für unser programm und seine verwirklichung

124
FUr unser Programm und seine Verwirklichung. Von Wilhelm Roux. (Schluss.) II. Die Methoden der Entwickelungsmechanik. D.a aueh tiber die Methodik der Entwiekelungsmeehanik Zweifel und irrthttmliehe Auffassungen entstanden und geiiuBert worden sind, so wollen wir uns aueh mit dieser bier noehmals befassen. Es sei zuniichst das Wesentliehste meiner frUheren Darstellungen reproducirt; dabei sollen aueh bier wieder, wie im ersten Absehnitt, die yon HER'rwm verwendeten Thcile unserer "~uBerungen kursiv, dig zu ihrer Erg~tnzung" n(ithigen Theile gesperrt gedruekt werden, so dass der Leser gleieh bei der ersten LektUre erkennen kann, welche Art yon Auslese seitens dieses Autors getroffen worden ist. Diese Art der Vorftihrun~ gestattet, die spiitere Bespreehung dureh Hinweise sehr zu kUrzen. IIa. FrUhere Darlegungen tiber die eausalen Forsehungs- methoden der Morphologie der Organismen. Die ~tlteste meiner yon HERTWIG herangezogenen :~,uBerungen tiber die ftir die Entwickelungsmeehanik n(ithige Methodik findet sich in einem kleinen Referate vom Jahre 1883 tiber die reichen causalen Ergebnisse, welche WILHEL3I ~*LLER (9) in seiner Untersuehung der Massenverhiiltnisse des mensehliehen Herzens bei normalen und pathologischen Zust:,tnden des K~irpers gewonnen hatte. Es ward bei dieser Gelegenheit in der Hauptsaehe (also yon Nebens~ehliehem abgesehen) riehtig Folgendes ausgefUhrt (1, Bd. II. pag. 21--23) : Dis mensehlieh e Anatomie ist gegenwiirtig gerade so weit ge- fSrdert, um ihrem Vertreter zu gestatten, gesttitzt auf das vorliegende reiche deskriptive Kenntnismaterial dieser am besten gekannten Archiv f. Entwickolungsmechanik. V. 15

Upload: wilhelm-roux

Post on 12-Aug-2016

214 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

Page 1: Für unser Programm und seine Verwirklichung

FUr unser Programm und seine Verwirklichung.

V o n

Wilhelm Roux.

(Schluss.)

II. Die Methoden der Entwickelungsmechanik.

D.a aueh tiber die Methodik der Entwiekelungsmeehanik Zweifel und irrthttmliehe Auffassungen entstanden und geiiuBert worden sind, so wollen wir uns aueh mit dieser bier noehmals befassen.

Es sei zuniichst das Wesentliehste meiner frUheren Darstellungen reproducirt; dabei sollen aueh bier wieder, wie im ersten Absehnitt, die yon HER'rwm verwendeten Thcile unserer "~uBerungen kursiv, dig zu ihrer Erg~tnzung" n(ithigen Theile g e s p e r r t gedruekt werden, so dass der Leser gleieh bei der ersten LektUre erkennen kann, welche Art yon Auslese seitens dieses Autors getroffen worden ist. Diese Art der Vorftihrun~ gestattet, die spiitere Bespreehung dureh Hinweise sehr zu kUrzen.

IIa. F rUhere D a r l e g u n g e n t iber die e a u s a l e n F o r s e h u n g s - m e t h o d e n der Morpho log i e de r Organ i smen .

Die ~tlteste meiner yon HERTWIG herangezogenen :~,uBerungen tiber die ftir die Entwickelungsmeehanik n(ithige Methodik findet sich in einem kleinen Referate vom Jahre 1883 tiber die reichen causalen Ergebnisse, welche WILHEL3I ~*LLER (9) in seiner Untersuehung der Massenverhiiltnisse des mensehliehen Herzens bei normalen und pathologischen Zust:,tnden des K~irpers gewonnen hatte.

Es ward bei dieser Gelegenheit in der Hauptsaehe (also yon Nebens~ehliehem abgesehen) riehtig Folgendes ausgefUhrt (1, Bd. II. pag. 21--23) :

�9 Dis m e n s e h l i e h e Ana tomie ist gegenwiirtig gerade so weit ge- fSrdert, um ihrem Vertreter zu gestatten, gesttitzt auf das vorliegende reiche deskriptive Kenntnismaterial dieser am besten gekannten

Archiv f. Entwickolungsmechanik. V. 15

Page 2: Für unser Programm und seine Verwirklichung

220 Wilhelm Roux

Species, yon h~iheren Gesiehtspunkten aus die U n t e r s u c h u n g des Menschen mit A u s s i c h t a u f cine r e i che Ern te noch e inmal yon Grund aus b e g i n n e n za kiinnen, biach ann~ihernder Erschiipfung der rein deskriptiven Methode, ferner des bisher nur iunerhalb eines beschrlinkten Aussichtskreises verwerthcten p h y sio- log i schen Gesichtspunktes und nach einem Uberblick yore ver- g l e i c h e n d e n Standpunkte aus sind wir wohl genUgend mit Vor- kenntnissen ausgerUstet, um mit einiger Aussieht auf Erfolg" nach dem alle andcren tiberschauenden causa len G e s i c h t s p u n k t e emporzustreben, yon welchem aus nicht bloB maunigfache neue T h a t s a c h e n zu erkennen sein werden, welche yon den anderen Gesichtspunkten aus nicht wahrnehmbar waren, sondern yon welehem aus auch noch ein Einblick in das ,wirkliehe' morphogenetische Geschehen an sich, in das Zusammenwirken der die normalen Formen gestalteuden KrKfte gewonnen werden kann.

~)Die Austibung dieser causalen Forschung ist k e i n e s w e g s an e ine V e r v o l l k o m m n u n g der , t e c h n i s c h e n ~ Method ik gebunden. [m Gegentheil, manche der ~ltereu Methodeu wird dabei wieder zu Ehren kommen, und die gegenw~rtig" das allgemeine Interesse be- herrschende Farbenschale in Verbindung mit dem Mikrotom sinken zu Hilfsmitteln neben vielen andercn herab; sie stehen gleichwerthig neben Pincette und Skalpell, neben Schere und Schraubstock, neben Wage und MaBstab; und zu diesen werden sich noch Volumenometer und Ar~iometer, Goniometer und Planimeter, Gltihtiegel und Btirette und andere Instrumente aus den Laboratorien des Physikers und Chemikers zu gesellen haben. Die ,Unlversalmet]~ode,~ des causalen Anatomen wird ebenso wenig die Anwendung des ~lessers wie des Farbsto~es oder des ~]lafles 7 sondern ebzzig die Geislesanatomie: das analytische, causale Den/ten seln.

),Das Thema der vorliegenden Arbeit (W. Mi~LLER'S) ist tines der haufigst bearbciteten; und kaum wohl h~ttte man erwartet, durch eine erneute Untersuchung viel 1N~eues zu erfahren. Da auBer dem Sujet auch die technisehe Methode der Untersuchung nicht yon den fi'Uher v erwandten Methoden abweieht, so muss die Gewinnung der neuen Resultate yon dem, was der Autor yon sich aus hinzu thuu kanu, abhangig gewesen sein. Dies ist in der That der Fall. Un- ermtidlicher, jahrelang auf dasselbe Thema verwandter FleiS, kritische Scharfe in der Wahl und Verwerthung des Materials sowie in der ErSrterung der Ergebnisse, besonders abet" eine dem Beg inne der Arbe i t vo raus f f ehende , bis in d ie l e t z t en b e k a n n t e n (oder

Page 3: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 22t

zu v e r m u t h e n d e n ) K o m p o n e n t e n f o r t g e s e t z t e A n a l y s e sind die Faktoren, welchen wit die Bereicherung unseres Wissens durch die vorliegende Arbeit zu danken haben.(<

Von diesem causalen a n a l y t i s c h e n D e n k e n wird dann in der Einleitung zu meinen Beitr~igen zur Entwickelunffsmechanik (ira Jahk'e 1885) gesagt (1, Bd. II. pag. 14):

>)Dieses aber muss not]~wendig einer solchen A r b e i t voraus-

~e~e~, wenn sic nicht aufAbwege ftihren und nach de r Ausbeutung eines vielleicht zuf:~tllig gcmachten Fundes stehen bleiben, sondern stetig" weiter fUhren soll. Nachdcm ieh reich dieser analytischen Arbcit unterzog'en habe, liegt eine gewisse Versuchung" darin, die theoretischen Ergebnisse derselben schon jetzt mitzutheilen; und ich wih'de ihr vielleicht nachgeben, wenn ich nicht wUsste, dass der Mehrzahl der Fachgenossen weniger an der Erkenntnis selbcr, als bloB an den mit ihrer Hilfe gewonnenen neuen konkreten Kennt- nissen gelegen ist. Daher werde ieh mich begnUgen, den L e s e r success ive , mit den g r e i f b a r e n F r t i c h t e n zug l e i ch , yon den E r g e b n i s s e n der A n a l y s e zu u n t e r r i c h t e n .

>>Diese letztere ze ig te v ie le c a u s a l e F r a g e n auf, w e l c h e der e x p e r i m e n t e l l e n Me thode sehon j e t z t z u g ~ n g l i c h sind. Fast allc abet ftihrten im Weiterverfolgen zu e ine r und d e r s e l b e n ~roBen Vorfrage, zu einer Alternative, yon welcher aus die causale Auffassung fast aller BildungsvorgKnge in zwci wesentlich verschie- dene Bahnen gelenkt wird. Dies ist die Frage: Ist die Entwickelung" des ganzen befi'uchteten E ies resp. einzelner T h e i l e desselben ,Selbstdifferenzirung' d i e s e r G e b i l d e resp. T h e i l e oder das Pro- dukt yon , W e c h s e l w i r k u n g e n mit ihrcr Umgebung', also abll~ingige Differenzirung' ? Eventuell, w e l c h e s is t de r An t he i l j e d e r d i e s e r be iden D i f f e r e n z i r u n g s a r t e n in j e d e r E n t w i c k e l u n g s p h a s e des ganzen Eies und se ine r e i n z e l n e n T h e i l e ?

)>In der B e a n t w o r t u n g d i e s e r F r a g e l i eg t m e i n e r E in- s icht nach tier SchlUssel zur c a u s a l e n E r k e n n t n i s der em- b r y o n a l e n En twicke lung . , ,

Unter S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g eines (abgegrenzten oder abge- grenzt gedachten) sich veriindernden T h e i l e s ist zu verstehen eine Ver:,'tnderung, welche i h r e r s p e c i f i s c h e n Art nach rein durch Kriffte oder Wirkungen bestimmt und bewirkt wird, die in dem veritndertcn Theile sclber liegen resp. stattfindcn. Wenn dagegen iiufleren E i n w i r k u n g e n auf einen Theil ein wesentlicher, die speeifisehe Art seiner Veriinderung bestimmender, also nicht blog

15.

Page 4: Für unser Programm und seine Verwirklichung

222 Wilhelm Roux

die Veritnderung" , aus l i i s ende r , , Antheil zukommt, so wird diese Veriinderung' als >>abhi~ngige Differenzirung'<, des Theiles be- zeiehnet.

>>BezUglich ,bestimmter The i l e ' des Eies oder des Embryos kSnnen wir also fragen, ob ihre Entwickelung Selbstdifferenzirung oder abhltngige Differenzirung ist. Statt aber so die Geb ie te yon vorn herein wi l lkUr l i ch r a u m l i c h zu u m g r e n z e n und nach der inneren oder i~uBeren Lage ihrer Differenzirungsursaehen zu forsehen, kSnnen wir auch umgekehrt (NB. in Gedanken) die S y s t e m e ,ur- s l i ch l i ch ' a b g r e n z e n , derart, dass jedes System alle zu e inem D i f f e r e n z i r u n g s v o r g a n g e beitragenden Ursachen umfasst; danach fi~llt die obige Alternative aus und die Anfgabe wird: die Gewinnung" der T o p o g r a p h i e de r z u s a m m e n w i r k e n d e n D i f f e r e n z i r u n g s - n r s a e h e n fur j e d e n e i n z e l n e n E n t w i e k e l u n g s v o r g a n g . Aus dem Vergleiehe dieser Topographie der Ursachen mit der Topographie des yon ihnen geschaffenen Differenzirungsproduktes wtirde dann die obige Alternative yon selber ihre LSsung finden.

~Jeder Forscher, der sich eingehend mit Entwiekelungsmeehanik befassen wird, wird finden, dass er bei der causalen Beurtheilung' j edes sichtbaren Entwickelungsgeschehens i m m e r wi e d e r z u n ~i e h s t au f d iese F r a g e stSBt; und keine specielle Untersuchung, welche wir auf diesem Gebiete vornehmen kSnnen, kann uns wirklichen causalen Aufschluss geben, wenn sie nieht wenigstens bis zur LSsung dieser Frag'e in Bezug auf den untersuehten Vorgang fortgefUhrt worden ist. Wenn aber im Laufe der ni~ehsten Jahre dureh LSsung einer grSBeren Anzahl derartiger Einzelfragen der Wirkungsumfang jedes dieser beiden Prineipien anni~hernd festgestellt ist, dann werden wir sehon tief eingedrungen sein in den jetzt noch g e s c h l o s s e n vor uns liegenden Komplex u n b e k a n n t e r , eng un te r e i n a n d e r v e r k e t t e t e r P r o b l e m e (1, Bd. II. pag. 16).

>>SehlieBlich aber kSnnen S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g und ab- h i ingige D i f f e r e n z i r u n g der T h e i l e und dami t Evo lu t ion und E p i g e n e s i s sigh wie im o r g a n i s c h e n G e s e h e h e n in m a n n i g - f a e h e m Z u s a m m e n w i r k e n k o m b i n i r e n Ceine Art des Gesehehens, welche ieh als ,gemischte Differenzirung', differentiatio mixta, be- zeiehnen will]; und es wird dann unsere Aufgabe sein, bei der Deutung unserer Beobaehtungen doppelte Vorsicht mid doppelten Seharfsinn aufzuweisen, um die Antheile jedes beider Prineipien richtig" yon einander zu sondern (1, Bd. II. pag. 20).

>~Es ist wohl nieht nSthig, nochmals hervorzuheben, dass j e d e

Page 5: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 223

D i f f e r e n z i r u n g , an s ich b e t r a e h t e t , das P r o d u k t yon W e c h - s e l w i r k u n g ist; und dass es uns bei der Unterscheidung yon selb- st~indiger und abhangiger Differenzirung immer nur darauf ankommt, zu ermitteln, ob die s p e c i f i s c h e n Ursachen einer Veranderung in dem B e z i r k e der w a h r n e h m b a r e n Veranderung selber oder auBer- halb desselben gelegen ist.~ (1, Bd. II. pug. 9_54.)

In dem zur Orientirung tiber die iNatur der vorliegenden Pro- bleme dienenden ersten Beitrag (yore Jahre 1885) wird unter An- derem die Frage aufgeworfen und experimentell behandelt (1, Bd. H. pag'. IS7): >>ob der Embryo vielleicht in den friihesten Phasen ein aus der L a g e r u n g aller Theile zu einander resultirendes, auf ge- heimnisvolle Weise vermitteltes ,formales ~ Gesammtleben fUhre, ~:o dass die L e b e n s f ~ h i g k e i t des Embryos aus der , t y p i s c h e n ' G e s a m m t a n o r d n u n g ,a l le r ' The i l e r e su l t i r e , und dass daher in diesem Stadium der Form an sieh eine wesentliehe funktionelle Bedeutung zukomme,,. Die MSgliehkeit dieser Art Leben wird im selben Beitrag wie noch nebenbei in .spateren Abhandlungen experi- mentell sehr eing'esehr~nkt. Immerhin haben die Versuehe der letzten Jahre gezeigt, dass diese MSgliehkeit ftir die zwei und vier e r s t e n Furchungszellen in Bezug auf die g e s t a l t l i c h e u Leistungen grSBten- theils zutrifft. Es seheint mir nicht iiberfltissig, die BegrUndung, eigentlieh die >>Entschuldigung,,, die ich damals ftir nSthig hielt, hier zu reprodueiren; sit lautet (pug. 188):

~)Ich bin Uberzeugt, dass manchem meiner Leser diese Vorstellung ebenso mystiseh wie yon vorn herein unwahrseheinlieh erscheinen wird. Indess, wenn man vor einem g e s e h l o s s e n e n Komplex un- bekannter Probleme steht, ist es sehwer zu sagen, was wahrschein- lich, was unwahrscheintieh ist. Es ist n ieh t ohne Pr i i fung yon vorn he re in z u r i i c k z u w e i s e n , dass in der Komplikation der Ver- h~fltnisse wahrend der embryonalen Entwickelung, wo wir Leistungen vor sich gehen sehen, dig sonst in ~ihnlieher Weise in der ~Natur nieht vorkommen und yon uns leider auch nicht kUnstlich nachge- maeht werden kSnnen, dass da aueh besondere Arten yon Energien entstehen, fur welehe auBerhalb dieser Proeesse und auch selbst in dem sp:,iteren ,funktionellen Leben' des Individuums, auBer bei der Regene- ration, keine Gelegenheit mehr gegeben ist; Energien, welche ebenso sehr in ihren Wirkungen yon den uns zur Zeit bekannten Arten der Energie verschieden sind, wie es die Elektricitat yon den Ubrigen Energien ist; und die Elektricit~tt ist lunge genug unbekannt ge- blieben, obgleieh ihre Erzeugungsbedinglmgen relativ einfache sind

Page 6: Für unser Programm und seine Verwirklichung

224 Wilhelm Roux

~,Wer n ieh t b l ind das, was als h i ichstes Resu l t a t unse r e r U n t e r s u c h u n g e n ers t g e w o n n e n w e r d e n muss~ in Form der allerdings sehr gebri~uehlichen petitio principii als se lbstvers t i~nd- l ich und k e i n e s B e w e i s e s bed t i r f t i g yon vorn here in an- n immt, der wird sich bei den causalen Untersuchungen der embryo- nalen Entwickelung immer unsere Eventualit~tt vor Augen zu halten und sich zu fragen haben, ob die yon ihm beobachteten Vorgiinge sich unter die Leistungen b e k a n n t e r Kraftformen subsummiren lassen, oder ob sic zur Annabme besonderer ,Wirkungsweisen', wie d i f f e r e n z i r e n d e r F e r n w i r k u n g e n u. dgl., und damit zur An- nahme besonderer Energien nSthigen.

>,Da es uns tiberhaupt nieht um Wahrscheinlichkeit, sondern um dereinstig'e Gewissheit zu thun ist, ist es, gut, alas Gebie t der , M S g l i e h k e i t e n ' m(igl iehs t in G e d a n k e n zu erseh( ipfen, um so die Augen ftir a l le e v e n t u e l l e n V o r k o m m n i s s e zu ~)ffnen. Denn bekanntlieh ist es mit dem Sehen wie mit dem HSren: Es nimmt aneh mit den Augen Jeder bloB das wahr, was er versteht und wie er es versteht.<< (s. 1, Bd. II. pag. 188.)

Diese Stelle ist yon meinem Herrn Gegner sehr falsch gedeutet worden (siehe unten pag. 290).

Auf diese Citate aus dem erstenBeitrag zur Entwickelungsmechanik mi~gen nun einige Theile aus der schon im ersten Absehnitt erw~thnten Rede: Die Entwiekelungsmeehanik der Organismen, eine anatomisehe Wissensehaft der Zukunft (vom Jahre 1889) folgen (s. 1, Bd. II. pag. 30--32):

,,Auf welehem Wege sollen wit nun die Kenntnis der Ursaehen der Entwiekelungsvorg~tnge gewinnen?

),Zuni~ehst wurde aueh zur LSsung dieser Aufgabe tier Weg der einfaehen, aber m~g l i chs t g e n a u e n B e o b a c h t u n g des ,normalen ' G e s e h e h e n s eingeschlagen, und mit Hilfe des induetiven und de- duktiven SehlieBens wurde aus dem Beobaehteten mancher ursiichliche Zusammenhang abgeleitet. BALFOUR, ED. V. BENEDEN~ V. v. EBNER, WALDEYER: WEIS31AbTN~ RAUBER~ KLEINENBERG: STRASSER~ AL. GOETTE: G. SCHWALBE n. A., vor Allen aber WILH. HIS haben sieh dieser Methode mit Erfolg bedient; und letzterem Autor verdanken wir eine ganze Reihe wichtiger ursiiehlicher Ableitungen. Doch ist nicht zu verkennen, dass die Anwendbarkeit dieser Methode ftir ursiiehliche Ableitungen eine sehr beschr~inkte ist~ und dass die auf diese Weise gewonnenen ScMiisse vie~'ach nic/~t die fi~r so fundamentale Fragen wiinsc]~enswert]~e Sic)~erheit darbieten. JEs giebt in jedem einzelnen

Page 7: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Frogramm und seine Verwirkliehung. 225

Fal[e eine ganze Re ihe yon M6g l i chke i t en und oft keine sic]~eren Argumen te f i i r die A u s w a h l blofl einer e inz igen yon dlesen; denn das dabei verwendete Argument, class das JEinfachste auch das Wat~rsc]~einlic]~ste sei~ liisst uns Mer oft im Stich~ sehon dGsshalb, wei l wir die o r g a n i s c h e n G e s t a l t u n g s p r i n c i p i e n v i e l f a c h nicht gen t igend kennen , um zu v e r s t e h e n , was fur s ie das ~Einfz~chste~, sei.

~)Und selbst die Benutzung" der , ve rg le i chenden ~ B e t r a c h t u n g yon Verschiedenheiten der normalen Entwickelung bei einander nahestehenden Thierklassen vermag uns, meiner Meinung naeh, nicht vollkommene Sicherhelt i~ber die Ursachen dieser Verschieden]~eiten zu 9eben, auch wenn bei ,Variationen' eines Faktors ein anderer Faktor wiederholt in derselbGn Weise ge~tndert sigh zeigt. So schiGn selbst einer der besten der mit dieser Methode abgeleiteten Schtiisse noeh zweifelhaft, niimlieh die Deutung BALFOUR'S, dass die bloB p a r t i e l l e F u r e h u n g der nahrungsdotterreichen Eier versehiedener Wirbelthiere: der Haifische, Knochenfisehe und Vagel, in der Art durch die g'roBe Menge des aufgespeieherten Dotters bedingt sei, dass der Bildungsdotter und damit die theilenden Krtifte fUr diese Menge quantitativ zu gering seien. Denn im normalen gegenw~trtigen Entwickelungs~,eschehen ist Alles durch Jahrmillionen lange Ver- besserung so eingerichtet, dass es vollkommen dem BedUrfnis genUgt; ul~d wenn ein Bed t i r fn i s zur D u r e h t h e i l u n g v o r h a n d e n ge- wesen w~tre, wUrden s i che r aueh d ie K r ~ f t e dazu night fehlen.

))Man kannte umgekehrt die Vermuthung hegen, die anfangliehe Furchung bloB eines Theils des Dotters sei direkt funktionell bedingt, indem eine weitere Zerlegung zun~tehst nicht nathig, viGlleicht sogar starend ftir den Ablauf der ersten Entwiekelungsvorg~tnge wiire.

~)Sicherer fUhrt nns sehon die urs i~chl iehe D e u t u n g des Zusammenhanges stGts z u s a m m e n v o r k o m m e n d e r ,Va r i e t~ t en , der Entwiekelung des Individuums. Wenn z. B., wie bereits in mehreren Fallen sieh gezeigt hat, beim Fehlen des langen Kopfes des Musculus biceps braehii stets aueh der Suleus intertubercularis, in welchem die Sehne dieses Kopfes normaler Weise liegt, fehlt, so werden wit mit Sieherheit auf eine ursiichliehe Beziehung zwischen beiden Bildungen schlieBen dtirfen; und sehon unsere heutige geringe entwiekelungsmechanisehe Einsicht lasst uns des Weiteren folgern, dass nieht die SOme fehlt, weil ihre Verlaufsfurehe nicht angelegt ist, sondern dass der Causalnexus der umgekehrte sein muss.

Page 8: Für unser Programm und seine Verwirklichung

226 Wilhelm Roux

~Durch die Verwerthung solcher Vorkommnisse hat auch die vorstehend erw~ihnte Deutung BALFOUR'S ein h~heres MaB yon Wahr- seheinlichkeit gewonnen; indem ich nitmlich, allerdings erst in einigen F~llen, beobachtete, dass beim F r o s c h e i , welches normalcr Weise der totalen Furchung unterliegt, im Falle abnorm groBcr Einlagerung yon ~ahrungsdotter, an R i e s e n e i e r n yore Achtfachen des normalen Volumens zunitchst bloB p a r t i e l l e F u r c h u n g cintrat.

~Doch der H a u p t w e y , der uns zu sicherer .Erkenntnis der Ursachen fiihrt, ist der des Exper imen t s , dieses groSen Hilfs- mittels des Menschen, mit dem er die Natur zwingt, auf seine Fragen Antwort zu geben, und dcm er die riesenhaften Fortschritte in dcr Erkenntnis der Natur und in der Dienstbarmachung ihrer Kr~fte verdankt.

))Aber das E x p e r i m e n t i r e n an sich giebt nocl, nicht die Gewiihr, dass wir dadurch vorwiirts schrel ten in der Erkenntnis, cbenso wenig als die zahllosen, Jahrhunderte lang ibrtgesetzten Experimente der Alchemisten uns in der ErI~enntnis dcr 3"atur wesentlich gef~irdert hubert. Der rasche Fortschritt der Chemic seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts, ebenso wie schon vorher der- jenige der Physik beruhten auf ciner b e s o n d e r e n Art des Ex- p e r i m e n t s , a u f dem analytischen Experimente; und urn dieses anstellen zu kSnnen, muss ihm das a n a l y t i s e h e D e n k e n vor- a u s g e g a n g e n sein.

~>Der Zerlegung der Entwickelungsvorgiinge in u r sgeh l iehe Komponenten werden wir uns nur allmiihlich ni~hern k0nnen, und zwar dureh B e a n t w o r t u n g e i n i g e r V o r f r a g e n , welche meiner Ansicht nach zun:~tchst in Angriff zu nehmen sind, ngmlich der Fragen nach der Z e i t der ursitchlichen Bestimmung einer Gestaltung nnd nach dem Oft der U r s a c h e n derselben. Dutch die Beantwortung der ersteren Frage crfahren wir~ in welcher Periodc der Entwicke- lung, dutch die der letzteren, an uelchem Orte wir die Ursachcn eines Vorgauges zu suchen hubert (1, Bd. II. pag. 37).

),War ca ftir die P a t h o l o g i c yon Nutzen, dass die Pathologen seit MORGAGNI zun~ehst nach dem Si tze und dann ers t nach den U r s a e h e n der K r a n k h e i t fo r sch ten , so haben wir wohl einen gleichen lqutzeu yon demselbcn Gauge der Untersuchung auch ftir die Ermittelung der normalen Entwickelungsursachen zu ge- wgrtigen. Wit erfahren so z. B., oh die Ursaehen eines Gestaltungs- vorganges in den durch ihn umgestalteten Theilen selbst gelegen sind, ob der Vorgang also als ,Selbstdifferenzirung ~ zu betraehten

Page 9: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichunff. 227

ist, oder ob i~uBere Theile an tier betraehteten Umgestaltun~ mit- wirken. <<

Ein dem Reiche des Anorg'anischen. entnommenes Beispiel mag" o .

den Xutzen der Kenntnis tier Ortliehkeit der Ursaehe demonstriren: Wit sehen in der Enffernung eine g e s e h l o s s e n e Re ihe yon Wag'en dahinfahren, k~nnen aber, wenn keine, dureh besondere, uns in ihrer Bedeutung bekannte Gestalt ausgezeiehnete Lokomotive zu sehen ist, nicht wissen, ob der vorderste Wagen alle anderen z ieht (wobei sie in zug'fester Verbinduug' unter einander stehen mUssen), oder ob der hinterste sie alle sch ieb t (was Einriehtungen zu druckfester Ver- bindung" voraussetzt), oder ob ein mittlerer Wagen oder jeder einzelne Wagcn cin Motorwagen ist etc. Wenn wir abet diese 5 r t l i che Frage gelSst haben, sind wir der Einsicht in das Geschehen doch schon n:,ther gekommen. Dureh bloBes Zusehen beim n o r m a l e n Geschehen, also beim Fahren der g e s c h l o s s e n e n Wagenreihe, werden wit aber niehts davon ermitteln kiinnen; wohl abet dutch Beobachtung yon V a r i a t i o n e n : so wenn beim Bergabw~trtsfahren einzelne vordere Wagen vorauseilen, oder beim Bergauffahren hintere zurUckbleiben; am besten durch das E x p e r i m e n t : durch Ausschaltung des vor- dersten, hintersten Wag~ens etc.

Daher wurde loco tit. gefolg'ert: >~Mit diesen V o r k e n n t n i s s e n tiber die urs:~ichlichen Ver-

h~l tn isse werden wir auch dem Wesen der U r s a c h e selbst schon ein wenig n:~iher kommen.

~Auf diesem Wege war es mir z. B. mSglich, zu ermitteln, dass die Richtung der Mittelebene des Frosches im Ei schon zwei Tape vor der ersten, diese Richtung bekundenden Organanlage bestimmt ist, dass jedoch im unbefi'uchteten Ei diese Bestimmung noch nicht g'etroffen ist, sondern dass diese Lage g'erade w~thrend der Be- fi'uchtung normirt wird. Durch diese Einsicht wurde dann die Vermuthung nahegelegt, dass diese Bestimmung vielleicht durch die Befruchtung erfolge; un5 die daraufhin angestellten, lang'e Zeit erfolglosen Versuehe ergaben nach Ermittelung der geeigneten Me- thode die Richtigkeit dieser Vermuthung. Zug'leich zeigte sieh, dass wires vermSgen, die Befi'uchtungsrichtung und damit auch die Lage des Thieres im Ei beliebig zu bestimmen, uud fernerhin, dass diejenige Seite des Eies, an welcher wir den SamenkSrper eindringen lassen, zur hinteren Kiirperh~tlfte des Thieres wird, w~thrend aus deljenigen Eih~tlfte, in welcher zur Zeit der Befruchtung der weibliehe Zeugungs- theil, der Eikern liegt, die Kopfhalfte des Thieres hervorgeht..<

Page 10: Für unser Programm und seine Verwirklichung

228 Wilhelm Roux

~Tachdem darauf hingewiesen worden war, dass wir bisher das Meiste an causaler Kenntnis der organischen Gestaltunffen den P a t h o l o g e n verdanken, wurde die A n w e n d b a r k e i t p a t h o l o - g i s c h e r E r g e b n i s s c zu RUckschl t i ssen a u f die n o r m a l e n G e s t a l t u n g s w e i s e n und Vorg~inge (s. 1, Bd. II. pag. 45) erSrtert:

~>Die Anwendbarkeit auch der nicht bloB auf Ausfallerschei- nungen beruhenden pathologisehen Erfahrungen auf die normalen Verh~tltnisse, die Zul~iss igkei t des R i i cksch lusses yon den in , p a t h o l o g i s c h e n ' Verh~t l tnissen b e o b a c h t e t e n G e w e b s r e a k - t ionen a u f die , n o r m a l e n ' G e w e b s l e i s t u n g e n beruht auf der weiteren (~NB. an den S~tugethieren gemachten) E r f a h r u n g , dass die L ' igenschaf t der Gewebsreaktion so wenig yon der_Eigen- se]~aft der veranlassenden iiufleren Ursaehe, so sehr dagegen yon den E igenseha f t en des reayirenden Substrates abh~ingt, dass diese Ursache fast bloB als das ,ausl i~sende ' Moment Far das in Th~tigkeittreten des specifischen, an sich sehr s t ab i l en Gewebs- m e c h a n i s m u s zu betrachten ist. Die , p r o g r e s s i v e n ' abnormen Leistungen s ind me i s t bloB g e s t e i g e r t e oder a n a e h r o n i s t i s c h e Be th~ t ig 'ungen der , n o r m a l e n ' E i g e n s c h a f t e n [die regressiven Leistungen, wie Degeneration, Schwund, interessiren uns hier nicht~.

~Diese Stabili t i~t de r p r o d u k t i v e n R e a k t i o n s w e i s e n der G e w e b e beraubt uns leider der M(iglichkeit, aus den Reaktionen auf v e r s e h i e d e n a r t i g e Einwirkungen einen Schluss auf die inneren Eigensehaften des reagirenden Substrates zu maehen, wie wit es wohl vermtichten, wena verschiedenartige Einwirkungen wesentlich verschiedenartige Reaktionen zur Folge hatten.

>dmmerhin wird bei der V e r w e r t h u n g , p a t h o l o g i s c h e r ' E r f a h r u n g e n zu RUeksehlUssen a u f die , no rmalen ' Vorg:~tnge mit Vors ich t zu v e r f a h r e n sein. So dtirfen wir z. B. aus dem interessanten Ergebnis der Untersuchungen Tno~iA's tiber die kom- pensatorisehe Verdickung der innersten Haut (an umschriebener Stelle) zu weir gewordener BlutgefiiBe nicht ohne besondere darauf gerichtete Untersuehungen annehmen, dass auch die normale, der eigenen Ge- stalt des FlUssigkeitsstrahles angepasste Gestaltung der Lichtung der Blutg'efliBe auf diese Weise hergestellt werde.

>>Dagegen konnten wir aus der Beobachtung JULIUS WOLFF~'S U. A., dass auch in abnormen Verh~ltnissen, z. B. bei schief geheilten Knochenbrtichen, eine dieser neuen Form angepasste, ~iuBerst zueek- m~tBige Knochenstruktur entsteht, sofort schlieBen, dass auch die normale Struktur der Knochen dureh wesentlieh dieselben Meehanismen

Page 11: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Ffir unser Programm and seine Verwirklichung. 229

der den Knoehen zusammensetzenden Gewebe hergestellt werden k a n n , dass diese Struktur also nicht n o t h w e n d i g in ihren zahl- losen zweckmi~Bigen Einzelbildungen uns vererbt zu werden b raucht .

)~Ebenso gestatten die vielfachen Ver~tnderangen, welche die Muskeln, Knoehen und B~tnder nach dem Schwund der Ganglien- zellen der sogenannten VorderhSrner des Rtickenmarks bet der spinalen Kinderl~hmung erfahren, eine ganze Reihe yon Schltissen auf g e s t a l t e n d e E i n w i r k u n g e n , welche auch n o r m a l e r Wei se zur Ausbildung und Erhaltung n S t h i g sind; w~thrend aus der That- sache, dass zwischen 5fter bewegten Bruehenden eines Knochens ein Gelenk sich ausbildet, nieht zu folgern ist, dass auch die normale G e l e n k b i l d u n g auf entsprechende Weise veranlasst wird.,~

~ tch Besprechung der vielen frtiheren verfehlten or thopi i - d i sehen B e h a n d l u n g s m e t h o d e n wird (pag. 4S) gesagt:

~,Wir mUssen sagen: Diese Umwege hlitten schon vor Jahrzehnten, schon seitdem eine riehtige Unterscheidung der Gewebe gewonnen war, dutch methodisch angestellte, analytisehe Thierversuche ver- mieden uerden kSnnen. Abet freilich erst jetzt, dutch die aseptische Wufidbehandlungsmethode, sind wir in den Stand gesetzt, der Ortho- p~die durch exakte experimentelle Erforschung der g e s t a l t e n d e n t~eak t ionswei sen der Gewebe und ih re r a u s l S s e n d e n Ur- saeheu eine analytische, ftir die P r a x i s v e r w e r t h b a r e Grund - lage zu geben. Doch diese Aufgabe wird selber nut auf der Basis entwickelungsmeehanischer Einsicht zu 15sen sein~ ~.

Uber das SpecieUe u n s e r e r M e thod ik wird iu dem Artikel )~Ziele und Wege der Entwiekelungsmechanik,, ausftihrlicher g'ehan- delt (1, Bd. II. pag. S7 u. f.):

),Urn aus den v ie l en g l e i c h z e i t i g a u f t r e t e n d e n Ver:~inde- rungen eines Embryos die wesentlichen urs~tchlichen Beziehungen e i n e s der Untersuchung unterzogenen Bildungsvorganges zu ermitteln. habeu wit eiu nicht unerhebliches, wenn auch nut negatives Hilfs- mittcl in der v e r g l e i c h e n d e n B e t r a e h t u n g der Nebenumst:~tnde desselben Bildungsvorganges bet v e r s c h i e d e u e n Thiergattungen oder

1) Im Interesse der ))funktionellen 0rthop~idie,( (s. l, Bd. I. pag. 731, 766) set auf einen dieser Stelle ungesehlossenen Kingeren Exkurs fiber die wissen- schaftliche Erforschung und die dar~uf zu grtindende Behandlung der Deformi- t~ten der Wirbelsiiule dutch analy t i sche , die Reaktionen der einzelnen dabei betheiligteu Gewebe: Knorpel-, Knochen-, Binde- und i~Iuskelgewebe, so- wie deren Ursachen ermittelnde Versuche hingewiesen.

Page 12: Für unser Programm und seine Verwirklichung

230 Wilhelm Roux

Klassen. Denn nur die a l l e n Wiederholungen desselben Vorganges g e m e i n s a m e n Umstiinde werden w e s e n t l i c h e sein; dabei ist aber nicht zu Ubersehen, dass sie darum noch nicht nothwendig auch wesentlich sein mUssen.

~Immerhin ist der Nutzen solcher vergleichender Beobaehtung zumal jetzt bei dem Anfange (NB. exakten) causalen Strebens ein sehr erheblicher. Unsere Vorstellungen und Vermuthungen werden durch diese Vergleiehung oft yon einer falsehen Bahn abgehalten und auf den richtigen Weg geftihrt werden.

>~Der Forscher auf dem Gebiete der Entwickelungsmechanik muss sich daher bei seinen aus praktischen GrUnden oft liingere Zeit an ein einziges Objekt gebundenen Forsehungen stets bestreben, grSgere ontogenetischc Entwickelungsreihen zu Uberblicken; ja wenn es mSglich ware, so l l te er die ganze b e s c h r e i b e n d e th i e r i s che and p f l a u z l i c h e (on to -wie p h y l o g e n e t i s c h e ) E n t w i c k e l u n g ' s - g e s e h i e h t e k e n n e n und bei se inen A b l e i t u n g e n ber t i cks ieh- t igen.

>>Auger den Ver~tnderung'en, die dutch das kiinstliche Experiment gesetzt werden, kommen als Mi s sb i l dungen oder als bloge Var ia - t ionen oder als Folgen yon Erkrankungen nicht selten Ver~nderung'en der Organismen vor, die denen des a n a l y t i s c h e n E x p e r i m e n t s an ihnen ann~hernd oder ganz entsprecheu und daher in ~thnlicher Weise wie dieses zu eausalen Ableitungen zu verwerthen sind (Z~'atur - exper,imente ).

))Noch weit mehr als bei den stets mit weniger Komponenteu arbeitenden Versuehen an anorganischen Objekten ist bei der An- stellung und besonders bei der D e u t u n g yon E x p e r i m e n t e n an Organismen ein gewisses l]lafl vorausgre~' f ender eigener L'in- s icht uner l i i ss l ich n6thig. Wet sieh solche nicht angeeignet hat, der wird vielfaeh sehr irrthUmliche SehlUsse aus seinen Experimenten, oder aus denen Anderer ziehen; dem kann es sogar geschehen, dass sieh ihm die unbekannte Komplicirtheit der organischen Verh~tltnisse in solchem MaBe ausdehnt, dass er aus den Folgen eines Experiments tiberhaupt keinen speciellen Schluss zu ziehen sich getraut.

~>So hat ein Autor gegen ein vom Ref. angestelltes Experiment, in welchem Froseheier einen Tag l~nger als normal in ihrer an- f~tng'liehen Einstellung mit der w e i g e n Seite naeh u n t e n erhalten wurden, und somit die sonst in dieser Zeit eintretende Aufwartsdrehung der unteren Seite des Eies verhiudert worden war (wobei sich zeigte, dass die Medu l l a rwUls t e unter bilateralem H e r a b s c h i e b e n yon

Page 13: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Frogramm und seine Verwirklichung. 231

Material auf dieser ursprUnglieh weiBen U n t e r s e i t e des Eies zur Anlage kommen), den Einwand erhoben, dies Experiment gestatte keinen Schluss auf die normalen Verhgltnisse, da das Ei in abnorme Bedingungen gebracht worden Ski; unter ganz normalen Bedingungen wiirde naeh diesem Autor das Medullarrohr auf der Mitte der yon vorn herein schwarzen 0 b e r s ei t e entstanden sein.

~,Wenn nun wohl kein mit der Saehlage Vertrauter diesem spe- ciellen Urtheile zustimmen wird, so mUssen wir uns gleiehwohl stets gegenw~trtig halten, dass wir die bei jedem organisehen Bildungs- vorgange betheiligten Komponenten wahrseheinlich noch nicht an- nahernd tibersehen und daher nicht sigher zu beurtheilen vermSgen, wie viel und welche Komponenten wir auch bei einem mSgliehst analytisehen Experimente alteriren. Wir kSnnen daher e rs t dann s i e h e r sein, die E r g e b n i s s e e ines E x p e r i m e n t s r i ch t ig ge- d e u t e t zu h a b e n , wenn dis Ergebnisse zweier oder mehrerer ,versehiedenartiger' Experimente fiber denselben Vorgang auf die gleiehen Zusammenh~inge oder Vorg~nge hindeuten (1, Bd. II. pag. 89).

,,In dem soeben citirten Falle hatte Ref. desshalb zugleich das Ergebnis des angefUhrten Experiments durch Versuehe mit t i e f g r e i f e n d e n l o k a l e n D e f e k t e n als Marken kontrollirt; und diese ganz anderen Versuche batten zu demselben Sehluss tiber die frtihere Lage des Materials des Medullarrohres oberhalb neben dem Aquator des Eies geftihrt.

,~Drittens gelang es dureh s t a r k e P r e s s u n g der F r o s e h e i e r zwisehen parallelen s enkr e ch t e n Glasplatten, das erschlossene nor- male s e i t l i ehe H e r a b w a e h s e n der Urmundlippen ganz zu ver- hindern; die sparer gebildeten Medu l l a rw t i l s t e f o r m i r t e n dabei einen den "~quator des E ies r ings u m z i e h e n d e n Gtirtel ; kS zeigte sich also die fur diesen Fall vorausgesagte ,Asyntaxia me- dullaris totalis' (Bovx).

~Der aus d i e s e n ,d re i v e r s e h i e d e n e n ' E x p e r i m e n t e n fo lgende Seh luss , dass die G a s t r u l a t i o n des Frosehes durch b i l a t e r a l e E p i b o l i e und K o n k r e s e e n z a u f der U n t e r s e i t e des E ies e r fo lg t , und dass die Aul~enseite der Urmundr~tnder die An- lagestelle der MedullarwUlste ist, is t dahe r ein so s i che re r , dass er weder durch dig an sigh erfreuliehe nachtrKgliche Zustimmung yon Seiten deskriptiver Forseher [v. DAVIDOFF, O. HEaTWm, KEIBEL n. )1.] an Sieherheit etwas gewinnen konnte, noch durch den Widerspruch derselben h~ttte etwas einbUBen ki~nnen; vielmehr m~issen , d e r a r t ig ~

e r m i t t e l t e T h a t s a c h e n a l s d ie e r s t e n f e s t en G r u n d s t e i n e unserer

Page 14: Für unser Programm und seine Verwirklichung

232 Wilhelm Ronx

I ( enn tn i s yon den ~Vorg~ingen ~ der L~ntwickelung be t rach te t werden, derart zuglelch, class alle solche Anslc]~ten, welche mit diesen Thatsachen wir]dlch unvereinbar sind, mit Sicherheit als unrichtlg bezelchnet werden k•nnen 1).

~Die EntwicIzelungsmec]~anih muss sich, wie jede neue Richtung in der Wissenschaft, die i]~r gebiihrende Stellung erst nach und nach erwerben. Aber gleichwohl wird es unsere ~Nachkommeu wohl be- fremden, dass d i e j e t z t h e r r s e h e n d e d e s k r i p t i v e R i c h t u n g diese sicheren Angaben der Entwickelungsmechanik so lange ignorirt hat~ bis deskriptive Forscher zu denselben Ansiehten gelangten, und besonders, dass sic diesen letzteren Angaben mehr Werth beilegt als ersteren. Dies wird ein blcibcndes Zeugnis ftir das ungenUgende Verstitnduis der betreffendeu Forscher yon dem Werthe des Experi- ments scin (s. 1, Bd. II. pag. 89).

~)Solehe E x p e r i m e n t e mUssen u b e r w i r k l i c h g e m a c h t se in , und die ~Natur muss d~rauf entsprechend r e a g i r t haben. Es ist eine nicht zu billi~ende Auffassung, wenn RAU~nR IZoolog. Anz. 1886. pug'. 170j nach einem Experiment, welches, wie zu erwarten, sogleich mit dem Tode der Objekte endete, die Meinung ~iuBcrt: ,Es wird abet f|ir die Meisteu schon hinreichend scin, auch nut in G e- d a n k e n das genannte Experiment LVcrtanschung der Furchungskerne eines KrSten- und eiues Froseheics i auszuftihren, um zu der 1Jbcr- zeuguug (!) zu gelangen, dass aus jenem Froschei keine vollst~ndige KrStc, aus dem Kriitenei kein voltstitndiger Frosch hervorgegangeu

sein wtirde.' )~Dies G e d a n k e n e x p e r i m e n t ist durehuus nicht, wie er meint,

iiberzeugend daftir, dass auch dem Protoplasma Vererbungstendenz

innewohnt. ~)Die Analyse scheint es mit sich zu bringen~ d,~ss dic e a t -

1) ]~ERT~VIG citirt yon diesen d re i zusammengehiirigen Experimenten a l l e in die A s y n t a x i a medullaris und giebt (pag. 75) als meine Anffassung an, dass die Asyntaxia fiir s ich a l l e i n den Grundstein des Urtheils bilden solle, der fester sei als die rein deskriptiv gewonnenea Argumente; wiihrend der Sinn der obigen Eriirterung doch wohl deutlich der ist, d3ss d r e i e r l e i ganz v e r s e h i e d e n a r t i g e E x p e r i m e n t e zu demselben Sehluss fiihrten and dass daher ihrem g e m e i n s a m e n E r g e b n i s eine sehr gToBe Sicherheit zu- komme. Dagegen bezeichnet HERTWIG dana se ine r se i t s , anseheinend meine Auffassung berichtigend, die Zusammenfas sung a|ler bezfiglicheu, auch der normalen Thatsachen fiber denselben Vorgang als nothwendig. Dieses Beispiel ist, wie schon aus den Darleguugen nuseres ersten Abschnittes hervorging, typ isch fiir die in HERTWIG'S Polemik konseqnent angewandte Methode.

Page 15: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichunff. 233

w i c k e l u n g s m e c h a n i s c h e F o r s c h u n g bei den e i n f a c h s t e n L e b e w e s e n , den Protisten, beg inneR mtisste; und gewiss kSnnen manche wichtigen Causalverhiiltnisse an diesen niedersten Lebewesen leichter und sicherer als an Metazoen, ja zum Thcil nur an ersteren ermittelt werden. Es sei hicr nur an die tiberaus lehrreichen Ex- perimente von E. G. BALBIA~I, •. ~USSBAUM~ A. GRUBER, BRUNO HOFER tiber die besondcren Leistungcn des Zellkerns und des ZeI1- leibes erinncrt.

))Es ist abcr darauf hinzuweisen, dass andererseits die hiiheren 0rganismen in maRcheR B e z i e h u n g e n gtinstigere Verh~iltnisse fiir die ~analytische' Forschung darbieten; einmal weil bei ihnen d u r c h die w e i t g e h e n d e A r b e i t s t h e i l u n g die F~thigkeiten der cinzelnen Gewebe weniger vielseitige sind, und zweitens desshalb, weil das Ve rmSgen der R e g e n e r a t i o n s f i ~ h i g k e i t bei ihnen vie l g e r i n g e r ist, als bei den niederen Organismen und wir duher bei ersteren den Mechan i smus der normalen , s i r e t y p i s c h e n E n t w i c k e l u n g r e i n e r ftir s ich s tud i r en kSnnen (s.l , Bd. II. pag. 90).

~3Iit der Zur t i ck f t i h rung o r g a n i s c h e r G e s t u l t u n g e n au f anorg'anische, p h y s i k a l i s c h e K o m p o n e n t e n ist schon ein sehr erfi'eulicher Anf~ng gem,'tcht, so yon BERTHOLD, ERRERA U.A. in Bezug auf pflanzliehe, ferner yon BUTSCHLI, QUINCKE, DREYER U. A. in Bezug auf thierische Gestaltungen. Die Schltisse sind jcdoch bis jctzt grSBtentheils bloB Analog'ieschlUsse; es haftet ihnen daher noch cine groi~e U n s i c h e r h e i t an. Die Urtheile dicser Autoren bcruhen darauf, dass an anorganischen Objekten auf experimentellem Were den organischen :,ihnliche resp. gleiche Formbildung'en hervorgebracht wurden, woraus auf eine Gleichheit der Ursachen g'eschlossen wurde.

)>Trotz des ~Nutzens dieser Versuche und der wohl theilweisen Richtig'keit der aus ihnen gezogenen Schltisse, seheint es doch, dass man sich dabei manchmal die organischen Verhgltnisse zu einfach vorstellt. Wit kolnmen damit leicht in die Gefahr, dass s ich au f m o r p h o l o g i s c h e m G e b i e t e i ihnl iche I r r t hUmer w i e d e r h o l e n , wie sie vor 3 0 - - 2 0 J a h r e n u n t e r den P h y s i o l o g e n ~hn l i chen S t r ebens v o r g e k o m m e n sin& Da waren Ernahrung und Sekretion bloBe Diffusions- und Filtrationsvorggnge, Wachsthum war bloBe Quellung, Bildung einer Niederschlagsmembran um einen Tropfen war Zellbildung.

,>Bei den [~bertragungen der Ursachen anorganischer Gestal- tungsvorg~nge auf iihnliche organische Gestaltungen wird leicht der

Page 16: Für unser Programm und seine Verwirklichung

234 Wilhelm Roux

Wirkuugsantheil der experimentell geprUften Komponenten an den organisehen Gestaltungen Uberseh~ttzt, indem sie als alleinige oder als die formbeherrschende aufgsfasst wird. Dabsi wird dann Ubersehsn. dass fast jsde K o m p o n s n t e im Org 'anisehen durch andere ent - g e g e n w i r k e n d e Kr~tfte mehr oder w s n i g e r , ja derart inihrem Antheile an der sehlisBlichen Resultants beschr~tnkt w s r d e n kann, dass ihr Anthsil gar nicht mshr erkennbar ist. Im Bereiehe an- org'aniseher Blasen z. B. h e r r s c h e n bei ~tuBerer Ruhe die PLATEAU- sehen G e s e t z e der B l a s e n s p a n n u n g ; im Bereichs der Organismen kann ihnen dureh aktivs Leistungen, dutch Spannungen und Kon- traktionen, also unter Kraftaufwand, vollkommen Widerstand ge- leistet werden; sbenso wie der Diffusion durch lsbende W:~tnde aktiv widerstanden werden und FlUssigksit entgegen dsn Gesetzen der Filtration nach der Seite des Uberdruekss abgeschieden wsrden kaun. Die Salze des Fischeies unterliegen erst naeh dem Tods dessslben der Diffusion; und kleine Insekten leben l:,tngere Zeit in einer Luft, in der sis nach ihrem Tode in wenigen Minuten ein- trocknen.

