gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: wohneigentumsbildung durch selbsthilfe

362

Upload: anja-szypulski

Post on 18-Dec-2016

263 views

Category:

Documents


4 download

TRANSCRIPT

Page 1: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe
Page 2: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

Anja Szypulski

Gemeinsam bauen – gemeinsam wohnen

Page 3: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

VS RESEARCH

Page 4: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

Anja Szypulski

Gemeinsam bauen –gemeinsam wohnenWohneigentumsbildungdurch Selbsthilfe

VS RESEARCH

Page 5: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

1. Auflage 2008

Alle Rechte vorbehalten© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008

Lektorat: Christina M.Brian / Anita Wilke

Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.www.vs-verlag.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. JedeVerwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes istohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesonderefür Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei-cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesemWerk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solcheNamen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachtenwären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-8350-6047-0

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Dissertation Universität Dortmund, 2004

Page 6: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

V

VorwortDie vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung meiner 2004 an der Univer-sität Dortmund eingereichten und angenommenen Dissertationsschrift.

Ein empirisches Forschungsvorhaben ist ohne das Interesse und die Unterstützung derInterviewpartner/innen nicht möglich. Ich danke daher allen Interviewpartner/innen inden Selbsthilfesiedlungen und den beteiligten Wohnungsunternehmen/Trägern für dieOffenheit gegenüber dem Forschungsvorhaben und die Unterstützung, ebenso den vie-len Studierenden, die in Lehrforschungsprojekten und zahlreichen Seminaren For-schungsfragen diskutiert und zur Weiterentwicklung beigetragen haben.

Mein herzlicher Dank gilt Ruth Becker und Sigrid Metz-Göckel (Universität Dort-mund), die die Arbeit kontinuierlich unterstützt haben. Daneben gibt es zahlreiche Per-sonen, die die Arbeit durch anregende Hinweise und Kommentare und freundschaftli-che Anteilnahme geduldig und unterstützend begleitet haben: Sabine Brendel, MartinKrämer, Kornelia Steinhardt, Birgit Kasper und meinen Eltern.

Anja Szypulski

Page 7: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

VII

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ............................................................................................................... 1I. Wohnwandel - im Spannungsfeld von Individualisierung,

Vergemeinschaftung und Geschlechterverhältnis.............................................. 71. Das Individualisierungskonzept ........................................................................... 8

1.1. Grundannahmen des Individualisierungstheorems ...................................... 101.2. Die Individualisierung von Lebenslagen und Lebenswegen:

Freisetzung aus Geschlechtslagen und Familie............................................ 121.3. Individualisierung und Formen der Re-Integration...................................... 161.4. Zusammenfassung........................................................................................ 20

2. Der Wandel von Familie und Geschlechterverhältnis ..................................... 222.1. Familie im Wandel: Soziale Netze, Haushaltsstrukturen und

Lebensformen............................................................................................... 222.2. Geschlechterverhältnis und innerfamiliale Arbeitsteilung........................... 35

3. Neue Wohnformen - zwischen Individualisierung undVergemeinschaftung............................................................................................ 403.1. �Gemeinschaft� als Thema der (Stadt-)Soziologie und ihre Bedeutung für

das Wohnen .................................................................................................. 413.2. Neue Wohnformen: Wohnprojekte als Ausdruck gesellschaftlicher

Veränderungsprozesse?................................................................................ 474. Fazit: Gemeinschaftliches Wohnen in einer individualisierten

Gesellschaft? ........................................................................................................ 57

II. Eigenheim und Wohnungspolitik....................................................................... 611. Zwischen Wunsch und Realität: Wohnpräferenzen in Deutschland ............. 612. Das Eigenheim: Wohneigentum in der Bundesrepublik Deutschland........... 66

2.1. Entwicklung und Verteilung des Wohneigentums....................................... 662.2. Eigentumsbildung durch Selbsthilfe in Arbeiterhaushalten......................... 732.3. (Familien-)Soziologische Aspekte des �Projekts Wohneigentum� ............. 75

3. Wohnungspolitik und die Wohneigentumsförderung ..................................... 774. Legitimationen und Leitbilder der Wohnungspolitik:

Die Eigenheimideologie ....................................................................................... 815. Finanzierung und Wohneigentumsförderung .................................................. 90

5.1. Die Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum: Das Problem derEigenkapitallücke ......................................................................................... 90

5.2. Die Wohneigentumsförderung auf Bundes- und Landesebene.................... 99

Page 8: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

VIII

5.2.1. Die Eigenheimzulage ........................................................................ 995.2.2. Die Förderung der Bildung selbstgenutzten Wohneigentums im

Rahmen der sozialen Wohnraumförderung ................................... 1025.2.3. Die soziale Wohneigentumsförderung in Nordrhein-Westfalen..... 103

6. Fazit: Wege zumWohneigentum..................................................................... 106

III. Selbsthilfe im Wohnungsbau............................................................................ 1091. Historische Wurzeln der baulichen Selbsthilfe............................................... 110

1.1. Die Genossenschaftsbewegung.................................................................. 1101.2. Die Siedlerbewegung ................................................................................. 114

2. Aktuelle Untersuchungen zur Selbsthilfe im Wohnungsbau ........................ 1202.1. Formen der Selbsthilfe: Begriffsklärungen................................................ 1212.2. Untersuchungen zur Selbsthilfe im Wohnungsbau: ein Überblick............ 1222.3. Wesentliche Forschungsergebnisse............................................................ 127

2.3.1. Rahmenbedingungen von Selbsthilfe-Projekten............................. 1272.3.2. Selbsthilfe und Finanzierung .......................................................... 1312.3.3. Motive der Selbsthelfer/innen......................................................... 1352.3.4. Familie und Arbeitsteilung.............................................................. 1362.3.5. Arbeitsbelastung durch die Selbsthilfe ........................................... 1382.3.6. �Nebenwirkung�: Die Förderung des Nachbarschaftsgedankens... 140

3. Zwischenfazit: Selbsthilfe als Instrument der Wohnungspolitik?................ 141

IV. Die IBA Emscher Park und die Projektreihe �Einfach und selber bauen� 1451. Die Projektidee �Einfach und selber bauen�.................................................. 1472. Die Selbsthilfe-Projekte und ihre Organisation ............................................. 151

2.1. Projektbeschreibungen ............................................................................... 1512.2. Organisatorische Rahmenbedingungen der Projektreihe �Einfach und

bauen� ............................................................................................. 162

V. Entwicklung der Forschungsfragestellungen ................................................. 165

VI. Methodischer Ansatz und empirisches Material............................................ 1691. Leitfaden-Interviews ......................................................................................... 1692. Fragebogen-Erhebung ...................................................................................... 173

VII.Verborgene Realitäten: Ergebnisse der empirischen Erhebungen .............. 1771. Das soziale Bild der Baufamilien ..................................................................... 177

1.1. Die Altersstruktur der Befragten................................................................ 177

selber .

Page 9: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

IX

1.2. Anzahl und Alter der Kinder...................................................................... 1791.3. Art und Umfang der Berufstätigkeit .......................................................... 181

2. Warum ein Selbsthilfe-Projekt? Motivationen............................................... 1852.1. Entscheidungsdimensionen: Beweggründe für Hausbau und Selbsthilfe in

der Fragebogen-Erhebung.......................................................................... 1862.2. Motivbündel � die Interviewergebnisse ..................................................... 190

2.2.1. Der Wunsch nach etwas �Eigenem� ............................................... 1902.2.2. Finanzielle Dimensionen................................................................. 1922.2.3. Sicherheit der Mittel - Sicherheit des Trägers ................................ 1942.2.4. Die Beschränktheit des Wohnungsmarktes und die Suche nach

Alternativen..................................................................................... 1952.2.5. Spontane Entscheidung: �Eigentlich wollten wir gar nicht bauen� 1962.2.6. Besonderheit des Projekts: Wohnqualität ....................................... 1972.2.7. Die Selbsthilfe an sich..................................................................... 198

2.3. Fazit: Selbsthilfe ist kein Selbstzweck....................................................... 1983. Der Planungs- und Bauprozess ........................................................................ 201

3.1. Baubetreuung und Organisation des Bauprozesses in der Fragebogen-Erhebung .................................................................................................... 202

3.2. Planung und Organisation aus der Sicht der Interviews ............................ 2073.2.1. Projekt A: Formen der Selbstorganisation als Kompensation von

Betreuungsdefiziten......................................................................... 2073.2.2. Projekt B: Eine funktionsfähige Leitung ........................................ 2113.2.3. Projekte C und D: Leistungsdruck und �Stundenängste� ............... 2133.2.4. Projekt E: Intermediäre Institution.................................................. 216

3.3. Mitbestimmungs- und Beteiligungsprozesse ............................................. 2173.4. Fazit: Grundprobleme der Organisation..................................................... 220

4. Finanzierung und Förderung ........................................................................... 2214.1. Die Kosten des Hauses............................................................................... 2224.2. Die Förderung der Baufamilien ................................................................. 2244.3. Vorhandenes Eigenkapital.......................................................................... 2244.4. Finanzierungsstruktur und Selbsthilfeertrag .............................................. 2274.5. Monatliche Belastung der Baufamilien...................................................... 2284.6. Finanzierung und soziale Dynamik in den Interviews............................... 232

4.6.1. �Die Unterschiede in der Finanzierung sind Wahnsinn" ................ 2334.6.2. �Ohne Förderung unrealistisch�...................................................... 2334.6.3. Konfliktpotential: �Zu viel Kohle� ................................................ 2344.6.4. Die Vergabe der Häuser .................................................................. 235

4.7. Fazit: Finanzielle Inhomogenität der Zielgruppe als Konfliktpotenzial .... 236

Page 10: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

X

5. Die Selbsthilfe-Tätigkeit.................................................................................... 2375.1. Umfang, Vergütung und zeitliche Organisation der Selbsthilfe

aus der Sicht der IBA ................................................................................. 2385.2. Planung und Realisierung der Selbsthilfe � Ergebnisse der Fragebogen-

Erhebung .................................................................................................... 2415.3. Unterstützungssysteme: Wer leistete die Selbsthilfe? ............................... 2445.4. Innerfamiliale Arbeitsteilung während der Bauzeit ................................... 247

5.4.1. Berufstätigkeit der Baufamilien ...................................................... 2485.4.2. Innerfamiliare Arbeitsteilung während der Bauzeit........................ 2495.4.3. Kinderbetreuung.............................................................................. 2525.4.4. Vor- und Nachteile der Arbeitsteilungen ........................................ 2535.4.5. �Das war eine Baustelle für Männer� � Zur Konstruktion von

Ausschlussmechanismen................................................................. 2575.4.6. Schlussfolgerungen:

Die Stabilisierung traditioneller Arbeitsteilung? ............................ 2586. (Arbeits-)Belastung � Wie wird die Selbsthilfe reflektiert? .......................... 259

6.1. Allgemeine Einschätzung - War die Bauzeit stressig? .............................. 2606.2. Wesentliche Stressfaktoren: Zeit und Dauer, Konflikte auf der Baustelle

in der Familie ...................................................................................... 2636.3. Körperliche Belastung und Folgen für die Gesundheit.............................. 2696.4. Fazit: Bis an die Grenze der Belastbarkeit und darüber hinaus ................. 272

7. Arbeiten und Wohnen in der Gemeinschaft ................................................... 2737.1. Gemeinschaftlich bauen und arbeiten ........................................................ 273

7.1.1. �Gute Zusammenarbeit, aber keine feste Gemeinschaft� �Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung ............................................ 274

7.1.2. Von �Wir haben Spaß gehabt dabei...� zu �es war hinterhernicht mehr zu ertragen� � Interviewergebnisse............................... 277

7.2. Wohnen in der Gemeinschaft..................................................................... 2847.2.1. Gemeinschaft im Zusammenleben: Gemeinschaftshäuser ............. 2847.2.2. Nachbarschaftlicher Kontakt nach der Bauzeit in den Interviews.. 298

8. Schluss-Reflexionen der Baufamilien .............................................................. 3028.1. Wohnzufriedenheit ..................................................................................... 3038.2. Reflexion der Baufamilien: �Würden Sie es noch einmal machen?� ........ 311

8.2.1. Überwiegend positive Einschätzung in den Fragebögen ................ 3118.2.2. �Interviews� .................................................................................... 312

8.3. Was würden sie ändern?............................................................................. 319VIII. Schlussbetrachtungen ..................................................................................... 323Literatur..................................................................................................................... 333

und

Page 11: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

XI

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Haushaltstypen früheres Bundesgebiet 1972 (23 Mio. Haushalte) ................. 30Abb. 2: Haushaltstypen Deutschland 2000 (38,1 Mio. Haushalte) .............................. 31Abb. 3: Wohneigentumsquoten in Europa 2001 (in %) ............................................... 67Abb. 4: Wohneigentumsquote nach Bundesländern 2002 (in %)................................. 69Abb. 5: Gladbeck, Rosenhügel ................................................................................... 151Abb. 6: Recklinghausen-Hochlar................................................................................ 153Abb. 7: Luftaufnahme Herten..................................................................................... 153Abb. 8: Gelsenkirchen-Bismark: Straßenansicht........................................................ 154Abb. 9: Gelsenkirchen-Bismark: Blick in die Hausreihe ........................................... 155Abb. 10: Luftbild Bergkamen..................................................................................... 156Abb. 11: Duisburg- Hagenshof: Blick auf die Gärten ................................................ 157Abb. 12: Luftaufnahme Duisburg-Hagenshof ............................................................ 158Abb. 13: Luftaufnahme Lünen-Brambauer ................................................................ 159Abb. 14: Lünen-Brambauer: Innenhof........................................................................ 159Abb. 15: Entscheidung für Hausbau (Angaben in %) ................................................ 186Abb. 16: Gründe für den Hausbau (Angaben in %) ................................................... 187Abb. 17: Warum haben Sie sich für ein Selbsthilfe-Projekt entschieden?................. 188Abb. 18: �Wozu hat die Wohnungsbaugesellschaft in Gesprächen vor Beginn des

Hausbaus Ihrer Meinung nach beigetragen?� (absolute Häufigkeiten)....... 202Abb. 19: Arbeit auf der Baustelle � allgemeiner Ablauf (Angabe in Prozent)........... 204Abb. 20: Arbeit auf der Baustelle � Anleitkräfte........................................................ 205Abb. 21: Arbeit auf der Baustelle � Bauleitung/Architekten ..................................... 206Abb. 22: Haben Sie sich bei der Gestaltung der Siedlung mehr Mitbestimmung

gewünscht? (Angaben in Prozent) ............................................................... 218Abb. 23: Vorhandenes Eigenkapital der Baufamilien ................................................ 225Abb. 24: Monatliche finanzielle Belastung der Baufamilien (Angaben in DM)........ 230Abb. 25: Einschätzung der monatlichen Belastung durch den Hausbau.................... 231Abb. 26: Wie viele Selbsthilfe-Stunden (Rohbau und Innenausbau) sollten Sie

laut Wohnungsgesellschaft leisten? ............................................................. 241Abb. 27: Geplante und gearbeitete Selbsthilfestunden............................................... 242Abb. 28: Begründungen für zusätzliche Selbsthilfestunden:

Wir haben mehr gearbeitet, (absolute Häufigkeiten)................................... 243Abb. 29: Selbsthilfestunden der Helfer und Helferinnen (Anzahl der Nennungen) .. 246Abb. 30: Selbsthilfeplanung der Helfer und Helferinnen (Angaben in %) ................ 246Abb. 31: Arbeitsteilung während der Bauzeit: Mitarbeit auf der Baustelle ............... 249Abb. 32: Arbeitsaufteilung während der Bauzeit: Allgemeine Aufgaben

(Angaben in %)............................................................................................ 250Abb. 33: Situation der Kinder während der Bauzeit................................................... 256Abb. 34: Einschätzung der Bauzeit (Angaben in %).................................................. 260

Page 12: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

XII

Abb. 35: Die Situation während der Bauzeit (Angaben in Prozent)........................... 264Abb. 36: Spannungen in der Partnerschaft während der Bauzeit (Angaben in %) .... 267Abb. 37: Einschätzung der körperlichen Anstrengungen während der Bauzeit......... 270Abb. 38: Zusammenarbeit auf der Baustelle während der Bauzeit ............................ 275Abb. 39: Haben Sie meistens mit den gleichen Selbsthelfern zusammengearbeitet? 276Abb. 40: Haben Sie unter den Selbsthelfern neue Bekanntschaften geschlossen? .... 277Abb. 41: Wie finden Sie die Idee eines Gemeinschaftshauses? (Angaben in %) ...... 285Abb. 42: Wie haben Sie den Bau des Gemeinschaftshauses erlebt?

(Anzahl der Nennungen in den Siedlungen mit Gemeinschaftshaus) ......... 286Abb. 43: Wie wird das Gemeinschaftshaus genutzt? (Anzahl der Nennungen) ........ 287Abb. 44: Lünen: Innenhof mit Gemeinschaftshaus .................................................... 290Abb. 45: Bergkamen: Gemeinschaftsfläche und Blick auf �Gemeinschaftshaus�..... 292Abb. 46: �Gemeinschaftshaus� in Bergkamen ........................................................... 292Abb. 47: Duisburg: Gemeinschaftshaus ..................................................................... 293Abb. 48: Innenhof in Herten ....................................................................................... 294Abb. 49: Wohnsituation der Kinder............................................................................ 305Abb. 50: Einschätzung von Grundrisszuschnitt und Belichtung ................................ 306Abb. 51: Einschätzung des Wohnumfeldes ................................................................ 307Abb. 52: Einschätzung von Siedlung und Nachbarschaft .......................................... 309Abb. 53: Lünen: Blick auf die Gärten mit Terrasse oder Wintergarten ..................... 310Abb. 54: Gesamteinschätzung der Baufamilien: Würden Sie aus heutiger Sicht

betrachtet noch einmal bauen? (Angaben in %) .......................................... 311Abb. 55: Aufgeben in der Bauzeit: Wenn Sie sich in die Bauzeit zurückversetzen,

haben Sie in dieser Zeit daran gedacht, aufzugeben? (Angaben in %) ....... 312

Page 13: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Die Entwicklung der Eigentumsquote im früheren Bundesgebiet ..................... 66Tab. 2: Anteil privater Haushalte mit Wohneigentum nach Haushaltsgröße................. 69Tab. 3: Haushalte in Eigentümerwohnungen nach sozialrechtlicher Stellung des...........

Haushaltsvorstands in Prozent (alte Bundesrepublik).......................................... 73Tab. 4: Übersicht: Legitimationen und kritische Betrachtung der ...................................

Wohneigentumsbildung ........................................................................................... 83Tab. 5: Preise, Grundstücks- und Baukosten pro qm in deutschen Großregionen........ 93Tab. 6: Beispiel Finanzierungsplan und Annuitäten einer Eigenheimfinanzierung...... 96Tab. 7: Beispielrechnung der monatlichen Belastung..................................................... 106Tab. 8: Übersicht: Einsparungspotenzial der Selbsthilfe................................................ 132Tab. 9: Die Projektreihe "Einfach und selber bauen" im Überblick ............................. 160Tab. 10: Rücklauf Fragebögen........................................................................................... 174Tab. 11: Altersstruktur in Interviews, Fragebögen und Durchschnitt aller Projekte

(nach Angaben der IBA)...................................................................................... 178Tab. 12: Kinderanzahl zu Baubeginn: Interviews, Fragebögen und Durchschnitt

aller Projekte nach Angaben der IBA ................................................................ 179Tab. 13: Alter der Kinder zu Baubeginn in den Interviews und der Fragebogen-

Erhebung .............................................................................................................. 180Tab. 14: Interviews: Umfang Berufstätigkeit nach Geschlecht ..................................... 181Tab. 15: Fragebogen: Umfang der Berufstätigkeit nach Geschlecht ............................ 182Tab. 16: Kreuztabelle Berufstätigkeit Mann/Partner und Berufstätigkeit

Frau/Partnerin........................................................................................................ 183Tab. 17: Kreuztabelle Berufstätigkeit Frau und Kinderanzahl ...................................... 183Tab. 18: Berufstätigkeit im Durchschnitt aller Projekte nach Angaben der IBA........ 184Tab. 19: Grundstückvergabe und Grundstückskosten nach Angaben der IBA ........... 222Tab. 20: Beispiele für die Zusammensetzung der Gesamtkosten nach Angaben

der IBA................................................................................................................... 223Tab. 21: Eigenkapital der BewohnerInnen nach Angaben der IBA.............................. 227Tab. 22: Finanzierungsstruktur der Eigenheime nach Angaben der IBA..................... 227Tab. 23: Selbsthilfeertrag nach Angaben der IBA........................................................... 228Tab. 24: Beispiel Finanzierungskosten ............................................................................. 228Tab. 25: Vergleich Miete vorher und gesamte aktuelle monatliche Belastung ........... 229Tab. 26: Umfang und Vergütung der Selbsthilfeleistungen nach Angaben der IBA.. 243Tab. 27: Helfer eingeplant � tatsächliche Helfer ............................................................. 245Tab. 28: Verteilung der Berufstätigkeit in Interviews und Fragebogen-Erhebung ..... 248Tab. 29: Vergleich Wohnraum vorher und aktuell.......................................................... 309Tab. 30: Würden Sie es noch einmal machen? ................................................................ 313

XIII

Page 14: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

XV

AbkürzungsverzeichnisBAGS Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales HamburgBBR Bundesamt für Bauwesen und RaumordnungBMBau Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und StädtebauBMFSFJ Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und JugendEigZulG EigenheimzulagengesetzGEWOS Gesellschaft für Wohnungsbau- und SiedlungswesenIfS Institut für Stadtforschung und StrukturpolitikIBA Internationale BauausstellungILS Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nord-

rhein-WestfalenIRS Institut für Regionalentwicklung und StrukturplanungLB Landesinstitut für Bauwesen des Landes NRWLBS LandesbausparkasseLEG Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-WestfalenMBW Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen

(alt)MFJFG Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes

Nordrhein-WestfalenMSWKS Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes

Nordrhein-WestfalenWOBauP WohnungsbauprogrammWoFG WohnraumförderungsgesetzVhw Deutsches Volksheimstättenwerk e. V.

Page 15: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

1

1. EinleitungWohnen im Wandel � in den letzten Jahrzehnten haben sich aufgrund eines gesell-schaftlichen Strukturwandels auch Wohnverhalten und Wohnbedürfnisse verändert. Inden wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Diskussionen zur Zukunft desWohnens werden insbesondere drei Tendenzen hervorgehoben: 1. Die demographi-schen Veränderungen, die mit den Stichworten Bevölkerungsrückgang, Alterung undInternationalisierung der Gesellschaft charakterisiert werden können. Dies hat massiveAuswirkungen auf die Verteilung der Arbeit und die sozialstaatlichen Absiche-rungssysteme. 2. Die Ablösung der Familie als Normalform menschlichen Zusammen-lebens in Richtung einer Pluralisierung von Lebensformen und Wohnbedürfnissen. 3.Die Veränderungen der Arbeitswelt. Im Zuge einer Flexibilisierung von Arbeitszeitenund �orten rücken Wohnen und Arbeiten wieder näher zusammen. Ebenso kann durchdie zunehmende Arbeitslosigkeit davon ausgegangen werden, dass dem Wohnen einestärke Bedeutung für die Gestaltung des Lebensalltags zukommt (Schader-Stiftung2002).

Empirischer Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist die Anfang der 1990er Jahrevon der Internationalen Bauausstellung (IBA) Emscher Park entwickelte Projektreihe�Einfach und selber bauen�. Im Rahmen dieser Reihe wurden von 1994 bis 2000 sie-ben Siedlungen in organisierter Gruppenselbsthilfe in Nordrhein-Westfalen realisiert.Das Ziel der Projektreihe bestand darin, jungen Familien mittlerer und unterer Ein-kommensschichten durch die Kombination von Selbsthilfe und kostengünstigem Bau-en einen neuen Weg zum Wohneigentum zu ermöglichen. Im Mittelpunkt standen da-bei nicht die klassischen �Eigenheimer�, sondern Schwellenhaushalte, die sich Wohn-eigentum ohne besondere Förderungen nicht leisten könnten. Um dieses Ziel zu errei-chen, wurde eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen angewandt: Kosten-günstiges und ressourcenschonendes Bauen, Bauen in der Gruppe und Selbsthilfe alsEigenkapitalsersatz. Kern der Projektidee war der Einsatz von organisierter Gruppen-selbsthilfe der Baufamilien, die durch Eigenleistung (�Muskelhypothek�) das notwen-dige Eigenkapital ersetzen und zur Reduzierung der Finanzierungskosten beitragenkonnte.

Die Selbsthilfe-Siedlungen werden � von der IBA als Initiatorin � als ein innovativesKonzept im Wohnungsbau bzw. der Wohnungsversorgung von Familien bezeichnet.Die Projektreihe verfolgt das Ziel, soziale Ungleichheit beim Zugang zu Wohneigen-tum einerseits und der Vereinzelung von Familien beim Bau andererseits aufzufangen.Die organisierte Gruppenselbsthilfe spielt dabei eine zentrale Rolle, denn sie stellt einebesondere Form der Selbsthilfe dar, in der die Gruppe der Baufamilien unter Anleitung

Page 16: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

2

gemeinsam alle Häuser erstellt. Die Selbsthilfe dient in diesem Zusammenhang nebender Schaffung des (finanziellen) Zugangs auch der Herstellung gemeinschaftlicher Be-züge. Alle Projekte verfolgen einen starken Gemeinschafts- und Nachbarschaftsge-danken, der auch in gemeinschaftlichen Einrichtungen zum Ausdruck kommt.

Die vorliegende Arbeit verfolgt die Frage, wie die Projektstrategie � der erheblicheEinsatz baulicher Selbsthilfe zur Wohneigentumsbildung und zur Entwicklung nach-barschaftlicher Netzwerke � aus der Perspektive der beteiligten Baufamilien nach Ab-schluss der Bauphase bilanziert wird. Dabei wird der Forschungsstand zu den zentra-len Merkmalen der �Einfach und selber bauen� � Projekte aufgearbeitet, indem dreiZugänge gewählt werden: Das Individualisierungskonzept als Erklärungshorizont desgesellschaftlichen Wandels, die Wohneigentumsbildung und die Selbsthilfe.

Die individualisierungstheoretischen Annahmen werden in Bezug auf die Ausgestal-tung der Geschlechterverhältnisse, der Veränderungen der Lebensformen und der Be-deutung von gemeinschaftlichen Wohnformen analysiert. Die derzeitige Gesellschaftbefindet sich in einem grundlegenden Strukturwandel, der durch einen Prozess derzunehmenden Herauslösung der Individuen aus traditionellen Bezügen und Einbin-dungen gekennzeichnet ist (Beck 1986). Diese Freisetzungsprozesse werden in derwissenschaftlichen Diskussion unterschiedlich bewertet. Hervorgehoben wird, dass dieFreisetzung aus alten Traditionen auch neue Zwänge und Abhängigkeiten hervorgeru-fen hat und dass damit erhebliche Risiken und Brüche der individuellen Lebensfüh-rung verbunden sind. Diese Prozesse werden für die Geschlechter unterschiedlich be-schrieben. Festzuhalten ist jedoch, dass die Freisetzungsprozesse für Frauen die Erwei-terung von Lebensmöglichkeiten und Handlungsspielräumen (jenseits der Familienrol-le) bedeuten und dies ebenfalls Konsequenzen für die Wohnweisen in der Gesellschafthat.

Im Hinblick auf Entwicklung der Lebens- und Wohnformen bedeutet diese ambivalen-te Freisetzung der Individuen ein Spannungsfeld zwischen einer als negativ bezeichne-ten Individualisierung (Herauslösung aus traditionellen Bindungen, Isolation, Anony-mität, keine soziale Einbindung) und der Frage nach neuen Möglichkeiten einer sozia-le Einbindung (Re-Integration) auf der Ebene des Wohnens. Der durchaus kontroversdiskutierten Annahme einer zunehmenden Vereinsamung und Isolierung von Individu-en steht eine soziale Praxis gegenüber, die vielfältige neue Zusammenschlüsse imWohnen aufzeigt: Neue Wohnformen und Wohnprojekte, die Gemeinschaft im Zu-sammenwohnen praktizieren. Ein wesentliches Element dieser neuen Nachbarschaftensind Mitbestimmungs- und Beteiligungsprozesse. Die stadtsoziologischen Forschun-gen zeigen eine wachsende Anzahl neuer Wohnprojekten auf, die diesem in der Sozio-

Page 17: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

3

logie beschriebenen Trend der Vereinzelung entgegen zu wirken versuchen (Novy1989, Brech 1999).

Auch die Prozesse der Wohneigentumsbildung unterliegen einem gesellschaftlichenWandel. Den Umgang einer Gesellschaft mit Risiken prägt die Höhe der Wohneigen-tumsquote in einem Land, so das Ergebnis einer neueren Untersuchung (Beh-ring/Helbrecht 2002). Selbstgenutztes Wohneigentum kann vor einem individualisie-rungstheoretischen Hintergrund als Absicherung gesellschaftlicher Risiken verstandenwerden (Vermögensbildung, Altersversorgung). Entscheidendes Kennzeichen des Zu-gangs zu Wohneigentum ist die soziale Selektivität. Haushalte mit geringem und mitt-lerem Einkommen sind häufig von der Eigentumsbildung abgeschlossen, da ihnen dasnotwendige Eigenkapital fehlt. Der Besitz von Wohnraum gilt in Deutschland als eingesellschaftlich akzeptiertes und erstrebenswertes Ziel. Gesellschaftlicher Erfolg wirdoftmals am Besitz von Wohnraum - am ehesten und pointiertesten in der Form eines�freistehenden Einfamilienhauses� - gemessen.

Das Streben nach dem eigenen Heim ausschließlich auf menschliche Grundbedürfnis-se zurückzuführen, geht jedoch an den sozialhistorischen Bedingungen dieser Verhal-tensdispositionen vorbei (Elias 1979). Zu fragen ist in diesem Zusammenhang, in wel-chem Maße individuelle Wünsche (nach einem eigenen Heim) gesellschaftlich herge-stellte sind. Vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Strukturwandels kann sich dieBedeutung von Wohneigentum jedoch auch wandeln. Folgt man neueren Theorien, soverliert Eigentum im Zuge eines massiven Wertewandels und den Folgen der Globali-sierung an Wert. Nicht mehr das materielle Eigentum, sondern der schnelle Zugang zuInformationen und Netzwerken wird zum zentralen Wert (Rifkin 2002). Interessant istin diesem Zusammenhang die Frage, welche sozialen Gruppen weiterhin an der Eigen-tumsbildung festhalten.

Als ein traditioneller Weg, Wohneigentum zu bilden, gilt die Selbsthilfe. BaulicheSelbsthilfe ist historisch eng mit den genossenschaftlichen Zielen (Selbstbestimmungund Selbstverwaltung) verknüpft. Die Mitarbeit am eigenen Hausbau gilt auch heutenoch gerade in ländlichen Regionen als selbstverständlich. Die Selbsthilfe im Woh-nungsbau verbindet beide vorgestellten Argumentationsstränge, die Frage nach ge-meinschaftlichem Wohnen als soziale Einbindung und die Eigentumsbildung. So stelltdie Mitarbeit auf der Baustelle wohl die direkteste Form von Mitbestimmungs- undBeteiligungsprozessen dar, die als grundlegend für die Entwicklung funktionierenderNachbarschaften gesehen werden (Siebel 1999). Die Selbsthilfe bietet die Möglichkeit,das notwendige Eigenkapital durch Eigenarbeit zu ersetzen und damit Schwellenhaus-halten den Zugang zu Eigentum zu ermöglichen.

Page 18: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

4

Diese Arbeit zeigt auf, welche Entwicklungen in der Forschung zur Bedeutung ge-meinschaftlicher Wohnformen vorhanden sind und verknüpft diese mit den Ergebnis-sen der Studien zu Wohneigentum und Selbsthilfe. Es besteht ein Defizit an Wissenüber die Prozesse, Rahmenbedingungen und Erfahrungen von gemeinschaftlichenWohnformen, der Bildung von Wohneigentum und der Selbsthilfe in ihrer Doppel-funktion als Weg zur Eigentumsbildung und der Schaffung von Gemeinschaft. Es gilt,dieses Defizit aus einer soziologischen Perspektive zu erforschen und auf der Grund-lage von empirischen Daten zu einer Erweiterung des Wissens beizutragen.

Die Arbeit ist wie folgt aufgebaut: In Kapitel I wird der theoretische Hintergrund skiz-ziert. Dabei werden die individualisierungstheoretischen Annahmen vor dem Hinter-grund der Forschungsliteratur kritisch diskutiert und in ihrer Bedeutung für die Aus-gestaltung der Geschlechterverhältnisse, der Veränderungen der Lebensformen unddes Wohnens als Re-Integrationsebene beleuchtet. Die theoretischen Konzepte werdenauf der Grundlage der vorliegenden empirischen Forschungsliteratur im Hinblick aufihre Gültigkeit überprüft (Kapitel I.2.2, I.2.3 und I.3).

In Kapitel II wird der Forschungsstand sozialwissenschaftlicher Untersuchungen zuselbstgenutztem Wohneigentum dargestellt. Die Ergebnisse lassen auf ein Behar-rungsvermögen der �Eigentumsnorm� schließen. Aus diesem Grund lässt sich die Fra-ge nach der Diskrepanz zwischen dem Wunsch nach Eigentum und der Realität derEigentumsverteilung in der Bundesrepublik nicht einfach beantworten. Es muss viel-mehr differenziert gefragt werden, welche wohnungspolitischen Rahmenbedingungenund Förderinstrumente die Wohneigentumsbildung in den letzten Jahrzehnten begleitethaben (Kapitel II.3) und welche Leitbilder und Legitimationen hinter dem Wunschnach Eigentum stehen (Kapitel II.4).

In Kapitel III wird die Entwicklung des Konzepts �Selbsthilfe� skizziert, der aktuelleForschungsstand zur baulichen Selbsthilfe aufgearbeitet und mit Bezug auf das Fall-beispiel dargestellt.

Als Überleitung zu dem empirischen Teil der Arbeit dokumentiert das Kapitel IV dasKonzept der IBA-Projektreihe �Einfach und selber bauen� sowie die Auswertung dervorhandenen Erhebungen zu den Selbsthilfesiedlungen der IBA. Daran anschließenderfolgt in Kapitel V die Präzisierung der Forschungsfragestellungen.

Das methodische Vorgehen der Untersuchung wird in Kapitel VI. erläutert. Die Aus-wertung des empirischen Materials (Interviews und Fragebögen) erfolgt auf derGrundlage eines themengeleiteten Kategoriensystems. Entlang der empirischen Ergeb-nisse wird nach den Erfahrungen der Familien gefragt, die an den Selbsthilfeprojektenteilgenommen haben (Kapitel VII.). So wird auf der Basis der empirischen Untersu-chung den Fragen nachgegangen, vor welchem Hintergrund sich Familien zu dem

Page 19: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

5

Schritt der Eigentumsbildung durch Selbsthilfe entscheiden. Welche Rolle spielt dabeider Gemeinschaftsaspekt (gemeinsam Bauen und Wohnen, Gemeinschaftseinrichtun-gen). Wie gestaltet sich dieses Projekt in der konkreten organisatorischen Umsetzung?Weiter wird nach den Gestaltungsmöglichkeiten der Familien und den finanziellen undorganisatorischen Voraussetzungen gefragt. Die hier vorgestellten Erfahrungen derBaufamilien und die in ihnen deutlich werdenden Handlungsmuster und Strategienrepräsentieren eine bestimmte Form der Aneignung und individuellen Verarbeitungdes Bauprozesses.

Die Arbeit schließt mit einem Resümee der Ergebnisse der empirischen Analysen imHinblick auf die in den theoretischen Ausführungen im ersten Teil der Arbeit aufge-worfenen Fragen. Auf dieser Basis werden Schlussfolgerungen für die Praxis vonWohnungspolitik und Selbsthilfe entwickelt.

Page 20: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

7

I. Wohnwandel - im Spannungsfeld von Individualisierung,Vergemeinschaftung und Geschlechterverhältnis

In den letzten Jahrzehnten hat sich ein tief greifender gesellschaftlicher Wandel in denwestlichen industrialisierten Gesellschaften vollzogen. Dieser Strukturwandel berührtalle wesentlichen Bereiche moderner Gesellschaften: demographische Entwicklung,Flexibilisierung der Arbeitswelt, Formen des Zusammenlebens sowie politische undwirtschaftliche Entwicklungen im Kontext von Globalisierung. Insbesondere die de-mographische Entwicklung sowie die Pluralisierung von Lebensformen, verbundenmit der abnehmenden Bedeutung der Familie als "Normalform" menschlichen Zu-sammenlebens, und die Tendenz einer fortschreitenden �Singularisierung� � Entwick-lungen, die in einem engen Zusammenhang mit weitreichenden Veränderungen imGeschlechterverhältnis stehen - sind für das Wohnen von Bedeutung.

Wohnen wird im Kontext meiner Arbeit als ein gesellschaftliches und soziales Phä-nomen betrachtet, das historisch veränderbar ist und sich in Abhängigkeit von der so-zialen und gesellschaftlichen Situation gestaltet und entwickelt. Die rein funktionaleAusrichtung des modernen Wohnens, wie sie Häußermann und Siebel (1996) im Ideal-typus des �modernen Wohnen� nachzeichnen, verliert mehr und mehr an Bedeutung.Flexibilität, um die Wohnverhältnisse an die sich schnell ändernden Lebensverhältnis-se anzupassen, steht im Mittelpunkt neuer Wohnbedürfnisse, ebenso der Wunsch nachder Einbindung in eine Gemeinschaft bzw. eine gemeinschaftliche Orientierung desWohnens. Selbst- und fremdinitiierte Wohnprojekte nehmen in den letzten Jahren kon-tinuierlich zu (Brech 1999). Das Bedürfnis nach einer stabilen, vertrauten und verläss-lichen Nachbarschaft ist eine starke Motivation für das Entstehen von sozial orientier-ten Wohnprojekten.

Der Wunsch nach Gemeinschaft und die Betonung einer funktionierenden, stabilenNachbarschaft sind vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Veränderungen nichtselbstverständlich. Weshalb entsteht diese Orientierung und erfolgen diese Zusam-menschlüsse? Wie lassen sie sich konzeptionell erfassen und einordnen? Um dies zuverstehen, ist es notwendig, die Analysen der modernen Gesellschaft zu betrachten.

"Gesellschaftsdiagnosen", die den sozialstrukturellen Wandel der Gesellschaft konzep-tionell zu fassen versuchen und die diese z. B. als Erlebnis-, Wissens-, Kommunikati-ons-, Informations- oder Risikogesellschaft und individualisierte Gesellschaft begriff-lich charakterisieren, gab es in den letzten Jahren viele. Die Vielfalt der Labels zeigtdie Schwierigkeit, gesellschaftliche Veränderungen in ihrer Komplexität und Wider-sprüchlichkeit auf einen Begriff zu bringen. Das Theorem der Individualisierung, An-fang der 1980er Jahre von Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim formuliert, wareines der ersten Konzepte, mit dem versucht wurde, den sich dynamisierenden gesell-

Page 21: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

8

schaftlichen Wandel westlicher Industriegesellschaften begrifflich und theoretisch zufassen. In gesellschaftstheoretischen Debatten wurde und wird die Individualisierungs-these vielfältig rezipiert, kritisiert und empirisch untersucht und erlangte als ein gesell-schaftliches Deutungsmuster eine breite Resonanz. Man kann daher von einer Etablie-rung des zeitdiagnostischen Leitbegriffs der �individualisierten Gesellschaft� sprechen(Schroer 2001, Ebers 1995). Im Folgenden wird daher das Konzept der Individualisie-rung als Erklärungshorizont der gesellschaftlichen Veränderungen herangezogen undim Hinblick auf den Wandel in den Geschlechterverhältnissen, der Wohn- und Lebens-formen und der Entstehung gemeinschaftsorientierter Wohnprojekte untersucht.

1. Das Individualisierungskonzept�Individualisierung� ist ein vieldeutiger Begriff, der in der Soziologie an der Schnitt-stelle unterschiedlicher Denktraditionen angesiedelt ist. Übereinstimmung hinsichtlichdes inhaltlichen Verständnisses von �Individualisierung� besteht am ehesten darin,dass damit die Erlangung von Autonomie über die Art der Lebensgestaltung gemeintist (Neckel 1993: 70). Auf einer allgemeinen Ebene thematisiert Individualisierungdamit den Prozess der zunehmenden Abnahme einer gesellschaftlichen Steuerung zu-gunsten einer Zunahme individueller Selbststeuerung.

Mit dem Begriff der �Individualisierung� greift Ulrich Beck eine Problemstellung auf,die die Soziologie seit ihren Anfängen beschäftigt hat. In der soziologischen Klassikwird Individualisierung auf Prozesse der gesellschaftlichen Differenzierung zurückge-führt. Die Klassiker (z. B. Simmel, Tönnies, Dürkheim oder Weber) verknüpfen mitder Individualisierung immer auch die Frage nach den Folgen für die gesellschaftlicheIntegration. Die Frage nach Auflösung oder Weiterbestehen gemeinschaftlicher Bezü-ge und traditioneller Lebenszusammenhänge war somit Gegenstand der sich bildendensoziologischen Wissenschaft. Die soziologischen Klassiker beschreiben sozialstruktu-relle Veränderungen im Übergang von der traditionalen zur modernen Gesellschaft,die derzeit aktuellen Analysen beleuchten diese Entwicklung innerhalb der Moderne.In diesem Zusammenhang sind zwei Phasen der �Individualisierung� zu unterschei-den: Erstens die Phase eines primären Individualisierungsschubs, der in der soziologi-schen Klassik als eine Unterscheidung zwischen vormodernen und modernen Gesell-schaften im Sinne einer prinzipiellen Freisetzung der Menschen aus vormodernen Bin-dungen und Zwängen erfasst wird; die zweite Phase wird in der aktuellen soziologi-schen Diskussion als eine Phase sekundärer Individualisierungsschübe innerhalb derModerne thematisiert (Ebers 1995: 26).

Im Rahmen modernisierungstheoretischer Annahmen über die Entwicklung der westli-chen Gesellschaften wird insbesondere von Ulrich Beck (1983, 1986) und ElisabethBeck-Gernsheim (1994) ein neuer Vergesellschaftungsmodus dargestellt, bei dem die

Page 22: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

9

einzelnen Gesellschaftsmitglieder weiter aus traditionalen, kollektiven Bindungen her-ausgelöst und zu den kleinsten sozialen Einheiten der Vergesellschaftung gemachtwerden.

In den aktuellen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen wird der Prozess der Indi-vidualisierung sehr unterschiedlich gesehen und gewertet. Markus Schroer (2001) i-dentifiziert in seiner umfassenden Analyse klassischer und aktueller Individualisie-rungstheoretiker drei zu unterscheidende Hauptstränge in der Diskussion um Individu-alisierung. Er spricht von einer �negativen Individualisierung� wenn die Zerstörungder gemeinschaftsbildenden Bezüge im Vordergrund der Gesellschaftsanalyse steht.Die gesellschaftlichen Veränderungen werden hier zugespitzt charakterisiert als Ano-mie, Desintegration oder Isolierung. Es wird jedoch ebenfalls die Gefahr von Diszipli-nierungs- und Standardisierungsprozessen für das Individuum gesehen (Weber, Ador-no, Foucault). Die Position der �positiven Individualisierung� betont demgegenüberdie Chancen und Potenziale des Individualisierungsprozesses im Sinne einer Steige-rung der individuellen Autonomie (Durkheim, Parsons, Luhmann). Neben GeorgSimmel und Norbert Elias wird Ulrich Beck schließlich als ein Vertreter der �ambiva-lenten Individualisierung� bezeichnet, der beide Pole der Diskussion, die Chancen undRisiken der Individualisierung in den Blick nimmt (Schroer 2001). Diese Argumenta-tionslinie stellt Individualisierung als einen in sich ambivalenten und widersprüchli-chen Prozess dar, in dem nicht nur die Folgen der Individualisierung ambivalent sind,sondern auch der Individualisierungsprozess selber.

�Freilich kann Individualisierung sowohl Gefährdungen des Individuums mit sichbringen � etwa durch Disziplinierungs-, Uniformierungs- und Standardisierungspro-zesse � als auch zur Gefährdung des sozialen Zusammenhalts � etwa durch Atomisie-rungsprozesse, Solidaritätsschwund und Orientierungslosigkeit � führen.� (Schroer2001: 12)

Unabhängig von der positiven, negativen oder ambivalenten Deutung der Folgen derIndividualisierung bedeutet der Individualisierungsprozess auch, dass ein Vergesell-schaftungsmodus durch einen anderen ersetzt wird. Damit bedeutet Individualisierungin erster Linie nicht eine Auflösung, sondern eine Veränderung der Sozialstruktur (E-bers 1995: 27). In diesem Sinne wird in den gesellschaftstheoretischen und empiri-schen Analysen der modernen Gegenwartsgesellschaft herausgestellt, dass die Moder-ne nicht einfach durch eine Zerstörung aller gemeinschaftlichen Bindungen und tradi-tioneller Lebenszusammenhänge gekennzeichnet ist, sondern dass sich in ihr auchneue Gemeinschaftsbezüge in Form �posttraditionaler Gemeinschaften� (Neckel 1993:79) herausgebildet haben.

Page 23: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

10

Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden die Grundannahmen des von Beck undBeck-Gernsheim vertretenden Individualisierungstheorems skizziert. Dabei liegt einSchwerpunkt auf dem Bereich der alltagspraktischen Lebensführung, der hier als Indi-vidualisierung der Lebenslagen und Lebenswege thematisiert wird. Ein zweiterSchwerpunkt der theoretischen Darstellung und Erörterung liegt auf der möglichenEntstehung neuer Gemeinschaftsbezüge im Sinne der Re-Integration. Beide Themen-bereiche sind im Hinblick auf meinen empirischen Forschungsgegenstand � Wohnei-gentumsbildung durch Selbsthilfe und gemeinschaftliches Wohnen von Familien � vonbesonderer Bedeutung.

1.1. Grundannahmen des IndividualisierungstheoremsDie Thesen von Ulrich Beck zur Risikogesellschaft und insbesondere zur Individuali-sierung der Lebenslagen und Lebenswege haben eine breite Rezeption nicht nur in derWissenschaft gefunden. In der Analyse gesellschaftlicher Wandlungsprozesse ist dasIndividualisierungskonzept zu einem zentralen Begriff geworden. Beck entwickelt seinIndividualisierungstheorem im Kontext der Diskussion um soziale Ungleichheit. Erbenutzt den Begriff der Individualisierung, um einen neuen Vergesellschaftungsmo-dus, einen Wandel im Verhältnis von Individuum und Gesellschaft zu beschreiben. Esgeht ihm dabei insbesondere um die Analyse der sozialstrukturellen Bedingungen derEntfaltung von Individualisierung in einer spezifischen gesellschaftlichen Situation.Beck versteht Individualisierung als eine �historisch-soziologische� und eine �gesell-schaftsgeschichtliche� Kategorie, die beschreibt, �was mit den Menschen geschieht�(Beck 1991: 40). Individualisierung erfasst damit auch die Veränderung von Lebens-lagen und Biographiemustern.

Kennzeichnend für die gesellschaftliche Entwicklung nach Beck ist der Übergang vonder klassischen Industriegesellschaft zu einer industriellen Risikogesellschaft.1 In sei-ner theoretischen Leitidee der reflexiven Modernisierung verfolgt Beck zwei Argu-mentationslinien: Erstens den Übergang von einer traditionalen Logik der Reichtums-verteilung zu einer sich abzeichnenden Logik der Risikogesellschaft und zweitens denProzess der Individualisierung der Lebenslagen und Lebenswege der Menschen sowieder Institutionen der klassischen Industriegesellschaft (Ebers 1995: 270). Für die Fra-gestellung dieser Arbeit ist insbesondere der zweite Argumentationsstrang von Bedeu-tung und auf diesem wird im weiteren Verlauf der Schwerpunkt der Darstellung lie-gen.

