich munter.“

3R-PRINZIP

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Um ihrem Bewegungsdrang entgegenzukommen, hat Lewejohanns Team Laufteller in den Käfigen instal-liert. Auf ihnen können die Tiere strampeln, ohne – wie im Laufrad – den Rücken krumm machen zu müssen. Durch geschicktes Ausprobieren können sie „Rätsel-boxen“ öffnen und eine kleine Belohnung wie Hafer-flocken oder Hirsekörner ergattern. „Schon bei dieser Form ,angereicherter‘ Haltung nehmen Apathie und stereotypes Verhalten bei den Mäusen deutlich ab“, hat Lewejohann beobachtet.

Auch für den Ersatz von Tierversuchen eröffnen sich Perspektiven. Zu ihnen gehören die zur Zeit heiß dis-kutierten Organoide. Das sind dreidimensionale mi-kroskopische „Miniaturausgaben“ von Organen wie Leber, Nieren, Gehirn oder Haut. In Berlin-Marienfel-de tüftelt ein BfR-Team an einem Knochen-Organoid. „Fortschritte bei der Stammzellforschung haben diese Entwicklung ermöglicht“, sagt Professor Dr. Gilbert Schönfelder, Leiter des Deutschen Zentrums zum Schutz von Versuchstieren am BfR.

Taufliegen und Fadenwürmer

Ein anderer, bereits erprobter Ansatz ist die Forschung an wirbellosen Tieren wie der Taufliege Drosophila me-lanogaster oder dem Fadenwurm C. elegans. „Grund-prinzipien der Biologie gelten für den Menschen wie für diese Organismen – deshalb lassen sie sich an ihnen sehr gut studieren und verstehen“, erläutert Schönfelder.

Dass sich die 3R-Prinzipien und gute Wissenschaft her-vorragend vertragen, macht der Grundsatz „Reduzie-ren“ deutlich. Umgekehrt gesagt: Schlechte Forschung

geht auch auf Kosten der Tiere. Etwa, weil die Resultate wertlos sind und Tiere dafür sinnlos eingesetzt wurden.

Guter Tierschutz, gute Forschung

Wissenschaftliche Untersuchungen sollten aussage-kräftig sein und etwa statistisch belastbare Ergebnisse ermöglichen, zugleich aber den 3R-Prinzipien entspre-chen. Viele wissenschaftliche Zeitschriften verlangen inzwischen, dass diese Grundsätze für bei ihnen ein-gereichte Publikationen eingehalten werden und haben dafür auch gemeinsame Richtlinien namens ARRIVE- Guidelines eingeführt. „3R gehört von Anfang an zur Planung eines Versuchs“, betont Schönfelder.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, das Design einer tierexperimentellen Studie vor deren Beginn in der Datenbank Animal Study Registry am Bf3R einzu-tragen. „Das ist ein wichtiger Schritt, um wissenschaft-liche Qualität und Transparenz zu ermöglichen und unnötige Tierversuche zu vermeiden“, erklärt Schön-felder.

Am wichtigsten ist es aber, sich vor Augen zu halten, dass 3R mehr ist als ein bürokratisches Regelwerk. Im Kern ist es eine Idee. Ein Leitgedanke, der von William Russell und Rex Burch einst in die Welt gesetzt wurde und der sich bis heute weiterentwickelt: In den Köpfen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die an Tieren forschen. ◘

Mehr erfahren:www.bfr.bund.de > Deutsches Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R)

Professor Lars Lewejohann sorgt dafür, dass es den Tieren im Labor gut geht und im Käfig keine Langeweile aufkommt.

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SCHUTZ VON VERSUCHSTIEREN

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Frau Bert, seit Mitte des Jahres 2021 gelten stren-gere Regeln für Tierversuche. Was hat es damit auf sich?Auch schon vor dieser Novellierung des Tierschutzge-setzes und der Tierschutz-Versuchstierverordnung ha-ben strenge Regeln gegolten. Aber Änderungen waren erforderlich, weil die EU Nachbesserungen bei der Um-setzung der Richtlinie zum Schutz von Versuchstieren gefordert hat. Es geht darum, dass das Tierversuchs-recht in Deutschland nicht nur richtlinienkonform ausgelegt, sondern auch umgesetzt wird.

Es war bisher also nicht ganz getreu dieser Richtlinie?Prinzipiell gibt die EU-Richtlinie einen Spielraum vor, wie die rechtlichen Vorgaben in die nationale Recht-sprechung umgesetzt werden. Jeder Mitgliedstaat nutzt diesen Spielraum auch und passt die Vorgaben der be-stehenden Gesetzgebung an. Dabei gab es aus Sicht der EU-Kommission noch Änderungsbedarf, da eben nicht alles ganz im Sinne der Richtlinie umgesetzt wurde.