>)Die bei solchen l~bertragungen vsrwendete U m k e h r des Satz~s: , g l e i che U r s a e h e n g e b e n g l e i ehe W i r k u n g s n ' in: , g l e i ehe W i r k u n g e n b e r u h e n au f g l e i c h e n U r s a c h e n ' ist uns meiner Meinung naeh a u f o r g a n i s c h e m G e b i e t s zur Ze i t n icht g e s t a t t e t ; ich babe das fi'tiher schon an manehen Bsispielen dar- gelegt. So z. B. sind die Aste der B~ume an ihrem Ursprunge sehr Khnlieh kegelfSrmig gestaltet, wie das Lumen der Blutgef'aI~e am Astursprunge; auch finder beim Ursprunge eines relativ dicken Astes am Baume eine Ablenkung des Stammes nach der anderen Seite statL, wie dies bei den Blutgsf~tBen auch gssehieht; ~leichwohl be- ruhen disss beiderlei Gsstaltungsn auf wesentlich anderen Ursachsn.

~)Der Seh luss : , g l e i c h e Wirkunf fen haben g l e i che Ur- saehen ' i s t bloB be i , v o l l k o m m e n e r ' l~bs re in s t immung d i e se r W i r k u n g e n g e s t a t t e t ; sr setzt also fur uns die v o l l k o m m e n e Kenntnis der Wirkungen voraus, dis wir zur Zeit auf organisehem Gebiete in k e i n e m F a l l e h a b e n und selbst auf anorganisehem Gsbiete oft entbehren (1, Bd. II. pag. 92).

>>Wir kSnnen z. B. an sinem in bestimmter Riehtung laufenden B i l l a r d b a l l e nicht erkennen, ob er disss Bewsgimg macht, weil er in dieser Riehtung cinch c e n t r a l e n StoB erhalten hat, oder weil gleichzeitig oder nach einander zwei StSBe entsprechend versehiedener Richtungsn auf ihn gewirkt haben. Wenn wit aber nieht bloB yon

Page 17: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 235

seiner sichtbaren Massenbewegung, sondern auch yon der bei dem AnstoBe stattgefundenen ]~nderung seiner Molekularverhaltnisse voll- kommene Kenntnis h~ttten, w e n n wir also die s t a t t g e h a b t e ,Wir- kung ''~ , vo l l kommen ' k e n n t e n , wt i rden wir d iese U r s a c h e n r ich t ig e r sch l i eBcn kSnnen. Ist die Kugel aus weniger elasti- scher und weicherer Substanz, so werden die beiden StiiBe auBerlich sichtbare EindrUcke hinterlassen, und bei genauer BerUcksichtigung" dieser N c b e n c h a r a k t e r e werden die Ursachen des Vorganges richtig'er zu beurtheilcn sein.

>>Wit mUssen uns stets gcgenwfirtig halten, dass d iese lbe Form auf sehr v c r s c h i e d e n e Weisc und durch e n t s p r e c h e n d ve r - s c h i e d e n e U r s a c h e n h e r v o r g e b r a c h t w e r d e n kanu. Derselbe Gegenstand kann bildlich in gleichcr GrSBe mit vollkommen gleichcn Kontouren und Schatten dutch Holz- und Steinschnitt, durch Stahl- und Kupferstich, in Photographie und Lichtdruck etc. hergestellt sein; trotzdcm c rmSg l i ch t uns die B c r U c k s i c h t i g u n g de r Cha- r a k t e r e , zwc i t e r ' Ordnunng , d iese Art se iner H e r s t e l l u n g zu e rkenne~ .

~)Da wir kaum jc vo l l kommene Kenntnis eines organischen Bildungsvorganges gcwinnen werden, so ist cs nSthig, um trotzdem auf seine Ursachcn schlieBen zu kSnnen, bewusst und sorgfitltig die Merkmale zwe i t e r , j a d r i f t e r Ordnung a u f z u s u c h e n , welche an sich schon, besonders aber in ih ren V a r i a t i o n e n oft z i cml i ch zuverl:,tssige Schl i isse a u f die U r s a c h e n g e s t a t t c n .

~Doch giebt es auch Fiille, in denen selbst die Merkmalc zwciter Ordnung zwischen organischen und anorganischcn Gestaltungen Ubcr- einstimmcnd erscheinen, obwohl die beidcrlci Vorg~nge nicht auf denselben Ursachen beruhcn. Das ist z. B. bei der ktinstlichen l~ach - ahmung der Kopulation der Geschlechtskerne dutch die S c l b s t v e r - e i n igung z w e i e r C h l o r o f o r m t r o p f e n , die auf alte, gestandene, w~tsserige KarbollSsung gethan wordcn sind (s. l, Bd. II. pag. 34), der Fall. Hierbei finder auBer der aktiven N~therung eine p r a c h t - volle groBe R a d i a t i o n in der F l i i s s igke i t s ta t t ; gleichwohl beruht der Vorgang auf Wirkungsweisen, die im Ei nicht miJg- lich sind.

>~Die o rgan i s che ~Natur b ie te t oft g e r a d e das G e g e n t h e i l zu dem Satze : , g l e i che W i r k u n g e n h a b e n g l e i che U r s a c h c n ' dar iindcm v e r s c h i e d e n e Ursachen die g l e i c h e n G e s t a l t u n g e n hervorbringen). Diese Thatsache berechtigt zu dem Ausspruchc, dass die o r g a n i s c h e n F o r m c n v ie l fach k o n s t a n t c r sind, als die

Archiv f. Entwickelungsmechanik. V. I(}

Page 18: Für unser Programm und seine Verwirklichung

236 Wilhelm Roux

Arten ihrer Ents tehung , also auch kons tan ter , als ihre un- mi t te lbaren Bi ldnngsursachen. Die vergleichende Entwicke- lungsgeschichte hat dafiir bekanntlich viele Beispiele geliefert. Hier nur eines: die Gattung Peneus z. B. durchl~iuft in ihrer Ontogenese ein Naupliusstadium; das Endprodukt aber ]st eine Garneele; wSh- rend die Ubrigen Garneelen des Naupliusstadiums ganz entbehren.

~,Die Entstehung Desselben auf ve r sch iedenem Wege gilt aber nicht bloB fiir Thiere verschiedener Arten und Gattungen; sondern auch fiir Thiere derselben Art, ja fUr ein und dasselbe Individuum. Es sei zun~tchst an diejenigen Organismen erinnert, die sieh normaler Weise auf zweierlei Art: sowohl durch die ~tuBerlieh nicht differen- zirten Eizel len, wie durch Se lbs t the i lung des en twieke l ten Individuums vermehren. Ferner gehiJrt hierher die Re- und Post- generation: Ein rechter oder ein vorderer halber Froschembryo produeirt die fehlende Halfte naeh, wobei die Entwiekelungsvorg:ange zum Theil wesentlich andere sein mUssen, als bei der normalen Entwickelung.

,,Diese Ver sch i edenhe i t der Bildungsweisen derselben End- produkte, die bei manchen Regenerationen sogar unter denselben ~uBeren Formwandlnngen verlanft wie die Entwickelung aus dem Ei, gab mir Veranlassung zur Unterseheidung zweier verschiedener Ent- wiekelungsarten: der typ i schen (bei den hSheren Thieren der allein ,normalen') Entwiekelung aus dem ganzen Ei, und der a typ i sehen sive regu la to r i sehen Entwieke lung , oder derjenigen Entwicke- lung, welehe nach Selbsttheilung oder naeh kUnstlicher Theilung des entwickelten Individuums, sowie auch bei StSrungen der normalen Entwiekelung, z. B. bei sehr hochgradigen Deformationen der Eier etc. statt hat., (1, Bd. II. pag. 94.)

In der E in le i tung zu dem Archiv fiir En twicke lungs - meehanik ist dann die Methodik der entwiekelungsmechanisehen Forsehung ansftihrlich (auf pag. 10--24) ~largelegt, wovon indess unserem Kritiker wieder nur wenig bekannt ist; daraus sind hier, das Vorstehende ergiinzend, noch einige Stellen naehzutragen, welche fur die Diskussion tiber HERTWIG'S Einwendnngen yon Bedeutung sind.

Die No thwend igke i t des causa l - ana ly t i s chen Exper i - ments als des Hauptmittels causaler Forsehung wird in folgender Weise begrUndet (2, pag. 10):

~Das ges ta l t ende Wirken f indet im Organismus in ~>un- sichtbarer,< Weise statt; wir kSnnen nicht sehen, wie die Ganglien- zellen der VorderhSrner auf die Ausbildung der Muskeln wirken, wie

Page 19: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Ftir unser Frogramm un(l seine Verwirk[ichunff. 237

die vermehrte Aktivit~,tt das Waehsthum der Organe anregt, wic etwa yon Zellen ausgeschiedene Stoffe auf andere Zellen chemotropisch anlockend wirken; ja nicht einmal, dass Zellen beim Wachsthum sich drticken und so passive Formbildung der betreffenden Thcile veranlassen. Alles d i e s W i r k e n kSnnen wit nur ,erschl ie l ]en ' .

~Die Ermittelung dieser Wirkungsverh~tltnisse wird fcrner da- durch wesentlich erschwcrt, dass das e igent l iehe ges t a l t ende Wirken im Verh~ltnis zum Verlauf der si6htbaren "~.nderung so rasch sich vollzieht, dass selbst bei Produktion grSBerer Umge- staltungcn das ursiiehliche Wirken, das Antecedens der Wirkung, also der Folge, i n j e d e m Momente quant i ta t iv fast immer nur um ein Di f fe ren t i a l voraus ist, derart, dass man z. B. selbst bei eventueUen passiven Deformationen nach His (wie ich experi- mcntell ermittelt hubs, s. 1, Bd. II. pag. 248) diessn Vorgang nicht durch Entfernung der drliekenden Theile fsststellen kann, wsil die dutch Prsssung hervorgebrachte Form jederzeit bereits fast vollkom- men im inneren Gleichgewicht ist und in jedem Moment nur ein letztes Minimum der Anpassung noch fehlt, so dass ein passiv de- formir tes Gebilde nach der Entfernung der driickenden Theile nicht, gleich cinem gebogenen Gummischlauch nach dem Aufhiiren der biegenden Kraft sogleich in seine friihere, erste Ausgangsform zurUck- kehrt (2, pag. 11).

~>Da ferner bei der normalen Entwickelung des Individuums jederzcit viele Ver~nderungcn gleichzeitig stattfinden, so kSnnen wir aus den Beobachtungen dieser Ver~inderungen bloB schlieBen, dass die ,Gesammthei t ' der frUheren Ver:,tnderungen die ,Ur- sachs' der Gesammthei t der ihr fo lgenden Ver~tndcrungen ist oder sein kann; wir sind aber nicht im Stande zu sehlieBen, yon ,welcher ' der frUheren Ver~tnderungen , jede e inzelne ' der spiiteren VerKndernnffen abh~ngig ist (2~ pag. ll).

>>Dis aus verg le ichenden Beobachtungen der normalen onto- genetischen und phylogenetisshen Gsstaltungen geschSpften causalen Ableitungen gew~hrsn nie ,volle ' S icherhe i t , weil der bs- obashte te Zusammenhang yon E r s c h s i n u n g e n kein ,d i rek- ter: zu sein braueht , sondern auf den Wirkungen dri t ter , noeh unbekann te r Komponenten bs ruhen kann. Denn die organischen Vorgiinge der typischen s. normalen Entwiekelung der 0rganismen sind so uni ibersehbar mannigfaeh und rii thselvoll , dass wir, zumal je tz t am A~@ange exakter urs~c~licher Forsc]~ungen~ nis mit S icherhei t das Vorhandense in solcher gemeinsamer

16"

Page 20: Für unser Programm und seine Verwirklichung

238 Wilhelm Roux

d r i t t e r und w e i t e r e r K o m p o n e n t e n v e r n e i n e n k S n n e n ; um so weniger, als stets nur ein k l e i n e r The i l des s e k u n - d~tren ode r ter t i~i ren G e s c h e h e n s in den Be re i ch u n s e r e r B e o b a c h t u n g s f i i h i g k e i t f~llt , w~hrend a l les prim~ire Ge- sehehen der organisc]~en Gesta l tung unserer W'ahrnehmun9 entzogen ist. Durch verglelchende Beobachtung des normalen Gc- schehens k6nnen daher Wirkungsweisen wohl ,ermittelt ~, aber nich, t ,bewiesen' werden.<< (Unter ~ermittelt,< ist hier, wie aus der Gegen- tiberstellung ~>bewiesen,< hervorg'eht, bloB gemeint: ))als v i e l l e i c h t betheiligt erkannt~ ; HERTWTG ist es nieht gelungen, dies zu verstehen, sondern er hat beide Ausdrticke als identisch aufgefasst.)

~>Dies mUssen wit uns stets gegenwi~rtig halten; wit diirfen bloB aus Beobachtungen des t y p i s e h e n , no rma len Gesehehens er- sehlossene W i r k u n g e n nie fth" vollkommen gesiehert halten, sondern mUssen uns bestreben, noeh d i r e k t e B e w e i s e fUr sie zu erbringen, (2, pag. 12; siehe aueh oben pag. 225).

~,Sicherhei# iiber ursiiehliche Ableitang vermag allein das Experi- ment zu geben~ sei es das ~t~iinstllche JExperiment ~ oder das ~Naturexperiraent ~ als V'ariatlon, Missbildung oder anderes pat]w- logisches Geschehen; so lche S i e h e r h e i t ist a b e t auch h i e rbe i noeh nu t un te r Ber t tcks ieh t igung" m a n n i g f a c h e r , oft s ehwie r ig e i n z u h a l t e n d e r V o r s i e h t s m a B r e g e l n zu g e w i n n e n (2, pag'. 13).

,In dem Experiment wird oder ist b e s t e n F a l l e s blol] ,eine' , und zwar eine uns b e k a n n t e Komponente veriindert; und wir er- kennen an den Folgen dieser Anderung diejenigen Erseheinungen, die mit dieser Komponente in Zusammenhang stehen.

,,ErfahrnngsgemiiB liegt aber die Saehe nicht so einfach; sondern wir haben bei organisehen Objekten aueh nach dem kUnstliehen, analytisehen Experiment of t die .qr6flten Schwierigkeite~,, die Folgen a u f die r icht igen Ursachen zuri iekzuf i ihren; wir mtissen zuniiehst das betreffende Experiment oft w i ede rho l en , um konstante Resultate zu erzielen, und es dann noch >>mannigfaeh mod i f i - cirem~, um die r i c h t i ~ e n U r s a c h e n e r m i t t e l n zu kSnnen. Dies riihrt wieder daher, dass auch hier noeh die Verhiiltnisse so komplieirt liegen, dass wir die prim~ir a l ter ir ten Komponenten selbst beim ki inst l ichen JEingri f f o f t nicht geniigend kennen, weil~ wenn wir bloB eine einzige Komponente geandert zu haben glauben, dutch zus iiuBere oder inhere Umstiinde oder durch unbeabsiehtigte :[qebenwirkungen unseres eigenen Eingriffes deren mehrere alterirt worden sind. Aber nur wenn wir die sichere 1Jberzeugung haben

Page 21: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Ftir unser Programm und seine Verwirldiehung. 239

diirfen, class wirklieh keine andere als die yon uns b e r U e k s i e h t i g t e e i n e Komponente ge~tndert worden ist, ktinnen wit sehon aus einem einzigen (NB. oft wiederholten) Experiment einen sicheren causalen Schluss ableiten, (2, pag. 14).

~,Diese Uberzeugung resp. Einsieht werden wir abet nut sehr selten bei Experimenten an Organismen haben. Die Folge davon ist, dass so h~tufig, wenn wit glaubten, unter ganz g l e i e h e n Um- st~tnden und in gleieher Weise wie frUher experimentirt zu haben, gleiehwohl v e r s e h i e d e n e Resultate sieh ergaben. So lange wit nieht wenigstens bei v i e l f a e h e n W i e d e r h o l u n g e n desselben Ex- periments dasselbe Resultat erhalten, diirfen wit also Uberhaupt keinen Sehluss ziehen. Und jetzt, beim Anfang unserer Forschungen, wo wir noeh k e i n e n U b e r b l i e k t iber die v o r k o m m e n d e n ,Wir- k u n g s w e i s e n ' haben , wird es oft unentbehrlieh sein, d i e s e l b e F r a g e auf m e h r e r e , m~g l i ehs t v e r s e h i e d e n e Weisen e x p e r i - men te l l in A n g r i f f zu nehmen; und ers t , wenn d iese v e r - s e h i e d e n e n E x p e r i m e n t e a u f d e n s e l b e n u r s ~ e h l i e h e n Zu- s a m m e n h a n g h inwe i sen , dUrfen wi t als e rwiesen a n n e h m e n , dass d iese r der r i e h t i g e ist. (Genaueres siehe oben pag. 231.)

;>3Iit Hilfe soleher Experimente vermtigen wit einmal die dureh , v e r g l e i e h e n d e ' B e o b a c h t u n g e n der ,normalen ' G e s t a l t u n g e n (SB. vermuthungsweise) e r m i t t e l t e n B e z i e h u n g e n zu prUfen, wie andererseits auf viele neu au fg ' e s t e l l t e F r a g e n uns Antwort zu verschaffen, Antwort zu erzwingen.,

fJber den gewiihnliehen Gang unserer causalen Untersuehungen wird dann ausgefUhrt (2, pag. 15):

Ehe wit die ursltehliehen Wir k u n g s w e i s e n ihren Eigensehaften naeh bestimmen ki~nnen, mtissen wit zunitehst feststenen, z w i s e h e n w e l c h e n The i l en Uberhaupt g e s t a l t e n d e W i r k u n g e n s t a t t - f inden; das heiBt, wit mUssen die ,iJrtliehkeit' der gestaltenden Wirkung'en feststellen (2, pag. 15).

�9 Naeh oder sehon gleiehzeitig mit tier wirkliehen Ermittelung" soleher ,Or t l ieher ' Verh i i l tn i s se der g e s t a l t e n d e n U r s a e h e n werden wir uns zu bestreben haben, Momente aufzusuehen, welehe die ,Griifse' und ,Richtung' der g ' e s t a l t e n d e n Vorgi inge bestim- men; gleiehzeitig oder sehon vorher kann weiterhin die ,Zeit' tier N o r m i r u n g maneher dieser Gestaltungen ermittelt werden; denn es ist nieht ntithig, dass diese Gestaltverhaltnisse erst mit dem sieht- baren Auftreten der betreffenden Gestaltungen selber bestimmt werden.

>,Im Gegentheil, bei v o l l k o m m e n n o r m a l e m , d. h. vollkommen

Page 22: Für unser Programm und seine Verwirklichung

240 Wilhelm Roux

typischem V e r l a u f e de r i n d i v i d u e l l e n E n t w i c k e l u n g mUssten ,alle ' t y p i s c h e n G e s t a l t u n g e n sp~ tes tens be re i t s im b e f r u c h - t e t en Ei, sei es imp l i c i t e in ihren anfanglichsten Komponente'n oder schon exp l i c i t e in bereits sichtbaren Gestaltungen~ i r g e n d w i e b e s t i m m t sein. Doeh ist anzunehmen, dass es (vielleieht) voll- kommen ,typisehe' Entwiekelung iiberhaupt nieht giebt (.~. 1, Bd. II. pag. 9S0), sondern dass im Laufe jeder individuellen Entwickelung~ kleinere oder grSi~ere S tS rungen vorkommen, welche durch Akt i - virung' yon R e g n l a t i o n s m e c h a n i s m e n ausg'eglichen werden. Es w~tre also gcnau genommen in z e i t l i e h e r Hinsicht nur zu ermitteln, innerhalb welcher frtiheren Entwickelungsphasen sparer sichtbar werdende Gestaltungen auch dureh sonstige stSrende Einwirkung'en n i ch t m e h r v a r i i r t w e r d e n k S n n e n ; und in f o r m a l e r Hinsieht: yon , w e l e h e n ' f rUheren , sichtbaren oder unsichtbaren Ges ta l - t u n g e n j e d e b e t r a e h t e t e sp~ te re G e s t a l t u n g bes t immt wird, so wie z. B. n o r m a l e r Weise die Medianebene des Embryos durch die erste Furche und diese durch die Kopulationsriehtung" des Eikerns and des Spermakerns bestimmt wird (2, pag'. IS).

~>Sp~tter werden wir dann den nrs:AeMiehen Wirkungsweisen selber n~ther zu treten suchen, indem wir uns bestreben, ih re Qualit:At zu ermitteln and die allgemeineren Wirkungsweisen nachzuweisem yon deren K o m b i n a t i o n diese Wirkung selber nur ein Fall ist.

~,Das ,analytische' E x p e r i m e n t g'iebt uns zu a l le dem r e i c h - l iche Geleg 'enhei t . Durch Isolation, Verlagerung, ZerstSrung. Sehw~icbung, Reizung, falsehe Verbindung, passive Deformation, Anderung der Ern~thrung u~d der FunktionsgrSBe yon Theilen des Eies, Embryos oder weiter ausgebildeten Individuums, sowie durch besondere Einwirkung you Agentien, wie Licht, W:.irme, Elektricit~it and chemischen Verbindungen oder Elementen auf Organismen und andererseits dureh Entziehung gewohnter Einwirkung'en wird cs uns mSglich sein, v i e l e r l e i g e s t a l t e n d e W i r k u n g e n der The i l e der Org 'an ismen au f e i n a n d e r k e n n e n zu le rnen. So werden wit z. B. durch Durehsehneidung" und vertausehte Vern~ihung der Ansatz- sehnen des M. biceps und triceps brachii bei sehr jugendlichen Thieren den mSgl ichen E in f lu s s de r Muskeln a u f die Ge- s t a l tungsverh :Al tn i s se der G e l e n k e n d e n und der Gelenkkapsel, durch quere keilf6rmige Excision aus langen Knoehen kombinirt mit Krappftitterung die Vorg~tnge der funktionellen Anpassung der Knochenstruktur and damit die Art ihrer n~tehsten Vermittelung kennen lernen (2, pag. 19).

Page 23: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 241

~Durch solche ktinstliehen Eingriffe werden wir zuni~chst das Bestehen yon ,abh:,tng'igen D i f f e r e n z i r u n g e n ' , also yon d i f f e - r e n z i r e n d e n W e c h s e l w i r k u n g e n vieler Theile feststellen kSnnen, welche geniigend welt yon einandar entfernt sind, um sie mit unseren groben Hilfsmitteln yon einander isoliren zu kSnnan, ohne durch die scb:,tdigende N:,iha der Verletzungsstelle ihre Labansfi'rhigkeit aufzuheben.

>~Scllon jetzt aber waisen manehe Ergebnisse darauf hin, dass bei normalem Entwickelungsverlauf die , s p e c i f i s e h e n ' Ursaehen vieler Differenzirungan ganz oder fast ganz in den veriinderten Theilen, selbst schon in sehr kleinen Theilen liegen; so dass also selbstlindige Differanzirungsbezirke in frUher Zeit eine oder wenige Zallen umfassen kiinnen. So eng lokalisirte Differenzirungsvorg:~tnge bieten der Erforsehung viel grSgere Sehwiarigkeiten dar; und da aueh die g e s t a l t e n d e n GrundvorgKnge : die Assimilation, das Waehsthum, die Selbstbewegung und die qualitativen Differenzirungen der Zellen ganz oder doch zuni~chst im B e r e i e h e des u n s i c h t b a r Kle inen sich vo l l z i ehen , so werden wit zur Aufhellung dieser Gestaltungsvorg~nge in gleicher oder noeh weiter gehender Weise yon der H y p o t h e s e a u s g e d e h n t c n G e b r a u c h m a e h e n mtissen, wie die Physik und Chemie es bezt|glich der Grundvorg~ng'e der ihr zugehSrigen Wirkm~gen zu thun gen(ithig't siud. Dabai werden auch wir gleich den Forsehern dieser Gebiete diejenigen Annahmen, welche die meisten Thatsachen arkl~tren und neue Thatsachen mit Erfolg vorauszusagen gestatten, als die der Wahrheit am n~tchsten kommen- den batrachtan; und ceteris paribus werden wir dabei auch der seheinbar ,einfacheren' Erkl~trung zun:,iehst dan Vorzug geben, ohne indess vergessen zu dUrfen, dass wir uns in dieser Hinsicht aus dell obe~ angegebenen GrUnden leicht wesentlich irren kSnnen (2, pag. 19).

>)Das E x p e r i m e n t an L e b e w e s e n ha t a b e t e ine beson- dara , G a f a h r a n e i n s c h l i e g e n d e E i g e n s c h a f t d a d u r c h , dass as in manchen Fitllen, wie bei Dafekten und gewissen S t S r u n g e n der Anordnung' yon Theilen g'egen einander, Verh~tltnisse satzt, in denen der O r g a n i s m u s n i ch t mit den g e s t a l t e n d a n M e e h a n i s m e n der t y p i s c h e n oder n o r m a l e n E n t w i c k e l u n g , s o n d e r n mit dan Regu la t ions - und R e g e n e r a t i o n s m e c h a n i s m e n de r a t y p i s c h e n s. r e g u l a t o r i s e h e n E n t w i c k e l u n g , z. B. dcr Regeneration, r e a g i r t (s. I, Bd. II. pag. S 11).

,Die atypische Entwickelung vollzieht sich in hohem Mal~e unter r e g u l i r e n d e n W e c h s e h v i r k u n g e n v ie lc r oder, wie wohl

Page 24: Für unser Programm und seine Verwirklichung

242 ~v nnelm ~oux

bei grSBeren Defekten und StSrungen niederer Thiere, sogar zeit- weil ig al ler Thei le des Organismus. Sie unterscheidet sich dadurch wesentlieh yon der normalen s. typisehen Entwiekelung des befruchteten Eies, welehe beim Ausbleiben jeder StSrung (oder auch nach StSrungen noch eine geringe Zeit lang) stattfindet und vielfach unter hoehgradiger Se lbs td i f fe renz i rung umgrenz te r Bezirke sich vollzieht (wobei aber natUrlieh die Veriinderung innerhalb dieser Bezirke auf Wechselwirkung" der Theile derselben beruht) (2, pag. 20).

�9 Die Wirkungswei sen j ede r dieser beiden En twicke - lung'sarten mUssen er forseht werden.

~In der Akt iv i rung der Mechanismen der a typ i schen s. r egu la to r i schen En twieke lung liefft aber t ines der grSBten Hindernisse fttr die Er forschuug der Ges ta l tungsweisen der normalen s. typ ischen Entwickelung.

~Bei denjenigen ,n iederen ' Organismen, bei welehen die Regene ra t ion nach einem Defek t oder nach einer StSrung der Anordnung der Thei le , rasch ' einsetzt , ist daher der Werth des Exper imen t s fur die Er fo r schung der ,normalen' En twicke lungswe i sen sehr verr inger t . Dageffen ist es ein groBer Vorzug der ,hSheren ' Organismen, dass bei ihnen diese Regula t ionsmechan ismen , besonders auf sp~tterer Ent- wicke lungss tufe , viel ge r inger an Leistungsf~thig'keit und zum Theil auch sehwerer, d. h. erst sp:,iter nach der stiJrenden Ein- wirkung aktivirbar sind, als bei dan niederen Thieren.,< Diese geringere Leistung der regulatorischen Entwiekelung bei Mensehen und S~tugethieren wird durch das Vorkommen yon grol~en Defekt-. bildungen an ganz oder fast ganz reifen Friiehten bewiesen, z. B. durch das Vorkommen eines fast ganz reifen, aber nur die vordere Hi~lfte eines Kalbes darstellenden FStus (Hemitherium anterius, s. 1, Bd. II. pag. 446, 828); beim Menschen dutch die Geburt yon Kindern mit fehlenden Extremitiiten, ja mit fast fehlendem Rumpf bei leidlich normal entwiekeltem Kopf oder umgekehrt mit Fehlen des Kopfes, w~thrend sehon bei Amphibien und abw~trts davon in Folge der

rasehen Regeneration und Postgeneration solche Defektbildungen nieht als entwiekelte Missbildungen vorkommen.

�9 Dieser giinstige Umstand ges ta t t e t , gerade bei den uns am n~chsten s tehenden Organismengruppen der S~ugeth iere die Vorg~nge der ,normalen ' En twicke lung mit Hilfe des ,Exper iments ' e ingehend zu studiren.,,

~ Vdir d~rfen uns nicht ver~eMen, dass die causale JE~forscl~ung

Page 25: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unsor Programm und seine Verwirklichung. 243

tier Organismen eine tier schwierigsten~ wenn nic]~t die schwierigste Aufgabe ist, an die der ~]lenschengeist sich gewagt hat; und dass sie, wie jede causale Wissenschaft, hie das Stadium der Vollendung er- reichen wird, da jede Ermittelung einer Ursaehe neue Fragen nach den Ursachen dieser Ursache gebiert.

~)Da viele Aufgaben der E n t w i e k e l u n g s m e e h a n i k fUr die experimentelle Forschung fast oder ganz unl(isbar sein werden, so ist es nSthig, dass die E n t w i c k e l u n g s m e e h a n i k al le Ar ten und Wege der c a u s a l e n E r f o r s e h u n g der O r g a n i s m e n und ihrc E r g e b n i s s e fur ihre Z w e e k e zu v e r w e n d e n suehe , so wei t dies i rgend mSgl ich is t , also k e i n e b i o l o g i s e h e Dis- cipl in dUnkelhaft z u r U c k w e i s e , und dass sie auBerdem fast noch mehr als die Ermittelung ,einfacher Komponenten' die Zerlegung der Gestaltungsvorgiinge in besti~ndige ,komplexe Komponenten' pflege.~.. (HERTWIG sncht, unter Versehweigung der vorstehenden und ~thnlicher Stellen sowie dutch tendenziSse Auslese aus meinen Schriften darzu- thun, dass ieh alle ailderen biologisehen Diseiplinen als inferior und far die ~hohe neue Wissenschaft~, als unbrauehbar beurtheilt hatte.)

Die Leser der Einwendungen HERTWIG'S werden aus den vor- stehenden Citaten ersehen haben, dass die yon ihm erhobenen Be- denken, welche die Schwierigkeiten und Gefahren des biologischen Experiments betreffen, vorher schon yon mir erkannt und bereits mehr ins Einzelne gehend erSrtert und gewUrdigt worden sind, als yon ibm. und dass dieser Autor, wie schon bei anderer Gelegenheit, es nicht fUr angemessen gefunden hat, sich auf meine Ausftihrungen zu be- ziehen; meine Leser wissen, dass yon mir auch ein gntes Mittel g'egen diese Fehlerquellen angegeben worden ist, welches HERTWIG aber Far gut befunden hat zu verschweigen, um statt seiner etwas ganz Falsches zu beriehten (s. oben pag. 232 Anm.).

l~brigens mUssen HERTWIG die Schwierig'keiten erheblich geringer erscheinen als mir, weil es nach seiner Meinung' die z w e i yon mir unterschiedenen und charakterisirten Ar ten der E n t w i c k e l u n g : die typische und atypisehe, gar nieht g{ebt, sondern weil naeh ihm nut e i n e Art der Entwickelung existirt. Abet gerade die zwei ver- schiedenen Entwickelungsarten sind es, welche uns die Schliisse vom E x p e r i m e n t auf das no rma le Geschehen erschweren. Zum GlUck sind aber, wie erwi~hnt wurde, bei den h 5 h e r e n Thieren die Leistungen der a t y p i s c h e n Entwickelung sehr gering, wesshalb den an diesen. z. B. schon den am Frosche angestellten Experimenten in mancher Hin- sieht der Vorzug vor den an niederen Thieren (Seeigeln) angestellten

Page 26: Für unser Programm und seine Verwirklichung

24~ Wilhelm Roux

Versucheu zu geben ist; eine Sachlage, die noeh jetzt yon vielen Autoren nicht genUgend gewtirdigt wird.

An HERTWm und einige andere Forseher waren dann die fol- g'enden Worte geriehtet (2, pag'. 23):

,>Die am w e n i g s t e n f r u e h t b a r e Art, E n t w i eke l ung ' s - m e e h a n i k zu t r e iben , ist es aber wohl, jetzt am Anfange exakter beztiglicher Forsehungen auf Grund des geringen Thatsaehenmaterials s ieh b e r e i t s in ausg ' edehn ten und z a h l r e i c h e n A b h a n d l u n g e n t i b e r d i e L e i s t u n g ' e n u n s e r e s E r k e n n t n i s v e r m S g e n s a u f d i e s e m G e b i e t e sowie tiber den Antheil entgegeng'esetzter Gestaltung'sprin- Gipien (Evolution, Epig'enesis) an den EntwiGkelungsvorgttng'en zu e r g ' e h e n .

>~Wohl war es zum Eindringen in die vorliegenden Probleme nSthig, die alien Gegens:,itze der E v o l u t i o n und E p i g e n e s i s in v e r t i e f t e r W e i s s zu beg rUnden und SiG aufs Neue aufzu- s t e l l en (s. 1, Bd. II. pag'. 5}, abet night behufs endloser theoretisGher ErSrterung'en, sondern um als Unter lag 'e ftir e x a k t e ForsGhnngen zu dienen. Immerhin ist es noeh als nUtzliGh zu bezeiGhnen, dass danaGh versuGht women ist, fiir jede der m(igliehen Anffassungen das zu ihrer Sttitze geeignete ThatsaGhenmaterial zusammenzustellen. Fortgesetzte Diskussionen abet, some die vorzeitig'e Abgabe und Vertretung absehlieBender, einseitig'er Urtheile Uber diese noeh un- bekannten Verh~tltnisse kSnnen die jung'e causale RiGhtung nut i n ihrem Ansehen seh:~idig'en und ziehen auBerdem die ohnehin noeh spttrliehen, ihr sieh widmenden Kr~ffte yon fruGhtbarerer Thiitigkeit ab.

,,Die bisherigen Richtungen der Biologie: die b e s e h r e ib e n d e Z o o- logic , Ana tomie und E m b r y o l o g i e some die P h y s i o l o g i e s te l - len die uner l i tss l iGhen Vorbed ing ' ungen der EntwiGkelnng 's- m e e h a n i k dar ; denn sie lehren uns die ThatsaGhen an Formen und Vorgi~ngen, deren ursitGhliehe Erkl~trung die Aufgabe der letzteren ist.

,~Auf Grund der , F o r m v e r g l e i c h u n g " p r o d u e i r e n a b e t A n a t o m i e und E m b r y o l o g i e auGh e a u s a l e E r k e n n t n i s , welGhe so we i t geht , als die Verg le iGhung das E x p e r i m e n t zu er- s e t zen vermag.

>,Es sind oben die logischen Grtinde dargelegt worden, aus denen sigh ergiebt, dass dieser Ersatz kein vollkommener sein kann. Immer- hin ermitteln sowohl die vergleiGhende Anatomie, wie die vergleichende Embryologie viele gestaltende Beziehungen unter den Theilen der Organismen, welGhen, sofern sie auf gentigend mannigfachem Be- obachtungsmaterial beruhen, zur vollen Gewissheit nur noch der

Page 27: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 245

direkte Bewcis durch das ktinstliche oder natiirliche Experiment fehlt. So welt diese Disciplinen ursiiehliehe Erkennlnis zu Tage fgrdern, so weir sind sie selber Entwiekeho~gsmee]~ardk ; und da sic dies in aus-

9iebigem :]Ia~6e thun und gethan haben, so slellen sie nut historise]~ vo~ [etzterer gesonderle Disciplinen dar (2, pag. 24).

)Die Entwickelungsmeehanik wird als die Lehre yon den Ur- sachen dcr organischen Gestaltungen dereinst die gemeinsame Grund- lage a l ie r a n d e r e n b io log i sehen D i s c i p l i n c n abgeben und, in steter Symbiose mit ilmen, einen hervorragenden Antheil an der LSsung der Probleme des Lebens nehmen (2, pag. 38).

IIb. B e s p r e c h u n g der E i n w e n d u n g e n O. HERTWIG'S und e ines B c d e n k e n s O. BiJTSCItLI'S g e g e n d iese Methodik .

Da wir im ersten Absehnitt gesehen haben, dass HERTWIG das W e s e n t l i c h e , das Neue unseres Programms gar nieht erkannt hat, weil es auf einer Denkweise beruht, die heterogen yon der seinigen ist, so erscheint es selbstverstandlieb, dass uir nach seiner Auffassung auch keiner b e s o n d e r e n Methodik bent i thigen. Er beabsichtigt nun auBerdem noch darzulegen, dass wit auch keine besondere Methodik h aben , was die Leser der vorstehenden Rekapitulation wohl etwas tiberraschen wird. Seine Auffassung erkl:~trt sich einfach dadurch, class er auch in dieser Hinsicht wieder das Wesentliche unsercr Ansichtcn, als seinem Denken heterogcn, gar nicht appercipirt hat. Er schreibt zwar in den wSrtlichen Citaten das Wort a n a l y t i s c h e s causales Experiment mit ab, geht abet an kciner Stclle auf dieses wesentliche Moment mit einer Silbe ein. Wie sollte auch Jemand, far den es keine gestaltend wirkenden Kri~fte und Kr~i f tckombi - na t ionen g ieb t (s. obcn pag. 58), und ftir welchen diese Kombi- nationen daher auch nicht in die einfachen, elementaren gestaltendcn Kr:,ifte zerlegbar sind, die G e s t a l t u n g e n selber denkcnd causa l a n a l y s i r e n und die so gewonnenen Hypothesen dutch a n a l y t i s c h e Experimente priifen kSnnen?

Die Methodik der Entwickelungsmeehanik besteht nach dem in extenso Berichteten kurz bezeichnet: erstens in der Z u s a m m c n - fassung a l le r causale Erkenntnis und der die nSthigen Vorkenntnisse gcwahrendcn biologischen Disciplinen: der deskriptiven Anatomic und Entwickeiung'sgeschichte, der Zoologic, der vergleiehenden Anatomie und vergleichenden Entwickelungsgeschichte, ferner mancher Theile der Physiologic, besonders aber der Pathologic, Chirurgie, Ortho- p~idie etc., und zweitens in dcr k o n s e q u e n t e n A n w e n d u n g e ine r

Page 28: Für unser Programm und seine Verwirklichung

246 Wilhelm Roux

b e s o n d e r e n Art des E x p e r i m e n t s auf die Probleme der Ursachen der normalen Gestaltungen der Organismen: des c a u s a l - a n a l y - t i s c h e n morphologischen Experiments.

Leider steht die Gesammtheit dieser Kenntnisse und Leistungen nirgend in P e r s o n a l u n i o n ; und es kann daher nur durch das Z u s a m m e n w i r k e n v i e l e r Au to ren diese nSthige Gesammtheit, diese Zusammenfassung producirt werden; und es ist ein wenn aueh bis jetzt in Folge Mange l s an R e f e r e n t e n noch nicht erreichter Hanptzweck des Arehivs fur Entwiekelungsmechanik, dutch Referate auch eine l o k a l e V e r e i n i g u n g a l les Dessen, was diesen so ver- sehiedenen Gebieten zu entlehnen ist, abzugeben.

HERTWIG citirt zun~tehst als Motto unsere Bemerkung: ))Die U n i v e r s a l m e t h o d e des e a u s a l e n Ana tomen wird

ebenso wenig die Anwendung des Messers wie des Farbstoffes oder des MaBes, sondern einzig die G e i s t e s a n a t o m i e , das a n a l y - t i sche , causa le D e n k e n sein.,,

Er kritisirt diese :(uBerung durch die Bemerkung: >,Was dieser sonderbare Ausdrnck, G e i s t e s a n a t o m i e ' bedeuten

soll, e n t z i e h t sich u n s e r e m Ver s t~ndn i s ; denn wie soll eine Zer - g l i e d e r u n g des Ge i s tes eine Methode sein, um unsere Erkenntnis der Ursachen des organischen Entwiekelung'sprocesses zu f(irdern?~

Der Genitivus auctoris ist HERTWIG als0 nicht bekannt. ~=ach dieser Interpretation wUrde der gleich danach yon ihm selber ge- brauchte Ausdruck: ~,Messeranatomen<< somit A n a t o m e n bezeichnen, die das Messer ze r l egen ; also die Messer- und Seherenschleifer~).

V o l k s s t i m m e bedeutet also naeh HERTWIG nieht die Stimme, welehe vom Volke ausgeht, sondern eine Stimme, welche zum Volke spricht, Zellwachsthum bedeutet, dass die Zelle pass iv vergrSBert wird, statt dass sie diese Thatigkeit selber ausUbt, Zellwanderung, dass die Zelle durch etwas Anderes fortbewegt wird.

I-IERTWIG erkl~trt dann pag. 65 nur fUr die E r f o r s c h u n g der a n o r g a n i s c h e n iNatur das E x p e r i m e n t ftir >)nSthig,<, well diese sich, wie er meint, so w e n i g ver~tnder t , indem sie verhiiltnismiiBig unveranderlich ist, und well die Dinge nur, so welt sie sich verandern, Gegenstand causaler Erkenntnis sein k~innen.

Anders ist dies bei der o r g a n i s c h e n ~Natur. Da diese sich fortw~hrend ver~ndert, so ist es nach ihm nicht nSthig, die Ver-

1~ Soleher Deutungen meiner Worte bringt HERTWIG mehrere; wir be- gniigen uns mit der Reproduktion dieser einen Probe, da wir glauben, dass er den guten Geschmack des biologischen Publikums zu gering beurtheilt.

Page 29: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 247

~nderungen zum Zwcak causaler Untersuehung erst kUnstlieh her- vorzurufcn. Er sagt wSrtlich (pag. 66):

�9 Im Organismenreieh ist es gar nieht nothwendig, erst einen spr~den Stoff durch das Experiment gewaltsam zu ,Ver~tnderungen' zu zwingen: map braucht ,nut' die Ver~tnderungen, die der Lebens- process selbst am K~rper yon Pflanzen und Thieren fortw~thrend hcrvorruft, zu ,beobachten' und ,in ihren nrs~tchlichen Zusammen- h~ingen zu begreifen ~. D a h e r , k a n n ' die B io log ic in a u s g e - d e h n t e r e m Mal]e e ine ,nut unmittelbar beobachtende' W i s s e n - s c h a f t sein. Auch ohne Experiment fehlt es ihr hie an wUrdigcn Gegenst:,tnden zur Erforschung.,<

Seine Auffassung wird noah deutlicher durah die diesem Passus folgende ~uBerung (pag. 67):

~,Im Entwickelungsprocess eines Thieres legt die Natur dem Forscher ihre Geheimnisse ,often' vor, bietet ihm eine Quelle un- ermesslicher Erkcnntnis, die n ich t e r s t d u t c h das E x p e r i m e n t e r s c h l o s s e n zu w e r d e n braucht .~

Darttber sind wir nun freilich der cntgcgcngesetzten Ansieht: Wir sagen:

Im siehtbaren Entwickelungsprocess eines Thieres legt die Natur dem Forscher nur die Resnl|ate ih re r v e r b o r g e n s t e n gehe i m- n i s v o l l s t e n Vorg:,inge vor, d c r e n E r k c n n t n i s zum grSBten T h e i l nur du reh das k t t n s t l i c h e E x p e r i m e n t in K o m b i n a - t ion mit dcm N a t u r c x p e r i m e n t e r s c h l o s s e n w e r d e n kann.

HE,TWIn meint weiterhin (pag. 68): ~Man vcrgcsse nicht, dass das Experiment nur ein Hilfsmittel dcr Beobachtung bildct und k e i n e s w e g s den z a h l r c i c h e n a n d e r e n H i l f s m i t t e l n t iber- l cge n i st, mit denen der Naturforschcr z~thlend, w~igend und messend, vergrSBernd und zerlegend in die Erscheinungswelt tiefer einzu- dringen sucht. ,~

3Ieine Lescr wissen, dass ich ftir das Allgemeine der Forschung diesem Satze zustimmc, dass aber fur e x a k t e c a u s a l e Erkenntnis ich dem Experiment den Vorzug vor allen andercn Hilfsmitteln zu- erkenne, ohne letztere desshalb for e n t b e h r l i c h zu halten; freilieh gebtihrt dieser Vorzug nur e i n c r besondercn Art des Experiments, wclche HERTWIG in ihrer Besonderheit ganz entgangen ist: dam a n a l y t i s c h e n causalcn Experiment.

~'brigens ist es sclbstverstitndlieh, dass ein Autor, der sich mit der Erforschung bloB der allgemeinstcn unbestimmtcsten Causalzu- sammenhi~nge zufrieden giebt, des Experiments nur in viel geringerem

Page 30: Für unser Programm und seine Verwirklichung

248 Wilhelm Roux

Umfange beni~thigt, als derjenige, welcher, wie wit, die spec ie l l en Ursachen des e i n z e l n e n Geschehens etc. ermitteln miichte. Bei seinen geringen causalen AnsprUchen braucht HERTWIG in der That das Experi- ment nicht als die causale Forschungsmethode zeta' i~oTj;v aufzufassen.

[Jbrigens erkennt der Autor an, dass manches biologische Ge- schchcn dutch das Experiment erforscht werdcn kiinne; indess be- schr~nkt er dieses Anerkenntnis dutch die Ansicht (pag. 74): , E x - p e r i m e n t e l l e E i n g r i f f e in den E n t w i c k e l u n g s g a n g l i e f e rn im GroBcn und Ganzen nu t M a t e r i a l zur P a t h o l o g i c de r Ent - w i c k e l u n g ; sie tragen so namcntlich zur E r k l i i r u n g dcr dutch natUrliche Zufalligkeiten erzeugten M i s s b i l d u n g e n bei. Dagegen mUsscn wi r c n t s c h i e d e n in A b r e d e stcllen~ dass das Experi- ment das erfolgreichste Mittel fur cine causale Erkli~rung des no r - m a le n Entwickelungsprocesses sein soll. (~

(Pag. 77.) ~Die , n o r m a l e ' E n t w i c k e l u n g wil l d u t c h s ich s e lb s t erkl~tr t w e r d e n und nicht durch Artefacte and Monstrosi- tiiten. W e n n dahe r das S t u d i u m de r n o r m a l e n E n t w i c k e - lung zu a n d e r e n E r g e b n i s s e n f i ihr t , als das S t a d i u m der M i s s b i l d u n g e n , so l ieg t die grSBere B e w e i s k r a f t au f dc r S e i t c des e rs te ren .~

(Pag. 78.) ~Warum aber die Thatsache, welche das yon Menschcn k t in s t l i ch oval geformtc Ei lehrt, lchrreicher sein and e inen be- we i sk r~ i f t i ge ren Sch luss g e s t a t t e n soll, als die T h a t s a c h e n , w e l c h e die b~atur uns l ehr t , indem sie den Eiern verschiedener Thierarten ungleiche Formen and manchen auch eine ovale Form gab, k a n n ich n ich t e in sehen . Mir ist die Natur ein wenig'stens ebenso zuverl~issiger Lehrmeister als der cxperimentirende Anatom. Ich miJchte sogar dem V e r f a h r e n der Natur , welches uns in den verschiedenen, sich gegenseitig ergiinzcnden ~aturobjekten and ihren Veri~nderungen entgegentritt, weil es stets absolut gleichartig ausFallt (? Ref.) nnd die strengste Gesetzm:~tBigkeit zeigt, e inen hShe ren W e r t h als den m e n s c h l i e h e n E x p e r i m e n t c n bei- l egen , deren Ergebnisse immer geringe Variationen darbieten.~

Da wit diese Frage frUher schon wiederholt behandelt and die GrUnde unserer Auffassung ausfiihrlich dargelegt haben, bitte ich die Leser die bezUglichen Stellen auf den vorstehenden pagg. 225, 229, 234~ besonders 237 nochmals .nachzulesen.

(Pag. 80.) ,Es giebt gewiss vicle Fragen, denen man nur mit Hilfe des E x p e r i m e n t s auch in der Biologie niiher treten kaun; d iesen aber e inen h( iheren E r k e n n t n i s w e r t h be i zum esscn ,

Page 31: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 249

als F r a g e n , a u f w e l c h e uns schon ,die B e o b a c h t u n g de r (seil. normal gestaltenden, Ref.) Na tu r ' mit anderen Methoden Anskunf t g iebt , l i eg t k e i n l o g i s c h e r Grund vor. Die Art des Hilfsmittels, mit welchem eine Entdeckung gemacht wird, ent- scheidet nicht tiber ihren grff~eren oder geringeren Erkenntniswerth.(<

Sofern die ,Entdeckung,< wirklich s i e h e r gemaeht ist, trifft Letzteres zu. Nur giebt es eben sehr viele Fragen, und sie bilden gerade die Mehrzahl der uns angehenden, auf welehe die ,Beobaeh- tung der :Natur<~, das soll heiBen des no rma len Bildungsgeschehens, eben keine b e s t i m m t e s i che re Auskunft giebt, w~thrend wir doeh eine solche wiinsehen und sie auch in einer bis jetzt noch gar nicht zu iibersehenden Zahl yon Fallen mit Hilfe des analytischen Ex- periments erzwingen kSnnen. Es ist kein Hinderungsgrund, dass dazu oft e ine ganze Re ihe >>versehiedenartiger~< V e r s u c h e nSthig sein wird.

Der Autor ftihrt ferner aus, dass man bei der Untersuchung eines Gegenstandes, z. B. einer Fabrik, mit dem Experiment a l le in niehts ausrichten kann, dass zuerst mSglichst genane Kenntnis des Banes n(ithig ist etc.: Es sind dies bereits yon anderen Autoren wie yon mir ge~tuBerte Selbstverst~ndlichkeiten, die aber hier als gegen mich gerichtete :Neuheiten vorgetragen werden.

Ebenso erwahnt HERTWIG die oben von mir rekapitulirten sowie lange vor mir sehon yon versehiedenen Autoren betonten besonderen S e h w i e r i g k e i t e n der D e u t u n g des b i o l o g i s e h e n E x p e r i m e n t s .