1 Beck bezieht sich in der Darstellung der historischen Entwicklung auf ein idealtypisch gezeichnetes Gegen-bild von �traditioneller Industriegesellschaft�. Diesen Wandel diagnostiziert Beck als einen epochalen Bruchmit tief greifenden Folgen für die Lebensführung und Alltagsbewältigung der Individuen (vgl. hierzu kritischFriedrichs 1998).

Page 24: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

11

Im Prozess der reflexiven Modernisierung erfolgt eine vielfältige Ausdifferenzierungder industriegesellschaftlichen Schlüsselbegriffe. Gleichzeitig lösen sich die lebens-weltlichen Erfahrungszusammenhänge auf und die Menschen werden aus den Lebens-formen und tradierten Selbstverständlichkeiten freigesetzt: �... gesellschaftliche, bio-graphische und kulturelle Risiken und Unsicherheiten, die in der fortgeschrittenenModerne das soziale Binnengefüge der Industriegesellschaft � soziale Klassen, Famili-enformen, Geschlechtslagen, Ehe, Elternschaft, Beruf � und die in sie eingelassenenBasisselbstverständlichkeiten der Lebensführung ausgedünnt und umgeschmolzen ha-ben.� (Beck 1986: 115).

Es werden hier drei Freisetzungs- und Unsicherheitsebenen benannt: soziale Klasse,Familie und das Geschlechterverhältnis. Der Individualisierungsprozess ist für Beck insich widersprüchlich, da mit der Freisetzung gleichzeitig die Entstehung neuer Abhän-gigkeiten verbunden ist. Diese entstehen im Kontext einer Vereinheitlichung undStandardisierung von Existenzformen und sind verbunden mit neuartigen politischenKontroll- und Einflusschancen. Individuallagen werden insbesondere abhängig vonWirtschafts- und Arbeitsmarktkonjunkturen, da Beck den Arbeitsmarkt als Schlüsselzur Lebenssicherung sieht (Beck 1986: 214). Andererseits wandeln sich die biographi-schen Optionen in Richtung einer Pluralisierung der Wahl- und Entscheidungsmög-lichkeiten: Die Normalbiographie wird zu einer �Wahl- und Bastelbiographie� (Beck1986: 217); �die �Selbstverwirklichung� wird zu einem kulturell vorgegebenenZwang.� (Beck-Gernsheim 1990: 75)

In den aktuellen Individualisierungsprozessen sieht Beck einen neuen Modus der Ver-gesellschaftung. Um diesen präziser zu erfassen, skizziert er ein Individualisierungs-modell, in dem sich die Individualisierung in drei Dimensionen entfaltet:

�Herauslösung aus historisch vorgegebenen Sozialformen und -bindungen im Sin-ne traditionaler Herrschafts- und Versorgungszusammenhänge (�Freisetzungsdi-mension�), Verlust von traditionalen Sicherheiten im Hinblick auf Handlungswis-sen, Glauben und leitende Normen (�Entzauberungsdimension�) und � womit dieBedeutung des Begriffes gleichsam in ihr Gegenteil verkehrt wird � eine neue Artder sozialen Einbindung (�Kontroll- und Reintegrationsdimension�).� (Beck 1986:206)

Herauslösung, Stabilitätsverlust und soziale (Wieder)Einbindung stellen demnach diedrei Momente von Individualisierung dar. Dieses analytische Modell wird von Beckweiter ausdifferenziert, indem er zwischen der objektiven Lebenslage und dem subjek-tiven Bewusstsein (Identität) unterscheidet. Mit dem letzteren ist die Frage nach demsubjektiven Umgang der Menschen in Verhalten und Bewusstsein mit den sich wan-delnden objektiven Lebenslagen und -bedingungen gemeint (Beck 1986: 207).

Page 25: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

12

Beck identifiziert drei Kristallisationspunkte für die Freisetzungen in der Gegenwarts-gesellschaft: Zum ersten ist dies die Freisetzung aus sozialen und kulturellen Klassen-bindungen im Reproduktionsbereich bei Beibehaltung wesentlicher sozialer Ungleich-heiten. Diese Wandlungen sind für Beck beschreibbar anhand der Veränderungen vonFamilienstrukturen, Wohnverhältnissen, räumlichen Verteilungen und Nachbar-schaftsbeziehungen. Der zweite Punkt betrifft die Individualisierung der Frauen, alsoFreisetzung aus der Eheversorgung. Die dritte Freisetzungsdimension bezieht sich aufden Produktionsbereich: die Flexibilisierung der Erwerbsarbeitszeit, verbunden miteiner Dezentralisierung des Arbeitsortes (Beck 1986: 208f.).

1.2. Die Individualisierung von Lebenslagen und Lebenswegen:Freisetzung aus Geschlechtslagen und Familie

Lange gewachsene und tradierte Strukturen, die individuelle Lebensgestaltungsmög-lichkeiten oft begrenzt und eingeschränkt haben, lösen sich nach Beck auf zugunstenflexibler, relativ rasch veränderbarer und nicht an vorgegebenen traditionellen Normenorientierter Lebenszusammenhänge. An die Stelle der Stände, Schichten und Klassentreten �individualisierte Existenzformen und Existenzlagen, die die Menschen dazuzwingen, sich selbst � um des eigenen materiellen Überlebens willens � zum Zentrumihrer eigenen Lebensplanungen und Lebensführungen zu machen� (Beck 1986: 116).Doch für das Individuum ist die soziale Klasse nicht der einzige soziale Zusammen-hang, der sich auflöst. Neben der Durchsetzung von Individualisierungsprozessen amArbeitsmarkt und in den Strukturen sozialer Ungleichheit werden die Individualisie-rungsprozesse auch in anderen Grundelementen der klassischen Industriegesellschaftdeutlich: in der Kleinfamilie und im Geschlechterverhältnis.

Die geschlechtsspezifische Rollenverteilung � Karin Hausen (1976) nennt sie die �po-larisierten Geschlechtscharaktere� � ist für Beck die Basis der Industriegesellschaft.Dies setzt sich in dem Modell der bürgerlichen Kleinfamilie fort: �Ohne Kleinfamiliekeine Industriegesellschaft in ihrer Schematik von Arbeit und Leben� (Beck 1986:174). Die Zuordnung von Mann zu Öffentlichkeit und Produktion sowie der Frau zuPrivatheit und Reproduktion ist ein zentrales Ordnungsprinzip der bürgerlichen Ge-sellschaft. Die daraus resultierende ungleiche Lage der Geschlechter steht nach Beckim Widerspruch zu den universalistischen Prinzipen der Moderne. Diese geschlechts-spezifische Arbeits- und Rollenverteilung wird durch die steigende weibliche Erwerbs-tätigkeit, höhere Bildung und Qualifikation der Frauen und einen allgemeinen Be-wusstseinswandel in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zunehmend in Fragegestellt.

Die Familienstruktur beginnt sich aufzulösen, weil die bisher vom Individualisie-rungsprozess ausgeschlossenen Frauen ebenfalls von ihm erfasst werden. Der vorher

Page 26: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

13

nur für den Mann reservierte Individualisierungsprozess weitet sich nun auch auf dieLebenslagen von Frauen aus. Erst in der zweiten Individualisierungsphase werden so-mit auch die Frauen teilweise aus den traditionellen Weiblichkeitszuweisungen undder Ehe- und Hausarbeitsversorgung freigesetzt. Auch der weibliche Lebenslauf indi-vidualisiert sich. Möglichkeiten und Zwänge einer �selbstentworfenen Biographie�(Beck-Gernsheim 1986: 223) wirken nun für beide Geschlechter.2 Innerhalb der Fami-lien kann dadurch eine angespannte Situation entstehen, denn damit gemeinsames Le-ben in der Familie stattfinden kann, müssen zwei individualisierte Biographien samtden damit verbundenen Erwartungen, Anforderungen und Zwängen miteinander ver-einbart werden; �es entsteht der Typus der Verhandlungsfamilie auf Zeit� (Beck 1986:118). Die Individualisierung verlängert sich so nach Beck also bis in die Familie hin-ein. Damit beginnen sich auch die Formen des Zusammenlebens zu verändern. DiePriorität von Familienorientierung vor der Individualbiographie kehrt sich um und esentsteht eine Ausdifferenzierung und Pluralisierung von Lebensformen (Beck 1986:189, 195). Dieser Freisetzungsprozess aus der traditionellen Familie ist verbunden miteinem Verlust an Sicherheit und Geborgenheit.

Der �Individualisierungsschub� in den weiblichen Normalbiographien eröffnet neueHandlungsräume, neue Entscheidungsmöglichkeiten und neue Lebenschancen fürFrauen. Gleichzeitig ergibt dies aber auch neue Unsicherheiten, Konflikte und Zwän-ge. Elisabeth Beck-Gernsheim machte bereits 1983 darauf aufmerksam, dass der Indi-vidualisierungsprozess für Frauen unvollständig bleibt. Sie sind einerseits nicht mehrso selbstverständlich wie früher über das Familiendasein und den Mann als Ernährerdefiniert, aber sie sind andererseits noch immer weit mehr als die Männer für Famili-enaufgaben zuständig und weit weniger über eine eigenständige Arbeitsmarkt- undBerufsexistenz abgesichert. �Dieses �Nichtmehr� und �Noch-nicht� erzeugt zahlreicheWidersprüche im weiblichen Lebenszusammenhang.� (Beck-Gernsheim 1983: 309)

Für beide Geschlechter gilt jedoch die mit der Individualisierung verbundene Eigen-verantwortlichkeit der Individuen und der Zwang, Entscheidungen zu treffen. Jederund jede muss sich aus den vorgegebenen �Bausätzen biographischer Kombinations-möglichkeiten� (Beck 1986: 217) seine/ihre individuelle Biographie basteln. Beck be-zieht sich dabei auf die notwendige Eigenleistung der Individuen bei der Gestaltungihres Lebenslaufs. Den Zwang zu Entscheidungen und die Folgen von Nicht-Entscheidungen muss das Individuum selbst tragen. Das macht, so Schroer, die Ambi-valenz der Individualisierung aus. Obwohl dem Einzelnen permanent Entscheidungenabverlangt werden, können ihm die Ressourcen und Kompetenzen fehlen, diese Ent-

2 Zur Kritik an der These der �nachgeholten Individualisierung� von Frauen vgl. Knapp 2001: 26; zum Ver-hältnis Individualisierungsthese und Frauen- und Geschlechterforschung vgl. Oechsle/Geissler 2004.

Page 27: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

14

scheidungen tatsächlich zu treffen (Schroer 2001: 412). Unabhängig davon aber wer-den dem Individuum alle Ereignisse des individuellen Schicksals als Folgen individu-eller Entscheidungen zugerechnet. Monika Wohlrab-Sahr spricht daher im Kontext derIndividualisierung von einem veränderten gesellschaftlichen Zurechnungsmodus inRichtung Selbstverantwortung und Selbststeuerung. �Es geht also bei Individualisie-rung nicht allein um Varianz und individuelle Verschiedenheit als solche, sondernauch um die Frage, wie diese Varianz erklärt und zugerechnet wird.� (Wohlrab-Sahr1997: 27) Eine Kehrseite der Freisetzungsprozesse mit der Zunahme individuellerWahlfreiheit ist der individuelle Sicherheitsverlust eines Menschen.

Wie sieht nun vor diesem Hintergrund der Wandel im Geschlechterverhältnis aus? Eli-sabeth Beck-Gernsheim und Ulrich Beck (1990: 23f.) kommen zu einer widersprüchli-chen Einschätzung der gegenwärtigen Lage von Männern und von Frauen. Einerseitshaben sich in den Bereichen Sexualität, Bildung und Recht weitreichende Verände-rungen vollzogen, denen jedoch andererseits eine Konstanz im Verhalten der Männerund in den sozialen Lagen von Frauen und Männern (vor allem auf dem Arbeitsmarktund im Bereich der sozialen Sicherung) gegenüber steht. Ein ähnlich wider-sprüchliches Bild zeigt sich innerhalb der Familie und im Privatleben.

�Die Freisetzung aus den �ständischen� Rollenzuweisungen der Geschlechter be-trifft nie nur eine Seite � die Frau. Sie kann nur so weit erfolgen, wie auch dieMänner (Hervorhebung im Original, A. S.) ihr Selbstverständnis und ihr Verhaltenändern. Dies wird nicht nur an den neu errichteten Sperren zum Beschäftigungssys-tem deutlich, sondern auch entlang der anderen Achse traditionaler �Frauenarbeit�:Alltagsarbeit, Kinderarbeit, Familienarbeit.� (Beck 1986: 169)

Der Vorgang einer Neuaushandlung von Arbeitsformen und Arbeitszuweisungen wirdnicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch zwischen den Geschlechtern ausgehan-delt und betrifft insbesondere den Bereich der weiblich-familialen Versorgungsarbeit(Beer 1992) und die Gestaltung von Paarbeziehungen.

In einer Studie zu Geschlechtsnormen in Paarbeziehungen gehen Koppetsch und Mai-er3 von der Grundannahme aus, dass die privaten Beziehungen zwischen den Ge-schlechtern, in größerem Ausmaß als in der Individualisierungstheorie von Beck undBeck-Gernsheim angenommen, durch Geschlechtsnormen reguliert werden. Ge-schlechtsnormen verstehen sie als eine latente Struktur der Beziehungsregulierung. Diemoderne individualisierte Partnerschaft wird ihrem Anspruch nach auf persönlicherBeziehung und nicht auf Geschlechtsrollen begründet. Die Gestaltung der Partner-schaft, die Bewältigung der häuslichen Pflichten und die Betreuung von Kindern wer-

3 In dem DFG-Projekt �Geschlechtsnormen in Paarbeziehungen im Milieuvergleich� wurden 27 Paare aus demindividualisierten, dem familistischen und dem traditionalen Milieu interviewt (vgl. Koppetsch/Burkart 1999,Koppetsch/Maier 1998).

Page 28: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

15

den Gegenstand individueller Aushandlungen. Damit sinkt die Bereitschaft das eigeneVerhalten als Resultat geschlechtsspezifischer Praxis und Zuschreibungsprozessenwahrzunehmen: �Diese (Geschlechtsnormen, A. S.) werden in dem Maße, in demFrauen wie Männer ihre Lebenslagen als Resultat ihrer individuellen Entscheidungenbegreifen, aus dem alltäglichen Interpretationsvorrat verbannt, d. h. sie werden zu-nehmend unsichtbarer.� (Koppetsch/Maier 1998: 145)

Die Befreiung aus �geschlechtsständischen Zuschreibungen� sollte nach Ansicht die-ser Autorinnen eher als eine Leitvorstellung (Ideal) begriffen werden, nicht als ein rea-ler Prozess der Gleichberechtigung. Die Individualisierung konstituiert zwar einerseitseinen Zwang zur individuellen Gestaltung der Paarbeziehung und der weiblichen Bio-graphie, die weitgehend ohne Einschränkungen durch traditionelle Geschlechtervorga-ben erfolgen kann. Die Wirkungsweisen von Geschlechtsnormen werden jedoch aufder Ebene des Faktischen, der partnerschaftlichen Praxis, nicht außer Kraft gesetzt(Koppetsch/Maier 1998: 145).

Diese Einschätzung von Koppetsch/Maier steht meines Erachtens im Widerspruch zuder Darstellung von Beck und Beck-Gernsheim. Zwar ist in ihrer Analyse die Bestim-mung der Geschlechtsrollen als konstitutives Strukturmerkmal der Industriegesell-schaft positiv hervorzuheben, doch weist die Individualisierungsthese m. E. deutlicheDefizite hinsichtlich des Verständnisses der Geschlechterverhältnisse auf. Kopp-etsch/Maier arbeiten erstens die mangelnde Berücksichtigung milieuspezifischer Dif-ferenzen in den Geschlechterbeziehungen und zweitens die Konstanz weiterhin beste-hender � latenter � Normen in Paarbeziehungen und deren individuelle Zurechnungals Kritikpunkte individualisierungstheoretischer Annahmen heraus. Es handelt sichbei den beschriebenen Individualisierungstendenzen in den Geschlechterbeziehungennach Ansicht der beiden Autorinnen demnach um einen Wandel in der Leitvorstellungin Richtung einer gleichberechtigten individualisierten Partnerschaft, die nicht gleich-zusetzen ist mit einem faktischen Wandel in den Geschlechterbeziehungen. Sie kom-men in ihrer Analyse der Widersprüche zwischen normativen Ansprüchen und der All-tagspraxis in Partnerschaften in unterschiedlichen Milieus zu dem Ergebnis, dass �nurim individualisierten Milieu der Anspruch auf eine gleichberechtigte Partnerschaft aufder Basis einer von Geschlechtsrollen �freigesetzten� Subjektivität erhoben wird, wäh-rend im traditionalen und im familistischen Milieu herkömmliche Geschlechtsrollenar-rangements nach wie vor als selbstverständlich gelten.� (Koppetsch/Maier 1998: 152)

Das heißt, dass in allen drei von Koppetsch/Maier herausgearbeiteten Milieus die kon-krete Alltagspraxis komplex und widersprüchlich ist (vgl. hierzu detaillierter Kopp-etsch/Burkhart 1999). Diese Einschätzung des sozialen Wandels im Geschlechterver-hältnis (Wandel in den Leitvorstellungen, nicht aber als sozialer Fakt) erscheint mir

Page 29: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

16

nachvollziehbarer. Daraus ergeben sich eine Reihe von Fragen und Annahmen fürmeinen empirischen Forschungsgegenstand.

(1) Zum einen wäre genauer zu klären, inwieweit der Wandel im Leitbild der Ge-schlechterbeziehungen (egalitäre Partnerschaft) auf der Ebene der konkreten All-tagspraxis der Arbeitsteilungen in Partnerschaften mit einem faktischem Wandelübereinstimmt. Dieser Frage wird im Kapitel I.2.3 auf der Basis empirischer Datennachgegangen.

(2) Wesentlich für die Untersuchung der Selbsthilfeprojekte ist darüber hinaus nichtnur die Arbeitsteilung innerhalb der Familie, sondern auch die Arbeitsteilung aufder Baustelle. Als individualisierte Leitvorstellung könnte man in diesem Zusam-menhang formulieren, dass allen Familienmitgliedern in gleicher Weise die Arbeitauf der Baustelle ermöglicht wird bzw. für alle gleich selbstverständlich ist. Wirddies als Leitvorstellung wirksam, wäre auf der Grundlage der Ergebnisse vonKoppetsch/Maier die Annahme zu formulieren, dass die Wirkung von Ge-schlechtsnormen auch im Bereich des Bauens nach wie vor dominieren, sich aller-dings die Zurechnungsmechanismen verändert haben. Demnach wäre nicht davonauszugehen, dass eine explizite Arbeitsteilung auf der Baustelle vorhanden ist (imSinne eines Ausschlusses von Frauen), sondern latente Geschlechtsnormen die Ar-beitsteilung zwischen den Geschlechtern strukturieren.

1.3. Individualisierung und Formen der Re-IntegrationIn der Sicht Ulrich Becks zerstört Individualisierung nach und nach die traditionellenFormen des gesellschaftlichen Zusammenlebens und wirft damit den Einzelnen immerstärker auf sich selbst zurück. Dadurch entsteht die Chance, ein eigenständiges Lebenführen zu können oder zumindest führen zu wollen. Andererseits wird durch dieseHerauslösung aus traditionellen Bindungen auch der schützende Halt von Kontakten,Beziehungen und Strukturen verloren. Der Freisetzungsprozess wird also mit einemVerlust von Sicherheit und Geborgenheit erkauft. Wesentlich wird in diesem Zusam-menhang die Frage nach den Folgen der Individualisierung für die gesellschaftlicheIntegration.

Diese Frage wird in der Auseinandersetzung mit dem Individualisierungstheorem kon-trovers diskutiert. So wird Beck vorgeworfen, mit der Ebene der Re-Integration diezwei anderen Ebenen (Herauslösung und Verlust traditioneller Sicherheiten) durch dieMöglichkeit der sozialen (Wieder-)Einbindung aufzuheben (Junge 1998). Je nach In-terpretation der Individualisierungsthese (positive Autonomie oder negative Anomie)wird die Frage nach der Möglichkeit der gesellschaftlichen Integration als äußert prob-lematisch angesehen. Dies erfolgt vor dem Hintergrund einer weit verbreiteten Krisen-

Page 30: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

17

diagnostik und betont die Desintegration als einen Schlüsselbegriff der modernenEntwicklung (z. B. Heitmeyer 1997). Individualisierung bedeutet in der PerspektiveHeitmeyers die Auflösung gewachsener Lebensformen und traditionaler Sozialbezie-hungen, was zu Desintegration und schließlich zu zunehmend unkontrollierter Gewalt-ausübung führen kann (Heitmeyer 1994: 382). Meines Erachtens ist jedoch eher voneiner ambivalenten Deutung der Individualisierungsprozesse auszugehen, in der ande-re Entwicklungstendenzen an Bedeutung gewinnen.

�Doch Individualisierung mit Vereinzelung, erweiterte Handlungsspielräume mitder Auflösung des Sozialen und die verstärkten Selbstbezüge der Individuen mitdem Verlust von Solidarität gleichzusetzen, wird den widersprüchlichen und ambi-valenten Formen der Individualisierung nicht gerecht.� (Schroer 2001: 452)

Es lässt sich so ein umfassender Gestaltwandel sozialer Beziehungen beobachten:Neue Formen von Familien, Beziehungen und politischen Zusammenhängen entste-hen, die bisher noch nicht in feste Konturen gegossen sind. Generell wird die Indivi-dualisierung in dieser Perspektive als ein Modus der Vergesellschaftung begriffen undsomit der Individualisierung selber schon eine gesellschaftsintegrierende Kraft zuge-schrieben (Ebers 1995, Schroer 2001). Das Neue an dem Beck�schen Individualisie-rungstrend sind die Konsequenzen, die sich daraus ergeben.

�... an die Stelle von Ständen treten nicht mehr soziale Klassen, an die Stelle sozia-ler Klassen tritt nicht mehr der stabile Bezugsrahmen der Familie. Der oder dieeinzelne selbst wird zur lebensweltlichen Reproduktionseinheit des Sozialen.�(Beck 1986: 119)

Im Mittelpunkt der Argumentation von Beck steht demnach ein selbstbezogenes Indi-viduum, das sich nicht mehr in erster Linie durch die Zugehörigkeit zu sozialen Grup-pen definiert, sondern durch die Bezüge zu sich selbst. Beck hält es allerdings durch-aus für möglich, dass es jenseits der individualisierten Lebensformen und Lebenslagenzur �Entstehung neuer sozio-kultureller Gemeinsamkeiten� (Beck 1986: 119) kommenkann, die sich etwa in Bürgerinitiativen oder sozialen Bewegungen niederschlagenkönnen. Statt isolierter Individuen sieht Beck die Schaffung neuer sozialer Bezie-hungs- und Kontaktformen als eine mögliche Perspektive; allerdings müssen diese nunvom Individuum selbst hergestellt werden. Individualisierung �kann heißen: �Nicht-Beziehung�, soziale Isolation; aber auch selbst gewählte und selbstgebaute Netzwerkevon Bekanntschafts-, Nachbarschafts- und Freundschaftsbeziehungen� (Beck 1986:138). Damit würden neuartige Formen der gesellschaftlichen Re-Integration unter denBedingungen der Individualisierung hergestellt. Die Frage nach den Möglichkeitenund dem Charakter neuer Gemeinschaften und die Wiederverankerung des Einzelnenin selbst gewählten Gemeinschaftsformen werden mehr und mehr zu einem Hauptdis-

Page 31: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

18

kussionspunkt der Individualisierungsdebatte (Schroer 2001: 405), zu dem bislang je-doch nur wenige Untersuchungen vorliegen.4

Betrachtet man die empirischen Befunde im Hinblick auf Umfang und Intensität dervorhandenen Kontakte, Bindungen und Beziehungen, so liegt das Maß an Kontaktenweit höher als es in den theoretischen Vorstellungen angenommen wird, die von einemVerlust der Solidarität und der ersatzlosen Auflösung von Bindungen ausgehen.

"Nach diesen Befunden bedeutet Individualisierung vor allem mehr Selbstbe-stimmung und keineswegs automatisch den deklassierenden Zerfall sozialer Zu-sammenhänge. So widerlegen Erhebungen wie die von Hans Bertram (1994) die�Singvogeltheorie� vom Aussterben der Familiennetze (...)." (Vester 1997: 104)

Die neu entstehenden sozialen Bindungen, zu denen sich die Individuen nunmehrfreiwillig zusammenfinden, bleiben unentdeckt, wenn ausschließlich die negativenFolgen von Individualisierung in den Blick genommen werden (Schroer 2001: 456).Das �Neue� am Charakter der sozialen Beziehungen unter Individualisierungsbedin-gungen scheint ihre kürzere Dauer zu sein: �Bis auf weiteres� (Baumann 1993),�nichts Langfristiges� (Sennett 1998).

Auf der Grundlage der dargestellten Diskussion zur �Einbindungs- oder Re-Integrationsdimension� ist es für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit notwendig,das Verhältnis von Individualisierung und Vergemeinschaftung zu klären. Jenseits derpolarisierenden Diagnosen eines Bindungszerfalls oder eines unveränderten Fortbeste-hens sozialer Muster interpretiere ich Beck in Richtung eines Gestaltwandels sozialerBeziehungsmuster. Dieser Wandel vollzieht sich nicht bruch- oder problemlos. DieThese eines Verlustes von Gemeinschaftsbeziehungen lässt sich insofern bestätigen,als dass einzelne Individuen beim Aufbau stabiler Beziehungen zunehmend auf sichselbst zurückgeworfen sind. Auch existieren zunehmend weniger verbindliche Verhal-tensmodelle (z. B. die Ehe), die den Aufbau von Netzwerken anleiten und vorstruktu-rieren. Martin Diewald (1991)5, der die These vom Verlust oder von der Liberalisie-rung von Gemeinschaft in Bezug auf soziale Netzwerke und Unterstützungskonzepteuntersucht, kommt zu einem Ergebnis, das diese ambivalente Deutung der Individuali-sierungsthese bestätigt: in vielen Fällen ein Fortbestehen stabiler (familiärer) Netzwer-ke, aber auch Bevölkerungsgruppen (z. B. ältere Menschen und kinderlose Paare), dievon sozialer Isolation und Einsamkeit bedroht sind. Aus der Perspektive meiner Arbeit

4 Ansatzpunkte finden sich etwa in der Lebensstilforschung, in der Lebensstilgruppen als (neue) soziale Ein-heiten interpretiert werden (z. B. Sacher 1998).

5 Gegenstand der Studie von Diewald (1991) ist die Frage, wie Menschen in der Bundesrepublik sozial einge-bunden sind � in Familie, Verwandtschaft, Freundschaften und sonstige Beziehungen und welche Hilfeleis-tungen über diese Beziehungen jeweils transportiert werden.

Page 32: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

19

muss hier gefragt werden, welche Rolle das Wohnen in dem aufgezeigten Spannungs-feld von Individualisierungs- und Vergemeinschaftungstendenzen spielt.

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Wohnen und Wohnformen spielte im Kon-text der Individualisierungsdiskussion bislang keine wesentliche Rolle. Thematisiertwurde der Wohnwandel vorrangig in stadtsoziologischen Diskussionen, in der Woh-nungswirtschaft und der Wohnungspolitik.6 Wohnen wird jedoch im Zusammenhangmit den Anforderungen einer weitgehend individualisierten Lebensführung eine immerwichtigere Rolle spielen (Brech 1999). Ich gehe von der These aus, dass sich auch dieBedeutung des Wohnens unter den Voraussetzungen des sozialstrukturellen Wandelsweiter wandeln wird und eine zunehmend wichtige Dimension der sozialen Einbin-dung darstellt. Beck thematisiert diese Re-Integrationsdimension ebenfalls unter demStichwort �selbstgewählte und selbstgebaute Netzwerke von Nachbarschaftsbeziehun-gen� (Beck 1986: 138). Insbesondere vor dem Hintergrund der Entwicklungen aufdem Arbeitsmarkt7 kann davon ausgegangen werden, dass dem Wohnen für vieleMenschen eine zunehmende Bedeutung in der alltäglichen Lebensführung zukommenwird und dass die Schaffung geeigneter Wohnformen wie auch die Gestaltung desWohnens zunehmend unter den Vorzeichen der Entwicklung gemeinschaftlicher Be-züge organisiert werden wird.

In diesem Zusammenhang von Vergemeinschaftung und Wohnen werden verschiede-ne Ansätze zur Bedeutung von Wohnen interessant. Zum einen wird Wohnen ebenfallszu einem Bereich, in dem die Wahlmöglichkeiten zugenommen haben, wenn auch inAbhängigkeit von sozialen, ökonomischen und kulturellen Ressourcen.

"Als Teil der in dieser Zeit auf vielen persönlichen und gesellschaftlichen Ebenenangewachsenen Möglichkeiten zur Selbstbestimmung des eigenen Lebens wird dasWohnen für einen großen Teil der Bevölkerung zu einem wählbaren, wenn auchnicht gänzlich wahlfreien Element der individuellen Lebensgestaltung." (Flagge1999: 7)

Zum anderen bedeutet dies in Bezug auf die Frage der sozialen Einbindung, dass auchaktiv neue soziale Netze auf der Ebene des Wohnens hergestellt werden (können).Dies thematisiert Michael Andritzky, indem er das gemeinschaftliche Wohnen als eine�Antithese zur weiter fortschreitenden Individualisierung� (Andritzky 1999: 670) cha-rakterisiert. Seiner Ansicht nach finden die Ambivalenzen der Individualisierung einenGegenpol im Wohnen. �Wohnen� stellt demnach ein kompensatorisches Moment dar,

6 Eine Ausnahme stellt die von der Schader-Stiftung 2001 durchgeführte und dokumentierte Tagung zur Zu-kunft des Wohnens dar.

7 Hierunter können durchaus unterschiedliche Tendenzen benannt werden: zunehmende (Langzeit-) Arbeitslo-sigkeit, aber auch eine Annäherung von Wohnen und Arbeiten.

Page 33: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

20

in dem die nachgezeichnete Auflösung traditioneller Strukturen und Bindungen auf derEbene des Wohnens neu (und vielleicht auch anders) hergestellt werden.

1.4. ZusammenfassungEs lässt sich festhalten, dass die Individualisierungsthese in den verschiedenen speziel-len Soziologien auf eine breite Resonanz gestoßen ist und eine Vielzahl von empiri-schen Untersuchungen auf den unterschiedlichsten Feldern angeregt hat, z. B. familia-le und nichtfamiliale Lebensformen, Kindheit und Jugend sowie Lebenslauf und Bio-graphie. Einerseits bestätigen die Untersuchungsergebnisse häufig die These eines ak-tuellen Individualisierungsschubs, andererseits führen sie zu wichtigen Veränderungendieser zentralen These, indem z. B. geschlechts-, kohorten- oder auch milieuspezifi-sche Differenzierungen herausgestrichen werden und auch auf gegenläufige Tenden-zen aufmerksam gemacht wird (vgl. Friedrich 1998). Ein zentrales Ergebnis ist, dassIndividualisierungstendenzen nicht für alle Bevölkerungsschichten gleich zutreffen,sondern in verschiedenen sozialstrukturellen Zusammenhängen (Milieus) eine unter-schiedliche Bedeutung haben (vgl. Vester 1997). Das bedeutet, dass die Ausdrucks-und Bewältigungsformen und das Ausmaß, in dem Individualisierungsprozesse zumTragen kommen, sehr different sein können.

Es sollte deutlich geworden sein, dass die Folgen gesellschaftlicher Strukturverände-rungen bis in die Bereiche alltäglicher Lebensführung reichen und diese als durchausambivalent zu begreifen sind. Den Chancen selbstbestimmter Lebensführung stehendie damit verbundenen (Entscheidungs-)Zwänge gegenüber, aber auch die nach wievor ungleich verteilten Ressourcen und Zugangsmöglichkeiten zur Realisierung vonEntscheidungsoptionen. Zentraler Aspekt der Freisetzung und Herauslösung aus tradi-tionellen Bindungen ist die notwendige Eigeninitiative und Freiwilligkeit, mit der neueBeziehungsmuster hergestellt werden oder eben nicht. Dies zeigt sich im Bereich derfamilialen und nichtfamilialen Lebensformen und in der Gestaltung der Wohnverhält-nisse und Wohnformen. Mit Blick auf meinen empirischen Forschungsgegenstand sol-len im Folgenden die sich aus der theoretischen Diskussion ergebenen Fragen hinsicht-lich der drei Bezugspunkte (1) Wandel der Familie und der familiären Netzwerke, (2)Wandel im Geschlechterverhältnis und (3) Wohnen als Lebensbereich, in dem (neue)gemeinschaftliche Bezüge entstehen können, konkretisiert werden.

(1) Die Auflösung der traditionellen Familie als stabiler Bezugsrahmen ist eine ent-scheidende Annahme des Individualisierungskonzepts. In dem von mir untersuch-ten Fallbeispiel sind jedoch Familien die zentrale Zielgruppe der Selbsthilfeprojek-te. Ist diese wohnungspolitische Ausrichtung und Fokussierung auf die Familie vordem Hintergrund individualisierungstheoretischer Annahmen nach wie vor sinn-voll? Dies soll durch einen Blick auf die Verteilung der Lebensformen in der amt-

Page 34: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

21

lichen Statistik geklärt werden (Kapitel I.2.2.). Die Einbindung in ein funktionsfä-higes Unterstützungsnetzwerk ist für die Bewältigung des Eigenheimbaus in orga-nisierter Gruppenselbsthilfe eine zentrale Voraussetzung. Vor dem Hintergrundmeiner Annahme, dass sich die Muster sozialer Beziehungen gewandelt haben undan das Vorhandensein von Ressourcen (z. B. Bildung, Arbeit) gebunden sind, istfür die Untersuchung der Selbsthilfeprojekte zu fragen, ob die beschriebenen Frei-setzungstendenzen mit der Auflösung (familiärer) Netzwerke einhergehen oder einfunktionsfähiges Unterstützungssystem bei der Bewältigung der Arbeiten im Zu-sammenhang mit dem Hausbau zum Vorschein kommt (Kapitel I.2.1 sowie in Ka-pitel VII.5 im empirischen Teil der Arbeit).

(2) Die Einschätzung des sozialen Wandels im Geschlechterverhältnis ist in den theo-retischen Auseinandersetzungen widersprüchlich. Entgegen einem faktischenWandel in Richtung eines egalitär ausgestalteten Geschlechterverhältnisses geheneinige Autor/innen (Koppetsch/Maier 1998, Koppetsch/ Burkhart 1999) von einemWandel im Leitbild aus. Vor diesem Hintergrund wäre zu klären, inwieweit derWandel im Leitbild der Geschlechterbeziehungen (egalitäre Partnerschaft) auf derEbene der konkreten Alltagspraxis der Arbeitsteilungen in Partnerschaften mit ei-nem faktischen Wandel übereinstimmt (Kapitel I.2.3). In der Analyse des Fallbei-spiels im empirischen Teil der Arbeit wird enger gefragt, und zwar in Bezug aufdie geschlechtliche Arbeitsteilung in der Alltagspraxis des Bauens (Kapitel VII.5).

(3) In Bezug auf die angenommene Einbindungsdimension �Wohnen� rückt die Fragein den Mittelpunkt, wie sich �individualisierte� Nachbarschaften konstituieren. Istweiterhin von einer räumlichen Nähe auszugehen oder verändern sich die Konstitu-tionsprozesse? Wer bildet Gemeinschaften auf der Ebene des Wohnens? Sind estraditionelle Familienformen oder die neuen Haushaltstypen? Welche Formennehmen Gemeinschaften im Wohnen an und welche Funktionen nehmen sie wahr?Diesen Fragen wird zum einen in Kapitel III am Beispiel der neuen Wohnformenauf der Basis der vorhandenen Sekundärliteratur nachgegangen. Zum anderen sinddiese Fragen zur Entwicklung von gemeinschaftlichen Wohnformen zentrale For-schungsfragen für die Analyse der empirischen Ergebnisse in Kapitel VII.7. Dieuntersuchten Selbsthilfeprojekte stellen dabei eine besondere Form der Gemein-schaftsbildung dar, da sie durch die gemeinsam geleistete Selbsthilfe eine direkteForm der Beteiligung und Mitbestimmung wahrnehmen konnten.

Page 35: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

22

2. Der Wandel von Familie und GeschlechterverhältnisDie Veränderungen unserer Gesellschaft erstrecken sich auch auf die Lebensformenund Lebensstile. In dem Zusammenhang von Wertewandel und Individualisierung (z.B. haben persönliche Selbstverwirklichung und Kommunikation an Bedeutung ge-wonnen) entwickelten sich die Lebensstile der Menschen auseinander. Als bisherigeTendenzen lassen sich eine Pluralisierung von Lebensformen, die Individualisierungder Lebensführung und eine Ausdifferenzierung von Lebensstilen ausmachen (Hradil2001). In den Sozialwissenschaften wurde bereits Mitte der 1980er Jahre die Verände-rungen der Haushaltsformen thematisiert. Im Mittelpunkt stand die als kritische be-zeichnete Zunahme der Ein-Personenhaushalte im städtischen Kontext (Hradil 1998).In engem Zusammenhang damit gewann die Familienforschung an Bedeutung, diesich auf die Entwicklungen der Kleinfamilie sowie die Veränderungen der Funktionender Familie und des Familienbegriffs konzentrierte (vgl. Nave-Herz 1992).

Vor dem Hintergrund der Individualisierungsdiskussion sind zwei Aspekte des Wan-dels von Familie bedeutsam. Erstens geht es um die Frage, in welche Richtung derWandel von Familie verläuft und welche Bedeutung Familie in der zukünftigen Ge-sellschaft einnehmen wird. Damit verbunden ist immer auch die Frage nach dem Ver-lust oder dem Erhalt der traditionellen familiären Beziehungsmuster. Die InstitutionFamilie übernimmt eine Reihe von Funktionen, wobei die sozialen Beziehungen in derFamilie als wesentlich für die Einbindung und Stabilität von Individuen (emotionaleStabilisierung) gesehen werden. Dieses wird vor dem Hintergrund einer zunehmendenIndividualisierung der Gesellschaft als bedroht angesehen. Mit der Frage nach derVeränderung von familialen und nicht-familialen Lebensformen ist also auch die Fragenach der sozialen Einbindung gestellt. Beiden Aspekten der Diskussion soll hier nach-gegangen werden. Als zentral für den Wandel von Familie wird die Veränderung dergesellschaftlichen Rolle von Frauen (steigende Erwerbsbeteiligung, Bildung etc.) an-genommen. Daraus resultiert � so die Annahme � ebenfalls eine Veränderung derinnerfamilialen Rollenstrukturen. Ob sich diese Veränderungen in den Ergebnissenempirischer Untersuchungen feststellen lassen, wird im dritten Teil dieses Kapitelsuntersucht.

2.1. Familie im Wandel: Soziale Netze, Haushaltsstrukturen und LebensformenDas in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts allgemein verbindliche Grund-muster des familialen Zusammenlebens, die bürgerliche Familie, beginnt sich aufzulö-sen. Die klassische Kleinfamilienstruktur ist gekennzeichnet durch die Institution derEhe und eine ausgeprägte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung: eine nichterwerbstä-tige Mutter, die ausschließlich für Kindererziehung und Haushalt zuständig ist und dererwerbstätige Vater, der die Versorgung der Familie sicherstellt. Aktuell ist die Klein-

Page 36: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

23

familie nicht mehr die vorherrschende Norm und bestimmende Erwartungshaltungbezogen auf das Zusammenleben der Geschlechter, sondern eine Lebensmöglichkeitunter anderen. Insbesondere für Frauen scheint sie nicht mehr der einzig erstrebens-werte Lebensentwurf zu sein.

Die Kernfamilie als die "Normalwohnform" ist historisch sehr jung, sie hat sich erst im18. Jahrhundert als bürgerliches Gegenmodell zum Adel herausgebildet. Im 19. Jahr-hundert ist die Kernfamilie als ideale Wohnform zur Verbesserung der Wohnverhält-nisse propagiert worden. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lässt sich eine zunehmende,mehr und mehr alle Schichten umgreifende normative Orientierung am Leitbild derbürgerlichen Familie feststellen. Insbesondere in den 50er und 60er Jahren des 20.Jahrhunderts war sie die Standardwohnform schlechthin. Dagegen entwickelten sichmit den Wohngemeinschaften und den verschiedenen Formen des Alleinwohnens Al-ternativen, die das Spektrum möglicher Wohnformen wieder weiter ausdifferenzierten(Häußermann 1999: 18f).

Der Kern der Veränderung liegt in der Abnahme der zentralen Wohn- und Lebensformder Familie. Die soziale Einheit des Zusammenlebens ist immer seltener die Familie.Neben und anstatt der Familie entwickeln sich so genannte "neue Haushaltstypen".Darunter versteht man Alleinstehende (Singles), nichteheliche Lebensgemeinschaften,gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften, Alleinerziehende, Patchwork-Familienund Wohngemeinschaften (vgl. hierzu Beck-Gernsheim 2000). Historisch betrachtetsind tatsächlich nur die Wohngemeinschaften eine neue Lebensform. Zahlreiche fami-lienhistorische Untersuchungen belegen, dass es vor und zu Beginn der Industrialisie-rung eine außerordentliche große Vielfalt familialer Lebensformen gegeben hat (Ro-senbaum 1982). Allerdings hat sich in den letzten Jahrzehnten die Wahrnehmung undBewertung dieser Lebensformen verändert. Wurden früher die Lebensformen amMaßstab der vorherrschenden Lebensform, der Kernfamilie, gemessen, so symbolisie-ren die Begrifflichkeiten für die neuen Lebensformen heute Eigenständigkeit undGleichwertigkeit.

Mit der Pluralisierung von Lebensformen haben sich auch die Wohnbedürfnisse derBevölkerung stark ausdifferenziert. Da Wohnen bislang eng an die sozialstrukturellenIndikatoren Einkommen und Haushaltsgröße gebunden war, standen bis Mitte der1980er Jahre Schicht- und Familienkonzepte im Zentrum der Forschungen. Um dieveränderten Wohnbedürfnisse aufzuzeigen, werden seit Ende der 80er Jahre Lebens-stilkonzepte in der Stadt- und Regionalplanung angewendet. Es lässt sich festhalten,dass die unterschiedlichen Wohnbedürfnisse und -präferenzen der Bevölkerung nichtmehr nur durch objektive Faktoren wie Einkommen, Bildungsstand, Beruf, Lebens-phase und Haushaltsform oder auch das verfügbare Wohnungs- und Infrastrukturange-

Page 37: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

24

bot bestimmt sind, sondern "auch durch die subjektive Wahrnehmung und Bewertungdieser Faktoren und ihrer Umsetzung in Lebensstile und Milieus" (Spiegel 2000: 201).Mit Lebensstil und Milieu sind neue Ansätze entwickelt worden, um den Wandel dersozialen Differenzierungen angemessen erfassen zu können. Im Kontext von Wohnenbedeutete dies den Versuch, den Zusammenhang von Lebensweise und Wohnbedürf-nissen mit Hilfe von Lebensstilansätzen zu analysieren.8

Wie gestalten sich nun vor dem Hintergrund einer zunehmenden Individualisierung dieBeziehungsmuster in der Familie? In der Lesart der �negativen� Individualisierungwird eine Zersetzung der tradierten Lebens- und Beziehungsformen durch die Ausbil-dung der modernen Industriegesellschaften angenommen, ohne dass gleichwertigeneue Beziehungsstrukturen an deren Stelle getreten seien. Insbesondere familiale,verwandtschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen seien in ihrem Umfang ein-geschränkt und in ihrer Bedeutung geschwächt worden. Wie oben bereits dargestellt,hat sich gegen diese Sichtweise jedoch zunehmend eine Gegenthese etabliert, die denWandel sozialer Beziehungen eher als einen Struktur- und Funktionswandel begreiftund ein Fortbestehen stabiler und funktionierender Netzwerke behauptet. Diese Bezie-hungen sind � so weist Diewald (1991) auf der Grundlage einer empirischen Analysenach � anders organisiert und haben andere Aufgaben zu erfüllen. Dies bedeutet seinerAnsicht nach keine Schwächung der funktionalen Bedeutung informeller Beziehun-gen, sondern eher eine Verschiebung des Aufgabenspektrums. Er weist jedoch daraufhin, dass sich Gruppen identifizieren lassen, die erhebliche Defizite an Kontakten undUnterstützungsbeziehungen aufweisen. Es handelt sich dabei um die Gruppe der älte-ren Ledigen, der kinderlosen Paare und der Verwitweten. Dieser tendenziell steigendeTeil der Bevölkerung ist somit �von sozialer Isolation, dem Empfinden von Einsam-keit und mangelnden Bewältigungsressourcen bedroht� (Diewald 1991: 255). Mar-bach/Mayr-Kleffel weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich die Netz-werke in Abhängigkeit von Einkommen und Bildung unterscheiden, wer über mehrEinkommen und Bildung verfügt, hat sowohl mehr Helfer/innen als auch mehr Kon-taktpartner/innen (1988: 286).

8 Beispiele dafür sind die Untersuchungen von Dangschat/Blasius 1994, Herlyn/Scheller/Tessin 1994 undSchneider/Spellerberg 1999. Schneider/Spellerberg bezeichnen Lebensstile als eine sozialstrukturelle Kate-gorie, die die (erwachsene) Bevölkerung in homogene, sich deutlich von einander unterscheidbare Gruppeneinteilen kann. Als zentrale Merkmale werden dabei Werthaltungen, Geschmacksrichtungen und Freizeitver-halten angesehen (ebd.: 78). In Abgrenzung zum Milieubegriff, der auf die relativ beständigen Werthaltungenund Grundhaltungen eines Menschen zielt, bezieht sich der Lebensstilbegriff eher auf �die äußerlich beob-achtbaren Verhaltensroutinen der Menschen� (Hradil 2006: 5). Zur aktuellen durchaus kritischen Diskussionder Reichweite von Milieustudien vgl. ebd.: 4ff.

Page 38: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

25

Aufschluss über Ausmaß und Häufigkeiten von sozialen Beziehungen innerhalb derFamilie können die Ergebnisse von Netzwerkanalysen geben.9 Ein netzwerktheoreti-scher Zugang begreift Familie als ein Netzwerk von gelebten sozialen Beziehungen."Über netzwerktheoretische Zugänge lassen sich die Strukturen sozialer Kontakte undBeziehungen in Familien heute verhältnismäßig leicht darstellen" (Bertram/Kreher1996: 22). Bei der Analyse der Beziehungsmuster bietet es sich an, vor allem familialeBeziehungsmuster zu untersuchen, die seit Max Weber mit der Familie verbundenwerden. Hier handelt es sich um die gemeinsame Mahlzeit und gemeinsame (freizeit-orientierte) Aktivitäten außerhalb des Berufs. Bertram/Kreher ergänzen diese Bezie-hungsmuster mit Bezug auf Parsons um die Elemente "Persönliches miteinander be-sprechen" und "enge emotionale Beziehungen zu jemanden zu entwickeln" (Bert-ram/Kreher 1996: 23).

Die AutorInnen kommen zu dem Ergebnis, dass man nicht von Brüchen im Bezie-hungsmuster des Lebensverlaufs sprechen kann. Betrachtet man die Kontakthäufigkeitzwischen den Mitgliedern der Kernfamilie (Eltern, Kinder, Partner und Geschwister)und der erweiterten Familie (Großeltern), erscheint die Differenzierung zwischenKernfamilie und erweiterter Familie in der Familienforschung nicht gerechtfertigt(Bertram/Kreher 1996: 25). Diese Differenzierung gibt die Variationen der Beziehun-gen im Lebensverlauf in Abhängigkeit von den Kindern, dem Lebensalter der Elternund anderen Verwandten nicht wieder. Die Großeltern haben in diesen Untersuchun-gen eine größere Bedeutung hinsichtlich der Kontakthäufigkeit als die Geschwisterund stellen damit die Differenzierung zwischen Kernfamilie und erweiterter Familie inFrage.