Ist das jetzt mehr Bürokratie oder ein echter Fortschritt?Einiges wurde verbessert und geklärt, etwa bestimmte Rechtsunsicherheiten. Positiv finde ich zum Beispiel, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die Tierversuche durchführen, prüfen müssen, ob die von ihnen angewandten Methoden im Sinne des Tierwohls verbessert werden können. Das Gleiche gilt für die Haltungsbedingungen. Das war zwar schon zuvor im Tierschutzgesetz erwähnt, ist aber nun ausdrücklich eingefügt worden und wird hoffentlich dazu beitragen, das Wohlergehen der Tiere zu verbessern. Kontrollen von Tierversuchen sind klarer geregelt, und das An-zeigeverfahren wird durch ein vereinfachtes Genehmi-gungsverfahren ersetzt. Solche Veränderungen bringen fürs Erste immer eine Unsicherheit mit sich, wie das al-les umgesetzt werden soll. Ein gewisser bürokratischer Aufwand ist da leider unvermeidlich.

Tierversuchseinrichtungen werden künftig stär-ker kontrolliert. Ist das Misstrauen begründet?Obwohl aus den Medien ein anderes Bild entstehen könnte, denke ich, dass Verstöße die Ausnahme sind. Es ist gut, dass jetzt das Vorgehen bei den Kontrollen präzisiert wurde. Kontrollen sollen nun nach einer Risikoanalyse und auch ohne Ankündigung erfolgen. Ich glaube, ein Dialog zwischen Genehmigungsbehör-de und wissenschaftlicher Einrichtung ist sinnvoll. Er sollte über das bloße Kontrollieren hinausgehen und helfen, die Lebensbedingungen der Tiere zu verbessern.

Am BfR gibt es die Datenbank www.AnimalTest- Info.de, die allgemeinverständlich über geneh-migte Tierversuchsvorhaben in Deutschland informiert. Jetzt gibt es eine solche Datenbank auch auf EU-Ebene (ALURES). Ist die Deutsche damit überflüssig?Gewiss nicht. „AnimalTestInfo“ hat sich etabliert und ist sehr nutzerfreundlich. Auch wenn wir unsere Da-ten selbstverständlich an die EU weiterleiten, ist es gut, diese Informationen weiterhin für die Bevölkerung vorzuhalten.

Welche neuen Aufgaben kommen auf das Deut-sche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren am BfR zu?Die Bundesländer melden nun die Daten zu den ver-wendeten Versuchstieren direkt an das BfR. Sie fließen dann in die jährlich veröffentlichte Tierversuchsstatistik ein. Bisher wurden diese Informationen an das Bundes-ministerium für Ernährung und Landwirtschaft über-mittelt. Das BfR überprüft die Daten und leitet sie weiter an die ALURES-Datenbank der EU-Kommission. ◘

Vorrang für das Tier: Privatdozentin Dr. Bettina Bert über rechtliche Änderungen bei der Genehmigung von Versuchen.

„Ein Dialog ist sinnvoll“

Im Interview: Dr. Bettina Bert ist am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) für Tierschutz und Wissens- transfer zuständig.

Mehr erfahren:www.animaltestinfo.dehttps://ec.europa.eu/environment/index_en > Chemicals > Protection of laboratory animals > ALURES

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INTERVIEW DR. BETTINA BERT

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INTERNATIONALES

Lebensmittelkrisen besser verstehen Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und seine belgische Schwestereinrichtung Sciensano haben im Jahr 2021 eine gemeinsame Absichtser-klärung zur Zusammenarbeit unterzeichnet. Die Forschungseinrichtungen werden künftig im Bereich der Lebensmittelsicherheit und der angewandten Ge-nomik enger kooperieren. Der Fokus liegt auf dem Austausch von Wissen und auf der Weiterentwick-lung von Methoden für die Ausbruchsaufklärung bei Lebensmittelkrisen, die speziell durch Mikroorganis-men verursacht werden.

Gemeinsam für mehr Lebensmittelsicherheit in Latein- und ZentralamerikaDas BfR hat im Oktober mit der chilenischen Be-hörde für Lebensmittelsicherheit und -qualität sowie internationalen Kooperationspartnern das 2. „Latin American and Caribbean Risk Assessment Sym-posium“ (LARAS) ausgerichtet. An vier Terminen kamen jeweils rund 500 Fachleute aus Wissen-schaft, Politik und Industrie virtuell zusammen und tauschten sich zu aktuellen Themen der Lebens-mittelsicherheit auf regionaler und internationaler

Ebene aus. Das Symposium bot zudem ein Forum zur Vernetzung zwischen wichtigen Akteuren im Bereich der Lebensmittelsicherheit und leistet damit einen wichtigen Beitrag zu den sich entwickelnden Strukturen der Lebensmittelsicherheit in Latein- und Zentralamerika.