I h m e i g e n i s t d a g e g e n erstens, dass er aus d iesen S e h w i e r i g k e i t e n k e i n e n A u s w e g f inde t und desshalb dem Ex- periment den grSl3ten Theft seines Werthes absprieht, und zweitens der Satz, dass man aus dem E x p e r i m e n t am O r g a n i s m u s ke ine Sehl t isse a u f das ~ n o r m a l e , , B i l d u n g s g e s e h e h e n z iehen, sondern aus ihnen nnr das E n t s t e h e n yon Missb i l - dungen e r k l ~ r e n kSnne.

O. SCHULTZE hat sehon lange vor HERTWIG diesen letzteren Ein- wand erhoben; und meine oben (pag. 231) reprodueirte Darlegung yon der :Sothwendigkeit der Anwendung mehrfaeher v e r s e h i e d e n - a r t i ge r Ver suehe zur Erforsehung d e s s e l b e n Vorganges bezog sieh anf die Ausfi|hrungen dieses Autors; derselbe hat den gleiehen Einwand aueh neuerdings noeh auf dem Anatomenkongress zu Berlin vertreten (Verhandlgn. 1896. pag. 126).

In anderer Form hat ein ~thnliehes Bedenken O. B(~TSCttLI (3) geauBert, indem er sagte:

Page 32: Für unser Programm und seine Verwirklichung

250 Wilhelm Roux

�9 Ob zwar gerade das Streben der Entwickelungsmeehanik, den Entwiekelungsgang dutch E in f t ih rung n e u e r Re ize zu beeinfiussen, das g'ewtinschte Resultat herbeifUhren wird, scheint mir etwas zweifel- haft, indem h i e rdn rch e ine noch grSBere K o m p l i k a t i o n ge- s c h a f f e n wi rd , ans der e r f o l g r e i e h e SehlUsse doch meist nut dann gezogen werden kSnnten, wenn die Mechan ik des nor- ma len E n t w i e k e l u n g s g a n g e s in den Grundz i igen b e k a n n t ware. Letztere daher mSglichst aufzukl~iren, erschiene mir das vor Allem erstrebenswerthe Ziel.,

Dagegen mSchten wir daran erinnern, dass unsere ExperimentG nicht immer in Einftihrung neuer Reize bestehen, und dass durch das Experiment am Lebenden auch nicht immer eine noch grtiBere Kom- plikation gesehaffen wird; so bet E l i m i n a t i o n yon einem oder mehre- ren Faktoren (z. B. TSdtung ether Furchungszelle), sofern dadurck nicht r egu la to r i s ehG Wirkungen ausgelSst werden.

Aber auch wenn wir durch das Experiment am Lebenden immer nur erst noeh grSBere Komplikationen sehaffen wUrden, so kSnnten wir desselben doeh aueh schon yon vorn he re in night e n t b e h r e n , um" ,die Meehanik des normalen Entwiekelungsganges in den Gruffd- zUgen zu ermitteln~. Um uns diesem, wig BLTTSCHLI zutreffGnd sagt: vor Allem erstrebenswerthen ZiGle zu n~ihern, bedarf es nach unserer Meinung eben durchaus der ExpGrimente am lebenden Organismus.

Denn der andGre, yon Bg~TSCHLI selber u. A. eingeschlagene experimentelle Weg: der k i ins t l i chen N a e h a h m u n g o rgan i - seher V o r g f i n g e ' u n d G e s t a l t e n mit a n o r g a n i s e h c m Mate- r ia le , ist, wie ieh gelegentlich einiger eigenen solchen VGrsuehe (l, Bd. II. pag. 35 und 10, pag. 40) dargethan habe, fur sigh allein, also ohne die Erganzung dm'ch das Experiment am lebendGn Or- ganismus, zu causalen Ableitungen organiseher Gestaltungen im Allge- meinen wenig sieher und erscheint mehr nur yon h e u r i s t i s e h e m W e r t h e ; ganz abgesehen davon, dass dieser Weg Uberhaupt nur auf sehr beschr~inktem Gebiete zu Erfolgen fUhrt. Es ist mir night bekannt~ ob BgTTSCttLI sigh bet seinen Worteu diesen Weg als E r - satz des Experiments am Lebenden gedacht hat; ich vermuthe es nur, einerseits weil wir gerade ihm auf diesem Wege eine Anzahl sGhr wichtiger und die Anwendung auf das organische Geschehen (auf die Protoplasmabewegung und -Gestaltung) in der That sehr nahelegen- der Ergebnisse (12) verdanken; und andererseits, weil er selber frUher (s. oben pag. 78) das Unzureichende der allein durch Ver- g l e i c h u n g des N o r m a l e n gewonnenen ursiichlichen Erkenntnis

Page 33: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 251

derart betont hat, dass bei AussehlieBung auch des Experiments am Lebenden kein andercr Weg causaler Forsehung verbleibt.

Wissen wir auch nieht, ob BiJTSCHLI seinen Ausspruch also ge- meint hat, so stellt doch diese Art des Experimentes trotz des ihr anhaftenden 51angels ein wiehtiges Hilfsmittel der causalen Er- forschung der Organismen dar. Wir haben daher die miigliehe Ver- werthung derselben hier mit zu er~rtcrn.

IIc. Uber die V e r w e n d u n g des ) ,anorganischen, , E x p e r i m e n t s zu Schl t issen au f die U r s a e h e n ),organiseher, , G c s t a l t u n g e n .

Die bereits yon M. TRAUBE (13) im Jahre 1867 mit Gltick zur Herstellung seiner angebliehen ,~kUnstlic]ten Zelle,, angewandte Art des Versuches ist im letzten Decennium aufs Neue und mit Ausdauer und entspreehend weitgehendem Erfolge in Verwendung gezogen worden, um Aufkliirung tiber die Ursachen einfaeherer allgemeinerer organiseher GestaltungsvorgRnge zu gewinnen. Diese Methode be- steht in der kUnsfliehen Hervorbringung yon den organischen miig- liehst tihnlichen Gestaltungcn durch rein anorganische Wirkungen. Mit anderen Worten ist es der Versuch , den organisehen mi~glichst ahnliche Gestaltungen und VorgRnge d u t c h a n o r g a n i s e h e Krt i f te sich se lbe r bi lden zu lassen (s. 10, pag. 72). Wir erinnern an die schiincn Experimente yon G. BERTHOLD (14), O. BL)TSCHLI, G. QUINCKE (15) tiber dem Protoplasma ~thnliche Struktur an Massen, die sogar mit den Protoplasmabewegungen sehr ~ihnliche Bewegungen zeigen; ferner an meine Selbstkopulation yon Tropfcn (1, Bd. II. pag. 34), an M. HEIDE~nAIN'S Modell der Zclltheilung (16), an RHU~tnLER'S bezUgliehe Versuehe (17), ferner an meine kUnstliehe Bildung der versehiedenen Furehungssehemata aus Oltropfen (10) u. A.

Der Vorzug dieser Versuche besteht darin, dass wir die gc- s t a l t e n d e n Krl i f te hierbei yon der Physik und Chemie her kennen, oder sie doeh relativ leicht ermitteln k(innen; der Naehtheil aber ist der, dass es selbst bei sehr vollkommener Ubereinstimmung der anorganischen mit den organischen Gestaltungen doch Uberaus sehwer ist, yon den Ursaehen des anorganischen Gesehehens mit S i che r - he i t auf diejenigen des organisehen Gesehehens zu schliellen. Ieh sagte daher in diescr Hinsicht, nachdem ich in einer Special- untersuchung eine auffallende U~bereinstimmung zwischen der An- ordnung und Gestaltung koncentrisch zusammengepresster ()ltropfe~ mit den typisehen oder als Variationen auftretenden Anordnungen und Gestaltungerr yon Furehungszellcn der Eier des Frosehes und

Archly L Entwickelungsmechanik. V. 17

Page 34: Für unser Programm und seine Verwirklichung

252 Wilhelm Roux

vieler anderer Thiere erwiesen hatte (10, pag. 40): Es liegt uns nun ob, zu e rmi t t e l n , wie w e i t d i e se / J b e r e i n s t i m m u n g der G e s t a l t u n g e n au f e ine r Ubere ins t immung" der U r s a e h e n beruht .

Da tiber solche SehlUsse wiederholt Unklarheit zu Tage ge- treten war, so wurde der hier im Speeiellen vorliegenden und durch besondere Experimente am lebenden Objekt zum Theil .gel~sten Auf- gabe eine allgemeiner gehaltene Einleitung vorausgesehiekt, die hier noeh Platz finden m~ge (10, pag. 40--42).

�9 Es muss unser Bestreben sein, das organische Geschehen n i eh t blol] a u f d e n k b a r e , m~gl ieh e r s c h e i n e n d e oder w a h r - s che in l i ehe , auch nicht nur auf e i n f a c h s t e U r s a c h e n , sondern auf seine w i r k l i e h e n U r s a c h e n zurUckzuflihren.

�9 Daher ist es nach der Erkenntnis einer ,mSglicherweise' be- theiligten Komponente, nach dem Naehweise, dass sie so lche ge- s t a l t e n d e n W i r k u n g e n , wie sie in dem untersuehten organisehen Geschehen vorliegen, h e r v o r z u b r i n g e n v e r m a g , stets unsere zwei te , meis t s c h w i e r i g e r e , abe r a u c h we i t w i c h t i g e r e A a f g a b e , zu e rmi t t e l n , ob d iese U r s a c h e in den yon uns studirten organisehen Gestaltungsvorgiingen auch die t h a t s a c h l i c h , w i r k s a m e ' ist.

�9 Ohne d ie sen N a c h w e i s haben unsere Ableitungen bloB den Werth yon V e r m u t h u n g e n . Wenn wir solehe Vermuthungen mit Gewissheiten verwechseln und mehrere derartige Sehltlsse auf ein- ander setzen, so erriehten wir ein PhantasiegebKude, welches yon der Gefahr bedroht ist, bei der ersten genauen empirisehen PrUfung zusammenzufallen.

�9 Diese Sachlage wird zur Zeit yon manchen Biologen eausalen Strebens nieht genligend gewUrdifft.

~Wenn z. B. gezeigt worden ist, dass eine anor f fan i sche Komponente ~hnliehe oder anseheinend gleiche Wirkungen hervor- ~ubringen vermag, als sie im Bereiche organisehen Gesehehens be- obaehtet werden, so wird yon Manehem ohne Weiteres, yon Anderen ohne genUgende Priifung, angenommen oder gar behauptet, diese Komponeute sei auch die wirkliche Ursache der ~hnlichen orga- nischen Gestaltungen. Auf die Unzul~ssigkeit soleher Folgcrungen babe ieh wiederholt hingewiesen (1, Bd. II. pag. 33, 93, 1019), jedoch ohne den gewUnschten Erfolg; denn man fahl~ fort auf Grand einiger f o r m a l e r ~ . h n l i c h k e i t e n Iden t i tKten der U r s a c h e n zu fol~ern; und doch v e r m S g e n s e h r v e r s e h i e d e n e U r s a c h e n

Page 35: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 253

ansche inend denselben Ef fek t he rvorzubr ingen ; und das organische Geschehen ist meist so komplieirt, dass wit seine Kom- ponenten noch nicht ann~ihernd zu tiberschauen vermSgen.

~Da eS~ weiteres JBe~arren ~ solchem Vorge~en die j'unge, eausale l~ie]~tung der Biologie sowohl in i~ren JLelslungen wie in ihrem ~4nsefien aufs Schwerste se~iidigen muss, so sei bier aufs Neue au f die 2~liingel dleses Verfahrens hingewiesen.

�9 Ehe aus der A h n l i e h k e i t der Wirkungen einer a n o r g a - n i schen Komponente mit o r g a n i s e h e n Gestaltungen mit S icher - heit auf e i n e I d e u t i t i i t d e r U r s a e h e n g e s c h l o s s e n w e r d e n da r f , sind noch z w e i e r l e i N a c h w e i s e zu erbringen.

,>Erstens der Iqaehweis der wi rk l iehen Ubere ins t immung in allen besonderen, d. h. ftlr die angenommenen Ursachen charak- te r i s t i sehen Wirkungen bis in die Merkmale z w e i t e r u n d e v . d r i t t e r Ordnung. Diese Ubereinstimmung ist nieht uur in nor= maleu Verh~tltnissen, sonderu besouders aueh in anderen, you uns experimentell hervorgebrachten Verhiiltnissen, in denen die Wirkung der angenommenen Komponeute abgesehw~eht oder verst~trkt sein miisste, zu priifen.

~Zweitens ist der N a c h w e i s des B e s t e h e n s der s o g e - n a n n t e n , V o r b e d i n g u n g e n ' der entsprechendeu Wirkung dieser Komponente, also riehtiger bezeiehnet, der Nachweis des Vorhanden- seins auch der anderen Komponenten, die zur bezUglichen Wirkung der ins Auge gefassten ,Hauptursache' mit niithig sind, zu erbringen.

�9 Somit ist die g l e i c h z e i t i g e E r f o r s c h u n g m e h r e r e r K o m p o n e n t e n n i i th ig , da die organisehen Gestaltungsvorgauge meist dutch mehrere Komponenten bediugt sin&

,Da ferner die Wirkung der einen Komponeute dureh andere Komponenten alterirt und erstere so der charakteristischen Merkmale ihres Einzelwirkens oder ihres vorherrschenden Wirkens beraubt werdeu kann, and daher solehes Wirken nur da oder dort theilweise zum Vorscheiu kommt, wit aber alle Ursachen zu ermittelu streben, so liegt wiederum Veranlassung vor, g l e i e h z e i t i g nach zwei o d e r m e h r U r s a e h e n zu fo r sehen .

>)Da dies oft auf direktem Wege nicht in genUgendem MaBe m~iglich ist, so ist zum Ersatz weiterhin zu prUfen, ob nieht audere Fak to ren ebenso weit die g le ichen Wirkungen he rvorb r ingen kSnneu, als yon uns die thats~tchliche Uberein- stimmung der beiderseitigeu Erscheinungen fest~estellt wurde. Er- seheint dies mSglieh, dann ist nach den nothwendig unterseheidenden

17"

Page 36: Für unser Programm und seine Verwirklichung

254 Wilhelm Roux

Merkmalen der Wirkung dieser beidedei Faktoren zu suehen, sei es im normalen Gesehehen, sei es auf experimentellem Wege.

~Ist es nieht miiglich, diese Nachweise in genUgendem MaBe za erbringen, sind sie also nieht, genligend erbracht, so mUssen wir nns gegenw~rtig halten, dass aueh der Schluss auf die angenommenen Ursaehen ein noeh uns iehe re r , unzuverl~tssiger ist; und wir haben ihn so lange als solchen mit e n t s p r e c h e n d e r Vor- s ieht and B e s e h r ~ n k u n g zu v e r w e r t h e n , bis durch weitere, oft auf seheinbar ganz enflegenen Gebieten gemaehte Beobachtungen, neue genUgende Sicherungen gewonnen sind.

))Diese Uns iehe rhe i t wird j e t z t , beim Beginne exakter causaler Untersuchungen auf dem Gebiete der Zoobiologie l a n g e Ze i t den m e i s t e n u n s e r e r e a n s a l e n A b l e i t u n g e n a n - ha f t en ; und wir werden in Folge der tlberaus groi~en Komplicirt- heit des organischen Geschehens Uberhaupt zuni~chst erst ein- real eine gr(iBere Anzahl yon causalen Er fahrungen e rwerben mUssen, ehe wit dutch die gegense i t ige Kon- t rol le und StUtze dieser E r f a h r n n g e n zu e in iger S iche rhe i t in nnseren Able i tungen gelangen.,~

•aehdem wit dann durch besondere Experimente am lebenden Material erkannt batten, dass trotz bester Ubereinstimmung der yon uns aus (~ltropfen hervorgebrachten Konfig~rationen mit den beim Froschei beobachteten Furehungsschematen gleichwohl im Ei zu einem wesentliehen Theil a nde re Ursaehen diese Konfiguration bestimmen, and naeh AnfUhrung ~hnlieher Beispiele schlieBen wir mit der Folgerung (10, pag. 72):

~)Gleichwohl haben die bier angestellten ~anorganischen, Experi- mente aueh ein posit iv ntltzliehes Ergebnis geliefert, in so fern wir erst durch den genauen Verg le ich der anorgan i schen mit den ~thnliehen organ ischen Gestal tung'en die E igenschaf ten der le tz te ren genau genug e rkann ten , um zu r i ch t ige ren SchlUssen tiber die nachs ten Ursachen dieser Ges ta l tungen befah ig t zu werden. Dies wird sich auch in vielen anderen Fallen als der erste Nutzen solcher ,anorganischer ~ Versuche erweisen.

Damit ist wohl diese Saehlage gekennzeiehnet and der Weg zu einer allmiihlich yon Irrthtimern frei werdenden Veruendung dieser Art des Experiments gentigend angedeutet.

Page 37: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 255

l id. Z u l a s s i g k e i t und B e d i n g u n g e n des Sch lusses vom mor- pho log i sehen E x p e r i m e n t am , lebenden,< O rgan i sm ns a n f

das ~normale, , G e s t a l t u n g s g e s e h e h e n .

Um die Schwierigkeiten, die der richtigen Deutung des am lebenden Organismus angestellten eausal-morphologischen Experi- ments entgegenstehen, zu Uberwinden, wurde frUher sehon ein Mittel an die Hand gegeben (s. o. pag. 231), das in der Anwendung ve r - s e h i e d e n a r t i g e r Experimente zur Ermittelung und PrUfung der- se lben Frage besteht. Es wurde dies an einem Beispiel mit drei versehiedenen Experimenten dargethan, yon denen HERTWIO jedoeh bloB das e ine Experiment erw~hnte, so dass es falsehlieh seheint, als hatte ieh dies Experiment far sieh allein als die feste Grundlage des Urtheils bezeiehnet.

Wahrend dieser Autor wegen der Schwierigkeiten der Deutung des Experiments am Lebenden diesem Hilfsmittel nur geringen Werth beilegt, gesehieht meinerseits trotz derselben das Gegen- theil; ieh sehe gar nieht mit Sorge oder Resignation anf diese Sehwierigkeiten, zumal da bereits andere biologisehe Diseiplinen wie die Physiologie und die experimentelle Pathologic sic erfolg- reich zu.bekampfen gelernt haben. Al le in den F o r s e h e r n a u f dem Gebie te der ~normalem< Morpholog ie s ind d iese Sehwie - r i g k e i t e n neu und schrecken, wie es seheint, die noch nieht mit ihnen Vertrauten ab.

Auf dem Gebiete der anorganisehen Forsehungen waren friiher ~hnliehe, zum Theil nieht geringere Sehwierigkeiten zu tiberwinden; and dies ist mit gntem Erfolg gesehehen. Man denke an die ersten Analysen und Synthesen der Chemiker resp. der Alehemisten. Das streng a n a l y t i s e h e D e n k e n und das entspreehende Experiment haben, naehdem man einmal his zu dieser Methode fortgeschritten war, raseh Klarheit in dies Chaos gebraeht. Obsehon uns unsere Sinne nur Sehe in zuftihren, der absolut versehieden ist yon dem wirkliehen Gesehehen, haben wir doeh auf diese Weise ermittelt, dass z. B. die rothe Farbe an sieh gar nieht Roth ist, sondern dass sic Sehwingnngen yon 625--800 ~t~t L~nge darstellt. Das ist wohl ein herrlieher, dnreh K o m b i n a t i o n v e r s e h i e d e n a r t i g e r E x p e r i m e n t e gewonnener Triumph. Da wir Biologen das organisehe Gesehehen bloB auf die yon den Physikern und Chemikern be r e i t s e r m i t t e l t e n Wirkungsweisen resp. auf die ihnen supponirten Krafte zurUek- fUhren wollen, so ist also wenigsten s in d i e se r H i n s i e h t die Anf- gabe fUr uns einfaeher.

Page 38: Für unser Programm und seine Verwirklichung

256 Wilhelm R o u x

Freilich haben wit in anderer Hinsicht viel gr(iBere Schwierig- keiten vor uns, da wit sehr hi~ufig einen noeh g e s e h l o s s e n e n Kom- p lex unUbersehbar mannigfaltiger Wirkungsweisen zu bearbeiten haben, den wir nicht in einzelne Komponenten zerlegen kSnnen, ja aus dem wir nieht einmal wie der Physiker eine Komponente iso- l i r en and allein zur PrUfunff verwenden kSnnen; wohl abet kSnnen wir in manehen Fallen eine Komponente oder eine Gruppe yon Komponenten allein a l t e r i r e n und auf diese Weise in ihren Wir- kungen erforsehen.

Dem entsprechend habe ieh reich frUher folgendermaBen ge~iuSert: So weit die Ontogenese S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g der einzelnen Ze l l - t he i l e ist, so welt bildet sie f feschlossene Komplexe, welche wit wohl nur wenig erforschen kSnnen; so weit aber d i f f e r e n z i r e n d e W e c h s e l w i r k u n g e n zwisehen Zellen and Zellkomplexen, oder auch nur zwischen den Ze l l t he i l en , die yon uns gesonderten Ver~inde- rungen unterworfen werden kSnnen, wie Zellleib, Zellkern und Cen- trosoma an der Entwickelung Antheil nehmen, so welt vermSg'en wi r zuni ichs t d iese d i f f e r e n z i r e n d e n W i r k u n g s w e i s e n zu e r fo r sehen . Das betrifft z. B. manche Ursachen der Wachsthums- a n r e g u n g , also der WaehsthumsgrSBe, ferner der Wachsthums- r i e h t u n g der Zellen, der Zellenwanderung, Zellengestaltung, gestal- tender Wirknngen zwischen Zellleib and Zellkern, sowie zwisehen dem Centrosoma und den beiden anderen genannten Zelltheilen etc.

Aber es ist nun behauptet worden, dass man aus dem Experi- ment am Lebendeniiberhanpt nicht auf das ~normale~ Gesehehen sehliefsen k~inne, einmal weil man dureh das E x p e r i m e n t ~,ab- norme,, V e r h a l t n i s s e setze, also p a t h o l o g i s c h e R e a k t i o ~ e n erhalte [0. SCHULTZE, HERTWIG]; zweitens, weil die O rgan i sm en i n k o n s t a n t r e a g i r e n , indem in g ' le icher Weise beeinflusste In- dividuen von gleicher Entwiekelungsstufe und derselben Species ve r - s c h i e d e n e Resultate erg~ben [D[cIESCH (l$), HERTWm (pag. 71 u. 72)].

Um mit dem letzteren Einwande zu beginnen, so kann uns der Umstand, dass bei biologischen Versuchen sehr oft s c h e i n b a r in g l e i c h e r Weise a n g e s t e l l t e E x p e r i m e n t e v e r s c h i e d e n e Resul- tare e rgeben , nicht veranlassen, das Experimentiren einzustellen, sondern nut es zu verbessern.

Dieses Ergebnis ist auch keineswegs dem Experiment am L e b e n d e n eigenthiimlieh, sondern es kommt bei physikalischen Experimenten hi~nfig in gleicher Weise vor; aber dem einsichtigen, dem sogenannten ~guten~ Experimentator gelingen seine Experimente,

Page 39: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 257

weil er die vielen kleinen ~Nebcnumst~tnde, die zum Gelingen nSthig sind, zu ermitteln und auch die st(irenden Momente fern zu halten versteht.

Das ist schon jetzt bei vielen biologischen Versuchen gleich- falls mi~glicb~ wenn auch meist viel schwieriger zu erreichen; es wird successive bei immer mehr Versuchen gelingen. Jetzt kSnnen wir schon nach B e l i e b e n aus einem h a l b e n Froschei einen h a l b e n oder einen ganzen Embryo machen, und zwar letzteres auf zwei ganz vcrschiedene Weisen: entweder nachtrliglich aus einem halben Embryo den ganzen oder sogleich yon vorn herein.

Die Physiologen, Pathologen und Pharmakologen lassen sich durch diese Komplikationen nicht abhalten; sic sind, wenn sic etwas ganz Neues erforschen wollen, darauf gefasst, dass sic erst eine grol]e Reihe erster Orientirungsversuehe machen mUssen, ehe sic dahin gelangen, ihre specielle Absieht mit Erfolg ausftihren zu k~nnen.

Es ist auch keine neue Einsicht, dass die I n d i v i d u e n der- selben Art einander nicht ganz gleich sind, und dass auch ihre Reaktionen auf dieselbcn ~iuBeren Agentien, wie Kiilte, Hitze, gleiche Nahrungs- und Arzneimittel oft erheblich verschieden sind. Dies hat aber zuni iehs t ftir )>unsere~ Forschungen kaum eine Be- deutung; denn um so s p e c i e l l e Dinge handelt es sich bei unseren Aufgaben vorlKufig nicht; sondern nur um das A l l e r a l l g e m e i n s t e , um die gestaltenden Wirkungsweisen, welehe kleine oder auch groBe Theile des KSrpers auf einander ausliben. Wir stehen ja, yon HEAT- WIG abgesehen, dem )>die bTatur in dem Entwickelungsprocess eines Thieres ihre G e h e i m n i s s e ,offen ' vorlegt<, jetzt erst am Anfange exacter causaler Erkenntnis organischer Gestaltungen, und haben daher nur nach dem Allgemeinen zu streben, also naeh einer ersten Ubersicht der Ar ten des Gesenehens wie sie den Inhalt dcr )>all- g e m e i n e n E n t w i c k e l u n g s m e c h a n i k , , bilden kSnnen. Spiiter, beim Ausbau einer ~spec i e l l en E n t w i c k e l u n g s m e c h a n i k < mag man sich auch um die f e i n e r e n qnalitativen sowie ,tm die quantitativen Verschiedenheiten des Wirkens, welche die besondere Individualitiit bedingen, kiimmern. Dann werden nnsere Naehfolger aber anch bereits tiber die Wirkungsweisen im Allgemeinen schon mehr unter- riehtet sein.

Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist iihnlich der Interpretation eines groBen Geisteswerkes z. B. der Bibel: man muss erst das Ganze anniihernd Uberblicken, um ein richtiges Verst~tndnis des

Page 40: Für unser Programm und seine Verwirklichung

258 Wilhelm Roux

E i n z e l n e n zu gewinnen; yon jeder neuen Einsieht in das Einzelne aber wird aueh wieder die Auffassung des Ganzen beeinflusst uric1 alterirt.

So wird auch in der Entwickelungsmechanik oft die ~delleieht bereits fur feststehend angenommene Deutung vieler frUherer Versuehe dureh das Ergebnis eines neuen Experiments wieder in Zweifel gezogen werden;-und es muss eine neue geistige, oft aueh experi- mentelle l'qaehprUfung der bereits fUr sieher gehaltenen SehlUsse stattfinden. So werden wir dureh fortwahrende gegenseitige Berich- tigungen, wenn aueh immer yon Irrthum umfangen, uus doeh im Grollen und Ganzen s t e t i g der W a h r h e i t nahern . Dies nur ist erreiehbares Ziel, night aber die reine, absolute Wahrheit selber:

~Im Weitersehreiten find' er Qua1 und Gliiek, Er, unbefriedigt jeden Augenbliek.~

In diesem zunaehst zu erforsehenden H a u p t s a e h l i e h s t e n des Gesehehens mUssen die Eier und Embryonen d e r s e l b e n Art und Entwiekelungsstufe sieh in g l e i c h e r Weise verhalten, sofern sie in g l e i e h e r W e i s e b e e i n f l u s s t werden. Letzteres ist abet bisher oft nieht der Fall gewesen. Eier, deren eine der beiden ersten Furehungs- zellen dutch Sehi i t te ln , also dureh zahlreiehe in versehiedenen Rich- tungen wirkende StSBe zerstSrt war, wurden fur gl ei e h beeinflusst an- gesehen, wie Eier, denen dig eine Zelle durch Anstieh getSdtet worden war; die-Uberlebenden Zellen soleher Eier wurden far einander gleich gehalten, obsehon im ersten Falle die Zelle dureh zahlreiehe St(il~e in ihrer Gestalt und in ihrem Innern alterirt war, wahrend im anderen Fall mechanisehe Insulte fast fehlten. Wenn bei e in igen Thieren trotzdem in beiden Fallen dasselbe Resultat sieh ergab, um so besser; dann war es ein Beweis dafUr, dass bei diesen Thieren diese VersGhiedenheit der Einwirkung nieht yon gestaltender Bedeu- tung wurde, dass bloB die Isolation das Bestimmende war. Bei anderen Thieren aber ergaben sieh bei diesen beiderlei Behandlungen sehr versehiedene Resultate; j a soga~ bei ein und derselben Behand- lung bloll dureh SehUtteln erhielt man versehiedene Resultate: Waren wirklieh in diesen letzteren Fallen die In su l t e der versehieden re- agirenden Eier g l e i eh gewesen? Wer kann das behaupten? Man hat aueh Eier, die in einer Sehale in mehreren Lagen d ieh t gedrangt liber einander lagen, als in g l e i e h e r Weise dureh Luftmangel be- einflusst angesehen, obschon doeh die oberen Schiehten mehr Luft erhielten als die unteren; dann wurde (18) aus der Versehiedenheit der Reaktionen gesehlossen, dass Uberhaupt die Art der Reaktion nieht yon der Art des Eingriffes abhi~ngig sei, da bei g l e i e h e r

Page 41: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 259

Einwirkung so verschiedene Reaktionen stattf'~nden. Es wurde schon an anderer Stelle auf das IrrthUmliehe dieses Schlusses hingewiesen (5, pag. 428).

Wir kommen nun zu dem zweiten Einwande gegen das Ex- periment am Lebenden: dass du reh das E x p e r i m e n t am Leben- den ~abnormer Verh i i l tn i s se g e s e t z t w e r d e n , and dass daher die R e a k t i o n ~abnorm,~, somit n i eh t fur SehlUsse a u f das ~normale,, G e s e h e h e n g e e i g n e t sei.

Dieser Einwand erscheint unwiderleglieh; and doch ist er glUck- licher Weise in Bezug auf die fur unsere Forschung wesentliehsten Aufgaben, auf die Erforsehang der g e s t a l t e n d e n W i r k u n g s w e i s e n , also fur das Q u a l i t a t i v e des Gesehehens unzutreffend; nur fur q u a n t i t a t i v e Verhiiltnisse ist ihm eine wesentlicbe Bedeutung nicht abzuspreehen.

Das Unzutreffende in qnalitativer Beziehung beruht darauf, dass, so viel wir bis jetzt wissen, und wie besonders R. VIRCHOW hervor- gehoben hat, die R e a k t i o n e n , die g e s t a l t e n d e n R e a k t i o n s - w e i s e n des Organismus immer nur die n o r m a l e n G e w e b s t y p e n reproduciren. Denn die pathologisehe Forschang an Menschen and S~iugethieren hat ergeben (s. oben pag. 228), dass alle p r o g r e s s i v e n krankhaften Leistungen (Tumoren, Hyperplasien, Hypertrophien, die durch produktive EntzUndungen gelieferten Bildungen) ke ine neuen G e w e b s t y p e n hervorbringen, also keine Gewebe, die nieht im normalen Leben vorkommen, sondern nur Fibrome, Lipome, Myxome, Sarkome, Osteome, Enehondrome, Chordome, Epitheliome, Myome, Neurome, Gliome, Granulome etc., die geweblieh alle ihre nor- malen Vorbilder haben; diese pathologisehen Produkte sind noeh an die Abkunft yon ihnen selber g l e i e h e n Geweben oder deren n o r m a l e n V o r s t u f e n gebunden. D a s P a t h o l o g i s e h e b e - s t e h t h i e r b e i a l s o n u r d a r i n , dass solehe an sieh normale Gewebebildung in a b n o r m e r Gri)l~e, am u n r e e h t e n 0 r t resp. zu u n r e e h t e r Z e i t stattfindet. Es handelt sieh dabei natUrlieh nur um die ganzen GeWebs t y p e n ; im Einzelnen kSnnen die Zellen, Fasern etc. etwas variirte Gri)l~e, Gestalt and Anordnang zeigen etc. Selbst die regressiven Ver~inderungen haben zum Theil ihre normalen Vorbilder, wie die Atrophie (Sehwund), trUbe Sehwellang, Fettinfiltration, fettige, hyaline Entartang sowie Pigmentosis und Ver- kalkung; nur wenige regressive Metamorphosen, wie eolloide und amyloide Entartung, liefern Produkte ohne physiologisehe Vorbilder, also qualitativ ganz abnolTne Produkte.

Page 42: Für unser Programm und seine Verwirklichung

260 Wilhelm Roux

Aus dieser K o n s t a n z der ))progressiven~, also neue lebende Produkte liefernden R e a k t i o n s w e i s e n folgt fur uns nun Zweierlei: Erstens, dass wir aus den Reaktionen auf v e r s e h i e d e n e :,tugere Einwirkungen keine so besonderen SehlUsse auf die inneren Eigen- schaften des reagirenden Substrates ziehen kSnnen, wie es wohl mSg- lieh ware, wenn verschiedenartige Einwirkungen wesentlich verschie- denartige Reaktionen zur Fol~e h~ttten (siehe oben pag. 228). Es ist abet noeh dig Frage~ ob tiberhaupt d i r e k t , durch u n s e r e Mittel progressive Reaktionen ausgelSst werden, also auch, ob tiberhaupt die Art und Weise des Eingriffes einen Einfiuss auf die Art der Re- aktion haben k(inne. CARL WEIGERT (27) vertritt n~mlich die An- sicht, dass alle progressiven Reaktionen nur durch das A b s t e r b e n anderer Theile, dutch den D e f e k t ~ausgelSst , , werden, wonach denn in der That die ~Natur der Einwirkung an sich ftir die Art der p r o g r e s s i v e n Reaktionen ganz gleichgUltig sein muss, da sie nur dadurch, dass sic Tod lebender Theile, Defekt verursacht, die Bildun~ n e u e r Theile veranlasst.

Diese Stabilit~t der progressiven Gewebsreaktionen hat aber noeh eine zweite Seite, und diese ist fur unsere Forschung fsrder- lich. Da Uberhaupt keine abnormen, d. h. q u a l i t a t i v n e u e n lebenden Gebilde hervorgebracht werden, so ktinnen wir aus den R e a k t i o n e n a u f a b n o r m e E i n g r i f f e au f die ))normalen,.. p ro - g r e s s i v e n R e a k t i o n s w e i s e n sehlielSen. Diese Thatsache haben unsere Gegner Ubersehen. Sie bezieht sieh aber nut auf die G e- w e b e b i l d u n g als so lche , n ich t au f die G e s t a l t u n g von F o r - men und S t r u k t u r e n aus d i e s e n Geweben .

Es bleibt nun weiterhin die Frage: wie ist es, yon den Geweben abgesehen, mit den a n d e r e n g e s t a l t e n d e n Meehanismen, zumal mit den Gestaltungsmeehanismen, die" am A n f a n g und in den n~ehs t - f o l g e n d e n S t a d i e n der i n d i v i d u e l l e n E n t w i e k e l u n g th~ttig sind? Sind die gestaltlichen Leistungen hier auch sehon s tab i l , oder ktinnen auf so frUher Stufe auger den normalen auch noch andere, q u a l i t a t i v abweichende Gestal tungsvorgange stattfinden; kSnnen etwa dureh auBere Einwirkungen, welehe S tSrungen der Anord- nung im Ei hervorbringen, ganz neue G e s t a l t u n g s m e e h a n i s m e n e n t s t e h e n , die ganz absonderliehe neue, etwa gar in sich mehr oder weniger harmonisehe organisirte Gestaltungen produciren ?

Naeh der frUheren Lehre yon den Missbildungen konnte solehes in ausgedehntem Mage angenommen werden; denn da wurden yon

Page 43: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 261

menschliehen Miittern Kinder mit Hunde-, Sehaf-, Froschgestalt geboren; Enten wuchsen an Baumen. Die neuere Teratologie hat alle diese Berichte in das Gebiet der Fabel verwiesen.

Trotz dieser Richtigstellung fehlte uns aber noch die Kenntnis yon der Wirkung d i rek te r StSrung~n der inneren Anordnung der Theile des Eies. Die Frage, ob dureh solehe StSrungen etwa ganz neue Bildungsmechanismen entstehen k~nnten, war natUrlich ftir die Anwendung der experimentellen Forsehung auf den sieh entwickelnden Organismus tiberaus wichtig. Dies war der Grund, dass ieh mit ihrer Beantwortung im Jahre 1882 meine Experimente begann -(1, Bd. II. pag. 154) und im ersten Beitrag, der die Or ient i rungs- versuche tiber die vorliegenden Probleme enthalt, diese Fraffe inner- halb gewisser Grenzen zu einer Entseheidung braehte. Davon seheint keiner meiner geehrten Geg'ner Kenntnis zu haben.

Es wurden einmal Eier vor, w~hrend und nach der Furehung angestochen, wobei einerseits Theile yon Dotter austraten, und anderer- seits dureh diesen Austritt die Anordnung der zurUekbleibenden Theile stark gestSrt werden musste; bei der Gastrula und dem jungen Embryo wurden groBe Spaltungen vorgenommen oder ganze StUcke entfernt. Ieh wartete nun, ob nach diesen Eingriffen ganz absonder- liehe Gebilde hervorgehen wiirden.

~Vor Beginn der Versuche hatte ich daran gedacht, dass dureh die- selben vielleicht einige Unordnung unter den Organen entstehen kSnnte, oder dass sogar ganz heterogene, wunderbare, nieht auf einfaehe Weise yon den StSrungen ableitbare Formbildungen die Folge der Ein~iffe sein wUrden. Dass nichts Derartiges gesehah, ist hochbedeutsam.(<

~Statt so allgemeiner Wirkung der StSrung ergab sich viel- mehr, dass ,e i reumseripte Defek te ' der E i subs tanz hKufig ,eireumscripte Defekte ' oder , c i rcumser ip te Verbildung'eu' an dem im Ubrigen wohlges ta l te ten Embryo zur Folge hatten; zweitens zeigte sich, dass wesen t l i eh dieselbe Wirkung ent- stand, einerlei in welchem Stadium der Furehung die Ver- letzung vorgenommen war; dass also die Eingriffe in den frt iheren Perioden der Entwickelung nicht nothwendig allgemeinere, auf grSBere Bezirke des Embryo ausgedehnte und starker yon der normalen Bildung abweichende Folgen hervorbrachten als die gleichen Eingriffe in den sp~iteren Stadien der Furehung: zwei fur die Auf- fassung der Entwiekelungsvorgange hochbedentsame Thatsachen.,~ (1, Bd. II. pag. 180.) Das Genanere dieser Versuche muss im Ori- ginal naehgesehen werden.

Page 44: Für unser Programm und seine Verwirklichung

262 Wilhelm Roux

Wir haben also gelernt, dass aueh bei St iJrungen in den e r s t e n S tad ien der E n t w i c k e l u n g k e i n e h e t e r o g e n e n Bil- d u n g e n en t s t ehen : Auch das Ei l i e f e r t bei S tSrungen en t - w e d e r B i l d u n g e n s e i n e r t y p i s c h e n Art oder niehts , es ver- mag n i eh t ~,qualitativ,, ~Neues zu p roduc i r en . Dagegen kamen viele quantitative Abnormiti~ten: sogen. >,Verbildungen,, vor, in Form yon AuswUehsen, Sehrumpfungen, yon denen erstere zumeist sp~tter wieder ausgeglichen wurden. Das ist also eine ftir die experimentelle Forsehung sehr wichtige Erkenntnis.

In den e r s t en Entwiekelungsstadien aber, speeiell in denen der ersten beiden Furehlmgen, zeigte sich spiiter bei anderen Versuchen doeh eine tiberraschende Reaktion auf bestimmte auBere Einwirkungen, in so fern es nlimlieh kUnsflich veranlasst werden konnte, dass aus einer der zwei (bei einigen Thieren sogar aus einer der vier) ersten Fur- ehungszellen statt eines halben resp. Viertel-Embryo ein ganzer Embryo gebildet wurde, oder aueh dass aus den be iden ersten Furchungs- zellen zusammen eine unvollkommene Doppelbildung entstand. Den Mechanismen dieser Bildungen sind wir bereits auf der Spur. Doeh schliel]en auch sie nichts q u a l i t a t i v I%ues ein.

Weiterhin wurde oben sehon erwiihnt, dass in der ersten Orien- tirungsarbeit auch tiber die W i r k u n g der ~ul]eren U m g e s t a l t u n g des Eies a u f s e ine E n t w i e k e l u n g berichtet worden war (1, Bd. II. pag. 188--192, 204) mit dem Ergebnis, dass durch solehe Umge- staltung gleiehfalls niehts qualitativ ~eues entstand, sondern dass im Gegentheil die hervorgehenden h o e h g r a d i g d e f o r m i r t e n E m b r y o - nan mit i h ren 0 r g a n e n sogar in so lche r Weise geb i l de t waren , als w e n n sie un t e r ~normalen, , Formverh~t l tn i ssen e n t s t a n d e n und e rs t n a c h der O r g a n b i l d u n g ~uBerl ich de- f o r m i r t w o r d e n wl i ren (!~ Bd. II. pag. 891,905, 926).

Es k a n n also dureh m o r p h o l o g i s c h e E ingr i f f e am Ei ga r n i eh t s )~qualitativ,( Neues , ke in neues Gewebe , ke in quali- t a t iv neues Organ etc. h e r v o r g e b r a c h t werden. Es entstand auBer dem ~[ormalen theils Gehemmtes, z .B. bei Pressung der Eier zwischen s e n k r e e h t e n Platten, wobei die Gastrulation ganz gehemmt wurde und die MedullarwUlste 180 ~ yon einander entfernt bleiben (s. 1, Bd. II. pag. 89, 526, 922); es entstanden h~iufig aueh T u m o r e n , also zu starkes Wachsthum einiger Zellen oder Zellen- gruppen, die wohl aus ihrer normalen Verbindung gekommen waren, ferner Defektbildungen und bei Deformation in den frUhesten Stadien Doppelbildungen.

Page 45: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Ftir unser Programm und seine Verwirkliehung. 263

Wir kSnnen also sowohl aus Versuehen am E i , wie aucb aus solchen am w a c h s e n d e n und am .e rwaehsenen I n d i v i d u u m auf die ~)normal6n,, ges t a l t e ' nden ,W i rkungswe i sen , , SchlUsse ziehen, denn es ist nicht mSglieh, dureh irgend welche Eingriffe q u a l i t a t i v n e u e, progressiv gestaltende Wirkungsweisen hervorzu- rufen; vielmehr sind (yon den regressiven, degenerativen Verande- rungen abgesehen) alle abnormen Reaktionen and Bildungen nur die Produkte q u a n t i t a t i v e r , lokaler und zeitlicher Stiirungen der Thlttig- keit der normalen Wirkungsweisen 1).

Die sch~nen Versuche yon C. HERBST (20) Uber typisehe Ver- bildungen in Folge der Einwirkung yon Salzliisungen sind durch DU BOIS-REYMOND irrthtimlicher Weise in dem Sinne gedeutet worden, dass dabei ganz neue Organismen entstanden seien. Um- stUlpung des Darmblattes nach auBen, Fehlen der Kalknadeln etc. sind aber doch keine q u a l i t a t i v e n Neubildungen.

Wit sehlieDen also: Dis progressiv gestaltenden >> Wirkungs- weisen~ der Organismen and daher aueh die Qualifier ihrer Produkte sind der Hauptsache naeh konstant. Ob es nieht doch wenigstens kleine qualitative Abweichungen giebt, auBer den oben erw~thnten Variationen der Gestalt und GrSBe der Zellen, die wir zu den quanti- tativen rechneten, muss natUrlich erst noch genauer ermittelt werden,

Der Hauptsaehe naeh aber d t i r fen wir zufolge dieser That- sache aus den g e s t a l t e n d e n R e a k t i o n e n des Eies, des Embryos, des wachsenden und erwaehsenen Individuuin auf experimentelle Eingriffe auf die ~)normalen,, g e s t a l t e n d e n W i r k u n g s w e i s e n sehlieBen.

Vorli~ufig kennen wir bloB die K o n s t a n z der Wirkungsweisen. Wir werden diese Erfahrung v e r a l l g e m e i n e r n und sehen, wie weit wir damit kommen; dies so weit, bis wir die Grenze finden, und mtissen nach ihrer Ubersehreitung, also nach der Entdeckung yon Abweichendem, die ganzen frUheren Versache aufs Neue and zwar auf ihre e x a k t e r e Bedeutung prtifen.

~) Nach den bisherigen Beispielen yon HERTWIG'S Berichterstattung fiber meine "~u~erungen (s. oben pag. 41,232 Anm.) und den nachstehend noch kennen zu lernenden !s. unten pag. 322, 326, 335) ist zu erwarten, dass dieser Autor tiber die hier gebrachto Darlegung in der Weise berichtet, ich h~tte gesagt: ,es g~ibe iiberhaupt keine abnormen Bildungem,. Er wird dann beifligen: ~Man braueht nur an die mannigfachen vorkommenden Missbildungen, Geschwtilste, Knoehenverkrtimmungen zu erinnern, um das Irrthiimliche einer sotchen Auf- fassung zu kennzeichnen.~

Page 46: Für unser Programm und seine Verwirklichung

264 Wilhelm Roux

Die versehiedenen n e u e n spec i e l l en S t r u k t u r e n aber, welche pathologischer Weise aus den nieht neuen Gewebstypen producirt werden, lassen uns manehe wichtige SchlUsse auf die Ursache de r G e s t a l t u n g e n aus d iesen Geweben ziehen. Dies gilt z. B. yon der neuen Struktur in den Knochen, Fascien und Muskeln bei hochgradig rhaehitisch verkrUmmten Individuen (s. 1, Bd. I. pag. 712,359, 464, 616); ferner gilt es yon einer yon mir gefundenen periostitischen Auflagerung an der unteren H~lfte des Humerus, welche auf das SchSnste die Tor - s i o n s t r a j e c t o r i e n zeigte, weil die Torsion durch die abweehselnde Th~tigkeit (der inneren und ~uBeren Gruppe der Vorderarmmuskeln) am starksten an der Ober f l~ehe wirkt (s. 1, Bd. I. pag. 762), ferner yon der radiaren Struktur maneher GesehwUlste. ~.hnliche Folge- rungen auf die Ursachen gestatten die pathologischen Produk- tionen maneher Gewebe, z. B. die Bildung ernahrender Blutgefal]e fur einen Echinococcus, fur einen metastatischen Tumor, die Ver- mehrung des Bindegewebes durch chronisehe Hyper~mie etc.

Es ist ferner zu vermuthen, dass bei a l len T h i e r e n de r se lben Klasse , ja wohl noch viel grSflerer Abtheilungen, die ~haupts~ch- lichen,, g e s t a l t e n d e n W i r k u n g s w e i s e n d ie se lben sind, wenigstens so weit nicht qualitativ verschiedene Gewebe gebildet werden. Es werden ja aus a n s c h e i n e n d g l e i c h e n Geweben ganze Thiere wie einzelne Organe yon sehr v e r s c h i e d e n e n typischen G e s t a l t u n g e n gebaut; und wir haben keine zureichende Veranlassung zu der An- nahme, dass z. B. die typiseh verschiedenen Gestalten der S~ugethiere unter einander durch die geringen Versehiedenheiten ihrer Gewebe be- dingt sind; sondern wir werden diese Versehiedenheiten hauptsachlieh yon ~rtliehen und zeitlichen q u a n t i t a t i v e n Verschiedenheiten der u der Gewebe ableiten, also von q u a n t i t a t i v e n Ver- schiedenheiten in der Beth~tigung der gestaltenden Wirkungsweisen.

Abet e ine w i e h t i g e E i n s c h r ~ n k u n g mUssen wit doch glcich dem Satze yon de r Kons t anz der g e s t a l t e n d e n W i r k u n g s w e i s e n folgen lassen, die yon mir selber ausgegangen ist und gerade yon einigen meiner Gegner bestritten wird.

Diese Einsehr~nkung beruht auf "der Unterscheidung yon zweier- lei ontogenetisehen Entwiekelungsarten; einer ty p i s c h e n o d e r n o r- ma len (diese beiden AusdrUcke sind annahernd aber night vollkom- men identisch, worUber die Originalien einzusehen sind, s. ! i Bd. II. pag. 450, 520, 811. 843, 981), und ciner a t y p i s c h e n oder r e g u l a - t o r i s chen B n t w i e k e l u n g s w e i s e der Organismen, welche beide dieselben Endprodukte liefern (s. oben pag. 236).

Page 47: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 265

Diese Zwiel~tltigkeit der Bildungsweisen erschwert natUrlieh die Deutung der Versuehsergebnisse Uberaus; doeh immer neue und variirte Versuche unter Zuhilfenahme neuer Thierarten. bei denen die regulatorische Entwiekelung geringer ist, werden allmiihlich auch hier Sicherheit bringen. Wir k(innen nieht verlangen, auf einem neuen und so schwierigen Gebiete immer gleieh ganz Sieheres und Riehtiges zu erringen.

AuBer der erw~ihnten Art yon p r o g r e s s i v gestaltenden Re- aktionen kSnnen wir aber dureh das kUnstliehe Experiment oder dutch das ~Taturexperiment aueh d i r e k t n o r m a l e g e s t a l t e n d e K o r r e l a t i o n e n der The i l e des Organismus ermitteln. "Das ist wieder schon in reiehem MaBe seitens der P a t h o l o g e n gesehehen, wie ich frUher unter AnfUhrung yon manchen Beispielen ausgefUhrt habe (s. 2, pag. 31). Um bier wenigstens ein Beispiel zu bringen, so schlieBen wir aus dein naeh Zerstiirnng der Ganglienzellen der Vorderhiirner des RUekenmarks statttindenden Sehwund der zu diesen Ganglienzellen geh(irigen Muskeln, dass zwisehen diesen Ganglien- und Muskelzellen n o r m a l e r Weise eine e r h a l t e n d e Wirkung start- finder; wir folgern aber nicht, wie die Autoren, welche als Folge des Experiments nur p a t h o l o g i s c h e Vorg~inge gelten lassen, thun miissen, dass die a b s t e r b e n d e n Ganglienzellen einen ze r s t i i r enden Einfiuss auf die Muskeln ausUben. Denn umgekehrt wissen wir auch, dass nach Amputation des Armes die zugeh~irigen Ganglien- zellen im RUekenmarke sehwinden. Sollte nun wohl, start dass nor- maler Weise schon irgend ein, sei es direkter oder indirekter tro- phiseher, erhaltender Zusammenhang beider Organe stattfindet, eine abnorme zerst(irende Wirkung, wenn aueh nicht mehr yon dem abge- schnittenen Arm auf die frUher ihm zugehSrigen Ganglienzellen, so doch yon den zurtiekgebliebenen absterbenden NervenstUmpfen aus stattfinden? Es kommen noeh eine ganze Anzahl yon Beobachtungen hinzu, die gegen die letztere und fur die erste Auffassung spreehen.