Als entscheidenden Unterschied zwischen Ledigen und Verheirateten arbeiten die Au-torInnen heraus, dass die Beziehungsmuster der Ledigen in der Herkunftsfamilieverbleiben, die Verheirateten dagegen mit der eigenen Familie einen neuen Bezie-hungskontext aufbauen. Betrachtet man den Bereich der Gefühle, so dominieren beiVerheirateten die Kinder und Partner; Eltern, Geschwister, Verwandte und Freundespielen in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle (Bertram/Kreher1996: 25). Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung ist die Tatsache, dass der Auszugder Kinder aus dem Elternhaus ("Empty-nest"-Phase) nicht das Ende der familialenEntwicklung bedeutet. Durch die Zunahme der Lebenszeit für einen größeren Teil derBevölkerung werden Generationsbeziehungen (zwischen alt gewordenen Kindern und

9 Zur kritischen Auseinandersetzung mit Konzepten und Definitionen von Netzwerken und Netzwerkanalysevgl. Diewald 1991: 60ff.

Page 39: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

26

ihren sehr alt gewordenen Eltern) eine zunehmend größere Rolle spielen.10 Bertram(1996: 11) spricht in diesem Zusammenhang von dem Modell der ��multilokalenMehrgenerationenfamilie�. Die neueren familiensoziologischen Konzepte sind daherdurch eine veränderte Betrachtung von Familien gekennzeichnet: es werden nichtmehr nur die in einem Haushalt lebenden Personen werden betrachtet, sondern auchpartnerschaftlichen und familialen Beziehungen jenseits die Grenzen eines Haushaltsin den Blick genommen.

Aussagen über die Größe bzw. das Beziehungspotenzial familialer Netzwerke ermög-lichen die Ergebnisse der 1996 und 2002 durchgeführten Alterssurveys.11 Der Umfangverwandtschaftlicher Beziehungen wird anhand der Wohnentfernungen und der Kon-takthäufigkeit zwischen den Generationen untersucht. Es wird ebenfalls gefragt, inwelcher Weise die familialen Beziehungen auch unterstützenden Charakter haben(Transfers und Hilfeleistungen).

In der zweiten Erhebungswelle 2002 gaben fast drei Viertel der befragten Eltern an imgleichen Ort wie mindestens eins ihrer Kinder zu wohnen, nur 7,2 Prozent der Kinderwohnten weiter als 2 Stunden entfernt. (Hoff 2006: 252f.). Zugenommen hat im Ver-gleich zu 1996 der Anteil der Eltern, deren Kinder nicht am selben Ort leben (ebd.254). Mehr als der Hälfte der befragten Eltern gaben 2002 an, täglich Kontakt zu min-destens einem ihrer Kinder zu haben, fast 90 % der Eltern haben einmal die Wocheoder öfter Verbindung zu den Kindern. Wie Hoff aufzeigt, lässt sich zwischen 1996und 2002 ein deutlicher Rückgang der maximalen Kontakthäufigkeit feststellen. DiesErgebnis steht in einem engen Zusammenhang mit der Erhöhung der Wohnortentfer-nung (ebd.: 268).

Der Alterssurvey geht ebenfalls der Frage nach, wie sich die Generationen innerhalbder Familie wechselseitig unterstützen und stellt eine klare Differenzierung zwischenfinanziellen Transfers und instrumentellen Hilfeleistungen fest. So gaben im Bereichder finanziellen Hilfen knapp ein Drittel der befragten Eltern an, ihre Kinder im letztenJahr unterstützt zu haben. Dagegen waren sie selber in deutlich geringerem Umfang(2002 7,5 %) Empfänger von finanzieller Unterstützung (ebd.: 274). Monetäre Trans-fers verlaufen schwerpunktmäßig von der Eltern- zur Kindgeneration, instrumentelleHilfen jedoch (z. B. Enkelbetreuung, Haushaltshilfe, Pflege der Eltern) werden häufi-

10 Bertram/Kreher führen hier den Begriff "Generationensolidarität" ein und schlagen vor, die Funktionserwei-terung der Familie � neben der Sozialisationsfunktion und der Regnerationsfunktion � so zu benennen. DieseFunktion wird ihrer Ansicht nach eine zunehmende Rolle als Kernelement familialer Beziehungen spielen(Bertram/Kreher 1996: 26).

11 Ziel des Alterssurveys ist eine umfassende Beobachtung der Lebensumstände von Menschen in der zweitenLebenshälfte; untersucht wurden die Lebensbereiche Bildung, Arbeit, Familie und Freizeit (vgl. Tesch-Römer u. a. 2006). Für meine Arbeit ist insbesondere der Wandel von intergenerationalen Familienziehungeninteressant (vgl. dazu Hoff 2006).

Page 40: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

27

ger von den Kindern für ihre Eltern geleistet). Insgesamt konnte festgestellt werden,dass Menschen in der zweiten Lebenshälfte deutlich mehr Unterstützung an Andereleisten als sie selbst in Anspruch nehmen.

Neben der Unterstützung spielt auch das subjektive Gefühl enger Verbundenheit mitder eigenen Familie eine Rolle. Mehr als drei Viertel der Befragten gaben 1996 an,dass sie die Beziehung zu ihrer Familie als gut oder sehr gut einschätzen. Diese Wert-schätzung ist bis 2002 noch gestiegen, hier gaben ca. 80 Prozent der Befragten einegute bis sehr gute Familienbeziehung an (Hoff 2006: 264). Darüber hinaus berichten94 Prozent der Befragten über ein sehr enges oder enges Verhältnis zu ihren erwach-senen Kindern, mehr als zwei Drittel sogar ein sehr enges Verhältnis (Hoff 2006: 266).Es kann festgehalten werden, �... dass die übergroße Mehrheit der Eltern-Kind-Beziehungen in der zweiten Lebenshälfte durch ein Gefühl enger oder sogar sehr engerVerbundenheit charakterisiert werden. Daran hat sich in den vergangenen sechs Jahrennichts geändert. Der von Menschen in der zweiten Lebenshälfte wahrgenommene Zu-sammenhalt innerhalb von Familien wird also durch ein hohes Maß an Stabilität undKontinuität gekennzeichnet.� (Hoff 2006: 266).

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Entwicklung der sozialen Beziehun-gen in familialen Netzwerken keine Auflösungstendenzen widerspiegelt, sondern sichein lebensverlaufstheoretisches Muster von gelebten Beziehungen zwischen Famili-enmitgliedern abzeichnet. Zwei Elemente bestimmen vorrangig die Gestaltung vonfamilialen Beziehungen: Das Lebensalter und das Vorhandensein von Kindern. SobaldKinder vorhanden sind, bleiben sie bis ins hohe Alter die wichtigste Bezugsgruppe.Die tiefgreifende Veränderung des Individuums zu seiner Familie sehen Bert-ram/Kreher in der Entwicklung von lebenslangen Beziehungen zwischen den Genera-tionen (Generationensolidarität), ohne dass diese unter einem Dach leben müssen(1996: 30). Um die Veränderungen in den Haushaltsstrukturen und die Entwicklungder familialen und nichtfamilialen Lebensformen nachzuzeichnen, wird im Folgendenein Blick auf die statistischen Daten des Mikrozensus geworfen.

Wandel der Haushaltsstrukturen und Lebensformen im Spiegel der StatistikWer gehört zur Familie? Auch auf dem Feld der Statistik erweist sich die Beantwor-tung dieser Frage als nicht einfach. Heidenreich/Nöthen zeigen die Problematik deramtlichen Statistik bzw. des Mikrozensus auf, der lange Zeit vorrangig am Familien-konzept und an der Erfassung durch Haushalte orientiert war. Entsprechend des (da-hinter liegenden) Familienkonzepts lassen sich demnach drei Familientypen ausma-chen: Ehepaare ohne Kinder, Ehepaare mit Kind(ern) und Alleinerziehende mit undohne Lebenspartner/in. Im Jahr 1975 wurden 86,2% der vorhandenen Haushaltsformendurch die statistische Erfassung dieser Familientypen abgedeckt, ausgeblendet wurden

Page 41: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

28

demnach Einpersonenhaushalte und Personen in Mehr-Personen-Haushalten, die we-der mit einem/einer Ehepartner(in) noch mit einem ledigen Kind zusammenwohnten.Der Anteil der Personen, die durch das Familienkonzept nicht abgedeckt werden kön-nen, machte im Jahr 2000 23,5% aus. Dem wurde die die Einführung des Lebensfor-men-Konzeptes im Mikrozensus (vgl. Statistisches Bundesamt 2005) begegnet, dasneben den oben genannten Gruppen zusätzlich gleichgeschlechtliche Lebensgemein-schaften berücksichtigt.12

Ein weiterer Problembereich der amtlichen Statistik liegt in der haushaltsbezogenenErfassung und Auswertung der Lebensformen. Dieser liegt das Haushaltseinheiten-Konzept zugrunde, das einen Haushalt als "jede zusammenwohnende und eine wirt-schaftliche Einheit bildende Personengemeinschaft sowie Personen, die alleine woh-nen und wirtschaften" (Statistisches Bundesamt 2001: 12) definiert. Eine Reihe empi-rischer Studien, insbesondere im Bereich der netzwerkorientierten Ansätze, zeigt je-doch auf, dass alltägliche Beziehungen Haushaltsgrenzen überschreiten (können).Partnerschaften, die zwar gemeinsam wohnen, aber getrennte Haushalte angeben, wer-den nicht als Lebensgemeinschaften erfasst. Dies gilt ebenso für Partnerschaften ingetrennten Wohnungen, da die Grundlage für die statistische Erfassung von Partner-schaften das "gemeinsame Wohnen und Haushalten" ist (Heidenreich/Nöthen 2002:34). Dies bedeutet, dass die Haushaltsstrukturen nur bedingt für Aussagen über Kon-taktmuster und soziale Bindungen herangezogen werden können.

Wohn- und Lebensformen wandeln sich stetig. So beruhen die heutigen Wohnformenweitgehend auf langfristigen Entwicklungstendenzen. Durch den Wandel innerhalb derFamilie und der Entstehung neuer Haushaltstypen erfolgt eine Veränderung der ge-samten Wohnverhältnisse. Wirft man einen Blick auf die Familiengründungen und -entwicklungen lassen sich in Bezug auf Eheschließungen, Ehescheidungen und dieGeburtenentwicklung markante Veränderungen feststellen. Die Heiratsentwicklung istdurch zwei wesentliche Tendenzen gekennzeichnet: Das Heiratsalter ist angestiegenund die Elternschaft erfolgt immer später im Lebensalter. Insgesamt wird nicht nurspäter, sondern auch seltener geheiratet. Immer weniger Ehen sind Erstehen. Es steigtder Anteil derjenigen, die ledig bleiben. Von dieser Entwicklung sind Männer stärkerbetroffen als Frauen. 1998 waren knapp 18% der 40- bis 44-Jährigen Männer ledig.

12 Haushalt, Lebensform und Familie sind unterschiedliche soziale Kategorien. Die Familie ist durch engeVerwandtschaftsbeziehungen gekennzeichnet, insbesondere durch die Eltern-Kind-Beziehung. Familienfor-men können grundsätzlich verschiedenen Formen von Eltern-Kind-Gemeinschaften darstellen. Der Begriffder Lebensform bezieht sich auf die Struktur der privaten sozialen Beziehungen von Individuen. Das Statisti-sche Bundesamt definiert den Begriff folgendermaßen: �Unter Lebensformen werden hier relativ stabile Be-ziehungsmuster der Bevölkerung im privaten Bereich verstanden, die allgemein mit Formen des Alleinlebensoder Zusammenlebens (mit oder ohne Kinder) beschrieben werden können� (Nietmeyer/Voit 1995: 437). DieFamilie lässt sich danach als eine spezielle Lebensform kennzeichnen.

Page 42: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

29

Bei Frauen beträgt der Anteil der Ledigen im selben Alter 11% (Engstler/Menning2003: 60). Die Scheidungshäufigkeit der Ehen hat seit den 1970er Jahren erheblichzugenommen und sich in den letzten Jahren auf einem hohen Niveau stabilisiert.

Sieht man von kurzen Unterbrechungen ab, so sinkt die Geburtenzahl in Deutschlandseit Mitte der 1960er Jahre. Im Vergleich zu den europäischen Staaten hat Deutschlandeine niedrige Geburtenrate (1,34 Kinder pro Frau) und eine hohe Kinderlosenquote,allerdings kamen im Jahr 2000 in Italien (1,25), Griechenland (1,30) und Spanien(1,22) weniger Kinder zur Welt als in Deutschland (Hradil 2004: 52). Für die jüngerenGenerationen werden zwei Tendenzen des generativen Verhaltens festgestellt: In zu-nehmender Anzahl wird entweder ganz auf Kinder verzichtet oder sich für zwei undmehr Kinder entschieden. Das Alter der Frauen bei der Geburt des ersten Kindes hatsich seit 1980 um ca. vier Jahre nach oben verschoben, es lag 2000 bei verheiratetenFrauen im Westen durchschnittlich bei 29 Jahren (Engstler/Menning 2003: 76).

Die langfristigen soziodemographischen Entwicklungstendenzen lassen sich mit denBegriffen "Singularisierung" und "Pluralisierung" beschreiben. Als Singularisierungbezeichnet man die stetige Zunahme der Einpersonenhaushalte. Die Zahl der Haushal-te allgemein nimmt neben dem Bevölkerungswachstum durch die Verkleinerung derdurchschnittlichen Haushaltsgröße stark zu. Waren es um 1900 etwa 12 MillionenHaushalte in Deutschland, so sind es 2004 39,1 Millionen Haushalte. Die Haushalts-größe ist dabei kontinuierlich zurückgegangen. Lag die durchschnittliche Haushalts-größe 1900 bei 4,5 Personen je Haushalt, so hat sie sich 1991 bereits auf 2,27 verrin-gert und liegt 2004 bei 2,12 Personen je Haushalt (Statistisches Bundesamt 2005: 11).Auch für die Zukunft lässt sich diese Tendenz annehmen. Die Singularisierungsten-denz bezieht sich auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen. Sie betrifft auf der einenSeite vor allem die 25- bis 35-Jährigen und auf der anderen Seite die Älteren, ab 55Jahren, die aufgrund von Verwitwung und Scheidung in diese Wohnform geraten sind(Hradil 1998). Es lässt sich dabei eine ungleiche Verteilung der Geschlechter feststel-len. Während bei den Jüngeren beide Geschlechter relativ gleichgewichtig vertretensind, sind die älteren Alleinlebenden hauptsächlich Frauen. Auch die regionale Vertei-lung der Einpersonenhaushalte ist unterschiedlich, sie finden sich überwiegend imstädtischen Bereich.

Unter der zweiten soziodemographischen Entwicklungstendenz, der "Pluralisierung",versteht man die Ausdifferenzierung der Haushalts-, Familien- und Lebensformen, dieunter dem Begriff neue Haushaltsformen oder -typen zusammengefasst werden. Unterder Pluralisierungstendenz können folgende soziale Prozesse zusammengefasst wer-den: Das Aufkommen neuer Haushaltstypen (z. B. patchwork-families), die verstärkteDiversifizierung im Sinne einer Verschiebung der quantitativen Gewichte der ver-

Page 43: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

30

schiedenen Lebensformen, eine zunehmende Anzahl weiblicher Haushaltsvorstände(Mutter-Kind-Familien, alleinwohnende Frauen) sowie den häufigeren Wechsel zwi-schen verschiedenen Haushalts- und Familienformen im Verlauf der Gesamtbiogra-phie (Glatzer 2001, Peukert 1999).

Die Zusammensetzung der (Privat)HaushalteDie Struktur der Privathaushalte hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert.Im Vergleich zu 1972 zeigt sich, dass die nichtehelichen Lebensgemeinschaften mitKindern damals nicht in der Statistik erscheinen. Auffällig ist, dass der Anteil der Al-leinerziehenden von 5,5% im Jahr 1972 auf 5,8% im Jahr 2000 leicht zurückgegangenist. Ebenfalls zurückgegangen ist der Anteil der Haushalte mit drei und mehr Genera-tionen von 3,3% auf 0,8%. Der Hauptanteil des Rückgangs der Haushalte mit Kindernist jedoch bei den Ehepaaren mit Kindern festzustellen. Hier ist der Anteil der Haus-halte von 38,9% auf 25,2% gesunken. Allerdings handelt es sich hier um die Bezugs-größe der Haushalte, im Jahr 2000 lebt weiterhin die Mehrzahl der Bevölkerung (54%)in Haushalten mit Kindern (Engstler/Menning 2003: 35).

Abb. 1: Haushaltstypen früheres Bundesgebiet 1972 (23 Mio. Haushalte)

Ehepaare ohne Kinder;22,9%

Sonstige Haushalteohne Kinder; 1,1%

NichtehelicheLebensgemein-

schaften ohne Kinder;0,5%

Einpersonenhaushaltevon Frauen; 18,6%

Einpersonenhaushaltevon Männern; 7,6%

Ehepaare mit Kindern;38,9 %

Alleinerziehende;5,5%

Familien mit nicht mehrledigen Kindern; 1,5%

Haushalte mit 3 undmehr Generationen;

3,3%

(Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus zit. nach Engstler/Menning 2003: 34)

Page 44: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

31

Abb. 2: Haushaltstypen Deutschland 2000 (38,1 Mio. Haushalte)

Sonstige Haushalteohne Kinder

1%

Alleinerziehende6%

NichtehelicheLebensgemein-

schaften ohne Kinder4%

Einpersonenhaushaltevon Frauen

21%

Einpersonenhaushaltevon Männern

15%

Ehepaare mit Kindern25%

Ehepaare ohne Kinder25%

NichtehelicheLebensgemein-

schaften mit Kindern1%

Familien mit nicht mehrledigen Kindern

1%

Haushalte mit drei undmehr Generationen

1%

(Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus zit. nach Engstler/Menning 2003: 34)

Bei den Mehrgenerationenhaushalten handelt es sich fast ausschließlich um Haushalte,in denen zwei Generationen leben. Nur in 0,8% der Haushalte wohnen mindestens dreiGenerationen, also Großeltern, Eltern und Kinder. Wie Engstler/Menning aufzeigen,handelt es sich bei den Familien mit Kindern im Haushalt in rund 79% der Fälle umEhepaare, knapp 16% fallen auf Alleinerziehende und nur 6,2 gehören zu den Lebens-form der nichtehelichen Lebensgemeinschaften (2003: 39).

Betrachtet man die Entwicklung der Haushalte ohne Kinder, so lässt sich eine deutli-che Zunahme feststellen. Der Anteil der Haushalte ohne Kinder ist im früheren Bun-desgebiet von 1972 bis 2000 von 50,6% auf 66,2% gestiegen. Der Anstieg ist im We-sentlichen auf die Zunahme der Einpersonenhaushalte zurückzuführen, insbesondereauf die Zunahme der alleinlebenden Männer. Der Anteil der Ehen ohne Kinder ist na-hezu konstant geblieben. Betrug er 1972 23%, so waren es 2000 24,8 % aller Haushal-te. Nach Engstler/Menning besteht diese Gruppe zu drei Vierteln aus älteren Ehepaa-ren, deren Kinder den Haushalt bereits verlassen haben. Er weist darauf hin, dass essich bei den "kinderlosen" Haushalten mit BewohnerInnen im Alter ab Mitte 50 wohl

Page 45: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

32

überwiegend um Eltern in der "empty-nest" Phase handelt. Allerdings nimmt der An-teil "echter" kinderloser Haushalte zu (Engstler/Menning 2000: 43).

Als Alleinerziehende werden hier alle allein erziehenden Mütter und Väter mit nochledigen Kindern unter 27 Jahren ohne weitere Personen im Haushalt gefasst. Die Zahlder Alleinerziehenden ist seit 1975 in Westdeutschland um etwa 50 Prozent gestiegenauf 1,77 Mio. im Jahr 2000. 85,5% dieser Familien sind Mutter-Kind-Familien, häufignach dem Scheitern einer Ehe. Nur 14,5% der Alleinerziehenden sind allein erziehen-de Väter. Im Vergleich zu früheren Jahren lässt sich eine Verschiebung in den Entste-hungsgründen feststellen, immer seltener führt der Tod eines (Ehe-)Partners und im-mer öfter das Scheitern einer Ehe/Partnerschaft zur Bildung einer Ein-Eltern-Familie(Engstler/Menning 2003: 40).

Nichteheliche Lebensgemeinschaften werden als �eine Hausgemeinschaft von zweiunverheiratet zusammenlebenden Personen verschiedenen Geschlechts mit einemMindestalter von 18 Jahren� (Voit 1993: 194) definiert. Seit 1996 werden die nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften im Mikrozensus durch eine direkte Frage nach einemprivaten Haushalt, in dem unverheiratete Lebenspartner gemeinsam wohnen und wirt-schaften, erfasst. Die Zahl der nichtehelichen Lebensgemeinschaften ohne Kinder hatseit 1972 (0,5%) bis 2000 (3,9%) zwar enorm zugenommen, insgesamt fällt jedoch mit3,9% nur ein kleiner Teil aller Haushalte auf diese Lebensform (EngstlerMenning2000: 45). Diese Lebensform wird überwiegend von jüngeren (kinderlosen) Paarengelebt. Sie ist jedoch nicht nur eine typische Lebensform in der Anfangsphase derPaarbildung und der Familienentwicklung, sondern gewinnt auch als eine Lebensformnach dem Scheitern einer Ehe an Bedeutung. Der Anteil der nichtehelichen Lebens-gemeinschaften ohne Kinder an allen nichtehelichen Lebensgemeinschaften betrug inden letzten zehn Jahren im früheren Bundesgebiet um die 80% und hat eine leicht sin-kende Tendenz. Für das Jahr 2000 weist der Mikrozensus für das frühere Bundesgebiet76,7% (neue Länder 51,5%) der nichtehelichen Lebensgemeinschaften ohne Kind und23,3% (neue Länder 48,5%) mit Kind oder Kindern auf. Bei 21% der nichtehelichenLebensgemeinschaften leben allein erziehende Mütter mit ihren Kindern und einemLebenspartner zusammen. Lediglich bei 7,2% handelt es sich um allein erziehendeVäter mit Kind(ern) und einer Partnerin. Der Anteil der Lebensgemeinschaften, in derbeide PartnerInnen ein Kind einbringen, liegt mit 1,3% sehr niedrig (Heiden-reich/Nöthen 2002: 30). Die nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit Kindern mach-ten 2000 einen Anteil von 1,1% der Haushalte aus. Insgesamt leben nur 4,3% derwestdeutschen Paare mit Kindern unverheiratet zusammen, in Ostdeutschland liegt derAnteil mit 12,8% deutlich höher (Engstler/Menning 2000: 46).

Page 46: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

33

Das 1996 im Mikrozensus eingeführte Fragekonzept zu Lebenspartnerschaften ermög-licht durch ihre geschlechtsneutrale Formulierung auch die Erfassung gleichge-schlechtlicher Paare. Allerdings weist der Vergleich zwischen der Erhebung und denWerten der seit 1986 bestehenden Schätzungen erhebliche Differenzen auf, die aufSchwierigkeiten der Erhebung (sensible Thematik) hinweisen. Der Mikrozensus weistfür das Jahr 2004 rund 56.000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften aus, nachdem Schätzkonzept gab es 2004 mit 160.000 fast dreimal so viele gleichgeschlechtli-che Lebensgemeinschaften. Trotz der erheblichen Unterschiede lässt sich bei beidenKonzepten ein leichter Anstieg der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften auf-zeigen (Statistisches Bundesamt 2005: 22).

Unter Einpersonenhaushalten versteht man Personen im Erwachsenenalter, die eineneigenen Haushalt führen. Der Begriff �allein wohnend� bezieht sich nur auf die Wohn-form, da über die Wohnform hinaus nichts über die sozialen Beziehungen der Perso-nen ausgesagt wird. Entscheidend für die Zuordnung zur Kategorie "allein wohnend"ist nicht der Familienstand (ledig, verheiratet, geschieden und verwitwet), sondern dieHaushaltsform. Allein wohnend schließt also soziale Beziehungen und Partnerschaftennicht aus. Seit 1925 ist die Anzahl der Einpersonenhaushalte absolut und relativ konti-nuierlich gestiegen. 1972 lebten 14% der volljährigen Bevölkerung allein, 2000 warenes bereits 16,7%. 36,5% aller Haushalte sind Einpersonenhaushalte. Die Gruppe derAlleinlebenden unterscheidet sich stark nach Alter und Geschlecht. Es lassen sich zweiTendenzen ausmachen. Zum einen geht es um eine Zunahme der Anzahl hochbetagterFrauen, zum anderen lässt sich eine Zunahme bei den jüngeren Alleinlebenden fest-stellen. Im Jahr 2000 lebten knapp zwei Drittel aller Frauen ab 75 Jahren allein imHaushalt. Bei der zweiten Gruppe der Alleinlebenden, den Jüngeren, lassen sich ge-schlechtsspezifische Unterschiede feststellen. Liegt der Schwerpunkt bei alleinleben-den Frauen bei den unter Dreißigjährigen, so ist die Wahrscheinlichkeit des Alleinle-bens bei Männern zwischen 30 und Mitte 40 gestiegen. Wesentliche Gründe für denAnstieg jüngerer Alleinlebender sind die Verlängerung der Ausbildungszeiten, Verän-derungen in der Paarbildung und die Aufschiebung der Familiengründung(Engstler/Menning 2003: 50).

Im Kontext von Meldungen über den "Zerfall der Familie" und die zunehmenden Ver-einzelungstendenzen sind die Lebensformen von Kindern ebenfalls Thema der Indivi-dualisierungsdiskussion. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung wächst die über-wiegende Mehrheit der minderjährigen Kinder bei ihren verheiratet zusammenleben-den Eltern auf - im Jahr 2004 waren es 81% der 12,5 Mio. minderjährigen Kinder inWestdeutschland. 14 % (22% im Osten) der Kinder wuchsen bei einem allein erzie-henden Elternteil auf und 5% (16% Ost) in einer Lebensgemeinschaft. Der Anteil der

Page 47: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

34

bei Ehepaaren lebenden Kinder ist jedoch in den vergangenen Jahrzehnten gesunken.Im früheren Bundesgebiet hat sich der Anteil der bei Ehepaaren lebenden Kinder unter18 Jahren von 93,4% im Jahr 1972 auf 83,9% im Jahr 2000 verringert. Fast die Hälfteder minderjährigen Kinder wuchs mit einer Schwester oder einem Bruder auf, einViertel der Kinder ohne Geschwister (Statistisches Bundesamt 2005: 27f.).

Wohngemeinschaften gelten als wirkliche neue Haushaltstypen, obwohl das Zusam-menleben von nichtverwandten Personen zum Beispiel auch in Klöstern oder beimSchlafgängerwesen vorkam. Spiegel definiert Wohngemeinschaften als "gemeinsamenHaushalt von mindestens drei Erwachsenen mit oder ohne Kinder, die in der Regelnicht miteinander verwandt sind" (Spiegel 1986: 132). Ein wesentliches strukturellesMerkmal ist die gemeinsame Haushaltsführung der Mitglieder. In den 1960er Jahrenwurden Wohngemeinschaften als revolutionäre Gegenbewegung zu der bürgerlichenKleinfamilie propagiert. Wohngemeinschaften wurden als bewusste politische Lebens-form gegen die als repressiv bezeichnete Familie gegründet. Mit dieser "Kommunen-bewegung" verbanden sich theoretisch begründete sozialrevolutionäre Absichten. Inder weiteren Entwicklung entfernten sich Wohngruppen von der politischen Zielset-zung und wurden mehr und mehr pragmatische Lösungen zur Wohnraumversorgunginsbesondere jüngerer Erwachsener. Die Wohngemeinschaften vollzogen "eine prag-matische Wendung ins Alltägliche" (Schülein 1990). Mit der "Zweck-WG" nahm dieZahl der Wohngemeinschaften immer mehr zu. Spiegel schätzt für das Jahr 1980 eineZahl von ca. 200.000 bis 450.000 in Wohngemeinschaften lebenden Personen (Spiegel1986: 133).13 Die soziale Zusammensetzung der Wohngemeinschaften hat sich in denletzten beiden Jahrzehnten verändert. Anfang der 1980er Jahre lag das Durchschnitts-alter der vorwiegend ledigen und in Ausbildung befindlichen Erwachsenen bei 25 Jah-ren. Inzwischen ist das Durchschnittsalter angestiegen und ein Teil der WG-Mitgliederlebt auch nach Abschluss einer Ausbildung in dieser Lebensform (Peukert 1999: 97).14

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Ausdifferenzierung von Haushalts-und Wohnformen Symptom eines gesellschaftlichen und ökonomischen Wandels ist.Das Spektrum der Haushalts- und Familienformen ist aber auch heute noch durch dieDominanz familialer und ehelicher Lebensformen geprägt; die nichtfamilialen Lebens-formen bleiben in der Minderheit. Es lassen sich jedoch deutliche Veränderungsten-denzen feststellen. Neben die �Normalfamilie� (verheiratetes Paar mit Kindern) sindzunehmend andere Familienformen getreten (nicht-eheliche oder gleichgeschlechtliche

13 Auch hier gibt es Probleme mit der Statistik. Für 1970 wurden die familienfremden Mitglieder von Mehrper-sonenhaushalten als WG herangezogen. Hier können und sind auch nichteheliche Lebensgemeinschaften ent-halten (Häußermann 1999: 15).

14 Einen Überblick über Forschungsarbeiten zum Thema Wohngemeinschaften gibt Bertels 1990, vgl. auchHaider 1984.

Page 48: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

35

Lebensgemeinschaften, Patchwork-Familien, Ein-Elternfamilien etc.). Immer noch istdie Familiengründung das Ziel vieler, aber sie findet in einem höheren Alter statt undimmer öfter außerhalb der Ehe. Daneben wächst der Anteil der kinderlosen Bevölke-rung und insbesondere in den Städten nimmt der Anteil der Ledigen und Alleinwoh-nenden zu. Die Mehrheit dieser Singles wohnt zwar alleine, lebt aber nicht alleine.Diese Form des �living apart together� wird von einigen Autoren für den Familientypder Zukunft gehalten. Kommunikation und Interaktion innerhalb informeller Netzwer-ke bleiben jedoch in Städten und ländlichen Regionen gleichermaßen überwiegendfamilienzentriert (Bertram 1994).

2.2. Geschlechterverhältnis und innerfamiliale ArbeitsteilungNeben dem Prozess der Ausdifferenzierung und Pluralisierung von Lebensformen istdie Ausgestaltung dieser Lebensformen, insbesondere im Hinblick auf das Geschlech-terverhältnis, für die vorliegende Arbeit von Bedeutung. Wie bereits deutlich wurde,sind viele der im Kontext von Individualisierung beschriebenen Veränderungsprozesseentscheidend durch den sozialen Wandel im Geschlechterverhältnis beeinflusst wor-den. Im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Emanzipationsprozesse steht seit Beginndes 20. Jahrhunderts der Zugang von Frauen zu Bildung und zum Arbeitsmarkt. DieserProzess der �nachgeholten Individualisierung� von Frauen bedeutet jedoch nichtzwangsläufig, dass damit eine neue Arbeitsteilung gesellschaftlich etabliert wurde. Dadie geschlechtsspezifische Arbeitsteilung als eine gesellschaftliche Strukturkategorieeine zentrale Bedeutung für das Verhältnis der Geschlechter hat, ist es wichtig, diealltagspraktische Gestaltung der Arbeitsteilung in familialen und nichtfamialen Le-bensformen zu analysieren.

Ausgangspunkt meiner Überlegungen zum sozialen Wandel der Geschlechterverhält-nisse sind die in Kapitel 1.2 dargestellten Überlegungen, dass es sich bei der Idee derindividualisierten gleichberechtigten Partnerschaft im Wesentlichen um eine semanti-sche Leitvorstellung handelt (Koppetsch/Maier 1998, Koppetsch/ Burkhart 1999). Diesbedeutet, dass die Geschlechtsnormen auf einer faktischen Ebene weiterhin gültig sindund sich dementsprechend Hinweise auf eine deutlich geschlechtsspezifische Arbeits-teilung in Partnerschaften finden lassen müssten. Gleichzeitig ist von einer Diskrepanzzwischen Anspruch und alltagspraktischer Gestaltung in einer Partnerschaft auszuge-hen.15

15 Koppetsch/Maier gehen von einer milieuspezifischen Ausprägung des Leitbildes und der Alltagsgestaltung inPartnerschaften aus. Sie zeigen auf, dass nur im individualisierten Milieu der Anspruch einer gleichberechtig-ten Partnerschaft besteht, hingegen im traditionalistischen und familistischen Milieu herkömmliche Ge-schlechtsrollenarrangements nach wie vor selbstverständlich sind (1998: 152).

Page 49: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

36

In den letzten Jahren haben Studien zur Arbeitsverteilung in Partnerschaften zuge-nommen. Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen steht die Frage nach den Faktoren,die die Entwicklung egalitärer Muster partnerschaftlicher Arbeitsteilung behindernoder fördern. In Zeitbudgetstudien16 wurde analysiert, wie sich der Zeitaufwand fürHausarbeit und Erwerbstätigkeit zwischen den Geschlechtern verteilt. Ein weitererForschungsansatz untersucht die geschlechtsspezifische Verteilung der einzelnen Tä-tigkeiten der innerfamilialen Arbeit. Erst seit den 90er Jahren wird auch die Arbeitstei-lung in nichttraditionalen Familien- und Lebensformen untersucht. Vorher war dieForschung weitgehend auf die innerfamiliale Arbeitsteilung bei Ehepaaren beschränkt(Künzler 1999).

Keddi/Seidenspinner (1991) sehen in der ungleichen Verteilung der häuslichen Arbeiteinen Indikator für die soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Nach An-sicht der Autorinnen lässt sich zwar seit den 1980er Jahren ein neues gesellschaftlichesLeitbild egalitärer Arbeitsteilung feststellen, die faktische Umsetzung in der alltägli-chen Lebensführung ist jedoch nicht gegeben. Trotz Debatten über die Pluralisierungder Lebensformen zeigen die Ergebnisse empirischer Untersuchungen, dass es sich beider traditionellen geschlechtsspezifischen innerfamilialen Arbeitsteilung um ein stabi-les Muster handelt.

Bettina Langfeldt untersucht auf der Grundlage der Daten des Familiensurveys ausdem Jahr 2000, ob �familienfreundliche Arbeits(zeit)arrangements eine egalitäre in-nerfamiliale Arbeitsteilung begünstigen� (2002: 202). Grundlage der Untersuchungsind in einem gemeinsamen Haushalt lebende Paare. Ein wesentlicher Analyseaspektist der Umfang der häuslichen Arbeitszeit, der sich bei den Geschlechtern unterschied-lich verteilt. Ebenso wirkt sich der Einfluss der eigenen Erwerbsarbeitssituation aufdas Hausarbeitsvolumen bei Frauen und Männern unterschiedlich aus. Bei den befrag-ten Männern ist eine Steigerung der Hausarbeitszeit nur dann zu verzeichnen, wennihre Erwerbsarbeitzeit drastisch sinkt. Bei den Frauen ist dagegen eine deutliche Ab-hängigkeit des Hausarbeitsvolumens von der Erwerbsarbeit (Vollzeit, Teilzeit) festzu-stellen. Insgesamt liegt des Hausarbeitsvolumen der Vollzeit erwerbstätigen Frauendennoch deutlich über dem der erwerbstätigen Männer (Langfeldt 2002: 204f.). DerEinfluss der Erwerbsarbeit der Partnerin auf die Mitarbeit und den zeitlichen Umfangder männlichen Tätigkeiten der Vollzeit erwerbstätigen Männer im Haushalt erweistsich als gering. Dies trifft umso mehr zu, wenn Kinder im Haushalt vorhanden sind.Trotz der insgesamt leicht wachsenden Beteiligung der Männer am Haushalt bestehen

16 So hat das Statistische Bundesamt 1991/92 die erste repräsentative Zeitbudgeterhebung durchgeführt, die2001/02 wiederholt wurde. Gegenstand der Erhebungen war die aktuelle Zeitverwendung in Deutschland(vgl. BMFSFJ/Statistisches Bundesamt 2003).

Page 50: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

37

nach wie vor männliche Präferenzen für bestimmte Haushaltsbereiche (Langfeldt2002: 210).

Auch in der Untersuchung von Anina Mischau u.a. (1998) war der Familienstand keinAuswahlkriterium, es wurden �Partnerschaftsfrauen� befragt (Frauen in einer Partner-schaft mit und ohne Kinder). Sowohl die alltagspraktische Verteilung der Arbeiten alsauch die erwünschte Verteilung wurde erhoben. Die verschiedenen Tätigkeiten (Arbei-ten für das Kind/die Kinder, Wohnung saubermachen und Putzen, Wäsche waschen,Kochen, Abspülen und Abtrocknen, Einkaufen) wurden differenziert betrachtet. DieKinderbetreuung liegt überwiegend in den Händen der Frauen, ebenso die anderenArbeitsbereiche. Ausnahmen sind in den Tätigkeitsfeldern Abspülen/Abtrocknen undEinkaufen zu beobachten, in denen immerhin zu 32,6% und 40,1% die Aufgaben ge-meinsam erledigt werden (Mischau u. a. 1998).

In dieser Studie zeigt sich, dass vollerwerbstätige Frauen mit der größten Unterstüt-zung des Partners rechnen können. Der Einfluss von Bildung, Einkommen und Alterist bei den Tätigkeiten jedoch unterschiedlich. Insgesamt kann davon ausgegangenwerden, dass je weniger Einkommen Frauen haben, desto mehr die Tätigkeiten imHaushalt vollständig von ihnen übernommen werden. Alter und Bildung scheinen ehereine Rolle bei der Frage nach der Zufriedenheit zu spielen. Je jünger und gebildeterFrauen sind, desto unzufriedener sind sie mit einer ungleichgewichtigen Arbeitstei-lung. Die Autorinnen haben auch ausgewählte männliche Arbeitsbereiche (Reparatu-ren im Haus/in der Wohnung und KFZ reparieren und pflegen) in den Blick genom-men. In beiden Bereichen werden diese Tätigkeiten überwiegend vom Partner über-nommen (68,2% und 63,6% der Fälle) und die Frauen sind mit dieser Arbeitsteilungweitgehend zufrieden (Mischau u. a. 1998: 348f.).

Zusammenfassend fällt auf, dass es nach wie vor typisch weibliche und typisch männ-liche Aufgaben im Haushalt gibt. Dies widerspricht der individualisierungstheoreti-schen Annahme einer egalitären Partnerschaft (Beck/Beck-Gernsheim 1990). Gleich-zeitig bestätigen die angeführten Studien die andauernde Gültigkeit von Geschlechts-normen und einen Wandel in erster Linie nur auf der Ebene des Leitbildes. Am ehes-ten erhalten vollzeiterwerbstätige Frauen bei der häuslichen Arbeit Unterstützungdurch ihren Partner und können Arbeiten an Dritte abgeben. Umgekehrt erhalten nichterwerbstätige und teilzeiterwerbstätige Frauen in der Tendenz die geringste Überstüt-zung durch den Partner. Auch in der Zeitbudgeterhebung von 2001/02 bestätigt sich,dass die Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen �eine partnerschaftlich ausgeglichenereArbeitsteilung in Familienhaushalten mit Kindern� (Meier/Küster/Zander 2004: 124)fördert. Aber auch wenn beide Partner vollzeiterwerbstätig sind, ist der Anteil der vonder Frau geleisteten Haus- und Betreuungsarbeit nach wie vor höher.

Page 51: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

38

Die traditionelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Haushalt wird durch Kindernoch verstärkt, trotz bzw. unabhängig von einer Erwerbstätigkeit der Frau und auchbei nichtehelichen Lebensgemeinschaften (Keddi/Seidenspinner 1991: 181). Auch beiPaaren, die zuvor partnerschaftlich organisiert waren, zeigt sich mit der Geburt einesKindes eine stärkere geschlechtsspezifische Arbeitsteilung. Paare im Übergang zurElternschaft sind daher eher der Gefahr einer Traditionalisierung bzw. �Retraditionali-sierung� der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ausgesetzt.

�Es bleibt alles in allem die ernüchternde Feststellung, dass das Bild der �NeuenVäter� oder der �Neuen Partnerschaft� zwischen Frau und Mann in erster Liniewohl noch immer ein Wunschbild ist, während die Realität eine andere Sprachespricht.� (Mischau u. a. 1998: 351)

Die Hauptlast der Eltern- und Hausarbeit liegt also nach wie vor bei den Frauen, wäh-rend die meisten Männer nur symbolische (oder graduelle) Beiträge im Haushalt undin der Kinderbetreuung leisten. Dies hat sich in den letzten Jahrzehnten nicht wesent-lich verändert. Bereits die im Herbst 1985 von Sigrid Metz-Göckel und Ulla Müllerveröffentlichte repräsentative empirische Studie �Der Mann� kam zu dem Ergebnis,dass sich an den alten Zuständigkeiten für Haushalt und Kinder wenig oder gar nichtsgeändert hat. Entsprechend gilt �die mehrheitliche Akzeptanz der Hausmann-Rolle nurfür die anderen Männer� (Metz-Göckel/Müller 1985: 63). Auch die Ergebnisse deraktuellen Zeitbudgetstudie des Statistischen Bundesamtes bestätigen diese Tendenz.Insgesamt hat die Zeitbelastung der Frauen für Hausarbeit im Vergleich zu der Erhe-bung von 1991/92 abgenommen (Verringerung um 21 Minuten)17 und der Anteil, denMänner an der Hausarbeit (insbesondere Kochen und Einkaufen) leisten, hat um 14Minuten täglich zugenommen. Eine detaillierte Analyse zeigt jedoch auf, dass es ins-gesamt weniger Männer sind, die sich überhaupt täglich an der Hausarbeit beteiligen.�Diejenigen allerdings, die das tun, beteiligen sich mit einem deutlich höheren Zeitein-satz als in der Vergangenheit.� (Meier/Küster/Zander 2004: 120) Frauen, das betontauch der 7. Familienbericht der Bundesregierung nachdrücklich, leisten demnach nachwie vor den größten Teil der Haus- und Betreuungsarbeit (BMFSFJ 2006: 91f.).

Besondere Erwartungen werden an nichteheliche Lebensgemeinschaften im Hinblickauf das Rollenverhalten und die Arbeitsteilung im Haushalt gerichtet. Zu der Frage, obnichteheliche Lebensgemeinschaften - im Gegensatz zur Ehe - eine egalitäre Arbeits-teilung eher ermöglichen, sind widersprüchliche Ergebnisse vorhanden. Künzler gehtauf der Grundlage einer neueren Untersuchung davon aus, dass die Unterschiede hin-

17 Kultureller Wandel, Rückgang der Kinderzahlen und Entwicklungen im Bereich der Haushaltstechnik wer-den wesentliche Faktoren für diesen Rückgang angenommen (Pinl 2004: 23).

Page 52: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

39

sichtlich der Arbeitsteilung nicht signifikant sind (Künzler 1998).18 Wie Glatzer auf-zeigt, erfolgt eine innovative Rollenübernahme in starker Abhängigkeit von der Wohn-form, also vor allem bei nichtehelichen Paaren, die getrennt voneinander wohnen. Ins-gesamt kommt er zu dem Schluss, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften eine ge-rechtere Verteilung der Hausarbeit anstreben, aber in der Realität oft auf Schwierigkei-ten stoßen und dann doch häufig einem traditionalen Muster der Arbeitsteilung folgen(Glatzer 1998: 23).

Es zeigt sich ein Spannungsfeld von einer wachsenden Zustimmung zu egalitären Dis-kursen und Einstellungen einerseits und einer ungleichen Praxis andererseits. Dieslässt sich bereits bei Jugendlichen nachweisen: So beteiligen sich weibliche Jugendli-che zwischen 12 und 15 Jahren bereits deutlich mehr an der täglichen Hausarbeit inder Familie als männliche Jugendliche. Diese Differenz vergrößert sich bei den 20- bis23-Jährigen und mehr noch bei den 24- bis 29-Jährigen zu einem deutlichen Ungleich-gewicht. Hier zeigt sich, dass der Umfang der von Männern angegebenen Hausarbeits-zeit nahezu unverändert bleibt, bei den Frauen jedoch erheblich ansteigt (Knothe 2002:129). �Die ungleiche Beteiligung an Hausarbeit und Kinderbetreuung setzt bereits injungen Jahren ein und verschärft sich noch in den folgenden Jahren, wobei der Geburtdes ersten Kindes offenbar eine Katalysatorfunktion zukommt� (Knothe 2002: 132).

Keddi/Seidenspinner untersuchen neben der Arbeitsteilung auch die geschlechtsspezi-fischen Entscheidungsstrukturen in Paarbeziehungen. Im Gegensatz zur Arbeitsteilungüberwiegen bei den Zuständigkeiten für Entscheidungen eher gemeinsame oder ab-wechselnde Zuständigkeiten. Die Autorinnen weisen jedoch darauf hin, dass sich zweisehr unterschiedliche Entscheidungsebenen abbilden: Die Ebene des �Bewältigens derAlltagsanforderungen� (alltägliche Aufgaben) und die Ebene der �gravierenden Ent-scheidungen� wie größere Anschaffungen, Wohnungssuche, Schulwahl, beruflicheVeränderungen etc. Auf der Ebene der Alltagsanforderungen entscheiden Frauen zueinem relativ hohen Anteil allein. Hier hat die Frau die Entscheidung über alltäglichanfallende Aufgaben und damit die Hauptverantwortung für das alltägliche Funktio-nieren des familialen Zusammenlebens. Bei den so genannten gravierenden Entschei-dungen sieht die Struktur anders aus, hier liegt ein Schwerpunkt auf gemeinsam ge-troffenen Entscheidungen (Keddi/Seidenspinner 1991: 172). Insgesamt lässt sich sa-gen, dass der zeitlichen Höherbelastung der Frauen und ihrer Hauptverantwortung fürHaushalt und Familie eine ausgeprägte geschlechtsspezifische innerfamiliale Ent-scheidungsstruktur entspricht.

18 Eine frühere Untersuchung geht dagegen davon aus, dass die Chancen für eine gleichberechtigte Arbeitstei-lung in nichtehelichen Lebensgemeinschaften höher sind als in der Institution Ehe (Meyer/Schulze 1988).Ebenso machen Keddi/Seidenspinner (1991: 173) bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften eine starke Ten-denz zu einer Entlastung der Frauen und zu einer Gleichverteilung der Hausarbeit aus.

Page 53: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

40

Der Blick auf die empirische Praxis hat die These von Koppetsch/Maier bestätigt, dendurch Individualisierungsprozesse hervorgerufenen Wandel der Geschlechterbezie-hungen vornehmlich als einen Wandel in den Leitvorstellungen zu begreifen. Es zeigtsich ein Spannungsfeld zwischen einer wachsenden Zustimmung zu egalitären Diskur-sen und Leitbildern im Geschlechterverhältnis und einer weiterhin durch Ungleichheitgeprägten sozialen Praxis. Diese Ungleichheit zeigt sich � so Koppetsch/Burkhart(1999) � selbst im individualisierten Milieu, bei dem sie im Zusammenhang mit derRealisierung des Gleichheitsanspruchs von einer �Illusion der Emanzipation� spre-chen. Familie und die ungleiche innerfamiliäre Arbeitsteilung ist offensichtlich imVergleich zu anderen Lebensbereichen durch eine größere Resistenz gegenüber Mo-dernisierungsprozessen charakterisiert (Geissler/Oechsle 2000).

