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Fachbereich Religions- und Weltanschauungsfragen der Diözese Augsburg Kappelberg 1, 86150 Augsburg, Tel. 0821-3166 6613 www.bistum-augsburg.de/weltanschauung - [email protected] Der vorliegende Text von der Seite www.zeugen-jehovas-sos.de wurde von uns mit freundlicher Erlaubnis der Autorin übernommen. Da sie sich mittlerweile aus der Weltanschauungsarbeit zurückgezogen hat, bitten wir Sie, etwaige Rückfragen an den Fachbereich Religions- und Weltanschauungsfragen der Diözese Augsburg unter den unten stehenden Kontaktdaten zu richten. Gekonnter Einsatz sprachlicher Mittel um Menschen an sich zu binden Warum wirkt die Lehre der Zeugen Jehovas auf viele Menschen so anziehend? Hierfür gibt es sicherlich viele Gründe. Es wäre meines Erachtens zu oberflächlich analysiert, diese Menschen einfach nur als „naiv“, „haltsuchend“ oder „labil“ zu bezeichnen. Es ist auch keine Frage der Intelligenz, ob jemand Zeuge Jehovas wird oder nicht. In ihren Reihen befinden sich Menschen aus allen sozialen Schichten, vom ungelernten Arbeiter bis zum Arzt oder Rechtsanwalt. Es muss also ein Mittel geben, das es der Wachtturm-Gesellschaft ermöglicht, auch belesene, gebildete Menschen für sich zu gewinnen und an sich zu binden. Auf eines dieser Mittel möchte ich in diesem Artikel aufmerksam machen. Es ist die Sprache, deren sich die Schreiber der Wachtturm-Literatur bedienen. Wenn Sie das nächste Mal einen Wachtturm in der Hand halten, dann lesen Sie diesen doch einmal ganz gezielt auf der Suche nach diesen sprachlichen Mitteln! Sie werden erstaunt sein, wie tief die Wachtturm Gesellschaft in die Trickkiste greift, um die Zustimmung der Leser zu sichern und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Zeugen Jehovas zu stärken. Das vereinende „WIR“: Hier einige typische Wendungen in der Wachtturm Literatur: Wir möchten dadurch nicht nur unseren Mitmenschen helfen, sondern auch unsere Liebe zu Jehova unter Beweis stellen. Außerdem möchten wir zeigen, dass wir Jesus lieben und Wertschätzung für seine große Liebe uns gegenüber haben.“ „Wie Jehova schon vor langer Zeit voraussagte, würde zwischen den Menschen, die Gott dienen, und denen, die Satan, dem Teufel, dienen, Hass oder Feindschaft entstehen. Dessen sind auch wir uns bewusst (1. Mose 3:15) Wir wissen auch: Wenn wir in Prüfungen die Lauterkeit bewahren, bezeugen wir, dass Jehovas universelle Souveränität zu Recht besteht.“ Die grundlegende grammatische Person in Wachtturm-Studienartikeln ist die 1. Person Plural. Dabei handelt es sich fast durchweg um ein inklusives wir, das Sender und Empfänger umfasst. Bei der Verwendung dieses wir postuliert der Sender, vor allem durch wir wollen, wir wissen, u.ä ein gemeinsames Weltbild und Wertesystem mit dem Empfänger. Wenn der Leser wieder und wieder in diesen Standpunkt mit eingebunden wird, wird die Aussage leicht zu seinem eigenen Standpunkt. Dieser gemeinsame Standpunkt in oft recht banalen Aussagen führt im Laufe der Zeit dazu, dass der Leser auch Ansichten zu übernehmen bereit ist, die ihm sonst eher nicht entsprechen würden.

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Page 1: Gekonnter Einsatz sprachlicher Mittel um Menschen an sich zu … · unter Beweis stellen. Außerdem möchten wir zeigen, dass wir Jesus lieben und Wertschätzung für seine große

Fachbereich Religions- und Weltanschauungsfragen der Diözese Augsburg

Kappelberg 1, 86150 Augsburg, Tel. 0821-3166 6613

www.bistum-augsburg.de/weltanschauung - [email protected]

Der vorliegende Text von der Seite www.zeugen-jehovas-sos.de wurde von uns mit

freundlicher Erlaubnis der Autorin übernommen. Da sie sich mittlerweile aus der

Weltanschauungsarbeit zurückgezogen hat, bitten wir Sie, etwaige Rückfragen an den

Fachbereich Religions- und Weltanschauungsfragen der Diözese Augsburg unter den unten

stehenden Kontaktdaten zu richten.

Gekonnter Einsatz sprachlicher Mittel um

Menschen an sich zu binden

Warum wirkt die Lehre der Zeugen Jehovas auf viele Menschen so

anziehend? Hierfür gibt es sicherlich viele Gründe. Es wäre meines Erachtens

zu oberflächlich analysiert, diese Menschen einfach nur als „naiv“,

„haltsuchend“ oder „labil“ zu bezeichnen.

Es ist auch keine Frage der Intelligenz, ob jemand Zeuge Jehovas wird oder nicht. In ihren Reihen

befinden sich Menschen aus allen sozialen Schichten, vom ungelernten Arbeiter bis zum Arzt oder

Rechtsanwalt.