Es giebt viele sekund~tre D e g e n e r a t i o n e n und sonstige sekund~iren VerKnderungen, die nach eingehender PrUfung der be- sonderen Verh~iltnisse anf die A u f h e b u n g oder Anderung schon n o r m a l e r Weise vorhandener t r oph i sche r oder sonstiger gestalten- der Beziehungen unter Theilen des Organismus zurliekgefiihrt werden; z. B. die gestaltende Wirkung der Kastration yon Frauen und Mannern, die funktionelle Anpassung in allen Organen. Hierbei erstrecken sieh die sekundiiren Veriinderungen auf ganz b e s t i m m t loka l i s i r t e und yore Herd der prim~iren Stiirung oft weir a b g e l e g e n e

Page 48: Für unser Programm und seine Verwirklichung

fi66 Wilhelm ~oux

Theile; auch l~uft oft die Vemichtung des prim~ren Theils (z. B. im Centralnervensystem) in wenigen Tagen oder Woehen ab, wlihrend die sekundi~ren Ver~tnderungen jahrelang dauern.

Dieses ganze, yon mir wiederholt verwerthete Thatsachengebiet scheint HERTWIO nach seiner Auffassung yon der Bedeutung des Experiments am Lebenden noch vollkommen fremd zu sein.

Aber es giebt im Unterschied zu diesen Verhi~ltnissen auch sekundi~re St(irungen, die dureh die abnorme Einwirkung des zuerst pathologisch veranderten Theils bedingt sind; dahin gehSrt z. B. die Krebskachexie durch Toxine, die veto Tumor produeirt werden, ferner die direkten Druekwirkungen auf die Nachbarschaft mit oder ohne Kompression der BlutgeFal~e u. dgl. Diese sekundliren StSrungen sind dem entspreehend anders lokalisirt als die der ersterwi~hnten Art.

In Folge der Konstanz der geweblichen Reaktionsweisen habe ich yon Anfang an besonderen Werth auf die p rog re s s iv ges ta l - t e n d e n R e a k t i o n e n des Organismus gelegt, die dem Pathologen vorkommen ~); desshalb und wegen der MSglichkeit, aus vielen patho- logischen Vorkommnissen auf normale gestaltende Korrelationen zu schlieBen, habe ich such die P a t h o l o g e n in der Einleitung des Archivs fur Entwickelungsmechanik ersueht , ihr reiches bezUgliches Material such mit RUeksieht auf diese sich bekundenden, normalen g e s t a l t e n d e n R e a k t i o n s w e i s e n und B e z i e h u n g e n zu verwer- then, und solche Arbeiten oder Berichte tiber ihre Ergebnisse in dem Archly mitzntheilen.

In dem Jahresberieht yon HOFMANN und SCHWALBE babe ich frUher schon einen Anfang mit der Kompilation soleher Ergebnisse gemacht; und da die diesbeztigliehen Arbeiten das uns Interessirende nur n e b e n b e i darboten, so sind denn die mannigfachsten Titel in diesen Referaten zu finden, deren Buntheit auf HERTWIG, da er (aus den Titeln) den inneren Zusammenhang nicht erkennen konnte, nur belustigend gewirkt hat (pag. 20)2).

Da die progressiv gestaltenden Reaktionen so feste, unver~tnder-

1) Das eine der yon mir vorgeschlagenen Themata zu meiner Antrittsvor- lesung sis Privatdoeent im Jahre 1880, dasjenige, welches yon der Fakultiit acceptirt wurde, handelte tiber ~die gestaltenden Reaktionen des 0r- ganismus~; der IahMt dieses Vortrages wurde dann in die Schrift tiber den ~)Kafiapf der Theile im 0rganismus(( aufgenommen.

2) Aui3erdem babe ich hierbei das Material, welches auf Selbs td i f fe- renz i rung yon Theilen hinweist, sowie alles fiir unsere Arbeit als Vor- stufe niithigo Material, so welt es yon den deskriptiven Referenten gewohn- heitsm~Big vernachliissigt zu werden pflegte, zusammengetragen, wodurch denn die Maunigfaltigkeit der Titel noch erhtiht wurde.

Page 49: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 267

liche, normale sind, so ste]len sie also stabile, in sich g e s c h l o s s e n e komplexe Komponenten des organischen Geschehens dar, in die wir vorl~iufig nicht eindringen, die wir nieht zerlegen kiJnnen. Ihre Aktivirung ist bloB Aus lSsung eines uns an sieh unbekannten Mechanismus (s. oben pag. 228). Es w~re der griiBte Triumph und wUrde ein jetzt gar nicht za tibersehendes Gebiet neuer Forsehung eriiffnen, wenn es gelingen sollte, diese jetzt noeh gesehlossenen komplexen Komponenten zu zerlegen, ohne dass die Lebensth~ttigkeit gleich aufhiirt. Wir haben keine Veranlassung, dies jetzt sehon, ,am Anfange% als dauernd unmiiglieh anzusehen.

Erforsehen wir zun~ehst nut mi~glichst weit und m(igliehst voll- standig d iese g e w e b l i e h e n und a n d e r e n g e s t a l t e n d e n Wir - k u n g s w e i s e n in ihren R e s u l t a t e n und nach ihren aus l i i senden U r s a e h e n , sowie die g e s t a l t e n d e n K o r r e l a t i o n e n der ffriJBeren und kleineren Theile bis zum Zellkern und Centrosoma herab. Das ist jedenfalls das zunaehst Mi~gliehe; und lassen wir die Sorge tiber das fernere Thun den kommenden Generationen. Die unendliehe Aufgabe wird dureh diese erste Arbeit dann wieder neue angreifbare Seiten erhalten haben.

Dagegen k a n n das ~Quantitative~ des g e s t a l t e n d e n Ge- s chehens d u r c h E x p e r i m e n t e l e i e h t z e i t l i c h und ( ir t l ieh a l t e r i r t w e r d e n ; und dasselbe gilt wohl yon der R ieh tung des gestaltenden Geschehens. Daher sind zur Erkennung der Entstehung auf ihm beruhender Formverhiiltnisse immer Experimente vers chie- dene r Art niithig, die sieh gegenseitig kontrolliren; und deren Er- gebnisse sind wieder mit den Ergebnissen der direkten Beobaehtung des n o r m a l e n Entwiekelungsgesehehens in Verbindung zu setzen, wieieh dies seit Langem betont babe (s. oben pag. 231). Auch ist stets auf die Ergebnisse der v e r g l e i e h e n d e n Entwiekelungsgeschichte gebUhrende RUcksieht zu nehmen.

Die Bedeutung der Ergebnisse dieser letzteren Methode wird aber jetzt manchmal Uberschlitzt. Dies gilt z. B. bezUglich der G a s t r u - la t ion des F rosche i e s . /qach den Ubereinstimmenden Ergebnissen unserer oben (pag. 231) erw~hnten drei versehiedenartigen Ex.peri- mente vollzieht sich die Gastrulation des Froseheies dureh Uber- waehsung der yon Anfang an nach u n t e n sieh einstellenden (~B. weiBen) Seite des Eies yon einer etwa dem Aquator des Eies entspreehenden Stelle aus und durch sekundi~re Vereinigung der ursprUnglich zumeist um etwa 180 ~ yon einander gesonderten Anlagen der beiden Medullarwiilste.

Archly f. Entwickelungsmechanik. V. ] $

Page 50: Für unser Programm und seine Verwirklichung

268 Wilhelm Roux

Die f e i n e r e n Meehanismen dieses Geschehens kr je naeh dem Sitz der Kri~fte, naeh der Herkunft und den Bahnen des herab- gelangenden und des nach innen kommenden Materials dabei sehr verschieden sein; darUber haben wir nichts ermittelt. Da jedoch unsere obige Angabe nieht in Ubereinstimmung mit dem an F i sche n beobaehteten Verhalten steht, folgern einige deskriptive Autoren sin- faeh, meine Beobachtungen mUss ten u n r i c h t i g sein. Das ist fUr diese Autoren bequemer als sich zu bemtihen, eine den beiderlei Thatsaehen Reehnung tragende Ableitung aufzufinden und setzt sie aueh nieht mit dem Dogma in Widersprueh, dass derselbe gestaltende Hauptvorgang bei allen Wirbelthierklassen in >)formal, miiglichst gleicher Weise sieh zu vollziehen habe. (Wit selber haben dagegen oben [pag. 259] etwas ganz Anderes: eine ann~thernde q u a l i t a t i v e Konstanz der gestaltenden W i r k u n g s w e i s e n vertreten; ein Unterschied, der~ um Missverstiindnissen vorzubeugen, hier sogleieh betont sei.)

Ebenso unzutreffend ist der Einwand, dass der eine der genann- ten drei Versuehe nichts fiir das n o r m a l e Gesehehen beweise, weil ieh vom Bla s tu l a s t ad ium an das Ei, also die Gastrula, an ihrer normalen Drehung mit der Unterseite nach aufwarts verhindert habe. Der Autor dieser Auffassung, O. SCHULTZE (29), meint, dass ent- spreehend der frUheren Auffassung das Material des Medullarrohres beim Froschei yon vorn herein auf der o b e r e n Seite der Frosehblastula liege, und dass die reehte und linke Anlage yon vorn herein in g anze r L~tnge in der Medianlinie mit einander in BerUhrung stehen, w~th- rend letzteres naeh meinen Versuchen nur an der Kopf- und Schwanz- seite der Fall ist und die dazwischen liegenden Theile des Materials der MedullarwUlste ringf(irmig um den Aquator (genauer etwas ober- halb yore Aquator) liegen und daher erst dutch eine groBe Versehie- bung in totale Kontinuit~tt mit einander gelangen. O. SCHULTZE glaubt, ohne diese letztere Thatsache zu bestreiten, dass dies bloB a b n o r mer W e i s e , in Folge des Experiments der Fall sei. Da aber in der F r o s c h b l a s t u l a die Z e l l e n schon s p e c i f i c i r t s ind , wie meine Ansehneidungsversuche an der Blastula und Gastrula ergeben haben, indem trotz groBer Spalten die Differenzirung normal weiter schritt und die MedullarwUlste sich bis an die Schnittr~tnder ausbildeteu (s. 1, Bd. II. pag. 190); da ferner bei einem anderen Versuche: niimlich bei so geringer Eintroeknung der GallerthUlle des Eies, dass sie gerade die Rotation des Eies verhindert, die G e s t a l t des Eies normal bleibt, insbesondere nirgend ein Aufplatzen der Blastula oder Gastrula statt-

Page 51: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 269

findet, die Medullarplatte aber in toto auf der U n t e r s e i t e des Eies liegt, so muss wohl eine solche altcrirende Wirkung der Verhinderung der Drehung des Eies, wie sie O. SCItULTZE annimmt, als unm(iglich angesehen wcrden (s. 1, Bd. II. pag. 532).

Andererseits k a n n cs den d e s k r i p t i v e n F o r s c h e r n wohl sehr nUtzlich sein, wenn sie s ich tiber die E r g e b n i s s e unsc re r e x p e r i m e n t e l l e n U n t e r s u c h u n g e n un t e r r i eh t en . So b e s c h r e i b e n d e s k r i p t i v e B e o b a e h t e r m a n e h m a l Ge- s t a l t u n g e n als no rma l , die yon uns bereits als a b n o r m e erkannt sind. Zum Beispiel findet sich die beim Absterben der jungen Ent- wickelungsstufen der Blastula, Gastrula und junger Embryonen vor- kommende LSsung des epithelialen Verbandes der Zellen und die Rundung derselben, die von mir a l s Z e i c h e n des h e r a n n a h e n d e n Todes erkannt und mit dem Namen F r a m b o i s i a e m b r y o n a l i s f ina l i s (s. 1, Bd. II. pag. 151, 198) belegt wurde, wiederholt als normale Bildung des iiuBeren, mittleren oder inneren Keimblattes dargestellt.

Um noch einen anderen Fall anzufUhren, so sah R. FICK (26) bei seiner Untersuchung Uber die Befruchtung des Axolotleies die Pigmentstra•e des SamenkiJrpcrs im Ei eine s p i t z w i n k e l i g e Knickung machen und sogar noch die Spitze ausgezogen sein, was auf eine r U c k l i i u f i g ' e Bewegung des SamenkSrpers schlieBen liisst. Solches war bcreits yon mir an kUnstlich in geringer Zwaugs- lage gehaltenen Froscheiern beobachtet und aus der bei dieser ab- normen Einwirkung, nach BoRN's Ermittelung, stattfindenden inn eren St r ( imung des Dottermaterials abgeleitet worden.

Da FICK aber die befruchteten Axolotleicr der K l o a k e des Thieres, also dem normalen Orte, entnommen hatte, glaubte er sie als vollkommen normal ansehen zu mUssen und daher auch dem yon ihm beobachteten Verhalten eine besondere, noch r~ithselhafte Be- deutung ftir die normale Entwickelung beilegen zu mUssen. Es ist nun abet nach meinen Erfahrungen wohl als miJglich anzusehen, dass die ~ a t u r h i e r fUr s ieh a l le in e iu , ) e n t w i c k e l u n g s m e c h a - n i s ches E x p e r i m e n t ~ a n g e s t e l l t hat.

Wenn man zur >,Regel,, alles Das, was oft vorkommt, rechnet, so kann Z w a n g s l a g e des Eies mit der oben erwiihnten Folge bei den Eiern mancher Thierarten mit zur Regel gehSren, ohne dass man sie desshalb als normal bezeichnen diirftel). In jedem Laich-

1) Genaueres hieriiber siehe unten im Abschnitt Iif, pag. 294 u. f. 18"

Page 52: Für unser Programm und seine Verwirklichung

270 Wilhelm Roux

ballen von gew(ihnlieher Gr(iBe befinden sich die centralen Eier des Ballens wi~hrend der Befruehtung und zum Theil sogar noeh w~ihrend der ersten Furehnng in Z w a n g s l a g e , weft die Quellung der Gallert- httlle im Centrum des Ballens zu langsam stattfindet. IGh babe nun gefunden, dass selbst e i n z e l n liegende Froseheier, die naGh der Besamung statt in Wasser in 1/4-bis l/2O/oige KochsalzlSsung gelegt worden waren, die erste Stunde noGh in Zwangslage sigh befanden; also gerade noch zu der Zeit, in der der Samenk(irper den Dotter durehsetzt und die PigmentstraBe ihre KniGkung bildet. Da die Axolotleier zu dieser Zeit in der Kloake weilen, also nicht im f r e i en Wasser sich befinden, so ist somit ohne b e s o n d e r e v o r h e r g e - g a n g e n e Pr t i fung nicht zu sagen, ob bei ihnen night aueh normaler Weise eine geringe Zwangslage vorhanden ist und die UrsaGhe der zngespitzten Kniekung der PigmentstraBe abgiebt, zumal wenn die Lage des Eies nachtriiglieh ge~indert wird (siehe auGh pag. 322).

Auf Grund des h~iufigen Vorkommens solGher und anderer Stii- rungen babe ieh die Idee ansgesprochen~ dass eben dadurGh die Meehanismen der g e s t a l t e n d e n Se lb s t r egu l ~ t t i on , also der regu- latorischen s. atypischen Entwickelung auf niederer Stufe sGhon gezUchtet und auf h(iherer Stufe erhalten resp. den hier vorkommenden besonderen StSrungen entsprechend modificirt worden sind (s. 1, Bd. II. pag. 911 und 980).

Ferner streiten sich deskriptive Beobachter tiber for m a 1 e V er- s e h i e d e n h e i t e n als tiber wiehtige Abweiehungen in Fallen, in denen yon uns gezeigt werden konnte, dass sie nur dutch k l e i n e A n a c h r o n i s m e n in den Bildungsvorgi tngen bedingt sind; wir sahen, dass letzteres Moment sogar Andernngen der sogenannten �9 A b s t a m m u n g , yon den Keimbliittern~ z.B. der Chorda start yore Entoblast vom Meso- oder Ektoblast znr Folge haben kann (s. 1, Bd. II. pag. 458).

Man ersieht aus diesem Beispiele wohl wenigstens, dass auch bei rein deskriptiven Forsehungen dem Autor einige Ftthlung mit den Ergebnissen der Entwickelungsmeehanik night nachtheilig sein wird.

IIe. Das , c a u s a l - a n a l y t i s c h e , , m o r p h o l o g i s c h e E x p e r i m e n t als die , b e s o n d e r e ~ Methode de r E n t w i c k e l u n g s m e c h a n i k .

Wir haben im vorigen Abschnitt erkannt, dass es wohl m~ig- lich ist, yon den Ergebnissen des Experiments am Lebenden, also von dem Verhalten des Organismus in neuen , von uns gesetzten Ver- hiiltnissen, auf die n o r m a l e n gestaltenden W i r k u n g s w e i s e n , also

Page 53: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 271

auf das Qualitative des Gesehehens, ja sogar bei BerUeksichtigung mancher VorsichtsmaBregeln, auf das so leicht zn alterirende Quan- t i t a t ive des normalen Geschehens, welches die e inze lnen Ge- staltungsvorg~nge und so die speciellen Gestaltungen bedingt, zu schlieBen.

Es ist nun noch die Frage zu beantworten: wie s ind d iese , unseren e a u s a l - m o r p h o l o g i s e h e n Z w e e k e n d i e n e n d e n Ex- pe r imen te a n z u s t e l l e n ? Haben sie eine Eigenart, und eventuell, worin besteht dieselbe?

HERTWIG sagt im Allgemeinen richtig: ,~Um zu einem neuen Ziel zu gelangen, werden auch neue Weffe, die zu ibm hinfUhren, gezeigt werden mtissen; dessgleiehen die Hi l f s m i t t e 1 u n d M e t h o d e n, die uns auf den neuen Wegen vorwarts und zum Ziel zu kommen ermi~gliehen.

Er kommt dann zu dem Ergebnis, class die Entwickelungs- meehanik~ wit seiner Meinung naeh kein neues, das heiBt nieht sehon yon den frUheren Forsehern ve r fo lg t e s Ziel, so aueh keine neue, nicht auch yon den frUheren morphologisehen Forsehern ausge- dehnt angewendete Methode habe.

Wir sind dagegen der Meinung, dass die Entwickelungsmechanik der thierischen Organismen eine besondere Forsehungsmethode als Hauptmethode habe,-und dass diese Methode yon frUheren Ana- tomen und Zoologen nut ganz vereinzelt in Anwendung gczogen worden ist 1).

Das , E x p e r i m e n t am l ebenden Objekt~ ist bekannflich schon lunge und zwar zu versehiedenen Zwecken wie in sehr verschiedener Weise zur Erforschung der Lebewesen verwendet women.

Das Experiment, dessen wit fur unsere Zwecke der Erforseh.ung der normalen G e s t a l t u n g s u r s a c h e n benSthigen, ist eine Unter- abtheilung dieses , b i o l o g i s e h e n E x p e r i m e n t s t iberhaupt% spe- eiell eine Abtheilung des ~morphologischen Exper iments , , , denn es will die ~)Gestaltungsverh~iltnisse~ erforschen; es ist aber keineswegs identiseh mit dem ~morphologischen Experiment im Allgemeinen,,, denn es soll nicht irgend welche g e s t a l t l i c h e n Vorg~inge, z. B. rein formale Verh~ltnisse als solehe, sondern die u r s a c h l i c h e n Verh~ltnisse der gestaltlichen VorgKnge erforschen. Dazu bedarf es

1) Von den Verh~ltnissen auf dem Gebiete der causalen Pflanzen- forschung, die yon vorn herein andere waren (siehe unten Abschnitt III, pag. 312), sehen HERTWIG und ich in unserer Diskussion ab.

Page 54: Für unser Programm und seine Verwirklichung

272 Wilhelm Roux

aueh einer besonderen Art des Experiments: statt des frUher sehon mehrfaeh ausgeftihrten , , f o r m a l - a n a l y t i s e h e n Versuehs,, n~mlich des , e a u s a l - a n a l y t i s e h e n Versuehs, , . Dieses besondere Experi- ment der Entwickelungsmeehanik ist daher aueh nieht, wie jetzt yon Vielen geglaubt wird, einfaeh das , ,Expe r imen t am Embryo,, , und sein Ergebnis die ,~exper imentel le Embryologie , , ; sondern es er- streckt sich aueh auf den e r w a c h s e n e n Organismus; wie anderer- seits aueh nicht jedes Experiment am Embryo ein ,,entwickelungs- mechanisches,, ist.

Die E n t w i c k e l u n g s m e c h a n i k v e r w e r t h e t a l le Exper i - men te am L e b e n d e n ; die pathologischen, physiologisehen, pharma- kologischen und die morphologischen im Allgemeinen. Aber ,,das e n t w i e k e l u n g s m e e h a n i s e h e E x p e r i m e n t za~ ~oz~v, ist eine b e s o n d e r e Spec ies des m o r p h o l o g i s e h e n Expe r imen t s , welehe sowohl auf das Ei, wie auf den Embryo, wie auf den erwaehsenen Organismus anzuwenden ist: das , , causa l -ana ly t i sehe( , morpho- log i sehe E x p e r i m e n t . Was diese Bezeiehnung bedeutet, ist unserem Gegner HERTWm gar nieht zum Bewusstsein gekommen.

Da es nach seiner Meinung ,keine gestaltenden Kriffte,, also auch keine gestaltenden Kombinationen solcher Krafte, somit auch nieht gestaltende Wirkungsweisen derselben giebt (s. oben pag. 58), so konnte er allerdings aueh nieht die A n a l y s e der gestaltenden Wirkungen in einzelne besti~ndige ursitehliehe Wirkungsweisen resp. Krafte als eine Aufgabe unseres Strebens naeh Erkenntnis, also aueh nieht als Aufgabe des Experiments erkennen.

Wir wollen uns nun einen kurzen Uberbliek tiber die ve r seh i e - denen Ar t en des E x p e r i m e n t s am L e b e n d e n zu versehaffen suehen. Es ist aber nieht der Zweek unserer flUchtigen Darstellung, eine G e s e h i e h t e dieses Experiments oder aueh nur des ~morpho- logisehen Versnehs, zu sehreiben; sondern es sollen hauptsitehlieh nur die versehiedenen Unterarten des biologisehen Versuehs eharakterisirt und dureh Beispiele verstandlieh gemaeht werden.

Die P h y s i o l o g e n maehen schon lange Versuehe, um die Er- h a l t u n g s f u n k t i o n e n des e r w a e h s e n e n Individuums, sowie aller- hand Reaktionen, welehe auf Reize: auf elektrisehe, thermisehe, ehe- misehe und meehanisehe Reize raseh weehselnde Gesta!tungen pro- duciren, zu ermitteln. Es ist bekannt, wie groBe Erfolge sic trotz vielfaeher, zeitweilig untergelaufener IrrthUmer mit diesem , ,physio- l og i sehen Exper iment , , gehabt haben, und wie viel an Einsieht in die normalen Lebensvorgitnge wir ihnen bereits verdanken. In letzter

Page 55: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 273

Zeit sind diese Versuche yon ihnen auch auf den Embryo ausgedehnt Worden; so wurde eine P h y s i o l o g i e des E m b r y o angebahnt (21). Abet man hat sich aueh letztcren Falles wieder fast bloB auf die Er - h a l t u n g s f u n k t i o n e n des jeweilig bereits G e b i l d e t e n beschr~inkt, unter fast g~nzlicher U b e r g e h u n g der F u n k t i o n e n des B i ldens , des Ges ta l t ens . Die Erforschung dieser Funktionen wird von den modernen Physiologen~ einige wenige Autoren rUhmlich ausgenommen, den ,Morphologen, , (Anatomen und Zoologen) Uberlassen.

Ferner haben dig P a t h o l o g e n schon seit Langem fruchtbare Versuche am lebenden Organismus ausgeftihrt: das ~pa tho log i sche Exper iment~ . Dieses wurde von ihnen natUrlich zumeist angewandt, um die Erkenntnis der k r a n k h a f t e n Ver~tnderungen zu f(irdern. So wurden die Reaktionen auf stSrende resp. zerst(irende Einwirkungen: die Folgen der Embolie, also einer Art des Blutabsehlusses, die Folgen der Einftihrung yon Giften, Bakterien etc. studirt, um die dutch diese Einwirkungen bedingten St~irungen, Degenerationen etc. kennen zu lernen, oder andererseits, um die Ausgleiehsvorg~nge und H e i l u n g s v o r g ~ n g e , also die r e p a r a t i v e n , p r o g r e s s i v e n R e a k - t ionen zu erkennen. Dies letztere ist das Gebiet, welches, wio wir im vorigen Absehnitt gesehen haben, aueh fUr uns yon direktester Bedeutung ist, da dig vorkommenden progressiv gestaltenden, also Zellen und Gewebe bildenden Wirkungsweisen an sich nur die nor- malen sind, und bloB das Quantitative, Zeitliche und Ortliche dabei abnorm ist. Dazu kommen ferner diejenigen experimentell ermittelten sekundi~ren Degenerationen, so wie viele andere sekundiire formale Veriinderungen, welche auf StSrung n o r m a l e r gestaltlieher, z. B. trophischer Beziehungen zwischen den Theilen hinweisen. Hier ernten wir ,)r der normalen Gestaltung~ auf einem Ge- biete, welches grol3en Theils nicht fUr uns bebaut wurde; wir mUssen nur zum Theil das Einernten selber vornehmen. Aber die Ergebnisse unseres Stoppellesens auf diesem Gebiete sind iiberaus reiche und noch lauge nicht erschSpft. Es finden sich leider bis jetzt nut Wenige, die sich an diesem Ernten betheiligen, die das zu SchlUssen auf das no rma le Gestaltungsgeschehen Verwendbare aus den pathologisehen Ergebnissen auslesen und diese Verwendbarkeit aufweisen.

FrUh sehon, wenn auch nur ganz vereinzelt, sind bereits Ver- suche am Lebenden zu dem Zweeke gemaeht women, um ,nor- male~< Ges t a l t ungsvorg~ tnge als so l ehe g e n a u e r k e n n e n zu lernen, mehr als es durch die direkte Beobaehtung des normalen Gestaltens und dureh die Besiehtigung verschiedener, dureh TSdtung

Page 56: Für unser Programm und seine Verwirklichung

274 Wilhelm Roux

fixirter Stadien dieses Gesehehens mSglich ist. Sie repriisentiren die erste Abtheilung des zur Erforsehung des lqormalen verwendeten �9 m o r p h o l o g i s e h e n E x p e r i m e n t s , .

Wir erinnern hier an die berUhmten Versuche aus dem Jahre 1742 yon DUHAMEL, sowie seiner Iqachfolger OLLIER, FLOURENS, GUDDEh ", JUL. WOLFF U. A., tiber die L o k a l i s a t i o n des Knochenwaehsthums, die angestellt wurden, um zu ermitteln, ob die Knochen durch (iiul]ere resp. inhere) A u f l a g e r u n g (dureh Apposition) auf den bereits vor- handeuen Knochen oder durch E i n l a g e r u n g neuer Knochentheile i n die bereits vorhandene Substauz also i n t e r s t i t i e l l waehsen.

Der Zwek war also, die L o k a l i s a t i o n des K n o e h e u w a c h s - thums festzustellen. Das war eine schSne, aber leider ziemlicb vereinzelt gebliebene morphologische Versuchsreihe des ~formal- a n a l y t i s e h e n r Versuchs .

Andere Versuehe bezogen sieh auf die T r a n s p 1 a n t a t i o n (I-IUlqTER), und die R e g e n e r a t i o n . Es war letzteren Falles die Ab- sieht, b e s e h r e i b e n d zuniiehst die groben Thatsachen und spater die feineren normalen Gestaltungsvorg/tnge der Regeueration mSg- lichst genau festzustellen (lgussnAu~, BARFURTH, BALBIANI 11. A.). Sie bezogen sieh jedoch blo[~ auf die Vorg~tnge als /iul]ere und i n n e r e F o r m w a n d l u n g e n , also nur auf die fo rmale A n a l y s e dieser Vorgiinge, nicht aber auf die U r s a e h e derselben; datum gehSren aueh sie zum formal-analytisehen Experiment.

Diese Versuehe bringen uns abet sehon der u r s i i e h l i e h e n Kenntnis nahe, oder wenigstens n/iher, indem wir dureh sie die St i i t ten des d i r e k t g e s t a l t e n d e n G e s c h e h e n s und damit zum The i l aueh die ~( ) r t l iehkei t der Ursaehen~ desselben kennen lernen. Hierher gehiiren aueh die sehiinen Versuche yon lqUSSBAU~, A. GRUBER, BALBIASI, HOFER U. A. Uber die lqothwendigkeit des Kerns zu der Gestaltung und Regeneration der Protisten u. dgl.

Direkt auf die s p e e i e l l e n ,Ursachen, , der G e s t a l t u n g be- zUgliehe: , e a u s a l - a n a l y t i s e h e ~ Experimente sind dagegen bis vor wenigen Jahren nur spiirlieh und ganz vereiuzelt bekannt geworden. Vielleieht werden nunmehr noeh eine ganze Reihe einzelner bezUglieher Arbeiten aufgefunden, da es Ublieh und ntitzlieh ist, dass naeh jeder Aufstellung yon etwas dem g e n e r all e n Zeitbewusstsein lqeuen seitens der mehr historisch als produktiv veranlagten Autoren sine sorgfaltige litterarisehe Nachlese nach frUheren Spuren davon veranstaltet wird. Was bis jetzt yon bezUglichen Experimenten bekannt geworden ist, stammt, wie oben schon erwiihnt, wesentlich als Igebenprodukt yon

Page 57: Für unser Programm und seine Verwirklichung

FUr unser Programm und seine Verwirkllchung. 275

den Versuchen der Pathologen her. Der Antheil der sog. normalen Anatomen sowie der Zoologen war ganz vereinzelt.

Hier ist zun~tehst dcr bereits in den Jahren 1857 und 1858 yon dem Anatomen LUDWIG FICK (22) angestellten Versuchc tiber die Ursachen der Knocl~enformen zu gedenken. Dieser Autor exstirpirte jungen Thieren die Kaumuskeln e|ner Seite, ein Auge, um die folgen- den Abiinderungen der Knoehenformen zu erkennen. Die Versuehe fielen indess in eine noeh nicht genUgend vorbereitete Zeit; denn die Histologie des Knochens war damals noch nicht weir genug ausge- bildet. So konnte dcr Autor seine Versuche trotz vielen Scharf- sinnes im Speciellen noeh nieht richtig deuten; yon weiterem eigenen Forschen rief ihn ein frUher Tod hinweg. Spliter folgten Versuche yon GUDDEN und Anderen tiber sekundi~re Aplasie z. B. yon Gehirn und RUckenmarkstheilen junger Thiere naeh Ausschneidung der zugehiirigen peripheren Organe etc.; ferner Versuche tiber kom- pensatorische Hypertrophic yon Organen, wie der •ieren und Gefai~e (RIBBERT, NOTI-INAGEL U. A.).

Hierbei handelt es sieh um die U r s a e h e n der W a e h s t h u m s - grSfle, um zurUckbleibendcs odor versti~rktes W a c h s t h u m bereits angclegter, ja bcreits differcnzirter und weit ausgebildeter Organe; sie lehrtcn uns wichtige Komponenten kennen~ yon denen die nor- male W a c h s t h u m s g r S B e abhi~ngig ist.

In frUher Zeit wurden auch schon V e r s u c h e am Ei und an frUhen S tu fen s e i n e r E n t w i e k e l u n g gemacht . VALESTIS, LEUCKART~ SCHROHE begannen mit einzclnen Versuchen; dann folgten die zahlreichen Versuehe yon DARESTE~ PANUM, L. GERLACH~ I)R]~VOST, DUMAS, LOMBARDINI~ MAGGIORANI~ A. RAUBER U.A. tiber die Pro- duktion kUnstlieher Missbildungen dureh Versetzen des Eies in ab- norme i~uBere Bedingungen etc. 1). Sic haben uns die im damaligen Stadium der Wissenschaft wichtige Erkenntnis gebracht, dass dureh iiuBcre Momente, wie ErschUtterung, einseitige Erwiirmung, Be- schriinkung des Luftzutrittcs etc. tlberhaupt M i s s b i l d u n g e n hervor- gebracht wcrden kSnnen~ dass also die e m b r y o n a l e B i l d u n g kUnst l ich ges t i i r t und a l t e r i r t w e r d e n kann , und dass damit nicht gleich alle Lebensthatigkeit aufhSrt~ sondern dass viele Bil- dungsvorgi~nge noch weiter gehen kSnnen.

Genaue E i n z e l k e n n t n i s s e tiber die U r s a c h e n oder auch nur

1) Genauere8 iiber diese Versuche findet sich in: LEO GERLACIt, Die Ent- stehung der Doppelbildungen bei den hi~heren Wirbelthieren (Stuttgart 1882), auf pag. 90---115 berichtet.

Page 58: Für unser Programm und seine Verwirklichung

276 Wilhelm Roux

Uber den S i t z der Ursaehen der B i ldungsvo rg i inge sind dureh diese Versuehe yon ihren Autoren nieht abgeleitet und damals, roll der Absieht, kiinsfliehe Doppelbildungen zu produciren, abgesehen, wohl iiberhaupt noch nieht erstrebt worden, obsehon einige Versuchs- ergebnisse bereits in dieser Weise verwerthet w,erden k0nnen.

Die DARwI~'sche Zeit war, auBer den ZUehtungsversuehen, ex- perimentellen Forsehungen unserer Art nieht giinstig, weil sie so viel neues Licht tiber andere Verhliltnisse. verbreitete, dass fast alle jugendlichen Kr~fte sich dieser Art der Forschung widmeten, einer Forsehung, die wesentlieh auf der Verwendung der allgemeinen Prin- cipien der Vererbung und Anpassung beruhte und ontogenetiseh vorzugsweise mit dem biogenetischen Grundgesetz, resp. mit StSrungen desselben (Ciinogenesis) arbeitete.

Gleiehwohl warf ein junger vergleichender Anatom, G. BoRs (24), gegen Ende der siebziger Jahre die Frage naeh den Ursachen der Bestimmung des m~nnlichen und weiblichen Gesehleehts auf und nahm ihre experimentelle PrUfung energiseh in Angriff. Abet trotz der yon ibm und danaeh auch yon E. 1)FLUGER aufgewandten Mtihe und Sorgfalt und trotz mancher sonstiger interessanter Erg'ebnisse ihrer Versuche mnssten die Autoren erkennen, dass sie eine Frage in Angriff genommen hatten, die der LSsung' noch widerstand. Meiner Meinung nach war dies desshalb der Fall, weil wir noch nicht so weit waren (und NB. auch noch lange nicht so weit kommen werden), um einen der- artigen Vorgang in seine wahren Komponenten analysiren zu kSnnen.

Danach habe ich in den aehtziger Jahren die Forderung nach g e n a u e r e r K e n n t n i s der U r s a e h e n , der urs~tehl ichen Wir - k u n g s w e i s e n der e i n z e l n e n E n t w i c k e l u n g s v o r g i i n g e des Individuums, als sie die d i r e k t e B e o b a e h t u n g des no rma len Geschehens und die vergleiehende Forschung gew~ihren kSnnen, auf- gestellt.

Um dieser Forderung zu entspreehen, musste der ~)eausal- a n a l y t i s e h e Versueh,, nieht bloB gelegentlich, sondern m e t h o d i s e h angewendet werden. Ieh versuchte daher erstens den experimen- tellen Eingriff b e s t i m m t zu l o k a l i s i r e n , um den E f f e k t auf die Anderung b e s t i m m t e r Theile beziehen zu kSnnen. Aus dieser Forderung ergab sich das b e s t i m m t l o k a l i s i r t e E x p e r i m e n t am Ei und Embryo . Es musste aber ein entsprechender E f f e k t auch w i r k l i e h e i n t r e t e n und yon uns genau erforseht werden. Dies war bei einigen bereits von frUheren Forschern angestellten Ver- suchen nicht der Fall gewesen.

Page 59: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 277

So hatte LEO GERLACH durch specielle Lokalisirung der, yon DARESTE nnd PASUM in allgemeiner Weise angewandten, Firnissung des Htihnereies kUnstliehe Doppelbildungen hervorzubringen beab- sichtigt; er glaubte auch in der That, solche hervorgebracht zu haben, erkannte dies aber sp~ter selber als Irrthum (s. 1, Bd. II. pag. 517). Mir war es yon vorn herein als unmSglich ersehienen, die Diffusion yon der Eisehale aus derartig gegen den Keim hin zu lokalisiren, dass das Waehsthum so kleiner Theile yon da aus entsprechend lokalisirt werden kSnnte. AnBerdem aber hielt ich die bei diesem Experiment als Voraussetzung angenommene Wir- kui1gsweise, dass die Anlageste l le der embryonalen Achsentheile und die A n l a g e dieser Theile selber durch die Sauerstoffzufuhr bewirkt werde, nieht fUr zutreffeild (s. 1, Bd. II. pag. 323). Ebenso hatte A. RAUBER (25) einen solchen Versuch beabsichtigt, indem er gegen den Keimring von Forellei1eiern einen Stilt andrUckte; auch er glaubte irrthtimlicher Weise dadureh eine Doppelbildung hervor- gebracht zu haben.

Naeh frUher (w~thrend meiner Studienzeit im Jahre 1874) ange- stellten anderen Versuchen an HUhnereiern (s. 1, Bd. II. pag. 153) wai1dte ich zuerst im Jahre 1882 den ~bes t immt l o k a l i s i r t e n An- st ich des E ies , , sparer die TOdtung g a n z e r F u r c h u n g s z e l l e n mit der heiBen Nadel, auBerdem, auf spi~terer Stufe der Entwiekelung, das A u f s e h n e i d e n der Blastula, Gastrula und des jungen Embryo, sowie das A u s s e h n e i d e n yon StUcken des letzteren an. Die Lokalisation des Eingriffes am Ei resp. am Embryo wurde auf eine Zeiehnung des Gebildes eingetragen und der Gang der Entwickelung tier so beeinflussten Eier wurde theils di1rch iiuBere Besichtigung, theils durch Mikrotomirung vieler Eier, welehe nach miJgliehst gleichen Eingriffen auf versehiedenen Stadien der Eutwickelung aufgehoben waren, beobachtet. Daher konnte aueh die Reihe der fo rma len Folgen des Eingriffes ermittelt und direkt auf den Eingriff bezogen werden, wodurch zuni~ehst eine O r i e n t i r u n g tiber die Natur einiger Hauptprobleme der embryoi1alen Entwickelung gewonnen wurde. AuBerdem wurden im Jahre 1883 durch andere Versuche aueh einige spee i e l l e Fragen yon mir in Angriff genommen, so die Fragen naeh der Z e i t und U r s a e h e der R i e h t u n g s b e s t i m m u n g der Med ian - ebene des kUnftigen Embryo im Ei. In demselben FrUhjahre stellte PFLt~GE~r seine bekannten Versuche tiber die Wirkung der S c h w e r - k r a f t auf das Ei an, mit welehen er zugleieh eine neue wichtige Versuehsmethode, die ktinstliche Zwangslage des Eies, einftihrte.

Page 60: Für unser Programm und seine Verwirklichung

278 Wilhelm Roux

Seit dieser Zeit sind die eausal-analytisehen morphologischea Versuche in der embryologischen Forschung zu sehr verbreiteter Anwendung gekommen; dies theilweise aueh bei Forsehern, welche nieht d ie Absieht aussprachen, Entwickelungsmechanik treiben zu wollen, letztere aber gleichwohl fSrderten. Wit erinnern promiscue an die bedeutenden experimentellen Arbeiten yon G. BORN, D. BAR- FURTH 7 CHABRY~ M. NUSSBAUM~ BR. HOFER~ A. GRUBER 7 H. DRIESCH, K. FiEDLER, C. HERBST, E. G. BALBL~NI, T. H. MORGAn, BOVERI, O. SCHULTZE~ G. WOLFF~ P. MITROPHANOW~ SEELIGER, J. LOEB, R. ZOJA, A. HERLITZKA 7 U. ROSSI~ H. E. CRAMPTON~ U. B. WILSON, H. ESD~ES, W. W. b~OaMAN, C. B. DAVESPORT U. A. Daneben sind zugleich auch die anderen Arten des ~morphologischen Experiments,~ erfreulicher Weise wieder mehr in Aufnahme gekommen.

Da der c a u s a l - a n a l y t i s c h e m o r p h o l o g i s c h e Versuch fiir die Entwickelungsmechanik, fur die Lehre yon den U r s a c h e n der organischen G e s t a l t u n g e n , die ihr eigene spec i f i s che For- schungsmethode darstellt, obschon sie auch die Ergebnisse aller anderen Experimente, sowie der vergleichenden und deskriptiven Forschungen mSglichst fUr sich verwerthet und ihrer bedarf, so haben wit nun nach dem eigentliehen Wesen dieses Versuchs zu fra~en.

Das W e s e n des c a u s a l - a n a l y t i s e h e n m o r p h o t o g i s c h e n V e r such s besteht darin, dass eine einfache oder komplexe nrsiichliche Komponente (oder auch eine eng verknUpfte ganze Gruppe solcher Komponenten) des organischen Gestaltungsgesehehens veriindert wird, und dass wir einerseits sowohl die dadurch bewirkte Abanderung des normalen Gestaltungsgesehehens voUstandig beobaehten, wie anderer- seits aueh die yon uns abgeiinderten ursiiehlichen Komponenten wenigstens so weit ermitteln, um die Anderungen d e r Gestaltung auf diese Ursaehen beziehen zu k~nnen.

Um einen solehen Versnch anzustellen, ist Mancherlei zugleich erforderlich. Dazu geh(irt zun•chst, dass bei allen Wiederholungen desselben Versuchs nach Art und Ausdehnung ganz die g t e i e h e n Ausgangs~tnderungen yon uns vorgenommen resp. hervorgebracht werden; was h~tufig sehr sehwer zu erreiehen wie zu kontrolliren ist.

Zweitens ist diese Ausdehnung und Art der dureh unsere Ein- wirkung veranlassten Anderung von Gestaltungsursachen sicher zu e r m i t t e l n ; dies ist oft gleiehfalls eine sehr schwierige Aufgabe. Durch letzteres wird der Ver sueh erst zu einem ~bes t immten% auf eine bestimmte, also uns b e k a n n t e Ursache zu beziehenden und dami t e r s t zu e inem a n a l y t i s c h e n , das heiBt zu einem Versuch,

Page 61: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Ftir unser Programm und seine Verwirklichung. 279

der zu einer Analyse des normalen Gestaltungsgeschehens in seinen einzelnen urs~chlichen Wirkungsweisen fiihren kann.

Letzteres ist jedoch erst dann der Fall, wenn, drittens, die F o l g e n d ieser Einwirkung richtig and vo l l s t~nd ig ermittelt worden sind; wiederum eine oft sehr schwierige Aufgabe. Diese Aufgabe ist meist nicht dureh die in der deskriptiven Forsehung gebriiuchliehe ,Konser- virunff yon Entwickelungsstadien~ in genUgendem MaBe za erreiehen; sondern sie macht auBerdem k o n t i n u i r l i c h e Beobachtung niithig.

Um alle diese Aufgaben zu l~sen, sind h~tufig sogar Va r i a t i onen , and zwar sehr weitgehende V a r i a t i o n e a des V e r s u c h s n0thig. Auch diese miissen bewnss t e , yon uns gekannte sein, damit wir wieder die Anderungen des Resultates aaf .~nderungen des Eingriffes beziehen kSnnen. Das heiBt also, es mUssen oft, um e in Experi- ment riehtig zu deuten, m e h r e r e Experimente etwas v e r s c h i e d e n e r Art angestellt werden, damit ihre Deutungen sieh gegenseitig kontrol- liren and siehern.

Haben wir yon vorn herein, also sehon beim Beginne des Vet- sachs eine gestaltliche Komponente im Auge, die wir abza~ndern streben, so ist der Versuch ein , a n a l y t i s c h gep lan te r r Dabei ist uns also die abza'~ndernde Komponente schon als solche bekannt, oder sie wird wenigstens vermuthet. Aus unserer Absicht and unserem Bestreben folgt abet keineswegs, dass die AusfUhrung des Versuebs aueh wirklieh gerade diese Komponente trifft; wir ki~nnen oft nieht erreiehen, dass die Einwirkung sie vollst~tndig, sie allein, ja manehmal kaam, dass sie sie Uberhaupt trifft. Ob dies wirklich gesehehen ist, mass erst entspreehend dem obigen zweiten Erfordernis sorgF~tltig gepriift und ermittelt werden.

Gelingt es uns wirklieh, die Folgen unseres Eingriffes auf die r i ch t igen , also auf die wirklieh abgei~nderten arsiichliehen Kompo- nenten zu beziehen, somit die Gesammtheit der bei der Einwirkunff betheiligten Komponenten zu ermitteln and ihren Antheil an dem neuen Resultat riehtig abzusehiitzen, ohne den eventuellen Antheil anderer Komponenten zu iibersehen, so ist der Versueh ein ~ana ly t i sch durchgef i ih r t e r~ . Dies zu erreichen, muss das Ziel

jedes causalen Versuchs sein. An nicht gelungener resp. liberhaupt nicht versuchter ,,analytiseher DurchFtihrang(~ sind die bereits in frUherer Zeit, yon den auf pag. 275 genannten Autoren ausgefiihrten morphologischen Experimente am Ei und Embryo wenigstens in dem Sinne gescheitert, dass sie keine fiir die ,exakte,~ causale Forschung verwendbaren Ergebnisse geliefert haben, obschon sie zur Rubrik der , ) eausa l -morpho log i schen Versuche,, gehSren. Sie s te l l en

Page 62: Für unser Programm und seine Verwirklichung

280 Wilhelm Roux

k e i n e ,causal-analytischen,,, sondern nur , c a u s a l - u n b e - s t immte, , V e r s u e h e dar.

Das Ziel des analytischen Versuchs kann aueh erreicht werden, wenn der Versueh yon vorn herein nicht ~analytiseh geplant,, ist, sondern selbst, wenn bloB ein zun~tehst , u n b e s t i m m t e r Versueh~ beabsiehtigt wurde. Dies kann in der Art geschehen, dass man statt im Voraus b e s t i m m t e Theile eines Eies oder Embryo abzuiindern, die Eier resp. Embryonen einer a l l g e m e i n e n , gleiehmli i~igen Ande- rung yon Verhiiltnissen, z. B. der Anderung der Wiirme (oder des Salzgehaltes, des Sauerstoffgehaltes etc.) des umgebenden Mediums aussetzt, sofern sich hierbei ergiebt, dass dutch diesen a l l g e m e i n e n Eingriff in Wirklichkeit bloB e in ige ursiichliche Komponenten ab- ge~ndert werden, und sofern es uns gelingt, diese zu ermitteln, und also den Erfolg auf die Ab~nderung dieser Komponenten zu beziehen. Der erste Versuch war also dabei gleichsam bloB tin O r i e n t i r u n g s - ve r such ; die ~ a n a l y t i s c h e Pr t i fung des E r g e b n i s s e s , machte ihn nach t rKgl i ch zu e inem a n a l y t i s e h e n . Bei solcher Priifung mUssen aber gewShnlieh selber wieder viele neue Versuche angestellt werden.

Es ist also zu einem analytischen Versuche nicht nSthig, dass er yon vorn h e r e i n analytisch geplant war; sondern das analytische Versuehsstadium kann auch zu jeder spateren Zeit erst beginnen, sobald wahrgenommen wird, dass mit einer be s t immten , das heiBt, uns ihrem Oft und ihrer Art nach bekannten Einwirkung bestimmte, das heiBt immer dieselben und yon uns ermittelten Folgen verkntlpft sind; danach kSnnen dann beide, Einwirkung und Folgeu, genauer ermittelt werden.

Hat man dagegen yon vorn herein tin bestimmtes Ziel, die u r s l i eh l i che E r f o r s c h u n g e ines b e s t i m m t e n G e s t a l t u n g s - >~Vorganges,< im Auge, dann muss man auf Mittel sinnen, diesem speciellen Zwecke nahe zu kommen; dann muss man yon vorn herein analytisch planen; und es ist die Hauptsache7 die w i r k l i c h e n (nicht bloB die vermuthungsweise) diesen Vorgang bestimmenden Ursachen aufzufinden. Bei diesem Aufsuehen muss dann zumeist nach dem oben mitgetheilten analytischen Schema verfahren werden; es sind zuni~chst die Ursachen der Ze i t , des Or tes und eventuell der GrSBe des G e s e h e h e n s zu ermitteln, ehe die Erforschung der Ursachen der Qual i tKt des Vorganges mit Erfolg in Angriff genommen werden kann (Beispiel s. 1, Bd. II. ~qr. 16, 20 und 21).

Um nun einen so l chen a n a l y t i s e h e n V e r s u c h p l a n e n zu kSnnen~ muss ihm nothwendig das a n a l v t i s c h e D e n k e n voraus-

Page 63: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 281

gegangen sein; und um ihn als solehen du rch fUhren zu k~nnen, muss dieses Denken ihn stetig, das heiBt in jeder Phase des Ver- suchs and bei jeder einzelnen Beobachtung begleiten.

War die V o r a n a l y s e und die auf sie gegrUndete heuristisehe causa le H y p o t h e s e falseh, so wird aneh die erste In-Angriff- Nahme in Bezug auf den speeiellen Zweck des Versuehs eine falsche sein. Das sehlieBt aber noeh nicht aus, dass der Versueh selber nicht nachtr~i~lich doeh ein ,analytiseher, wird, niimlieh dann, wenu es durch sorgfi~ltige Beobaehtung, dureh erneute analytische PrUfung and durch entspreehende Variationen des Versuehs gelingt, die bei dem Versuchsergebnis betheiligten Komponenten aufzufinden, und ihren Antheil an der beobachteten, vom Normalen abweichenden Wirkang richtig zu beurtheilen.

Das analytisch durehgefUhrte, also das gelunffen e ~ a n a ly t i s e h e, e a u s a l - m o r p h o l o g i s e h e E x p e r i m e n t , ist der Zauberstab, mit dem LiGht in viele jetzt dunkle und Vielen sogar unerforsehlieh seheinende Geheimnisse der bildenden organisehen Natur gebraeht werden wird. Und die w e n i g e n bis j e t z t , sei es zufiilliger Weise oder in Folge strenger DurchfUhrung g e l u n g e n e n so lehen , c a u s a l - ana ly t i schenr m o r p h o l o g i s c h e n V e r s u c h e s ind es, denen wi r das W e s e n t l i c h e unse re r j e t z i f f e n s p e e i e l l e n urs i~chl ichen E ins ich t in die Vorffi~nge der o r g a n i s c h e n G e s t a l t u n g ver - dankenl) .