Die Frage nach der innerfamilialen bzw. der partnerschaftlichen Rollen- und Arbeits-teilung spielt vor dem Hintergrund von neuen Wohn- und Lebensformen eine besonde-re Rolle. Die neuen Wohnformen drücken einen Wunsch nach egalitären Wohnformenaus (Spiegel 1986). Dies gilt allgemein, aber besonders für Frauen. Bei der Analysedes Fallbeispiels � der Projektreihe �Einfach und selber bauen� � wird daher ein be-sonderer Augenmerk auf die Gestaltung der innerfamilialen Arbeitsteilung gelegt. Dadie Reiheneigenheime in diesen Projekten von den beteiligten Familien zum großenTeil in Selbsthilfe erbaut werden, wird auch der Bauprozess unter dem Aspekt der ge-schlechtsspezifischen Arbeitsteilung in den Blick genommen. Vor dem Hintergrundder dargestellten Ergebnisse zu Arbeitsteilungen in Partnerschaften lässt sich jedochdavon ausgehen, dass die Alltagspraxis der Familien von einer geschlechtsspezifischenArbeitsteilung geprägt ist, was sich somit auch in einer ungleichen Praxis im Baupro-zess widerspiegelt. Der Frage, ob sich diese Annahmen zur Arbeitsteilung zwischenden Geschlechtern in einer Ausnahmesituation wie dem Hausbau bestätigen oder außerKraft gesetzt werden, wird in der Analyse des Fallbeispiels nachgegangen.

3. Neue Wohnformen - zwischen Individualisierung undVergemeinschaftung

Aktuell wird die Frage von nachbarschaftlichen Netzwerken auf der gesellschaftstheo-retischen Ebene, wie oben dargelegt wurde, im Zusammenhang mit Individualisie-rungskonzepten diskutiert. Wesentliche Aspekte sind dabei die Veränderungen derLebens- und Wohnformen vor dem Hintergrund eines massiven gesellschaftlichenStrukturwandels. Der erste Teil dieses Kapitels behandelt �Gemeinschaft� und �Nach-barschaft� im Kontext stadtsoziologischer Diskussionen. Eine Annäherung an die ak-tuellen Formen und Funktionen von gemeinschaftlichen Wohnformen als ein Momentder sozialen Einbindung erlaubt der Bereich der alternativen Wohnprojekte bzw. der

Page 54: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

41

neuen Wohnformen, zu denen im zweiten Teil des Kapitels empirische Befunde darge-legt werden.

3.1. "Gemeinschaft" als Thema der (Stadt-)Soziologie und ihre Bedeutung fürdas Wohnen

Das Thema Gemeinschaft bzw. Auflösung von Gemeinschaft wird in der Stadtsozio-logie im Kontext von Urbanisierung diskutiert. Eine zentrale Fragestellung ist hier, obund inwiefern der Prozess der Urbanisierung einen Verlust von Gemeinschaft impli-ziert. Urbanisierung bezeichnet zwei Dimensionen: Zum einen den räumlichen Prozessder Konzentration der Bevölkerung in städtischen Regionen; zum anderen die Heraus-bildung einer spezifischen städtischen Lebensweise.

Nach Hartmut Häußermann bedeutet "Gemeinde, verstanden als eine über gemeinsa-me Werte integrierte Gemeinschaft, (...) mehr als einen bestimmten Ort; der Begriffumschreibt auch eine bestimmte Qualität von Beziehungen." (Häußermann 2001:507f). Die Soziologie gibt nach Einschätzung von Häußermann und Siebel (1994) dreiunterschiedliche Antworten auf die Frage der Beziehung zwischen Urbanisierung undGemeinschaft. Nach Ansicht der Autoren lässt sich von Desintegration sprechen, wenndie Gemeinschaftsbildung in großen, dicht bevölkerten Gebieten zerstört wird; zwei-tens von Persistenz, wenn ein Gefühl von Gemeinschaft innerhalb der Nachbarschaf-ten oder Quartieren auch großer Städte überlebt und drittens von einem Wandel vonGemeinschaft als einer Veränderung von gemeinschaftlichen Beziehungen durch Ur-banisierungsprozesse.

Einer der ersten Soziologen, der das Problem der Desintegration thematisierte, war1887 Ferdinand Tönnies (1855-1936). Mit seiner dichotomischen Gegenüberstellungzweier Systeme, der Gemeinschaft und der Gesellschaft, rückte er die negativen Fol-gen der Urbanisierung in den Vordergrund. Urbanisierung war für ihn gleichbedeutendmit dem Wandel von Gemeinschaft zu Gesellschaft. Das Modell für Gemeinschaftstellten dabei kleine Städte dar, die ein enges (soziales) Netzwerk von gemeinsamenTraditionen, Zielen und Werte bildeten. Mit der Vorstellung einer Gesellschaft dage-gen war in seiner Sicht die städtische industrielle Gesellschaft verbunden, die gekenn-zeichnet war durch einen Verlust der persönlichen Bindungen und Beziehungen undden formalen Zusammenhalt durch Organisation und Märkte. Tönnies beschreibt diestädtische Gesellschaft als eine hoch spezialisierte Gesellschaft, die von sozialer Dis-tanz geprägt ist. In seiner Analyse rückt der Verlust von nachbarschaftlicher und fami-liärer Solidarität in den Mittelpunkt der Betrachtung (Tönnies 1887).

Auch Georg Simmel (1858-1918) sieht in den unpersönlichen, sachlichen Beziehun-gen ein Charakteristikum des großstädtischen Lebens. Als bestimmende Faktorennennt er die Größe und Dichte des städtischen Zusammenlebens, Markt, Geldwirt-

Page 55: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

42

schaft und Arbeitsteilung. Im Gegensatz zu Tönnies stehen bei ihm jedoch nicht nurder Verlust von nachbarschaftlichen Beziehungen aufgrund von Urbanisierungspro-zessen im Vordergrund, sondern auch die Möglichkeit einer Zunahme von Freiheit undIndividualität. Die festgestellte soziale Distanz und Entfremdung in großstädtischenZusammenhängen kann seiner Ansicht nach also auch zu einer größeren Toleranz ge-genüber individuellen Unterschieden und persönlichen Eigenarten im Zusammenlebenbeitragen. Simmel hebt die Ambivalenzen der Urbanisierung im Gegensatz zur zeitge-nössischen Großstadtkritik deutlich hervor (Simmel 1903). Dies ist umso erstaunli-cher, als es unter dem Eindruck einer ungeheuren Urbanisierungswelle geschieht.

Wie u. a. Häußermann aufzeigt, haben die Gedanken Simmels Eingang in die Stadtfor-schung gefunden und waren dort sehr einflussreich (Häußermann 2001: 509). In derhistorischen Betrachtung der Gemeinschaftsbildung zieht Häußermann eine direkteLinie zu dem in den 1920er und 1930er Jahren in Chicago durchgeführten Stadtfor-schungsprogramm. Die "Chicagoer Schule" um Robert Park untersuchte die mit derzunehmenden Auflösung der lokalen Bindungen und Gemeinschaften verbundenenGefahren. Die Autoren der Studie heben die soziale Kontrolle als eine wesentlicheFunktion der dörflichen Gemeinschaften und der Familie hervor. In großstädtischenZusammenhängen sehen sie diese soziale Kontrollfunktion, die den IndividuenSchranken und Hindernisse auferlegt, schwinden. Die Folgen seien, so Park, Burgessund McKenzie, unmoralisches, abweichendes Verhalten und eine Zunahme der Krimi-nalität (Park/Burgess/McKenzie 1925). Sie weisen jedoch darauf hin, dass auch in derGroßstadt Gemeinschaften, "communities", existieren, die Orte sind, in denen Men-schen ähnlicher Herkunft und mit ähnlichen Werten leben. Diese räumlich abgegrenz-ten Gebiete bilden so etwas wie "Dörfer in der Stadt", Gebiete, die durch eigene Nor-men, Traditionen und Verhaltensmuster geprägt sind.

Diese These von einer Aufrechterhaltung enger sozialer Beziehungen in städtischenVierteln oder Quartieren in großen modernen Städten wurde Ende der 1960er Jahre insoziologischen Untersuchungen bestätigt. Es wurde festgestellt, dass sich die sozialenBeziehungen in benachteiligten Quartieren von denjenigen der übrigen städtischenGebiete unterscheiden. Diese Quartiere wurden im Kontext von Stadtentwicklungspo-litik zu Sanierungsgebieten und damit zum Gegenstand soziologischer Untersuchun-gen. Es wurde nachgewiesen, dass diese Quartiere ein funktionierendes nachbarschaft-liches (Unterstützungs-)Netzwerk besaßen und sich in ihnen ein spezifisches Milieuherausgebildet hatte (vgl. Zapf 1969, Gude 1971). Wie Häußermann herausstreicht,bilden sich solche Strukturen besonders häufig in Quartieren, in denen unterschiedli-che Kulturen zusammenleben, die in besonderer Weise auf "die Solidarität ihrer Fami-

Page 56: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

43

lien und ihrer ethnisch-kulturellen Netzwerke angewiesen sind" (Häußermann 2001:511).

Aber nicht nur in diesen Quartieren findet die Soziologie Hinweise auf das �Überle-ben� gemeinschaftlicher Strukturen. Nicht mehr ausschließlich die gemeinsame Her-kunft oder die räumliche Nähe stellt in einer städtischen Umwelt Gemeinschaft her,sondern auch gemeinsame Interessen, Berufe oder anderes. Die Bevölkerungsgrößeund -dichte einer Großstadt und damit auch die Differenziertheit der Bevölkerungkann so auch neue Formen der sozialen Bezüge herstellen und neue Gemeinschafts-formen herausbilden. Allerdings gibt es einen Unterschied zwischen den Beziehungs-kontakten in kleineren Gemeinden und jenen in Städten. Die größere Zahl unmittelba-rer sozialer Kontakte (in Gemeinden) wird als ganzheitliche Kontakte bezeichnet. Diesozialen Kontakte in Städten, die unabhängig von der räumlichen Nähe sind, werdenals segmentäre Kontakte charakterisiert (ebd.). Häußermann und Siebel (1996) weisendarauf hin, dass alle analytische Blicke der Soziologie auf den Zusammenhang vonUrbanisierung und Gemeinschaft (Desintegration, Persistenz und Wandel) ihre Be-rechtigung haben und in unterschiedlicher Weise, abhängig von der Betrachtungsweiseder Forscherin, bestehen können.

In einem anderen Zusammenhang tauchte die Frage nach Gemeinschaft in den 1960erJahren als Gegenstand stadtsoziologischer Forschung wieder auf. Das Thema Nach-barschaft berührt ähnliche Aspekte und wurde intensiv diskutiert (vgl. z. B. Hamm1973, Bahrdt 1968, Klages 1968). "Nachbarschaft" avancierte in den 60er/70er Jahrenzu einem zentralen stadtsoziologischen Forschungsfeld mit großer Bedeutung. ImKontext der Stadterweiterungsplanungen nahm Nachbarschaft "als Form ortsgebunde-ner Sozialbeziehungen" (Häußermann/Siebel 1994: 377) einen besonderen Stellenwertein. Nachbarschaft als ein Konzept funktionierender Sozialbeziehungen vor Ort, direktvor der Haustür, wurde als wesentliche Planungsgrundlage für (Neubau-)Siedlungenbetrachtet.19 Im Zuge der Stadterweiterungsplanungen der 1960er Jahre, in den vieleSiedlungen neu geplant und evaluiert wurden, spielte die Frage nach einer möglichenräumlichen Herstellung von nachbarschaftlichen Bezügen in der Stadtplanung einewichtige Rolle.

Demgegenüber stand eine Reihe von Untersuchungen, die in der Tradition der konser-vativen Kulturkritik der Jahrhundertwende standen und einen Funktionsverlust, eineReduktion bzw. eine Erosion von Nachbarschaft feststellten. In dieser Sichtweise wur-de die festgestellte Reduktion nachbarschaftlicher Beziehungen (und ein gleichzeitigerRückzug ins Private) als ein Zeichen für die zunehmende Anonymität und Isolation in

19 1973 kennzeichnet Hamm die Bedeutung von Nachbarschaft anhand der beiden Merkmale räumliche Näheund soziale Interaktion (Hamm 1973: 14).

Page 57: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

44

den Großstädten interpretiert. Dieser Entwicklung sollte in der Planung von Neubau-siedlungen entgegen gewirkt werden. Dahinter stand die Annahme, dass sich eine Ge-meinschaft quasi "natürlich" aus der räumlichen Nähe des Wohnens und der Infra-struktur entwickeln, dass Nachbarschaft "gebaut" werden könnte. Nachbarschaft wur-de somit als "planerisch herstellbares soziales Konstrukt behandelt" (ebd.: 379). DieErgebnisse der Studien zur Nachbarschaftsentwicklung zeigen jedoch übereinstim-mend eine "Erosion von engen sozialen Beziehungen auf lokaler Basis" (ebd.: 378).

Die Veränderung der Formen von Nachbarschaft und deren Einschätzung im Laufe dergesellschaftlichen Entwicklung, bestätigt sich auch in späteren Untersuchungen (vgl.Engelhard 1986, Diewald 1991). Die an einen Ort gebundenen Sozialbeziehungen lö-sen sich mehr und mehr auf, andere Sozialbeziehungen entstehen. Ein wichtiges Er-gebnis der Forschungsarbeiten, z. B. von Engelhard und Diewald, ist jedoch, dass dieveränderten Nachbarschaftsbeziehungen nicht zwangsläufig mit Unzufriedenheit be-trachtet werden. Im Gegenteil, die Funktionen von Nachbarschaft haben sich � gesell-schaftlich bedingt � verändert und werden in dieser Veränderung als angemessen beur-teilt. Die Notwendigkeit zu engen solidarischen Beziehungen, wie sie etwa Hamm(1973) in Bezug auf die Verpflichtungen zu gegenseitigen Hilfeleistungen vormoder-ner Gesellschaften oder den solidarisch geprägten Arbeiterwohnquartieren des 19.Jahrhundert beschreibt, haben sich gewandelt.

Die Nachbarschaftsforschung wurde von der empirischen Netzwerkforschung abge-löst. Diese zeigt auf, dass die Großstadt keineswegs nur durch Anonymität und Isolati-on gekennzeichnet ist. Die bereits in der Nachbarschaftsforschung festgestellte Erosionvon lokal gebundenen Beziehungen und Kontakten wird in Bezug auf großstädtischeLebenssituationen bestätigt. Durch die Verfügbarkeit von (privaten und öffentlichen)Verkehrsmitteln und Kommunikationsmitteln ist eine lokale Beschränkung oder Kon-zentration von Beziehungsnetzen nicht mehr notwendig. Der Raumbezug von sozialenNetzwerken verändert sich. Die Kriterien der Beziehungsherstellung verändern sichebenfalls. Nicht mehr die räumliche Nähe des Beieinanderwohnens ist ein Auswahlkri-terium für Kontakt, sondern die auf Wahlfreiheit beruhende persönliche Auswahl auf-grund ähnlicher Interessen, Werte, Arbeitsbezüge etc. (vgl. Keupp/Röhrle 1987). Da-mit können Kontakte, die als einengend, sozial kontrollierend etc. empfunden werden,auch abgewählt werden. Die mit einer engen lokalen Gemeinschaft möglicherweiseverbundenen negativen Aspekte der sozialen Kontrolle und Intoleranz können so miteiner eigenständigen Wahl der Kontaktnetze wegfallen.

In der Netzwerkforschung wird untersucht, welche Faktoren Einfluss auf die Strukturund die Inhalte von Netzwerken haben. Die Stellung im Lebenszyklus und die Zuge-hörigkeit zu sozialen Schichten stellen sich als die wesentlichen Faktoren der Netz-

Page 58: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

45

werkbildung heraus. Das bedeutet für verschiedene Bevölkerungsgruppen sehr unter-schiedliche Lebenssituationen hinsichtlich der Dichte von Netzwerken und der Reich-weite von Netzwerkkontakten sowie der Möglichkeit, diese herzustellen (z. B. Kinderund alte Menschen).

Ein ganz wesentlicher Punkt der Netzwerkforschung ist jedoch die Verbindung mit derUngleichheitsforschung: "Struktur, Intensität und Nutzen sozialer Netze bezeichneneine neue Dimension sozialer Ungleichheit" (Häußermann/Siebel 1994: 379). Damitwird deutlich, dass die lokal gebundene Nachbarschaft nicht für alle Stadtbewohnerund -bewohnerinnen gleich an Bedeutung verloren hat. Vielfältige und intensiveNetzwerkkontakte stellen eine Art soziales Kapital dar. Je höher der sozio-ökonomische Status einer Person ist, desto weniger ist dieses Kapital durch lokaleNachbarschaften bestimmt. Umgekehrt bedeutet es für Menschen, die nur über wenigKommunikations- und Mobilitätsmöglichkeiten verfügen, eine Angewiesenheit auf dielokal vorhandenen sozialen Netze. Daneben zeichnen sich Tendenzen zu einer indivi-duellen Konstruktion von sozialen Netzen auf der Basis von gemeinsamen Lebenssti-len ab.

Was wird nun aus der Gemeinschaft im Zuge der Individualisierung?Die Diskussion um Nachbarschaft und Gemeinschaft im Kontext von Urbanisierungist häufig von einem Dualismus geprägt: Der Annahme einer funktionierenden Nach-barschaft im dörflichen Kontext steht die Annahme großstädtischer Isolation und Ano-nymität gegenüber.20 Diese �entfremdete� Lebensform ist in den Großstädten mehroder weniger ausgeprägt (auch hier gibt es "Inseln" der Gemeinschaft, �communities,z. B. in Quartieren), aber die Isolation in der Großstadt ist eine grundlegende (Vor-)Annahme der soziologischen Betrachtungsweise. Ob einerseits jedes Dorf eine funkti-onsfähige Nachbarschaft besitzt, oder andererseits in Städten ausgeprägte Quartiersbe-züge festzustellen sind, liegt erst einmal außerhalb der grundsätzlichen Dualität. Ge-meinschaft/Nachbarschaft als Grundlage dörflichen Zusammenlebens wird in der For-schungsliteratur überwiegend positiv konnotiert, Großstadt im negativen Sinn mit Iso-lation und Entfremdung. Die von Simmel für das großstädtische Leben aufgezeigteDimension der zunehmenden Freiheit und Individualität wird in dieser Diskussionnicht benannt.

Ein weiterer Punkt der stadtsoziologischen Diskussion betrifft die territoriale Gebun-denheit von Gemeinschaft, die sich in der soziologischen Diskussion als ein zentrales

20 Auf den Zusammenhang von Großstadtkritik und einer �Nachbarschaftsideologie� hat bereits Hamm (1973)aufmerksam gemacht. Als zeitgenössische Antworten auf die Großstadtkritik zu Anfang des 20. Jahrhundertskönnen Howards Konzept der Gartenstadt und das Planungskonzept der �neighbourhood-units� von Perrygenannt werden (vgl. Hamm 1973, Bertels 1990).

Page 59: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

46

Charakteristikum von Gemeinschaft herausgebildet hat. Damit verbunden war auch dieAnnahme, dass Unterschiede in der Lebensweise zwischen Stadt und Land existieren.Allerdings lassen sich Modernisierungs- und Individualisierungsprozesse auch aufdem Land oder in einem Dorf beobachten. Mit der gesellschaftlichen Entwicklung derletzten Jahrzehnte sind einige Grundannahmen der soziologischen Theoretiker um dieJahrhundertwende obsolet geworden.21 In den 1970er Jahren erkannte man, dass dieUnterschiede zwischen Stadt und Land nicht zwingend waren, denn durch die gesell-schaftliche Entwicklung fand eine zunehmende Angleichung zwischen städtischen undländlichen Lebensformen statt. Individualisierung und Modernisierung ließen sich alsoauch in ländlichen Strukturen wieder finden. Nach einer Phase der Homogenisierungund Angleichung von städtischen und ländlichen Lebensformen stellen Häußermannund Siebel nun wieder eine verstärkte Differenzierung auf der Basis von Lebensstilenfest.22

Bezogen auf den Aspekt der nachbarschaftlichen Beziehungen vor dem Hintergrundvon Individualisierungsprozessen werden hier mehrere Implikationen deutlich. Nach-barschaft ist nicht mehr selbstverständlich vorhanden, sondern wird zu einer individu-ell zu erbringenden Leistung. Bei der Herstellung von nachbarschaftlichen Netzwerken� der bewussten �Inszenierung� (Häußermann 1999: 18) � ist nicht mehr die räumlicheNähe ausschlaggebend, sondern ähnliche Lebensverhältnisse und Einstellungen.

"Nachbarschaft verschwindet also keineswegs, sondern nimmt neue Formen an.War früher Nachbarschaft eher eine räumliche Tatsache, die sich sozial organisierthat, so beruht sie heute eher auf sozialer Nähe, die sich räumlich organisiert hat."(Häußermann/Siebel 1994: 379)

Die Voraussetzung der sozialen Nähe/Homogenität lässt ähnliche Ansprüche an Ge-meinschaft vermuten. Ebenso wie sich die Lebensformen und Lebensstile weiter aus-differenzieren, werden sich auch � so meine Annahme � die Ansprüche und Inhaltevon gemeinschaftlichem Wohnen ausdifferenzieren. Dies geschieht allerdings vor demHintergrund unterschiedlicher materieller und sozialer Ressourcen. So haben nicht allesozialen Gruppen die gleichen Voraussetzungen zur eigenständigen �Inszenierung�von nachbarschaftlichen Netzwerken und auch nicht das gleiche Interesse daran.

21 In Untersuchungen wurde festgestellt, dass gesellschaftliche Merkmale nicht automatisch mit Orten (Lokali-täten) verbunden werden können. Häußermann und Siebel (1994) beschreiben diesen Prozess in mehren E-tappen: Die Anfänge der Stadtsoziologie erfolgten unter dem Eindruck einer massiven Urbanisierungswelleund folgten z. B. in der Großstadtkritik oder Zivilisationskritik einem negativen Eindruck der Entwicklung(Kulturpessimismus, Verlust von Gemeinschaftsbeziehungen). Die Gefahren der Moderne wurden hervorge-hoben, die Herausbildung einer städtischen Lebensweise und der Unterschied zu ländlichen Lebensformenuntersucht.

22 Es schließt sich also eine zunehmende Heterogenisierung von Lebensformen an, die die Autoren im An-schluss an Ulrich Beck mit dem Begriff der "reflexiven Modernisierung" bezeichnen.

Page 60: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

47

Wie sehen nun die aktuellen Formen und Funktionen von Gemeinschaft und Nachbar-schaft aus? Lassen sich in neueren empirischen Untersuchungen Aussagen zu diesenPunkten finden? Eine Annäherung an diese Fragen erlaubt der Bereich der alternativenWohnprojekte bzw. der neuen Wohnformen, zu denen im folgenden Kapitel empiri-sche Befunde dargelegt werden.

3.2. Neue Wohnformen: Wohnprojekte als Ausdruck gesellschaftlicherVeränderungsprozesse?

In den letzten 30 Jahren hat sich in Deutschland und den europäischen Nachbarländernein Wandel der Lebens- und Wohnformen vollzogen. Neben die traditionelle Familieist eine Vielzahl unterschiedlicher Formen des Zusammenlebens getreten. Dies warGegenstand des vorhergehenden Kapitels. Wie haben sich nun diese Veränderungender Lebensformen im Wohnen, den Wohnformen und den Vorstellungen vom Wohnenniedergeschlagen?

Im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen Wandel haben sich in den 1980er und90er Jahren hauptsächlich in den Städten neue Milieus mit spezifischen Lebensstilenherausgebildet. Damit einhergehend entwickelte sich eine Vielfalt von Wohnformen,die seit einigen Jahren unter dem Begriff "neue Wohnformen" zusammengefasst wer-den. In einer der wenigen bislang vorhandenen empirischen Studie zu Wohnprojektenarbeitet Joachim Brech (1999) zwei Merkmale der neuen Wohnformen heraus: Ge-meinschaft und Partizipation. Der isolierten Kleinfamilie oder dem Singlehaushaltsteht der Zusammenschluss mehrerer Haushalte gegenüber. Die Motive und Zielset-zungen des Zusammenschlusses sind vielfältig. Das zweite Merkmal der neuen Wohn-formen liegt in der partizipativen Entwicklung und Gestaltung des Alltagslebens. DerWunsch nach Mitbestimmung und Gestaltungsspielraum muss � so Brech � auch alsKritik am öffentlich geförderten Wohnungsbau verstanden werden (vgl. ebd.: 84f).

Viele der entstandenen Wohnprojekte können auch als "Themenwohnen" bezeichnetwerden, ein Begriff, der ebenfalls in der neueren Diskussion verwendet wird. Nebender gemeinschaftlichen Ausrichtung verfolgen viele der Projekte ein programmati-sches Ziel, ein Thema, z. B. Wohnen mit Kindern, ökologisches Wohnen, Frauen-Wohnen usw. Diese Bezeichnungen können sowohl eine ausgrenzende Wirkung habenals auch eine Öffnung beinhalten oder intendieren. Unabhängig davon verweisen dieprogrammatischen Ausrichtungen auf eine Vielzahl differenzierter Wohnwünsche undBedürfnisse, die auf dem Wohnungsmarkt keinen angemessenen Platz finden. In derVielfalt der Projekte23 werden Lebenszusammenhänge und Ansprüche thematisiert und

23 Einen Überblick über realisierte Projekte, ihre Organisations- und Trägerformen geben Brech 1990, Breckner1995 und Stattbau 2002 für Hamburg, Wohnbund 2005 zum nachbarschaftlichen Wohnen in Schleswig-Holstein, allgemeine Informationen bietet das Forum Gemeinschaftliches Wohnen (www.fgwa.de). Zu dem

Page 61: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

48

realisiert, denen weitreichende gesellschaftliche Veränderungen zu Grunde liegen. DieDiskussion über alternative Wohnprojekte begann in den 1980er Jahren, als � wie wiroben bereits gesehen haben � neue Haushaltsformen in relevanten Größenordnungenauftraten.

Die Entwicklung neuer Haushaltstypen wurde als Ausdruck einer Differenzierung vonLebensformen und Ansprüchen gesehen. Diese gesellschaftlich bedingten Verände-rungen spiegelten sich auch in veränderten Anforderungen an die Organisation und dieräumliche Gestaltung des Wohnens wider (Häußermann 1999). Die Grundlagen eineran dem Idealtypus der Familie ausgerichteten Wohnungspolitik wurden und werdenzunehmend brüchiger und in Frage gestellt. Trotz dieser Entwicklungen dominieren -wie Brech aufzeigt - bereits in den 1980er Jahren die familialen Wohnprojekte. Diesändert sich auch in der aktuellen Bestandsaufnahme nicht.

Brech beschreibt die Diskussionen der 1990er Jahre unter den Stichworten �Gemein-schaftssinn� und �Alltagshilfen�. Der gesellschaftliche Strukturwandel ist ein domi-nantes gesellschaftliches Thema geworden und damit wird die �Integration in einenüberschaubaren Lebenszusammenhang, in verlässliche soziale Netzwerke, die sichwegen der Veränderung des Arbeitslebens im privaten Bereich bilden, (...) zu einer fürviele Menschen existentiellen Frage� (Brech 1999: 88). Je mehr die Bedeutung derFamilie als die wichtigste Lebensform abnimmt, desto mehr wächst ihre Bedeutungvor dem Hintergrund der zunehmenden Unsicherheit öffentlicher Versorgungssysteme.In der Sicht Brechs wird Familie als Antwort auf die Risiken eines individualisiertenLebens angesehen.24 Allerdings reicht die einzelne Familie nicht aus, um die gewach-senen Anforderungen zu bewältigen. Eine mögliche Lösung ist der Zusammenschlussmehrerer Familien und/oder der Aufbau einer "Ersatzfamilie" oder Wahlverwandt-schaft. Neben eine milieustrukturierte Gesellschaft treten � so Brech � familiendomi-nierte Nachbarschaftsformen. Damit verändern sich auch die räumlichen Anforderun-gen: Kleinere Siedlungseinheiten mit deutlich abgegrenzten privaten Zonen werdennachgefragt.

wachsenden Bereich der �Altenwohnprojekte� vgl. die Publikationen des Bundesmodellprogramms �Selbst-bestimmt Wohnen im Alter� (BMFSFJ 2001), MSWKS 2004 und die sozialwissenschaftlichen Analysen ein-zelner Projekte bei Henckmann 1999 und Osterland 2000. Zu Frauenwohnprojekten vgl. MBW 1997 undBecker 2002, zu europäischen Beispielen vgl. Brech 1989, Steinberg 1996 und MCCamant/Durrett 1994,wobei letztere auch US-amerikanische Beispiele anführen.

24 Der kommunitaristische Ansatz der Familie als �Keimzelle der Gesellschaft� und die Idee des Zusammen-schlusses mehrerer Familien zur Förderung der Gemeinschaftsbildung trifft nach Brech auch in der deutschenGesellschaft auf Resonanz (Brech 1999: 88). Vgl. dazu Etzioni 1995.

Page 62: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

49

Entwicklungslinien der Wohnprojekte und Ergebnisse der Studien zu neuenWohnformenEnde der 1980er Jahre haben sich die Publikationen zum Thema neue Wohnformengehäuft. Klaus Novy zeigt die Diskussionen um die neuen Wohnformen auf und weistauf Defizite hin. Er hebt als zwei Hauptschwerpunkte der Debatte in den 1980er Jah-ren das "kosten- und flächensparende Bauen" und die "bauliche Selbsthilfe" hervor.Diese Diskussion sei allerdings im Wesentlichen von Architekten und Planern geführtworden (Novy 1989: 56). Eine von ihm angeführte empirische Analyse der Wohn-gruppenprojekte, die er allerdings nicht weiter belegt, weist seiner Ansicht nach daraufhin, dass diese Projekte von Jungakademikern (und darunter wiederum Jungfamilien)dominiert werden (Novy 1989: 57). In den letzten zehn Jahren hat sich dieses Bildverändert. Die Studie von Brech weist auf eine Ausweitung der Lebensformen hin, wiez. B. Alleinerziehende und Familien mit behinderten Kindern, die ebenfalls verstärktim Projektbereich vertreten sind. Die Zielgruppen der Wohnprojekte scheinen sichverschoben zu haben: Waren es in den 1980er Jahren eher mittelständische Familien,die � zum Teil auch mit gesellschaftsveränderndem Anspruch � ihre Wohnvorstellun-gen umsetzten, so haben sich die Zielgruppen neuer Wohnformen ausgeweitet undweiter ausdifferenziert. Eigentumsorientierte Projekte sind nach wie vor Gruppen vor-behalten, die die entsprechenden finanziellen Grundlagen vorweisen können. Mit derÖffnung des geförderten Wohnungsbau für Wohngruppenprojekte, wie es beispiels-weise in Hamburg in den 1990er Jahren geschah, können sich jedoch auch andere Nut-zergruppen Zugang zu neuen Wohnformen schaffen (Schendel 2002: 27).25 Inwieweitdies unabhängig von individuell vorhandenen finanziellen Grundlagen geschehenkann, lässt sich jedoch mit dem vorhandenen Material nicht beantworten.

In den letzten zehn Jahren kann von einem Anstieg der Wohnprojekte gesprochenwerden. Wurden 1990 in einer Studie des Bundesministeriums zu neuen Wohnformen220 Projekte ermittelt, so stieg die Zahl der mit der gleichen Erhebungsmethode ermit-telten Projekte auf 537 in der Studie von Brech (1999: 148). Zahlreiche alternativeWohnprojekte sind im Zusammenhang mit der sich in den 80 Jahren entwickelten brei-ten Selbsthilfebewegung entstanden (z. B. der Hausbesetzerszene in deutschen Groß-städten).26

25 Für Wohngruppenprojekte im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau ist dies allerdings mit Auflagen ver-bunden. So mussten die Mietpreisbindung und die Einkommensgrenzen eingehalten werden (Schendel 2002:27).

26 Die Selbsthilfebewegung kann als Teil der sozialen Bewegung verstanden werden (Vilmar/Runge 1986). ImKontext von Wohnen ist die Entstehung von Mieter- und Stadtteilinitiativen von besonderer Bedeutung. DirkSchubert spricht in diesem Zusammenhang von dem Entstehen einer neuen sozialen Bewegung Anfang der80er Jahre mit dem Fokus auf Sanierung, Wohnungspolitik und Mieterfragen (Schubert 1992: 36). Vgl. auchKapitel III.4.

Page 63: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

50

Wirft man einen Blick auf die bereits realisierten Wohnprojekte27 auf der Basis ihrerEntstehungsjahre, ergibt sich folgendes Bild: 14 Projekte sind in den 70er Jahren ent-standen, bis auf eine Ausnahme handelt es sich hier um familiale Projekte. In den 80erJahren entstanden 119 Projekte, darunter die überwiegende Mehrheit (96) familialeProjekte. Seit 1990 wurden 204 Projekte realisiert, die Zahl der familialen Projekte istjedoch mit 97 Projekten konstant geblieben. In den letzten zehn Jahren hat die Zahl derrealisierten Wohnprojekte erheblich zugenommen, der Anteil der familialen Projekteist jedoch zurückgegangen. Es lässt sich eine breite Ausdifferenzierung der Projektty-pen beobachten.

Obwohl es schwierig erscheint, da die Typen der Projekte sehr vielfältig und differen-ziert sind, hat Brech die von ihm untersuchten Projekte gegliedert. Er unterscheidetfamiliale Projekte, Projekte älterer Menschen, geschlechtsspezifische Wohnformen,Wohnen Behinderter, Jugendwohnen, Wohnformen von MigrantInnen und Wohnpro-jekte für Obdachlose (Brech 1999: 91). Über die Hälfte der Grundgesamtheit der un-tersuchten Projekte (303 von 537 Projekten) gaben an, familienorientiert zu wohnen.Der Anteil von Alleinerziehenden innerhalb der Familienprojekte liegt bei 36,4%.

Ein weiterer Schwerpunkt der Wohnprojekte liegt auf dem Wohnen im Alter. Ein Drit-tel der familienorientierten Projekte nennt auch diese Verknüpfung von Wohnformen.Bezogen auf die Gesamtzahl der Projekte ist ein Anteil von 12,7% der Projekte Alten-projekte. Innerhalb dieser Kategorie ist eine Spannbreite der Projekte von Mehrgenera-tionenwohnen bis hin zum betreuten Wohnen vertreten. Unter der Kategorie �Jung undAlt� zusammen finden sich 18 Projekte.

6% der Projekte definieren sich als geschlechtsspezifisches Wohnen, wobei die Mehr-heit mit 29 Projekten bei den Frauen- und Lesbenwohnprojekten liegt.28 Innerhalb die-ser Kategorie gaben 20 Projekte an, dass dort Alleinerziehende mit ihren Kindern le-ben. In der Grundgesamtheit werden insgesamt 157 Projekte (30%) für Alleinerzie-hende genannt. Allerdings werden die meisten der alleinerziehenden Projekte unter derKategorie der familialen Projekte genannt. Auf die Problematik der Kategorisierungvon Frauenwohnprojekten weist auch Ruth Becker (2002) hin. Die von ihr vorgelegteDokumentation der in der Bundesrepublik von 1978 bis 1998 entstandenen Frauen-wohnprojekte erfasste insgesamt 45 Projekte (davon 39 fertig gestellte Projekte und

27 Brech unterscheidet in seiner Untersuchung verschiedene Phasen nach dem Stand der Realisierung: bezogen(339 Projekte), in der Bauphase (8), in Planung (129), in Konzeption (4) und gescheitert (10 Projekte) (Brech1999: 102).

28 Offen bleibt an dieser Stelle, ob sich unter den �geschlechtsspezifischen Wohnprojekten� auch Männer-wohnprojekte befinden.

Page 64: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

51

sechs in Vorbereitung).29 Becker unterscheidet vier verschiedene Projekttypen: auto-nome Frauenwohnprojekte (13), Wohnprojekte für allein erziehende Frauen (18),Wohnprojekte für ältere und alte Frauen (3) und Projekte des �frauengerechten Woh-nungsbaus� (11). Die leichte Konzentration innerhalb der Frauenwohnprojekte auf dieZielgruppe der Alleinerziehenden, die Brech herausfand, wird durch die Dokumentati-on von Becker unterstützt und ergänzt um einen differenzierteren Blick auf Geschich-te, Inhalte und Ausrichtung von Frauenwohnprojekten allgemein. Idee und Konzeptevon Frauenwohnprojekten entstanden im Kontext der Frauenbewegung bereits in den70er Jahren. Erste Projekte wurden in den 80er Jahren umgesetzt. Vergleichbar zu derquantitativen Entwicklung von Wohnprojekten allgemein, erfolgte auch der Durch-bruch der Frauenwohnprojekte erst in den 90er Jahren. 30

Insgesamt 71 Projekte nennen die Integration von Behinderten als ein Projektziel.Darunter sind 13 Wohnprojekte, die sich ausschließlich dem Wohnen für Behindertewidmen. 10 Projekte geben die Versorgung von Obdachlosen mit Wohnraum als ihrvorrangiges Ziel an. Obdachlosen soll die Möglichkeit zum gemeinschaftlichen Woh-nen untereinander gegeben werden. Insgesamt benennen 55 Projekte das Problem derWohnungslosigkeit und schaffen in ihrem Projekt Wohnraum für diese Gruppe. Zwarnennen insgesamt 61 Projekte eine multikulturelle Ausrichtung, doch haben nur 6 Pro-jekte explizit das Zusammenleben von Deutschen mit AusländerInnen angegeben.

Als letzte Kategorie führt Brech das Wohnen Plus auf. Hier werden insgesamt 24 Pro-jekte aufgeführt, die eine Kombination von Projekttypen vertreten: 12 Projekte �Woh-nen und Arbeiten�, acht �Wohnen und Soziales�, drei �Wohnen ohne Auto� und einProjekt �Wohnen und Kultur�.

Laut Brech spielt die Selbsthilfe beim Bauen in den Wohnprojekten nur eine marginaleRolle. Es geben aber 201 Projekte an, Selbsthilfe zu leisten. Diese Selbsthilfeleistun-gen beziehen sich in erster Linie auf die Mitarbeit bei der Planung und Organisationund bei der späteren Bewirtschaftung. Beides sind ebenfalls zentrale Bereiche, wennes um die Möglichkeiten der Partizipation geht (Brech 1999: 101). In engem Bezugzur Frage der Selbsthilfe steht die Bauform der Projekte: Neubau 52,5% (282), Altbau22,7% (122), Umnutzung (Konversion von Kasernen, Fabriken, Bauernhöfen) 7,5%(40) und Kombination der Bauformen 8,0% (43). Fast zwei Drittel der Neubauprojektesind familiale Projekte, bei den Altbauten machen die Familienprojekte die Hälfte aus.

29 Die Dokumentation beschränkt sich auf städtische Frauenwohnprojekte, Projekte im ländlichen Raum sindnicht einbezogen worden (Becker 2002: 95).

30 Innerhalb der Frauenbewegung identifiziert Becker zwei Konzepte von Frauenwohnprojekten: �Zum einendie Projekte, die beispielhaft zeigen sollten, wie ein feministischer Wohnungsbau, der Frauen als Nutzerin-nen in den Mittelpunkt stellt, für familiales Wohnen aussehen könnte (...). Zum Zweiten gab es die Projekte,die Wohnraum von und ausschließlich für Frauen schaffen wollten.� (Becker 2002: 90)

Page 65: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

52

Ebenso vielfältig wie die Zielsetzungen und die Erscheinungsformen der Wohnprojek-te sind auch die Organisationsstrukturen und die Rechts- und Finanzierungsformen derProjekte.31 Die häufigste genannte Rechtsform ist mit 44,9% die Miete, Genossen-schaften machen mit 13,2% nur einen geringen Anteil aus. Die Wohnprojekte im Ei-gentum verteilen sich auf unterschiedliche Rechtsformen. Leider sind aus der Studiekeine spezifischen Aussagen ablesbar (z. B. der Anteil von Wohneigentum an den fa-milialen Projekten).

In Bezug auf die Zielgruppenorientierung lässt sich jedoch festhalten, dass die familia-len Projekte nach wie vor den größten Anteil unter den Wohnprojekten ausmachen.Allerdings wurde die Tendenz zur Ausdifferenzierung auch im Hinblick auf die Fami-lie deutlich: Unter den familialen Projekten befanden sich zu mehr als einem DrittelProjekte von Alleinerziehenden (Brech 1999: 95). Die Auflösung der bürgerlichenKleinfamilie als dominanter Lebensform zeigt sich so auch auf der Ebene von Wohn-projekten, auch hier werden die Formen von Familie vielfältiger. Die hohe Anzahl vonfamilialen Wohnprojekten lässt darauf schließen, dass die Einbindung in Wohnprojek-te für Eltern und Kinder auch eine Stabilisierung der Familienverhältnisse bedeutenkönnte (Brech 1999: 95). Wie Brech am Beispiel eines Projektes in Rüsselsheim auf-zeigt, können die Wohnprojekte auch als "Heimat-Inseln" fungieren, auf deren Basisein anderer Umgang mit den vermehrten Mobilitätsanforderungen der Arbeitswelt(global player) gefunden werden kann. Eine einzelne Familie wäre diesen Mobilitäts-anforderungen unter Umständen nicht gewachsen, ein Familienverbund in einemWohnprojekt schon. Vor dem gleichen Hintergrund können die Zusammenschlüssevon mehreren Familienhaushalten als Chance gesehen werden, Frauen mit Kinderneine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.

Gemeinschaft braucht einen Ort: Gemeinschaftsräume

Von den 537 befragten Projekten in der Studie von Brech gaben knapp die Hälfte derProjekte (257) an, einen Gemeinschaftsraum zu haben oder zu planen (Brech 1999:101). Vor dem Hintergrund der angenommen sozialen Bedeutung von Gemeinschafts-einrichtungen für das Gelingen von Wohnprojekten erscheint dies als eine relativ ge-ringe Anzahl. In Forschung und Praxis von Wohnprojekten werden Gemeinschafts-räume übereinstimmend als ein identitätsstiftendes Element gemeinschaftlichen Woh-nens gesehen (Andritzky 1999, Steinberg 1996). Bislang existieren jedoch nur wenigeUntersuchungen, die sich mit Funktionen, Gestaltung und Nutzung von Gemein-schaftseinrichtungen in Wohnprojekten oder Siedlungen beschäftigen. Wie Steinberg

31 Hierunter fallen das individuelle Grundstückseigentum (8,8%) und Wohnungseigentümergemeinschaften(WEG) mit 6%, verschiedene Formen der Personengemeinschaft (GbR 5.8%, Vereine 2,2%), Genossen-schaften (13,2%) und Mietwohnverhältnisse mit 44,9% (Brech 1999: 102f).

Page 66: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

53

für Gemeinschaftswohnanlagen in Dänemark (Bofællesskaber)32 aufzeigt, basierenGemeinschaftseinrichtungen dort auf einer langen Wohnbautradition und -kultur. ImGegensatz zu vielen deutschen Einrichtungen ist in Dänemark die Nutzung von Ge-meinschaftseinrichtungen häufig nicht auf Freizeitinteressen beschränkt, sondern um-fasst ebenfalls notwendige Alltagsfunktionen wie Kinderbetreuung, Waschen, Essenusw. (Steinberg 1996: 68). Auch unabhängig von Wohnprojekten wurden und werdenGemeinschaftsräume auch in (Groß-)Wohnsiedlungen eingerichtet. Dies geschieht vordem Hintergrund der Annahme, dass das Vorhandensein eines Ortes für gemeinschaft-liche Aktivitäten eine positive Wirkung auf die (Wieder-)Entfaltung des sozialen Le-bens in einer Siedlung hat.33 Bärsch und Simbringer (2001) untersuchen dies aus derPerspektive der Wohnungsunternehmen in Nordrhein-Westfalen. Hinsichtlich derFunktionen stellen sie fest, dass Gemeinschaftsräume ein �Instrument der sozialen In-tervention oder Vorsorge� darstellen können; sie können aber auch �ein Qualitäts-merkmal modernen zielgruppenorientierten Bauens auf Quartiersebene� sein(Bärsch/Simbringer 2001: 338). Bei knapp einem Viertel der Wohnungsunternehmenin Nordrhein-Westfalen sind Gemeinschaftsräume vorhanden. Dies ist angesichts derEigentümerstrukturen des deutschen Wohnungsbestandes, in dem private Haushaltedie größte Vermietergruppe bilden, als ein nur geringer Anteil anzusehen.34 Die Unter-nehmen sehen die Vorteile überwiegend im sozialen Nutzen der Gemeinschaftsein-richtungen. Wesentliches Ergebnis ist meines Erachtens, dass

�... Nutzungshäufigkeit, positive Identifikation und nachbarschaftliche Ausstrah-lungseffekte bei erfolgreich selbst verwalteten Einrichtungen deutlich höher liegenund damit auch größere Effekte für die Entwicklung einer sozialen Gemeinschafterbringen können.� (Bärsch/Simbringer 2001: 350)

Da die Selbstverwaltungsquote der Gemeinschaftseinrichtungen jedoch sehr niedrigausfällt � nur ein gutes Viertel wird durch die BewohnerInnen selbst verwaltet �scheint eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg von Gemeinschaftsräumen nurbedingt gegeben zu sein. Die Studie zu neuen Wohnformen (Brech 1999) macht keineAussagen zu der Frage, ob die untersuchten Projekte selbst- oder fremdinitiiert ent-standen sind.

32 In der wörtlichen Übersetzung bedeuten �Bofællesskaber� Wohngemeinschaften. Sie bestehen aus mehrerenunabhängigen Wohneinheiten, die sich um ein Gemeinschaftshaus gruppieren (Steinberg 1996:11). In An-lehnung an die Bofællesskaber prägen McCamant/Durrett (1994: 12) den Begriff �cohousing�, der im deut-schen Sprachgebrauch für das Zusammenleben unterschiedlicher sozialer Gruppen verwendet wird.

33 Zu notwendigen Rahmenbedingungen für Gemeinschaftseinrichtungen (bauliche und organisatorische An-forderungen sowie Finanzierungsstrategien) vgl. Hartmann/Schelensky 1994, die diese Fragen anhand vonBeispielprojekten erörtern.

34 Über zwei Drittel des Wohnungsbestandes in der Bundesrepublik ist Eigentum privater Haushalte und weni-ger als 25% der Wohnungen sind im Eigentum von Wohnungsgesellschaften, Bund und Kommunen und derunternehmerischen Wohnungswirtschaft (vgl. Becker 2005: 1300).

Page 67: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

54

Neue Gemeinschaften: Sicherheit, Überschaubarkeit und EntlastungDen "Wunsch nach Gemeinschaft" identifiziert Brech als das Hauptmotiv der privatenEigentumsprojekte. Bei den Mietprojekten, die im Wesentlichen von Wohnungsunter-nehmen durchgeführt wurden, ist der Wunsch zentral, vor allem Familien eine neuesoziale Einbindung zu ermöglichen. Es gibt eine hohe Zahl der Mietwohnungsprojekteunter den neuen Wohnformen. Brech führt diese auf die soziale Funktion der Projektezurück, da sich andernfalls soziale Institutionen (z. B. Caritas, Diakonisches Werk,Pfarrgemeinden oder kommunale Bauträger) nicht so stark engagieren würden. SozialeAktivitäten bilden ein Charakteristikum vieler Wohnprojekte. Dadurch entstehen neuePartnerschaftsformen zwischen der öffentlichen Verwaltung und privaten Initiativen.Dies kann im Ergebnis auch bedeuten,

"... daß jetzt soziale Gruppen erstmals als Bauherren und Baufrauen auftreten kön-nen. Soziale Gruppen, denen in der Vergangenheit nur der anonyme soziale Woh-nungsbau oder ein teurer Privatmarkt offenstand, können sich nun der Erfüllungvon Gemeinschaftsträumen zuwenden" (Brech 1999: 140).