Es muss also ein Mittel geben, das es der Wachtturm-Gesellschaft ermöglicht, auch belesene, gebildete

Menschen für sich zu gewinnen und an sich zu binden. Auf eines dieser Mittel möchte ich in diesem

Artikel aufmerksam machen.

Es ist die Sprache, deren sich die Schreiber der Wachtturm-Literatur bedienen. Wenn Sie das nächste

Mal einen Wachtturm in der Hand halten, dann lesen Sie diesen doch einmal ganz gezielt auf der Suche

nach diesen sprachlichen Mitteln! Sie werden erstaunt sein, wie tief die Wachtturm Gesellschaft in die

Trickkiste greift, um die Zustimmung der Leser zu sichern und das Zusammengehörigkeitsgefühl der

Zeugen Jehovas zu stärken.

Das vereinende „WIR“:

Hier einige typische Wendungen in der Wachtturm Literatur:

“Wir möchten dadurch nicht nur unseren Mitmenschen helfen, sondern auch unsere Liebe zu Jehova

unter Beweis stellen. Außerdem möchten wir zeigen, dass wir Jesus lieben und Wertschätzung für

seine große Liebe uns gegenüber haben.“

„Wie Jehova schon vor langer Zeit voraussagte, würde zwischen den Menschen, die Gott dienen, und

denen, die Satan, dem Teufel, dienen, Hass oder Feindschaft entstehen. Dessen sind auch wir uns

bewusst (1. Mose 3:15) Wir wissen auch: Wenn wir in Prüfungen die Lauterkeit bewahren, bezeugen

wir, dass Jehovas universelle Souveränität zu Recht besteht.“

Die grundlegende grammatische Person in Wachtturm-Studienartikeln ist die 1. Person Plural. Dabei

handelt es sich fast durchweg um ein inklusives wir, das Sender und Empfänger umfasst. Bei der

Verwendung dieses wir postuliert der Sender, vor allem durch wir wollen, wir wissen, u.ä ein

gemeinsames Weltbild und Wertesystem mit dem Empfänger.

Wenn der Leser wieder und wieder in diesen Standpunkt mit eingebunden wird, wird die Aussage

leicht zu seinem eigenen Standpunkt. Dieser gemeinsame Standpunkt in oft recht banalen Aussagen

führt im Laufe der Zeit dazu, dass der Leser auch Ansichten zu übernehmen bereit ist, die ihm sonst

eher nicht entsprechen würden.

Page 2: Gekonnter Einsatz sprachlicher Mittel um Menschen an sich zu … · unter Beweis stellen. Außerdem möchten wir zeigen, dass wir Jesus lieben und Wertschätzung für seine große

Fachbereich Religions- und Weltanschauungsfragen der Diözese Augsburg

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Das motivierende „DU“:

Die Formen der 2. Person Singular legen vor allem bei moralischen Normen den Fokus auf das

Individuum und regen es zu eigenem Handeln im Sinne dieser Norm an.

„Dienst du Gott freudig als Verkündiger des Königreiches? Dann kannst du, solange du auf sein Wort

vertraust und deinen Weg davon ausleuchten lässt, darauf zählen, dass Jehova dich in dieser

besonderen Tätigkeit unterstützen und segnen wird.“

Im folgenden Beispiel wird zudem ein großer Druck auf den angesprochenen Empfänger ausgeübt und

ein Abweichen von der Norm weitgehend erschwert:

„Millionen Zeugen Jehovas empfinden genauso. Du auch?“ Die rhetorische Frage „du auch?“ erwartet

die Zustimmung des Empfängers. Eine negative Antwort wird auch dadurch erschwert, dass die

betreffenden Gefühle von „Millionen Zeugen Jehovas“ geteilt werden.

Rhetorische Fragen - die Antwort ist bereits vorgegeben:

Frage: „Ist es also nicht klüger, Liebe zu Gott und zu Menschen zu entwickeln, als nach den bestenfalls

kurzlebigen Dingen der Welt zu streben?“

Erwartete Antwort: „Aber natürlich!“

Frage: „Ist der mögliche Nutzen es wert, dass junge Leute ein solches Risiko eingehen?“

Erwartete Antwort: „Aber natürlich nicht!“

Obwohl es sich hier um Entscheidungsfragen handelt, sind sie in sich geschlossen. Das heißt, die

Antworten sind bereits vorgegeben. Ein Einwand ist somit nicht möglich.

Zeugen Jehovas typisches Vokabular:

Im Vokabular der Zeugen Jehovas finden sich viele Wendungen, die dem Außenstehenden unklar sind.

Von daher erweckt es den Eindruck eines geheimen, nur Eingeweihten ohne weiteres verständlichen

Codes. Nach innen wird dadurch die Zusammengehörigkeit betont. Nach außen wird die soziale

Abgrenzung sprachlich verstärkt, was aber durchaus auch Interesse wecken kann. Je nachdem, ob

Außenstehende oder Zeugen Jehovas in erster Linie mit der jeweiligen Publikation angesprochen

werden sollen, werden mehr oder weniger solcher gruppenspezifischen Wörter verwendet.