Es wurde schon angedeutet, dass das Ziel tines analytischen Experiments oft nicht gleich vollkommen erreicht werden kann, dass der Experimentator sich sowohl fiber den unmittelbaren Wirkungs- umfang eines vorgenommenen Eingriffes, wie Uber die wesentliche, durch ihn ver~inderte Komponente zun~ichst tiiuscht; und dass trotz beabsichtigter g l e i c h e r Wiederholungen doch v e r s e h i e d e n e Ein- wirkungen vorkommen; alsdann wird auch der Erfolff bei den einzelnen Versuchen am gleichen Objekt verschieden ausfallen, hTicht selten werden daher 5ftere, ja jahrelange, wohldurehdachte oder aueh zuflillig in gUnstigerer Weise variirte Wiederholungen der Versuche niithig sein, his eine Versuehsanordnung gefunden wird, bei welcher k o n - s t an te Resultate sich erffeben; womit dann aueh fur riehtige Folge- rangen aus den Resultaten weniffstens der Grund gelegt ist. Trotzdem

lj Jiingst sind zwei werthvolle, eng an unsere Richtung sich anschlie[3ende Werke erschienen: C. B. DAVENPORT'S ~Experimental morphology,, und soeben THOM. tI. MOROA~'S: *The development of the frog's egg, an introduction to experimental embryologyr welche verschiedene Abtheilungen des biologischen Experiments zusammenfassen.

Page 64: Für unser Programm und seine Verwirklichung

282 Wilhelm l<oux

werden IrrthUmer aueh dann noch nieht ausbleiben; und durch neue a n d e r s a r t i g e Versuche wird oft die Bedeutung frliherer Ver- suche ge~tndert werden, und •achprUfungen der letzteren durch neue Variationen derselben werden sich in Folge dessen als ni~thig erweisen.

Wir wollen uns das Wesen solches causal-analytischen Versuchs an e inem bis ins S p e c i e l l e v e r f o l g t c n B e i s p i e l e noch etwas klarer maehen und dazu ein Beispiel nehmen, welches einen yon unserem Gegner HE~TWIO angefoehtenen Fall bctrifft.

bTachdem dureh meine ersten, im Jahre 1882 begonnenen An- stichversuche am Froschei ermittelt worden war, dass durch den dadurch bewirkten Dei'ekt am Eimaterial nnd durch die St(irung der Anordnung des Materials keine neuen Ar t en von Bildungcn ver- anlasst werdcn, sondern dass im Gegentheil normal gestaltete Em- bryonen mit bloB l o k a l e n Defekten und lokalen Sti~rungen ent- stehen (1, Bd. II. pag. 1S0), strebte ich zu ermitteln, ob jede der beiden ersten Furehungszellen des Eies, yon denen die eine ihrer Lage und ih rem Mate r i a l e nach der rcchten, die andere der linken K~irperhiilfte des spliteren Embryo entsprieht, flir s ich a l le in auch die Kr~tftc also Wirkungsfi~higkeitcn I zur Bildung eben dicser Kiirperhiilfte enthi~lt, oder ob im Gegenthcil das Z u s a m m e n w i r k e n beider Halften zur Entwickelung des Embryo n(ithig ist.

Ich suchte daher die einc yon be iden Ze l len durch Anstich mit einer hciBen Nadcl ganz zn t~idten und so diese, allerdings an sigh sehr komplexe Komponente des Entwickelungsgeschehens ganz aus diesem Geschehen auszusehalten. Dieser analytisehe Versueh gelang oft recht gut; und es zeigte sieh, wie wohl genUgend bekannt ist, dab aus der t i b e r l e b e n d e n der b e i d e n e r s t e n F u r c h u n g s - ze l len ein r e c h t e r resp. l i n k e r h a l b e r F r o s c h e m b r y o her - vorging. Die Methode dieser Versuche ist yon mir in allen wesent- lichen Theilen angegeben worden.

HERTWIG hat dann einige Jahre spiiter diese Versuche nachzu- machen versncht; aber im Gegensatz zu mir hat er bei seinen Versuchen angeblich das Resultat erhalten, dass aus e iner der beiden ersten Furchungszellen des Froscheies nach T(idtung der anderen stets ein g a n z e r wohlgcbildeter E m b r y omit nur einigen klein en Stiirungen resp. Defekten am hinteren Kiirperende entstand. GriiBer kiinnen die Gegen- s~ttze der Ergebnisse nicht gut sein. Woran lag diese Verschiedenheit? Daran, dass HERTWIG'S Nachversuehe nicht a n a l y t i s c h angestellt, durchgefUhrt und gedeutet waren; denn er hatte die andereFurchungs- zelle nicht ganz ausgcschaltet; sondern in dem MaBe als mehr denn ein halber Embryo gebildet worden war, hatte (wie man unmittelbar aus

Page 65: Für unser Programm und seine Verwirklichung

FUr unser Programm und seine Verwirkliehung. 283

seinen Abbildungen ersehen kann) aueh mehr als die H~tlfte des Eies dazu Verwendung gefunden. Diesen Thatbestand hat HEr{TWIG tiber- sehen. Weil er mit der heillen •adel in die eine Zelle hineingestochen

hatte, hat er ohne Weiteres a n g e n o m m e n , dass dasjenige, was danach entstand, nur yon dem Material der nicht operirten Furchungs- zelle herstamme; obsehon die Massenverhiiltnisse das Gegentheil zeigten, und obschon ich eingehend die oft sehr frtih schon, n~mlich bereits naeh den ersten Furchungen der normalen H~ilfte erfolgende Mitverwendung yon Material tier operirten EihKlfte geschildert hatte.

O. HERTWIG hat Uberhaupt bei seinen Nachversuehen die Be- obachtung und PrUfung aller derjenigen Momente unterlassen, die n~ithig sind, um den Versuch zu einem a n a l y t i s c h e n zu machen. Erstens hat er nieht bald nach der Operation, sowie am Tage da- nach sieh Uberzeugt, dass wirklich e i n e g a n z e E i h i i l f t e und zwar d ie ganze, der o p e r i r t e n F u r e h u n g s z e l l e e n t s p r e c h e n d e Ei- hi~lfte an der Entwickelung unbetheiligt blieb. Da wir den Effekt der ~ade l nicht genau genug mit der Hand reguliren kiinnen, muss und kann abet auch die n a c h h e r i g e baldiffe und wiederholte prUfende A u s l e s e aus den vielen operirten Eiern diesen Mangel ausgleiehen.

Es kommt ferner vet, dass die Wirkung der heiBen ~ade l sich an einer Stelle etwas auf die andere Furchungszelle erstreekt; und man erhiilt in Folge dessen manchmal Embryonen, die erheblich weniger als eine Hi~lfte darsteIlen, indem besonders an der Bauehseite und hinten ein Defekt ist (der Mechanismus der Entstehung diescr Art yon Defektbildung ist crst noch zu erforschen). Andererseits ist es sehr h~tufig, dass die operirte Furchunffszelle nicht in t o t e unverwendbar gemacht worden ist ~) und daher manchmal sehr fi'tihzeitig mit in

~) Es ist am A n f a n g der Laichperiode sehr schwer, eine der beiden ersten Furehungszellen des Froseheies g a n z zu ttidten, ohne die andere Zelle mit zu seh~digen. Leichter gelingt dies am Ende der Laiehperiode, also zu einer Zeit, in der viele Eier sehon etwas gelitten haben. Und bei den l e t z t e n noch entwiekelungsf:,ihigen Eiern der im Laboratorium getrennt aufbewahrten briinstigen Frtische, also bei s t a r k e r Verz t i f fe rung der Laiehunff, entstehen soffar nicht selten durch s p o n t a n e s A b s t e r b e n e ine r der b e i d e n e rs ten F u r c h u n g s z e l l e n die sehiinsten YIemiembryonen ganz ohne unser Zuthun; operirt man in diesem Stadium, so erhi[lt man sehr viele reine nnd alte Halb- bildnngen, da die zersetzte andere Eih~ilfte nnr dutch den sehr langsamen �9 dritten, Reparationsmodus nnd daher erst spiit nnd nut unvollst:,indig mit in Verwendunff gezogen werden kann.

Es sei noch erw~thnt, dass es mir aueh gelnngen war, dnreh P o s t g e n e r a t i o n der zuerst gebildeten Fialbb ild angen, und zwar selbst ohne Verwendung yon Material der anderen Eih~lfte, �9 n ach t ri igli ch �9 g anze Embryonen, somit aus bloB halben Eiern entstehen zu lassen (1, Bd. II. pag. 797).

Arehiv f. Entwickelungsmechanik. V. 19

Page 66: Für unser Programm und seine Verwirklichung

284 Wilhelm Roux

Verwendung gezogen wird, so dass sich ein Theil derselben bloB einige Stunden spi~ter furcht als die andere Eihiilfte. Dutch Kombination dieser beiden Versuehsm~ngel ist es bedingt: dass man manchmal Bildungen erh!ilt, die eine Zeit lang halbe oder wenig mehr als halbe Embryonen darstellen, we lche aber n ich t mi t der Med ianebene a b s e h n e i d e n , sondern welehe z. B. be ide MedullarwUlste (somit auf der dorsalen Seite zu viel) haben, wahrend auf der Bauchseite zuFallig ein, ann~thernd oder ganz entsprechend groBes StUck fehlt, wodurch sie sich deutlich yon den bloB aus e ther Furehungszelle abstammenden Halbbildungen unterscheiden.

Weiterhin ~renzen sich HERTWIG'S ~fast ganze Embryonen, mit ihrem i~uBeren Keimblatt auch nicht gegen die an der Ent- wiekelung n ich t b e t h e i l i g t e Dottermasse ab; sondern so weit mehr vorhanden ist, als zum halben Embryo gehSrt, umschl ieBt der E k t o b l a s t die zwe i t e Eihi~lfte, lie~t somit au f der ~tuBeren, also freien, gegen die Ga l l e r thUl le des Eies gewendeten Oberfi~iche des nicht in Zellen zerlegten Dotters: wieder ein Beweis, dass das Plus des Ektoblast nicht der ersten, sondern der zwe i t en Eihi~lfte zugehSrt . Alle diese Verhiiltnisse, deren Erkennung und richtige Deutung das a n a l y t i s c h e Wesen des Versuchs ausmachen, hat HERTWI(~ bet seinen Nachversuchen Ubersehen und auch in seiner jetzigen Schrift, trotz meiner ihm dartiber bereits gemachten Vorhaltungen, nicht zu wtirdigen vermocht.

So ist denn start des yon mir ausgefUhrten a n a l y t i s c h e n Versuchs tiber die Frage, was e i n e yon der :Natur selber abge- grenzte Eih l i l f te fur sich allein zu bilden vermag, yon HERTWIG bloB mein a l l e r e r s t e r O r i e n t i r u n g s v e r s u c h n a c h g e m a c h t worden , ohne dass HERTWIO diesen fundamentalen Unterschied bemerkt hi~tte. Sein Ergebnis war dem entsprechend ~anz dasselbe als bet meinem Orientirungsversuch: naeh l o k a l e n D e f e k t e n am Ei kSnnen wohlgebildete, fast ganze und nur mit einem l o k a l e n D e f e k t e behaftete Embryonen entstehenl).

~) Auger diesem missgliiekten Nachversueh hat HERTWIG, wie vorher viele deskriptive Beobachtungen Anderer, in letzter Zeit auch mehrere Versuche yon anderen Autoren und yon mir nachgemacht, so die Anwendung der Platten- und RShrenpressung, der SCHULTZE'Schen Umkehrung, der Salzl(isungen und der Centrifuge auf Eier, zuletzt an anderem Materiale BORN'S Verwachsungs- versuehe. Davon sind ihm einige, die sich in einfacheren Verh:,iltnissen bewegen, besser gegltickt; aber auch bet ihrer Durchftihrung und Deutung macht sieh der Mangel ~)causalen, analytischen Denkens, Fehler bildend be- merkbar.

Page 67: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkl ichung. 285

Gleichwohl bezeiehnete HERTWIG auf Grund seiner Versuche meine A n g a b e n als f a l s ch , indem er b e h a u p t e t e , ich hatte, wie er, g anze Embryonen nur mlt vielleieht etwas grSBerer S t S r u n g der 0rgananlagen auf der einen Halfte gehabt als er; er that dies, obschon mitgetheilt worden war, dass bei vielen meiner Eier der Dotter der g a n z e n zweiten Eih~lfte zersetzt und gar nieht in Zellen zerleg't war, wie ich dies auch abgebildet und auf mehreren Versammlungen (Naturforseher- und Anatomenversammlungen) de- monstrirt habe.

Da HERTWIG vers~tumt hatte, genUgend oft (auch/qaehts) zu be- obachten, um den wirkliehen formalen B i l d u n g s g a n g seiner Em- bryonen zu kennen, b e h a u p t e t e er, die yon mir beschriebene P o s t - g e n e r a t i o n , welehe den halbert Embryo naeht r~ ig l ich erganzen kann, existire gleiehfalls nieht, sic existire ebenso wenig, wie nach seiner Meinung die halben Embryonen.

Man muss also bei einem a n a ly ti s c hen Versuche streng prUfen, ob er in seiner Anstellung, Durehfiihrung und Deutung aueh wirklieh ein analytischer ist, d. h. ob wirklieh bloB diejenigen Komponenten, auf deren :~nderung wir die Anderung des gestaltenden Gesehehens beziehen, ganz aufgehoben resp. allein geandert waren; ob nieht vielmehr zugleich noch andere Komponenten des Geschehens auf- gehoben oder alterirt worden sind. Das ist nicht immer, ja wohl nur selten in so vollkommenem MaBe direkt zu erkennen, wie in dem hier als Beispiel aufgefUhrten Versuche. ~icht selten werden wit daher erst spiiter einsehen, dass ein Versuch, den wir als analytisch durchgeftihrt und gedeutet beurtheilt haben, es doch nicht ganz gewesen ist.

Diese Vermuthung ist auch ftir den soeben erSrterten Versuch noch nachtrliglich aufgetaueht, wie zur Vervollst~indigung und zur Belehrung tiber die auf unserem Gebiete bestehenden Schwierigkeiten noch niiher mitgetheilt sei.

Bei den Anstichversuchen mit der h e i B e n •adel an Froseh- eiern tritt Uberhaupt nur wen ig Dotter aus dem Ei aus (wenn 1/6 des Eidotters oder mehr austritt, sterben nach meinen Erfahrungen die Froscheier ab). Es liegt also neben der unverletzten Zelle die Masse der angestochenen Zelle, nur um Weniges vermindert; und beide Massen werden durch die enge, sie gemeinsam umschlieBende Dotterhaut g e g e n e i n a n d e r gepress t . Die bestenfalls ganz todte Eihitlfte wirkt daher doch noeh etwas a b p l a t t e n d auf die lebende Htilfte. Mannigfache neuere sch(ine Versuche yon DnIESCI-I, ZoJA,

19"

Page 68: Für unser Programm und seine Verwirklichung

286 Wilhelm Roux

T. H. MORGAN U. A. haben nun ergeben, dass die a b g e p l a t t e t e Ge- stalt, die ~ H a l b e i g e s t a l t , der Furchungszelle als ein wesentliches Moment FOr die e r s te A u s l S s u n g der Bildung eines h a l b e n Em- bryo aus dieser Furchungszelle anzusehen ist, wenn auch danaeh (also nach der Ausliisung) die g a n z e H a l b e n t w i e k e l u n g selber ~selbst~tndig,, stattfindet; Ictzteres bedeutet: es werden Tausende yon Einzelheiten nut blol] einer K0rperhi~lfte entsprechend gebildet, ohne dass irgend eine weitere gestaltende Einwirkung yon der anderen Eih~tlfte her nSthig wiire, im Gegensatz zu I-IERTWIO'S Behauptung, dass die En t w i c k e lu ng nur unter steter gestaltender Zusammen- wirkung a l l e r Theile des G a n z e n , also auch nut zu einem G a n z e n vor sich gehen kSnne.

Ich babe damals in meiner ausfUhrlichen Mittheilung des Jahres 1888 (s. I, Bd. IE pag. 451) bereits die ~ h a i b k u g e l i g e Gestalt , , des D o t t e r m a t e r i a i s and deren einstellende Wirkung auf die eventuell versehiedenen Kernbestandtheile als eventuelle Ursache der Produktion der Halbbildung mit in Erw~tgung gezogen; doeh sprach zu jener Zeit noeh keine Erfahnmg flit eine solehe Wirkung. Auch ist, was meine Opponenten Ubersehen haben, die h ' o t h w e n d i g - k e i t dieser abpluttenden Wirkung der todten Hiilfte ftir die Bildung der halben Froschembryonen n ich t e r w i e s e n . Denn ich beob- achtete, dass naeh Heraussptilung des Inhalts der einen yon beiden Furehungszellen aus der Eihtille, die andere Zelle noch kurze Zeit ihre Abplattung etwa ebenso welt behielt, wie eine isolirte Seeigel- blastomere, die sich zu einer Semiblasmla entwiekelt. Selbst wenn sich die Froscheizelle noch etwas mehr gerundet h~ttte, so w~tre noch nieht erwiesen, dass dieser G r a d der unvollkommenen Abrundung

�9 sehon gentigte, um statt einer Halbbildung sogleieh eine Ganzbildung ,, auszuliisen,.

Bei diesem Versuehe platzt nach wenigen Sekunden stets die g a n z isolirte erste Froschblastomere in der Nahe der Mitte der frUheren Trennungsmembran beider Zellen auf, wohl well die Mere- bran an dieser Stelle noeh nicht lest genug gebildet ist. Wenn somit auch vielleicht die >~Anwesenhei t r de r tod ten Eih~tlf te nicht zur Erhaltung derjenigen a b g e p l a t t e t e n Ges t a l t nSthig ist, durch welehe die AuslSsung einer ~)Halbbildung,< bedingt wird, da die R a n d t h e i l e der Grenzlamelle svhon fest genug sind, um diese Form genUg'end zu erhalten; so ist sic doch wenigstens e i n e k u r z e Ze i t l a n g zur Leistung des Gegendruekes nSthig, um dem Aufplatzen der neugebildeten Grenzsehicht and damit dem Absterben

Page 69: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm nnd seine Verwirklichung. 287

so lange vorzubeugen, bis l e t z t c r e Sch ieh t d i ck g e n u g ist , um sieh selber zu erhalten; welch letzteres beim Froschci eben erst wiihrend ddr niichsten Thcilungen gesehieht.

Man sieht, wie subtil die eausalen Beziehungen sind, und wie viclseitige Versuche n~ithig sind, bis das wahre Ergebnis eincs an- scheinend sehr gut gelungenen analytischen Vcrsnchs bis in alle an ihm betheiligten Komponenten erkannt ist; aueh ist bei der speciellen Dcutung dieses Versuchs immer noch Vieles dunkel.

Uber die Art des gleichfaUs, nnd zwar dutch besondere ~tuBere Einwirkungcn~ m(iglichen Zustandekommcns s o f o r t i g e r Ganzbildung aus halber t Froscheiern bestehen zur Zeit noch entgegengcsetzte Auffassnngen. Trotzdem einige Antoren bereits glauben, diese Ver- suehe ganz richtig gedeutct zu haben, werdcn zur wirklichen Ent- scheidung darUber, dutch welche W i r k u n g s w e i s e n yon Zellleib und Zellkem in sich sowie auf einander diese Bildungen hervorgebracht werden~ noch Uberaus viele~ zum Theil auf ganz anderen Gcbieten angestelltc Versnche niithig werden; da die bestimmenden Verh~lt- nissc hier durchaus innere~ znm wesentlichen Theile unsichtbare sind, und da bei diesen Gestaltungen anch wohl v e r s e h i e d e n e universelle Gestaltungsprincipicn betheiligt sind.

H~tte aber jc dutch die Beobachtung des n o r mal e n Geschehens ermittelt werden kiinnen, dass die gestaltenden Wirkungsweisen nnd die Kriffte zur Bildung ciner KSrperh~tlftc in je e i n e r der beiden ersten Furchungszellen enthalten sind? Dass die Gestalt und A n o r d - nnng des D o t t e r s dieser Zellen bewirkt~ ob eine Halb-~ Ganz- oder Mchr-als-halb-Bildung" entsteht? Wie hat sich die frUhere Gene- ration vergcblich Uber die Ursachen der Doppelbildungen abgemUht, yon denen wit jetzt viele Arten und zwar auf verschiedene Weise (z. B. primKr: yon vorn herein oder sekund~r: unter Betheiligung yon Postgeneration) kUnstlich hervorbringen kiinncn?

In Folg'e aller der erwahnten Schwierigkeiten ist auch ein erheb- licher Theil der zur Zeit im Interesse der Entwickelungsmechanik an- gestellten Versuche noch nieht in die Rubrik des , a n a l y t i s c h e n Ver- suchs~ im vollen, oben dcfinirten Sinne gch(irig aufzufassen; ganz abgesehen davon, dass manche Experimentatoren dies Uberhaupt nicht erstrebt haben, sondern nur , unbes t immte~ Versnche , also Versuche ohne speciellen analytischen Zwcck, nnd ohne analytische Durch- fUhrung anzustellen beabsichtigtcn, ~hnlich wie solehe frUhcr schon yon DARESTE und PA~U~I u. A. angestelit wurden. Dahin ffehiirt znm Theil die neuerdings wieder in Aufnahme gekommene, abet nunmehr

Page 70: Für unser Programm und seine Verwirklichung

288 Wilhelm Roux

genauere Ermittelung der gestaltenden Folgen der ,gleiehmiiBigen~ Abi~nderung a l l g e m e i n e r ~uBerer Umsti~nde, wie die Bebrtitung bei etwas subnormaler Temperatur, die PrUfung der Wirkunff yon partiellem Sauerstoflinangel, yon Kohlens~ureanhiiufung, yon Salz- l(isungen als Medium statt reinen Wassers etc., in so weir es dabei noeh an der ffeniigenden Analyse der Ergebnisse bis auf die ge- iinderten s p e ei e 11 e n gestaltliehen Komponenten fehlte; was allerdings bei solchen Versuehen, die meist mehrere ~Komponenten, zugleieh ~ndern, aueh reeht schwierig sein kann.

Doch kSnnen durch Variationen der Versuehe, durch sehr sorg- f i i l t ige V e r f o l g u n g der )~nderungen und dureh seharfsinnige Deutunff die besonderen Folgen dieser versehiedenen Faktoren zum Theil ermittelt werden. Wir erinnern hier an die wichtigen Folge- rungen, welehe Curet HERBST (20) aus seinen Lithiumlarven der Seeigel gezogen hat. Es ist sehr zu bedauern, dass der Autor diese yon ibm mit so sehSnem Erfolge angewandte und zum Theil bereits bis zur analytisehen Methode durchgeftihrten, und daher weitere reiehe Ergebnisse verspreehenden Versuehe vorzeitig, das heiBt, bevor diese Ernte yon ihm eingeheimst ist, verlassen hat.

Dass man aueh bei Ab~nderung a l l g e m e i n e r Umst~tnde, wie des ganzen das Ei direkt umgebenden Mediums rein zuf:,illiger Weise zu einem a n a l y t i s e h e n Versuch kommen kann, habe ich selber einmal erfahren. Die R~iume der alten Anatomie zu Breslau, in denen ieh arbeitete, waren so feueht, dass ich bei meinen Anstich- und einigen anderen Versuchen einen steten Kampf gegen die Ver- s c h i m m e l u n g der Eier zu Ftihren hatte, damit die Eier nicht sehon vor der Ausbildung der MedullarwUlste abstarben. ~achdem sich gezeigt hatte, dass Karbolsiiure auch bei Anwendung einer sehr schwa- chen L~isung und bei nur einmaliger Absptilung der Eier doch als tSd- liehes Gift wirkte 1), waudte ich im FrUhjahr 18S9 probeweise LSsungen yon Borsi iure zum AbspUlen an. Danach beobaehtete ich, auBer einer fferingen Sehutzwirkung gegen Sehimmelbildung, dass bei vielen Eiern die ganze M e d u l l a r s p a l t e g rau wurde und die Zellen der- selben abfielen, bei zun~iehst normaler :,iuBerer Besehaffenheit des tibrigen Ektoderms. Die diffuse Einwirkung hatte also anscheinend

1. Die Gallerthtillen der Froscheier werden auch naeh einmaliger An- wendung sehr schwacher Karbols~iurelSsung zum Abspiilen trotz hSufigen Nach- sptilens mit reinem Wasser innerhalb 24 Stunden v i o 1 e t t und danach allm~ihlich dunkelbraun, so dass die Substanz der Gal ler thi i l le ein sehr feines Reagens auf Karbolsiiure darstellt .

Page 71: Für unser Programm und seine Verwirklichung

~'tir unser l'rogramm und seine Verwirklichung. 2 8 9

nur eine e inz ige O r g a n a n l a g e , diese aber in toto zerstiJrt, wie man es nicht schSner wUnsehen konnte. Der Versuch wurde daher nun sogleieh absichtlich erneuert und dureh Anwendung versehiedener Koncentrationen variirt, um E m b r y o n e n ohne C e n t r a l n e r v e n - sys t em zu erhalten und so zu erkennen, welehe Organanlagen und Formbildungen bei diesem Defekte mSglieh seien. Die Me- dullarfurche wurde Uberwaehsen und geschlossen. Bei der Mikro- tomirung zeigte sich aueh der Hohlraum des RUekenmarkkanals dieht mit abgestorbenen abgefallenen Zellen erfiillt; aber leider waren an der Wand neue Zellen entstanden, die ein neues Medullarrohr, wenn aueh erst mit abnorm dUnner Wandung~ formirten, so dass unsere Hoffnung zu nichte geworden war. Immerhin zeigten jUngere und iiltere Stadien noeh manehe andere interessante Befunde wie Framboisia interna, Hervorwaehsen der bTasengruben start naeh innen, nae]l auBen (Teleskopnase) (s. 1, Bd. II. pag. 887 Anm.).

Aus der groBen Zahl der seit vielen Jahren angestellten biolo- gisehen Experimente sind es eben die wenigen, sei es durch Seharf- sinn und Ausdauer, oder zufi~lliger Weise g e l u n g e n e n ana ly - t i s ehen E x p e r i m e n t e , denen wir unsere bisherigen exakten Kennt- nisse tiber die erhaltenden und gestaltenden LebensvorgKnge sowie iiber deren Ursaehen verdanken.

In der Schwierigkeit, das Experiment am Lebenden zu einem a n a l y t i s c h e n zu maehen, liegt der Grund yon Jon. MI~LLER'S reser- virtem, ja abf~tlligem Urtheil tiber das Experiment am Lebenden, ein Urtheil, das yon HERTWIG weir tiber GebUhr bewerthet und ausge- dehnt wird.

Es ist mit dem Experimentiren i~hnlieh wie mit dem SehieBen: das SchieBen an sieh, das SehieBen ins Blaue ist sehr leieht, aber das Treffen eines bestimmten Zieles ist weniger leicht; letzteres ist aber die Hauptsache.

Meiner oben erwi~hnten Formulirung der Nothwendigkeit, dass dem analytischen Versueh das analytisehe Denken und auf Grund desselben die Aufstellung eausaler Hypothesen vorausgegangen sein muss; und dass dieses Denken den Versueh in jeder Phase des- selben und bei jeder Beobaehtung bcgleiten muss, stellt HERTWIG in fur ihn bezeiehnender Weise heut zu Tage noeh den Aussprueh JOItA~N'NES MULLER'S als selbstverstiindlich riehtig und allgemein giltig g'egenUber (pag. 82):

, E n t w e d e r experimentirt man ins Gerathewohl und fiingt hinter- her zu betrachten an; oder zum Wohl einer vorgefassten Meinung

Page 72: Für unser Programm und seine Verwirklichung

290 Wilhelm 14oux

wird so lange experimentirt, bis die Erfahrung, wie man sieh aus- zudrUeken pflegt, mit der Theorie zusammenstimmt.,,

Das Letztere trifft allerdings bei HERTWIG'S Anstiehversuchen und ihrer Interpretation vollkommen zu; sonst h~tte er n ieht 'a l le wesentliehen Momente dieses Versuchs iibersehen ki~nnen.

FUr uns besteht eine solche Alternative, ~vorher and naeh- her , nieht, sondern wir folgen darin einem anderen Ausspruch JOH. MOLL•R'S: ~Beobaehten ist ja selbst die wichtigste physiologisehe Operation; was ist B e o b a c h t e n Ande re s , als das W e s e n t l i e h e in den VerKnderungen, das dem Beweglichen Immanente yon dem Zufal l ig 'en zu t r ennen . ,

Wenn man, wie ich forderte (s. o. pag. 224), , a l l e v e r s c h i e d e n e n , D e n k m ~ g l i c h k e i t e n v o r h e r e r schSpf t hat , um far alle die Augen often zu haben, mUsste man naeh HERTWIG'S Ausspruch also tiber d i e s e l b e Sache das Verschiedenste, sich Widersprechende ,finden,. Jeder erfahrene Experimentator weiB zudem, dass, selbst wenn man vorher alle MiJglichkeiten des zu behandelnden Falles ersehSpft zu haben glaubt, w~ihrend der PrUfung am Objekt gewShnlich eine grebe Anzahl neuer M~gliehkeiten auftat~cht, weil sich die Verh~ltnisse zum Theil als andere erweisen als wir sic uns vorher gedacht hatten. Man muss daher seharf beobaehten, so fort das neu Erkannte denkend v6rarbeiten, um naeh JOH. M/)LLER das W e s e n t l i c h e desselben zu erfassen und es auf seine m~gliehe Bedeutung zu prUfen, damit man das operirte, sich vet unseren Augen entwiekelnde Ei etc. auf die neu aufgetauehten MSgliehkeiten bin neuerdings beobachten und eventuell die letzten Eier der Laiehperiode fur neue, der geanderten Saeh- lage angepasste Experimente verwenden kann, um night bis zur naehsten Laichperiode, also ein Jahr, mit der Weiterfiihrung der Untersuehung warren zu mttssen.

Was im e inze lnen Momente bei dem rasehen Ablauf der embryo- nalen Entwickelung Ubersehen oder verpasst ist, wenn z. B. ein far die Deutung des formalen Endergebnisses (welch letzteres wit ja racist fixirt a u f b e w a h r e n k~nnen) wiehtiges Zwisehenstadium, weil es in die Naeht oder in die Mittagessenszeit fiel, nicht gesehen worden ist, oder weil man die besondere Bedeutunff eines Zwischenstadiums nieht erfasst hat, ist bei unseren Untersuchungen oft im selben Jahre nieht wieder einzubringen; dies besonders desshalb, weil man nicht ahnt, dass inzwischen etwas far die Deutung Wichtiges gesehehen war. Man muss also bei unseren Versuehen immer a n w e s e n d und immer f r i seh genug sein, um keine einzige, sei es auch anscheinend

Page 73: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 291

nur kleine Besonderheit des Geschehens zu iibersehen und das Be- obaehtete gleich auf seine specifische Bedeutung zu prUfen.

Solche experimentelle Forschung ist daher nicht so angenehm wie die rein beschreibcnde und vergleichende Forschung, bei der man alle wichtigen Stufen konservirt vor sich liegen hat, die Be- obaehtung jeder Zeit abbrechen und wicdcrholen kann, und noch in letzter Stunde vor dem Abschluss einer Untersuchung All es nochmals am vorliegendcn Materiale zu prUfen, eventuell noch zuletzt eine neue wichtige Beziehung zu erkennen und das Ganze daraufhin umzuarbeiten vermag. In manehcn F~llen ist solehes ja auch bei unseren Unter- suchungen mSglich; doch ist es stets bcsser, man yerfolgt auch den e i n z e l n e n Fall selber k o n t i n u i r l i e h , start bloB versehiedene Stadien yon demselben Experiment zu konserviren oder gar, wie HEICTWIG nach seiner Angabe, dureh den Priiparator zu vorher angegebener Zeit fixiren zu lassen. In vielen unserer Versuche aber ist das, was in einem Moment des Geschehens verpasst oder nieht gleieh als yon Bedeutung erfasst worden ist, fiir lange Zeit verloren, zumal wenn solches in einem Stadium der Untersuchung vorkommt, in dem erst noch nach der glinstigsten Versuehsweise gesucht wird. Solehes Versehen kann den Gang der Untersuchung sowie die Deutung wesentlich irre leiten.

FUr die zur causalen Forschnng somit nSthige V o r a n a l y s e habe ich flit unser Gebiet zuni~chst ein a l l g e m e i n e s a n a l y t i s c h e s A u f g a b e n s c h e m a entworfen, bestehend in den Fragen nach dem O rt der Ursaehen eines Gestaltungsvorganges (Selbstdifferenzirung oder abhi~ngige Differenzirung des geformten Theiles), fcrner nach der Zci t der Bestimmung der Gestaltungsvorg~tnge, sowie nach den besonderen Ursachen der GrSBe und R i c h t u n g des Geschehens, um erst zuletzt an die schwierigste Frage nach der ,Art,, der Ur- sache, nach der u r s ~ c h l i e h e n W i r k u . n g s w e i s e sclber zu gelangen. Bei der Inangriffnahme einer speciellen Aufgabe muss natUrlich nun die Analyse der speciellen Verhiiltnisse in ihre Komponcnten hinzu- geftigt werden.

Die erste Fragel diejenige nach dem 0 r t der Ursaehen for die aus dem Ei hervorffehcnden t y p i s e h e n Gestaltungen, erhiclt eine angenehme Begrenzung durch den zuni~ehst gelieferten l~aehweis, dass i~uBere g e s t a l t e n d e Einwirkungen ftir die typisehe Entwickelung des Froscheies ~nicht nSthig,< s ind , dass also alle die t y p i s c h e G e s t a l t u n g ~ b e s t i m m e n d e n ~ Krafte im b e f r u e h t e t e n ' E i selber gelegen sind (nicht aber die s~tmmtlichen, die Gestaltung vol l - z i ehenden Kri~fte).

Page 74: Für unser Programm und seine Verwirklichung

292 Wilhelm Roux

Ein diesem Aufgabenschema entspreehendes methodisches Ar- beiten ist aber, wie ieh wohl eingesehen habe, nicht Jedermanns Saehe. Viele ziehen es vor, sieh nicht auf die analytisehe Arbeit eines Vorgangers zu stUtzen~ sondern wollen sich hSehstens an ein frtiheres Experiment anlehi1en, dies modificiren oder dasselbe auf ein anderes Objekt anwenden. Das ist auch ein fruchtbarer, immer- hin aber doch mit einer erheblichen Ver~eudung yon Kraft und Arbeit verbundener Weg; denn sie mtissen dabei Vieles sieh neu crringen, sich selber erarbeiten, was yon anderer Seite bereits ge- wonnen war. Freilich ist andererseits auch nicht zu verkennen, dass Jeder an dem Ende anfang'en muss, welches seinem Denken am I1:~tehsten liegt, und auf diejenige Weise, welche seinen individuellen Anlagen am meisten entspricht; ein Umweg ist schoi1 zu verschmerzen, wenn nur tiichtig gearbeitet wird.

Auf dem c a u s a l- analytischen morphologisehen Versueh beruhen die der Entwickelungsmcchanik qualitativ eigenthUmlichen, sie yon den Resultaten tier anderen Forschungsriehtungen unterscheidenden Ergebnisse; und der >~neue Weg<,, naeh dem HERTWIG fragt, ist durch die konsequente Anwendung" des causal-analytischen Denkens und Experimentirens auf die Morphologie der Org'ai1ismen angezeigt.

Ein einziges gelungenes a n al y ti s c h e s causal-morphologisches Experiment am Lebenden wird oft m e h r and besonders s i c h e r e r e >~causale<< Erkenntnis bringen als viele groBe und ausgezeichnete vergleichend anatomisehe oder vergleichend entwickehngsgesehieht- liche Arbeitei1, welche sich allein auf die n o r m a l e n Gestaltungen stUtzen; dabei ist es mSglich, dass unter ersteren Erkenntnis sein wird, die auf GruIld der vergleiehenden Forsehungsweisen nicht einmal geahnt werden konnte oder, in anderen FKllen, wenigstens nicht geahnt worden ist; wenn aueh letzteren Falles vielleieht hinterher die so erkannte Wirkungsweise mannigfache Anwendung auf das yon jener Seite her beobaehtete n o r m a l e Geschchen finden wird, so dass man sieh sagei1 wird: das hatte man eigentlich nach den bereits vorliegenden Befunden ))vermuthen,< kSnnen.

Oft wird aber, wie wir ja wiederholt betont habei1, das Ver- haltnis aueh das umgekehrte sein, n~tmlich derartig~ dass die An- r egung zu einer experimentellen Arbeit Vermuthungen entstammt, welche auf dem Wege der Vergleiehung des normalen Geschehei1s gewonnen worden sind.

Unser Gegner O. HEaTWIG freilieh hat, wie wir gesehen habei1. sehon das S p e c i f i s c h e u n s e r e r A u f g a b e n de r E n t w i c k e -

Page 75: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 293

l u n g s m e c h a n i k n i c h t v e r s t a n d e n . Das, was er yon demPro- gramm v e r s t a n d e n hat, ist in der That ~nieht neu,,; sondern es ist nur das yon uns bcreits Vorgefundene, also dasjenige, an welches wir anknUpften. Dasselbe gilt nun auch yon der s p e e i f i s c h e n Mcthodik der Entwickelungsmechanik : vom causal-analytischen morphologischen Experiment.

Daher hShnt er auch iiber den Aussprach, dass die Entwieke- hmgsmechanik die schwierigste biologisehe Disciplin sei.

Er meint, dass die Entwickelungsmeehanik desshalb nicht schwer sei, weil sie niehts Besonderes, yon den Aufgaben der deskriptiven Forsehung Verschiedenes zu erforsehen babe, da das l e t z t e Ge - s c h e h e n Uberhaupt nieht erforschbar sei, und meint dabei, dass tiber das d i r e k t S i e h t b a r e oder s i e h t b a r zu M a e h e n d e hinaus n ich t s zu e r m i t t e l n sei. Dass noeh ein grebes Gebiet des Erforsehbaren zwisehen diesem Sichtbaren and dem an sich unerforsehbaren ,letzten~ Gesehehen existirt, ist ihm nicht bekannt. D i e s e s z w i s c h e n - l i e g c n d e G e b i e t i s t a b e t gera~le das s p e c i f i s e h e A r b e i t s - f e ld de r E n t w i e k e l n n g s m e e h a n i k , zu dessen Erforsehung sit des eausal-analytischen Experiments bedarf.

Ihm, HERTWIG: s e l b e r ist a l so j e d e n f a l l s das S p e e i - f i s che der E n t w i c k e l u n g s m e c h a n i k so neu, j a so h e t e r o g e n , dass er es gar n i ch t in se in B e w u s s t s e i n a u f g e n o m m e n , es n ieht a p p e r c i p i r t hat. Aber er steht damit, wie ieh vermuthe, nicht ganz allein; und zu einem wesentliehen Theil beruht wohl aueh die stillsehweigende Aversion, der passive and aktive Widerstand mancher deskriptiven und vergleichenden Forseher auf dieser Ursache. Zum mindesten deutet dies Verhalten darauf hin, dass ihnen die entwicke- lungsmechanisehe Forschung nicht sympathisch ist.

Auch empfinde ieh als Herausgeber des Arehivs fur Entwieke- lungsmeehanik, welches alles Causale aus den versehiedenen Gcbieten der biologischen Forsehung in Referaten zusammenzufassen beabsieh- tigt, schwer den M a n g e l an R e f e r e n t e n , also an einer grSBeren Zahl van M i t a r b e i t e r n de r v e r s c h i e d e n e n b i o l o g i s c h e n S p e c i a lg e b i e t e: der vergleichenden Anatomie und Entwiekelungs- geschiehte, der Variationslehre, der Physiologie, der pathologisehen Anatomie, Teratologie, Chirurgie, Orthopadie etc., somit an Referenten, w e l e h e bei ihren eigenen besonderen Forschungen z u g l e i c h d i e I n t e r e s s e n der E n t w i c k e l u n g s m e e h a n i k im Auge h a b e n . Denselben Mangel spUren zur Zeit die Herausgeber yon Jahres- berichten und sonstigen referirenden Organen, wic auch yon popular-

Page 76: Für unser Programm und seine Verwirklichung

294 Wilhelm Roux

wissensehaftlichen Zeitschriften. Ich zweifle jedoeh nieht, dass sieh diese Referenten noeh finden werden, wenn erst die Ziele und Auf- gaben der Entwiekelungsmeehanik der jtingeren Generation bekannter geworden sind und einen wesentliehen Bestandtheil ihres wissen- sehaftliehen Denkens ausmaehen werden, wozu diese Sehrift hoffent- lieh beitragen wird.

IIf. N o t h w e n d l g k e i t e ine r seh~irferen U n t e r s e h e i d u n g der B e g r i f f e : Regel , Norm und Gese tz in der Zoobiologie .

Die R e g e l ist der Ansdruek eines Hgufigkeitsverhiiltnisses des e m p i r i s e h e n Yorkommens; sie bezeichnet das Gesehehen yon mindestens mehr als 50O/o der ,beobaehteten vorkommenden F~lle~. Eine ,,gute<, Regel umfasst 90 und mehr Proeent der ,F~ille~.

Was beim organisehen Geschehen in mehr als 50~ der Falle vorkommt, wird gewiJhnlieh als das Normale bezeichnet; meist aber macht dieses Gesehehen Uber 90% der F~ille aus. Die anderen F~lle stellen A b w e i e h u n g e n yon der Norm dar, die je naeh ihrer H~iufigkeit und OrSBe wieder in versehiedener Weise: als Variet~iten, AbnormitKten, Missbildungen bezeiehnet werden.

Damit ist fiir die d e s k r i p t i v e Forsehung der Begriff des Nor- malen erseh~ipff und die Anwendung des Begriffes Regel bezeiehnet. Diese Anwendung wird jetzt auch auf die entwiekelungsmeehanisehe Forschung tibertragen, indem dabei zugleieh der Begriff N a t u r g e s e t z far identiseh mit dem Begriff R e g e 1 angesehen wird. Letzteres ist jedoeh durchaus unzul~issig; dean ein N a t u r g e s e t z b e z e i e h n e t e ine ~Wirkung~ a n g e g e b e n e r K o m p o n e n t e n ; und da alle Wirkungen bestiindige sind, das heiBt an allen Orten und zu jeder Zeit unter gleichen Verh~iltnissen in gleieher Weise vor sich gellen, so muss jedes Naturgesetz a u s n a h m s l o s gelten; es llisst keine einzige Aus- nahme zu, oder es ist falseh. Dagegen ist es far die R i e h t i g k e i t des Gese tzes vollkommen bedeutungslos, wie >,oft~< es angewandt ,,vorkommt~, das heiBt also, wie oft die g e n a n n t e n Komponenten a l l e in ohne Betheiligung a n d e r e r , die Wirknng alterirender Kom- ponenten vorkommen, ob dies in 00%, 50% , 10% oder bloB 1% der ,,beobaehtetem< Falle gesehieht.

Unsere desk~iptiven Forseher und selbst manehe derzeitigen Anhanger der Entwiekelungsmeehanik glauben, ein ,Gesetz<< ware falseh, wenn das dutch dies Gesetz bezeiehnete Gesehehen nieht in mehr als 50 o/0 der F~tlle in einer g a n z diesem Gesetz entspreehenden Weise >,vorkommt(<. Wie oft diese Komponenten a l l e in vorkommen,

Page 77: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 295

hat aber nicht dig geringste Bedsutung far ihr W i r k e n auf einander; sie se lbe r wirken immer in der g l e i chen , dutch das Gesetz be- zeichneten Weise auf einander; nur wird das R e s u l t a t ge~tndert, wenn noch andere Komponenten mit betheilig't sind.

Die Gese tze der P h y s i k b e z s i e h n e n meis t G e s e h e h e n , we lches in der f r e i en N a t u r ga r n ich t genau in der d u r e h das Gesetz b e z e i c h n e t e n W e i s e vorkommt . Diese Gesetze w~iren also im Sinne unserer Morphologen >~falschr obsehon sis in ,Wirklichkeit~ richtig sind. Iqis fallt in der freien Natur stwas streng nach dem ,Fallgesetz% hie bssehrieb ein Geschoss eine ~Parabeb,, da der Luftwiderstand beides unmiJglieh maeht, nie pfianzt sich im Bereiche der Erdsphiire das Licht eine grSBere Strecke weit in einer vollkommen g e r a d s n Bahn fort, da dies nut bei vol l- k o m m e n gleich dishtem Medium mSglieh ist, ein solches aber auf der Erde in grSBersr Ausdehnung nisht vorkommt. Die mathematischen Gssetze der Hydraulik haben alle zur Voraussetzung eine reibungslose FlUssigkeit; da diese nieht existirt, sind darum alls disse Gesetze falseh ?

Das sogen, biogenetische Grundgesetz Mi3LLER-ttAECKEL'S, dass die Ontogenese eine rasch ablaufende Wiederholung der Phylogenese ist~ hat zur Voraussetzung, dass die Ontogenese unter denselben ~gestaltenden Verhiiltnissem< wie dig Phylogenese stattfinde. Da dies nie der Fall ist, weicht das reale Geschehen yon dem phylogene- tisehen Gestaltungsgeschehen ab; es ware also auch dieses biologische Gssetz ~falschr im Sinne der genannten Forseher.

Diese Verhiiltnisss sind bereits in meiner Schrift tiber den Kampf der Theile erSrtert worden (s. 1, Bd. II. pag. 211); das gi~nzliche Missverstehen der Bedeutung der yon mir aufgestellten Gestaltungs- gesetze seitens deskriptiver wie auch seitens der Entwickelungs- mechanik obliegender Forscher veranlasst mich, die Darlegung hier zu wiederholen und etwas weiter auszufiihren.

Naturgesetze sind also etwas ganz Anderes als Naturregeln. Letztere bezeichnen ~Majoritiiten, der Arten oder der Resultate des beobachteten Naturgesehehens. Naturgesetze sind urs~iehl ichs Ab- leitungen, sit bezeichnsn dis W i r k u n g zwsier (oder mehrerer) Komponenten auf einander. Wie h~iufig diese zwsi Komponenten in der Natur ~vorkommen% bezeichnet bloB den Umfang ihrer empi - r i schen A n w e n d u n g oder Geltung,; fUr ihr W i r k s n an sich ist dies aber unwesentlich; ebenso ist es unwesentlish, ob sit allein oder zugleieh mit anderen Komponenten verbunden thiitig sind; das beeintriiehtigt Alles ihre Richtigkeit nicht.

Page 78: Für unser Programm und seine Verwirklichung

296 W i l h e l m 1-~ o u x

Wohl abe r is t es fUr uns w ich t ig , zu e rmi t t e ln , wie oft s ie be t dem yon uns u n t e r s u e h t e n G e s e h e h e n )~allein~ zur W i r k u n g g e l a n g e n und u n t e r w e l c h e n Verh i i l t n i s sen d ies der Fa l l ist. Abet selbst wenn sie nie allein zur Anwendung ge- langen, so ist d a t u m doeh das ihre Wirkung bezeichnende Gesetz n ieh t fa lseh.

Eine Flaumfeder oder sonst ein specifisch leichter Gegenstand yon groBer Oberflache Fallt im Freien in einer Weise, dass Niemand das Fallgesetz daran entdecken oder das entdeekte Gesetz daran best~ttigen ktinnte. Trotzdem nimmt kein Physik-Kundiger an, das Fallgesetz erleide hier eine Ausnahme, das Gesetz set ~)aufge- hoben(, ; sondern wir wissen, dass hier die E rde und die F e d e r in de r se lben W e i s e au f e i n a n d e r w i r k e n , wie die Erde und e ine B l e i k u g e l ; nur dass ersteren Falles die in der freien Natur vorhandene Luft als dritte bet dem Gesehehen betheiligte Kompo- nente in Folge der relativ groBen Oberfiiiche der Feder im Verhliltnis zu deren Gewicht so stark zur Geltung kommt, dass nicht bloB alles Quantitative der Fallgesetze, sondern sogar die Fallrichtung ver- wiseht wird. Im luftleeren Cylinder dagegen, also in e inem Fal le , der in de r f r e i en N a t u r nie , v o r k o m m t , , , fallen Feder und Bleikugel in gleicher Weise. Dieser causal-analytische Versuch musste gemacht werden, um die ntithige Einsicht zu gewinnen, um das Fallen ether Feder in der Luft riehtig nnd auf die einfaehste Weise ,beschreiben~ zu ktinnen (s. o. pag. 45). Wenn wit dies Ge- sehehen dagegen /~ la HERTWIG nur naeh dem bloBen S e h e i n , also das b e o b a c h t e t e wirkliche Fallen als solehes besehreiben wollten, h~tten wir unendlieh viele versehiedene nnd iiberaus kom- plicirte F~ttle, jeden einzelnen ,mtigliehst einfach und vollst~indig zu beschreiben~; wit ki~men aber nie zu der wirklich ,einfachsten Beschreibungr die auf der e a u s a l e n A n a l y s e des Geschehens in die Wirkung der gegenseitigen Anziehung und die Wirkung der ruhenden resp. bewegten Luft beruht. Diese das Wesen des Ge- sehehens bezeichnende Beschreibung, die in einigen mathematischen Formeln ausgedrtickt wird, umfasst dann a l l e mSglichen Falle nnd ist die ~wirklich einfaehste(< ; sie ist aber keine deskriptive, sondern eine causale Beschreibung.

Also die Naturgesetze sind c a u s a l - a n a l y t i s c h e Formulirungen; sie bezeichnen das an sich a u s n a h m s l o s e W i r k e n yon Kompo- nenten, und zwar der bereits erkannten, and in ihrem Wirken mathematisch genau zu bestimmenden Komponenten des empirischen

Page 79: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 297

Geschehens. Bei dicsem Gesehshen sind aber meist noch andere Kom- ponenten betheiligt, die man noch nicht so genau formuliren kann. Daher spricht man yon Anni~herungen v e r s c h i e d e n e n G r a d e s an dig Wirklichkeit, also an die empirische Wahrheit. Die mathe- matische Physik in ihrer praktischen Verwendung steht meist noch bei den Anniiherungen e r s t e n Grades , da sis bloB diejenigsn Komponenten, welche die s p e s i f i s e h e n Charaktere des behandelten Geschehens bestimmen, in mathematisshe, also analytische Formeln zu bringen vermocht hat, unter vorlitufiger Vernaehliissigung der anderen Komponenten, welehe kleine oder gr~l~ere )~Abweichungen,< bewirken. So vernaehliissigt sit, wie gesagt, bei der Hydrodynamik die Reibung und die Wi~rme.

Die a n g s w a n d t e Physik natUrlieh darf sish, da sie es mit der Erfassung des r e a l e n Gesshehens zu thun hat, night mit tier Ermittelung und mathematisehen Formulirung dieser zumeist h a u p t - s i iehlieh das Gesehehen bestimmenden Faktoren begnUgen. Sit be- stimmt daher empir i seh , dureh den Versush, die Wirkungsgr ( iBr dieser anderen Komponenten und fUgt sie als sogenannte Koeffisienten in die mathematisehen Formulirungen tier Wirkungen der spee i - f i schen Komponenten des Gesehehens ein. Auf diese Weise wird eine vorl~tufige Ann~therung z w e i t e n G r a d e s an das wirkliche Geschehen erreieht. Wenn dieselbe auch noch keine g e n a u e Ein- s icht in das W i r k e n dieser anderen Komponenten gew~thrt, so gewiihrt sie uns doch eine ann~thernde Beurtheilung der Wirkungs- gr5 B e derselben.