Wie gestaltet sich nun dieser Wunsch nach Gemeinschaft in den Wohnprojekten?Brech konstatiert in diesem Zusammenhang ein wachsendes Bedürfnis nach über-schaubaren Gemeinschaften:

"Es besteht der Wunsch nach der kleinen überschaubaren Einheit, nach Verinse-lung, Abschottung, Heimat, Rückzug, größerer Sicherheit und unmittelbarer per-sönlicher Fürsorge. Die Projekte suchen deshalb nach Abgrenzung und Einheit."(Brech 1999: 135)

Dies zeigt sich auch in der räumlichen Gestaltung der Projekte. Die beliebteste Bau-form ist der Wohnhof, der eine (schützende) Abgrenzung nach außen gewährleistetund im Inneren eine gemeinschaftliche Nutzung (z. B. Garten) ermöglicht. Brech führtdiesen Wunsch nach Überschaubarkeit und Sicherheit auf eine zunehmende Verunsi-cherung und Überforderung durch den alle Lebensbereiche berührenden strukturellenWandel zurück. Die Familie als kleinste Einheit reicht nicht aus (oder ist nicht vorhan-den), um den Verlust von emotionaler und sozialer Sicherheit aufzufangen und mit derVielfalt der Optionen und Anforderungen der Arbeitswelt zurechtzukommen. Wohnenübernimmt in diesem Kontext eine besondere Funktion und Bedeutung.

"Wohnen wird so, das zeigen die Neuen Wohnformen, zu einer viele Lebensberei-che fokussierenden Formel" (Brech 1999: 134).

Dies gilt insbesondere in eher von Abhängigkeiten gekennzeichneten Lebensphasenwie Kindheit und Alter. Hermann Voesgen (1992) hebt in diesem Zusammenhang vorallem die Entlastungsfunktion von Wohnprojekten hervor. Die gemeinschaftliche Er-ledigung bestimmter Haushaltsfunktionen (z. B. Kinderbetreuung, Kochen, Einkaufetc.) wird als eine spürbare Alltagserleichterung wahrgenommen. Diese Kooperationenim Wohnbereich können insbesondere berufstätige Frauen entlasten. Wesentlichstes

Page 68: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

55

Merkmal dieser Kooperationsbeziehungen ist das Prinzip der Gegenseitigkeit. Damiteinher geht das Interesse an engerer Kommunikation (Voesgen 1992: 71).

Die Wohnwünsche und -bedürfnisse der Mehrzahl der Projekte weichen in einigenPunkten von den Prämissen in der Stadtplanung und im Wohnungsbau ab. Dies gilt �vielleicht überraschenderweise � auch für den Punkt "soziale Mischung" von Wohn-gebieten. Bei der Untersuchung der alternativen Wohnprojekte wird der Wunsch nachSegregation, also der Wunsch nach einer homogenen (sozialen) Einheit sehr deutlichausgesprochen:

"Es besteht der Wunsch nach Segregation in einer Gruppe Gleichgesinnter. Diegleiche Gesinnung konstituiert die Gemeinschaft mehr als die soziale Herkunft."(Brech 1999: 135)

Diese Tendenz zur Homogenisierung wird von vielen Gruppen als notwenige Voraus-setzung des gemeinschaftlichen Wohnens gesehen (Voesgen 1992). Häußermann(1999) macht darauf aufmerksam, dass auch die teilweise sehr aufwändigen Partizipa-tions- und Planungsprozesse indirekt eine Selektionsfunktion wahrnehmen können.

Vom Eigensinn und Gemeinsinn: SchlussfolgerungenInsgesamt lässt sich aus den Untersuchungen eine Ablösung der alternativen Wohn-projekte von politischen Zielen ablesen. Waren die ersten Projekte (z. B. Kommune 1)klar durch politische Dimensionen geprägt, geht es den Projekten der 90er Jahre eherum die Bewältigung konkreter Alltagsprobleme: (Wohn-) Sicherheit, Überschaubar-keit des Lebensumfeldes, Entlastung und Orientierung.

�Die Beispiele neuer Wohnformen aus den neunziger Jahren unterscheiden sichvon den dargestellten älteren Wohnprojekten vor allem durch ihre Vielschichtig-keit, Heterogenität und Pragmatik. (...) Zwar verfolgen fast alle Projekte den An-satz des gemeinschaftlichen Wohnens � sozusagen als Antithese zur weiter fort-schreitenden Individualisierung �, setzen dabei aber zum Teil ganz spezielle Ak-zente, die den eigenen Bedürfnissen entsprechen ...� (Andritzky 1999: 670)

Politische Motive im Sinne gesellschaftsverändernder Perspektiven werden nicht the-matisiert. Viele der Projekte haben eine inhaltliche oder thematische Ausrichtung (z.B. ökologisches Wohnen), aber im Vergleich zu der Entstehungsgeschichte der alter-nativen Wohnprojekte hat sich der Bezug zur Politik verändert. Insbesondere bei denfamilialen Projekten dominieren konkrete Alltagsprobleme. Die Gruppierungen findenin der Regel über diese Alltagsprobleme zusammen und konstituieren keine sozialeBewegung, wie es z. B. mit der Selbsthilfe- und Hausbesetzerszene der Fall war.

�Darin drückt sich eine allgemeine Tendenz der neunziger Jahre aus, nämlich eineWendung von komplexen gesellschaftlichen Problemstellungen hin zu partikularenDenk- und Handlungsansätzen.� (Andritzky 1999: 671)

Page 69: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

56

Folgt man dieser Einschätzung, lässt sich eine Tendenz hinsichtlich der Entwicklungvon Wohnprojekten ausmachen: Eine Wende zum Pragmatischen und Partikularen, diesich in der überwiegenden Alltagsorientierung gemeinschaftlicher Wohnprojekte spie-gelt.

Trotz der oben festgestellten weitgehenden Alltagsorientierung der Wohnprojektewerden die neuen Wohnformen auch im Kontext von sozialer Stadtentwicklung disku-tiert. In dieser Diskussion geht es weniger um aktive politische Bestrebungen vonWohnprojekten als vielmehr um ihre (impliziten) sozialen und kulturellen Beiträge zurStadtentwicklung. Wohnprojekte, so die These von Becher/Bura (2002), haben nichtnur Auswirkungen auf die Lebens- und Wohnsituation der Personen, die in ihnen le-ben, sondern beeinflussen auch ihr Wohnumfeld. Unter dem Stichwort �SolidarischeStadt� werden in diesem Zusammenhang zwei Aspekte hervorgehoben: Die Integrati-on benachteiligter Gruppen und Projekte (z. B. Alleinerziehende, Obdachlose etc.)sowie die Bildung oder Unterstützung von stabilen Nachbarschaften und ihre Wirkunggegen Ausgrenzung. �Wohnprojekte verbinden in hohem Maß Eigen- und Gemein-sinn.� (Becher/Bura 2002: 11)35

Stellt man die Frage nach einer �Innovationsbilanz� (Breckner 1999) von Wohnpro-jekten, so werden die Antworten vielfältig ausfallen. Eine Grundfunktion von Wohn-projekten liegt in der Schaffung von in der Regel preiswertem und sicherem Wohn-raum zur Selbstnutzung. Sie bieten häufig ökologische Alternativen (ressourcenscho-nendes Bauen und Wohnen). Der Flexibilisierung von Wohnbedürfnissen tragen sieRechnung, indem häufig andere Räume geplant werden und in den letzten Jahrzehnteneine Reihe qualitätsvoller Grundrissalternativen entstanden. Wohnprojekte habenmaßgeblich zu der Entstehung einer neuen � stark partizipativ ausgerichteten � Pla-nungskultur und der Entstehung einer neuen Generation genossenschaftlicher Träger-formen36 beigetragen (Breckner 1999, Behrens/Bura 2002). Schon lange wird einekonsequente Förderung und Unterstützung von Wohnprojekten gefordert, um den Ü-bergang von Ausnahme(projekten) zur Regel(förderung) zu vollziehen und den trotzzunehmender Akzeptanz nach wie vor vorhandenen Realisierungsproblemen vonWohnprojekten zu begegnen. Die von Wohnprojekten geleisteten wesentlichen Beiträ-ge zur sozialen Konsolidierung menschlichen Zusammenlebens sollten honoriert wer-den. Dies bedeutet eine Veränderung der in der Regel auf einen einzelnen Haushaltausgerichteten Förderbedingungen, flexible Regelungen und Mitbestimmung bei der

35 Vgl. dazu auch Fedrowitz/Gailing 2003, die die Potenziale gemeinschaftlicher Wohnprojekte als Strategiesozialer und ökologischer Stadtentwicklung analysieren. Zur Bedeutung neuer Wohnformen für die kommu-nale Wohnungspolitik vgl. Arlt/Bartholomäi 1996 und Selle/Sutter-Schurr 2002.

36 Hierunter fallen z. B. kleine Nutzergenossenschaffen und größere Dach- und Mietergenossenschaften (vgl.Bura 2002, Behrens/Bura 2002).

Page 70: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

57

Neubesetzung von Wohnungen im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau, die Öff-nung gegenüber alternativen Mietmodellen,37 und die Unterstützung der Projekte in derPlanungs- und Realisierungsphase durch intermediäre Institutionen und Betreuungs-einrichtungen (z. B. Stattbau in Hamburg und Berlin, Wohnbundberatung NRW). We-sentliche Rahmenbedingungen können dabei durch die Kommunen geschaffen wer-den: Beratung und Angeboten für Baugemeinschaften, Unterstützung bei der Suchenach geeigneten Grundstücken, dem Instrument der �Anhandgabe�38 von Grundstü-cken für Wohnprojekte, Vermittlung von Wohnprojektinteressierten etc.39

4. Fazit: Gemeinschaftliches Wohnen in einer individualisiertenGesellschaft?

Ausgangspunkt der vorangegangenen Darstellungen war die Frage danach, wie sichdie als ambivalent beschriebenen Folgen der Individualisierung im Bereich der alltäg-lichen Lebensführung abbilden. Als zentrale Bereiche wurden dabei die Pluralisierungder Lebensformen, die Einbindung in soziale Netzwerke, die Frage nach dem Wandelim Geschlechterverhältnis sowie das gemeinschaftliche Wohnen als einen Aspekt desWohnwandels in den Blick genommen.

Die klassische Kernfamilie als dominante Form des Zusammenlebens nimmt ab zu-gunsten offener und flexibler Formen des Zusammenlebens, seien es familiale odernicht familiale Lebensformen. Allerdings ist nicht von einem �Ende� der Familie aus-zugehen. Immer noch lebt die Mehrheit der Bevölkerung in einem familiären Zusam-menhang und ist in ein sich ebenfalls wandelndes familiäres Netzwerk eingebunden,das jedoch immer weniger auf verbindliche Verhaltensmodelle zurückgreifen kann, dieden Aufbau von Netzwerken anleiten und vorstrukturieren. Die Bewertung der Ausdif-ferenzierung und Heterogenisierung von Lebensformen hängt stark von dem Bezugs-punkt der Analyse ab. Historisch betrachtet, war die Gesellschaft von einer Vielfaltvon Lebensformen geprägt (Rosenbaum 1982), die sich in den 50er Jahren des 20.Jahrhunderts auf die Familie als zentrale Lebensform eingeengt hat, um sich in denfolgenden Jahren wieder auszudifferenzieren. Verändert haben sich die subjektivenMotive und die gesellschaftliche Anerkennung dieser Lebensformen als eigenständig

37 Dies kann bedeuten, dass ein Wohnprojekt im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau die Miete nicht füreine Wohneinheit, sondern für das gesamte Gebäude entrichten kann. Wie das notwendige Geld für dieWohnkosten innerhalb des Wohnprojektes aufgebracht bzw. verteilt wird, entscheidet das Projekt eigenstän-dig (Information aus einem Expertengespräch mit einer Vertreterin des Wohnprojekts �Budenzauber� inHamburg).

38 Die Anhandgabe eines städtischen Grundstücks bedeutet in Hamburg eine Reservierung für einen bestimm-ten Zeitraum (in der Regel für ein Jahr) für ein Wohnprojekt, das in dieser Zeit die Planung (und Finanzie-rung) realisieren kann.

39 Vgl. dazu als Beispiel das alternative Baubetreuungsprogramm in Hamburg: Behörde für Arbeit, Gesundheitund Soziales (BAGS) u. a. 1994 und Fedrowitz/Gailing 2003: 99f.

Page 71: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

58

und gleichwertig. Neu ist insbesondere, dass Frauen sich bewusst dafür entscheidenkönnen, alleine und selbständig zu leben und dies auch als eine individuelle, selbstbe-stimmte Antwort auf die Ablehnung der traditionellen Frauenrolle zu verstehen ist wiees etwa Martina Löw (1994) in ihrer Untersuchung von allein lebenden Frauen inDeutschland aufzeigt.

Für den Bereich der Geschlechterverhältnisse (Freisetzung) lässt sich zwar ein tiefgreifender Wandel der Geschlechterbeziehungen konstatieren (Bildung, Erwerbstätig-keit, Qualifikation, Lebensformen), für den Bereich der Partnerbeziehungen und derArbeitsteilung zwischen den Geschlechtern kann jedoch festgehalten werden, dass essich dabei vornehmlich um einen Wandel im Leitbild handelt. Wenn auch die Verän-derungen der Lebensformen eng mit dem Wandel im Geschlechterverhältnis verbun-den sind (individuelle Emanzipationsprozesse, Aufgabe traditioneller Lebensformenvon Frauen), so greifen diese Prozesse nicht auf der Ebene der Gestaltung von Paarbe-ziehungen. In Bezug auf die Ausgestaltung von Partnerschaftsmodellen zeigt sich, dassdie soziale Praxis dem individualistischen Leitbild einer egalitären Partnerschaft wi-derspricht. Dabei lassen sich auch hinsichtlich der Idee einer egalitären Partnerschaftdeutliche milieuspezifische Differenzen feststellen: nur im individualistischem Milieuist dieses Leitbild vorhanden, in den anderen Milieus ist von einer Stabilität der her-kömmlichen Geschlechterrollenarrangements auszugehen (Koppetsch/Burkhart 1999).

In den neuen Wohnformen werden Geschlechterverhältnisse auf unterschiedliche Wei-se thematisiert. Es finden sich auf der Grundlage der vorliegenden Untersuchungenkeine Hinweise auf eine Aufhebung der geschlechtlichen Arbeitsteilung in Wohnpro-jekten. Zwar wird die �Entlastungsfunktion� gerade von Frauen mit Kindern ange-sprochen, auch im Hinblick darauf, der Frau eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen(Voesgen 1992, Häußermann 1999). Dies geschieht jedoch nicht auf der Basis einerNeuverteilung der häuslichen Arbeit zwischen den Geschlechtern, sondern � so lassenzumindest die wenigen empirischen Befunde vermuten � durch eine gegenseitige Ent-lastung der Frauen aus den im Wohnprojekt zusammengeschlossenen Familien(Schneider 1992). In den letzten Jahren sind vermehrt geschlechtsspezifische Wohn-projekte entstanden. Diese nehmen bislang noch einen geringen Anteil (6%) an dengesamten Wohnprojekten ein und sind hauptsächlich durch Frauen- und Lesbenwohn-projekte geprägt.

Insgesamt zeichnet sich ab, dass sich in den 1980er Jahren insbesondere Familien zuneuen Wohnformen zusammenschließen. Familiale Projekte stellen den größten Anteilan den neuen Wohnformen. Seit den 1990er Jahren lässt sich eine Veränderung fest-stellen: der Anteil nichtfamilialer Projekte steigt ständig (Brech 1999). Räumliche Nä-he bleibt für solche Lebensformen wichtig, die über wenig Ressourcen verfügen und

Page 72: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

59

deren Mobilität eingeschränkt ist (z. B. alte Menschen oder Alleinerziehende). Diesgilt auch für bestimmte Lebenszyklen wie die Familienphase. In diesen Lebenssituati-onen ist die räumliche Nähe von sozialen Beziehungen und Unterstützungsnetzwerkenzur Alltagsbewältigung notwendig.

Die Herstellung nachbarschaftlicher Netzwerke ist immer mehr zu einer individuell zuerbringenden Leistung geworden. Gemeinschaftliche Bezüge werden auf der Grundla-ge einer sozialen Nähe, einer Gemeinschaft �Gleichgesinnter� hergestellt und ergebensich nicht mehr selbstverständlich aus der räumlichen Nähe. Als Funktionen der ge-meinschaftlichen Wohnprojekte werden vorrangig Entlastungsfunktionen (z. B. Kin-derbetreuung, Einkauf) in der Bewältigung der gestiegenen Anforderungen des Le-bensalltags genannt. Hilfe- und Unterstützungsleistungen werden nach dem Prinzip derGegenseitigkeit gewährt (Voesgen 1992). Als weitere Funktionen gemeinschaftlicherZusammenschlüsse auf der Ebene des Wohnens werden Kommunikation und Sicher-heit genannt. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die �neuen Nachbar-schaften (...) so ein funktionales Äquivalent für die sich ausdünnenden sozialen Netzeauf Basis der Verwandtschaft bilden (können).� (Häußermann 1999: 18)

Welche Rolle dabei die verfügungsrechtlichen Merkmale (Miete, Eigentum) des Woh-nens spielen, geht aus den bisherigen Untersuchungen zu neuen Wohnformen nichthervor. Hier sind durchaus unterschiedliche Ansätze denkbar. Der Frage, wie sich dasVerhältnis zwischen Individualisierung und Wohneigentum gestaltet, wird im folgen-den Kapitel nachgegangen.

Page 73: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

61

II. Eigenheim und WohnungspolitikBeim Wunsch nach einem Eigenheim geht es um Prozesse der Wohneigentumsbildungim Kontext von Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik. Wie kommt dieser Wunschzustande? Welche Zuschreibungen werden mit der Vorstellung von Wohneigentumverbunden? Welche Voraussetzungen und Bedingungen zur Bildung von Wohneigen-tum schafft die Wohnungspolitik?

Am Beginn des Kapitels steht die Frage, wie sich der Wunsch nach einem Eigenheimgestaltet. Nach einem kurzen Überblick über die Entwicklung und Verteilung vonWohneigentum wird zunächst zu diskutieren sein, welche Rahmenbedingungen dieWohnungspolitik zur Bildung von Wohneigentum schafft. Hierzu werfe ich einenBlick auf die Entwicklung der Wohnungspolitik seit 1945 und auf die aktuelle Ausges-taltung wohnungspolitischer Leitbilder, im Mittelpunkt steht dabei die Auseinander-setzung mit der �Eigenheimideologie�. Schließlich analysiere ich Aspekte der Wohn-eigentumsfinanzierung und schließe mit einem Überblick über die Förderungsinstru-mente auf Bundes- und Landesebene.

1. Zwischen Wunsch und Realität: Wohnpräferenzen in DeutschlandDas Wohnen im Eigentum ist eines der zentralen Lebensziele der deutschen Bevölke-rung. Umfrageergebnisse haben dies seit der Nachkriegszeit immer wieder bestätigt.Der Eigentumswunsch richtet sich hauptsächlich auf das freistehende Einfamilienhaus,wobei dessen Beliebtheit seit den 1960er Jahren noch zugenommen hat.

Die Analyse von Wohnwünschen anhand von Umfragen wird in den sozialwissen-schaftlichen und stadtsoziologischen Diskussionen kritisch betrachtet (Häußer-mann/Siebel 1996). Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Wohnwünsche, diereale Wohnsituation und deren subjektive Wahrnehmung häufig in einem �paradoxenZusammenhang� (Schneider/Spellerberg 1999: 165) stehen. So lässt sich einerseitseine deutliche Diskrepanz zwischen den Wohnwünschen und der realen Wohnsituationvon Befragten feststellen, andererseits ist die geäußerte Zufriedenheit der Befragtenmit ihrer realen Wohnsituation hoch (Datenreport 2006).40

Festzuhalten bleibt, dass die Abfrage von Wohnpräferenzen sich auf vorgestellte, nichtauf tatsächlich bestehende bzw. erlebte Wohnumwelten bezieht und ein Unterschiedzwischen einem Wunschbild und der tatsächlichen Umsetzung in eine veränderte

40 Als Erklärungen für diesen paradoxen Zusammenhang werden die Dissonanztheorie und die Vergleichsgrup-pentheorie herangezogen. Die sozialpsychologische Dissonanztheorie (Festinger 1978) geht davon aus, dassdie Diskrepanz zwischen der realen Wohnsituation und Wunschvorstellungen auf Dauer gering gehalten wirddurch die (resignative) Anpassung der Bedürfnisse an die tatsächlichen Verhältnisse. Die Vergleichsgruppen-theorie geht von einer Bewertung der eigenen Wohnverhältnisse vor dem Hintergrund des Vergleichs mit derWohnsituation des Freundes-, Bekannten- oder Kollegenkreises aus (vgl. hierzu detaillierter Häußer-mann/Siebel 1996: 217-220).

Page 74: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

62

Wohnsituation besteht. Auch der �Wunsch� als erfragte subjektive Bedürf-nisorientierung ist keine Konstante. Die geäußerten Wohnwünsche sind �Produkt undErfahrungen, in denen sich widerspiegelt, was den Befragten durch die öffentlicheWohnungspolitik, das Angebot auf dem Wohnungsmarkt und ihre ökonomischenMöglichkeiten nahegelegt wird� (Häußermann/Siebel 1996: 223).

Ein zentrales Ergebnis dieser Befragungen ist die fast vollständige Gleichsetzung derprioritär gewünschten Wohnform des Einfamilienhauses mit der Rechtsform desWohneigentums. In den Wunsch nach einem Einfamilienhaus gehen somit nicht nurAssoziationen hinsichtlich des Wohnens ein (z. B. Wohnen im Grünen, größere Wohn-fläche und Einflussnahme auf die Gestaltung), sondern auch die mit dem Eigentumverknüpften Vorstellungen (z. B. Wohnsicherheit und ökonomische Sicherheit durchVermögensbildung).

�Für drei von vier Bundesbürgern ist das Einfamilienhaus nach wie vor die bevorzugteWohnform� (Jokl 1990: 56). Dies ist das Ergebnis einer Umfrage des Emnid-Instituts,das die Bundesbürger und Bundesbürgerinnen 1989 zum dritten Mal (nach 1969 und1974) nach ihrer Meinung über ihre bevorzugte Wohnform befragte. Dabei ging es umdie gewünschte Wohnform unter (realistischer) Berücksichtigung der finanziellenMöglichkeiten. Das Einfamilienhaus hat in den vergangenen Jahren noch deutlich anBeliebtheit gewonnen. 1969 haben sich 64% der Befragten für ein Einfamilienhausentschieden, 1989 ist der Anteil auf 75% gestiegen. Betrachtet man die unterschiedli-chen Formen des Einfamilienhauses (Bungalow, Reihenhaus und Terrassenhaus), sosteht das freistehende Einfamilienhaus in der Liste der bevorzugten Wohnformen anerster Stelle. Die Beliebtheit des Reihenhauses hat nachgelassen (von 15% 1969 auf11% 1989). Sowohl das Hochhaus als auch drei- bis viergeschossige Wohnblöcke sindnicht mehr gefragt. Bestätigt wird dies durch die Befunde einer repräsentativen Bevöl-kerungsumfrage von 199641, in der die Attraktivität des freistehenden Ein- bzw. Zwei-familienhaus mit 66% (Ost) und 73% (West) hervorgehoben wurde. An zweiter Stellefolgt ein Haus mit drei bis vier Wohnungen, erst danach folgen Reihenhäuser und grö-ßere Mehrfamilienhäuser (Böltken/Schneider/Spellerberg 1999: 142).

Vor dem Hintergrund soziodemographischer Daten zeigt sich, dass das freistehendeEinfamilienhaus sich bei allen Gruppen der höchsten Beliebtheit erfreut. Eine Aus-nahme bilden da nur die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin. Das Alter spieltbei der Beliebtheit des Einfamilienhauses (fast) keine Rolle. Am beliebtesten ist dasEinfamilienhaus (mit 83%) in der Altersgruppe der 50-64jährigen, aber auch die 30-

41 Die Umfrage wurde im Rahmen der �Mehrthemenumfrage der Sozialwissenschaften� realisiert. Die Fallzahlbeträgt in Ost n=1000 und West n=2000. Vgl. Böltken/Schneider/Spellerberg 1999 und Schnei-der/Spellerberg 1999.

Page 75: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

63

49jährigen wünschen sich zu 78% das Einfamilienhaus. Die Beliebtheit bei Personenmittleren Alters wird mit der Familiengründung und dem Aufwachsen der Kinder be-gründet. Das Einfamilienhaus erfreut sich jedoch auch bei den über 65-Jährigen mit71% großer Beliebtheit und selbst bei Jugendlichen ist dieser Wunsch schon in hohemAusmaß vorhanden (Jokl 1990: 56).

Die Ergebnisse der Emnid-Untersuchung hinsichtlich der Aufgliederung nach Berufs-gruppen zeigen, dass sich Hausfrauen zu einem hohen Anteil (85%) für ein Einfamili-enhaus entscheiden (davon 45% für ein freistehendes). Dies wird damit begründet,dass sich dieser Personenkreis im Gegensatz zu den erwerbstätigen Befragten über-wiegend zu Hause aufhält und daher auch in besonderem Maße von den Vorteilen die-ser Wohnform profitiert. Allerdings steht diese Wohnform auch bei den Arbeitern mit71% an erster Stelle (Jokl 1990: 57).

Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden in einer anderen Untersuchung fest-gestellt. In einer Mieterbefragung der Universität Hannover kommen die AutorenWiedmann/Walsh zu dem Ergebnis, dass der Wunsch nach Wohneigentum von Män-nern stärker formuliert wird.

�Über die Hälfte (54%) der Befragten mit Wohneigentumswunsch waren Männer,deren prozentual stärkerer Wunsch, Wohneigentum zu erwerben, war statistischsignifikant.� (Wiedmann/Walsh 2000: 80)

Auch bei der Frage nach den Kriterien beim Wohneigentumserwerb und nach der be-vorzugten Wohnform weisen die Autoren auf der Grundlage ihrer empirischen Erhe-bung Unterschiede zwischen den Geschlechtern nach. Frauen bewerten das Wohnum-feld bzw. die Lage der Wohnung/des Hauses als wichtiger, Männer hingegen eher dieInfrastruktur der Wohngegend. Hinsichtlich der bevorzugten Wohnform von Frauenund Männern wird hier � allerdings unabhängig vom beruflichen Status � bestätigt,dass Frauen deutlich häufiger zum Haus tendieren als Männer (62% vs. 38%).

Die in den Befragungen erhobenen Wohnwünsche lassen sich darüber hinaus nachHaushaltstypen und dem ökonomischen Potential der Haushalte differenzieren. AmBeispiel Nürnbergs wurde dies Anfang der 1990er Jahre untersucht. Die Erhebungbestätigt den Wunsch nach Eigentum bei allen Mehrpersonenhaushalten, am stärkstenbei den in der Erhebung als traditionell bezeichneten Haushaltstypen (Familien mitKindern und Ehepaare über 45 Jahre). Haushalte mit Kindern geben überdurchschnitt-lich häufig an, Wohneigentum erwerben zu wollen (Gilges/Schaefer 1993: 44). Ob-wohl der Eigentumswunsch bei Haushalten mit Kindern am deutlichsten ausgeprägtist, wird er auch bei den neuen Haushaltstypen (nichteheliche Lebensgemeinschaftenohne Kinder, Alleinerziehende, Wohngemeinschaften) geäußert. Bei beiden Gruppen

Page 76: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

64

dominiert � im Gegensatz zu den Alleinlebenden � der Wunsch nach einem (freiste-henden) Ein- oder Zweifamilienhaus (Gilges/Schaefer 1993: 45).

Dies wird ebenfalls in der Wohnstandortpräferenz deutlich: Haushalte mit Kinderngeben die Außenbezirke als bevorzugten Wohnstandort an, Haushalte ohne Kinderpräferieren die Innenstadt oder die Innenstadtnähe. Betrachtet man den Zusammen-hang zwischen Wohnwünschen und Finanzkraft der Haushalte, so stellt sich heraus,dass gerade die finanzstarken Kleinhaushalte (Alleinlebende und kinderlose Paare)Etagenwohnungen, häufig Eigentumswohnungen in der Innenstadt bevorzugen. Dage-gen haben finanzschwache Haushalte häufig den Wunsch nach einem freistehendenHaus oder einem Reihenhaus, können es aber in der Regel nicht finanzieren (Gil-ges/Schaefer 1993: 47).

Die dargestellten Ergebnisse der Wohnwunschbefragungen zeigen, dass trotz sozial-struktureller Ungleichheit der Wunsch nach einem Einfamilienhaus im Eigentum weitverbreitet ist. Es lassen sich � abgesehen von einem Schwerpunkt im Hinblick aufMehrpersonenhaushalte mit Kindern � keine weiteren eindeutigen Präferenzen feststel-len. Dies bestätigt sich auch in einer Untersuchung der Ausgestaltung von Wohnbe-dürfnissen nach Lebensstilen: der Wunsch der meisten Lebensstilgruppen richtet sichauf das freistehende Ein- bzw. Zweifamilienhaus (Schneider/Spellerberg 1999: 173).

Eine mögliche Erklärung für die Ausprägung von Wohnpräferenzen ist der Zu-sammenhang von Wohnpräferenzen mit bisherigen Wohnerfahrungen. �Wohnalterna-tiven, die man nicht aus eigener Erfahrung kennt, werden eher negativ beurteilt� (Häu-ßermann/Siebel 1996: 220). Dies verweist auf einen engen Zusammenhang von dererlebten Wohnqualität und den Wohnstandards im Elternhaus, die im Sinne einer So-zialisationshypothese einen prägenden Einfluss auf die späteren Wohnpräferenzen derKinder haben können. Die Wohnpräferenzen stehen in Zusammenhang mit demWohnbedarf und variieren im Lebenslauf. Hierbei kommt es vor allem auf die familia-le Lage und die Haushaltsgröße an. Heirat und Familienbildung können mit demWunsch nach dem Wechsel in das Wohneigentum verknüpft sein. Die Präferenzen fürWohneigentum können demnach bei Haushalten mit Kindern besonders ausgeprägtsein. Wesentlich in diesem Zusammenhang erscheint mir der Hinweis von Erika Spie-gel, die zu dem Schluss kommt, dass die Wohnform des Einfamilienhauses für Famili-en wichtiger ist als der Rechtsstatus Eigentum. Da Einfamilienhäuser bislang jedochnur selten als Mietobjekte angeboten werden, ist die Eigentumsbildung ein Weg, diebevorzugte Wohnform zu erreichen (Spiegel 2000: 208).

Die Existenz von Kindern kann sich allerdings in zwei Richtungen auf den Prozess derEigentumsbildung auswirken. Zum einen können Kinder besondere Motive zum Er-werb von Wohneigentum begründen, da kinderfreundliche Wohnverhältnisse in Miet-

Page 77: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

65

wohnungen u. U. schwerer zu realisieren sind. Zum anderen stellen Kinder jedochauch eine besondere finanzielle Belastung dar, die den Erwerb von Wohneigentumerschweren könnte (Wagner/Mulder 2000: 57).

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Einfamilienhaus von der Mehr-heit der Bevölkerung als die ideale Wohnform angesehen wird. Trotz der allgemeinenDominanz dieses Wunsches lassen sich doch Differenzierungen feststellen: Alter, Le-bensphase und Lebensstil, Erwerbsverlauf und insbesondere die familialen Situationkönnen Wohnwünsche unterschiedlich gestalten. Die Vorzüge des Einfamilienhausesund die Motive für die Schaffung von Wohneigentum sind vielfältig. Freistehende Ein-familienhäuser bieten im Durchschnitt mehr Wohnfläche und mehr Freiraum (Garten,Terrasse etc.) als andere Wohnformen. Wohneigentum ermöglicht Selbstbestimmungund Unabhängigkeit vom Vermieter und bedeutet für viele langfristige Wohnsicher-heit. Die Selbstverwirklichungs- und Aneignungsspielräume werden größer als beianderen Wohnformen eingeschätzt. In ökonomischer Hinsicht gilt die Investition inWohneigentum nach wie vor als sichere Geldanlage, und die Bedeutung des selbstge-nutzten Wohneigentums als eine Säule der Altersversorgung nimmt zu (Siebel 2000b,Harlander 2001).

Somit wird von einem Großteil der Bevölkerung eine Wohnform bevorzugt, die ausökonomischen und ökologischen Gründen als umstritten gilt. Probleme der Woh-nungsversorgung können durch den Bau von Einfamilienhäusern nur bedingt gelöstwerden, denn gerade die Problemgruppen auf dem Wohnungsmarkt bestehen aus fi-nanziell schwächeren Haushalten in Ballungsgebieten, die sich Wohneigentum in derRegel nicht leisten können. Darüber hinaus ist das Einfamilienhaus am Stadtrand seitJahrzehnten Gegenstand ökologischer und städtebaulicher Kritik.

�Es ist die energie- und flächenverbrauchendste Wohnform, es führt zur Zerstörungder stadtnahen Erholungsgebiete, zur Zersiedlung und Versiegelung der Land-schaft, und seine Bewohner vermehren die schädlichste Form der Mobilität, denPkw-Verkehr.� (Häußermann/Siebel 1996: 231)

Die im Kontext von Suburbanisierung diskutierten ökologischen und sozialen Proble-me (Funktionsverlust der Innenstädte, Zersiedelung usw.) haben zu der Entwicklungvon Strategien und Konzepten nachhaltiger und Ressourcen schonender Siedlungs-und Stadtentwicklung geführt. Der Wunsch nach Eigentum steht in der Bundesrepu-blik in einem deutlichen Missverhältnis zur tatsächlichen Eigentumsquote. Dies giltinsbesondere für die Bewohner und Bewohnerinnen der Großstädte. Aber auch hieräußert die Mehrzahl der Befragten den Wunsch nach einem Eigenheim. Wie sieht nundie Realität der Wohn- bzw. Eigentumsverhältnisse aus?

Page 78: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

66

2. Das Eigenheim: Wohneigentum in der Bundesrepublik Deutschland

2.1. Entwicklung und Verteilung des WohneigentumsDen Traum vom eigenen Heim kann in Deutschland immerhin die Hälfte der Bevölke-rung (52% der Einwohner/innen im Jahr 2003) verwirklichen. Die Eigentumsquote �hier definiert als der Anteil der Eigentümerhaushalte an allen Haushalten � liegt 2002bei 42,2% (Mikrozensus 2002). Im historischen Verlauf ist diese haushaltsbezogeneEigentumsquote kontinuierlich gestiegen (vgl. Tab. 1). Obwohl die Zahl der Personenje Haushalt in diesem Zeitraum gesunken ist, wohnen seit den 1950er Jahren immermehr Personen im Eigentum. Weil die Haushalte mit selbstgenutzten Wohneigentumin der Regel größer sind als Mieterhaushalte, liegt die personenbezogene Wohneigen-tumsquote höher als die haushaltsbezogene Quote. 42

Tab. 1: Die Entwicklung der Eigentumsquote im früheren Bundesgebiet 1

Jahr 1957 1960 1965 1968 1972 1978 1987 1993 1998 2002

Prozent 28,8 32,3 31,3 35,1 33,5 36,1 37,8 41,6 43,6 44,11 Haushalte in Eigentümerwohnungen(Quelle: Kurz 1999: 4, BBR 2004: 80)

Blickt man dagegen auf die wohnungsbezogene Selbstnutzerquote (der Anteil der vomEigentümer selbst genutzten Wohnungen an allen Wohnungen) ergibt sich eine deut-lich andere Einschätzung: der Anteil der von ihren Eigentümer/innen bewohntenWohnungen an allen Wohnungen lag 1950 bereits bei 39,1 %. Es lässt sich also voneiner im historischen Verlauf stabilen Selbstnutzerquote sprechen. Seit Beginn der1990er Jahre ist die Eigentumsquote im früheren Bundesgebiet von 41,6% (1993) auf44,1% (2002) angestiegen. In den neuen Ländern und Berlin-Ost liegt die Eigentums-quote 2002 mit 33,8% immer noch deutlich niedriger als im Westen. Mit dieser Eigen-tumsquote bildet Deutschland im europäischen Vergleich zusammen mit der Schweizdas Schlusslicht. In Italien, Irland und Spanien liegen die Eigentumsquoten um 25 bis45 Prozentpunkte höher (vgl. Abb. 3).

42 Braun und Pfeiffer differenzieren zwischen einer haushaltsbezogenen und der personenbezogenen Eigen-tumsquote und machen darauf aufmerksam, dass aufgrund unterschiedlicher Datenquellen und Stichprobenwidersprüchliche Eigentumsquoten existieren (Braun/Pfeiffer 2004).

Page 79: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

67

Abb. 3: Wohneigentumsquoten in Europa 2001 (in %)

41

59

76

70

36

55,753

82

71

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

CH D NL Frankreich Finnland GB Italien Portugal Irland

(Quelle: EUROCONSTRUCT/ Ifo Institut zit. nach BBR 2004: 79)

Die Gründe für die im internationalen Vergleich niedrige Wohneigentumsquote sindvielfältig. Für die Expertenkommission Wohnungspolitik kommt Malznetter (1994) zudem Ergebnis, dass städtebauliche und demographische Rahmenbedingungen ebensowie ökonomische und wohnungspolitische Faktoren zu einer weiterhin geringen Ei-gentumsquote in Deutschland beitragen. Die Kosten für den Erwerb von Wohneigen-tum werden im internationalen Vergleich als sehr hoch eingeschätzt. Bauland ist inDeutschland knapp und teuer und die Baukosten liegen hier höher als in anderen Län-dern. Dies hängt zum Teil mit den hohen Qualitätsansprüchen der Bauherren und denBaustandards zusammen. Die niedrige Eigentumsquote in Deutschland hängt nebenbauhistorischen Entwicklungen � Deutschland ist beispielsweise durch einen hohenAnteil von Mietwohnungen im Geschosswohnungsbestand charakterisiert - auch mitder Siedlungsweise nach Gemeindegröße zusammen. So ist etwa das innerstädtischeReihenhaus in anderen Ländern wesentlich stärker verbreitet. In allen Ländern Euro-pas variiert der Anteil an Wohnungseigentum mit der Gemeindegröße (Malznetter1994).43 Eine weitere Erklärung für die im historischen Verlauf erstaunlich stabileSelbstnutzerquote liegt nach Behring/Helbrecht in der Etablierung eines funktionsfähi-gen, attraktiven und durch das Mietrecht sicheren Mietwohnungsmarktes. In der Phasedes Wiederaufbaus nach 1945 wurden hauptsächlich Mietwohnungen gebaut, um dieWohnungsversorgung sicherzustellen (vgl. Kapitel II.3) und damit ein Grundstein für

43 Ebenfalls in diese Richtung argumentiert Sydow, der die Orientierung der bundesdeutschen Wohneigen-tumsquote an den internationalen Eigentumsindikatoren kritisiert. Er zählt eine Reihe von Faktoren auf, diedie internationale Vergleichbarkeit der Quoten beeinträchtigt: Haushaltsgröße, Mietpreisrecht und Woh-nungsbauförderung sowie Baustandards und Bau- und Baulandpreise (Sydow 1997).

Page 80: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

68

die Entstehung der heutigen �Mietergesellschaft� gelegt (Behring/Helbrecht 2002:160).

Zudem bestanden und bestehen in Deutschland starke soziale Unterschiede beim Zu-gang zu Wohneigentum. Aber auch Wohnungseigentümer sind keine homogene Grup-pe, sondern sie unterscheiden sich nach Motiven und Lebensstilen. Darüber hinausexistieren in Deutschland deutliche regionale Unterschiede. Im Folgenden wird derFrage nachgegangen, wie sich die Verteilung von Wohneigentum gestaltet und wernach Staatsangehörigkeit, Alters-, Einkommens-, und Berufsgruppen Eigentum bildet.

Wohneigentumsbildung von Migrantinnen und Migranten

Ausländische Staatsangehörige stellten 2001 mit mehr 7,3 Mio. einen Anteil von knapp 9%an der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Der Anteil der Migranten und Migrant/innen, die inDeutschland Wohneigentum erworben haben, steigt in den letzten Jahren kontinuierlich.Während 1995 6% der in Deutschland lebenden Migrant/innen Wohneigentum erworben ha-ben, lag der Anteil der ausländischen Eigentümerhaushalte im Jahr 2002 bereits bei 15,5%(Ausländerbericht 2005: 117). In Nordrhein-Westfalen stieg insbesondere der Anteil türki-scher Hauseigentümer/innen durch den Verkauf von Häuser ehemaliger Werkssiedlungendeutlich an: von 16% im Jahr 1999 auf 28% 2003 (ILS 2003). Im Kontext der soziologischenBeschäftigung mit der Wohnsituation von Migrant/innen wird die Wohneigentumsbildunghäufig als ein Zeichen für eine berufliche Etablierung gesehen. Die Eigentumsbildung bedeu-tet eine langfristige Investition und wird daher als ein Ausdruck einer dauerhaften Bleibeab-sicht interpretiert (ILS 2003, Firat/Laux 2003).

Regionale VerteilungDie Eigentumsquote weist in den einzelnen Bundesländern erhebliche Unterschiedeauf, besonders in den Ballungsgebieten ist die Wohneigentumsquote gering. DieWohneigentumsquote liegt � bis auf wenige Ausnahmen � in den Kernstädten unter25%. Haushalte, die Wohneigentum erwerben wollen, wandern meist in kleinere Ge-meinden ab, die nach wie vor die höchsten Eigentumsquoten aufweisen. Dabei geht esnicht nur um den Wunsch, �ins Grüne� zu ziehen, sondern auch um die in ländlichenRegionen niedrigeren Bodenpreise (Jokl/Zehnder 2001, Jessen/Simon 2000). Aller-dings sind die Eigentumsquoten in den Kernstädten in den letzten Jahren stärker als inden Umlandkreisen gestiegen, die Kernstädte scheinen demnach wieder attraktiver fürdie Wohneigentumsbildung zu werden (BBR 2004: 83).

Page 81: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

69

Abb. 4: Wohneigentumsquote nach Bundesländern 2002 (in %)

55,9

55,2

50,5

44,4

41,3

35,4

34,5

30,5

21,3

12,5

48,9

48,4

38,7

39,1

39,6

48,4

0 10 20 30 40 50 60

Saarland

Niedersachsen

Bayern

Hessen

Brandenburg

Nordrhein-Westfalen

Bremen

Hamburg

(Quelle: BBR 2004: 83)

Verteilung nach Haushaltsgrößen und FamilienstandDurch die Struktur der Haushalte wird der Wohneigentümeranteil stark geprägt. Gene-rell steigt die Eigentumsquote mit der Größe der Haushalte. Einpersonenhaushalte sindmit einem Anteil von 23,8% im Jahr 2003 nur relativ selten WohneigentümerInnen.Schon bei Haushalten mit zwei Personen steigt der Eigentümeranteil stark auf 47,1%an. Bei fünf oder mehr Personen-Haushalten steigt der Eigentümeranteil weiter auf75,1% (vgl. Tab. 2).

Tab. 2: Anteil privater Haushalte mit Wohneigentum nach HaushaltsgrößeHaushaltsgröße 1993 2003

Einpersonenhaushalte 23% 23,8%

Zweipersonenhaushalte 45% 47,1%

Haushalte mit fünf und mehr Personen 61% 75,1%

(Quelle: Ulbrich 2000: 301, Deckl/Krebs 2004: 222)

Obwohl der Anteil der EigentümerInnen in großen Haushalten seit 1978 leicht zurück-gegangen ist, verfügen Haushalte mit fünf oder mehr Personen nach wie vor über diehöchste Wohneigentumsquote (Ulbrich 2000: 301). Der oben beschriebene Trend dermit der Haushaltsgröße steigenden Eigentumsquoten ist auch bei den Paarhaushaltenmit Kindern festzustellen: Die Eigentumsquote wächst von 51% bei Paaren mit einemKind auf 77% bei Paaren mit drei und mehr Kindern (Kott/Krebs 2004: 774). Im Ver-gleich mit den anderen Haushaltstypen weisen Paare mit Kindern mit 57,7% den

Page 82: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

70

höchsten Eigentümeranteil auf, die Differenz zu Paarhaushalten ohne Kinder (53,6%)ist jedoch verhältnismäßig gering (Deckl/Krebs 2004: 223). Nimmt man nur die Ehe-paare in den Blick, dann sind Ehepaare ohne Kinder sogar zu einem deutlich höherenAnteil mit Wohneigentum ausgestattet als Familien mit Kindern (Ulbrich 2000: 301).Unter den Haushalten mit Kindern sind auch Alleinerziehende vertreten. Der Anteilvon allein erziehenden Wohnungseigentümern fällt mit 19,2% im Jahr 2003 nach wievor sehr niedrig aus (Deckl/Krebs 2004: 222).

Entscheidend ist hier die Frage nach dem Familienstand: Wohneigentum scheint eineDomäne von Ehepaaren zu sein. Ehepaare besaßen 1993 zu 65% Hauseigentum. 45%der Ehepaarhaushalte waren zu dem Zeitpunkt kinderlos, wobei 62% dieser Haushalteim selbstgenutzten Wohneigentum lebten. 25% aller Ehepaarhaushalte hatten ein Kindund 21% hatten zwei Kinder. Davon lebten jeweils 69% im Wohneigentum. Nur 6%bzw. 2% der Ehepaarhaushalte hatten drei bzw. vier Kinder, wovon jeweils 75% bzw.68% im Wohneigentum lebten (Ostermeier/Blossfeld 1998: 41). Dass EhepaareWohneigentum anstreben, erscheint vor dem Hintergrund der finanziellen Möglichkei-ten durchaus plausibel. Ehepaare können durch das Zusammenlegen ihrer jeweiligenRessourcen die finanziellen und immateriellen Belastungen, die mit dem Erwerb vonWohneigentum entstehen, leichter tragen. Der Erwerb von Wohneigentum ist darüberhinaus � ähnlich wie die Ehe � in der Regel als ein langfristiges Projekt angelegt. Diemeist langfristige Bindung an Wohneigentum wird durch die ebenfalls auf Langfris-tigkeit angelegte Verbindung der Ehe anscheinend erleichtert und gefördert. Mit derEheschließung ist außerdem oft auch eine Familiengründung verbunden. Mit Kinderngibt es einen höheren Bedarf an Wohnfläche und Entfaltungsmöglichkeiten, der ausder Sicht der Familien in den eigenen vier Wänden besser als in einer Mietwohnunggedeckt werden kann (Kurz 1999: 17). Das Motiv, ein eigenes Haus zu erwerben, istbei Familien mit einer größeren Zahl von Kindern besonders stark, weil für sie ein�Haus mit Garten� besonders geeignet ist und sie große Probleme haben, eine entspre-chende (Miet-) Wohnung zu finden. Einfamilienhäuser werden in Deutschland bislangselten als Mietobjekte angeboten.44 Dies zeigt, dass Eigentumsbildung eng mit persön-lichen Lebensentwürfen verbunden ist.

44 Die Wohnverhältnisse von Eigentümer- und Mieterhaushalten unterscheiden sich hinsichtlich der Größe undder Anzahl der bewohnten Räume. Die durchschnittliche Wohnfläche von Eigentümerhaushalten betrug 1998im früheren Bundesgebiet 120 qm (im Osten 106 qm), die der Mieterhaushalte lag dagegen bei nur 71 qm(im Osten bei 61 qm). Auch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Räume unterscheidet sich erheblich.Eigentümerhaushalte bewohnen im Durchschnitt 4,5 Räume (im Osten 4,1 Räume). Mieterhaushalte habendurchschnittlich 2,7 Räume im früheren Bundesgebiet zur Verfügung (im Osten 2,6 Räume) (Münnich 1999:217). Margot Münnich macht darüber hinaus darauf aufmerksam, dass Mieter und Mieterinnen zwar in derRegel kleinere Wohnungen als Eigentümerhaushalte bewohnen, der Anteil der Kinderzimmerfläche, bezogenauf die Gesamtwohnfläche, jedoch in Mieterhaushalten größer ist als in Eigentümerhaushalten (Münnich1999: 219).