Wahrnehmung von MikroplastikWas glauben Sie: Ist Mikroplastik schädlich für die menschliche Gesundheit? Wie kann es in Lebens-mittel und Getränke gelangen? Das BfR untersucht gemeinsam mit der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und der Universität Wien die Risikowahrnehmung von Mikroplastik in Deutschland und Italien. Mittels Befragungen von Bürgerinnen und Bürgern werden – mit Blick auf Umwelt und Gesundheit – die Wahrnehmung und Einschätzung des Risikos von Mikroplastik erfasst sowie allgemeine Aspekte zum Thema erhoben. Die Daten beider Länder werden anschließend verglei-chend analysiert. Die Ergebnisse werden im Sommer 2022 erwartet.

Hochwertige Tierprodukte sichernIm Rahmen des von der EU geförderten Projekts INTAQT wird das BfR zusammen mit Institutio-nen aus insgesamt zehn europäischen Ländern die Qualität tierischer Produkte aus unterschiedlichen Produktionssystemen untersuchen. Zusätzlich werden Möglichkeiten zur Verbesserung dieser Pro-duktionssysteme erforscht, um die Produktqualität und Nachhaltigkeit der Produktion zu verbessern. Sämtliche Akteure der Lebensmittelproduktion wie zum Beispiel Landwirtschaftsbetriebe, Konsumen-tinnen und Konsumenten oder Zertifizierungsstellen werden in die Arbeit einbezogen. Das Projekt starte-te im Sommer 2021.

INSTITUTSLEBEN

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INTERNATIONALES, INTERNA, PUBLIKATIONEN

INTERNA

Wer macht was in Europa? Wie ist die Lebens- und Futtermittelsicherheit in Europa organisiert? Welche Institutionen gibt es in den jeweiligen Ländern? Die 5. Auflage der Broschüre „EU Food Safety Almanac“ des BfR ist erschienen und gibt einen aktuellen Überblick über die Zuständigkeiten der wesentlichen Akteure in 37 europäischen Ländern. Jedes Länder-Kapitel enthält eine Übersicht der jeweils zuständigen Institutionen sowie eine detaillierte Beschreibung ihrer Rechtsgrundlagen, Aufgaben und Tätigkeiten. Der EU-Almanach erscheint zunächst in englischer Sprache und ist auf der BfR-Website kostenfrei bestell- und abrufbar.

Mehr erfahren: www.bfr.bund.de > Publikationen > Broschüren

PUBLIKATIONEN

tenz bakterieller Krankheitserreger. Die Ergebnisse belegen, dass sich stets neue Resistenzmechanismen entwickeln. Diese können eine korrekte Diagnostik erschweren und benötigen besondere Beachtung.

Neue Mitglieder im BfR-BeiratDer Wissenschaftliche Beirat des BfR hat sich für die Amtsperiode 2021 bis 2025 neu zusammenge-setzt. Neben elf Mitgliedern des bisherigen Beirates verstärken seit Oktober 2021 sechs neue Professorin-nen und Professoren die wissenschaftliche Expertise des Gremiums. Es besteht damit aus insgesamt 17 Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Bereichen und Fachrichtungen wie Lebensmittelche-mie, -hygiene und -analytik, Ernährung, Toxikologie und Epidemiologie sowie Psychologie, Kommuni-kationswissenschaften, Statistik und Tierschutz. Sie beraten das BfR bei der strategischen Entwicklung mittel- und langfristiger Ziele im fachlich-wissen-schaftlichen Bereich sowie bei der Schwerpunkt-setzung seiner Forschung und dem Aufbau von Kooperationen.

Mehr erfahren: www.bfr.bund.de > Das Institut > Wissenschaftlicher Beirat

PreisgekröntFür ihre Dissertation über bestimmte Antibiotika- resistenzen bei S. aureus erhält die BfR-Wissenschaft-lerin Dr. Anissa Scholtzek aus der Abteilung Biolo-gische Sicherheit den Förderpreis der Wirtschaftsge-nossenschaft Deutscher Tierärzte (WDT). Mit dieser Auszeichnung würdigt die Genossenschaft Scholt-zeks Forschung auf dem Gebiet der Antibiotikaresis-

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