DiG Forseher auf dem Gebiete des gestaltenden Geschehens im lebsnden Organismus haben denselben Gang einzusehlagen, wenn auch schon dig ersten mathematisehen Formulirungen sehr wcit hinauszuschieben skin wsrden. Auch wir mUssen zunlichst nach den Ann~therungen ersten Grades streben; mUssen also auf Grund causaler Analyse die Wirkungsweise der spec i f i s chen K o m p o n e n - ten, der H a u p t k o m p o n e n t e n des Gesehehens ermitteln. Dann ktinnen wir ermitteln, wie h~ufig dies Geschehen Far sich a l l e in vorkommt, wie hi~ufig dutch Mitwirkung andcrer, weiterer Kom- ponenten dieses Gcschehen alterirt wird; danach mSgen wir dann die ~)Rcgel<~, die sogcnannte ),Norm, bestimmen, die abet fur die ) )Rich t igke i t , des Gesetzes der W i r k u n g der einzelnen Kompo- nenten mit einander nicht die geringste Bedeutung hat. Wenn diese Wirkung nur ein c inz iges Mal, wenn auch gar nieht in einem freien Fall der Natur, sondern nur in einem kUnstlichen Versuch, s icher festgestellt ist, also auf die richtigen Komponenten bezogen

Page 80: Für unser Programm und seine Verwirklichung

298 Wilhelm l~oux

worden ist, dann ist sie richtig fur immer, da alle Wirkunffsweisen b e s t a n d i g e sind, d. h. unter gleichen Verhaltnissen immer in gleieher Weise stattfinden.

Da ieh diese Verh~iltnisss als yon dem Physikunterricht her genU- gend bekannt voraussetzte, babe ich sis in meinen frUheren Schriften zwar wiederholt bertihrt, aber stets nur kurz angedeutet, um reich auf- sie als nothwendige Glieder zu beziehen. Die Missdeutung meiner Gesetze hat abet gezeigt, dass diese Verh5Itnisse meinem PubIikum doeh nicht ganz so bekannt sind, als ich glaubte; daher sehien mir diese breitsrs Darlegung bier angemessen.

Dis vorstehend dargestellten Auffassungen sollen an einigen yon mir formulirten, yon Anderen angefochtenen Wirkungsgesetzen er- litutert wsrden.

JULIUS WOLFF hat zuerst erkannt, dass die Knochen in ab- normen statisehen Verhaltnissen (nach falsch geheilten Frakturen u. dgl.) eine neue, diesen Verh~ltnissen entsprechende s t a t i s e h e sire f u n k t i o n e l l e S t r u k t u r ausbilden.

Das ist yon verschiedenen Pathologen und Klinikern, sowie yon mir an vollkommen beweisendem Material best~,ttigt worden. Ich habe fUr diese ~wunderbar zweckm~iBige% im Einzelnen aul3er- ordentlich verschiedene Strukturen ausbildende Leistung eine ein- fache Theorie aufgestellt, die wit oben schon beriihrt haben (siehe pag. 52 u. 57), und habe auch gesagt, dass diese Anpassangswirkung nieht bloB in abnormen Verhaltnissen, sondern auch naeh dem Auf- hSren der vererbten typisehen S e l b s t d i f f s r e n z i r u n g der Skelet- thsile hervorragend an der n o r m a l e n inneren und ~tul]srsn Ausge- staltung, also an der Ausbildang der normalen )~funktionellen Gestalt und Struktar~ betheiligt ist. Die ganzs Lehre yon der funktionellen Gestalt und Struktur dsr Knochen wird nun neuerdin~s dutch einen Autor, weleher sich seit mehreren Jahren mit Untersuchungen tiber die Knochen befasst hat, yon B. SOLGER (30), als falsch bezeichnet; dies desshalb, weil beim Erwaehsenen diese Struktur night in a l l en Theilen diesen statischen Gesetzen entspricht, und weil dig funktionelle Gestalt, wie yon mir sehon bei der Formulirung des Gesetzes hervor- gehoben wurde, an sehr vielen Stellen nicht vorhanden ist.

Die Abweiehungen yon der funktionellen Struktur sind yon mir einerseits auf die fortw~thrend stattfindende ZerstSrung alten und Bildung neuen Knoehens, andererseits auf die etwas l a n g s a m e Wirkung der Inaktivit~ttsatrophie als die urslichlichsn Komponenten zurtickgeftihrt worden; vielleicht sind auch noch andere, zur Zeit

Page 81: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 299

unbekannte Komponenten daran betheiligt. Andererseits wurden die Abweichungen yon der rein f u n k t i o n e l l e n Ges t a l t vieler Knoehen auf den Druck anliegender Weichtheile wie Muskeln, Ar- terien etc. zurUckgeftihrt.

Diese unzweifelhaften Abweiehungen kSnnen aber nicht auf- heben, dass an Millionen anderer Stellen sich die funktionelle Struktur nnd an vielen Stellen auch die funktionelle Gestalt bis in Uberaus feine Merkmale ausgebildet zeigt. In diesen Gestaltungen bekundet sieh auf das Deutlichste die entspreehende gestaltende Reaktionsweise des Knoehengewebes auf die Art seiner funktionellen Beeinfiussung (s. 1, Bd. I. pag. 720, 810).

Wenn wit B. SOL~ER'S Sehlussweise yon den an der Knoehen- gestaltung betheiligten Wirkungsweisen auf die Wirkungen beim Falle specifiseh leiehter KSrper Ubertragen, wiirde sie also lauten: da ein Celluloidball oder eine Feder nieht den Fallgesetzen ~entspreehend~ i~allt, ist das yon den Physikern aufgestellte Fallgesetz falseh.

Demselben Missverstehen, wie im vorstehenden Falle ein Gesetz der fanktionellen Anpassung, begegnen nun aueh andere meiner Wirkangsgesetze, z .B . diejenigen Uber die B e s t i m m u n g der H a u p t r i c h t u n g e n des k | i n f t i g e n E m b r y o im Frosehe i . Dieses Missverstehen finder sich nicht nur bei deskriptiv denkenden Autoren, sondern auch bei Forschem, welche der Entwiekelungsmechanik obliegen, so promiscue bei A. RAUBER, O. ~IERTWIG~ O. SCHULTZE~

wohl aueh bei H. DRIESCH 1) U.A. Dies beknndet sieh darin, dass sie diese Gesetze, jedenfalls in Folge falseher Auffassung ihres Werthes nnd ihrer Bedeutung, ganz versehweigen oder sie bei ihrer Erwiihnnng unriehtig beurtheilen.

In der Abhandlung tiber die halben Embryonen vom Jahre 1888 berichtete ich auf Grund meiner fl'Uheren Mittheilungen zusammen- fassend (i, Bd. II. pag. 425) Uber folgende auf die genannten Be~ stimmungen bezUgliche )~Regelnr des n o r m a l e n Geschehens:

),~ach meinen bisherigen Untersuehungen sind beim Frosehei , no rma le r ~ Weise fo lgende G e s t a l t u n g e n in i h r e r ,Lage' durch die b e l i e b i g wiihlbare ,Lage ' der B e f r u c h t u n g s s t e l l e bedingt:

1) Der SamenkSrper nimmt eine typiseh gekniekte Bahn inner- halb der dutch die Sameneintrittsstelle hindurehgehenden vertikalen Meridianebene: innerhalb der ,Befruehtungsebene'.

1) Siehe Archiv f. Entwickelungsmeehanik. Bd. V. pag. 133. Archly f. Bntwickelungsmechanik. V, 20

Page 82: Für unser Programm und seine Verwirklichung

300 Wilhelm I{oux

2) Die Kopulation der beiden gesehlechtliehen Kerne erfolgt innerhalb der Befruehtungsebene.

3) Auf derjenigen Seite des Eies, welehe der , B e f r u e h t u n g s - se i t e ~ gegenUber l iegt , hellt sieh bei Rana fusca die dunkle Hemisphare in Form eines, der weiBen Hemisph~tre anliegenden, halbmondi'6rmigen grauen Saumes auf. Dieser Saum ist symmetrisch zu dem ~Befruehtungsmeridian' orientirt. Beim grUnen Frosch ver- sehiebt sieh gleiehfalls, wenn vielleicht auch auf etwas andere Weise [dureh i n h e r e Dotterumlagerung, welche eine Drehung des Eies bewirkt?], das Pigment derart, dass auf der gleichen Seite die helle Eirinde welter heranfreieht.

4) Die erste Furchung erfolgt in der Ebene des Befruehtungs- meridians.

[4a. Die erste Furchung beginnt oben am Ei und zwar zumeist deutlich an der der Befruchtungsseite gegenUberliegenden Seite des Eies, um yon da zuniichst oben gegen die Befruchtungsseite fortzu- sehreiten.]

5) Die erste Anlage des Urmundes erfolgt im Befruehtungs- meridian, und zwar

6) au f der der B e f r u c h t u n g s s e i t e g e g e n U b e r l i e g e n d e n Hi~lfte des Eies , also auf derjenigen Seite (siehe 3), wo die helle resp. aufgehellte Eirinde h~iher heraufreicht und zwar bei Rana fusca ungef~thr an der oberen Grenze des naehtr~lieh aufgehellten Saumes.

7) Die seitlichen Urmundslippen entwiekein sieh s y m m e t r i s e h zum Befruchtungsmeridian.

8) Die beiden MedullarwUlste nnd der ganze spiitere Embryo werden symmetriseh zum ,Befruchtungsmeridian' angelegt, also die Ebene des Befruchtungsmeridians wird zur ,Medianebene' des Thieres.

9) Die , B e f r u e h t u n g s s e i t e ' des Eies wird zur c a u d a l e n Seite des Thieres.,,

�9 Um E i n b l i c k in die d i e se r v i e l f a c h e n Ko ine idenz zu G r u n d e l i e g e n d e n Causa lzusammenh~tnge zu g e w i n n e n , habe ieh reich, und zwar mehrfach mit Erfo lg , bemUht, dutch abno rme Bedingungen k t ins t l i che T r e n n u n g e n d iese r Koin- c idenzen h e r v o r z u b r i n g e n (s. pag. 325, 408); ich werde nieht unterlassen, anderweit darUber zu berichten.,, (S. 1, Bd. II. pag. 962.)

Durch Schaffung abno rmer Verhrtltnisse: dutch Zwangslage oder dutch Pressung der Eier in R(ihren oder zwischen Platten habe ieh solche Abweichungen yon dem unter no rma len Verhiiltnissen

Page 83: Für unser Programm und seine Verwirklichung

~ur unser Frogramm nn(l seine Verwirkliehung. 301

s ta t t f indenden Geschehen bezt ig l ieh a l l e r d ieser Rege ln he rvo rge -

bracht und thei ls vo rhe r schon, the i l s g l e i ehze i t ig in d ieser se lben

Arbeit , thei ls spl i ter mi tgethei l t .

Das Bed ingende l ieg t also h i e r in dem Begr i f f , n o r m a l e r ~

Weise oder un te r ,normalen~ Verhi i l tn issen. Dieser Begr i f f abe r is t es,

der yon meinen H e r r e n Gegnern , d ie dense lben deskr ip t iv , n i ch t a b e t

c ausa l - ana ly t i s ch nehmen, in e iner yon der me in igen a bw e ic he nde n

W e i s e aufgefass t wird .

F t i r sie ist , n o r m a l , das ~ a t u r g e s e h e h e n , wie es o h n e

m e n s c h l i c h e s Z u t h u n abl i iuf t , ode r wie es s ich ihnen bei der

auch von ihnen a n g e w a n d t e n k U n s t l i c h e n Bef ruch tung da rb ie te t ,

wenn sie d iese lbe ~)ohne i rgend we lche besonde ren Cautelen~ aus - ftihrcn 1).

W a s sie un te r d i e sen Verh~il tnissen in de r Mehrzahl de r F~ille

beobaehten , is t ihnen die Regel , die Norm. F a r uns da ge ge n ist, wie

an den be t re f fenden Ste l len angegeben wurd% die n o r m a l e Bi ldungs -

we i se b i e r d ie jenige , be i w e l e h e r die E i e r s ieh n ieht in Z w a n g s l a g e

befinden, sondern b a l d i g s t dureh die S c h w e r k r a f t mi t ih re r E i a e hse

~) Wenn im Freieu ein Eiballen groB ist, so befinden sich die c e n t r a l ge - l a g e r t e n Eier desselben in Folge zu langsamer Que1!ung der GaUer thiillen wiihrend der ersten Stnnde nach der..~blage und liinger, also gerade w ii h r e n d d e r B e fr u c h- tung, in Z w a n g s l a g e , somit nach meiner Auffassung in * a b n o r m e n , Verh~lt- nisseu. Dasselbe ist der Fall, wenn bei ktinstlicher Befruehtung die Eier in die Samensehale geworfen werden und in ihr m e h r e r e L a g e n f iber e i n a n d e r bil- dan, oder wenn sie eine einzige Lage bilden, abet d i e h t g e d r i t n g t z u s a m m e n - l i e g e n , wie es fast immer der Fall ist, wenn man nieht besondere Sorgfalt darauf verwendet, dies zu vermeiden. Ich nehme daher dis SamenflUssigkeit bloB etwa 2 mm hoch, damit sich die Eier beim Einwerfen und sofortigen einmaligen Umriibren gleich zu einer e i n f a e h e n Schicht ausbreiten, glebe nach 5--10 Minuten den Samen ab, ersetze ibn durch Wasser (Brunnen- oder Leitungs- wasser) so hoeh, dass es einigc Millimeter tiber den Eiern iibersteht and l~se naeh weiteren 10 Minuten mit einem Spatel die Eier vom Boden des Gef'~iBes ab, damit sie sich beim Quellen nieht so driingen und sis aueh yon unten her quellen kiinnen. Bei Musterversuchen ohne j e d e Z w a n g s l a g e werden die Eier e i n z e l n mit der Lanzette dem Uterus entnommen und einzeln, mit der Eiachse s e n k r e c h t , also den hellen Pol. ganz naeh unten gewendet, aufgesetzt; es wird rings herum Samen mit dem Pinsel zugegeben und nach 5 Minuten Wasser his zum Ubersteben fiber dis Eier zugegossen und die oben entstehende trichter- i~6rmige Einziehung der Wasseroberfl~tehe mit der Pineette entfernt (s. 1, Bd. II. pag. 361). Das ist dis fiir z w a n g l o s aufgesetzte, naeh meiner Meinung ~in nor- maler Weise, behandelte Eier niithige Teehnik. Vorausgesetzt ist natiirlich weiter- hin, dass die Eier selber n o r m a l b e s e h a f f e n sind, also insbesondere, dass sie uieht dutch Verziigerung der Laichung gelitten haben, da dabei die normale An- ordnung der Dottersubstanzen gestiirt wird und die Bildungskriifm alterirt werden.

20*

Page 84: Für unser Programm und seine Verwirklichung

302 Wilhelm Roux

so eingesteUt werden, wie es der i nne ren A n o r d n u n g ihrer ung le ieh speei f i seh s c h w e r e n Dot te r the i l e en t spr ich t ; so dass ~keine U mordnungen des Dot te r s durch die Schwer - kraf t~ veranlasst werden, wie solche stattfinden, wenn die Eier l~tnger als die erste halbe Stunde in Zwangslage sich befinden. Bei dem unbefruehteten Eie yon Rana fusca ist der Dotterbau in a l l en dureh die Eiachse legbaren Meridianebenen der gleiehe; oder, wenn er, wohl in Folge der Wirkung der Sehwerkraft wegen der Zwangslage der Eier im Mutterleibe, davon abgewiehen ist, so ist es, wit ich ge- zeigt habe, die erste Wirkung der BerUhrung des SamenkSrpers auf das El, dass diese gleichm~iBige Anordnung wieder hergestellt wird (1, Bd. II. pag. 289--295). Bei der normalen Entwiekelung werden die symmetrischen A b w e i c h u n g e n der D o t t e r a n o r d n u n g yon diesem, zu Anfang der Befruehtung vorhandeneu, in al len dureh die Eiaehse legbaren Meridianebenen g l e i chen Dot te rbau allein dureh den SamenkSrper bedingt. Da nur fiir diesen Fall meine Gesetze tiber die Wirkung der Bahn des Samenk(irpers sieh verwirklichen, so ist es ein Beweis dafiir, dass diese Wirkung yon der Anordnung des Dot te rs abhi~ngt, welehe der Samenk~irper hervorbringt; was ich denn aueh betont und bei den speciellen Formulirungen zum Ausdruck gebracht habe.

Bei Zwangs l age dagegen entstehen, wie ich gleichfalls mit- theilte, alle die eben erw~hnten Abweiehungen 1). Meine Gegner dagegen versehweigen, dass ieh dies sogleieh mitgetheilt habe; stellen die Saeh- lage vielmehr so dar, als hiitten sie entdeekt, dass die Abweiehungen hiiufig vorkommen, wiihrend ieh selber sie auf 66 O/o gesteigert habe; sie maehen ferner einen Theil der Versuehe nach, ohne daftir zu sorgen, dass die Froseheier ba ld igs t aus tier naeh der Besamung vorhandenen Zwangslage gebracht werden, und folgera dann aus den auf diese Weise erhaltenen Ergebnissen die Unrichtigkeit meiner thats~iehliehen Angaben und der aus ihnen abgeleiteten Gesetze2). Sie urtheilen

1) Dazu geh~iren auch die Abweichungen yon dem yon mir aufgestellten , n o r m a l e n , F u r c h u n g s s c h e m a . Manche Autoren beschreiben neuerlich solche Abweichungen, aber ohne jede Beriicksichtigung dieser sic bedingenden eausalen Verhiiltnisse, und glauben, damit meine Norm als unrichtig bezeichnet zu haben.

~) Den beziiglichen Opponenten vermag ich nur zu rathen, sie mi~gen die Versnche iiber die W i r k u n g der B e f r u c h t u n g s s t e l l e des Eies auf die Richtung der ersten Furche etc. g e n a u n a c h m e i n e n V o r s c h r i f t e n , also a n a l y t i s c h nachmachen; dana werden sie sich yon der Richtigkeit meiner Angaben iiberzeugen. Ich kann von diesen Ergebnissen leider ihnen zu Liebo

Page 85: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 303

also wieder in der obigen Weise: Weil die bewegte oder ruhende Luft Abweichungen der fallenden Feder yon dem Fallgesetz be- dingt, ist das Fallgesetz falseh!

Ein Anderes ware es, wGnn SiG sagten: Wir bezweifeln nicht die Richtigkeit der Beobaehtungen, aber wir halten die Versuchsan- ordnung nicht Far eine normale , denn sie ist eine klinstliehe, die dem ~aturgesehehen oft night entspricht. Dann dreht sigh die Diffe- renz nur um die D e f i n i t i o n des ))Normalen(, im v o r l i e g e n d e n Falle. Dazu mSehte ieh bemerkGn: Ieh habe auf zweierlei Weise: durch langsame Rotation und dureh zwanglose Haltung der Eier, er- mittelt, dass die Entwiekelung des Froscheies mSglieh ist, dass sie wirklich stattfindet, aueh wenn bei und nach der Befruchtung die S c h w e r k r a f t n ight o r d n e n d a u f den D o t t e r w i rk t , also ohne dass sic Anordnungen der Dottersubstanzen gegen einander hervor- bringt. Da die Entwiekehng dieses Eies also ohne gestaltende Betheiligung soleher ~iuBerer Einwirknng vor sieh gehen kanu, so ist sie in diesem Sinne S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g des Eies; dasselbe gilt in Bezug auf anderG gestaltende iiuBere Einwirkungen, aueh solehe sind ))nicht nSthig,~ (s. 1, Bd. II. pag. 276, 422).

Andererseits abet ist die Entwiekelung des glciehcn Eies auch, mSglich, wenn in Folge yon Z w a n g s l a g e der Eier (in schiefer Stellung der Eiaehse bei Rana fusca, oder bei nicht der inneren An- ordnung entsprechender schiefer Zwangslage des Eies yon Rana csculenta) dig Schwerkraft auf die Dottermasse umordnend wirkt; wobei sie die ordnende Wirkung der Bahn des Samenkiirpers auf den Dotter abiiudert, bei genUgender Schiefstellung Uberkompensirt und dann ihrerseits alle die genaunten Gestaltungen bestimmt.

Bei meiner Verwendung des Begriffes ))normal,, wird der e r s t e re Fall als der normale aufgefasst; und ich wUrde bei diGscr Auffassung vielleicht sogar bleiben, wenn dieser Fall in der freiGn ~atur gar nicht oder nur ganz vereinzelt, sondern wenn er nur im Experimente vorkiime, weil in der fi'eien Iqatur die Verh~tltnissG derartig seien, dass z. B. die GallerthUlle immer ~zn langsamr (s. o. pag. 301 Anm.) quellen Wiirde.

Ieh stUtze mich bei dieser Auffassung erstens darauf, dass die S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g , die ein wesenfliches Charakteristikum der

niehts herunterlassen; denn normal besehaffene Froseheier verhalten sich nun einmal in dieser Weise, wenn der so leicht stattfindenden umordnenden Wirkung der Schwerkraft auf den Dotter vorgebeugt wird.

Page 86: Für unser Programm und seine Verwirklichung

304 Wilhelm Roux

Entwiekelung des thierisehen Eies darstellt, im zweiten Falle aufge- hoben ist, indem wichtige gestaltende Bestimmungen yon auBen h e r getroffen werden, obsehon dies nach Fall 1 gar n i eh t nS th ig ist; denn unser Fall 1 zeigt, dass diese selben Bestimmungen durch i n t r a o v a l e und zwar bei j e d e r Entwiekelung dieses Eies s t a t t - f i n d e n d e Wirkunffen, nKmlich durch die Wirkungen des Samen- kSrpers auf den Dotter etc. getroffen werden kSnnen und (sofern nicht die abKndernden i~uBeren Einwirkungen eintreten) auch wirklich getroffen werden.

FUr unsere Auffassung spricht dann zweitens, dass bei dieser gestaltenden i~ u B e r e n Einwirkung, wie erwiihnt, die dureh die B e f r u c h t u n g bewirkte, also doeh n o r m a 1 e, ihrerseits weitere Gestaltungen bestimmende D o t t e r a n o r d n u n g a b g e ~ n d e r t w i rd und U b e r k o m p e n s i r t werden kann; ferner dass dabei aul~erdem (wie ich an Hunderten yon Fi~llen konstatirt habe [1, Bd. II. pag. 327, 340, 927]) sehr oft auch tier pigmentirte Rindendotter des Eies w~thrend der zweiten Furehung naehtriiglich s y m m e t r i s e h z u d e r bei Zwangslage dureh die Schwerkraft bestimmten R ich tung der e r s ten (resp. zweiten) F u r c h u n g s e b e n e u m g e o r d n e t wird. Dies stellt eine naeh t f i t g l i ehe U m o r d n u n g der vorgebildeten normalen Dotter- anordnung, eine S e l b s t r e g u l a t i o n in Anpassung an die stattge- habte ~uBere Einwirkung dar, welche bei der Entwickelung ohne Zwangslage nicht vorkommt.

Aus den obigen Regeln habe ieh folgende G e s e t z e abgeleitet (1, Bd. II. pag. 414):

21) Die e rs te T h e i l u n g s r i e h t u n g des , F u r e h u n g s k e r n s ' w i r d ,normale r ' Wei se ,durch ' d ie K o p u l a t i o n s r i e h t u n g der V o r k e r n e , und zwar in de r Wei se b e s t i m m t , dass sie mi t ih r zusammenf i t l l t . 2) D a m i t wird auch die erste Theilungs- richtung des ,Do t t e r s ' dureh die Kopulationsriehtung, und zwar in der Weise bestimmt, dass sie ihr parallel steht oder eventuell mit ihr zusammenfitllt. 3) Die specielle Lage des E m b r y o im Ei wird normaler Weise , d u t c h ' die Befruehtungsriehtung des Eies bestimmt, und zwar wird diejenige Seite des Eies, dureh welehe der Samen- kSrper eingedrungen ist (die B e f r u c h t u n g s s e i t e ) , zur e a u d a l e n Se i te des Embryo.,<

Die durch das erste Gesetz bezeichnete Wirkung ist uns in ihren Ursachen noch unbekannt, wir haben bloB ihren N u t z e n diskutirt (1, Bd. II. pag. 413, w 6). Die Ursache der zweiten Bestimmung kann darauf beruhen, dass dutch die Befruchtung allein keine so s t a r k e

Page 87: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Ftir unser Programm und seine Yerwirkliehung. 305

Abweiehunff yon der Rota t ionsanordnung des Dotters ei1tsteht, dass sic (wie dies bei Zwangslage gesehieht) d r e h e n d auf den Furehui1gs- kern wirkt (s. J, Bd. IL pag. 415, w 15), sofern ausnahmsweise die Penetrationsbahn und Kopulationsbahn nicht in dieselbe Meridianebene fallen. (Genaueres siehe untei1 auf pag. 321.)

Die im dritten Gesetz ausgesprochene Wirkung dagegei1 habe ich yon dieser, durch die Befruchtung bewirkten D o t t e r a n o r d n u n g ab- geleitet, da bei Zwangslage eine ~thnliche Anordi11111g das bestimmend Wirkei1de ist (1, Bd. II. pag. 416, w 19).

Diese Gesetze sind also richtige W i r k u n g s g e s e t z e , um diesen Ausdruck zur Unterscheidui1g von dem bei den Biologen Ubliehen unrichtigen Gebraueh des Wortes Gesetz fUr blolle Thatsaehen, also statt des Wortes R e g e l , bier anzuwenden. Als solehe ffelten sie aus - n a h m s l o s , bestimmen sie ausnahmslos die genannten Gestaltungen, sofern sie erstens ihrerseits ganz richtig (das heillt die wirkliehen Komponei1ten bezeiehi1end) formulirt sii1d (-- was wir keineswegs behaupten, dei1n um dies zu b e w e i s e n , warei1 noeh maneherlei bestiitigei1de Experimente nSthig; wir behaupten blol], dass ui1sere ihnen zu Grunde liegenden B e o b a e h t u n g e i 1 , nieht abet die Deu- tnngen, richtig sind; aber gerade diese Beobaehtungen sind es, welehe zur Zeit nicht far richtig gehalten werdei1, weil oft andere, fremde Komponentei1 alterirend einwirken --), und sofern zweitei1s keine ai1dere, geiiUgend umordnend auf den Dotter wirkei1de K{aft zur Wirkui1g gelangt.

Da ieh aueh diese fremden Wirkungen dargelegt hatte, so h~ttte die wahre Saehlage und die Bedeutung meiner Gesetze wohl aueh sehon ohne die obige ErSrterung Jedem einleuchten kSnnei1. Auf Grund dieser letzteren aber gebe ich mich der Hoffnung hin, dass nun bald die Zeit kommen wird, in der auch FOr diesen Theil meiner Arbeiten das riehtige Verst~tndnis sich bilden wird.

IIg. Ni tchs te A u f g a b e n und A u s s i c h t e n der e n t w i c k e l u n g s - m e c h a n i s e h e n F o r s e h u n g .

Unsere schwierigste Aufgabe wird die Erforschung der rein intra- cellul~tren Wirkungen sein, dies wegen der K l e i n h e i t ihrer Wir- kungsbezirke. Doch sind gerade dureh die Experimente der letzten Jahre sehon f u n d a m e n t a l e gestaltende Wirkungen zwisehen Leib und Kern der ersten Furehungszellen ermittelt worden, indem sich z. B. erffab, dass yon der Gestalt des Leibes dieser Zelle, genauer yon der A n o r d n u n g seiner Hanptbestai1dtheile, die Bildung eines halbert

Page 88: Für unser Programm und seine Verwirklichung

306 W n l a e l m l r

oder mehr als halben oder ganzen Embryo ausgeltist wird. Fort- gesetzte, wohlUberlegte Versuche an den vielgestaltigen Protisten ver- sprechen uns viele neue und specielle Erkenntnis tiber gestaltende Weehselwirkungen zu der bereits errungenen Vorkenntnis, dass ohnc den Zellkern keine typiseh gestaltende Regeneration stattfindet. Aueh sind wir, Dank der Experimente T. H. MOROA~'S, Tm BOVERI'S U. A. sehon auf dem Wege zum Verst~tndnis der Bildung der Centrosomen.

Universelle Anfgaben bietet die Erforsehung der drei organisehen gestaltenden Grundfunktionen: der A s s i m i l a t i o n , S e l b s t b e w e g u n g und S e l b s t t h e i l u n g . BezUglich ersterer kann es jetzt wohl frag- lich erscheinen, ob wir je diesen elementarsten Lebensvorgang, also die dutch die A s s i m i l a t i o n dargestellte k o m p l e x e K o m p o n e n t e werden zerlegen kSnnen. Aber wer vermtichte andererseits dies jetzt schon als definitiv unmtiglic'h zu bezeichnen?

Dagegen kommen wir schon manchen Ursaeben der Grtil]e der ~Assimilation, und damit Ursachen des ) )Wachsthums% ferner manchen Ursachen der Z e i t (Dauer) des Wachsthums und der Wachsthumsrichtungen, ebenso der Wirkungsweisen der anschei- nenden S e l b s t b e w e g u n g der Zellen, sowie denen der Se lbs t the i - lung allm~hlieh etwas n~ther.

Was es alles fur qualitative und formal d i f f e r e n z i r e n d e , sowie o r d n e n d e W e e h s e l w i r k u n g e n der Ze l l en a u f e i n a n d e r , also fUr intercellulare Wirkungen, giebt, vermSgen wir vorlaufig noeh gar nicht abzusch~ttzen; auf ihnen beruht grtil~tentheils die G e s t a 1 tun g des v i e l ze l l i gen Organismus , sowie insbesondere auch die Ein- he i t l i c h k e i t desselben. Diese Wirkungen abet werden wir in mehr oder weniger hohem Grade experimentell ermitteln ktinnen; dies gilt vielleieht auch znm Theil yon den weiteren Wirkungsweisen, auf denen sie zunaehst beruhen. Von diesen gestaltenden Wirkungen suchen wir, so weit der Gang der Untersuehungen systematisch geregelt werden kann, zuerst die Ursachen der Zeit, der GrtiBe, der Richtung, zuletzt der Qualit[tt zu ermitteln.

Wer ktinnte jetzt, am A n f a n g e der m e t h o d i s c h e n A n w e n d u n g des , a n a l y t i s c h e n , , e a n s a l - m o r p h o l o g i s e h e n E x p e r i m e n t s sehon sagen, wie viel und welehe Experimente uns gelingen, welche nieht gelingen werden, - - yon welcher Art die ersteren und ihre Ergebnisse sein werden, - - wo die definitive Grenze der erfolg- reichen Anwendung liegen wird? Denn fur die besehrankte Auf- gabe, die wir gestellt haben, flir die ZurUckflihrung der Gestaltungs- ~'organge des Lebens auf die bere i t s e r m i t t e l t e n p h y s i k a l i s c h -

Page 89: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 307

chemischen W i r k u n g s w e i s e n , liegt, wie wir oben sahen, die Schranke nieht in den Grenzen unsGrGs Erkenntnisverm(~gens tiber- haupt, sondern sie hat nur praktische GrUnde. Von diesen kSnnen wir hie im Voraus wissGn, ob sie dureh neue Entdeckungen night in vorhGr ungeahnter WGise veriindert werden, so dass die Forschungs- grenze viel weiter hinausgeschoben wird.

Es wird wohl Niemand, der sonst zu exakter eausaler Forschung neigt, sieh yon solcher Thiitigkeit dureh einen Autor abhalten lassen, dem exaktes causales Denken etwas Unverstandliehes ist, nach dessen MGinung die Physik und Chemie tiberhaupt keine ge- s t a l t e n d e n Kra f t e , also keine g e s t a l t e n d e n W i r k u n g s w e i s e n kennen, denen solehe Kriffte supponirt werden kSnnten, dem das analytische Experiment ein Begriff ohne Inhalt ist~ und ftir den es iiberhaupt hinter dem s i e h t b a r e n Gesehehen nichts Erforschens- werthes und Erforsehbares giebt.

Arbeiten wit unbeeinflusst dutch Einwendungen von so wenig kompetenter Seite stetig und energiseh auf unsGre Weise weiter, aber in steter FUhlung und Symbiose mit den Ergebnissen der anderen biologischen Diseiplinen; alsdann dUrfen wir sieher sein, allerhand theoretische Bedenken dutch thats~tchliche Feststellungen widerlegen zu kSnnen.

Das streng durchgeftihrte causal-analytische morphologische Ex- periment sei, wie gesagt, dGr Zauberstab, der mit steigender Geschick' lichkeit der Anwendung allm~thlieh das kaum zu Wagende, vielleieht manchmal sogar das unmtiglich Seheinende und das jetzt nieht Ge- ahnte dm'eh Generationen lange Forschungen mSglich machen wird.

Auf dem Gebiete der deskriptiven entwickelungsgeschichtlichen Forschung wird nun schon fast drei Generationen lang ein und die- selbe grol~e Hauptfrage als wichtigste bGarbeitet: die Frage nach der formalen Bildungsweise des mittleren Keimblattes, ohne dass darUber bereits vollkommene Einigung und Sicherheit erzielt worden ware; solche Unsicherheit besteht hier noeh, obschon die Aufgabe im Verh~tltnis zu den uns vorliegenden Problemen relativ einfaeh ist. Lassen wit uns diese Konsequenz und Ausdauer der auf ein und dieselbe Frage gerichteten Arbeit sin Vorbild sein. An Mannigfaltig- keit der Arbeit wird es uns, selbst bei Behandlung Gin und derselben causalen Frage nicht fehlen, da jede eausale Frage, wie wit gesehen haben, mit den verschiedensten Methoden bearbeitet werden muss.

Haben wir nur den Muth, trotz des Bewusstseins, dass wit auch bei Aufbietung aller Vorsicht zeitweilig irren werden, krifftig vorwiirts

Page 90: Für unser Programm und seine Verwirklichung

308 Wilhelm Roux

zu streben. Dann werden wit, indem wir gegenseitig einander rekti- ficiren, und indem jede kommende Generation die Ergebnisse der frUheren neu prUft, verbessert und vermehrt, aneh stetig, wenn auch wohl oft auf Umwegen, uns unserem Ziele nRhern.

Unser Ziel ist wie das Ziel jeder Forschung, d. h. das Ziel der Ermittelung yon U n b e k a n n t e m , noch u n k l a r ; wir wissen auch nieht, ob wit es ersch(ipfend formulirt haben; doch j e n~ther wir ihm kommen, um so deutlieher wird es uns in seiner wahren Gestalt und Eigenart erscheinen.

Auf diese Weise wird die Entwickelungsmeehanik, wie wit frUher sagten, allm~thlich ,de r Haupttrieb am Baume der biolog'ischen Wissenschaften werden, welcher gegenw~irtig noeh nicht geahnte neue Seitenzweige treibt, deren BlOtter die anderen Aste in ihren Schatten nehmen und yon ihnen l~ahrung empfanffend ihrerseits wieder Nahrungsstoff zur Bildung neuer Knospen flit sie bilden

werden r Die vorige Generation hat dutch die Vergleichung und die

Deseendenztheorie AuBerordentliches geleistet. Wir haben dies mit Bewunderung hingenommen. Doeh als die Grenzen der qualitativen Leistungen dieser Forsehungen erkennbar wurden, sahen wir, dass noch viel Gebiet des Forschens hinter dem bereits bearbeiteten liegt; und auf dieses richteten wir unser Streben. Wir erkannten zugleich, dass dieses Gebiet nicht allein durch weitere Verfolgung der ver- gleichenden Forschung zu bearbeiten ist, sondern dass es einen be- sonderen, sicherer und raseher auf ihm vorwRrts fiihrenden Weg giebt: den des causal-analytischen Experiments. Wir nahmen- das Gebiet daher mit Hilfe dieser Methode in Angriffl).

~) 0bglelch mit dieser Art der Forschung eben erst ernstlich angefangen worden und daher noeh sehr wenig im Verhiilmis zur Gr~i3e des Gehietes yon demselben erforseht ist; obgleieh wit daher aueh die Grenzen des mit den Hilfs- mitteln a l l e r biologischen Disciplinen zusammen Erforschbaren noch nicht er- kennen kiinnen, ergehen sieh gleichwohl bereits einige Genossen unseres Strebens darUber in Klagen, dass voraussichtlieh n ich t Alles werde erforscht werden k(innen. Wir halten es fiir besser, wenn sie ihre ganze Kraft der erfolgreiehen Arbeit des empirisehen Forschens auf dem Gebiete zuwenden wiirden.

Diese Autoren verhalten sieh wie Kolonisten eines neu entdeckten fl'ucht- baren und an Schiitzen reichen Landes, die, statt die Sehiitze desselben zu erforschen, sich dienstbar zu maehen und den fruehtbaren Boden zu bepflanzen, in dem steilen Grenzgebirge des Gebietes herumklettern und dariiber klagen wollten, dass hier die weitere Aussicht versperrt scheint.

Wir haben flit Jahrhunderte reiehe Erfolge verspreehende Erkenntnis- arbeit vor uns. Wenn diese ann~ihernd erledigt ist, dann wlrd es an der Zeit sein, ernstlieh zu iiberlegen: Wie kommen wir welter?

Page 91: Für unser Programm und seine Verwirklichung

J~'iir unser Frogramm und seine Yerwirklichung. 309

III. Der Name Entwickelungsmechanik.

Auch der Name Entwickelungsmechanik ist und zwar yon ver- schiedenen Seiteu bemiingelt worden. Einmal indem man sagte, die Entwickelungsmechanik sei bloB ein Theil der Entwiekelungsge- schichte; zweiteus: sie sei die Entwickelungsphysiologie; drittens, der Name Mechanik habe hier eine unzullissige Anwendung gefunden. Wir wollen daher die GrUnde Ftir die yon uns getroffene Wahl in vollst~tndigerer Weise, als es bisher gesehehen ist, darlegen.

Das Wort E n t w i c k e l u n g s g e s c h i c h t e bezeichnet seinem vol len Inhalte nach die ganze, also die vollst~tndige Lehre vom Entwiekelungsgeschehen, somit aueh die eausalen Verh~tltnisse dieses Gesehehens. Doeh hat, wie sehon oben erwiihnt wurde, die wirk- liche Bearbeitung der thierisehen Entwickelungsgeschiehte dieser Wortbedeutung bisher nieht entsprochen. Denn die Entwiekelungs, geschichte war nicht mit RUcksicht auf die Vol l s t l ind igke i r der Ermittelung des Entwickelungs g e s c h e h e n s, sondern bloB in engerem Rahmen gepflegt worden; denn sie erstrebte nur Vollst~tndigkeit der Ermittelung des s i c h t b a r e n Theiles dieses Geschehens, n~imlieh der iiuBeren und inneren F o r m - resp. S t r u k t u r w a n d l u n g e n und zog nut die aus diesen Beobachtungen ableitbaren, wenigen und in Bezug auf das Specielle Uberaus unbestimmten und unsieheren u r s ~t e h li c h e n Folgerungen.

In den vorstehenden beiden Abschnitten haben wir ersehen, dass die neu hinzugekommene, mit dem lqamen Entwickelungs- mechanik belegte, causale Forschungsrichtung der Zoobiologie ein yon diesen frtiher Ublichen Forschungsriehtungen versehiedenes Ziel und entsprechend verschiedene, besondere Aufgaben verfolgt, und dass sie auBer der Benutzung aller anderen, eausale Erkenntnis gew~threnden biologischen Forsehungsweisen nnd-Wege auch noeh ein eigenes Hilfsmittel in die zoobiologische Forschung als Haupt- methode einget'tihrt hat: das e a u s a l - a n a l y t i s c h e morphologische Experiment; dass diese Art des Experiments die specifische Methode der direkten, exakten causalen Forsehung ist, wenn sehon die Ent- wickelungsmechanik sich daneben aueh aller anderen Arten yon Experimenten bedient.

Da unsere Forschungsrichttmg besondere Aufgaben verfolgt und

Page 92: Für unser Programm und seine Verwirklichung

310 Wilhelm Roux

auch eine besondere Methode verwendet, so hat sie auch die Be- rechtigung, sich einen bcsonderen ~amen beizulegen. Schon viel weniger verschiedene, weniger vom vorher Gepfiegten abweichendc Forschungsrichtungen haben sich besondere Namen beigelcgt, um sich yon dem HerkiSmmlichen auch auBerlich zu untcrscheiden, um auf diese Weise leichter kenntlich zu sein und leichter anerkannt zu werden. Die Entwickelungsmeehanik wird sich daher als cine Abtheilunff der Entwickelungsgeschichte in dem dutch sie selber erweiterten vervollsti~ndigtcn Sinne der lctzteren darstellen, als ein Theil abet, welchcr nach unserer Meinung allm~ihlich der Haupttheil der ganzen Disciplin werden wird.

Der Einwand, dass die Entwickelungsmechanik bloB ein Theil der Physiolog'ie sei, wUrde kcin Hindernis sein, diesen Thcil be- sonders zu benennen.

Wir haben aber oben gesehen, dass die Physiologie in ihrer frUher dem Worte (NB. ohne jcde etymologische Bcrechtigung) untergeleg- tea Bedeutung, zwar die ganze Lehre vom Lebcnsgeschehen um- fassen soil, dass abcr in Bezug auf die zoobiologische Forschung die Sachlage historisch eine andere gcworden ist, indem die Physiologen seit Langem sich lediglich um die E r h a l t u n g s f u n k t i o n e n des Gebildeten bemUht habcn~ nicht aber um die F u n k t i o n e n des Bi lden% des G e s t a l t e n s selber. Diese letzteren Funktionen haben sic, yon wenig'en Autoren abgesehen, als etwas Morpho log i sches g~tnzlich vernachl~issigt; und ihre Erforschung den Morphologen (~kna- tomen und Zoologen) Uberlassen; letztere haben das Gebiet seit lange eifrig bearbeitet. Daher theilen aueh anatomisehe LehrbUeher die Biologie in Morphologie und Physiologie, und erstere wieder in Ana- r und Entwickelungsgeschichte ein.

Dieser besehriinkteren Bedeutung des Wortes Physiologie als der Lehre bloB yon den E r h a l t u n g s f u n k t i o n e n des Gebildeten ent- sprechend ist aueh bereits eine , P h y s i o l o g i e der E n t w i c k e l u n g , angebahfit und dann in W. PREYER'S (21) Buch tiber die ,,Specielle Physiologie des Embryor zusammenhangend bearbeitet worden. In diesem Buche wird der , m o r p h o l o g i s c h e n E n t w i c k e l u n g s - g e s c h i e h t e , die , p h y s i o l o g i s c h e En twicke lungsgeseh ich te ,< gegeniibergestellt; und letztere wird als eine yon tier ersteren geson- derte Diseiplin behandelt. Es handelt sich auch in dieser ,physio- logischen Entwickelungsgeschiehte,, nieht um die Physiologie des g e s t a l t l i c h e n E n t w i c k e l n s , sondern bloB um die Lehre yon der successiven Entwickelung der E rha l t ung ' s funk t ionen . Der :Name

Page 93: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 31 1

,Entwickelungsphysiologie, wiirde also, wenn auf die ),ursltehliche Gestaltungslehre~ der Organismen angewandt, fortw~ihrend zu Ver- wechselungen mit dieser eingeengten ,)physiologischen Entwickelungs- geschichte~ gefUhrt haben.

Abet noch ein anderer, wenn auch mehr praktiseher als wissen- sehaftlicher, so doch gleichfalls fur das Gedeihen unserer Disciplin wichtiger Grund lieB mir die Annahme der Bezeichnung Entwicke- lungsphysiologie ftir dieselbe als nicht gtinstig erscheinen.

Mit ~ter GrUndung ordentlicher Professuren for Physiologie in der medicinischen Fakulti~t, unter Abzweigung dieser Disciplin yon der Anatomie, war die erwiihnte Besehrlinkung des Forsehungsgebietes der ersteren auf die >~Erhaltungsfunktionen, eingetreten; seitdem ist die Physiologie in dieser Fakult~tt ein besonderer B e r u f s z w e i g mit einem vollkommen auf die Th~ttigkeit innerhalb dieses begrenzten Gebietes eingesehriinktem Avaneement der Aspiranten geworden.

Ein ,Entwickelungsphysiologe,," dot hanptsaehlieh in unserem )~morphologisehenr Sinne geforscht hat, wUrde bei der jetzigen Generation nicht auf einen Lehrstuhl der ,Physiologie, berufen werden. Andererseits wUrde dieser Name wohl schon genUgen, dem betreffenden Forscher bei derselben Generation auch die LehrstUhle der Ana tomie zu verschliel~en; denn es wUrde gegen ihn der Ein- wand erhoben werden: ,der Mann ist ja Physiolog, wit brauchen einen Anatomen,. Es ist zu bezweifeln, ob es mSglich sein wUrde, den in der frUheren Auffassung aufgewachsenen Vertretern der seiner Thiitigkeit ferner stehenden, praktisehen medicinisehen Lehr- fiicher genUgend darzulegen, dass die yon diesem Autor gepfiegte >) Entwickelungsphysiologie ,, trotz ihres Namens eine m o r p h o l o - gische, also eine vielmehr an die Arbeits-, Denk- und Unterrichts- weise der Anatomie als der derzeitigen Physiologie sieh ansehlieBende Disciplin ist.

Wenn aber ein nenes Gebiet, so lange, bis es allgemein aner- kannt ist, seinen Bearbeitern keine Stellung zu bieten vermag, finden sich naturgem~tB auch nur sehr wenige Pfieger flit dasselbe; und die Ubergangszeit, bis diese Arbeit anerkannt und lohnend wird: dehnt sich auBerordentlich in die Liinge.

Aus diesen GrUnden wurde die Annahme der yon mir zun~iehst erwogenen (und jlingst yon H. DRIESCI=I empfohlenen) Bezeichnung ))Entwickehngsphysiologie(, fiir das Gebiet der jetzigen Entwickelungs- meehanik yon mir bei Seite gelassen; dies geschah also in Folge historiseh begrUndeter, zur Zeit bestehender Verhi~ltnisse.

Page 94: Für unser Programm und seine Verwirklichung

312 Wilhelm Roux

Auf dem Gebiete der p f l a n z l i e h e n Fo r sehung dagegen war und ist die Saehlage aus iiuBeren und inneren GrUnden eine andere. Hier existirt eine Arbeitstheilung in Professuren fUr die Erhaltungs- funktionen und in solche ftir die morphologischen Leistungen der Pflanzen nicht; ebenso wenig war bier die allein deskriptive Behand- lung der Entwickelungsgeschiehte Ublich; letzteres wohl in Folge des Umstandes, dass die Pflanzengestal tung viel mehr yon den ~uBeren Umsfiinden wie Sehwere, Lieht, W~irme, Feuehtigkeit ab- hangt, also nicht so sehr S e l b s t d i f f e r e n z i r u n g ist wie die Ent- wickelung der thierischen Lebewesen. Dadureh war man yon vorn herein mehr auf die Erforschung u r s i i ch l i che r Verhiiltnisse hinge- wiesen, und hat in Folge dessen mit der E r f o r s c h u n g der nor- malen g e s t a l t e n d e n W i r k u n g e n der ,~tulleren Umsti~nder d ie causa le F o r s c h n n g begonnen ; und d iese ist bere i t s ziem- l ich we i t for tgefUhrt . Wir dagegen hatten yon Anfang an unsere eausalen Bestrebungen auf die Erforschung der i n n e r e n Ur sachen der thierischen Ontogenese gerichtet, nachdem wir zun~tchst ermittelt hatten, dass zur typischen thierischen Entwickelung eines Wirbel- thieres g e s t a l t e n d e ~uBere Einwirkungen ~>nieht nS t h i g , sind (s. 1, Bd. II. pag. 422).

Auf dem Gebiete der Pflanzenphysiologie, deren Vertreter bekannt- lich auch die Pflanzenanatomie lehren, bestand also keine solche Veranlassung zu besonderer Einfiihrnng und Benennung einer direkten oder exakten causalen morphologisehen Forsehungsrichtung~ wie auf den Gebieten der zoobiologisehen Forschung: der menschliehen Ana- tomie und Physiologie sowie der Zoologie.

FUr den neuen Theil dieses zoobiologischen Gebietes bedurfte es dagegen einer neuen Bezeichnung.

Zuniichst wandte ieh fur unser Gebiet die Bezeichnung causa le Morphologie any um die bezUglichen Bestrebungen yon der zur damaligen Zeit herrschenden ,Morphologier zu unterscheiden. Denn unter dem Worte Morphologie verstand man damals, nicht ohne will- kUrliche Beschriinkung des universellen Wortbegriffes ~.d7o~, aus- sehlieBlich die E rk l i i r ung der organischen Formen mit Hilfe der V e r g l e i c h u n g ; da die vergleiehende Anatomie dieses Wort, wel- ches die gesammte Formenlehre umfasst, in diesem Sinne specialisirt hatte. Allerdings hat sie dabei den zu ihrer Zeit vorgefundenen h i s to r i s ehen , rein deskriptiven Wortinhalt zugleich sehr wesentlich erweitert.

In der Bezeiehnung ~causale Morphologie, fehlte aber die

Page 95: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 313

B e z e i c h n u n g der E n t w i c k e l u n g , welehe doeh den Haupttheil des Gestaltungsgeschehens ausmaeht, gegen den die bloBe E r h a l t u n g des Entwickelten untergeordnet scheint. Zudem glaubte und glaube ich, dass Wirkungsweisen, welche die Entwickelung, wenigstens die letzte Periode derselben, beding'en, auch grSBtentheils die struk- turelle Erhaltung des Entwickelten vermitteln. Es schien daher an- gemessen, diese, als das Wesentlichste, in dem Namen mit zum Ausdruck zu bringen.

Aus diesem Grunde wtthlte ieh als Titel eines in der Sehlesischen Gesellschaft ftir vaterliindisehe Kultur zu Breslau am 15. Februar 1884 erstatteten Beriehtes tiber die spitter im ersten Beitrag zur Entwickelungsmechanik mitgetheilten Experimente die l]berschrift: �9 Vorliiufige Mittheilung tiber c a u s a l - o n t o g e n e t i s e h e Experimente~; und ich gedaehte damals die beabsiehtigte Reihe yon Untersuchnngen unter dem Titel: ,Beitrage zur e ausa l en O n t ogen i e , zu verSffent- lichen, da ich voraussiehtlieh nieht tiber e a u s a l e P h y l o g e n i e arbeiten wUrde.