Page 83: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

71

AltersstrukturDie Eigentumsquote steigt mit zunehmendem Alter an und erreicht mit 54,5% in derAltersgruppe der 55- bis unter 65-Jährigen ihren Höchstwert. Bei den über 70-Jährigensinkt die Eigentumsquote wieder ab (70-80 Jährigen 39,3%). Jüngere Haushalte sinddagegen weit weniger häufig Wohneigentümer: In der Alterstufe zwischen 25 und 35Jahren lag der Schwerpunkt der Erwerber von Wohneigentum bei 21,3% und bei denunter 25-Jährigen nur bei 3,6. Erst ab der Altersgruppe 35 bis unter 45 Jahren liegt derEigentümeranteil mit 45% über dem Durchschnitt (Ergebnisse der EVS 2003,Deckl/Krebs 2004: 223). Zwischen 1993 und 2003 hat in den alten Ländern vor allemein Zuwachs der Eigentumsquote bei den älteren Haushalten stattgefunden. Zurückge-führt wird diese Entwicklung im Wesentlichen auf den Kohorteneffekt: �Danachwachsen Haushalts-Generationen, die in jüngeren Jahren Wohneigentum gebildet ha-ben, in die älteren Haushaltsklassen hinein, während die älteren Haushalte mit niedri-ger Eigentumsquote vermehrt sterben.� (BBR 2004: 80f.)

Laut Ulbrich betrug das Durchschnittsalter der Erwerber selbstgenutzten Wohneigen-tums in Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1987 bis 1990 38 Jahre (Ulbrich1993: 18). Diese Verteilung deutet auf einen Zusammenhang der Eigentumsbildungmit Lebenslauf und Lebensphasen hin. Eine Wohnbiographie wird üblicherweise alsMieter begonnen und nach einer beruflichen Etablierung, verbunden mit einem stei-genden und stabilen Einkommen oder Erbe, erfolgt der Übergang ins Wohneigentum(Häußermann/Siebel 1996: 237).

In der Untersuchung von Wagner/Mulder zeigt sich, betrachtet man den Kohortenpro-zess, dass der Wechsel ins Wohneigentum relativ gleichmäßig über eine Alterspannevom 20. bis zum 50. Jahr vollzogen wird, obwohl die Übergangsraten zu Beginn desvierten Lebensjahrzehnts ein Maximum erreichen. �Demnach wird man in sehr unter-schiedlichen Lebenssituationen Wohneigentümer und keineswegs durchgängig undtypischerweise am Beginn des Familien- und Erwerbsverlaufs� (Wagner/Mulder 2000:57).

Page 84: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

72

Verteilung nach EinkommenBetrachtet man die Wohneigentumsquote in Verbindung mit dem Haushaltseinkom-men, so lässt sich feststellen, dass Haushalte mit geringem Einkommen deutlich selte-ner Wohnungseigentümer sind als Haushalte mit höheren Einkommen. Mit zunehmen-der Höhe des Einkommens steigt auch der Anteil der Haushalte mit Wohneigentum.Die sozialen Unterschiede beim Zugang zu Wohneigentum verstärkten sich in denletzten Jahrzehnten. Laut Ulbrich ist die Wohneigentumsquote im untersten Einkom-mensquintil in den Jahren 1978 bis 1987 von 32,3% auf 29,9% gefallen und liegt bis1993 mit 30% weiterhin konstant niedrig. Dagegen ist die Wohneigentumsquote imobersten Einkommensquintil von 43,8% im Jahr 1978 auf 51,5% im Jahr 1987 bzw.auf 56% im Jahr 1993 gestiegen (Ulbrich 1993, 2000: 301). Diese Tendenz setzt sichbis 2004 fort: Im oberen Quintil ist die Eigentumsquote weiter kontinuierlich auf55,4% gestiegen; im untersten Quintil ist die Quote dagegen weiter auf 26,2% gefallen(Datenreport 2006: 493). Auffällig ist der Zusammenhang zwischen Einkommen undHaushaltsgröße:

�Am stärksten ausgeprägt sind die Abstufungen nach dem Einkommen bei dengrößeren Haushalten. So ergab sich bei Haushalten mit 5 oder mehr Personen vonuntersten bis zum obersten Einkommensquintil ein Anstieg der Wohneigentums-quote von 32% auf 85%.� (Ulbrich 2000: 301).

Besonders ungleich � bezogen auf die Einkommensschichten � ist das Wohneigentumin den Städten verteilt. Hier können nur 10% der Haushalte im untersten Einkom-mensquintil Wohneigentum nutzen, während im obersten Einkommensquintil der An-teil bei 38,8% liegt. In den Städten beträgt der Abstand zwischen den Quintilen fastdas Vierfache, während er im Bundesdurchschnitt weniger als das Doppelte beträgt.Noch größere Unterschiede sind bei Haushalten mit Kindern festzustellen. Auch siekönnen im untersten Einkommensquintil nur zu 10% Wohneigentum nutzen, sind aberim obersten Quintil immerhin zu 64% Wohnungseigentümer in der Stadt (Ulbrich2000: 302).

Eigentumsbildende Haushalte haben höhere Einkommen. Die Abstände beim Ein-kommen zwischen Eigentümer/innen und Mieter/innen haben sich seit 1965 vergrö-ßert. Der Abstand des durchschnittlichen Einkommens von Haushalten, die Wohn-eigentum erworben haben, lag 1978 um durchschnittlich 54% höher als das Einkom-men von Mieterhaushalten. Bis 1988 ist der Einkommensunterschied auf 102% gestie-gen (Häußermann/Siebel 1996: 241).

Page 85: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

73

Verteilung nach sozialrechtlicher StellungDie Differenzierung nach sozialrechtlicher Stellung der Wohnungseigentümer zeigt,dass seit 1957 Selbstständige (mit einem Anteil von 64,6%) bis in die 90er Jahre amhäufigsten im Eigentum wohnen. In den letzten Jahrzehnten scheint sich hier ein leich-ter Rückgang anzudeuten. Bei den abhängig Beschäftigten ist eine Zunahme der Ei-gentümerhaushalte seit den 50er Jahren festzustellen. Lag der Anteil der abhängig Be-schäftigten 1957 bei 19,3%, so stieg er bis 1998 auf 42,5% an.

Tab. 3:Haushalte in Eigentümerwohnungen nach sozialrechtlicher Stellung desHaushaltsvorstands in Prozent (alte Bundesrepublik)

1957 1960 1965 1968 1972 1978 1987 1993 1998*Selbständige 64,6 67,5 66,8 69,1 66,7 67,1 64,7 61,5 60,4Beamte/Angestellte

19,31 21,8 22,3 27,0 28,7 35,5 41,2 42,6 42,5

Arbeiter 26,4 27,2 32,3 31,3 34,1 35,7 35,5 35,0Nichter-werbstätige

25,6 28,5 28,1 31,3 30,2 31,5 31,0 39,9 43,1

Insgesamt 28,8 32,3 31,3 35,1 33,5 36,1 37,8 41,6 42,61 Inkl. Arbeiter *West(Quelle: Kurz 2000: 29)

Bis in die 1970er Jahre lebten Arbeiterhaushalte etwas häufiger in Wohneigentum alsBeamte oder Angestellte. Seit den 80er Jahren stagniert die Wohneigentumsquote beiArbeiterhaushalten bei ca. 35%, während die Eigentumsquote bei Beamten/ Angestell-ten auf 42,5% angestiegen ist (vgl. Tab. 3). Nach den Ergebnissen der Einkommens-und Verbrauchsstichprobe 2003 stellen Angestelltenhaushalte und Rentnerhaushaltedie größten Gruppen unter den Wohneigentümern. Als drittgrößte Gruppe werden Ar-beiterhaushalte genannt (Kott/Krebs 2004: 776). Der vergleichsweise hohe Anteil vonWohneigentum bei Arbeitern erscheint erklärungsbedürftig, da Arbeiterhaushalte imDurchschnitt ein deutlich niedrigeres Erwerbseinkommen als Angestellte und Beamtehaben. Neben dem Einkommen spielen hier offensichtlich noch andere Faktoren derEigentumsbildung eine Rolle. Im folgenden Abschnitt geht es um die besonderen Be-dingungen der Eigentumsbildung von Arbeiterhaushalten und die von ihnen eingesetz-ten Strategien, die die Eigentumsbildung trotz vergleichsweise niedriger Einkommenermöglichen.

2.2. Eigentumsbildung durch Selbsthilfe in ArbeiterhaushaltenNeben der Möglichkeit des Erbes und des marktförmigen Erwerbs von Hauseigentumspielt der Einsatz von baulicher Selbsthilfe bei Arbeiterhaushalten eine große Rolle.Wie eine Reihe von empirischen Untersuchungen vor allem für den ländlichen Raumaufgezeigt hat, verfolgen Arbeiterhaushalte bei Eigentumserwerben eine komplexeStrategie (Jessen u. a. 1988, Petrowsky 1993). Diese Strategie zeichnet sich dadurch

Page 86: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

74

aus, dass informelle Ressourcen genutzt werden. Dies bedeutet neben dem Einsatz vonEigenarbeit die Maximierung des Haushaltseinkommens durch Überstunden, die Ar-beit aller Haushaltsmitglieder, Einsatz von wenig Fremdkapital und deshalb niedrigeZinsbelastungen. Häußermann/Siebel bezeichnen dies als eine �marktferne� Strategieund einen �investiven Lebensstil� der Arbeiterhaushalte. Ein investiver Lebensstil be-zeichnet eine Haushaltsorganisation, in der alle verfügbaren Ressourcen auf den Er-werb des eigenen Hauses ausgerichtet sind. Eine wichtige Rolle spielen dabei auchhaushaltsübergreifende Zusammenhänge: das mögliche Grundsstückserbe, die Mithilfevon Verwandten und Bekannten beim Bau des Hauses und vielfältige Formen infor-meller Austauschprozesse (Häußermann/Siebel 1996: 259). Diese Art der Eigentums-bildung hat demnach als Voraussetzung die Zugehörigkeit zu einem stabilen (und leis-tungsfähigen) sozialen Netz, das nur über lokal gebundene, längerfristige Verbindun-gen aufgebaut werden kann. Dies setzt zudem Sesshaftigkeit voraus:

�Ein Arbeiter baut dreißig Jahre an seinem Haus: erst das des Schwagers, dann dasdes Nachbarn, dann mit deren Hilfe sein eigenes, und schließlich hilft er noch demSohn.� (Häußermann/Siebel 1996: 260)

Petrowsky macht darauf aufmerksam, dass Hauseigentum und Familie einen außerge-wöhnlich engen Zusammenhang bilden. Hauseigentum wird überwiegend von Famili-en angestrebt. Er vertritt die These, dass auch in kapitalistischen Gesellschaften diefamiliare Reproduktion in Form der Hauswirtschaft erfolgt, und dass das Hauseigen-tum bessere Bedingungen für die Reproduktion der Familie bietet. Die von ihm unter-suchten Arbeiterhaushalte sind in intensive soziale Netze eingebunden und erhaltendadurch Zugang zu Ressourcen von Nicht-Haushaltsmitgliedern. Dies bezeichnetPetrowsky als produktive Funktion von Hauseigentum und nimmt dies als �eigentli-chen Grund (an), weshalb das Hauseigentum über Generationen hinweg nach der Fa-miliengründung immer wieder angestrebt wird� (Petrowsky 1993: 180). Insbesonderefür Arbeiterfamilien wird mit dem Hauseigentum nicht nur ein Haus erworben, son-dern damit vermittelt, ökonomische Potenziale (z. B. Selbsthilfe beim Bau, in der Ne-benerwerbslandwirtschaft) zu nutzen und soziale Verhaltensweisen zu pflegen, dieüber Generationen weitergegeben werden. Inwieweit diese Ergebnisse auch auf Fami-lienhaushalte allgemein ausgedehnt werden können, ist weitgehend offen bzw. nichtuntersucht.

Interessant ist jedoch einerseits die vom Autor aufgezeigte Verbindung von Hausei-gentum und nichtmarktförmigen Strategien, die im Kapitel III ausführlicher themati-siert werden. Andererseits wird am Beispiel von Arbeiterhauseigentum aufgezeigt,welche Motive und Verbindungen an das Hauseigentum geknüpft sind. Hauseigentumerscheint als integraler Bestandteil der Lebenszusammenhänge der untersuchten Arbei-terfamilien. Um den Hauserwerb realisieren zu können, ist die Einbindung in ein

Page 87: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

75

hauptsächlich familiäres Beziehungsnetz notwendig. Durch das Hauseigentum werdendiese Beziehungsnetze vertieft und an die nächste Generation weitergegeben; eineVoraussetzung dafür ist die Immobilität dieser Haushalte. Das Hauseigentum be-kommt dadurch einen symbolischen Wert: es steht für den Familienzusammenhalt, fürdie Verankerung des �Familiengedächtnisses� (Petrowsky 1993: 49, Steinrücke/Schultheis 1998: 13). Dazu kommt die besondere Bedeutung des Erbes. Für die Fami-lien, die erben, bedeutet das geerbte Wohneigentum �eine wesentliche vertikale, d. h.zwischen den Generationen, und horizontale Achse eines sozialen Netzes, die mög-lichst nicht gefährdet werden darf� (Ostermeier/Blossfeld 1998: 51). Die Vererbungdes Wohneigentums nimmt demnach auch eine Schlüsselstellung im Rahmen familia-ler Reproduktionsstrategien ein.

Über die Attraktivität bzw. Aktualität dieses Modells des Hauserwerbs bestehen unter-schiedliche Ansichten. Die Untersuchung von Petrowsky befasst sich ausschließlichmit Arbeiterfamilien. Die für sie festgestellte Form des Eigentumserwerbs bezieht sichschwerpunktmäßig auf den ländlichen Bereich und auf immobile Bevölkerungsschich-ten. Für mobile Arbeiterfamilien wird der Hauserwerb als sehr schwierig beschrieben,da das familiale und ortsgebundene Netz der Familien fehlt. Karin Kurz differenziertdie Ergebnisse zu Arbeiterhaushalten und Eigentum weiter aus, indem sie auf Unter-schiede des Zugangs zu Wohneigentum innerhalb der Arbeiterfamilien hinweist. Un-gelernte Arbeiter haben weit geringere Chancen, Wohneigentum zu erwerben alsFacharbeiter (Kurz 2000).

2.3. (Familien-)Soziologische Aspekte des �Projekts Wohneigentum�Das �Projekt Wohneigentum� ist unter soziologischen Gesichtspunkten aus einer Reihevon Gründen relevant. Nach der Darstellung von Karin Kurz sind insbesondere dreiAspekte für die soziologische Betrachtung von Wohneigentum bedeutsam: die Ent-wicklung der Wohlfahrts- und Vermögensposition von Haushalten, die mögliche Be-einflussung oder Veränderung der durch den Arbeitsmarkt produzierten sozialen Un-gleichheitsstrukturen durch Wohneigentum und die Bedeutung von Wohneigentum fürdie Prägung der Lebensläufe (Kurz 2000: 27). Neuere Untersuchungen des Übergangsins Wohneigentum befassen sich mit Fragen nach der zeitlichen Verortung im Lebens-lauf, den sozialstrukturellen Determinanten des Übergangs ins Wohneigentum und derVerteilung von Wohneigentum.45

45 Vgl. die Analysen von Wagner/Mulder 2000, Kurz 2000 und Ostermeier/Blossfeld 1998. Eine Einführung indas Thema und einen Überblick über wichtige Fragestellungen und Ergebnisse geben Häußermann/Siebel1996. Die familiensoziologisch orientierte Forschung beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Wohnei-gentum und Ehestabilität (Ostermeier/Blossfeld 1998 und Kalter 1999). Zur Eigentumsbildung von Arbeiter-haushalten und zu Determinanten der intergenerationalen Weitergabe von Wohneigentum vgl. Petrowsky

Page 88: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

76

Das Eigenheim stellt heute � im Gegensatz zu früher � die Wohnform von gut derHälfte der deutschen Bevölkerung dar. Der Erwerb oder Bau von Wohneigentum ist inder Nachkriegszeit für immer mehr Menschen zu einer bedeutsamen �Statuspassage�im Lebenslauf geworden; so wird das Eigenheim auch heute noch als Ausdruck einergelungenen Biographie verstanden. Die Bedingungen und Konsequenzen des Wohnei-gentums im Lebenslauf sind daher zum Gegenstand einer Reihe von empirischen Ana-lysen geworden. Die Realisierung des Eigentumswunsches ist vor allem von stabilenLebensverhältnissen abhängig. Dafür sind vorhersagbare Einkommens- und Famili-enverhältnisse wesentlich, aber auch die Gesundheit, ein Lebensstil, der höhereAnspar- bzw. Tilgungsraten erlaubt, und eine weitgehende regionale Immobilität. DerWohneigentumserwerb findet daher vorrangig in der Phase der Familienbildung statt(Ostermeier/Blossfeld 1998: 42). In der Untersuchung von Ostermeier/Blossfeld wirddem spezifischen Zusammenhang zwischen Wohneigentum und Ehescheidung nach-gegangen. Wohneigentümer � so das Ergebnis der Studie � führen weit stabilere Ehenals Mieter. Dies wird darauf zurückgeführt, dass Eigentümer scheinbar eher in der La-ge sind, längerfristige Selbstbindungen einzugehen. Im Falle einer Erbschaft wird die-ser Effekt noch verstärkt, denn das geerbte Wohneigentum hat eine besondere symbo-lische Bedeutung. Es repräsentiert die soziale Einbettung in Familien- und Verwandt-schaftsnetze und bildet eine Achse zwischen den Generationen (Ostermeier/Blossfeld1998: 50). Dieses Ergebnis bestätigt sich in der Mannheimer Scheidungsstudie, nachder Eigentum als eine ehespezifische Investition einen eigenständigen Einfluss auf dieStabilität einer Ehe besitzt. In theoretischer Hinsicht wird damit eine zentrale Thesedes familienökonomischen Ansatzes bestätigt, der zufolge die Stabilität einer Ehe mitdem Ausmaß der ehespezifischen Investitionen zunimmt (Kalter 1999).

Eine empirische Analyse zu der Frage, in welcher Weise Familiengründung und so-zioökonomische Ressourcen den Übergang in das Wohneigentum beeinflussen,kommt zu dem Ergebnis, dass der Hausbesitz der Eltern es den Kindern erleichtertoder ermöglicht, selbst Wohneigentümer zu werden. Dies kann darauf zurückgeführtwerden, dass die Eltern die Kinder durch Schenkungen oder Erbe und auch beimHauskauf finanziell unterstützen, es findet also ein Transfer von Vermögen zwischenden Generationen statt (Wagner/Mulder 2000: 46). Wohnwerte können jedoch auchüber Sozialisationswirkungen (Wohnerfahrungen) zwischen den Generationen weiter-gegeben (Kurz 1999: 29). Darüber hinaus ist der Wechsel zu Wohneigentum eng mitden Faktoren Heirat, Bildungsniveau, der Erwerbsdauer und (negativ) dem Grad derUrbanisierung verbunden (Wagner/Mulder 2000: 57).

1993 und Kurz 2000. Zum Vergleich des Eigentumserwerbs in Deutschland und den USA vgl.Clark/Deurloo/Dieleman 1997.

Page 89: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

77

Daraus kann folgendes Fazit gezogen werden: Die Wohneigentumsbildung ist eineFrage des Einkommens und der Haushaltsgröße, der persönlichen Einstellung und desLebensstils (vgl. Scheider/Spellerberg 1999). Aufgrund des kontinuierlichen Anstiegsder haushaltsbezogenen Eigentumsquote im Zeitverlauf kann man insgesamt von ei-nem Erfolg der Eigentumsförderung sprechen. Trotz des Anstiegs der Eigentumsquotebestehen nach wie vor starke soziale Unterschiede beim Zugang zum Wohneigentum.Die Eigentumsbildung konzentriert sich auf die einkommensstarken Haushalte, unddie sozialen Unterschiede haben sich in den letzten Jahrzehnten noch verstärkt. Die�Schwellenhaushalte� scheinen es zunehmend schwerer zu haben, Eigentum zu bilden(Ulbrich 2000). Auch das Alter der Eigentümer, das im europäischen Vergleich mitdurchschnittlich 38 Jahren vergleichsweise hoch ausfällt, hat sich in den letzten Jahrennicht verändert. Obwohl die Eigentumsquote insgesamt gestiegen ist, verteilt sich derZuwachs nicht gleichmäßig auf alle Generationen: vor allem die zahlenmäßig starkeGeneration der heute 60 bis 69-Jährigen hat aufgrund günstiger Rahmenbedingungenin den 1960er und 70er Jahren Wohneigentum gebildet und damit zum Anstieg derEigentumsquote beigetragen. Ein großer Anteil der jüngeren Haushalte wohnt zurMiete, da die ökonomischen Rahmenbedingungen in den 1980er und 90er Jahren (u. a.Anstieg der Grundstückspreise und Baukosten) eine Bildung von Wohneigentum er-schwerten (Braun/Pfeiffer 2004: 10).

Darüber hinaus ist deutlich geworden, dass die Sozialstrukturen auch intergenerationa-le Effekte haben: durch einen Vermögens- und Verhaltenstransfer haben Kinder vonWohneigentümern eine höhere Möglichkeit zur Wohneigentumsbildung. Nun sind dieeinkommensschwachen Haushalte und junge Familien mit Kindern die zentralen Ziel-gruppen der staatlichen Förderung. Wie hat sich die staatliche Wohneigentumsförde-rung in den letzten Jahrzehnten entwickelt? Wie gestaltet sie sich aktuell? Welche Zie-le werden mit der Eigentumsförderung verbunden?

3. Wohnungspolitik und die WohneigentumsförderungDie Förderung von Wohneigentum ist � historisch wie aktuell � ein zentrales woh-nungspolitisches Ziel. In der Zeit nach dem 2. Weltkrieg wurde die Förderung des in-dividuellen Wohneigentums von allen Parteien befürwortet. Die Erfahrungen derNachkriegszeit ließen das Eigenheim besonders attraktiv erscheinen. So bot ein kleinesHaus doch Möglichkeiten der Selbstversorgung durch einen Garten, war weniger vomBombenkrieg betroffen, konnte schnell wieder aufgebaut bzw. bewohnbar gemachtwerden und galt nach der Währungsreform als wertbeständigste Investitionsform(Schulz 1988: 412).

Das individuelle Wohnungseigentum hatte in der Nachkriegszeit bei allen Parteieneinen hohen Stellenwert, obwohl die wohnungspolitische Praxis in den ersten Nach-

Page 90: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

78

kriegsjahren vorwiegend auf den Mietwohnungsbau gerichtet war. Das erste Woh-nungsbaugesetz von 1950 nannte das Eigenheim nur als eine der förderungswürdigenBauformen neben der Mietwohnung (§ 16, I. WoBauG). Das Eigenheim wurde im ers-ten Wohnungsbaugesetz demnach nicht privilegiert gefördert. In den folgenden Jahrenwurde eine intensive wohnungspolitische Diskussion um die Wohneigentumsförde-rung geführt. Im Vordergrund standen dabei katholische Kreise in der CDU, die eine�massive Agitation für das Eigenheim� begannen (Schulz 1988: 416). Ein Protagonistdieser Diskussion war der CDU-Politiker Paul Lücke, der ab 1957 als Wohnungsbau-minister ein wohnungspolitisches Konzept verfolgte, das Wohnungspolitik mit Famili-enpolitik gleichsetzte und in dem das individuelle Wohneigentum eine besondere Rol-le spielte. Wohnungspolitik bedeutete für Lücke Politik für die Wohnbedürfnisse derkinderreichen Familien. Das von ihm geforderte �Familienheim� ist idealtypisch ineinem freistehenden, selbstgenutzten Einfamilienhaus mit Wirtschaftsteil und Nutzgar-ten verwirklicht. Die Vorstellung von einem kinder- und familienfreundlichen Eigen-heim entsteht unter Rückgriff auf großstadtkritische Elemente. Der Kontrast zwischengefährlichem, ungesundem Mietskasernenmilieu in der Stadt und dem ordentlichen,gesunden Leben in einem Haus im Grünen unterstreicht dieses Konzept.

Lückes Eigenheimkonzept räumte Selbsthilfe und Selbstversorgung im Rahmen derallgemeinen Lebensführung eine große Priorität ein. Der Idealfall dieses Konzepteswar die mit Eigenleistung und Nachbarschaftshilfe erstellte Kleinsiedlung, die ihreSelbstversorgung durch Garten und Kleintierhaltung ermöglichte (vgl. Kap. III). Ingesellschaftspolitischer Perspektive wurde das Eigenheimkonzept durch die Schaffungund Streuung von individuellem Eigentum als Stabilisierung der gesellschaftlichenOrdnung verstanden. Dahinter stand der Gedanke, die Sicherung des sozialen Friedensdurch die Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen und der Zufriedenheit und Selbst-bestimmung des Einzelnen zu fördern (Schulz 1988: 419).

Die Wohnungspolitik hatte in den 1950er Jahren drei Pfeiler: die Förderung der Bil-dung von Wohneigentum durch Privathaushalte, den sozialen Wohnungsbau, und ab1968 die finanzielle Unterstützung von Niedrigverdienern durch das Wohngeld (Häu-ßermann/Siebel 1996: 146).

Mit der Wohnungsbaunovelle von 1953 wurde der Bau von Eigenheimen gegenüberdem Mietwohnungsbau bereits prinzipiell begünstigt. Der Untertitel des zweiten Woh-nungsbaugesetzes (1956), �Wohnungs- und Familienheimgesetz�, weist darauf hin,dass neben der Wohnbauförderung weitere Ziele an Bedeutung gewannen. Im Zentrumstand dabei die Förderung von Eigenheimen im Rahmen der Familienpolitik (§ 1 �DieFörderung des Wohnungsbaus soll überwiegend der Bildung von Einzeleigentum[Familienheimen] und eigengenutzten Eigentumswohnungen dienen�), aber auch die

Page 91: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

79

Aspekte der Vermögensbildung und der qualitativen Versorgung traten in den Vorder-grund. Damit wurde eine wichtige eigentumspolitische Komponente in der Woh-nungsgesetzgebung verankert (Zimmermann 2002: 333).46 In der Nachkriegszeit rich-tete sich die Eigentumsförderung zunächst auf den Neubau von Wohnraum und wurdeerst 1977 auf den Erwerb von Gebrauchtwohnungen ausgedehnt.

Betrachtet man die Entwicklung im Bereich des sozialen Wohnungsbaus, so zeigt sich,dass der Eigenheimbau, später auch der Bau von Eigentumswohnungen im Laufe derJahrzehnte zum wichtigsten Bestandteil des sozialen Wohnungsbaus wurde. Bis in die60er Jahre wurden überwiegend Mietwohnungen gebaut. Mit der Einführung des�zweiten Förderwegs� im sozialen Wohnungsbau 1965/66 wurden die Einkommens-grenzen um 40% über die im ersten Förderweg gültigen angehoben. Dieser Förderwegkam zunehmend dem Eigenheimbau zugute. In der Folgezeit verlagerte sich die Förde-rung im sozialen Wohnungsbau mehr und mehr auf den zweiten Förderungsweg undauf die Förderung von Wohneigentumsmaßnahmen. Machten Ende der 1950er JahreEigenheime und Eigentumswohnungen ein Viertel der öffentlichen Förderung aus, sowuchs ihr Anteil bis Mitte der 70er Jahre auf knapp die Hälfte und machte im Jahr2001 zwei Drittel der Förderung aus.47 Unter den im Rahmen des Sozialen Wohnungs-bau geförderten Eigentumsmaßnahmen entfällt nur ein geringer Teil auf Eigentums-wohnungen, der größte Anteil besteht aus Ein- und Zweifamilienhäusern (BBR 2004:47). In wohnungspolitischer Hinsicht wurde diese Verschiebung mit der �Filteringthe-orie� und den damit verbunden, äußert umstrittenen �Sickereffekten� begründet, dieder Wohnungsversorgung einkommensschwacher Haushalte zugute kommen sollten.48

Diese Haushalte, so wurde bereits in den Zielsetzungen des 2. Wohnungsbaugesetzesdeutlich, bestehen in der Regel aus Familien. Der soziale Wohnungsbau verfolgt alsoeine besondere Form der Förderung der Eigentumsbildung für Familien und grenztdamit andere Haushaltsformen (z. B. Alleinerziehende oder auch Alleinstehende) aus(Becker 1990).49 Seit 1989 wurde die soziale Wohnbauförderung um den �dritten För-derweg� und eine einkommensorientierte Förderung erweitert.

46 Zur detaillierten Darstellung der Wohnungspolitik in der Nachkriegszeit vgl. Beyme 1999: 83-113.47 Allerdings sind die Bewilligungszahlen seit Mitte der 1990er Jahre stark zurückgegangen. Wurden 1994noch 160.000 Wohnungen gefördert, waren es 2001 lediglich 38.408 Wohnungen (BBR 2004: 46).

48 Die Filteringtheorie geht davon aus, dass die Wohnungsversorgung der einkommensschwachen Haushaltedurch die Förderung der Eigentumsbildung der einkommensstarken Haushalte verbessert wird. Die einkom-mensstarken Haushalte ziehen aus Mietwohnungen in ihr neues Eigentum um und setzen dadurch Umzugs-ketten in Gang, in deren Verlauf zunehmend Mietwohnungen für die einkommensschwächeren Haushalte freiwerden (vgl. kritisch dazu Häußermann/Siebel 1996: 148f.).

49 Dies gilt auch für die Vergabe von Sozialwohnungen. Ruth Becker (1990) untersuchte die dort bestehendenAusgrenzungsmechanismen in Bezug auf den Familienstatus (�junge Ehepaar�, Alleinstehende und Alleiner-ziehende), das Einkommen und die Vergabepraktiken von Sozialwohnungen in den 1980er Jahren.

Page 92: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

80

�Insgesamt wurden von 1950 bis 2001 in den alten Bundesländern rund 8,7 Millio-nen Sozialwohnungen gefördert. Davon waren rund 5,8 Millionen Miet- und �nur�knapp 2,9 Millionen Eigentumswohnungen. Allerdings ist der Sozialwohnungsbe-stand inzwischen auf 1,9 Millionen Wohnungen geschrumpft (2003 in den altenBundesländer), das sind knapp 7% des Wohnungsbestands (11% der Mietwohnun-gen), wobei der verbliebenen Bestand regional sehr ungleich verteilt ist.� (Becker2005a: 1301)

Die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums hat in den vergangenen Jahrzehn-ten auf unterschiedlichen Ebenen stattgefunden. Die Förderung der Wohneigentums-bildung erfolgte zum einen, wie dargestellt, über die direkte Förderung im Rahmen derverschiedenen Förderwege des sozialen Wohnungsbaus, zum anderen über die indirek-te Förderung durch Steuervorteile bei der Einkommensteuer (bis 1986 § 7b EStG, bis1995 §10e EStG) und die Förderung durch Vorteile bei anderen Steuerarten(Grundsteuer, Vermögensteuer, Erbschaftssteuer). Als ein Grundprinzip der Eigen-tumsförderung bis 1996 kann trotz vielfältiger Änderungen festgehalten werden, dassdie BezieherInnen hoher Einkommen durch die Gewährung von Steuervergünstigun-gen bevorzugt wurden und umso mehr Steuervorteile durch Bildung von Wohneigen-tum hatten, je höher ihr Einkommen war. Durch die Einführung einer einkommensu-nabhängigen Kinderkomponente im Jahr 1987 wurde die mit der Eigentumsförderungverbundene soziale Umverteilungswirkung � so Ruth Becker � abgemildert (Becker2005a: 1307). Die Eigentumsförderung wurde 1996 auf die progressionsunabhängigeEigenheimzulage umgestellt, die nach einigen Änderungen und umfassenden Diskus-sionen zum 1. Januar 2006 abgeschafft wurde. Auf die inhaltliche Ausgestaltung die-ses Instruments werde ich in Kapitel II.5.2 eingehen.

Die Eigenkapitalsbildung wurde und wird durch die Bausparförderung unterstützt.Bausparverträge werden zum einen steuerlich begünstigt, zum anderen werden in Ab-hängigkeit von der Einkommenshöhe Wohnungsbauprämien gezahlt. Die einzelnenInstrumente haben dabei unterschiedliche Gewichtung und zahlreiche Veränderungenerfahren (Zehnder 2001, Jokl/Zehnder 2001).

Im Folgenden werde ich auf die mit der Wohneigentumsbildung verbundenen woh-nungspolitischen Legitimationen und Leitbilder eingehen, um die Hintergründe derdargestellten Politikstrategien zu beleuchten. Anhand der Geschichte der Woh-nungspolitik, die der Förderung des Wohneigentums seit der Nachkriegszeit einen ho-hen Stellenwert eingeräumt hat, wird deutlich, in welchem Maße die individuellenWünsche nach einem Eigenheim auch gesellschaftlich hergestellte Wünsche sind.Welche Intentionen damit verfolgt werden und welche Vorstellungen mit dem eigenenHeim verbunden werden, sind Gegenstand des folgenden Kapitels.

Page 93: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

81

4. Legitimationen und Leitbilder der Wohnungspolitik:Die Eigenheimideologie

Die Familienorientierung der Wohneigentumsbildung ist über die Jahrzehnte hinwegkonstant geblieben. Auch das bereits von Friedrich Engels angesprochene Argumentder gesellschaftlichen Stabilisierung durch die Bindung von Arbeitern an Grund undBoden50 wurde als Motiv einer eigentumsbedingten Verstetigung und Verbesserungvon Lebenslagen in der Konsolidierungsphase der Bundesrepublik immer wieder for-muliert. Eigentum wurde als ein Schutzschild gegen �kollektivistischen� Sozialismusgesehen.

Nach 1970 gewannen verschiedene Argumente zur Förderung von Wohneigentum anBedeutung. Zum einen wurde die Vorstellung vertreten, Eigentum fördere die �Indivi-dualität� des Menschen und sei eine wichtige Voraussetzung für die Teilhabe an derGesellschaft. Weiter wurde auch die vermögenspolitische Bedeutung von Wohneigen-tum hervorgehoben (Zimmermann 2001).

Allerdings sind in der Zeit nach 1970 auch eigentumskritische Positionen formuliertworden. Zwei prominente Beispiele sind der Stadtsoziologe Hans Paul Bahrdt und derPsychoanalytiker Alexander Mitscherlich. Bahrdt stellte in seinem Buch �HumanerStädtebau� die Frage, ob �das eigene Haus wirklich die Freiheitschancen des Men-schen vergrößert� (Bahrdt 1968: 73). Der Vorstellung von Eigentum als einem Garan-ten der (persönlichen) Freiheit stellte er die sehr großen finanziellen Belastungen undRisiken des Eigenheimerwerbs gegenüber. Er betonte die weitreichenden Konsequen-zen des Hauskaufs oder Baus: jahrzehntelange Abzahlungspflichten, einen daraus re-sultierenden Zwang zu einem sparsamen Lebensstil und die in der Regel weite Entfer-nung der Eigenheime von kultureller Infrastruktur und kommt zu einer insgesamt sehrnegativen Einstellung zum Eigenheim. Diese Einschätzung wird von Mitscherlich ge-teilt. In seiner Abhandlung �Über die Unwirtlichkeit der Städte� greift er den mit dersuburbanen Lebensweise im Einfamilienhaus verbunden Rückzug ins Private an (Mit-scherlich 1965).

Die Probleme der Vereinzelung und der sozialen Isolation in den neuen Wohngebie-ten, in denen nachbarschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen fehlen, werdenauch aktuell noch diskutiert. In Bezug auf die suburbane Lebensweise allgemein stelltHarlander fest, dass �... in den letzten Jahren auch verstärkt die Zweifel an dem damitverknüpften, in sozialer Hinsicht so wenig �gemeinschaftshaltigen� suburbanen Le-bensmodell (wachsen).� (Harlander 2001: 12)

50 In seiner Schrift �Zur Wohnungsfrage� diskutierte Engels bereits 1872 das Argument, dass Hausbesitz zurVerbürgerlichung der Arbeiterklasse und damit zur Befriedung revolutionärer Tendenzen beitrage.

Page 94: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

82

Bourdieu spitzt diese Betrachtung zu, indem er das Eigenheim auf mehrfache Art undWeise als �Falle� bezeichnet (Bourdieu 1998: 21). In seiner Analyse der Wünsche,Erfahrungen und Enttäuschungen mit dem Kauf von Wohneigentum in Frankreich ar-beitet er die Funktionsweisen des Eigenheims heraus. Der Hauskauf impliziert in derSicht Bourdieus eine Stabilität und Dauerhaftigkeit von Beziehungen, Arbeitsverhält-nissen etc., die aktuell immer weniger gegeben ist. Darüber hinaus hat das Eigenheimdie Tendenz, �nach und nach zum Ort der Fixierung aller Besetzungen und Investitio-nen zu werden.� (Bourdieu 1998: 22). Dies bedeutet eine �Domestizierung der Wün-sche und Vorhaben� (ebd.) und damit einen verstärkten Rückzug ins Private bzw. eineFixierung aufs Private. Hinzu kommen die in der Regel langen Fahrzeiten und die Iso-lation z. B. vom kulturellen Leben, die mit dem suburbanen Eigenheim verbundenensind. Entspricht die (Wohn-)Realität nicht den mit dem Hauskauf verbundenenWunschvorstellungen, werden die Wünsche und die Zufriedenheit aufgrund massiverökonomischer Zwänge � so Bourdieu � an die Realität angepasst.

Diesen kritischen Analysen der Eigentumsbildung und deren Folgen steht eine Kon-stanz der familienpolitischen und gesellschaftsstabilisierenden Bedeutung von Wohn-eigentum als einem wesentlichen Argument der Förderung gegenüber. Eine zu Beginnder neunziger Jahre eingesetzte wohnungspolitische Expertenkommission stellte fest:

�Darüber hinaus wird die Erhöhung der Selbstnutzerquote als prinzipiell wün-schenswert angesehen, weil das Erleben von Eigentum und der Gewinn an Unab-hängigkeit im eigenen Heim Lerneffekte in Gang setzt, die für den Zusammenhaltdes Gemeinwesens nützlich sind, eine Bejahung der Gesellschaftsordnung und einegrößere Unabhängigkeit bei Einkommens- und Arbeitsplatzverlust und somit einegeringere Neigung zur Radikalisierung. Als erwünscht angesehen wird auch einehöhere Sparquote der selbstnutzenden Eigentümer.� (Expertenkommission 1994:58)

In der aktuellen Diskussion über die Gestaltung und Förderung von Wohneigentumwerden unterschiedliche, miteinander verbundene Diskussionsstränge thematisiert(vgl. Tab. 4). In der Auseinandersetzung um die Vorteile von Wohneigentum ist deut-lich geworden, dass es im Wesentlichen nicht um das Eigentum an sich geht, sondernum (Wohn-)Vorteile, die damit verbunden werden. Dazu gehörten das Wohnen imGrünen, selbstbestimmtes Wohnen, die finanzielle Absicherung etc. Allerdings könnenviele der mit Wohneigentum verbundenen Vorstellungen auch unabhängig von derWohnform Eigentum verwirklicht werden (vgl. Siebel 2000b). Insbesondere die Ver-fügungsrechte über eine Wohnung oder ein Haus können unabhängig vom Eigentumausgeweitet und verändert werden.

Page 95: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

83

Tab. 4:Übersicht: Legitimationen und kritische Betrachtung der WohneigentumsbildungFunktionen der WohneigentumsbildungDemokratietheoretischeFunktion von Eigentum

Förderung der IndividualitätFörderung der Teilhabe an der Gesellschaft

VermögenspolitischeArgumente

Sparzwang, Vermögensbildung, Alterssicherung

Effektivität desMitteleinsatzes

SickereffekteKonzentration auf bedürftige Zielgruppen (durch dieEigenheimzulage)

Wohneigentumsbildungals �Motor derStadtentwicklung�

Soziale Stabilität für benachteiligte Stadtteile, Nach-barschaftspotential (BBR 2003a, Dangschat 2000)

KritikÖkologische Kriterien/städtebaulichen Leitbilder

Landschaftszersiedelung, Flächenverbrauch, Entmi-schung und Funktionsverlust der Innenstädte

Finanzielle Risiken Verschuldung, Insolvenzen, Zwangsversteigerungen

Kritik an der suburbanenLebensweise

Rückzug ins Private (Bahrdt, Mitscherlich), Zweifelam in sozialer Hinsicht so wenig �gemeinschaftshal-tigen� suburbanen Lebensmodell (Harlander 2001)

�Eigenheim als Falle�(Bourdieu 1998)

Der Hauskauf impliziert die Stabilität und Dauerhaf-tigkeit der Personen, Beziehungen, Arbeitsverhältnis-se etc., die aktuell immer weniger gegeben ist.�Domestizierung der Wünsche und Vorhaben�.

(Quelle: Eigene Zusammenstellung)

Eine zentrale Forderung im Kontext der Eigentumsdiskussion ist die gleichberechtigtebzw. bevorzugte Förderung des Erwerbs im Bestand. Betrachtet man die Entwicklungder Eigentumsförderung, zeigt sich, dass der Bestandserwerb erst seit den 70er Jahrengefördert wurde und bis zum Jahr 2003 im Rahmen der Eigenheimzulage nur mit derHälfte der Neubauförderung gefördert wurde. Im Zuge der Neuregelung des Eigen-heimzulagegesetzes 2003 wurde auf die Kritik an der geringeren Bestandsförderungmit einer Gleichstellung von Neubau- und Bestandsförderung reagiert (vgl. KapitelII.5.2). Insbesondere in den Diskussionen um die weitere Entwicklung und Gestaltungder Wohnbauförderung in den neuen Ländern ist die Bestandsförderung ein zentralesThema,51 das aber ebenso für das gesamte Bundesgebiet gilt. Die Förderung im Be-stand ist mit Blick auf den Mietwohnungsmarkt auch kritisch zu betrachten. Zwar re-duziert diese Förderung die Zersiedlung und die Umlandabwanderung, aber durch die

51 Vgl. den Bericht der Expertenkommission zum Wohnungswirtschaftlichen Strukturwandel in den neuenBundesländern (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen 2000).

Page 96: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

84

Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen (wie es verstärkt erfolgt ist) redu-ziert sich das Angebot an (preisgünstigen) Mietwohnungen und es kommt zu Verdrän-gungsprozessen (Gentrification) wie sie beispielsweise Monika Alisch (1993) und JensDangschat (1988) nachgezeichnet haben.

Wirft man einen Blick auf die �ideologischen� Inhalte, die mit der Vorstellung vonWohneigentum verbunden sind, so lässt sich feststellen, dass sich einige in den letztenJahrzehnten geändert haben. Konstant geblieben ist allerdings die Verknüpfung vonWohneigentum mit Familie: ein Haus im Grünen wird nach wie vor als das Ideal fürdas Leben mit Kindern angesehen. Ebenso konstant bzw. sogar noch gewachsen ist dieBedeutung von Wohneigentum für die Vermögensbildung und die Altersicherung.

Was sich jedoch geändert hat, wenn auch nur subtil, sind die Begründungen für diegesellschaftliche Bedeutung von Eigentum bzw. Eigentümern. Stand früher die gesell-schaftsstabilisierende Bedeutung von Eigentum im Vordergrund der Argumentationen(neben der Familienförderung), so wird Eigentum heute im Kontext von sozialerStadtentwicklung thematisiert und die möglicherweise besseren Aneignungschancenvon Eigentümern vor dem Hintergrund sozialer Stabilisierungen diskutiert.

Wohneigentum wird hier � ähnlich wie die bereits seit Jahrzehnten in Großbritanniengeführten Diskussionen um den Zusammenhang von Wohneigentum und politischerEinstellungen (Saunders 1990) � als Ausdruck einer spezifischen Einstellung der Ei-gentümer gegenüber seinem Eigentum, aber auch gegenüber seiner Wohnumgebunggesehen. Wohneigentümer zeigen, so die verbreitete Meinung, eine erhöhte Verant-wortlichkeit gegenüber ihrer Wohnung/Haus und dem Wohnumfeld. Sie sind, so derUmkehrschluss, sozial stabil und können somit als Faktoren der sozialen Stabilität ineinem benachteiligten Stadtviertel gelten.

Wohneigentum wird heute als �Motor von Stadterneuerungsprozessen� diskutiert. Dievielfältigen Probleme, die im Kontext von sozialräumlichen Segregationsprozessenund den Auseinandersetzungen um �benachteiligte Stadtteile� oder �Stadtteile mit be-sonderem Entwicklungsbedarf�52 diskutiert werden, können, so Dangschat (2000),durch mehr Wohneigentum in den Städten vermindert werden. Allerdings müsse dasWohneigentum durch Mitbestimmungsprozesse und aktive Nachbarschaften gekenn-zeichnet sein. Damit könnten Wohneigentümer auch in städtischen Problemgebietenbei den Erneuerungsprozessen der �sozialen Stadt� ein zentrales Unterstützungs- undAnschubelement darstellen. Bei dieser positiven Einschätzung des Wohneigentums alsStabilitätsfaktor bleiben allerdings einige Fragen offen: Lassen sich Belege für die�soziale Stabilität� von Wohneigentümern finden oder ist diese Ansicht eher Bestand-

52 So der Titel des Bund-Länder-Programms �Soziale Stadt�, das seit 1999 bundesweit in ca. 300 Projektenintegrierte Handlungsansätze in Stadtteilen mit besonderem Entwicklungsbedarf umsetzt.

Page 97: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

85

teil einer modernisierten Eigentumsideologie? Und welche Haushalte sind es, die inbenachteiligten Gebieten durch ihr gutes Vorbild und außergewöhnliches Engagementpositive Wirkungen entfalten und letztlich � Integrationsleistungen für eine Gesamt-stadt erbringen sollen?

Eine vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Auftrag gegebene Studieuntersucht mögliche Zielgruppen der Eigentumsbildung in benachteiligten Stadtvier-teln und die notwendigen Voraussetzungen der Eigentumsbildung sowie deren Aus-wirkungen (BBR 2003a).53 Die Ergebnisse der Studie sind m. E. als ambivalent einzu-schätzen. Die AutorInnen betonen, dass das Instrument der Wohneigentumsbildungstabilisierende Effekte haben kann, wenn bestimmte Grundvoraussetzungen (z. B. zu-sätzliche unterstützende Maßnahmen, Schutz vor Verdrängungsprozessen) erfüllt sind(BBR 2003a: 75).

Positive Effekte der Eigentumsbildung lassen sich besonders an Kindertagestätten undSchulen feststellen, hier kann es zu zeitweiligen positiven Veränderungen durch dieneuen Haushalte und zu einer Verbindung der Lebenswelten von Eigentümern undMietern kommen. Die Käufer von Neubauimmobilien engagieren sich in der Regeldeutlich mehr und zielstrebiger als andere BewohnerInnen für die Belange ihrer Kin-der oder für die Verbesserung der eigenen Wohnsituation (BBR 2003a: 61). Es lässtsich jedoch auch die Tendenz beobachten, dass sich in den neuen EigenheimgebietenLebenswelten unabhängig von dem übrigen Stadtteil entwickeln:

�Eigenheimerwerber grenzen sich eher gegenüber benachbarten Wohnanlagen undden Stadtteilen ab. Sie repräsentieren andere Lebensstile und nehmen missbilligendwahr, dass sich die benachbarten Mietwohnungsbestände im Erscheinungsbild undin Bezug auf Sauberkeit und Ordnung z. T. stark von der eigenen Neubausiedlungunterscheiden. (...) Die Nachbarschaften innerhalb der Neubaumaßnahmen sind re-lativ homogen und scheinen gut zu funktionieren. Die sozialen Unterschiede zwi-schen den Eigenheimbesitzern und den Bewohnern der benachbarten Mietwoh-nungsbestände sind demgegenüber relativ groß.� (BBR 2003a: 61)

Dieses Ergebnis der Entwicklung getrennter Lebenswelten muss im Hinblick auf dieUmwandlungsmaßnahmen differenziert werden. Die Studie zeigt auf, dass die nach-barschaftlichen Kontakte in Umwandlungsmaßnahmen am positivsten sind und da-durch stabilisierende Effekte zu erzielen sind. Allerdings wird diese positive Entwick-lung der nachbarschaftlichen Kontakte von den (neuen) EigentümerInnen deutlicherwahrgenommen. Problematisiert wird im Kontext der Umwandlungsmaßnahmen derStatuswechsel vom Mieter zum selbstnutzenden Eigentümer. Dieser bedeutet für denWohnungskäufer eine erhebliche Veränderung der Verantwortlichkeiten und der An-

53 In der Studie wurden 21 Eigentumsmaßnahmen untersucht, dabei lag der Schwerpunkt mit 13 Maßnahmenbei der Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, nur acht der untersuchten Projekte wa-ren Neubaumaßnahmen.