Dieser, aus zwei Worten gebildete Name schien mir aber bei wciterer Uberlegung keine rechte Aussicht auf allgemeine Verbreittmg zu haben. In diesem Stadium besprach ich reich mit dem berUhmten Physiologen RUDOLF HEIDENHAIN; und dieser schlug mir die Be- zeichnung ,~Entwicke lungsmechanik~ vor.

Dieses Wort sprach reich sehr an. Ich fUhlte zwar sogleich, dass dabei das Weft Meehanik in einem weiteren Sinne gebraucht werden mUsse als in der Schulphysik. Die hShere theoretisehe Physik hatte ja den Begriff der Mechanik schon sehr erweitert. So sagt z. B. H. HERTZ in der Einleitung zu seinem Bnche tiber die Prin- cipien der Meehanik rtlcksehauend (28): ))Alle P h y s i k e r s ind e ins t immig dar in, dass es die Aufgabe der P h y s i k sei, die E r s c h e i n u n g e n der Na tu r au f die e i n f a c h e n Gese tze der Mechan ik zurt iekzufUhren.r

Da aber die Entwickelungsmechanik, so weit sie exakte Wissen- schaft ist oder sein kann, nut eine a n g e w a n d t e Wissenschaft, n~tmlich Anwendung der Mutterwissenschaften: Physik, Chemie und Mathematik auf die Gestaltungsvorg~tnge des Lebens ist, so haben wir uns dieser bekannten Auffassung aller Physiker yon vorn herein angeschlossen.

Alles p h y s i k a l i s c h e und e h e m i s c h e ~Geschehen~ ist �9 .~nderung<,, muss sich also auf ~,Bewegung~ zurUckftihrcn l'assen.

D ie B e w e g u n g s l e h r e oder die Mechan ik umfass t im we i t e s t en

Page 96: Für unser Programm und seine Verwirklichung

314 Wilhelm Roux

Sinne g e n o m m e n also ~alles Geschehen , , auch das thermische, optisehe, elektrische sowie das chemische Geschehen, dcnn Alles beruht auf Bewegung yon Pondcrablem odcr Imponderablem. Eine davon abweiehende Auffassung mUsste annehmen, dass es G e s c h e h e n geben kiJnne, w e l c h e s n i ch t in B e w e g u n g besteht. Wir als emp i r i s che Forscher reehncn nicht mit dicser Annahme.

Die Entwickelung besteht in formalen (incl. strukturellen) und sogen, qnalitativen (chemischen) Anderungen; diese fassen wir als Be- w e g u n g e n auf, auch die chemischen Jknderungen.

Entwickelungsmechanik bedeutet also die Lehre yon den ~Ent- wickelungsbewegungen,. Die Meehanik ist Uberwiegend lmter Zu- grundelegung yon U r s a c h e n betrieben worden; erst sp~it hat AMP/~RE cine Zerlegung derselben in zwei Abtheiinngen, in eine die Bewegungen bloB beschreibende (Kinematik) und in eine mit dem Ursaehenbegriff arbeitende Abtheilung (Kinetik) eingeflihrt.

Der u n i v e r s e l l e n A u f f a s s u n g der M e c h a n i k entspreehend bestrebte sich H. HERTZ (28, pag. XXIV) eine derartige Zusammen- stellung der Gesetze der M e c h a n i k zu geben, dass es , k e i n e na tUr l i che B e w e g u n g geben soil, w e l c h c ih rcn F o r d e r n n g e n n ich t gehoreht~; wie sie andererseits ,aneh keine Bewegung zu- lassen soll, deren Vorkommen in der Natur schon nach dem Stande unserer heutigen Erfahrung ausgesehlossen ist,.

Diese ~universe l l e M e c h a n i k , der Physiker entspricht zu- gleich der gleiehfalls yon mir herangezogenen, von den Philosophen begrUndeten , m e c h a n i s e h c n N a t u r a n s i c h t , im allgemeinsten Sinne des Wortes.

Das Prineip dieses Mechanismus bestcht nach HER~I. LOTZE (31, pag. 69) in Folgendem: ~Alles Gesehehen in der iNatur beruht anf realen Elementen, welehe, wenn sie auch nicht E incs Stoffes sind, sieh doch als Modifikationen eines cinzigen, d. h. als ver- g l e i e h b a r e Massen a n s e h e n lassen. Welches auch die i nne ren Zustiinde sein miigen, in wclche diese EIemente durch ihre Wechsel- wirkung gerathen, immer sind die b e w e g e n d e n Kra f t e , in welchen dieselben sich iiuBern, unter einander v e r g l e i c h b a r und die ]~nderungen derselben an bestimmte mathematische Bedingungen (der Lage, Entfernung etc.) geknlipft., ~In jedem Augenblick also, in welehem zwei Wesen a and b in irgend einer Beziehung C sich befinden, liegt in diesem Umstand dcr vollstandige Grund zu einer und nut zu e ine r Folge x; und Uberall, wenn entweder a oder b oder C oder alle znsammen sich ~ndern. liisst sich nach einem

Page 97: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und se ine Verwirklichung. 315

k o n s t a n t e n Gese tz die damit n0thwendig verknUpfte .Anderung der Folge x in ~ berechnen. Das heiflt mit anderen Worten: jeder augenblickliche Zustand eines Wesens, in Verbindung mit einer be- stimmten Summe ~tuBerer Umst~tnde, kann immer nur Eine be - s t immte W i r k u n g hervorbringen, und umgekehrt: j e d e ent - s t ehende W i r k u n g ist das, was aus j e n e n g e g e b e n e n Be- d ingungen mit N o t h w e n d i g k e i t flieBt.~

Es wird wohl kaum Jemand in Abrede stellen, dass diese Auf- fassung auch in vollem Sinne ftir das Geschehen auf dem yon uns mit dem Namen Entwickelungsmechanik bezeichneten Gebiete der ;)eausalen Entwickelungslehre~ gilt1).

H. DRIESCH erhebt jedoch den Einwand (dies Archiv. Bd. V. pag. 133), dass bei dieser allgemeinen Deutung des Wortes Ent- wickelungsmechanik, das Wort zu inhaltsleer sei, ),denn der ,Causa- litiit unterstehendes Geschehen' wtlrden die Lebensphlinomene auch dann sein, wenn es sich als n~ithig erweisen sollte, an Stelle einer ,Maschinentheorie des Lebens' eine Theorie des Vitalismus zu be- grUnden~.

In diesem Einwurf sehe ich im Gegentheil eine Anerkennung meiner Absicht; denn diese ging dahin, das Gebiet yon vorn herein m(iglichst weir : a l les Causa l e umfassend, abzustecken, wenn ich auch die nitchsten Aufgaben zie.mlich eng umgrenzt babe.

Aus d iesen Grl inden ha l t en wir die B e z e i c h n u n g ~Ent- w i c k e l u n g s m e c h a n i k , fur das yon uns a b g e g r e n z t e G e b i e t fUr a n g e m e s s e n und beze ichnend . Aber selbst wenn die Be- zeichnung weniger passend ware, so wUrde dies an sich noch kein Grund sein, sie desshalb naehtriiglich abzu~tndern, sofern nicht eine Bezeichnung vorgeschlagen wird, die so gut ist, dass sie nach ihrem Auftauchen ganz yon se lber sich ausbreitet; denn anderen Falls fUhrt jede nachtriigliche Namensiinderung Verwirrung herbei.

Die yon DRIESCH angewendeten Bezeiehnungen: Entwickelungs- analyse und Variationsanalyse seheinen mir brauchbare Unterbezeich- nungen zu sein; ich glaube abet nicht, dass sic sich eignen, die

I) "Der Vollst~indigkeit halber sei noch bemerkt, was aber wold j e d e m unbefangenen Leser bereits geniigend klar geworden ist, dass wir bei den Ausdriicken ,eausales Denken, resp. , eausa le Forschung, nichtjene principieUe erkenntnistheoretische Feststellung im Auge haben, nach weleher die ~Causalit~tr e ines der i n t e g r i r e n d e n E l e m e n t e a l l e n D e n k e n s darstellt, sondern ein D e n k e n (resp. Forsehen), welches speeiell und in jedem Falle auf die U r s a c h e der beobaehteten Thatsachen, auf ihr Auf- und A u s e i n - ander, auf ihren *Causalnexus, geriehtet ist (also die eogitatio eausar urn).

Archiv f. Entwickelungsmechanik, V. 21

Page 98: Für unser Programm und seine Verwirklichung

3 ! 6 Wilhelm Roux

Bezeichnung ontogenetische und phylogenetische Entwickelungsmecha- nik zu ersetzen.

Es ist Uberhaupt viel wichtiger, dass fur ein bestimmtes Gebiet ein Name g e g e b e n und bes t immt d e f i n i r t ist, als wie er selber lautet. Daher sei daran erinnert, dass sehr vide Namen in der Wissenschaft in einem Sinue gebraueht werden, der dem e tymo- log i sehen Wortinhalt nicht entspricht.

Um einige Beispiele anzuftihren, so erinnern wir zuniichst an das Wort E n t w i c k e l u n g . Dieser Name passt streng genommen nut fur das letzte Stadium der Bltithen- uud Blattbildung, also fur die Entfaltunff. Gleiehwohl wird er auf die Bildung aller Lebewesen im Einzelnen und des ganzen Reiehes derselben sowie auf vieles geistige Gesehehen widerspruchslos angewendet. Wer protestirt gegen: dic Entwickelung des Geistes, der Volkswirthschaft, der Krystalle (obsehon letzteren Falles nur immer gleiche Aneinanderlegung einander gleicher Theile stattfindet ?)

Unter N a t u r r e c h t versteht der Jurist unget~,ihr das Gegentheil you dem, was sich der Laie darunter denkt. Unter N a t u r g e s e t z versteht man etwas, das nie ,festgesetztr worden ist, sondern was in jedem Falle you se lbe r mi t N o t h w e n d i g k e i t aus den Eigen- schaften ,der betheiligten Faktoren sire Komponenten sich erg iebt ; dies ist der Grund ftir meinen Vorschlag, so weit es e i n f a e h e r wirkt, daftir dig Bezeichnung bes t and ige W i r k u n g s w e i s e zu gebrauchen (s. 1, Bd. I. pag. 803 und 2, pag. 2).

Das Wort U r s a c h e ist gleichfalls eine unzutreffende Bezeieh- hung; denn wir verstehen darunter nieht ein Ding, eine Sache, son- dern stets ein Gesehehen , ein W i r k e n ; darauf beruht die Formu- lirung des q u a l i t a t i v e n Theiles unserer causalen Aufgabe als die Ermittelung der gestaltenden' W i r k u n g s w e i s e n . Statt Ur sache w~re also besser zu sagen: Urvorgang, Urgeschehen.

Unter Ang io log ie (yon 57ye~ov, Gef~B, Behiiltnis)versteht man bloB die Lehre yon den Blut- und Lymphgefiiilen, nicht abet yon den Ham- und Galleng'efi~Ben. Die Venen heiBen noch )) Blutadern (.. und die Sehlagadern werden immer noch Arterien (LuftrShren, yon ~ o , die Luft) benannt, obgleieh beide Blut-fiibren.

C h i r u r g i e (von Z~r und "~',oy,tv, thnn) bedeutet das Hand- werk, das Werk der H~tnde, also nicht bloB das Handwerk in der H e i l k u n d e ; und in dieser wird kS wieder uicht ftir alles Thun mit der Haud, z. B. nicht far die Palpation gebraucht.

Chemie (you X~!Lela) ist ursprtinglich die Lehre yon den

Page 99: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Ftir unser Programm und seine Verwirkliehung. 317

Siiften; das Speeifische des jetzigen Wortinhaltes ist erst nachtriig- lieh hineingelegt worden; denn P h y s i k (yon q~6at~, die Natur; OecoQia efvat• die Naturlehre) umfasst an sich auch diesen Theil mit.

P h y s i o l o g i e bGdeutet an sieh ganz dasselbe wit Physik; dass darunter bloB die LehrG yon den Lebensvorgl ingGn verstanden wird, ist in keiner Weise etymologisch bGgrtindet.

Und schliGBlich das ans speeiell angehende Wort M e e h a n i k (yon Fe~Xav~, das WGrkzeug dies yon ~t~Xo;, das Mittel, Hilfsmittel) bezeichnet an sich nicht die Bewegungslehre, sondern als r 2 ziXv~ die Kunst, WGrkzeuge oder Masehinen zu erfinden und zu- sammenzusetzen und als tL~77avtz ~ ~etoQia die Lehre davon, also etwa unsere heutige theoretisehe Masehinenlehre.

Man sieht also, dass sehr hiiufig das Specifische, das wir jetzt mit einem wissensGhaftliehen Terminus verbinden, gar nicht im Wort- inhalte desselben enthalten war, sondern erst nachtr~tglieh dureh den Gebrauch hineingelegt worden ist Zugleich erkennen wir wohl aus diesen Beispielen, (lass die yon uns angenommene Verwendung des Wortes E n t w i c k e l u n g m e e h a n i k sieh, im VGrhiiltnis zu vielen anderen Terminis, sogar recht leieht an das Vorgefundene ansehlieBt, dass eiffentlieh nichts vollstitndig 1%ues dem vorgefundenGn Inhalt zugeftigt worden, sondern blbB eine bereits yon den modernen Physikern gemachte Anwendung desselben auf ein Specialgebiet libertragen worden ist.

IV. Ober O. Hertwig's Kritik meiner speciellen entwickelungs- mechanischen Untersuchungen.

In der zweiten, gr~Beren H~tlfte seiner Schrift, behandelt HERT- WIG, wig er sag't, als >~Erg~tnzung, des ersten, allgemeinen Theiles, einige meiner Specialuntersuehungen unter dem Titel: Kritische Bemerkungen zu den entwiekelungsmechanischen Naturgesetzen Yon Roux.

Wenn wir ebenso ausfithrlieh sein wollten, wig HERTWIG, SO h~ttten wir jGtzt die Geduld unserer Leser noch mit tiber 100 SGiten in Ansprueh zu nehmen.

Da jedoeh dieser zweite Theil bloB Speeialarbeiten yon mir, also nut speeielle Ausfiihrungen kleiner Theile unseres Programms betrifft, so hat er weniger allgemeine Bedeutung; wir werden uns schon aus diesem Grunde hier kiirzer fassen ktinnen. Auch werden wit, wenn eine irrGftihret/de Wirkung yon I-IERTWIG'S Ausfiihrungen dies

21"

Page 100: Für unser Programm und seine Verwirklichung

318 Wilhelm l~oux

als niithig erweisen sollte, das hier Unterlassene jeder Zeit nach- holen kiinnen.

Da wir aber bereits aus den vorstehenden Darlegungen sowohl die wenig vertrauenswUrdige Methode seiner Polemik, wie sein nicht ausreichendes Verstiindnis fur causale Dinge kennen gelernt haben, so kiinnen wir uns auch aus diesem Gnmde hier auf Weniges be- schriinken.

Dieser zweite Theil des HERTWIG'Schen Buches besteht aus vier ),Studien% yon denen eine bloB theoretisehe Definit ionen.von mir behandelt. Indem wir diesen Theil Ubergehen, begnUgen wir uns, yon jedem der drei anderen Theile die hauptsi~ehlichsten Unriehtig- keiten nachzuweisen.

In der e r s t e n S t u d i e ftihrt HERTWIG gegen meine M o s a i k - t h e o r i e neben Wiederholung alter, liingst widerlegter Einwen- dungen je tz t als neues Argument an, dass nach meiner eigenen Mittheilung die Mehrzahl der (ira Jahre 1887) auf der Naturforscher- versammlung in Wiesbaden demonstrirten noeh nicht mikrotomirten H e m i e m b r y o n e n so hart gewesen sei, dass die spiiter ange- fertigten Schnitte groBentheils nicht gut waren. Er folgert daraus pag. 126, dass m e i n B e o b a e h t u n g s m a t e r i a l i i b e r h a u p t so s c h l e e h t sei , d a s s es n i e h t s b e w e i s e , und unterliisst, dazu mit- zutheilen, dass ieh dem Anatomenkongress zu Wien (1892) wie der pathologischen Sektion der Naturforseherversammlung zu Wien (1892) tadellose Schnitte yon Hemiembryonen demonstrirt habe, sowie dass aueh BARFURTH, It. ENDRES und T. H. MORGAN solehe Embryonen ans Amphibieneiern erhalten haben'). FUr IIERTWIG existiren diese Hemiembryonen, deren Sehnitte nun sehon weir tiber zweihundert Fachmiinner gesehen haben, noeh immer nicht, da sie seine Theorie umstoBen wUrden.

l) Wennschon meine Pr~iparate nach HERTWIG'S l~Ieinung, der sie aller- dings nieht gesehen hat, so mangelhaft seiu sollen, obwohl sie bereitwilligst drei Kongressen yon Faehm~innern, einigen naturwissenschaftlichen Vereinen und Arzteversammlungen (zu Innsbruck und HaUe)~ sowie zahlreichen persSnliehen G~isten yon mir demonstrirt worden sind, so liegt wohl die Frage nahe: wie m~gen 0. HERTWIG'S Pr~iparate sein, der keinem Kongress yon Fachm~nnern Pr~parate fiber die wi eh t ige r en seiner Arbeiten demonstrirt hat, naehdem auf der Naturforseherversammlung zu Freiburg Niemand aus seinen Pr~pa- raten den B e w eis fiir seine auf Grund der exakten Beobaehtungen yon H•T- SCHEK (fibrigens riehtig) ersehlossene Abstammung des mittleren Keimblattes des Frosehes zu entnehmen vermoeht hatte? Hat z. B. Jemand die seine Dar- legungen beweisendeu Ascaris-Pr~iparate gesehen?

Page 101: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Frogramm und seine Verwirklichung. 319

Dass eine rund gewordene, also ihrer Halbeigestalt beraubte, isolirte erste Furchungszelle yon vorn herein einen g a n z e n Embryo bilden kann, glaubt HERTWIG als mir neu mittheilen und gegen reich verwenden zu kSnnen, wiihrend-ich diese Ansicht selber vertreten habe (s. 1, Bd. H. pag. 932--938; 34, pag. 148; 35, pag. 597).

Dann sehl~igt der Autor plStzlieh die Volte und giebt pag. 128 zu, dass er selber bei seinen Versuchen H e m i e m b r y o n e s l a t e r a l e s , ~allerdings nur in g e r i n g e r Anzahl(<, erhalten habe. Ieh konnte ihm nach seiner fl'Uheren 5Iittheilung nur e ine n solehen Hemiembryo oktroyiren.

Diese Hemiemhryonen werden dann yon ihm auf die einfachste Weise, wie er glaubt, ftir die Mosaiktheorie beseitigt, indem er meint, es seien Asyntaxien, also Embryonen mit offenbleibendem Urmund und entspreehender Niehtvereinigung der Medullaranlage (yon der abet bier eben die eine Hi i l f te ganz feh l t ! Ref.). Er deutet sie folgen- dermaBen: ein auBerordentlieh weiter Urmund, der sieh in Folge einer lokalisirten Sehiidliehkeit n i ch t h a t seh l ieBen kSnnen und da- her (!) e inen H e m i e m b r y o l a t e r a l i s b i lden musste . Letztere Stelle lautet wSrtlich: ,~so muss I) ein Hemiembryo l a t e r a l i s zu Stande kommen, wcnn der angelegte Theil des Urmundrings sich in Chorda und ,halbe' Medullarplatte weiter zu differenziren beginnt(,. Ja, wenn! Aber warum thut er das, was so ganz m e i n e n Auffassungen ent- sprieht und HERTWIG'S Auffassungen widersprieht; und warum gerade ein Hemiembryo l a t e ra l i s , nicht anterior oder posterior oder 3/s rechts und 1/s links? Zudem verfUge ich Uber Hemiembryones laterales, in denen die andere Eihalfte gar nicht in Zellen zerlegt ist, also nicht eine , l oka l i s i r t e Schi~dlichkeit, , ))hindernd~ wi rk te . NaSh HERTWIG ist ja Uberhaupt das G a n z e , die Z u s a m m e n w i r k u n g a l l e r T h e i l e zur Differenzirung der ein~.elnen Theile nSthig; wiihrend nach meiner Auffassung die dutch die Furchung abgegrenzten Hiilften und Viertel des Eies s e lb s t~nd ig sich entwickeln kSnnen, so wie es hier bei HERTWIG'S Hemiembryonen auch geschehen ist.

Darauf bringt noch HERTWIG einige bereits yon mir gemachte Schilderungen tiber Postgeneration als seine eigenen Beobachtungen.

Wei~er verwendet HERTWIG die Ergebnisse an wiihrend der Furchung deformirten, gepressten Eiern gegen mich, indem er, wie fl'Uher, immer noch als s e l b s t v e r s t t i n d l i e h annimmt, dass die Ent- wickelungsvorgiinge auch bei starker D e f o r m a t i o n der Eier die

1) Vom Referenten im Druck hervorgehoben.

Page 102: Für unser Programm und seine Verwirklichung

320 Wilhelm Ronx

n o r m a l e n seien; wUhrend ich annehme, dass dabei auch die VorgUnge der Furchung alterirt und RegulationsvorgUnge ausgelSst werden. Diesen, yon mir wiederholt dargelegten Kernpunkt unserer Differenz (s. 1, Bd. II. pag. 885, 887, 1014) verschweigt HERTWIG auch bier wieder konsequent. Bei dieser Regulation nehme ieh keine fur diese FUlle qua l i t a t i v neuen, sondern nur die aueh fur die >,Regeneration dureh Umdi f fe renz i rung ,< n~thigen Wirkungsweisen an. Dadurch wird meine Annahmt, welche fur die Furchung allein betraehtet, kompll- cirter erseheint, als die meiner bezUgliehen Gegner, doch wieder ver- einfacht, da diese die Entstehung der Hemiembryonen nicht genUgend ableiten kSnnen.

FUr no r m a l G FUlle habe ich neben 13FLUGER und nach ~N"EWPORT (HERTWlG nennt hier wit gewShnlich an Stellen, wo er gegen yon mir u n d Anderen ermittelte Thatsachen opponirt, bloB mich) die Koineidenz der ersten Furche und der Medianebene des Froschembryo trwiesen; zugleich habe ieh gezeigt, dass mit jeder Stunde naeh der Anlage des Urmundes die vorher beobachtete Koincidenz dutch naehtrUgliehe Dre- hung der Eier vermindert wird, so dass nach wenigen Stunden keine Spur der frtiheren Koincidenz mehr erkennbar ist. Daher nahm ieh an, dass dig in guten Versuchsreihen auch zur Zeit der Anlage des Urmunds noeh bei 10 ~ der F~lle vorhandenen Abweichungen in GrSBe von wenigen Graden aueh sehon dureh solche, aber etwas frtiher statt- gefundene Drehungen bedingt seien, und dass die in den 90~

o

anderen FUllen sigh bekundende Regel auch flit diese FUlle gelte. Die zwe i t e >>Studie,, handelt tiber >>Die K o p u l a t i o n s -

hahn,, . Sie beginnt mit dim als Motto vorausgesetzten Aussprueh yon mir, dais die causalen Forscher ihre Arbeit nicht damit beginnen kSnnen, die nicht bewiesenen und nach meiner Meinung dureh Be- obachtung des n o r m a l e n Geschthens-nicht beweisbaren causa l en Aussprliche deskriptiver Forscher auf ihre Richtigkeit zu prlifen, son- dern, dass sie besser da anfangen, wo die eigene Analyst sie hinfUhrt. HERTWIG zerreiBt den Zusammenhang zweier SUtze yon mir und setzt beide Male (pag. 132 und pag. 145) statt d iese (alas heiBt die eausalen) AussprUche deskriptiver Forscher allgemein: ~die Aus- sprilche deskriptiver Forscher% was meiner AuBtrnng allerdings eine wesentlich andere, wenig begrUndete und stark verletzende Bedeutung giebt.

Uber die Saehe selbtr ist Folg.endes zu sagen: Es war zur Zeit meiner Versuche bezUglich der A m p h i b i e n e i e r nichts darliber be- kannt, ob eine u n s i c h t b a r e M i k r o p y l e v o r h a n d e n sei oder

Page 103: Für unser Programm und seine Verwirklichung

FUr unser Programm und seine Verwirklichung. 321

nicht, ob also das Ei yon einem im Voraus schon bes t immten Merid iane aus befi'uchtet wird oder nicht. Ich zeigte durch ktlnstlichs lokalisirte Befruchtunff: erstens dams man das F r o s s h e i yon jedem beliebiffen Mcridian aus befi'uchten kann; zweitens dass unter nor- malen Verh~iltnissen, das heiBt, wenu das Ei nisht in schiefcr Z w a n g s l a g e seiner Eiachse sieh befindet and aueh selber normal beschaffen ist, dis erste Theilungsebene durch diesen yon uns be- stimmten senkrechten Meridian geht, drtttens dass der ,Befruchtungs- meridian, zur Medianebene des Embryo wird, und viertens dass diejenige H~fte des Eies, welche yore SamenkSrper durehsetzt ist, zufolge dabei bewirkter A n o r d n u n g dcr v e r s c h i e d e n e n D o t t e r - b e s t a n d t h e i l e zur ~caudalen , , Hiilf te des E m b r y o wird. Das war doeh immerhin wissenswerth? (s. o. pag. 300--304.)

Hierbei, also unter ganz n o r m a l e n Verhiiltnissen, fallen der erste nnd zweite Theil der intraovalen Bahn des SamenkSrpers: die Penetrationsbahn und die Kopulationsbahn in die senkrechte Meridianebene der E i n t r i t t s s t e l l e des Samenkiirpers.

Unter nut wen ig a b n o r m e n Verhiiltnissen, ni~mlich bei Zwangs- lage des Eies in g e r i n g e r Schiefstellung dcr Eiachse, war dagegen die Bahn des SamenkSrpers im Ei aus dieser Meridianebene etwas herausgebogen; dis erste Theilung des Eies erfolgte nun in der Richtung der l e t z t e r e n Bahnstreeke: der Kopulationsbahn. Diese letztere Strecke ist also ursi~ehlich das Wesentlichere; und der erstere Fall, das~ die erste Theilungsebene durch den senkreehten Meridian der E i n t r i t t s s t e l l e des SamenkSrpers in den Eileib gsht, ist somit bloB dadurch bedingt, dass unter normalen Verhi~ltnissen (das heiBt hier, wenn das Ei die der Anordnang seiner verschieden specifisch schweren Dottertheile entspreehende Einstellung seiner Eiac~se gegen die Horizontals hat) die ganze Bahn des SamenkSrpers in der durch die E i n t r i t t s s t e l l e bezeichneten s e n k r e c h t s n Meridianebene gelegen ist. Aus dieser Ebene kann die Bahn aber dutch innere StrSmungen im Dotter, wie sis bei erzwungener, dem ungleichen ape- eifischen Gewiehte der versehiedenen Theile nicht entsprechsnder Ein- stellung des Eies in Folge yon Einwirkung der Sehwerkraft ent- stehen, leicht abgelenkt werden. Dies hat wohl nichts Verwunder- liehes an sich.

Bei s t a r k e r Z w a n g s l a g e , das heist bei Fixation des Eies in starker Sehiefstellung der Eiachse, finden nun dutch Wirkung der Schwerkraft auf dis ungleich specifiseh schweren Dottertheile sP, trkere inhere Str~imungen statt, wclche die normale, um die Eiachse hack

Page 104: Für unser Programm und seine Verwirklichung

322 Wilhelm Roux

allen Richtungen bin ziemlieh gleiehe, Anordnung der verschiedenen Dottersubstanzen des Froscheies (s. o. pag. 302), wie BoR~ gezeigt hat, in eine ausgesprochen b i l a t e r a l - s y m m e t r i s c h e Anordnung umiindern. Hierbei wird die erste Theilungsrichtung des Eies Uberwiegend dutch diese neue, differente, nicht mehr allseitig gleiche Anordnung be- stimmt, indem die erste Furche zumeist, aber nicht immer, entweder ganz oder ann~thernd p a r a l l e l oder r e e h t w i n k e l i g zu diesel" S y m m e t r i e e b e n e steht. Ich habe gesch lossen , dass dabei die kopulirten Kerne gedreht werden, iihnlich, wie es nach L. AUERBACH, bei dem auch ~uBerlich schon l~inglichen Ei yon Ascaris nigrovenosa gesehieht. Auf das Genauere nnd auf die bei Abueichungen davon stattfindende nacht r~ig l iche U m o r d n u n g des R i n d e n p i g m e n t c s s y m m e t r i s c h zur e r s t en (resp. zwei ten) F u r c h e kann hier nicht eingegangen werden (s. o. pag. 301--303 i.

HERTWIG" verschweigt in seinem Bericht wieder alles zu einem riehtigen Versti~ndnis Wesentliche. Da ihm, wie wir oben (pag. 295 --302) sehon erfahren haben, der Unterschied yon )~Regeln, und ~)(Wirkungs-)Gesetzen, nicht bekannt ist, so bezeichnet er meine, diesen v e r s c h i e d e n e n W i r k u u g e n entsprechenden Formulirungen als ~)Verwandlungen,~ m e i n e r Ans ich ten , obgleich sie alle ill de r se lben Abhandlung yon mir vertrcten werden.

Das sind aber keine Wandlf fngen meiner Ansichten, sondern ver- schiedene feststehende T h a t s a c h e n , die beobach te t s ind und yon denen j e d e s te ts un t e r den a n g e g e b e n e n Verh i i l tn i s sen s ta t t - f indet . Sis beziehen sich auf die Theilungsrichtung des E i le ibes ; und diese hlingt also yon sehr verschiedenen Verhalmissen ab, die wir durch meine Versuche kennen lernten. HERTWIG meint da- gegen, die Ergebnisse widerspr~tchen sich, so dass die ersteren Er- gebnisse u n r i c h t i g se in mUssten (!) (pag. 146). Diese am Frosche i dutch dis experimentelle Methode gewonnenen Ergebnisse habe ich dann d i s k u t i r t , und bin dabei zu dem Resultat gekommen: dass sit in Bezug auf den K e r n mit bezUglichen frUheren Beobachtungen deskriptiver Forscher an anderen Eiern gut Ubereinstimmen; und habe diese Ubereinstimmung unter direkter Bezugnahme auf vA~ BENEDEN'S berUhmte Arbeit konstatirt. HERTWIG verschweigt letzteres und macht sogar seine Leser glauben, ich hi~tte mir vA.~ BENEDEN'S Verdienste anzueignen versucht.

I-IERTWIG beruft sich danaeh auf R. FinK's am Axolo t le i ge- wonnene, yon denen des ganz n o r m a l e n F r o s e h e i e s abweichende Befunde hinsiehtlich der Richtung der PigmentstraBe (26). Diese

Page 105: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 323

Befunde FICK'S entsprechen abet den yon mir bet Z w a n g s l a g e der Froscheier erhaltenen Ergebnissen. FICK hat diese, fttr seine Eier mindestens diskutable MSglichkeit gar nicht berUeksichtigt (s. oben pag. 269) und sic daher auch nieht saehlich geprUft; er hat vielmehr stillsehweigend angenommen, dass die Verhaltnisse seiner Eier ganz denen n o r m a l e r F r o s c h e i e r entspraehen, and hat daher eine auffiillig'e Differenz unser beidcr Befunde konstatiren zu kSnnen geglaubt, aus welcher HERTWIG sogleich den Schluss zieht, dass m e i n e Beobaehtungen unrichtig seien.

Dieser Schluss ware abet dnrehaus unzulassig, selbst wenn sich herausstellen sollte, dass bet Axolotleiern, welehe yon vorn herein mit der Eiachse z w a n g l o s eingestellt waren, diese yon FICK be- schriebenen Biegungen der Bahn des Samenk~irpers. vorki~men; denn eine bet dem einen Thier sieher konstatirte Thatsaehe kann nicht durch Beobaehtungen an einem anderen Thiere umgestoBen werden.

Noch reehtzeitig, um ihre Besprechung hier einfiigen zu kSnnen, erhalte ich eine unter HEaTWm'S Leitung gemaehte Dissertation yon L. MICttAELIS iiber ~die Riehtungsbestimmung der ersten Furehe des Eies,(. Der Autor berichtet, dass er bet allen seinen neun Fallen yon zur Zeit der ersten Furehe noeh vorhandener Pigmentstrafie des Samenk(irpers im Ei yon Rana fusea kein Zusammenfallen der ersten Furche weder mit der Penetrationsbahn noeh mit der Kopulationsbahn gefunden babe; nur in einem Falle ging die Furche durch die Ein- trittsstelle des Samenk(irpers, wich aber dann yon der Pigment- straBe ab.

Der Autor zieht daraus den Schluss, dass meine Angaben tiber das Zusammenfallen und die daraus abgeleitete Folgerung unriehtig seien '). Ich bedaure dem widersprechen zu mtissen, halte vielmehr

Wir wollen wtinschen, dass 0. HERTW]G fiir die wichtigeren seiner spSteren, nicht mehr unter dem Einflusse GEGE~BAUR'S gemaehten Abhandlungen, welche meist unter sehr gesehiekter Verwendung und Deutung der exakten Be- obaehtungen anderer Autoren verfasst sind, ebenso gate und beweisende Pr~iparate habe, als ieh fiir diese nach ihm nieht existirende Bestimmung der Richtung der ersten Furche des Eies dutch die Lage der Befruehtungsstelle desselben. Siehe auch oben pag. 318 Anm.

Mir wird es ein Vergniigen seth, aueh diese meine, jetzt angefoehtenen Pr~parate, fiir die sich bisher Niemand interessirte, jedem Kollegen, der es wiinscht, hier zu demonstriren. Halle liegt ja sehr central, so dass man oft durchrelst; as bedarf nur der vorherigen Benachrichtigung dutch eine Postkarte and des Uberschlagens eines Zuges, am die Gelegenheit zu dieser Besichtigung zu haben.

Page 106: Für unser Programm und seine Verwirklichung

324 Wilhelm Roux

meine Angaben vollkommen aufrecht; da das yon mir gesehene Zusammenfallen der Richtung der ersten Furchungsebene mit der Penetrationsbahn und Kopulationsbahn bei etwa 700/0, ftir die Kopu- Iationsbahn allein bei 90O/o der geprUften Eier zutraf. Selbst bei Rana esculenta, wo die PigmentstraBe innerhalb des Eies zur Zeit der ersten Furche nur selten noch zu sehen ist, kann man, wenn

- - wie es gegen Ende der Laichperiode h~tufig der Fall ist, - - ein ~ S a m e n f l e c k , am Ei ;~BoRN) erkennbar ist, Uberwiegeud h~tufig wahrnehmen, dass die erste Furche ihn theilt oder dicht neben ihm einschneidet, sofern die Eier vow vorn herein vollkommen z w a n g l o s gehalten waren.

Leider berichtet HERTWIG'S Schiller tiber die Aufsetzung und Zwangloshaltung der Eier, also tiber den ftir diesen Versuch wich- tiffstea Umstand, der den Versuch erst zu einem a n a l y t i s c h e n macht, ke in Wort ; er scheint ibm also keine besondere Aufmerksamkeit zugewendet zu haben.

Far solchen Versuch setzt man (8. o. pag. 301 ), um s icher zu gehen, die Eier e inze ln auf und zwar gleich mit dem weiBen Pol ganz nach unten, und setzt bald (5 Minuten) nach der Besamung" viel Wasser zu. Mindestens aber ist daftir zu sorgen, dass die Eier derartig in der Sehale vertheilt werden, dass sic e inze ln liegen, dass die Samel'.- fltissigkeit (der ke in Salz zugesetzt ist) yon Anfang h(iher steht als die Eier, und dass auch nach dem AbgieBen des Samens das zuge- setzte Wasser die Eier tibersteigt. Die einzige von MICHAELIS g'e- machte Angabe, die, dass die Ubrigen Eier des Weibehens , n o r m a l e E m b r y o n e n liefertem< beweist nichts fur n o r m a l e n V e r l a u f des Anfanges der Entwickelung, also derVorg~nge vor und bei der ersten Furchung. Haben dagegen in den Schalen yon HERTWIG-MICHAELIS die Eier w~thrend der ersten Stunde nach der Besamung, wie es bei der klinstlichen Befruehtung zumeist geschieht, in einer Schicht d ieh t gedr~tngt, oder gar in zwei Schichten auf einander oder in Klumpen gelegen, so ist bei vielen Eiern Z w a n g s l a g e w~ihrend des Be- fruchtungsaktes vorhanden gewesen, selbst wenno sich die Eier mit nur geringer VerzSgerung ,gedreht~, also nur wenig versp~itet mit ihren hellen Polen naeh unten gewendet habeni).

1) Auch in dieser Arbeit ist, wie immer bei HERTWIG, die Konstatirung der Ubereinstimmungen seiner Befunde und Auffassungenmit den meinen, friiheren aufs ~_a~erste beschr~inkt oder ganz unterlassen. DaMn gehGrt bier z. B., dass ich (schon 1885) die Bestimmung der Richtung der ersten Furche fiir das ziemlich ,runde~ Froschei /in welchem aueh tIERTWIG

Page 107: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Filr unser Programm and seine Verwirklichung. 325

Wei terh in berichtet O. HSRTWm'S Schiller auch nichts Uber die

u n g e f a h r e G r S l ] e der W i n k e l , um welche in se inen Fti l len

die Eintr i t tss tel len des SamenkSrpers an der Eiper ipher ie yon den

ersten Fu rchungsebenen en t femt waren , also nichts tiber die

~Vertheilung~ der Abwe ichungen au f die W i n k e l yon 0 - - 9 0 ~ W i r

damals noch keine ~ R i c h t u n f f der g r ~ B t e n Protoplasmamasse,, vo r der e r s t e n Furchung angenommen hatte, welche nach ihm die Richtung der e r s t e n Furche bestimmen kSnnte, s. u. pug. 339) yon der b i l a t e r a l s y m m e t r i s c b e n A n o r d n u n ff der verschiedenen Dottersubstanzen ableitete; ferner dass s c h w i ra- m e n d e b efr u c h t e t e Eier sich nach dem Umsto0en viel rascher zurilckdrehen als schwimmende u n b e f r u c h t e t e (s. 1, Bd. II. puff. 261, 291); wio dean auch die yon ibm verwendete S c h i e f s t e l l u n g der Eiaehse bei Rana e s c u l e n t ' t yon mir ermittelt und erldiirt worden ist (I, Bd. II. paff. 295:.

~tERTWIG-MICHAELIS verwenden ferner bei ihrer bloB flit Rana f u s c u gegebenen Ableitunff eine angeblich n o r m a l e S c h i e f e i n s t e l l u n ~ der Ei- achse dieser Species um 45~ dies ffeschieht unter Berufunff auf 0. SCHULTZE'S friihere Angaben. Dieser Autor hat aber auf Grand meiner Widerlegunff (1, Bd. II. pug. 258) diese Angabe auf der Anatomenversammlung zu StraBburg zurtickge- zogen and meiner Aufkl:,trung zugestimmt, dass er durch die yon mir ermittelte typische nacbtr: , i ff l iche A u f h e l l u n g auf ciner H~ilfte der Unterseite getiiuscht worden sei. An diese zu seiner Auffassung nicht passende Au fh e 11 u ng glaubt jedoch HERTWm wieder nicht.

Du unserem Geffner HERTWIG, wie wir friiher bereits und b i e r w i e d e r aufs Neue e r k a n n t h a b e n , das W e s e n des ~ u n a l y t i s c h e n ~ V e r s u c h s aoch un b e k u n n t i s t , er abet meine Versucbe, naehdem das seinerseitiffe jahre- lanffe Verschweigen derselben keinen geniiffenden Erfolg gehabt hat, aul3er wie bisher zumeist nur mit der Feder , nunmehr aach durch N a c h m a c h e n widerlegen will, so werden wit wohl auch b',fld lesen, dass er oder einer seiner Schiller die ~kiinstlich lokalisirte Befruchttmff% die er jetzt sehon (MICrmELIS, puff. 15) als *wohl nieht ausfilhrbar, bezeichnet hat, ,als unmiJglich nachffewiesen~ babe, dass er keinen C y t o t r o p i s m u s der Fttrehungszellen habe seben kiinnen (was entschieden leicbter ist, als ihn zu sehen), dass er die n o r m a l e Koincidenz der Medianebene des Embryo mit der ersten Furchungsebene als ,irrthiimlich erwiesen, babe etc. etc.

Da nach HERTWm gl e i che Eiawirkungen unf dieseibe Species yon Lebe- wesen v e r s c h i e d e n e Folgen geben (s. o. paff. 256), so k~innte ich reich leicht d a m i t iiber diese voraussichtlichen Erffebnisse HERTWIG~S und seiner Schiller tr~isten. Ich ziehe es jedoch vet, unf solchen allzu wohlfoilen Trost zu ver- ziehten, and sttitze reich lieber im Gegentbeil anf dus yon mir vertretene Prin- eip, dass aneh bei den 0rganismen g l e i c h e Einwirkungen der ttanptsache naeh gle iche Folgen geben (s. o. pag. 25S), sowie andererseits attf die Erwartang, dass es doeh noeh in yon mir erlebter Zeit mehreren Antoren gelingen wird, die den meinigen gleiehen Versuchsbedingnngen herzustellen and dann auch d u s s e l b e zu erhulten. Ich warte gern noch weitere zehn Jahre.

0der sollte es vielleicht dieser Sehrift gelinffen, I~ERTSVIG selber mit dem Wesen des a n a l y t i s c h e n Versuehs so vertrant zu machen, dass er in Zu- knnft meine u r i c h t i g , das heii3t, ohno wie bisher immer das W e s e n t - l i e h e derselben zu iibersehen, wird naehmachen kiinnen?

Page 108: Für unser Programm und seine Verwirklichung

326 Wilhelm Roux

erfahren somit nieht, ob auf jede Dekade yon 0--90 o einer seiner neun FKlle kam, so dass also v o l l k o m m e n e U n a b h i ~ n g i g k e i t der Lage der ersten Furche yon der Eintrittsstelle des SamenkSrpers daraus hervorginge; oder ob, wie ieh vermuthe, die grebe Mehrzahl der Abweichungen in die Winkel der beiden ersten Dekaden, also zwisehen 1--20 ~ fiel, w o r a u s b e r e i t s e ine b e s t i m m e n d e W i r - k u n g d e r S a m e n e i n t r i t t s s t e l l e a u f d ie R i c h t u n g der e r s t en F u r e h e s ich e r g e b e n wUrde. Diese Sch~ttzung und Bericht- erstattung ist ganz unterblieben, obschon sit doch unerliisslieh nSthig ftir dig Beurtheilung derartiger W i r k u n g e n ist, und obschon ich auf diese Nothwendigkeit ausdrUeklieh hingewiesen habe (1, Bd. II. pag. 961 Anm.). Unsere Autoren dagegen sind vollkommen damit zufrieden, ein ~Niehtzusammenfallen~ konstatirt zu haben, und folgern daraus ohne Weiteres, dass ke ine B e z i e h u n g zwischen der Lage der Eintritts- stelle des SamenkSrpers und der Lage der ersten Furehe bestehe.

Die d r i t t e >~Studie, HERTWIG'S behandelt einige Definitionen yon mir. Nach dem, was unser Autor schon bei der Schilderung und Be- urtheilung der yon mir ermittelten Thatsachen an Falschem in der Wiedergabe und Interpretation geleistet hat, werden wir uns nicht wundern, dass er bei der Behandlung yon Theoretischem darin noch viel weiter geht.

Wit gehen daher hier nicht auf eine Bespreehung der yon ibm gesehaffenen IrrthUmer ein; sondern Uberlassen es denjenigen Lesern, die sich dafilr interessiren, sieh aus nnseren bezUgliehen Sehriften selber zu informiren (in den gesammelten Abhandlungen liegen die- selben vereinigt vor; durch ein sehr sp~eialisirtes Saehregister ist das Auffinden des jeweilig Gesuehten sehr]eicht gemaeht).

Die v i e r t e und letzte ~Stud ie , handelt iiber den yon mir ent- deckten C y t o t r o p i s m u s der F u r e h u n g s z e l l e n .

Diese ~Studie, ist tin wahres K a b i n e t t s t U c k an V e r s c h w e i - gung des W e s e n t l i c h e n bei A n w e n d u n g r e i e h l i c h e r wSrt- l i e h e r Citate.

Der Name Cytotropismus (32) bezeichnet die yon mir beobach- tete Niiherung zweier isolirter, in einem indifferenten, nicht rasch schlidlich wirkenden Medium liegender und nicht Uber GrSBe der Zelldurchmesser yon einander entfernter Furchungszellen gegen einander, und zwar die Ni~herung in ~>direkter Riehtungr das heiBt in Riehtung der Verbindung ihrer Massenmittelpunkte. Diese Beobach- tung gesehieht bei >~vollkommener ~iuBerer Ruhe~ um die Zellen. Diese Ruhe wurde in den letzten, mit a l len Cautelen angestellten

Page 109: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 327

Versuehen dadureh erreieht, dass die Zellen auf einem wagereehten Deekglas lagen, welehes in einer feuehten Kammer sieh befand, die in einen dieken Objekttr~tger eingesehliffen war und dureh ein groBes, tibergelegtes, den Tropfen berUhrendes Deekglas v o l l k o m m e n ab- geseh lossen wurde; nattirlieh zugleieh unter s o r g f M t i g e r V e r - me idung j e d e r ~tuBeren ErsehUtterung.

Weil ieh bei den frUheren Versuehen auf dem Boden fixirte Zellen dutch starke Ersehiitterung (vermittels Anblasens) freigemaeht babe, glaubt HERTWlG, ieh h~ttte die Zellen ,,zusammengeblasen, und dies Gesehehen fur aktive Selbstn~therung genommen. Sehon diese Annahme ist fur unseren Kritiker bezeiehnend. Bis die so freige- maehten Zellen wieder neu gezeiehnet und ihre Absfiinde gemessen waren, war diese passive Bewegung sehon zur Ruhe gekommen; und dann dauerte es noeh 5--10 Minuten oder mehr, bis die Zellen sieh zur Bertihrung n~therten.

Hm~TWlO v e r s e h w e i g t den Lese rn die H a u p t m o m e n t e m e i n e r Versuehe : die N~therung in , d i r e k t e r R i e h t u n g , , die �9 v o l l k o m m e n , g e s e h l o s s e n e K a m m e r sowie die ,vollkommene ~tuBere Ruhe,, und beriehtet bloB yon meinen frUheren, ohne Kammer angestellten, mir selber noeh Zweifel lassenden Versuehen. Gleiehwohl sagt er sehlieBlieh: ,,Wenn ieh j e t z t a l le von R o u x b e s e h r i e - benen E r s e h e i n u n g e n Revue passiren lasse, so kann ieh niehts an ihnen entdeeken, was uns bereehtigte, den Furehungszellen ein neues besonderes VermSgen beizulegen, etc. Er meint, dass die yon mir ge- sehilderten Erseheinungen theils dureh ErsehUtterung oder Strt~mung in der Fllissigkeit, theils dureh zufiillige Beriihrung in Folge amSboider Bewegungen, nieht aber, wie ieh vertrete, dureh N~therungswir - kungen , die yon den betheiligten Ze l l en au f e i n a n d e r ausgeUbt werden, bedingt seien.

Bei der Ableltung yon am~boider Bewegung theilt er zwar mit, dass ieh solehe F~tlle selber gesehildert babe, erwiigt aber nieht, dass dabei doeh nut ausnahmsweise N~therung in d i r e k t e r Rieh- tung stattfinden kSnnte, wie er ja iiberhaupt dieses wesenfliehste Charakteristikum der Saehe nieht erw~thnt hat. Daher effahren die Leser aueh nieht, dass die eytotropiseh sieh n~ihernden Zellen, wie ieh angebe, trotz der manehmal vorhandenen geringen Zusp i t zung der Zellen gegen einander, oft fas t rund erseheinen (32, pug. 59 und 186), indem ihre wagereehten Durehmesser etwa wie 10 zu 11 sieh ver- halten; so dass also yon amtiboiden Bewegungen, die zufMl ig zur Beriihrung ftihren, nieht die Rede sein kann.

Page 110: Für unser Programm und seine Verwirklichung

328 Wilhelm Roux

Weiterhin versehweigt der Autor auch die w ich t igen Kon t ro l l - vc r suehe , die darin bestanden, dass ganz die gleiehen Versuche wie sonst aueh mit den Zellen yon Eiern angestellt wurden, welche vorher kurze Zeit auf 48 ~ C. erwarmt waren, so dass sic selbst vielleieht 44 bis 46 ~ C. warm geworden waren. Sic lieferten das Ergebnis, dass bei diesen Zellen hie die geringste •!iherung zu beobachten war, was doch leieht hiitte geschehen mUssen, wenn ituBeren Einwirkungen tier Zellen auf einander, wie Ersehtitterungen und StrSmungen, ein Antheil an den Resultaten zugekommen w~tre.

Trotz des Versehweigens gerade a l ler deii~enigen Momente, welche mieh veranlassten, eine direkte Wirkung yon Zelle zu Zelle als Ursaehe dieser Niiherungen anzunehmen, wagt es HERTWIG seinen Lesern schlieBlich mit den bereits eitirten Worten zu kommen: ~Wenn ieh j e t z t a l le yon Roux beseh r i ebenen E r sche inungen Revue pass i r en lasse, so kann ich an ihnen nichts finden, was uns bereehtigte, den Furchungszellen ein neues VermSgen beizu- legenr etc. 1).

Wir meinen: Er konnte in der ihm gewohnten Weise sagen, er g l aube diese Angaben night, wie er ja auch an meine Hemiembryonen nicht ,)glaubt,,. Dann waren die Leser orientirt und vermochten sich ihr Theil dabei zu denken; aber er durfte diese Arg'umente nicht ganz unerwiihnt lassen.

Ieh erinnerte in meiner Abhandlung zugleich an die MSglich- keit~ dass diese Naherungswirkung c h e m o t r o p i s e h v e r m i t t e l t sein kSnne, ohne mich irgend wie im Speciellen far diese Art der Ableitung lest zu engagiren~ da vorliiufig keine Thatsachen vorliegen, die eine besondere Deutung auf die diese bTi~herungsbewegungen vermi t - t e lnde W i r k u n g s w e i s e zulassen. Dem Cytotropismus kommt aber, wie ZUR STRASSEN (33) und ich bereits gezeigt haben, ein erheblicher Antheil an der no rma len Gestaltung zu. Der Cytotropismus ist also eine t y p i s c h ge s t a l t ende W i r k u n g s w e i s e der embryonalen Ent- wiekeIung.

HERTWIG wundert sich auch tiber die yon mir ge~tuBerte Ver- muthung, dass zwischen anderen Zellen liegende Zellen eytotropische

t) H. DRIESCH erwiihnt im vorigen ~efte dieses Archiv8 (Bd. V. pag 133',, dass er ]:[ERT~VIG'S vorstehend mitgetheilten und yon un8 beleuehteten Urtbeilen tiber die genannten Speeialuntersuehungen am Froschel ,ira Groi3en und Ganzen, zustimmt. Er wird wohl nicht verfehlen, die Grtinde dieser Zustimmung kund zu geben. Man kann dieselben nicht ohne Weiteres vermuthen, da er selber keiae Versuche tiber das Froschei publicirt hat.

Page 111: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 329

Wirkun~en unter letzteren, also wenn diese um mehr als einen Durchmesser yon einander entfernt sind, vermitteln kSnnen; er ver- schweigt dabei, dass ich, wenn auch erst in einem Falle, bei solcher Sachlag'e direkte h'iiherung yon zwei Zellen gesehen habe, welche um den dreifachen Durchmesser der kleineren Zelle yon einander entfernt waren (5, pag. 422 und 456).

Der Cytotropismus kann, wie ich sehon anderweit ausgeftihrt babe (4, pag. 156; 5, pag. 457 und 32, pag. 480) nicht aussch l i eBl i ch auf Kapillarit~tt (0berfi~tchenspannung) beruhen, obsehon dies DRIESCH wiederholt vertreten hat, und obschon ich selber'der Kapillaritiit >>ver- muthungsweise~ einen w e s e n t l i c h e n Antheil bei der Ausfuhrung der l~iiherung zugesprochen habe, indem ich er(irterte, dass die Wirkung, welche yon der cinch Zelle auf die andere ausgeht, lokal die 0ber- fli~chenspannung der Zelle herabsetze. Es fehlt bei ~ausschlieBlicher~ Ableitung yon der Oberfliiehenspannung aber noeh die yon der einen Zelle anf die l~aehbarzelle und umgekehrt ausgehende Wirkung, 'welche diese Anderung der Oberfliichenspannnng veranlasst. Diese Wirkung ist an sich wohl noch nichts so ganz Besonderes, denn O. B/~'TSCHLI sagt bezUglieh der yon ibm kUnstlich produeirten Schaumtropfen (12, pag: 35): ,Eigenthtimlich ist es, wenn zwei Tropfen gegen einander laufen. Benachbarte Tropfen scheinen hierzu geneigt zu sein; sie stoBen mit den Ausbreitungscentren auf einander, worauf die Striimung in beiden Tropfen viel starker wird.<<

Leider war mir diese interessante Beobachtung Bi~TSCHLI'S zur Zeit der Abfassung meiner Abhandlung nicht bekannt. Da jeder Tropfen nach B~TSCHLI nach der Seite seines Ausbreitungscentrums wandert, so mUssten sich also die Tropfen in Bezug auf die Lage dieser Centren, wohl in Folge ihres groBen Salzgehaltes, der nach auBen diffundirt, gegenseitig beeinfiussen; die Tropfeu wUrden dabei, entsprechend der yon mir erwlihnten MSglichkeit (32, pag. 185) nach der R i e h t u n g ~e r ings t e r Abnahme der K o n c e n t r a t i o n wandern. Daneben ware noch die andere MSglichkeit zu erwiigen, dass die Niihe- rung" durch yon den Tropfen aus im Medium erzeugte Str(imungen entstanden wiire, also vielleicht auf iihnliche Weise, wie die direkte Zu- sammenfiihrung in meinem Versuche der Selbstkopulation 4--6 cm weir yon einander (aber auf der Oberf l i iche des Mediums sehwimmender) Chloroformtropfeu (s. o. pag. 47). Es sei daher daran erinnert, dass bei den c y t o t r o p i s c h wirkenden Furchungszellen trotz besonderer, darauf gerichteter Aufmerksamkeit k e i n e Str ifmung, weder in der 0berfi~iche der Zelle noch im Medium zu sehen war; freilich dauerte

Page 112: Für unser Programm und seine Verwirklichung

330 Wilhelm Roux

ja aueh die ZnrUeklegung selbst der geringen Entfernung yon einem Zellradius meist lange Zeit: 1/4--1 Stunde.

Also pr ine ip ie l l , das heiBt, in Bezug auf die Ar t des Ge- sehehens, auf die vermittelnde W i r k u n g s w e i s e ist ,vielleicht<, solehe direkte Selbstnaherung yon Zellen gegen einander nicht so sehwer vorstellbar; dies wird sit abet sofort, wenn dadurch bestimmte t y p i s e h e Gestaltungen hervorgebracht werden sollen.

So haben wir denn nach den a l l geme inen Einwendungen HERT- WIG'S gegen die Entwickelungsmeehanik auch die speciellen, gegen einige meiner Arbeiten gerichteten kennen gelernt und gesehen, dass auch in dem letzten Falle der griiBte Theil seiner Polemik und deren Wirkung auf den Leser, neben sehr gewandter Darstellung, in sach- lieher Beziehung wesentlich darauf beruht, dass HERTWIG das We- s e n t l i c h s t e der T h a t s a c h e n , A r g u m e n t e und A u f f a s s u n g e n des yon ibm bek~tmpften Gegners ganz v e r s c h w e i g t oder in der H a u p t s a e h e ganz un r i ch t i g dars te l l t .

Wenn auch bei Besprechung ausgedehnter Materien und bei groBen Meinungsverschiedenh.eiten Missverstiindnisse, j a selbst gelegentlich einmal das Ubersehen eines hauptsachlichen Momentes der Ansichten des Gegners vorkommen kann, so ist dies hier bei HERTWlG doch in einem ganz ungewShnlichen MaBe der Fall.

Jedenfalls werden meine Leser erkannt haben, dass sic in Zu- kunft Mittheihngen und Kritiken 0. HERTWIG'S tiber Entwickelungs- mechanik im Allgemeinen, wie Uber meine Arbeiten im Besonderen nur mit grSBtem Misstrauen aufnehmen und n ich t s in ihnen ohne e igene sorgf l i l t ige Kon t ro l l e , aueh schon seiner angeblich that- s~tehlichen Mittheilungen, glauben dUrfen. Die ganze Wirkun~," eines w i s s e n s e h a f t l i c h e n Autors auf seinen Leser beruht auf der selbst- verstlindlichen Voraussetzung, auf dem Vertrauen, dass der Referent oder Kritiker wenigstens die T h a t s a e h e n und A n s e h a u u n g e n des Gegne r s in der H a u p t s a e h e r i ch t ig , und im W e s e n t l i e h s t e n vol l s t i tnd ig mi t the i l e , nicht aber dem Leser das Wesentlichste und zu seiner Information l~(~thigste vorenthalte. Dieses Vertrauen ist yon HERTWIG in dieser Schrift vollkommen get~tuscht wordenl);

I) Bei diesem Verhalten unseres Gegners war es immerhin gut, dass ich yon befreundeter Seite zeitig a u f d i e E xi st en z dieser gegen die Entwickelungs- mechanik und gegen reich gerichteten Schrift aufmerksam gemacht worden bin~ um ihr zeitig genug entgegentreten zu k~nnen, ehe sieh seine unwahren

Page 113: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Ftir unser Programm und seine Verwirkliehung. 331

u n d e r hat sich dabei als ein Meis te r der )~unrichtigen Dar- s t e l lung bei A n w e n d u n g r e i ch l i che r wi i r t l i cher Citater er- wiesen (s. o. pagg. 41, 232 Aura., 322, 326, 335).

Wenn es ihm mSglich sein sollte, sich doch noeh mit Verstlindnis in unsere Materie einzuarbeiten, so kiinnte er als ein ausgezeichneter Stilist ftir die A u s b r e i t u n g der Entwickelungsmeehanik sehr fSrder- lich wirken.

Doch ist nicht zu iibersehen, dass tiber ein neues und tiberaus schwieriges Gebiet, auf welchem tiber dig Bedeutung der meisten Thatsachen noeh sehr verschiedene Auffassungen mit anscheineud gleichwerthigen Argumenten vertreten werden, auch ein Meister der Darstellung nut dauu leiehtfasslich und elegant schreiben kann, wenn er sich nicht durch ein Bestreben, e x a k t zu sein, d. h. jedes VerhMtnis bloB dem Grade unserer derzeitigen Gewissheit, richtiger unserer Ungewissheit, entsprechend darzustellen, beengen 15sst, sich also nicht dutch die Bande der Exaktheit gefesselt filhlt. Wie denn O. HERTWIG bekanntlich sog'ar auf dem durch die Arbeit eines ganzen Jahrhunderts an sicheren Thatsachen und Deutungen so reichen Ge- biete der d e s k r i p t i v e n Entwickelungsgcschichte, und selbst in seinem ftir Studenten g'eschriebenen Lehrbuche~ yon dieser Fessellosigkeit einen ausgedehnten Gebrauch macht

V. Zusammenfassung. Die allgemeine Aufgabe der Entwickelungsmechanik ist die Erfor-

schung der U r s ache n, auf denen die Entstehung, Erhaltung und Rtickbil- dung der organischen Gestaltunffen beruht. Die Entwickelungsmechanik hat daher die urs:~tchlichen W i r k u n g ' s u e i s e n (resp. die ihnen zu supponirenden KrSfte) zu ermitteln, dutch welche diese gestaltendcn Wirkungcn hcrvorgebracht werden; dazu gehSrt auch die Erforschung der n(ithigen B e d i n g u n g e n dieser Wirkungsweisen, also der ge- staltendcn Beziehungeu der Theile des KSrpers unter einander und mit der AuBenwclt. Ftir jede einzelne Gestaltung w:~tren alle diese Momente zu erforschen.

Die rein deskriptive, noch mehr die vergleiehende Erforschung

Darstellungen im Ged~ichtnis der Zeitgenossen festsetzen konnten. Andererseits wird die yon unseren Lesern gemachte Erfahrung gestatten, dass wir uns zukiinftig b e i i i h n l i c h e r A r t d e r P o l e m i k d i e s e s A u t o r s mit kurzen Hinweisen aufdie) )Wiederholung, .der hier yon ibm angewandten Taktik begniigen diirfen.

hrchiv f. Entwickelungsmechanik. Y 22

Page 114: Für unser Programm und seine Verwirklichung

332 Wilhelm Roux

des no rma len Gestaltungsgeschehens gestatten bereits Schltisse auf solehe urs~ichlichen Beziehungen und Wirkungsweiseu, doch nur SehlUsse allgemeinerer, in Bezug auf die Lokalisation und Art der Wirkungen sehr unbestimmter Art (s. pag. 7--12, 38).

Die neue, die b e s o n d e r e Aufgabe der Entwickelungsmechanik beginnt daher da, wo die Lcistungsfithigkeit dieser anderen For- schungsweiseu aufhSrt. Doch mtissen zur m~glichsten LSsung der Aufgaben der Entwickelungsmeehanik die c~tusalen Leistuugen a l le r biologischen Forschungsriehtungen zu g'egenseitiger Unterstiitzung, An- regung und Berichtigung zusammengefasst werden.

Zur LSsung diescr besonderen Aufgaben hat die Entwiekelungs- meehanik der thierisehen Organismen einc besondere, vow den histo- risehcn Forschungsmittelu der andercn morphologisehcu Disciplincn der Zoobiologie abweiehende Methode, die in einer besonderen Art des biologischen, des morphologischen, noeL enger in einer besonderen Art des causal-morphologisehen Experiments besteht. Diese Methodc ist das ~)analytische~ e a u s a l - m o r p h o l o g i s c h e E x p e r i m e n t (im Unterschied zu dem ~)unbestimmtem, e a u s a l - m o r p h o l o g i s e h e n Experiment einerseits und zu dem fo r m al- an aly t is c h e n Experiment andererseits, welehe beidc aueh frUher sehon mannigfach yon Morpho- logen angewandt wurden nnd aueh jetzt noeh angewandt werden, s. o. pag. 270 u.f.l. Das causal-analytischc Experiment ist das grol]e Hilfsmittel, dem auch auf den andercn Gebieten urs~tchlicher Forsehung: der Physik, Chemic, Physiologie etc. alle exakte Einsicht in nrs~ehtiehe Verh~tltnisse zu verdanken ist. Die anderen Arten yon Experimenten gestatten nur unbestimmtere urs~tchliche Ableitungen, welche aber die Entwiekelungsmechanik, wie jedes causale Ergebnis, gleichfalls mit verwerthet.

Obgleieh das Experiment am lebendeu Organislnus abno rm e Verh~iltnisse sehafft, so ist es doch mSglich, aus den gestaltenden Reaktionen, mit denen der Organismus auf diese Eingriffe antwortet, SehlUsse auf die >>normalen,, g e s t a l t e n d c n W i r k u n g s w e i s e n , also auf die normalen q u a l i t a t i v e n Verh~tltnisse des gestaltendcn Geschehens zu ziehen. Diesc MSglichkeit beruht auf der K o n s tanz der p rog re s s iv gestaltenden Reaktionsweisen der Organismen (pag. 259) Um dagegen aus dem Experiment am Lebenden auf q u a n t i t a t i v e Verhaltnisse yon Leistungen des normalen Gestaltungsgeschehens zu sehlieBen, ist dis K o m b i n a t i o n v e r s c h i e d e n a r t i g e r E x p e r i - m e n t e tiber ein und denselben Vorgang n~thig, da die quantitativen Vcrhr~ltnisse des Geschehens schr leieht alterirt wcrden.

Page 115: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 333

Der ~Name E n t w i e k e l u n g s m e e h a n i k ftir diesen neuen ur- s~tehliehen Zweig der Zoobiologie sehlieBt sieh, wie wir sahen !pa~. 309), gut an den bisherigen Wortinhalt der dabei verwendeten Worte an. Viele anderen wissenschaftliehen Termini werden anstands- los in einem Sinne gebraueht, der viel weniger mit dem etymolo- gisehen Wortinhalt i|bereinstimmt.

BezUglieh der Auffassungen unseres Gegners O. HERTWIO ergab sieh, dass er immer das Wesentliche, Besondere unserer AusfUhrungen sowohl tiber das Programm wie tiber die besondere Methode der Ent- wickelungsmeehanik nicht verstanden und gar nieht in sein Bewusst- sein aufgenommen, es nicht appercipirt hat. Daher kam er zu dem Schluss, dass die Entwiekelungsmechanik keine besonderen Aufgaben und keine besondere Methode habe. Dies erkliirt sich weiterhin da- dureh, dass der Autor glaubt, mit dem Gebiete des S i c h t b a r e n und des aus ihm zu ErschlieBenden hSre auch das Gebiet der F o r s e h u n g auf (pag. 36 u. 45); und indem er sagt: ,In dem Entwiekelungsprocess eines Thieres leg t die Na tu r dem F o r s e h e r ih re G e h e i m n i s s e ,o f fen ' vor, bietet ihm die Quelle unermesslicher Erkenntnis, die nicht erst durch das Experiment erschlossen zu werden branchtr pag. 37). Wenn dies beides riehtig w'~ire, dann w~re auch die Be- hauptung' HERTWIG'S, )>dass die Entwickelungsmechanik kein beson- deres Programm habe,, zutreffend; und nattirlich brauchte sic dann aueh keine besondere Methode.

Diese Pri~misse ist aber nicht richtig. Daher Fttngt das Specifisehe der entwickelungsmechanischen Forschung" gerade an der Grenze an, an welcher fUr ihn mit dem Glauben, dass alles Erstrebenswerthe und Erreichbare auch erreicht sei, die Forschung aufhSrt. Er interpretirt G. KIRCHHOFF irrthUmlich in dem Sinne~ dass alles Forschen bloB das s i c h t b a r e Geschehen, die Erscheinungen ~>Ms solclle �9 zu ermitteln und mSglichst vollstiindi~ und einfach zu beschreiben habe. Wir vertreten da~egen die Auffassung, dass auch das u n s i e h t b a r e G e s c h e h e n mit Hilfe des Experiments mSglichst in seinen U r s a c h e n und W i r k n n g s - we i sen zu erforschen sei, und dass alsdann auf Grund der dadurch gewonnenen, und nut auf diese Weise gewinnbaren~ mSgliehst voll- stiindigen Eins ic ht das bezUgliche Geschehen mSgliehst vollst~ndig und mSglichst ~einfach,, das heiBt das Wesen des betreffenden Ge- schehens b e z e i c h n e n d , zu beschreiben sei (pa~. 48).

Da die Entwickelungsmechanik als exakte Forsehung das orga- nische Gestaltungsgeschehen m(iglichst welt nur auf die jeweili~ be- kannten physikalisch=chemischen Wirkungsweisen resp. Kr~tfte zurUek-

22*

Page 116: Für unser Programm und seine Verwirklichung

334 Wilhelm Roux

zufUhren sich bestrebt~ so hat sie es nicht mit dem unerforschbaren ,Wirken an sich% nicht mit der metaphysischen Seite des Wirkens zu thun.

Die Auffassung HERTWIG'S, class die P h y s i k und Chemie ke ine g e s t a l t e n d e n Kr~f t e k e n n e n (pag. 53), und dass weder e inze lne KrKfte noch K o m b i n a t i o n e n yon Kraften G e s t a l t u n g e n hervor- zubringen vermSgen (s. pag. 58), da Krafte sich immer auf das All- g e m e i n e beziehen, Gestalten aber das Besondere sind (s. pag. 53), wird yon uns nicht getheilt.

Diese Auffassung macht es aber begreiflieh, dass HERTWIG unsere Ableitungen und Bestrebungen nicht verstehen konnte.

Wir haben ersehen, dass alle der Materie zugeschriebenen Kr~fte gestaltend wirken, also g e s t a l t e n d e sind, und dass auf t y p i s c h e n , quantitativ und qualitativ verschiedenen K o m b i n a t i o n e n d iese r Krt~fte resp. ihrer Substrate in erster Linie die verschiedene t y p i - sche G e s t a l t u n g der Orgtmismen beruht; dass in zweiter Linie aueh die ~zug'efahrten~, E n e r g i e n der Bewegung g e s t a l t e n d e n Antheil nehmen k~nnen: einen direkten, indem sie die durch die Krafte der organisirten Materie aus letzterer aufgebauten Gestaltungen ~ n d e r n kSnnen, und einen indirekten, indem sie die ,,organische Gestaltungsmaschine,, in Betrieb setzen und erhalten (pag. GS).

Es brauchen aber nicht alle Kombinationen yon Kr:~tften und Energien b l e i b e n d e Gestaltungen zu liefern, wie es die yon uns M o r p h o l o g e n untersuchten Gestaltungen sind. Sondern die gestal- tenden Wirkungen der KrKfte kSnnen rasch v o r i i b e r g e h e n d e und fortw~hrend sich wiederholende sein~ wie bei einer arbeitenden Ma- schine; das ist bei den Kombinationen yon Kr~ften und Energien der Fall, auf denen die bloBen E r h a l t u n g s f u n k t i o n e n der Organismen beruhen, welehe den Forschungsgegenstand der Phys io log 'en bilden.

Dieses Unterschieds wegen haben wir diejenigen Kombinationen yon KrKften resp. Energien, welche b le ibende G e s t a l t u n g e n pro- duciren, als g e s t a l t e n d e zav' i~ox~v bezeiehnet (pag. 50).

Beziiglich der Beurtheilung der speciellen Einwendungen O. HERT- Wm'S und der wenig vertrauenswiirdigen Art seiner Berichterstattung und Polemik sei auf die Specialzusammenfassungen und auf die ihnen vorausgegangenen Darlegungen verwiesen (s. pag. 41, 232, 322, 326~ 335).

Dagegen schien uns HEI~TWIG'S klare Darlegung seiner eigenen Auffassungen und Tendenzen geeignet, unsere Auffassungen und Be- strebungen deutlich dagegen abzugrenzen. Wir nehmen aber nieht

Page 117: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirkliehung. 335

an, dass HERTWIG wirklich der Vertreter des mittlcren Niveaus dcr Auffassungen dcr derzeitigen deskriptiven und verg'leichend-anato- mischen Forschcr ist; auch sind Vertreter dieser Riehtungen bekannt, denen eine weit tiefere Einsicht eigen ist.

SchlieBlich erscheint es mir ftir die morphologische Wissenschaft dcr Organismen ersprieBlicher, wenn die Gegner unserer Richtung sich zun~ehst erst einmal grtindlich mit dem Studium unserer Sehriften, als sogleich mit der Opposition gegen diese ihnen nicht vertraute Matcrie befassen wtirden; und wenn sie nach dieser Information, statt (lurch Polemik und phantastisehe Hypothesen, uns durch exakte empirische Arbeit ihrer Art zu beki~mpfen und vor dem Forum der Wissenschaft in den Sehatten zu stellen versuchen wUrden.

Were nicht unser F o r t s c h r e i t e n an s i eh genUgt, sondern wen es drRngt, zu ermitteln, welche Forsehunffsriehtunff am meisten zur Vermehrung unserer E r k e n n t n i s beigetragen hat, der kann nile zehn Jahre eine 1Jbersicht der Hauptergebnisse der Forschungen der verschiedenen Riehtungen anfertigen. Bei gleichzeitig'er Berttck- sichtigung der Z a h l der Arbeiten und der Zahl der Arbeiter jeder Richtung, wird er dann aueh erkennen, welche Richtung ceteris paribus. die morphologische Erkcnntnis der Lebewesen am meisten zu be- reichern geeignet ist.

Ein auf diese Weise und in Hinsicht auf das letztgenannte Ziel geftihrter Wet tkampf u i rd jedenfalls f6rderlicher sein, als die heftigste und ausgedehnteste Polemik.

H a l l e a. S., April 1897.

Zus~tze, Von den der Schrift HERTWIG's angefiigten ,Zus~tzen, wollen wir hier

noch einiges Thatsiichliche riehtig stellen. 1) tIERTWIC~ riigt (auf pag. 201) scharf, dass ich in meinen gesammelten

Abhandlungen auf pag. 204 gelegentlich der Z u s a m m e n f a s s u n g friiherer Resultate die damals (1883, 1884) erhaltenen ha lben E m b r y o n e n , fiir die ich erst sp~iter (in Beitrag VII) den Namen Hemiembryones laterales und anteriores einfiihrte, gleichwohl einfach mit letzterem Namen nenne, ohne auf d ieser Seite diese Benennunff dutch Einsehluss in eekiffe Klammern als ~nachtr~igliehe,, kenntlich zu machen.

Er erw~ihnt jedoch nieht, dass an dieser Stelle auf die zwei friiheren Stellen (pag. 174 und pag. 161) verwiesen wird, wo das eine Mal der eine Name fett gedruckt in eekigen Klammern, das andero Mal als Anmerkung in eckigen Klammern beigefiigt ist, z. B.: [Diese Art yon Missbildung wurde sp~iter als Hemiembryo lateralis yon mir bezeiehnet (s. Nr. 22. paff. 129)].

Page 118: Für unser Programm und seine Verwirklichung

336 Wilhelm Roux

Er hiitte auch wohl mit hinzuftigen soUen, dass ich in dieser e r s t e n Schrift statt des ap~iteren Ausdruckes t I e m i e m b r y o lateralis den Namen g e m i c o r m u s l a t e r a l i s (1, Bd. II. pag. 174} anwandte. Wenn beides von ibm mitgetheilt worden wiire, so w~ire dann wohl sein Vorwurf hini~illig oder kleinlich erschienen und seinen daran gekntipften, ihn eharakterisirenden In- sinuationen der Boden entzogen worden.

Letztere veranlassen mich noch Folgendes zur Redaktion meiner gesam- melten Abhandlungen zu bemerken, was ich nicht versi~umt haben wiirde, noch in der Vorrede zu erwiihnen, wenn ich bei ihrer Abfassung an solehe Ge- sinnung eines Lesers gedacht hi[tte.

Ieh babe, inkonsequenter Weise, diejenigen nachtr:~iglichen Anmerkungen, welche ihrem I n h a l t e bach , das heif3t, da in ihnen das Wort ,sp~ter, vor- kommt oder da auf eine Arbeit mit angegebener sp~terer Jahreszahl Bezug genommen wird, sich selber als nach t r :~ tg l i che Zusittze charakterisiren, die eekigen Klammern weggelassen. Es w~ire wohl besser gewesen, das Princip der m e c h a n i s c h e n Charakterisirung a l l e r nachtrligliehen Zusittze durch eckige Klammern streng durehzufiihren.

Aueh babe ich einige Mal einen guten Ausdruek oder eine reeht be- zeichnende Redewendung, die in einer Arbeit erst an sp~terer Stelle sich fand, in d e r s e l b e n Abhandlung such an friiherer Stelle bereits in Gebrauch genommen und dasselbe dann gelegentlich aueh in s p i i t e r e n Abhandlungen gethan; und au~erdem wurden, wie bereits in der Einleitung pag. XI) mitge- theiit ist, such sonst mauche blot3 stilistische Verbesserungen vorgenommen.

Denjenigen Lesern, denen es auf mSglichst leichte Kenntnisnahme veto Inhalte meiner Abhandlungen ankommt, werden diese, das Versti[ndnis erleich- ternden stilistischen Verbesserungen willkommen sein. Were aber mehr daran gelegen ist, am Einzelnen zu mitkeln, dem wird allerdings eine weniger gute und daher bier und da such leichter zu missdeutende Stilisirung genehmer sein. Trotzdem bin ich such diesem, wohl nur yon w e n i g e n , m i s s g i i n s t i g e n Zeitgenossen vertretenen Zweck in so fern entgegengekommen, indem allent- halben die 0 r i g i n a l p a g i n i r u n g eingefiihrt win'd% so dass jede gerade wichtige Stel[e leicht verglichen werden kann, was ohne dieses Hilfsmittel wohl sehr miihsam w~ire und daher vielleieht nnterbleiben wiirde.

Ich babe such bereits bei dem eigenen Gebrauch meiner gesammelten Abhandlungen aui~er manchen, z. B. such mir nachtheiligen Druckfehlern (-- es sei hier gleich beriehtigt, dass auf pag. 942 Aura. des II. Bandes statt H. G. ZIEGLER. :F. KEIBEL als der Autor zu nennen ist, auf dessen Anregung Dr. E~DRES meine Anstiehversuehe am Frosehei mit Erfolg nachmachte--; , bereits zwei Stellen aufgefunden, an denen zu meinem Erstaunen die eckigen Klammern um eine Einschaltung im Texte fehlten; zum Gltick sind es Stellen nebens~chlichen In- haltes; es 15sst sich nicht mehr feststellen, ob ich dies, eben in Folge seiner Nebensiichlichkeit, iibersehen habe, oder ob der Abschreiber oder der Setzer die Sehuld triigt. Doch wird woht kaum ein Autor den Druck yon 19~)0 Seiten besorgen, ohne manchen Druckfehler und sonstigen Irrthum zu iibersehen.

2) Auf den pagg. 199 u.f. bringt HERTWIG wieder allerhand kleine, abet in ihrer Gesammtheit doch bedeutsame chronistische Irrthiimer tiber das Z e i t - Yiche mehrerer meiner Versuche. Es sei daher hier noch Einiges dariiber in Erinnerung gebracht.

l~Iein Beitrag I zur Entwickelungsmechanik, der in der Zeitschrif~ ffir Biologie. Bd. XXI. 1885 ersehien, und in welchem zuerst iiber A n s t i e h v e r s u c h e

Page 119: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 337

am E i a u s f t i h r l i c h berichtet wurde, bezieht sieh, wie ich daselbst angegeben babe, nicht aufVersuche aus dem Jahre 1885, sondern aus den Jahren 1852--1884. Die Hauptergebnisse wurden in der ,)Schlesischen Gesellschaft ftir vaterl~indische Kulturr zu Breslau am 15. F e b r u a r t884, also v o r dem B e g i n n d e r L a i e h - p e r i o d e d e s J a h r e s 1884, mitgetheilt, woraus wohl hervorgeht, dass sie sp~testens aus dem vorhergehenden Jahre 1883 stammen mfissen, da die Laich- periode der Friisehe in Deutschland Yore M.;irz bis Mai dauert. Die ausfiihr- liehe Abhandlung w.urde, wie auch aus der Unterschrift der Arbei t hervorgeht, bereits am Schlusse des Jahres 18S4 Herrn Geh. Ruth Kt)H~E zur Veriiffentlichung iibersandt; das Latenzstadium war in jener Zeitschrift damals ein etwas langes, so dass die Arbei t erst am Anfang Ju l i oder Endc Juni erschien.

Beitrag I I I zur Entwickelungsmechanik, abgedruekt in der Breslauer :,~rztlichen Zeitschrift vom 28. Miirz 18S5, enthiilt gleichfalls Versuche des vorher- gehenden Jahres 1884; und nut e i n bei der Laichung des Friihjahres 1885 im M~rz eben frisch gewonnenes Resul ta t (fiber kiinstlichc lokalisirte Befruchtung konnte noch in Form einer Anmerkung als vorl~iufige Mittheilung bei der Kor- rektnr zur Erg~nzung yon frtiher Gesagtem eingeftigt werden, wie l, Bd. II. pag. 301 mitgetheilt worden ist. Die anderen, ausfiihrlich mitgetheilten Ver- suche, darunter die mit D e f o r m a t i o n yon Eiern dutch A s p i r a t i o n in G l u s r i 3 h r e n , stammen aus dem Jahre 1884, nicht yon 1885, wie ]:IERTWlG annimmt.

Zagleich findet sich in dieser Abhandlung (l, Bd. II. pug. 325) die Be- merknng, ~dass in diesem Jahre (1884, siehc daselbst sieben Zeilen welter oben a l l e meine Eier bchufs Verwendung der M e h r z a h l derselben zu a n d e r e n Versuchen, sich wenigstens einige Stunden lang, yon der Besamung an in Zwangslage befandenr Diese a n d e r e n Versuche waren, wie die nachtr~igliche Anmerkung auf derselben Seite der gesammelten Abhandlungen besagt, die Anstichversuche; hier wurde schon 1884 die M e t h o d e d e r g e n a u e n L o k a l i - s a t i o n des Anstiehes angewandt, yon der HERTWIG (pag. 124) sagt, dass ich sie (1894) ,bloi3 b e s e h r i e b e n , , h~tte.

Ich habc fibrigens nach meiner ersten Publikation nicht erst wieder im Jahre 1887, sondern auch schon in den Jahren 1885 und 1886 neben anderen Versueheu auch Froscheier operirt ; leider v e r s e h i m m e 1 t e n sie aber zumeist am zweiten oder dritten Tage, so dass ich damals mit meinen Schalen aUe in den Osterferien disponiblen Ri~ume der alten Anatomie zu Breslau durch- wanderte, um eine giinstigere Lokalit'~t zu finden (s. 1, Bd. II. pug. 356',.

Da ich die nachstehend erwiihnte Takt ik eines Gegners nicht ahnte, so babe ich leider verabsliumt, die Thatsache der f r i i h e r en Gewinnung einiger weitcrer Halbbildungen (bei Anwendung der k a l t e n Nadel} mitzutheilen, well letztere gegeniiber der grol3en Zahl yon fiber 100 Stiick der durch Anstich mit der h e i l 3 e n Nadel gewonneneu Hemiembryonen des Friihjahres 1887 ganz un- erheblich waren. In diesem Friihjahre hatte ich in Folge starkeu Heizens des verwendeten kleinen Zimmers zur Bescbleunigung der Froschentwickelung nicht so unter Schimmel zu leiden.

Auf meine anerkennende Bemerkung dariiber, dass ItERTWIG auf Grand meiner Berichtigung fiber die yon ihm irrthUmlioher Weise CHABRY zuge- schriebene Prioritiit der A n s t i c h v e r s u c h e an E i e r n seinen Irrthum sogleich zuriickgenommen habe (37, pag. 458), stellt je tz t tIERTWIG diese Zuriicknahme in Abrede und sagt pag. 202':

* I c h m u s s d a h e r R o u x e r s u c h e n , d u r c h A n g a b e d e r S t e l l e ,

Page 120: Für unser Programm und seine Verwirklichung

338 Wilhelm Roux

w e l e h e er b e i s e i n e r B e m e r k u n g im A u g e h a t , m e i n e m G e d ~ c h t n i s n a c h z u h e l f e n . ,

Dem wollen wir g e m entsprechen. In seiner n'2chsten, nach meiner Berichtigung erschienenen Abhandlung:

Uber den Einfluss ~ui3erer Bedingungen auf die Entwickelung des Froscheies !Sitzungsber. d. k(inigl, preuB. Akad. d. Wiss. zu Berlin. 1894. XVII. Gesammt- sitzung yore 5. April. Sep.-Abdruck) findet sich auf pag. 2 der Passus: ,So kommen oft verschieden geformte Theilbildungen zu Stande, i~hnlich denem welehe man erhiilt, wenn der Experimentator i n d e r y o n R o u x z u e r s t g e - i i b t e n W e i s e d a s E i w ' ~ h r e n d des F u r c h u n g s p r o e e s s e s m i t e i n e r e r w i ~ r m t e n N u d e l a n s t i c h t a n d e i n e y o n d e n b e i d e n o d e r y o n d e n v i e r e r s t e n F u r c h u n g s z e l l e n g a n z o d e r t h e i l w e i s e a b t ~ i d t e t . ,

Seitdem ist es HERTWm gelungen, nachtriiglich noch eine Auffassung zu finden, auf Grand deren er diese Priorifiit mir doch noch entwinden und CHABRY zuwenden zu kiinnen glaubt. HERTWm verschm:,~ht, wie bei anderer Gelegenheit, so auch bier aber selbst die kleinsten Mittel nicht, um seinen Zweck zu erreichen. So citirt er in Bezug auf meine zweite Abhandlung wiederholt start Roux 's A b - h a n d l u n g yon 1888 oder Rovx ' s V e r s u c h e yon 1887: Roux ' s V e r s u c h e yon 1888, obschon er well3, dass die dureh diese Versuehe erhaltenen Embryonen im September 1887 auf der Naturforscherversammlung zu Wiesbaden demonstrirt worden sind, also aus dem ~Fr i ih j ah r r 188 7 stammeu miissen, and dass die Abhandlung im December 1887 abgeschlossen wurde. Durch diese kleine Ab- weichung yon der Wahrheit gewinnt jedoch CHABRY'S Arbeit eine a u g e n - f i ~ l l i g e V e r s u e h s p r i o r i t ~ t yon einem Jahre vor dem Inhalt meiner zweiten Abhandlung.

Doch handelt es sieh bei der Beurtheilung einer Priorit'~t wohl nicht um die zweite, sondern um die erste Abhandlung fiber denselben Gegenstand.

CHXBICY selber gedenkt in seiner Arbeit yore Jahre 1887 meiner zwei Jahre vorher publicirten and sehon ziemlieh um~nglichen Untersuehung mit keinem Worte, sondern sagt, wie ich vorher in meiner Arbei t auch: er habe mit diesen Anstichversuchen der F o r s c h u n g e i n n e u e s G e b i e t e r s c h l o s s e n .

CH.~Ru Material, Aseidien, deren Entwiekelung CHABRY nach seinen Angaben unter POUCHET im Sommer 1885 studirte, hat den Vortheil, d a s s j e d e in beliebiger Weise a n g e s t o e h e n e F u r e h u n g s z e l l e yon selber in t o t o abstirbt; w~hrend man beim Frosehei die gr(il3te Miihe hat, eine g a n z e Zelle der ersten beiden Furchungszellen todt zu bekommen, ohne die Nachbarzelle mit zu verletzen.

Wie wesentlich dieser giinstige Zufall ist, hat Niemand deutlieher er- fahren, als tIERTWIG; denn wenn sieh auch beim F r o s c h e i das Wesentliche, das Analytisehe des Versuchs nach dem einfachen Anstechen wie bei den Ascidien so v o n s e lb e r machte, w~ire es ihm wohl nicht misslungen, meinen analytischen Versuch nachzumachen (s. o. pag. 283!.

CHXBRY hat in Folge dieser Gunst des BIaterials vielleicht (?) eher als ich eine ganze der beiden ~ e r s t e n , Furchungszellen get~dtet, aber gerade nach DRIESCH'S und HERTWm'S Deutung dabei iiberhaupt keine H e m i e m b r y o n e n erhalten; wi~hrend ich einige Jahre vorher schon (18S3 und 1884) ein h a l b e s E i dureh Anstechen gefiidtet und dadnrch Hemiembryonen erhalten hatte, und zwar zweimal nach Anstich kurze Zeit v o r der , e r s t e n , F u r c h u n g (1, Bd. II. pag. 161), in anderen F~illen n a c h d e r v i e r t e n a n d f i i n f t e n F u r e h u n g (1, Bd. II. pag. 174).

Page 121: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 339

Auf Grund d i e s e s U n t e r s c h i e d e s will jetzt :HERTWIG CHABRY die P r io r i t ' : i t d i e se r ~ F o r s e h u n g s m e t h o d e , zuschreiben; er verwendet dabei selbst den Umstand, dass CHABRY jetzt t o d t ist, sich also nicht mehr selber aussprechen kann. Doch wird dieser Umstand, von 0. t]ERTWIG abge- sehen, wohl fiir Niemandeu etwas an dem klaren Thatbestand iindern, dass icb vor CtrAnRu d i e se ~Methode,, anwand te~ dass meine erste Arbeit 1 885, die CHA_BRY'S ] 8 8 7 ersehieneu ist, und dass in der meinigen bereits fiber k f ins t - l i cbe , d u r c h A n s t i c h e r h a l t e n e , s e i t l i c h e u n d v o r d e r e ha l be Em- br yon en berichtet wird, W~brend C~BRu in seiner Arbeit selber mittheilt, dass er seine Untersuchungen iiberhaupt erst im Jahre 1885 begonnen habe. Das Urtheil dariiber, wet danach d i e s e F o r s c h u n g s m e t h o d e friiher ange- wendet und mit ihr gewonnene Ergebnisse publicirt hat, sowie iiberhaupt iiber d i e s e B e s t r e b u n g e n O. HERTWIG'S, bleibe den Lesern iiberlassen.

3) Auf pug. 109 berichtet HERTWm, ich hiitte (1, Bd. II. pug. 972) meine Beobachtungen, dass Eier sich in einer der Regel HERTWIG'S, YOn der ~Ein- stellung der Kernspindel in die Riehtung der griigten Protoplasmamasse~. w i d e r s p r c c h e n d e n W e i s e gefurcht haben, als a u f I r r t h u m b e r u h e n d b e r i c h t i g t . Das ist durchaus unrichtig. Ieh habe bloi3 mitgetheilt, dass dies Vorkommnis nicht so h i i u f i g ist, als ich frfiher glaubte; hierbei lag eine be- sondere, yon mir quantitativ unterscb:,itzte optische Tiiuschung vor. D i e T h a t- s ache d i e s e r A b w e i c h u n g e n selber babe ich (pug. 973) fiir sine geringere Zahl yon sicheren F~llen a u s d r t i c k i i c h a u f r e c h t e r h a l t e n und anderen 0rts (1, Bd. II. pag. 866) noch neue Beispiele dazu aufgefiihrt.

Ubrigens sei zugleich nochmals (s. 1, Bd. II. pug. 974 und 975) betont, dass HERTWIG'S Formulirung: Einstellung der Kernspindel in ))d i e,~ R i e h t u n g der :>gr[il~ten P r o t o p l a s m a m a s s e , , nichtssagend, also unricbtig ist;,es muss hei~en: Einstellung in die ,~g r ii [3 t e R i c h t u n g der dicht zusammengesch!ossenen Protoplasmamasse,~; denn aueh die dabei gelneinte, yon Nahrungsdotter fast freie Hauptmasse des Protoplasmas hat natiirlicb u n e n d l i c h v i e l e R i c h t u n g e n ; trotzdem wird diese widersinnige Fassung von Vielen zustimmend reproducirt. Die Regel~mtisste also lauten: die Kernspindel stellt sicb in die griil3te Rich- tung der in sich dicht zusammengescblossenen Protoplasmamasse (HERTWIG: oder abet anderen Falls auch, wie ich bei b i l a t e r a l s y m m e t r i s c h e r Ge- staltung gefunden habe, r e c h t w i n k e l i g dazu /Roux ; auch kann s c h i e f e Stellung dazu eintreten, wobei dann nachtr :~igl iche U m o r d n u n g der p e r i - phe ren Protoptasmatheile stattfinden kann (Rovx} (I, Bd. II. pag. 327, 340, 402 und 928). D a a b e r nicht immer diese g a n z e Protoplasmamasse bei soleher Einstellung aktivirt ist (z. B. bei der Bildung der Richtungsk[irper}, so habe ich sp~iter eine mehr d y n a m i s c h e Fassung fiir die Einstellungsursaehe der Kern- spindel gegeben (1, Bd. II. pag. 975).

4) Nachtr~igliche Zufiigung. Anliisslich der obeu auf pag. 2 des zuerst ausgegebenen ersten Theiles angekiindigten (nunmehr auf pag. 250 erfolgten) Besprechung der Einwendung Prof. 0. Bi~TSCtILI'S gegen den Nutzen des ~)Ex- periments am Lebenden, fiir die Entwickelungsmechanik theilt uns der Autor mit, dass er schon bald nach ihrer vorjlihrigen Aussprache ihre nur theilweise Berechtigung erkannt hat. Prof. B~TSCHLI vertritt zugleich dieselbe Einschriin- kung, die wir ibr oben haben folgen lassen, so dass statt einer Differenz eine sehr erfrealiche Ubereinstimmung unserer Ansichten besteht.

Page 122: Für unser Programm und seine Verwirklichung

340 Wilhelm Roux

Litteraturverzeichnis, 1~ WILH. I~OUX, Gesammelte Abhandlungen tiber Entwiekelungsmeehanik.

Leipzig 1895. Bd. I u. II. 2) Derselbe, ,Einleitung~ zum Archly ftir Entwickelungsmechanik der 0rga-

nismen. Dies Archly. Bd. I. pag. 1--38. 1894. 3) O. Bb~TSCHLI, Betrachtnngen fiber ttypothese und Beobachtung. Verhandl.

d. Deutsch. Zool. Ges. 1896. pag. 7--16. 4) W~H. Roux, t)ber den Cytotropismus der Fm'ehungszellen des Grasfrosehes

(Rana fusca~.. Archly f. Entwickelangsinechanik. Bd. I. 1894. 5) Derselbe, t~ber die Selbstordnnng (Cytotaxis sich beriihrender Farchungs-

zellen des Froscheies durch Zellenznsammenfiigung, Zellentrennung nnd Zellengleiten. Archly f. Entwickelungsmechanik. Bd. III. 1896.

6 CARL ERNST V. BAER, U'ber Entwickelungsgesehichte der Thiere, Beobach- ttlng und Reflexion. Theil I. 1828. pug. 22.

7) W~LH. RO(;X, Uber die Verzweigung der Blutgei~'~iBe des Mensehen. Jenaische Zeitsehr. f. Naturwiss. Bd. 12. 1878 und Bd. 13. 1879.

8) ERNST HAECKEL, Anthropogenie. 4. Anti. 1891. 9) WILHEL.~I Mt~LLER, Die Massenverh~iltnisse des mensehlichen Herzens. Ham-

burg 1883. ]:)as erw~ihnte Referat steht in der Breslauer :,~rztlichen Zeit- schrift. 1883. Nr. 15. pag. 164 u. f.; es ist zum Theil wieder abgedruckt in meinen gesammelten Abhandlnngen. Bd. II. pag. 21--23.

10 WILH. ROt'X, Uber die Bedeutung ~)geringerr Verschiedenheiten der rela- tiven Griil3e der Furchungszellen fiir den Charakter des Fnrchungsschemas nebst Eriirterung iiber die n:,iehstcn Ursachen der Anordnung nnd Gestalt der ersten Furchungszellen. Archly f. Entwickelungsmeehanik. Bd. IV. pag. 1--74. 1896.

I I) 0. BfTSCHLI, Vorwort zu den Studien iiber die ersten Entwickelungsvor- g~inge der Eizelle, die Zelltbeilung und die Konjugation der Infasorien. 1876.

12) Derselbe, Untersuchnngen fiber mikroskopische Sch':iume und das Proto- plasma. Versucho und Beobachtnngen zur L(isung der Frage nach den physikalischen Bedingungen der Lebenserseheinungen. Leipzig 1892. Sowie mehrere frfihere und sp~tere beziigliche Abhandlungen.

13) M. TRAUBZ, Archly f. Anat. u. Physiol. u. wiss. Med. 1867. 14) G. BERTHOLD, Studien fiber Protoplasmamechanik. Leipzig 18$6. 15) G. QUI,',-CKE, t)ber periodische Ausbreitung yon Fliissigkeitsoberfl~chen und

dadurch hervorgerufene Bewcgungserscheinungen. Ann. d. Physik u. Chemie. 1888. Bd. 35.

16) M. HEIDE.~H~L'r Cytomechanische Studien. Archly f. Entwickelungsmechanik. Bd. I. 1895 nnd Verhandl. d. anat. Ges. zu Berlin. 1896.

17) L. RHU)IBLER, a) Versuch einer mechaniscben Erkl':trung der indirekten Zell- und Kerntheilung. Archiv f. Entwickehngsmechanik. Bd. IIL 1896.

b) Stemmen die Strahlen der AstrosphSre oder ziehen sie? 1. c. Bd. IV. 1897, 18, H. ]DRIESC~, lJber den Antheil zui~ltiger individueller Verschiedenheiten an

ontogenetischen Versuchsresultaten. Archly f. Entwickelungsmechanik. Bd. III. pag. 295--300. 1896.

I9 ]Derselbe, Anatytisehe Theorie der organischen Entwiekelung. Leipzig 1894.

Page 123: Für unser Programm und seine Verwirklichung

Fiir unser Programm und seine Verwirklichung. 341

20) CURT HERBST, Experimentelle Untersuchungen tiber den Einfiuss der ver- :,inderten chemischen Zusammensetzung des umgebenden Mediums auf die Entwickelung der Thiere. I u. I I in den Mittheilungeu aus d. Zool. Station zu Neapel. Bd. X I ; I I I - - V I in dem Arehiv f. Entwickr mechanik. Bd. II. 1896.

21) W. PREYER, Specielle Physiologie des Embryo. Leipzig 1885. 638 Seiten. 22) LUDW. FICK, Uber die Ursaehen der Knochenformen. Experimentalunter-

suchungen. Marburg 1857 u. 1858. 23) GUST. KIRCHHOFF, Vorlesungen fiber mathematisebe Physik: Meehanik.

Leipzig 1876. 24) GUST. BOR~, Experimentelle Untersuchungen tiber die Entstehung der Ge-

schlechtsunterschiede. Breslauer iirztl. Zeitschr. 1881. Nr. 3 u. 4. 25) A. RAUBER, Die Theorien der excessiven Monstra. Zweiter Beitrag. Vm-

cHow's Archly. Bd. 74. 1878. pag. 117. 26) Rub. FICK, Uber die Reifung und Befruehtung des Axolotleies. Zeitschr.

f. wiss. Zool. 1893. Bd. 56. pag. 576. 27) C. WEmERT, Neue Fragestellungen in der pathologisehen Anatomie. Vor-

trag, geh. auf d. Naturf.-Vers. zu Frankfurt. 1896. Deutseh. reed. Wochen- sehrift, 1896. Nr. 40.

28) HEI~R. HERTZ, Die Principien der Mechanik, in neuem Zusammenhange dargestellt. Mit einem Vorwort yon H. vo~ HELMHOLTZ. Leipzig 1894. (Gesammelte Werke. Bd. I I I .

29) 0. SCHULTZE, Uber die Entwickelung der Medullarplatte des Froscheies. Zeitsehr. f. wiss. ZooL 1882. Bd. 47.

30) B. SOLGER, Der gegenw~irtige Stand der Lehre yon der Knochenarehitektur. 1 Tar. Untersuch. z. NaturL d. Menschen u. d. Thiere. 1896. Bd. 16. H. 1 2. pag. 187--318.

31) HER~[ANN LOTZE, Grundziige der Metaphysik. Leipzig 1883. 32) W]LH. ROUX, Zu H. DRmSCH'S ,Analyt ischer Theorie der organischen Ent-

wickelung,,. Archly f. Entwickelungsmechanik. Bd. IV. 1896. pag. 480. 33) 0. ZUR STRASSEN, Embryonalentwickelung der Ascaris megalocephala.

Arehiv f. Entwiekelungsmechanik. Bd. III . 1896. 34) WILH. Roux, in: Verhandl. d. anat. Ges. zu Stra[3burg. 1894. pag. 147--149. 35) Derselbe, (~ber die verschiedene Entwickelung isolirter erster B[astomeren.

Archly f. Entwickeiungsmeehanik. Bd. I. 1895. pag. 597 u. f.

InhaltsLibersicht. Seite

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 I. Absehnitt. D a s Z i e l u n d d i e b e s o n d e r e n A u f g a b e n d e r E n t -

w i c k e l u n g s m e c h a n i k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 a. Friihere Darlegungen des Programms . . . . . . . . . . . . . . 3 b. 0. HERTWIG'S Krit ik und eigene Auffassung . . . . . . . . . . 31 c. Die Physik und Chemie kennen ke ine gestaltenden Kriffte

(0. HERT~VIGI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 d. Zusammenfassung des ersten Abschnittes . . . . . . . . . . . . 68 e. Anhang: Deskript ive und causale Forschung . . . . . . . . . . 73

Page 124: Für unser Programm und seine Verwirklichung

3 4 2 Wilhelm Roux, Fiir unser Programm und seine Verwirkl iehung.

Se~.~e

lI . D i e M e t h o d e n d e r E n t w i e k e l u n g s m e e h a n i k . . . . . . . . 219 a. Meine fri iheren Dar legungen iiber die causalen Forsehungsmethoden

der Morphologie der 0 rgan i smen . . . . . . . . . . . . . . . . 219 b ~. Beur the i lung der E inwendungen 0. HERTWIG'S und 0. BiJTSCHLI'S

gegen diese Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 e. ~ b e r die Verwendung des * a n o r g a n i s c h e n r Exper iments zu

Schliisseu auf die Ursachen ~organiseher , Ges ta l tungen . . . . . 251 d. Zul~issigkeit und Bed ingungen des Schlusses veto morphol0gischen

E x p e r i m e n t am ~ l e b e n d e n , O r g a n i s m u s auf das n o r m a l e Gestal tungsgeschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

e. Das c a u s a l - a n a l y t i s e h e morphologische Exper iment als die b e s o n d e r e Forschungsmethode der En twicke lungsmechan ik . . 270

f. Nothwendigke i t einer sch~irferen Unterscheidung der Begriffe: Regel, Norm und Gesetz in der Zoobiologie . . . . . . . . . . 294

g. Niichste Aufgaben und Auss ich ten der en twickeiungsmeehanisehen Forsehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305

III . D e r N a m e E n t w i e k e l u n g s m e c h a n i k . . . . . . . . . . . . . 309 IV. U b e r O. HERT~VIG'S K r i t i k m e i n e r s p e e i e l l e n e n t w i c k e -

l u n g s m e e h a n i s e h e n U n t e r s u e h u n g e n . . . . . . . . . . . . 317 V. Z u s a m m e n f a s s u n g . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331

Zus~itze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Li t te ra turverze ichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340