Page 98: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

86

forderungen, die an ihn gestellt werden. Der Statuswechsel zum selbstnutzenden Ei-gentümer führt nach den Ergebnissen der Studie bei vielen zunächst zu einer Überfor-derung, �...nicht zuletzt, weil sie das Maß der Eigenverantwortlichkeiten nicht kanntenoder falsch eingeschätzt haben.� (BBR 2003a: 66).

Die Wohneigentumsbildung in benachteiligten Stadtvierteln � so zeigt die Studie auf �birgt deutliche Risiken. Mögliche negative Effekte der Eigentumsbildung können dieerhöhte Fluktuation durch Verunsicherung und Verdrängung der Mieter und die De-stabilisierung von Nachbarschaften durch die Verstärkung des sozialen Gefälles sein.Darüber hinaus unterliegen Schwellenhaushalte durch die Eigentumsbildung einemüberdurchschnittlich hohen Insolvenzrisiko, das bei einer unvorhergesehenen Verände-rung der Lebenssituation (z. B. Arbeitslosigkeit) zu einer starken finanziellen Belas-tung des Haushalts führen kann. Die Gefahr eines Wertverlustes der Immobilie auf-grund der Lage in einem benachteiligten Stadtgebiet ist besonders hoch (BBR 2003a:75f.). Bei einer Umwandlungsmaßnahme kommen zwei weitere Aspekte hinzu: dieneuen Einzeleigentümer tragen das Kostenrisiko der Instandhaltung der Wohnanlageund durch den Verkauf von sozial gebundenen Mietwohnungen wird der Wohnraumfür Haushalte mit niedrigem Einkommen weiter reduziert (BBR 2003a: 76).

In gewisser Weise ist die Diskussion um die Stabilisierung benachteiligter Stadtvierteleine weitere Variante des Leitbilds der �sozialen Mischung�, das seit Jahrzehnten inder Planung propagiert wird. Waren es bislang deutsche Mittelstandsfamilien mit zweiKindern, die als Garanten des sozialen Friedens in Wohngebieten herangezogen wur-den, verlagert sich dieses Leitbild nun auf (selbstnutzende) Wohneigentümer. Dahauptsächlich Familien Wohneigentum bilden (vgl. II.2.1), haben sich die Inhalte desLeitbilds nur graduell verschoben, hinzugekommen ist das Merkmal �Eigentum�. Ins-gesamt ist auf der Grundlage der vorgestellten Studie zur Wohneigentumsbildung inbenachteiligten Stadtvierteln zu konstatieren, dass sich zwar durch Wohneigentumdurchaus Potenziale erschließen können (am deutlichsten im Engagement für die Bil-dungseinrichtungen der Kinder), dem aber auch Grenzen und Risiken gegenüber ste-hen. So werden zum einen die Abgrenzungs- und Abschottungstendenzen der neuenWohneigentümer geschildert und resümiert, dass funktionierende Nachbarschaften aufeiner kleinräumigen sozialen Homogenität beruhen sollten. Auch der Statuswechsel inUmwandlungsmaßnahmen geht weder an den neuen Wohnungseigentümern (Gefahrder finanziellen und sozialen Überforderung) noch an den im Mieterstatus verbleiben-den Nachbarn (mögliche Konflikte und Gefahr der Verdrängung) spurlos vorüber. Indie vorgestellten Überlegungen der sozialen Stabilisierung durch Eigentumsbildunggeht m. E. ein gewisses Maß an ideologischer Überhöhung ein, das so nicht gerechtfer-

Page 99: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

87

tigt ist. Die Auswirkungen von Wohneigentumsbildung sind vielschichtig und von denvorhandenen Rahmenbedingungen abhängig.

Aus der Sicht der Kommunen spielt neben der möglichen Stabilisierung von benach-teiligten Quartieren durch Wohneigentumsbildung jedoch noch eine weitere Überle-gung eine entscheidende Rolle. Der Förderung des Wohneigentums in Kernstädtenund Ballungsräumen wird sowohl aus steuerlichen Gründen wie auch aus sozialen undsiedlungsstrukturellen Gründen eine hohe Bedeutung zugemessen, da sie der Abwan-derungen von Haushalten entgegenwirkt. In der Einschätzung vieler Kommunen kanndamit der Zersiedlung und der Entmischung von städtischen Wohnquartieren begegnetwerden (vgl. Echter/Brühl 2004).54 In diesem Zusammenhang wird ebenfalls die Ei-gentumsbildung von MigrantInnen diskutiert, die sowohl die soziale Selektivität vonAbwanderungsprozessen verhindern als auch zur Stabilisierung benachteiligter Quar-tiere beitragen soll. Die vom Institut für Landes- und Stadtentwicklung erstellte Studiekonstatiert einen Nachholbedarf der Eigentumsbildung von MigrantInnen (ILS 2003:11), aber auch hier werden mögliche Risiken der Wohneigentumsbildung vernachläs-sigt.

Die Konstanz der Einschätzung und Bewertung von Wohneigentum und die vielfälti-gen Zuschreibungen an (selbstnutzende) Wohneigentümer erstaunt vor dem Hinter-grund eines massiven gesellschaftlichen Wandels, der sowohl die Arbeitswelt als auchWohn- und Lebensformen berührt und durch einen deutlichen Wertewandel begleitetwird. Folgt man der These von Jeremy Rifkin (2000), so ist von einem Verschwindendes Eigentums auszugehen. Er konstatiert den Übergang von der Idee des Privateigen-tums als gesellschaftsstrukturierende Kraft zu der Idee des Zugangs (access). Nichtmehr das materielle Eigentum zählt, sondern der rasche Zugang zu Informationen undNetzwerken.

�Der Wandel von einem Regime des Besitzens, das auf der Vorstellung von weitgestreutem Eigentum basiert, zu einem des Zugangs, das die kurzfristige und be-grenzte Nutzung von Vermögenswerten sichert, die von Anbieternetzwerken zurVerfügung gestellt werden ... � (Rifkin 2000:13)

Rifkin beschäftigt sich mit dieser These in unterschiedlichen gesellschaftlichen Berei-chen des angloamerikanischen Raumes. In Bezug auf das Wohnen analysiert er dieAblösung von Eigentumsrechten und den Zugang zu Wohnarrangements am Beispielder gated communities.55 Die BewohnerInnen dieser Anlagen sind in der Regel Eigen-

54 Dies geschieht trotz der Ergebnisse verschiedener Untersuchungen zu den Prozessen der Stadt-Umland-Wanderungen, die festgestellt haben, dass die Motivation der Haushalte für den Wegzug aus der Stadt nichtallein und nicht unbedingt vorrangig in dem Willen zur Eigentumsbildung liegt (vgl. z. B. Heitkamp 2002).

55 Rifkin definiert gated communities als abgeschlossene Wohnsiedlungen, in denen Menschen mit gemeinsa-men Interessen leben. Häufig sind diese Siedlungen durch Mauern und Zäune von der Umgebung abge-schlossen und der Zugang ist durch eine Kontrolle von Sicherheitsleuten erschwert (Rifkin 2000: 155).

Page 100: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

88

tümer ihrer eigenen Wohneinheiten und Miteigentümer der gemeinschaftlichen Berei-che (z. B. Grünflächen, Tennisanlagen). Als ein zentrales Charakteristikum von gatedcommunities stellt Rifkin heraus, dass im Unterschied zu konventionellen Siedlungenkein öffentlicher Raum existiert. Auch die Eigentums- und Besitzrechte der Bewohne-rInnen werden in den gated communities häufig durch Vertragsvereinbarungen außerKraft gesetzt. Hier sieht Rifkin entscheidende Veränderungen im Hinblick auf die Ei-gentumsrechte: der Besitz des Hauses tritt hinter der Möglichkeit zurück, an einembestimmten Lebensstil teilzuhaben. Die in gated communities repräsentierte Gemein-schaft und soziale Netze werden so in der Einschätzung Rifkins zu einer Ware, in dieman sich einkaufen kann. Das (Wohn-)Eigentum soll geschützt werden, indem manmit Gleichgesinnten zusammen wohnt. Als äußerst problematisch sieht Rifkin dieTendenz, dass gated communities öffentliche Räume und Grundrechte eleminieren.Damit werden seiner Ansicht nach die Grundvoraussetzungen demokratischer Gesell-schaften in Frage gestellt, ebenso wie die Ausübung demokratischer Grundrechte (Rif-kin 2000: 164). Wesentlich erscheint mir im Hinblick auf die Auseinandersetzung mitder �Eigentumsideologie� der Hinweis Rifkins, dass die Idee des Privateigentums voneinem System des öffentlichen Eigentums und der öffentlichen Rechte begleitet wird.56

Die Idee vom �Verschwinden des Eigentums� stößt auch in den hiesigen Debatten aufResonanz. In den Diskussionen um den allgemeinen Wertewandel wird auf eine ver-änderte Einstellung zum materiellen Eigentum aufmerksam gemacht. Doris Luckezeichnet eine Veränderung der Funktionen von Eigentum in einer von Indivi-dualisierungstendenzen geprägten Gesellschaft nach.

�Mit verbreiteten Pluralisierungs- und Individualisierungstendenzen und auch wasdas Eigentum betrifft, sinkender Bindungsbereitschaft ist weiterhin davon auszuge-hen, dass ehemals (neben dem Beruf) zentrale Positionierungs-, Prestige- und Sta-tusdemonstrationsfunktionen des Eigentums zusehends von einstellungs- und ver-haltensprägenden sowie identitätsstiftenden Merkmalen erfüllt werden, die nurnoch vermittelt besitzabhängig sind. Besitzprestige wird durch Verwendungspres-tige teilweise ersetzt. Nicht mehr Eigentum an sich, sondern zunehmend dessen in-formierte Verwendung und kompetente, nicht unbedingt ostentative Darstellungprägen die soziale Stellung der Gesellschaftsmitglieder. (...) Damit werden nichtnur Wertverschiebungen von materiellen zu immateriellen Eigentumsarten ins Be-wusstsein gerückt, sondern auch die traditionell hohe Wertschätzung des Geldbe-sitzes durch den Zeit-, Informations- oder Ideenbesitz relativiert.� (Lucke 1998:150)

Die Funktion von (Wohn-)Eigentum als Symbol des gesellschaftlichen Aufstiegs unddes erarbeiteten Status verändert sich im Zuge des Wertewandels zunehmend zuguns-

56 Der Frage, ob sich diese Tendenzen auch auf die Entwicklungen in der Bundesrepublik übertragen lassen,kann an dieser Stelle nicht nachgegangen werden. Ingesamt überwiegt m. E. der Eindruck, dass gated com-munities in Deutschland eher als eine Randerscheinung betrachtet werden.

Page 101: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

89

ten einer identitätsstiftenden Funktion bzw. zur Darstellung eines spezifischen Lebens-stils (BBR 2004: 16).

Auf einer anderen Ebene beschäftigen sich Behring/Helbrecht mit dem Zusammen-hang von Wohneigentumsbildung und Individualisierung. Auf der Basis einer verglei-chenden Untersuchung der Prozesse der Wohneigentumsbildung in europäischen Staa-ten entwickeln die Autorinnen ein theoretisches Konzept zur Erklärung der Wohnei-gentumsbildung. Sie gehen davon aus, dass ein �Wechselverhältnis zwischen der Höheder Eigentümerquote und dem Umgang mit den Risiken von Individualisierungspro-zessen in einem Land� besteht (Behring/Helbrecht 2002: 183). Auf der Grundlage derambivalenten Deutung des Individualisierungsprozesses (positiv besetzte Freisetzungund gleichzeitige Verunsicherung und Risiken) sehen sie einen Zusammenhang zwi-schen der Wahl der Wohnform und dem gesellschaftlichen Umgang mit Individualisie-rungsrisiken. Der Grundgedanke ihrer Argumentation steht in einem engen Zusam-menhang mit den zu Beginn dargelegten Annahmen über den Bereich des Wohnens alsEbene der sozialen Einbindung. Behring/Helbrecht gehen davon aus, dass die Absiche-rung von Risiken länderspezifisch unterschiedlich gestaltet ist. Für Länder mit einerniedrigen Eigentumsquote (also auch Deutschland) konstatieren sie eine �Reintegrati-on der Individuen durch den Aufbau staatlicher Sicherungssysteme� (Behring/Helbrecht 2002: 185). Dies hat Konsequenzen für die Wahl der Wohnform:

�Wenn das soziale Netz das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung in einem Landgenügend befriedigt, kann sich ein privater Haushalt auch für eine Mietwohnungentscheiden.� (Behring/Helbrecht 2002: 186)

Eine zweite Möglichkeit des Umgangs mit Risiken sehen sie in der kleinteiligen Absi-cherung durch private Gemeinschaften oder dem Einzelnen. Daraus resultieren zweiStrategien zur Risikobewältigung: der Verbleib im Familienverbund und die Absiche-rung durch Vermögensbildung in Form von Wohneigentumsbildung zur Selbstnut-zung. Insgesamt gilt:

�Je mehr Individualisierungsrisiken gesamtgesellschaftlich gelöst werden, umsogeringer ist die existenzsichernde Neigung der privaten Haushalte, Wohneigentumzur Selbstnutzung zu schaffen. Je weniger der Staat gesamtgesellschaftlich Ver-antwortung für die Absicherung von Lebensrisiken übernimmt, umso mehr findeteine Reintegration der Individuen in kleinen privaten, sozialen Gemeinschaftenstatt.� (Behring/Helbrecht 2002: 190)

Wohneigentumsbildung, so ist deutlich geworden, geschieht vor dem Hintergrund ge-sellschaftlicher Rahmenbedingungen und ist in ein vielfältiges Bedingungsgefüge ein-gebunden. Dazu zählen die Ausgestaltung des Wohnungsmarktes und der Wohnungs-politik, aber auch die kulturellen Einstellungsmuster der Bevölkerung (Mentalität).Behring/Helbrecht stellen für Deutschland die weit verbreitete Mentalität �ein Hausfür 100 Jahre� fest (Behring/Helbrecht 2003: 350). Diese kulturellen Deutungsmuster

Page 102: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

90

sind die Grundlage für die in diesem Kapitel diskutierte �Eigenheimideologie� undschaffen gleichzeitig Realitäten, wie z. B. die ökonomischen Vorteile durch die staatli-che Eigenheimförderung. �Die zum Alltag gewordenen Geisteshaltungen, Mentalitätenund Gewohnheiten (Habitus) eines Landes sind soziale Konstrukte. Sie sind routi-nisiert und wirken unhinterfragt (...).� (Behring/Helbrecht 2002: 171)

Die Eigentumsbildung ist jedoch nicht ohne Risiken. Dies gilt insbesondere für Haus-halte mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die heute die vorrangige Zielgruppestaatlicher Förderung bilden. Im folgenden Kapitel wird auf der Basis vorhandenerStudien ein Blick auf die Finanzierungsstrukturen der Wohneigentumsbildung undderen Veränderungsprozesse sowie der damit verbundenen Probleme und Risiken ge-worfen. Anschließend werden die Förderinstrumente der Wohneigentumsbildung vor-gestellt.

5. Finanzierung und Wohneigentumsförderung

5.1. Die Finanzierung von selbstgenutztem Wohneigentum:Das Problem der Eigenkapitallücke

Die Fähigkeit zur Eigentumsbildung bestimmt sich aus der Relation von verfügbaremEinkommen und laufenden Kosten. Ebenfalls eine Rolle spielen die gesellschaftlichenRahmenbedingungen wie regelmäßige Einkommenszuwächse, ein möglichst niedrigebzw. feste Zinsen für Hypotheken etc. Die Entscheidung darüber, ob ein Haushalt diezum Erwerb von Hauseigentum notwenigen Mittel aufbringen kann, wird in einer Fi-nanzierungsberechnung getroffen. Hier wird geprüft, ob der Anteil vom Haushaltsein-kommen, der nach Abzug der Kosten für die Eigentumsbildung übrig bleibt, noch aus-reicht, um eine normale Lebensführung zu gewährleisten. Die Finanzierung vonselbstgenutztem Wohneigentum setzt sich im Regelfall aus vier Komponenten zu-sammen:

• Eigenkapital (Erbschaft, Sparguthaben, Barvermögen, Bausparguthaben usw.)• Eigenleistung (Selbst- oder Nachbarschaftshilfe beim Bau oder sonstigen Sach-

werten, z. B. das Grundstück)• Fremdkapital (grundbuchgesicherte Darlehen (Hypotheken) von Banken und

Sparkassen, aber auch von Lebensversicherungen sowie Bauspardarlehen vonBausparkassen)

• Öffentliche Förderung (z. B. Eigenheimzulage, staatliche Förderung im Rahmender sozialen Wohnraumförderung bei der Einhaltung bestimmter Einkommens-grenzen)

Entscheidende Voraussetzung der Eigentumsbildung ist das vorhandene Eigenkapital,das auch aus Eigenleistungen bestehen kann.

Page 103: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

91

�Bei aller Diskussion um eine möglichst effiziente Förderung nach dem Erwerbdes Wohneigentums sollte man nicht vergessen, dass nur derjenige in den Genussdieser Förderung kommen kann, der überhaupt in der Lage ist, Wohneigentum zuerwerben. Die beste Finanzierungsförderung nutzt aber nicht, wenn die Basis fürdie Finanzierung � ausreichendes Eigenkapital � nicht vorhanden ist. Dies gilt ganzbesonders für die Schwellenhaushalte (...).� (Jokl 1995: 84)

In der Finanzierung selbstgenutzten Wohneigentums erfüllt Eigenkapital eine Reihevon Funktionen: Das Eigenkapital dient als Basis einer Langfristfinanzierung und hatden Charakter einer Kreditsicherheit. Es dient darüber hinaus als ein Instrument derRisikobegrenzung und als ein Ausweis der Bonität des Kreditnehmers (Kofner 2004:64). Jeder Euro mehr Eigenkapital bedeutet automatisch weniger Fremdkapitalbedarfund damit auch eine niedrigere finanzielle Belastung. Wie Häußermann (2005: 357)am Beispiel einer Modellrechnung der Zeitschrift Capital aus dem Jahr 1987 aufzeigt,können die Gesamtkosten für ein Objekt bei einem Kaufpreis von 189.178 Euro auf460.163 Euro (Kaufpreis plus Verzinsung der dafür aufgenommenen Kredite) ohnevorhandenes Eigenkapital steigen. Bei 30% Eigenkapital reduzieren sich die Gesamt-kosten die Belastung bei einem Zeitraum von 30 Jahren auf 368.130 Euro, bei 50 %vorhandenem Eigenkapital auf 311.888 Euro. Die Gesamtkosten werden durch einenhohen Eigenkapitalanteil also deutlich reduziert. Für Haushalte mit niedrigem Ein-kommen ist dies von entscheidender Bedeutung, da die jahrelange Zins- und Tilgungs-zahlungen das Haushaltseinkommen stark belastet. Ein Eigenkapitalsanteil ist notwen-dig, da in der Regel keine 100% Finanzierung über Fremdmittel möglich ist. Fremdka-pital wird in Deutschland üblicherweise nur im Rahmen von 60% des Beleihungswer-tes57 der Immobilie im Rahmen der ersten Hypothek zur Verfügung gestellt. Neben derersten Hypothek besteht die Möglichkeit über Bauspardarlehen bis zu weiteren 20%des Beleihungswertes als Hypothek aufzunehmen (Kofner 2004: 64f.).

Im Gegensatz zu anderen Ländern ist in Deutschland ein relativ hoher Eigenkapitals-anteil (mindestens 20 bis 30% des Beleihungswertes) zur Finanzierung von Wohnei-gentum üblich und notwendig. Laut Jokl/Zehnder hat der Abbau der Förderung (insbe-sondere die Einschränkungen der Bausparförderung) die Eigenkapitalbildung in denvergangenen Jahren negativ beeinflusst. Sie stellen fest, dass der Anteil der so genann-ten �Spontanerwerber�, d. h. Erwerber, die nicht vorgespart haben, zugenommen hat.Insgesamt ist der Eigenkapitalsanteil von fast 50% in den 70er Jahren auf 38% Endeder 80er Jahre gefallen und das Durchschnittsalter der Erwerber mit 38 Jahren unver-

57 �Der Beleihungswert ist ein dauerhafter (auf die gesamte Laufzeit des Darlehens bezogener) Wert, von demerwartet wird, dass er auch dann am Markt erzielbar ist, wenn das Grundstück bzw. die Immobilie bei Zah-lungsschwierigkeiten des Darlehensnehmers kurzfristig freihändig verkauft oder zwangsversteigert werdenmuss.� (Kofner 2004: 80)

Page 104: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

92

ändert hoch (Jokl/Zehnder 2001: 411).58 Diese Tendenz bestätigt sich in aktuellen Un-tersuchungen, so zeigen die Erhebungen des Verbands der Deutschen Hypothekenban-ken (VDH) einen deutlichen Rückgang der Eigenmittelquote von 35% im Jahr 1995auf 27% durchschnittlichen Eigenkapitalanteil im Jahr 2002 (Schätzl 2003: 369).

In der vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung in Auftrag gegebenen Studiezur Eigentumsförderung im Sozialen Wohnungsbau liegt der Eigenkapitalanteil beimNeubau zwischen 18% und 33% (IFS/advis 2003: 6). Die geförderten Haushalte brin-gen durchschnittlich zwischen 21 und 27% Eigenkapital und Eigenleistung ein. DieBankkredite bewegen sich in der Regel zwischen 40 und 50% der Gesamtleistung, unddie Förderung trägt zwischen 25 und 40% zur Finanzierung bei. Die Belastung ausZins und Tilgung, die Kreditbelastungsquote59, liegt in den alten Bundesländern zwi-schen 34 und 39% (IFS/advis 2003: 10).

Die in der VDH-Studie erhobene Kreditbelastungsquote liegt im Durchschnitt bei33%, ist also mit der Kreditbelastung aus der Eigentumsbildung im sozialen Woh-nungsbau durchaus vergleichbar. Allerdings zeigt ein Blick auf die Finanzierungs-strukturen nach Einkommensklassen, dass der Anteil an Eigenmitteln im unterstenEinkommensquartil (bis 2.501 Euro) mit 29% höher ausfällt als bei den Spitzen-verdienern (26%). Gleichzeitig liegt die Kreditbelastung trotz des höheren Eigenmit-telanteils bei der untersten Einkommensgruppe mit 35% am höchsten (Schätzl 2003:372). Diese unterschiedliche Belastungsverteilung in Abhängigkeit vom Einkommenentspricht auch der Verteilung der Mietzahlungen. Im Jahr 1998 musste ein Mieter-haushalt in den alten Bundesländern durchschnittlich 24,5% seines Haushaltsnettoein-kommens für die Bruttokaltmiete aufbringen. Es sind jedoch große Unterschiede in derMietbelastung bei einer Differenzierung der Haushalte nach ihrem Einkommen festzu-stellen: Haushalte, denen monatlich zwischen 500 und 1.250 Euro zur Verfügung ste-hen, wenden im früheren Bundesgebiet knapp 35% für die Miete auf (Winter 1999:864).

58 Die Bausparförderung wurde 1996 verbessert: die begünstigten Höchstbeträge und die Einkommensgrenzenwurden angehoben und damit der Einkommensentwicklung in den vergangenen Jahren Rechnung getragen.

59 Die Kreditbelastungsquote weist das Verhältnis zwischen der Gesamtbelastung aus Fremdmitteln für Zins-und Tilgung zu dem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen aus (Schätzl 2003: 372).

Page 105: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

93

Kosten des WohneigentumsDie Kostenelemente von Wohneigentum setzen sich im Wesentlichen aus den Bau-landpreisen, Baukosten und Nebenkosten und den Finanzierungskosten zusammen.

Die Preisentwicklung von Wohneigentum verläuft regional höchst unterschiedlich,ebenso wie bei dem Mietpreisniveau sind auch bei Einfamilienhäusern und Eigen-tumswohnungen erheblich Preisunterschiede im Bundesgebiet festzustellen. Bezogenauf Preisniveau und Entwicklungstrend ist zurzeit eine immer ausgeprägtere Regiona-lisierung des Marktes für Einfamilienhäuser zu beobachten (Feldmann 2002). Ein Ei-genheim mit mittlerem Wohnwert und rund 125 qm kostet in Dresden und im OstteilBerlins knapp 190.000 Euro. Das gleiche Haus kostet in Hamburg bereits 280.000 Eu-ro, in Köln 300.000 und in München rund 470.000 Euro (Leutner/Famira 2003). Ausdem Vergleich der Objektwerte in der VDH-Erhebung geht sowohl ein Süd-Nord-Gefälle als auch ein West-Ost-Gefälle hervor. Die Objektwerte in Süddeutschland lie-gen mit 276.550 Euro deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

Tab. 5: Preise, Grundstücks- und Baukosten pro qm in deutschen GroßregionenGroßregion Gesamtpreis

in EuroGrundstückskosten

(Euro/qm)Baukosten(Euro/qm)

Norddeutschland 237.327 102 1.212Zentraldeutsch-

land280.548 175 1.362

Süddeutschland 328.746 240 1.633Ostdeutschland 224.493 79 1.193

(Quelle: VDH Eigenheim-Erhebung 2002, zit. nach Schätzl 2003: 370)

Obwohl das kosten- und flächensparende Bauen inzwischen einen nicht unbedeu-tenden Stellenwert einnimmt, liegen die Hauspreis-Einkommensrelationen in Deutsch-land nach den Umfragen des Verbandes Deutscher Hypothekenbanken (VDH) bei 6-7:1 und damit im europäischen Vergleich sehr hoch.60 Dies gilt trotz leichter Schwan-kungen seit den 1980er Jahren. Die Baukosten für Ein- und Zweifamilienhäuser inWestdeutschland stiegen zwischen 1995 und 1997 stark an. Danach sind die Baukos-ten deutlich gesunken und liegen 2002 10% unter den Kosten von 1997 (BBR 2004:31). Der Kaufpreis für eine Doppelhaushälfte in Deutschland, so die Ergebnisse desMikrozensus 2002, liegt im Durchschnitt bei dem 5,6-fachen des jährlichen Nettoein-kommens (BBR 2004: 79). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch Schätzl: �Da

60 Die Hauspreis-Einkommensrelation liegt nur in wenigen westeuropäischen Ländern auf einem vergleichbarhohen Niveau, in den anderen Ländern, z.B. Spanien, Italien, England oder Schweden bewegen sich die Re-lationen zwischen 3:1 und 4:1 (Schätzl 2003: 373). �Die hohen Ansprüche an das Wohneigentum sind nichtnur eine große finanzielle Hürde. Sie wirken auch sozial selektiv. Das unterste Einkommensquintil mussteAnfang der 90er Jahre im Durchschnitt 8,1 Jahreseinkommen für den Erwerb eines Eigenheims aufwenden,das reichste Fünftel nur das 4,4 fache.� (Häußermann/Siebel 1996: 232)

Page 106: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

94

der Anstieg der Objektwerte zwischen 1999 und 2002 hinter dem Einkommensanstiegzurück geblieben ist, lässt sich jüngst eine gewisse Reduktion der Hauspreiseinkom-mensrelation von 6,9:1 (1999) auf 6,3:1 (2002) feststellen.� (Schätzl 2003: 373)

Die Finanzierung des Wohneigentums erfolgt in Form von Darlehen, für die es je nachZins und Tilgung unterschiedliche Arten gibt. In Bezug auf die Zinsgestaltung, lassensich zwei Darlehensarten unterscheiden: Das Festzinsdarlehen, in dem Zinsen übereinen bestimmten Zeitraum oder die gesamte Laufzeit festgeschrieben werden unddamit die Belastungen über lange Zeiträume kalkulierbar machen. Bei zinsvariablenDarlehen wird der Zins jeweils an die Zinsentwicklung des Geldmarktes gekoppelt,wobei Ober- oder Untergrenzen festgelegt werden können (Kühne-Büning u. a. 2005:481). Veränderungen des Zinsniveaus können zu großen Belastungssprüngen bei derEigentumsfinanzierung führen:61

�Für die Möglichkeiten der Wohneigentumsbildung hat die Höhe der Hypotheken-zinsen eine enorme Wirkung: Bei einem Zinssatz von 7,0% kann ein Haushalt beieiner monatlichen Belastung von 1.000 Euro einen Kredit mit einer Laufzeit von30 Jahren in Höhe von ca. 150.000 Euro finanzieren. In der gegenwärtigen Nied-rigzinsphase (5%) kann er bei gleichem Aufwand einen Kredit von ca. 185.000 Eu-ro finanzieren.� (BBR 2004: 33)

Die Entwicklung der beiden anderen wesentlichen Kostenelemente Baukosten undBaulandpreise hatte in den vergangenen Jahren, so die Einschätzung des Bundesamtesfür Bauwesen und Raumordnung, einen deutlich geringeren Einfluss auf die Finanzie-rung von Wohneigentum als die Zinsentwicklung (BBR 2004: 34).

Einsparungen und Senkung der KostenDie notwendige Eigenleistung der Baufamilien kann neben dem Eigenkapital auch inForm eines bereits erworbenen Grundstücks, in Form bereits vorhandener Baustoffeund durch die eigene Arbeitskraft (Selbsthilfe oder Eigenarbeit) eingebracht werden.Die Gesamtkosten eines Bauvorhabens setzen sich zusammen aus: Grundstückskosten,Erschließungskosten, Bauwerkskosten, Kosten für die Außenanlagen, Baunebenkostenund Finanzierungskosten (vgl. Beierlorzer/Boll 1998: 43). Um die Kosten des Haus-baus zu reduzieren und damit die Zugangsschwelle für Haushalte mit geringem undmittlerem Einkommen zu senken, werden verschiedene Ansätze diskutiert.

Ansätze des kosten- und flächensparenden Bauens sind in den letzten Jahren deutlichmehr umgesetzt worden und sind beispielsweise in Nordrhein-Westfalen zentraler Be-standteil der wohnungspolitischen Strategien. Es gibt eine Vielzahl von möglichenSparmaßnahmen, z. B. den Verzicht auf einen Keller, Carports statt Garagen, gemein-

61 Die Zinsen für Hypothekarkredite sanken in den 1990er Jahren kontinuierlich. Nach dem Tiefstand mit 5,1%effektivem Jahreszins (bei einer Zinsbindung von zehn Jahren) im Jahr 1999 kam es im Jahr 2000 zu einemkurzfristigen Anstieg auf 6,5%. Danach sind die Zinsen wieder deutlich gesunken (BBR 2004: 33).

Page 107: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

95

same Planung der Gebäude etc. (vgl. dazu LB 2002: 20-66). Hohen Einfluss auf dieGesamtkosten haben die Grundstücks- und Finanzierungskosten.

Durch die Kombination verschiedener Fördermöglichkeiten wie der Eigenheimzulage,die zurzeit niedrigen Hypothekenzinsen, Fördermittel im Rahmen der sozialen Wohn-raumförderung und die Umsetzung der Grundsätze des kosten- und flächensparendenBauens kann eine tragbare Finanzierung aufgestellt werden. Die monatliche Belastungmuss dann nicht notwendigerweise höher sein als die Miete für eine vergleichbareWohnung (Großmann 1999). Das eigentliche finanzielle Problem liegt vielmehr oftdarin, dass ein solcher Finanzierungsplan gar nicht erst zustande kommt, weil das er-forderliche Eigenkapital nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist. Allein für denKauf eines Grundstückes (z. B. in einem Ballungsgebiet, 250 Euro/qm, 250qm Größe)wären bereits 62.500 Euro zu finanzieren, für die entsprechend bereits 12.500 Euro(20%) Eigenkapital erforderlich wäre. Dazu kommt das für den Bau erforderliche Ei-genkapital. Hier kommt das Erbbaurecht als ein wesentlicher Vorteil zum Tragen.

Das Erbbaurecht ist das im Grundbuch eingetragene Recht, auf einem Grundstück einHaus zu errichten und zu unterhalten. Ein Erbbauberechtigter kann jedoch mit demGrundstück verfahren wie ein Eigentümer (z. B. beleihen, vererben, verkaufen) � so-weit nicht im Erbbaurechtsvertrag Beschränkungen festgelegt sind. Das Erbbaurechtwird für eine bestimmte Zeitdauer, häufig 99 Jahre, festgelegt. Der Vorteil für die Bau-familien liegt darin, dass kein Geld für den Grundstückskauf bei einem Kreditinstitutaufgenommen werden muss (die Zins- und Tilgungsleistungen dafür entfallen). Statt-dessen zahlt man einen jährlichen oder monatlichen Erbbauzins, auch Erbpacht ge-nannt. Gewöhnlich wird dieser Zinssatz auf der Grundlage des Grundstückswertes mit4 bis 6% festgelegt (LB 2002: 49).

Der Vorteil der Erbrechtspacht liegt darin, dass die finanziellen Belastungen für dieBaufamilien auf einen längeren Zeitraum gestreckt werden und die Anfangsbelastunggering ist. Das Landesinstitut für Bauwesen (LB) macht jedoch darauf aufmerksam,dass es nicht sinnvoll ist, ein Erbbaurecht mit einem Zinssatz zu erwerben, der auchbeim Grundstückskauf anfallen würde (LB 2002: 49). Das durch eine Erbbaupacht�gesparte� Eigenkapital (und die gesparten Tilgungsraten) ist allerdings nur unter derVoraussetzung gespart, dass die �Kreditinstitute die ungeminderte Werthaltigkeit vonObjekten auf Erbbaurechtsgrundstücken akzeptieren� (Großmann 1999: 422). Dies istnach Einschätzung von Großmann nicht immer der Fall.62

62 Die Bedeutung von Erbbaurechten als Instrument zur Senkung der Baukosten und Erhöhung der Wohneigen-tumsquote wird in Deutschland nach Einschätzung von Experten bisher unterschätzt. Vor diesem Hinter-grund hat der Deutsche Städtetag im Jahr 1998 eine Umfrage unter seinen Mitgliedsstädten über die Bedeu-tung des Erbbaurechts in der kommunalen Praxis durchgeführt. �...ist der Deutsche Städtetag der Auffassung,dass die Vergabe von Erbbaurechten langfristig für die Städte als ein wichtiges Instrument der Bodenpolitik

Page 108: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

96

Vergleich Wohneigentum und MieteDer Vorteil von Wohneigentum im Vergleich zur Miete wird nach Laux (1997) erstbei einer langfristigen Betrachtung sichtbar, insbesondere nach der Tilgung der langlaufenden Baudarlehen. Der Autor nimmt daher einen Berechnungszeitraum von 35Jahren an.63 In seiner Beispielfinanzierung liegt die monatliche Belastung durch dieFinanzierungskosten inklusive Instandhaltungspauschale bei 2.333 DM, zusätzlichmüssten dann noch Nebenkosten berücksichtig werden (vgl. Tab. 6). In den ersten achtJahren der Tilgung wird die Eigenheimzulage in Höhe von 5.000 DM jährlich ange-nommen (Stand 1997 für Alleinstehende oder Verheiratete ohne Kinder bei Einhaltungder Einkommensgrenzen). Wird die Eigenheimzulage auf die monatliche Belastungumgelegt, so verringern sich die monatlichen Aufwendungen um 416 DM auf 1.917DM. Mit dem Wegfall der Eigenheimzulage nach acht Jahren ist ein deutlicher Belas-tungssprung festzustellen, die monatlichen Aufwendungen steigen auf 2.350 DM.

Tab. 6:Beispiel Finanzierungsplan und Annuitäten einer EigenheimfinanzierungBetrag DM Zins % Tilgung % Annuität % Annuität

DM

I. Hypothek 240.000 6 1 7 16.800Bauspardarlehen 80.000 4,5 7,5 12 9.600Eigenkapital (20%) 80.000 - - - -Summe 400.000 26.400(Quelle: Laux 1997: 487)

Erst nach der Ablösung des Bauspardarlehens im 11. Jahr sinkt die Belastung langsamab, bis nach 35 Jahren der Eigentümer schuldenfrei ist (Laux 1997: 488). Im Vergleichmit den angenommenen Mietzahlungen (1,5% Trend bei den Mieten) kommt Laux aufder Grundlage der Beispielrechung zu dem Schluss, dass die Aufwendungen des Mie-ters (jährliche Kaltmiete) bis zum Jahr 28 die Aufwendungen des Eigentümers unter-schreiten. Bei einem Vergleich der Wohnkosten zwischen Mieter- und Eigentümer-haushalten bei nicht lastenfreien Immobilien stellt sich das Wohnen im Eigentumdemnach als deutlich kostenintensiver dar. Im weiteren Verlauf kehrt sich der Trendum, der Eigentümer ist nach 35 Jahren schuldenfrei und braucht nur noch die Bewirt-schaftungskosten aufzubringen. Vom 4. Jahrzehnt an ist der Eigentümer im Vergleichzum Mieter eindeutig im Vorteil (Laux 1997: 489).

Das Ergebnis der vorgestellten Modellrechnung bestätigt sich in anderen Untersu-chungen: langfristige Vermögensrechnungen sehen Wohneigentümer nach langjäh-

und außerdem insbesondere für junge Familien eine interessante Variante der Eigenheimförderung ist� (Arti-cus 1999: 427).

63 Die Beispielrechnung von Laux erfolgt in DM und wird hier so wiedergegeben.

Page 109: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

97

rigem Konsumverzicht im Vergleich zu Mieterhaushalten zumeist im Vorteil (Pfeif-fer/Braun 1995: 38f., Jokl/Zehnder 2001: 395ff). Diese Einschätzungen sind jedochaufgrund der Vielzahl der hier einwirkenden Variablen sehr unsicher und setzen zu-dem auch kaum planbare Entwicklungen wie eine positive Wertentwicklung der Im-mobilien, eine kontinuierliche Beschäftigungssituation und eine hohe Familienstabili-tät voraus. In der aktuellen Diskussion steht zwar immer mehr die Funktion vonWohneigentum als Ergänzung der Altersvorsorge im Mittelpunkt, allerdings wird dieBedeutung des Wohneigentums für die Altersicherung vor dem Hintergrund der aktu-ellen Entwicklungen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt auch zunehmend kritischdiskutiert (Müller 2003).

Risiken der WohneigentumsbildungOb Probleme bei der Zahlungsfähigkeit der durch die Eigentumsbildung verschuldetenHaushalte auftreten, hängt davon ab, wie groß der finanzielle Spielraum im Haushalts-budget ist, die bei der Belastungsberechnung berücksichtigt wurde. Wenn das Haus-haltsbudget bis an die Belastungsgrenze für die Finanzierung des Wohneigentums ein-gesetzt wurde, kann jede negative Änderung Zahlungsunfähigkeit verursachen. Häu-ßermann/Siebel stellen für die 1980er Jahre eine Zunahme von �prekären� Finanzie-rungen fest, bei denen die Belastung des Haushaltsbudgets so hoch angesetzt war, dassjede Störung zu Zahlungsproblemen führen musste. �Haushalte mit niedrigem Ein-kommen und ohne Eigenkapital gehen zwangsläufig das höchste Risiko ein, hoch imSinne der Wahrscheinlichkeit des Scheiterns, hoch aber auch im Sinne der relativenKosten.� (Häußermann/Siebel 1996: 255).

Kritisch betrachtet werden muss, dass die Zahl der Insolvenzen in der ersten Hälfte der1990er Jahre zugenommen hat (Münnich 1999). Dies setzt sich in der zweiten Hälfteder 90er Jahre fort, seit sich 1996 mit der Einführung der Eigenheimzulage der Kreisder Förderbegünstigten deutlich ausgeweitet wurde. Von einem allerdings niedrigenAusgangsniveau zu Beginn der 1990er Jahre ist die Zahl der Anträge auf Zwangsver-steigerungen im Zeitraum von 1995 bis 2000 bundesweit um 34% gestiegen. Die Zahlder Zwangsversteigerungen erreichte im ersten Halbjahr 2001 nach Angaben der Ar-getra GmbH mit 40.060 Terminen einen vorläufigen Höhepunkt (www.bbr.bund.de).Eine Studie zu Zahlungsschwierigkeiten von Wohneigentümern (Höbel u. a. 2004)weist jedoch darauf hin, dass diese Zahlen differenziert zu betrachten sind. Neben An-trägen auf Zwangsversteigerungen selbstgenutzten Wohneigentums beinhalten dieZahlen auch Versteigerungen von Grundstücke, Gewerbeimmobilien und Wohnimmo-bilien. Selbstgenutzte Eigentumswohnungen und Eigenheime machen 2001 nur 41%der Anträge aus; der Anteil ist demnach seit Mitte der 1980er Jahre von 54% deutlichgesunken. Die Autorinnen dieser Studie kommen zu dem Schluss, dass trotz gestiege-

Page 110: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

98

ner Zwangsversteigerungsverfahren nur eine sehr geringe Zwangsversteigerungsquotevorhanden ist: �Im Jahr 2000 waren bundesweit lediglich 0,2% der Wohneigentümermit Restschulden von Zwangsversteigerungen betroffen.� (Höbel u. a. 2004: 13)

Eine in vielen Regionen verringerte Nachfrage nach Wohnimmobilien führt jedochdazu, dass in einer steigenden Zahl von Zwangsversteigerungsverfahren im Jahr 2000nur rund 60% der ermittelten Verkehrswerte erreicht wurden. Für die betroffenen Ei-gentümer steigt damit das Risiko, die Hypotheken durch den Verkauf nicht abdeckenzu können und mit Restschulden aus einer Zwangsversteigerung herauszugehen (Hö-bel 2004: 13). Als wesentlichen Grund für das Auftreten von Zahlungsschwierigkeitennennt die Studie Einkommensminderungen. Die betroffenen Haushalte wiesen imVergleich ein unterdurchschnittliches Haushaltseinkommen auf, hatten weniger Ei-genkapital zur Verfügung und gerieten aufgrund des engen finanziellen Spielraums desHaushaltsbudgets leichter in Zahlungsschwierigkeiten (Höbel 2004: 14). Dies zeigt,dass der Wunsch nach Haus- und Grundbesitz, insbesondere nach einem Eigenheim,häufig unter Überschätzung des finanziell Möglichen realisiert wird. Viele privateHaushalte erkaufen den Besitz durch langjährige Verschuldung und damit einherge-hende Einschränkungen beim privaten Verbrauch.

Das Kreditausfallrisiko ist bei Haushalten mit niedrigem Einkommen überdurch-schnittlich hoch, da Veränderungen in Bezug auf die wirtschaftliche Situation desKreditnehmers schnell dramatische Auswirkungen haben können. Der überwiegendeTeil der Ausfälle von Hypothekendarlehen bei Privathaushalten hat seine Ursache inplötzlichen Einkommenseinbußen, die bei 60 bis 70% der Betroffenen durch Arbeits-losigkeit oder Trennung von Lebensgemeinschaften ausgelöst werden (BBR 2001: 4).64

Im folgenden Teil wird die Finanzierung und Wohneigentumsförderung auf Bun-desebene und für das Land Nordrhein-Westfalen dargestellt und analysiert. Die Aus-gestaltung der Förderung auf Länderebene ist für die vorliegende Untersuchung vonBedeutung, da die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Parkdurchgeführten Selbsthilfe-Projekte in Nordrhein-Westfalen gefördert wurden.

64 Zu den Gründen der Überschuldung, dem Insolvenzverfahren und den Instrumenten der Wohneigentumssi-cherung vgl. Dübel/Pfeiffer 1999 und Höbel u. a. 2004.

Page 111: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

99

5.2. Die Wohneigentumsförderung auf Bundes- und Landesebene

5.2.1. Die EigenheimzulageDie steuerrechtliche Wohnungsbauförderung ist zum 1. Januar 1996 neu geregelt wor-den. Die bis dahin gültigen Abschreibungsmöglichkeiten nach § 10e EStG (ab 1987)begünstigten die Bezieher hoher Einkommen. An die Stelle dieser Förderung ist einevon der Steuerprogression unabhängige Eigenheimzulage getreten. Das neue Gesetzzur Förderung selbstgenutzten Wohneigentums verfolgt die Ziele einer sozial gerech-teren Verteilung und soll vor allem jungen Familien mit niedrigem Einkommen, sogenannten Schwellenhaushalten, die Eigentumsbildung ermöglichen.

Wer ein Haus baut, erhält über den Zeitraum von acht Jahren 5% der Herstellungs-und Anschaffungskosten einer Wohnung inklusive Grundstückskosten bzw. maximal5000 DM (2.556 Euro) jährlich. Bei der Anschaffung einer gebrauchten Wohnung be-trägt der Förderungsgrundbetrag jährlich 2,5 % der Bemessungsgrundlage, höchstenssind es 2500 DM (1.278 Euro). Ergänzend wird eine jährliche Kinderzulage in derHöhe von 1500 DM (767 Euro) pro Kind gezahlt. Voraussetzung für die Gewährungder Eigenheimzulage ist die Einhaltung von Einkommensgrenzen. Die Einkommen imJahr und Vorjahr der Antragsstellung sind maßgeblich. Bis zum 31. Dezember 1999durften (zusammen veranlagte) Ehepaare in zwei Jahren nicht mehr als 480.000 DMund Ledige nicht mehr als 240.000 DM verdienen. Das Steuerentlastungsgesetz hatden potentiellen Empfängerkreis der Eigenheimzulage weiter eingegrenzt. Ab 2000 istder Gesamtbetrag der Einkünfte innerhalb des Zweijahreszeitraums für Ehepaare von480.000 DM auf 320.000 DM (163.614 Euro) und für Ledige von 240.000 auf 160.000DM (81.807 Euro) gesenkt worden. Allerdings werden die Einkommensgrenzen fürjedes im Haushalt lebende Kind (für das Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag gewährtwird) um 60.000 DM (30.678 Euro) erhöht. In der Neuregelung zu Beginn des Jahres2004 sind die Einkommensgrenzen weiter abgesenkt worden (70.000 und 140.000 Eu-ro), und als entscheidende Änderung ist die Förderung von Neubau und Bestandgleichgestellt worden durch die Absenkung der Neubauförderung auf die Höhe derBestandsförderung. Für Neubauten gibt es jetzt demnach nur noch maximal 1.250 Eu-ro im Jahr � eine Reduzierung der Förderung um mehr als die Hälfte. Auch die Förde-rung im Bestand wurde auf diesen Betrag angeglichen. Hinzu kommt eine Kinderzula-ge von 800 Euro pro Kind (www.bmvbw.de).

Auch für die Anschaffung von Genossenschaftsanteilen wird eine Eigenheimzulagegewährt. Der Wert der erworbenen Genossenschaftsanteile muss nach der aktuellenRegelung mindestens 5.000 Euro betragen. Der Förderungsgrundbetrag beträgt dannjährlich 3% der Bemessungsgrundlage, höchstens 1.200 Euro. Die Kinderzulage be-trägt für jedes Kind 250 Euro (www.bmvbw.de).

Page 112: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

100

Im Eigenheimzulagegesetz war ein bestimmter ökologischer Standard mit einer För-derung verbunden und schaffte Anreize für ressourcen- und energiesparendes Bauen.Bis zur Neuregelung zu Beginn des Jahres 2004 wurde eine Öko-Zulage in folgendenzwei Fällen gewährt: für den Einbau heizenergiesparender Einrichtungen, insbesonde-re Wärmepumpen und Solaranlagen (§ 9 Abs. 3 EigZulG) und den Neubau bestimmterNiedrigenergiehäuser (§ 9 Abs. 4 EigZulG). Für Energieeinsparungen bei Neu- undAltbauten wurden bis zu 500 DM jährlich (zwei Prozent von maximal 25.000 DM)gezahlt. Der Neubau eines Niedrigenergiehauses wurde mit 400 DM jährlich, unab-hängig von Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, gefördert. Dem Gesetz zur Ab-schaffung der Eigenheimzulage entsprechend wird die Eigenheimzulage für Neufälle(Antrag auf Baugenehmigung oder notarieller Kaufvertrag nach dem 31. Dezember2005) ab dem 1. Januar 2006 nicht mehr gewährt.

Wie sieht nun die Einschätzung und Bewertung der Eigenheimförderung aus? Mit derNeuregelung der steuerlichen Förderung selbstgenutzten Wohneigentums zum 1. Ja-nuar 1996 verfolgte die Bundesregierung die Ziele einer sozial gerechteren Förderung,einer verstärkten Wohneigentumsbildung der so genannten Schwellenhaushalte (insbe-sondere von Familien mit Kindern) und einer verstärkten Vermögensbildung inklusiveeiner Stärkung der Altersvorsorge. Um die Wirkungen der neuen Förderung einzu-schätzen, setzte die ARGEBAU Ministerkonferenz 2001 eine Arbeitsgruppe ein. DieArbeitsgruppe sollte die Wirkung der Eigenheimzulage im Hinblick auf das VerhältnisNeubau- und Bestandsförderung, die räumliche Zielgenauigkeit und die soziale Vertei-lungswirkung untersuchen (BBR 2002a).

Die Eigenheimzulage hat nach dem Bericht der Arbeitsgruppe deutlich zur Belebungder Wohneigentumsbildung beigetragen. Im Jahr 2000 betrug das Volumen der ausge-zahlten Zulagen aus den Zusagejahren 1996-2000 insgesamt 13,4 Mrd. DM (BBR2002a: 4). Wirft man einen Blick auf die Aufteilung der Förderungen, so zeigt sich,dass 2,6 Mio. Grundförderungen und knapp 1,5 Mio. Kinderzulagen gewährt wurden.Die Zulagen für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen liegen mit 20.000 Förderun-gen sehr niedrig. Die Öko-Zulagen erreichen dem gegenüber immerhin die Anzahl von293.000 Förderungen, was in Relation zur Grundförderung ebenfalls als niedrig ange-sehen werden muss.

Die Genossenschaftszulagen machten nur 0,8% der Grundförderungen aus. In 84% derFörderung des Erwerbs von Genossenschaftsanteilen wurden zugleich Kinderzulagenausgezahlt. Die Einführung der Förderung nach § 17 EigZulG führte zunächst zu einerVielzahl von Neugründungen eigentumsorientierter Genossenschaften. Die Mehrzahlder Neugründungen bis Ende 1998 (97 von 144) ist tatsächlich auf die Förderungdurch das EigZulG zurückzuführen. Die restlichen Genossenschaften entstanden infol-

Page 113: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

101

ge der Privatisierungspflicht des Altschuldenhilfegesetzes sowie durch Übernahmevon Wohnungen aus der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft (BBR 2002a: 5).

Die Grundförderung bei Neubau bzw. bei Erwerben aus dem Bestand in jährlichenRaten über acht Jahre ist die Basiskomponente der Wohneigentumsförderung. Mehrals drei Viertel der Grundförderung entfielen auf Eigentumsmaßnahmen in den altenBundesländern. Die Hälfte aller Grundförderungen entfallen auf Erwerbe aus dem Be-stand. Etwa 44% wurden für Neubaumaßnahmen ausgegeben, knapp 6% der Grund-förderungen entfallen auf Ausbau- und Erweiterungsmaßnahmen. Betrachtet man diealten Bundesländer, so bildet die Eigentumsbildung im Bestand mit 52% der Grund-förderung eine knappe Mehrheit gegenüber den Neubaumaßnahmen mit 43% (Aus-bau- und Erweiterungsmaßnahmen 5%). Es zeigt sich insgesamt der große Stellenwertvon Bestandserwerben in den alten Bundesländern. In den neuen Ländern hat die Neu-bauförderung in Relation zu den Bestandsfällen ein höheres Gewicht.

Die Anzahl der Familien mit Kindern sank von 1996 bis 2000 von 13,2 Mio. auf 12,8Mio. (-2,7%), während die Zahl der Einpersonenhaushalte um 4,2% stieg. Familienmit Kindern stellen in der Bundesrepublik ein Drittel aller Haushalte. Die Analyse derKinderzulagen zeigt, dass in 58% aller Förderfälle eine oder mehrere Kinderzulagenausgezahlt wurden. Differenziert man nach Neubau und Bestandserwerb, so wird deut-lich, dass die Neubauförderung mit 62% mehr Kinderzulagen in Anspruch nehmen alsdie Bestandsförderung mit 54%. Es zeigt sich also eine deutlich höhere Bedeutung derKinderkomponente im Neubau. Allerdings wurde auch in mehr als der Hälfte der Fällebei Bildung von Wohneigentum im Bestand eine Kinderzulage gewährt. Dies weist auffamilienpolitische Relevanz auch der Bestandsförderung hin (BBR 2002a: 11)

Das Durchschnittsalter der Empfänger der Grundförderung liegt im Neubau bei 39,3und im Bestand bei 39,4 Jahren. Damit liegt es geringfügig unter dem Durch-schnittsalter der Ersterwerber in den Vorjahren. Tendenziell, so die Ergebnisse derUntersuchung der Empfänger der Eigenheimzulage, bevorzugen junge Haushalte (un-ter 30 Jahre) den Erwerb aus dem Bestand, was angesichts niedrigerer Einkommenund günstigerer Erwerberpreise erklärlich ist. Die höheren Anteile der 30- bis 40-Jährigen im Neubau in Verbindung mit dem Ergebnis, dass über die Hälfte der Zula-genempfänger Kinder haben, deutet darauf hin, dass es sich um Eigentümer in derPhase der Familiengründung bzw. -erweiterung handelt (BBR 2002a: 12). In der Ein-schätzung von Grossmann hat dieses Gesetz die Eigenheimförderung transparentergemacht und dadurch die Berechenbarkeit der Finanzierung erleichtert. Das Ziel der

Page 114: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

102

Bildung von Wohneigentum für junge Familien ist dadurch erreicht worden (Gross-mann 2001: 19).65

5.2.2. Die Förderung der Bildung selbstgenutzten Wohneigentums im Rahmender sozialen Wohnraumförderung

Mit der Reform des Wohnungsbaurechts trat zum 1. Januar 2002 das Gesetz über diesoziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz�WoFG) in Kraft. Mit demGesetz zur Reform des Wohnbaurechts wird der bisherige soziale Wohnungsbau zurneuen sozialen Wohnraumförderung weiterentwickelt und auf eine neue gesetzlicheGrundlage gestellt. Die Bundesländer haben entsprechende Bestimmungen über dieVoraussetzungen und die Durchführung des Gesetzes erlassen. Neben den Grundsät-zen der Mietwohnraumförderung gehört auch die Bildung selbstgenutzten Wohneigen-tums zu den Aufgaben der sozialen Wohnraumförderung. Söfker/Burger begründendie Eigentumsförderung: �da sie für die Versorgung bestimmter Haushalte eine beson-ders geeignete, dauerhafte Lösung darstellt. Oftmals kann sie aus Sicht der Förderungauch kostengünstiger als die Versorgung mit Mietwohnraum sein.� (Söfker/Burger2001: 11) Im Gesetz zur sozialen Wohnraumförderung kommt der Förderung desselbstgenutzten Wohneigentums im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung eineErgänzungsfunktion zur Eigenheimzulage zu.

Die im Kontext dieser Arbeit wesentlichen Veränderungen der Wohneigentumsför-derung im sozialen Wohnungsbau betreffen die Zielgruppen der sozialen Wohn-raumförderung, die Einkommensgrenzen und die Ausgestaltung der Fördermodelle aufLänderebene. Hinsichtlich der Zielgruppen der sozialen Wohnraumförderung ist fest-zuhalten, dass es um die gezielte Unterstützung von Haushalten geht, die aus unter-schiedlichen Gründen auf Hilfe bei ihrer Wohnraumversorgung angewiesen sind. DieFörderung der Bildung selbstgenutzten Wohneigentums erfolgt bevorzugt für Familienund andere Haushalte mit Kindern sowie für Haushalte, bei denen aufgrund einer Be-hinderung eines Haushaltsangehörigen ein besonderer baulicher Bedarf besteht (§ 8Abs. 1 WoFG) und die unter Berücksichtigung ihres Einkommens und der Eigenheim-zulage die Belastungen des Baus oder Erwerbs von Wohnraum ohne soziale Wohn-raumförderung nicht tragen können.

Durch die Festlegung von Einkommensgrenzen wird die Zielgruppe der sozialenWohneigentumsförderung näher bestimmt. Die Einkommensgrenzen der förderbe-rechtigten Haushalte liegen für einen Einpersonenhaushalt bei 12.000 Euro (23.470DM) und für einen Zweipersonenhaushalt bei 18.000 Euro (35.205 DM) Jahresein-

65 Zur Einordnung der Eigenheimzulage in die Wohneigentumsförderung allgemein und deren wohnungspoliti-sche Einschätzung vgl. Kofner 2004: 141f.

Page 115: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

103

kommen. Für jedes Kind erhöht sich die Einkommensgrenze um 4.600 Euro (§ 9 Abs.2 WoFG). Das Bundesrecht räumt den Ländern die Möglichkeit ein, durch eineRechtsverordnung Abweichungen von den Einkommensgrenzen festzulegen. Damiterhalten die Länder die Möglichkeit, die örtlichen und regionalen Wohnungswirt-schaftlichen Verhältnisse zu berücksichtigen und einen zielgenauen Einsatz der För-dermittel zu realisieren (Söfker/Burger 2001: 12).

Im Zusammenhang mit der Einkommensermittlung kommt der neuen Regelung überden Begriff der Haushaltsangehörigen in § 18 WOFG Bedeutung zu. Grundlage ist,dass die betreffenden Personen eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft führen. Zuden berücksichtigungsfähigen Haushaltsangehörigen gehören � den gewandelten ge-sellschaftlichen Anschauungen entsprechend � auch die Lebenspartner im Sinne desLebenspartnerschaftsgesetzes und die Partner einer sonstigen auf Dauer angelegtenLebensgemeinschaft (Söfker/Burger 2001: 12).

Im Rahmen des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung können ebenfallsMaßnahmen bevorzugt werden, �bei denen Bauherren in Selbsthilfe tätig werden oderbei denen Mieter von Wohnraum Leistungen erbringen, durch die sie im Rahmen desMietverhältnisses Vergünstigungen erlangen� (§12 Abs. 1 WoFG). Selbsthilfe wirddabei definiert als Arbeitsleistungen, die vom Bauherrn selbst, seinen Angehörigenoder anderen unentgeltlich oder auf Gegenseitigkeit erbracht werden. Eine zusätzlicheFörderung für den notwendigen Mehraufwand kann laut WoFG gewährt werden, wennes sich um organisierte Gruppenselbsthilfe-Maßnahmen handelt (§12 Abs. 2 WoFG).

5.2.3. Die soziale Wohneigentumsförderung in Nordrhein-Westfalen66

Die Förderung von Wohnungseigentum ist ein wichtiger Bestandteil des Woh-nungsbauprogramms des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Haushalt von 1998 standendafür Fördermittel von 811 Mio. DM zur Verfügung. In den folgenden Jahren sind dieFördermittel deutlich angestiegen. Wie bereits im Vorjahr sollen auch im Jahr 2003insgesamt 13.5000 Wohnungen im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung inNordrhein-Westfalen gefördert werden. Schwerpunktmäßig wird dabei das Wohnei-gentum mit rund 8.300 Einheiten gefördert. Vorgesehen ist für die Eigentumsmaß-nahmen ein Mittelaufwand von 510 Millionen Euro. Durch die regional differenziertenFörderangebote für die Eigentumsförderung konnte ein deutlicher Anstieg geförderter

66 Zu den Förderbedingungen vgl. die Broschüre des Ministeriums für Bauen und Wohnen des Landes Nord-rhein-Westfalen: Die Eigentumsförderung NRW, Stand: 1998 und MSWKS 2002. Die z. T. nicht mehr aktu-ellen Förderbedingungen des Landes NRW werden ausführlich dargestellt, da die im empirischen Teil analy-sierten Baufamilien nach diesen Bedingungen gefördert wurden.

Page 116: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

104

Eigentumsmaßnahmen in Ballungszentren erreicht werden (Wohnungsbauprogramm2003).67

Adressaten der Förderung sind Haushalte mit geringem Einkommen, die sich amWohnungsmarkt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können und auf Un-terstützung angewiesen sind. Die Vergabe der Fördermittel ist an fest definierte Ein-kommensgrenzen gebunden. Ob eine künftige Baufamilie Landesmittel in Anspruchnehmen kann, ist vom Einkommen aller Haushaltsmitglieder abhängig. Gefördert wirdnur, wer mindestens 15% � bei kinderreichen Familien und jungen Ehepaaren 10% �der Gesamtkosten als Eigenleistung erbringt. Eigenleistungen sind eigene Geldmittel,der Wert von Sachleistungen, der Wert des eigenen Baugrundstücks, die Selbsthilfeund Eigenkapital-Ersatzdarlehen und Familien-Zusatzdarlehen. Bei Gruppenbaumaß-nahmen sind mindestens 10% der Baukosten als Selbsthilfe zu erbringen.

Es gibt vier verschiedene Fördermodelle (A1-A4)68, die insbesondere auf Familien mitKindern ausgerichtet sind. Sie berücksichtigen die individuellen Verhältnisse der Bau-familie und sind daher nach Art und Höhe der Mittelvergabe unterschiedlich. Ergänztwerden die Fördermodelle durch gesonderte Zuschläge:

• Zusätzliche Baudarlehen für den Ballungsraum (Regionalbonus: aktueller Stand25.000 Euro in Ballungskernen und in solitären Verdichtungsgebieten, 10.000 Euroin Ballungsrandzonen).

• Zusätzliches Baudarlehen bei flächensparendem Bauen in Ballungskernen etc.,wenn die Geschoßflächenzahl von 0,8 nicht unterschritten wird, in der Höhe von10.000 DM (Öko-Bonus 5.000 Euro).

• Zusätzliches Baudarlehen, wenn durch den Umzug eine Sozialwohnung mit nochmindestens 5jähriger Bindung frei wird, in der Höhe von 10.000 DM (Sozial-Bonus 5.000 Euro).

• Familienzusatzdarlehen (abhängig von der Anzahl der Kinder).• Eigenkapitalersatzdarlehen.Ein Schwerpunkt innerhalb der Eigentumsförderung des Landes ist die Förderung vonGruppenbaumaßnahmen. Dies sind Bauvorhaben, die unter einer einheitlichen Planungund Durchführung mindestens sechs Eigenheime erstellen. Für den Träger einer sol-chen Maßnahme ist es möglich, vor Beginn sicherzustellen, ob die Mittel für dieseMaßnahme zur Verfügung stehen (Reservierung). Grundsätzlich ist nur die Baufamilieeines selbst errichteten Eigenheims Berechtigte auf Wohnungsbauförderung, nicht derTräger. Bei einer Trägermaßnahme erhält der Träger die Fördermittel für den bereits

67 Bei der Förderung selbstgenutzten Wohneigentums in Ballungskernen und solitären Verdichtungsgebietendürfen die oben genannten Einkommensgrenzen des § 9 Abs. 2 WoFG in Verbindung mit § 1 VO WoFGNRW um bis zu 30 v. H. überschritten werden (WoBauP 2003).

68 Nach dem Stand 2002 gibt es drei Fördertypen, vgl. MSWKS 2002: 12.

Page 117: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

105

feststehenden Bewerber. Durch die Möglichkeit einer Mittelreservierung vor Beginnder Bauphase können die Baufamilien von einer größeren Sicherheit bei der Gewäh-rung der beantragten Mittel ausgehen.

Zusätzlich zu den angeführten Darlehensmöglichkeiten ist eine steuerliche Förderungdurch die Eigenheimzulage möglich. Um die Belastung nach Wegfall der Ei-genheimzulage des Bundes acht Jahre nach Bezugsfertigkeit aufzufangen, hat die Bau-familie die Möglichkeit, neben dem öffentlichen Baudarlehen zusätzlich ein zinsgüns-tiges Aufwendungsdarlehen in Höhe von 26.400 DM zu beantragen, das ratenweise imVerlauf von 10 Jahren ausgezahlt wird. Die Auszahlung beginnt mit dem Fortfall derZahlungen der Eigenheimzulage. Voraussetzung ist, dass zu diesem Zeitpunkt diedann maßgebliche Einkommensgrenze des sozialen Wohnungsbaus eingehalten wird.Damit die finanziellen Belastungen, die durch den Bau eines Hauses entstehen, nichtdie Existenzgrundlage der Baufamilie gefährden, wird die Tragbarkeit der Belastunggeprüft. Mit dem Antrag auf Bewilligung der Wohnungsbaumittel ist eine so genannteLastenberechnung vorzulegen. In dieser sind die Bau- oder Erwerbskosten aufzufüh-ren, die beabsichtigte Finanzierung darzustellen sowie die Kapitalkosten (Zinsen,Verwaltungskostenbeiträge, Tilgung) und die Bewirtschaftungskosten zu berechnen.Nach Abzug aller laufenden Kosten müssen zum Lebensunterhalt monatlich mindes-tens 1.450 DM (aktuell 820 Euro) für einen Zweipersonenhaushalt zuzüglich 400 DM(205 Euro) für jede weitere Person verbleiben. Hierbei werden Kindergeld, ein eventu-eller Lastenzuschuss nach dem Wohngeldgesetz und ein Teilbetrag der steuerlichenFörderung nach dem Eigenheimzulagengesetz von 400 DM (213 Euro) pro Monat an-gerechnet.69 Die folgende Tabelle 7 zeigt die Belastungsrechnung bei einer Familie mitzwei Kindern.

69 Mit der Einführung des Wohnraumförderungsgesetzes im Jahr 2002 wurden die Zielgruppen, die Fördermo-delle und die Einkommensgrenzen der Eigentumsförderung leicht verändert. In Nordrhein-Westfalen werdenHaushalte mit mindestens einem Kind und/oder einem schwerbehinderten Angehörigen gefördert. Die för-derberechtigten Haushalte erhalten ein Baudarlehen (Grundbetrag und Kinderbonus) dessen Höhe vom Ein-kommen abhängig ist. Es gibt drei verschiedene Fördermodelle. Die Förderung Typ 1 und Typ 2 unterschei-den sich bezüglich der Einkommensgrenzen gemäß § 9 Abs. 2 WoFG (Typ 1 bis zu 85 v. H. und Typ 2 bis zu100 v. H.). Es wird eine Förderpauschale von 37.500 bzw. 26.500 Euro gewährt. Dazu kommen ein Kinder-bonus von 5000 Euro (Typ 1) bzw. 2000 Euro (Typ 2) für jedes Kind. Darüber hinaus ist es möglich, ein Ei-genheimzulagedarlehen in der Höhe von 16.000 Euro zu erhalten. Das Eigenheimzulagedarlehen kann alsEigenkapitalersatzdarlehen anerkannt werden. Das Fördermodell Typ 3 bezieht sich auf die Förderung vonWohneigentum in Ballungskernen und solitären Verdichtungsgebieten. Um das Wohneigentum in der Stadtzu fördern, können die förderberechtigten Haushalte die Einkommensgrenzen bis zu 30 v. H. überschreiten.Der Darlehenspauschalbetrag beträgt hier 25.500 Euro (MSWKS 2002: 12f.).

Page 118: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

106

Tab. 7: Beispielrechnung der monatlichen BelastungEuro Zinsen/Tilgung

in %Lfd. Aufwen-dungenin Euro

Hypothek 107.000 6,0 /1 7.490BaudarlehenGrundbetragKinderbonusRegionalbonus

37.50010.00025.000

0,5 /10,5 /10,5 /1

563150375

Eigenheimzulagedarlehen 16.000 15,97 2.556Eigenleistung 34.500Finanzierungsmittel insgesamt 230.000BelastungSumme KapitalkostenSumme InstandhaltungskostenBetriebskosten

11.1348522.532

Lfd. Aufwendungen jährlich 14.518Belastung monatlich 1.210(Quelle: MSWKS 2002: 25)

Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Eigentumsförderung ist ein Eigenkapi-talsanteil von in der Regel mindestens 10% bis 15% der Gesamtkosten, den die Fami-lien in die Finanzierung einbringen müssen und der nach wie vor für viele Familieneine große Hürde auf dem Weg zum Eigentum bedeutet. Die Beispielrechnung zeigtauf, welche Bedeutung das im Rahmen der Eigenheimförderung vergebene zinsverbil-ligte Baudarlehen (0,5% im Vergleich zu 6,0% Zins) für die monatliche Belastung derFamilie hat.

6. Fazit: Wege zum WohneigentumWohnwunsch Nummer eins ist das Einfamilienhaus, sprich das Eigenheim. In derWohnrealität können sich aufgrund zahlreicher Förderinstrumente ca. 52% der Be-völkerung Wohneigentum (Wohnung oder Haus) leisten. Die haushaltsbezogene Ei-gentumsquote ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen; die Förderungder Wohneigentumsbildung der privaten Haushalte stellt nach wie vor ein zentralesZiel der Wohnungspolitik dar. Wenn das Wohnen im Eigentum im Hinblick auf Ver-mögensbildung und Wohnqualität Vorteile beinhaltet, so ist doch die damit verbunde-ne Eigenheimideologie insgesamt auch kritisch zu beurteilen. Insbesondere die(Wohn-)Vorteile des Einfamilienhauses sind nicht an die Verfügungsform Eigentumgebunden. Nicht zuletzt sind durch die jahrzehntelange Förderung des individuellenWohneigentums ökonomische Realitäten entstanden, die ebenfalls vom Wohneigen-tum wieder abgekoppelt werden könnten. Wohnpolitik ist immer auch Gesellschafts-politik und insofern gestaltet sie die Rahmenbedingungen der Eigentumsbildung undbeeinflusst diese maßgeblich.

Page 119: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

107

Deutlich geworden ist, dass hauptsächlich Familien Eigentum bilden. Das Durch-schnittsalter liegt mit 38 Jahren bzw. 39,4 Jahren der Geförderten der Eigenheim-zulage vergleichsweise hoch. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass sich dieFamiliengründung generell in den letzten Jahrzehnten deutlich zeitlich nach hintenverlagert hat. Die Wege zum Eigentum und die Bedeutung des Eigentums sind je nachsozialer Lage und Lebensstil unterschiedlich. Neben dem Erbe, das hauptsächlichHaushalten zugute kommt, die bereits Hauseigentum besitzen, kann ein Haus auf demMarkt erworben werden oder durch den Einsatz von Selbsthilfe (und der Hilfe vonVerwandten, Freunden etc.) im Wesentlichen außerhalb des Marktes erbaut werden.Für Haushalte mit niedrigerem Einkommen ist es in den letzten Jahrzehnten zuneh-mend schwerer geworden, Wohneigentum zu erwerben. Dies liegt zum einen an denhohen Bau- und Grundstückskosten, zum anderen an dem notwendigen Eigenkapital.Diese Haushalte tragen häufig aufgrund des engen finanziellen Spielraums auch dieRisiken der Eigentumsbildung (Zwangsverkauf).

Untersuchung der Eigentumsbildung bei Arbeiterhaushalten verweisen auch auf�marktferne� Strategien bei der Bildung von Wohneigentum. Die untersuchten Haus-halte verfolgen einen investiven Lebensstil und richten ihre gesamten Kapazitäten(Geld, Überstunden, Selbsthilfe) auf den Hausbau. Dies gelingt, weil die Haushalte inein funktionsfähiges soziales Netz eingebunden sind, das den Hausbau tatkräftig unter-stützt und erst möglich macht. Dieses Netz setzt allerdings stabile und vor allem regio-nal gebundenen Familien- und Sozialkontakte voraus. Dieser Weg ermöglicht auchHaushalten mit niedrigem Einkommen den Eigentumserwerb. Bei (städtischen) Haus-halten bzw. bei mobilen Haushalten kann dieser Weg zum Eigentum � wenn überhaupt� nur bedingt, funktionieren. Haushalte, die einen individualisierten Lebensstil verfol-gen, sind nicht in die gleichen Netze und Unterstützungsnetzwerke eingebunden. Hierist der Weg zum Eigentum in der Regel nur über den Markt möglich.

Der Staat unterstützte die Eigentumsbildung für Familien mit einem niedrigen Ein-kommen bei der Eigentumsbildung bis zum Jahr 2006 durch eine steuerliche Förde-rung (die Eigenheimzulage) und zinsgünstige Darlehen. Die Voraussetzung für dieEigentumsbildung � das Eigenkapital � wird jedoch nicht unterstützt (sieht man einmalvom Bausparen und von der Möglichkeit ab, ein Eigenheimzulageersatzdarlehen auf-zunehmen). Diese Hürde ist für viele Familien, die an der �Schwelle� zur Eigentums-bildung stehen, schwer zu nehmen. Es ist fraglich, in welchem Maße sie auf Unterstüt-zungsnetzwerke und Eigenarbeit zurückgreifen können. Allerdings haben auch sie diegrundsätzliche Möglichkeit, durch Selbsthilfe den notwendigen Eigenkapitalsanteil zuerwirtschaften.

Page 120: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

109

III. Selbsthilfe im WohnungsbauDie bauliche Selbsthilfe ist ein Weg � insbesondere für einkommensschwache Haus-halte �, den Zugang zum Wohneigentum zu ermöglichen. Häufig wird übersehen, dassdie Mitarbeit späterer Nutzer und Nutzerinnen an ihren Wohnungen und Häusern be-reits in der vorindustriellen Zeit eine selbstverständliche Praxis war. Im Zuge der in-dustriellen Revolution und der damit verbundenen Ausdifferenzierung der gesell-schaftlichen Arbeitsteilung veränderte sich die Bedeutung der baulichen Selbsthilfe.Vor allem in ländlichen Regionen und bei Arbeiterhaushalten ist die Selbsthilfe beimHausbau jedoch auch aktuell noch weit verbreitet. In städtischen Zonen stellt sich dieBedeutung der baulichen Selbsthilfe allerdings anders dar.

Die aktuellen Diskussionen über die Bedeutung der baulichen Selbsthilfe konzent-rieren sich im Wesentlichen auf zwei Fragestellungen: Der Beitrag der Selbsthilfe alsein Mittel zur Wohnungsversorgung (insbesondere für benachteiligte Bevölke-rungsgruppen) und Selbsthilfe als Mittel, gemeinschaftliche Bezüge herzustellen. DieDiskussion über Potenziale und Grenzen baulicher Selbsthilfe ist nicht neu, sie wirdbereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts geführt. Um diese Prozesse nachzuvollziehen,ist es notwendig, über einen eng gefassten Selbsthilfebegriff in der Bedeutung bauli-cher Eigenleistungen hinaus zu gehen. In der historischen Betrachtung beinhalteteSelbsthilfe vielfältige Formen der Selbstorganisation, die meist aus der Arbeiterbewe-gung hervorgegangen sind.

Historisch wie aktuell spielte die Selbsthilfe im Wohnungsbau (insbesondere in denStädten) immer dann eine Rolle, wenn die Wohnungsversorgung generell oder die ein-zelner Bevölkerungsgruppen Defizite aufwies. Die Einschätzung der Selbsthilfe ist jenach politischer Blickrichtung unterschiedlich, zumindest aber als ambivalent zu be-zeichnen.

"Dabei hat Selbsthilfe historisch keinen guten Ruf; zumindest nicht aus der verlän-gerten Sicht der Betroffenen, denen Selbsthilfe als schlechter Ersatz für weggefal-lene Formen der Versorgung zugemutet wurde." (Novy 1983: 22)

Der Abbau sozialstaatlicher Leistungen wird häufig mit dem Verweis auf Selbsthilfeoder in der aktuellen Diskussion auf bürgerschaftliches Engagement (Zivilgesellschaft)gerechtfertigt.

Das Kapitel zeichnet die Entwicklung der historischen Auseinandersetzungen um die(bauliche) Selbsthilfe im Kontext von Arbeiterbewegung und Bürgertum nach undweist auf die ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen hin, unterdenen Selbsthilfe zustande kam. Der historische Rückblick ist als ein Beitrag zumVerständnis der aktuellen (politischen) Probleme in diesem Bereich zu verstehen. Erdient der präziseren Begriffsbestimmung und kontextualisiert die Selbsthilfebe-

Page 121: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

110

strebungen/-initiativen. Im zweiten Teil dieses Abschnitts werden die seit den70er/80er Jahren neu belebten Elemente der Diskussion um die Selbsthilfe aufge-griffen und empirische Ergebnisse zur Einzel- und Gruppenselbsthilfe vorgestellt unddiskutiert.

1. Historische Wurzeln der baulichen SelbsthilfeSelbsthilfe beim Wohnungsbau ist ein Thema, das im historischen Rückblick ver-bunden wird mit der Industrialisierung, der Entstehung der sozialen Frage in den Städ-ten und mit der Geschichte der Arbeiter- und der Genossenschaftsbewegung.70 Selbst-hilfe und Genossenschaften � diese beiden Begriffe sind historisch fest miteinanderverknüpft. Die Betrachtung von baulicher Selbsthilfe ist nicht nur der Blick auf vor-handene Selbsthilfepotenziale, sondern auch auf politische Strategien und organisierteBewegungen. Selbsthilfe im Genossenschaftskontext kann neben der konkreten Arbeitauf der Baustelle auch Selbstbestimmung Selbstorganisation und Selbstverwaltungbeinhalten.71 Eine zentrale Rolle spielt die Arbeit am eigenen Haus in der Siedlerbe-wegung, die in den 30er Jahren Selbsthilfe im Konzept der Kleinsiedlungen als zentra-len Baustein verankerte. Beide Bewegungen werden im Folgenden kurz skizziert.

1.1. Die GenossenschaftsbewegungIn den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts kam es zu einer verstärkten Wohnungsnot inden Städten. Der wirtschaftliche Aufschwung führte zu einer Zunahme der Be-schäftigten in der Industrie und zu einem massiven Anstieg der Wohnbevölkerung. DieMöglichkeiten, Wohnraum zu finden, erwiesen sich als äußert beschränkt. Große Teileder Arbeiterschaft waren nicht in der Lage, die für das Wohnen notwendigen Kostenaufzubringen und mussten in sehr beengten, gesundheitsgefährdeten Wohnbedingun-gen leben (vgl. z. B. das Schlafgängerwesen).

Erste Ansätze zu Wegen aus der Wohnungsnot kamen aus dem Bürgertum. Die Ideedes genossenschaftlichen Wohnungsbaus für Arbeiter war Mitte des 19. Jahrhundertsim Wesentlichen im fortschrittlichen Bürgertum verankert. Ein Beispiel dafür ist derGenossenschaftstheoretiker Victor Aimé Huber (1800 bis 1869)72, der seine Vorstel-lung, durch den Einsatz von baulicher Selbsthilfe das Wohnungselend der Arbeiter-

70 Zur Genossenschaftsbewegung und zur Entstehung einer Gemeinwirtschaft vgl. Novy/Prinz 1985, Mers-mann/Novy 1991 und Mersmann/Bärsch 1995.

71 Deutlich wird dies bei den Konsumgenossenschaften, später bei den Wohnungsgenossenschaften. Hier be-deutete Selbsthilfe die Selbstverwaltung, Mitarbeit bei der Gartengestaltung und -pflege und Mitbestimmungbei Nachbesetzungen der Wohnungen etc.

72 Der christlich-staatskonservative Huber ist der Verfasser der für die deutsche Genossenschaftsdebatte wichti-gen Schrift "Die Selbsthülfe der arbeitenden Klassen durch Wirtschaftsvereine und innere Ansiedlung"(1848). Im Mittelpunkt seiner sozialpolitischen Überlegungen steht der Fabrikarbeiter, der allerdings mit derreinen Selbsthilfe überfordert ist und Unterstützung von der Oberschicht benötigt (Novy/Prinz 1985: 36).

Page 122: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

111

schaft abzuschaffen, aus England und Frankreich mitbrachte. Sein Gedanke, eigen-tumslose Arbeiter durch Eigenleistung zum Hauseigentümer zu machen, kann als einzeitgenössisches Phänomen betrachtet werden.

Die kapitalistische Gesellschaftsausrichtung wurde auch auf die Bestrebungenübertragen, mit denen man das Wohnungselend bekämpfen wollte. Eigentum be-deutete Sicherheit, Erfolg etc., also mussten, um das Elend zu bekämpfen, auch Arbei-ter Eigentum erlangen. Die genossenschaftliche Organisation der Selbsthilfe war eineVariante, dies zu erreichen. Die ersten gemeinnützigen Wohnungsbaugenossen-schaften waren demnach keine reinen Selbsthilfeorganisationen der Arbeiterschaft,sondern wurden von bürgerlichen Reformern initiiert und verwaltet. Die angestrebtenZielgruppen waren die unteren Schichten der Arbeiterschaft. Allerdings versperrte dasAuswahlkriterium �Sparfähigkeit� gerade den eigentlich Bedürftigen den Zugang zuWohnraum (Mersmann/Bärsch 1995: 96).

In der Arbeiterschaft kam es in dieser Zeit zur Entwicklung kollektiver Selbsthilfe-formen. Ausgangspunkt der baulichen Selbsthilfe war die spontane Reaktion von Ar-beitslosen und Wohnungssuchenden auf ihre soziale Situation. Erste Arbeiter-siedlungen entstanden auf genossenschaftlicher Basis. Allerdings stellte sich heraus,dass der Bau von Wohnungen ohne Unterstützung (finanzieller Art, Grundstücke, Ar-beitsmaterialien etc.) auf Dauer nicht möglich war. Es wurden daher andere Organisa-tionsformen gesucht bzw. Wohnungs- oder Baugenossenschaften entstanden aus derUmwandlung bisher bestehender Organisationen.

Mit der Einführung der staatlichen Sozialgesetzgebung (1881) begann sich ein stärke-res Engagement des Staates auch im Wohnungsbau abzuzeichnen. Diese Entwicklungwurde durch das neue Genossenschaftsgesetz von 1889 noch unterstützt. Vor diesemHintergrund ist die Gründungswelle der Genossenschaften um die Jahrhundertwendezu sehen. Die Gewerkschaften schlossen sich erst später und nach und nach an73. 1888gab es reichsweit lediglich 20 Wohnungsgenossenschaften, bis 1914 stieg die Anzahlder Wohnungsgenossenschaften auf 1400 an. Sie errichteten über 100.000 Wohnungen(Mersmann/Bärsch 1995: 96).

Die Übertragung des in der Arbeiterbewegung und der Genossenschaftsbewegung ver-tretenen Gedankens der wirtschaftlichen Selbsthilfe (der z. B. in den Konsumge-nossenschaften sehr erfolgreich praktiziert wurde) auf den Wohnungsbau bzw. dieWohnraumbeschaffung erwies sich aufgrund der besonderen Eigenschaften des Gutes"Wohnung" als äußert schwierig. Eine Wohnung ist im Vergleich mit anderen Güternsehr teuer und dementsprechend schwer zu finanzieren. Die Beschaffungsbedingungen

73 Zur durchaus konfliktreichen Haltung der Gewerkschaften gegenüber der Genossenschaftsbewegung vgl.Novy 1983.

Page 123: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

112

hinsichtlich Boden, Finanzierung, Förderung und Baurecht sind komplex und für Lai-en nur schwer zu durchschauen. Wie Mersmann/Novy vor diesem Hintergrund aufzei-gen, hat es "reine Selbsthilfe im Bereich der Wohnungssuche nie gegeben. Ohne Hilfevon außen bei der Organisation und Finanzierung war eine Wohnungsversorgung 'vonunten' nicht möglich" (Mersmann/Novy 1991: 53).

Novy (1983) konstatiert um die Jahrhundertwende eine verbandspolitische Spaltungdes deutschen Genossenschaftswesens zwischen der mittelständisch-besitzindividua-listischen und der sozialreformerischen Richtung. Die erste Richtung strebte die Priva-tisierung des Hauseigentums an, um die Lage der Mitglieder durch Eigentumsbildungzu verbessern. Die sozialreformerisch ausgerichteten Genossenschaften hielten dem-gegenüber am gebundenen Gemeinschaftseigentum fest und sahen in den Genos-senschaften eine Alternative zur privaten Wohnungswirtschaft und zum (kapitalisti-schen) Privateigentum (Novy 1983 154).

Weimarer RepublikDie Zeit nach dem Ersten Weltkrieg war geprägt durch akuten Wohnungsmangel undmassenhafte Arbeitslosigkeit. In dieser Situation, in der weder Privatwirtschaft nochstaatliche Maßnahmen in Gang kamen, griffen viele zur Selbsthilfe. Es kam zu einereinmaligen Gründungswelle von Selbsthilfeinitiativen, vor allem genossenschaftlicherArt. Bezogen auf die Wohnraumversorgung entstanden innerhalb weniger Jahre einigetausend Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaften. Beim Bau von Wohnungen wur-de in großem Maße Eigenarbeit in Gruppenselbsthilfe (als "Muskelhypothek") einge-setzt (Novy/Prinz 1985: 82). Bei der Gruppenselbsthilfe schließen sich einzelne Bau-herren zusammen, um gemeinsam ihre Häuser zu bauen. Diese Mitarbeit in den Woh-nungsbau- und Siedlungsgenossenschaften diente der Selbstversorgung mit Wohn-raum. Neben anderen Wohnungssuchenden schlossen sich auch Gewerkschaftsmit-glieder zusammen und gründeten Wohnungsgenossenschaften. Ein anderer Zweig derGenossenschaftsbewegung waren die arbeitslosen Bauarbeiter, die 1919 die erstenBauproduktivgenossenschaften gründeten. Bis zum Höhepunkt der Gründungswelleder Bauproduktivgenossenschaften 1922 entstanden in Deutschland 207 Betriebe.74

Diese Selbstorganisation von arbeitslosen Bauarbeitern und Wohnungslosen wurdevon den Gewerkschaften unterstützt. In der Inflationszeit stellte sich dies jedoch alseine nicht mehr gangbare Lösung heraus. Durch den Mangel an Kapital- und Organi-sationserfahrung sowie das Fehlen eines organisierten Absatzmarktes scheiterten die

74 Auch in anderen europäischen Ländern kam es zu Gründungen von Baubetrieben, vgl. zum europäischenGildensozialismus Novy 1983: 41 und Harris 1999a und 1999b.

Page 124: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

113

meisten Bauproduktivgenossenschaften. Sie wurden als "Bauhütten" in GmbHs umge-wandelt (Mersmann/Bärsch 1995: 104).

WohnreformLaut Novy und Prinz gelang es, viele der Selbsthilfeinitiativen in eine umfassende Re-formstrategie einzubinden, welche wirtschaftsreformpolitische Experimente undwohnreformerische Ansätze enthielt. Ein neues Wohnleitbild entstand: "das Wohnenin der Gemeinschaft aufgrund tragender Gemeinsamkeiten" (Novy/Prinz 1985: 102).Anders als in der Vorkriegszeit entstanden nun die meisten Siedlungsgründungendurch geschlossene Gruppen (z. B. Berufsgruppen, Gewerkschaftsrichtungen, Famili-en mit Kindern etc.), deren Unterschiedlichkeit sich ebenfalls in der architektonischenVielfalt in der Siedlungsgestaltung widerspiegelte.

Wohnen in einer Genossenschaft zeichnete sich durch mehrere Charakteristiken aus.Gewohnt wurde in dauerhaftem Gemeinschaftseigentum mit genossenschaftlicherSelbstverwaltung. Gemäß den Genossenschaftsprinzipien (Identitätsprinzip, Förder-prinzip, Demokratieprinzip)75 wurden neben sozialen und kulturellen Einrichtungenauch Formen der Bewohner/innenbeteiligung geschaffen. Novy bezeichnet (Bau-) Ge-nossenschaften als Orte neuer Lebensformen, die zur Entwicklung des "neuen Men-schen" beitragen. Seiner Ansicht nach setzt dies einen freiwilligen Zusammenschlussvon annähernd homogenen Personengruppen oder Gleichgesinnten voraus.

"Sollen Gruppen ihr eigener Bauherr oder auch nur ihr eigener Verwalter werden,so müssen schon tragende Gemeinsamkeiten vorhanden sein. (...) Genossenschaft-liche Bewohnergruppen bildeten sich entlang lebensbestimmender Gemeinsamkei-ten kultureller, politischer oder berufsständischer Art." (Novy 1983: 145)

Die Entwicklung einer genossenschaftlichen Lebenskultur spiegelt sich in den zahl-reichen Gemeinschaftseinrichtungen. In Teilen kamen dazu lebensreformerische undökologische Ansätze.

In der ersten Hälfte der Weimarer Republik entstanden eine Vielzahl von woh-nungspolitischen Initiativen (Baugenossenschaften und gemeinnützige Wohnungs-gesellschaften). Die Selbsthilfeorganisationen im Bereich des Wohnungsbaus erhieltenstaatliche Unterstützung in Form von Subventionen und steuerlichen Privilegierungen.So wurde 1924 beispielsweise die Hauszinssteuer als zweckgebundene Sondersteuereingeführt, die die Neubauproduktion wirksam subventionierte (Marahrens 1988:19f.). Dies ändert sich drastisch mit dem Zusammenbruch der Wirtschaft Anfang der30er Jahre, der eine Massenarbeitslosigkeit zur Folge hatte. Die Weltwirtschaftskriseführte zu einem Bruch der Lebens- und Wohnleitbilder. Der Wohnungsbau brach zu-

75 Zur detaillierten Beschreibung der Prinzipien s. Mersmann/Novy 1991, S. 31-33.

Page 125: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

114

sammen, der Staat zog sich aus der direkten Wohnbauförderung zurück, und die in denvorherigen Jahrzehnten entwickelten Normen und Wohnstandards wurden drastischgesenkt. An die Stelle der Reformsiedlungsprojekte traten (wilde) Erwerbslosensied-lungen mit z. T. Primitivhäusern, die häufig in Selbsthilfe erstellt wurden. In denSelbsthilfeorganisationen der Arbeiterschaft in diesen Siedlungen entstanden häufigvielfältige informelle Hilfsformen für Bedürftige: z. B. Sozial- und Notfonds, Notkü-chen, Sammelaktionen für notleidende Mitglieder der Genossenschaften.

1.2. Die SiedlerbewegungMit dem Konzept der vorstädtischen Kleinsiedlung griff die staatliche Wohnungs-politik während der Weltwirtschaftskrise bereits "gebaute Realitäten" auf. Sogenannte"wilde Siedlungen", von Arbeits- und Wohnungslosen in Selbsthilfe errichtet, waren inden 1920er Jahren an den Stadträndern als Antwort auf Wohnungsnot und Versor-gungsschwierigkeiten entstanden. Wie Novy für die Stadt Wien beschreibt, ging dieSiedlerbewegung aus vereinzelten Versuchen der Kleingärtner hervor, in ihren GärtenWohnhütten zu bauen. Die Siedlergenossenschaften bauten Häusergruppen von Ein-familienhäusern. Die Bauarbeit wurde zum Teil von den Siedlern selber neben der Er-werbsarbeit geleistet, zum Teil durch Bauproduktivgenossenschaften (Novy 1983: 25).

Gleichzeitig mit dem Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau der 1920er Jahre undder Abschaffung der direkten Wohnungsbausubventionen (in Form von Hauszins-steuer und Krediten) wurde das Konzept der Selbsthilfe im Siedlungsbau, ins-besondere für Erwerbslose, aktiviert. Im Jahr 1931 wurde die Hauszinssteuer um 20%gesenkt und später den Hauseigentümern die Möglichkeit zur Ablösung der Hauszins-steuer durch die einmalige Zahlung eines Pauschalbetrages gegeben. Darüber hinauswurde die Zweckbindung der Hauszinssteuer (Wohnungsbau und Mietunterstützung)aufgehoben (Schäfer 1985: 4). Nach Einschätzung von Schäfer vollzog sich damit derRückzug des Staates aus der direkten Wohnungsbauförderung. Als Ersatz für den Sub-ventionsabbau interpretiert Schäfer die Propagierung und Förderung der vorstädtischenKleinsiedlung. Im Konzept der Kleinsiedlung verpflichteten sich die Siedler zurSelbsthilfe beim Bauen und zur landwirtschaftlichen bzw. ernährungswirtschaftlichenVerwendung des Landes (Garten und Kleintierzucht). Aus diesen Gründen wurden dieKleinsiedlungsvorhaben von wohnungspolitischer Seite nicht nur als wohnungswirt-schaftliche Maßnahme, sondern auch als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bezeichnet.Durch die eigenständige Produktion von Nahrungsmitteln sollte den Siedlern der Le-bensunterhalt erleichtert werden. Angesichts der geringen staatlichen finanziellen Mit-tel, die für den Aufbau der Kleinsiedlungen zur Verfügung gestellt wurden, bekamenallerdings nur wenige Siedler diese Möglichkeit.

Page 126: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

115

In der ersten Phase der staatlichen Förderung des Kleinsiedlungsprogramms Anfangder 30er Jahre wurde die finanzielle Belastung der Siedler durch eine Reihe von staat-lichen Unterstützungsmaßnahmen niedrig gehalten. Zur staatlichen Unterstützung ge-hörten u. a. Reichsdarlehen, kommunale Baulandbeschaffung und die Vergabe derGrundstücke in Erbpacht (Schäfer 1985: 8). Der hohe Bedarf an bezahlbarem Wohn-raum und die günstigen Rahmenbedingungen des Kleinsiedlungsprogramms führtendazu, dass es für die zur Verfügung stehenden Siedlerstellen eine Vielzahl an Bewer-bern gab. In der nachfolgenden Zeit verschlechterten sich die Finanzierungsbedingun-gen zunehmend.

Die Idee der Kleinsiedlung verband eine Reihe unterschiedlichster Vorstellungen mit-einander. Das agrarromantische Ideal einer kleinbäuerlichen Lebensweise (Bezug zurNatur, familiäres Zusammenleben) wurde vor dem Hintergrund der Weltwirtschafts-krise als gesellschaftliche "Gesundungs-"perspektive angesehen. Als Alternative zurIndustrialisierung propagierte man die landwirtschaftliche Produktion in kleinen über-schaubaren Einheiten und die kleinbäuerliche Lebensweise. Der Kleinsiedlung wurden"höhere Werte" zugeschrieben. Sie diente damit einerseits als "Notbehelf" vor demHintergrund der steigenden Wohnungslosen- und Arbeitslosenzahlen, andererseits alsneue Lebensform (Schäfer 1985: 18f).

Die Zielgruppe der Siedlerbewegung waren schwerpunktmäßig kinderreiche Familien.Die Siedlergemeinschaften beruhten auf dem Selbsthilfeprinzip, das unterschiedlicheBereiche umfasste: Selbsthilfe beim Bauen und Selbsthilfe beim späteren Aus- undUmbau der Siedlungshäuser.76 Durch die gemeinsam geleistete Selbsthilfe ergaben sichunter den Siedlern bereits vor dem Einzug soziale Kontakte. Die Siedlerstellen wurdenerst nach Fertigstellung der Rohbauarbeiten verlost um sicherzustellen, dass überalldie gleiche Bauqualität herrschte und das Eigeninteresse der Siedler zu dämpfen. Alseine zweite gemeinschaftsfördernde Maßnahme neben der Selbsthilfe nennt Hafner dielandwirtschaftliche Schulung der zukünftigen BewohnerInnen der Siedlung. Hier hebter insbesondere die Rolle der Frauen hervor: "Bereits in der Bauphase, während dieMänner noch mit dem Bau der Häuser beschäftigt waren, wurden die Siedlerfrauen inverschiedenen Kursen und Schulungen auf ihren zukünftigen Aufgabenbereich vorbe-reitet." (Hafner 1996: 569) Dies macht den Anspruch der Siedlerbewegung deutlich,durch Gartenbau und Kleintierzucht die Ernährung der Siedlerfamilien sicherzustellenund gibt einen Hinweis auf die besondere Bedeutung, die den Siedlerfrauen in diesemKontext zukam.

76 Die zukünftigen Bewohner übernahmen Teilbauleistungen wie Grab-, Beton-, Maurer-, Schreiner- und Ma-lerarbeiten. Die restlichen Gewerke wurden meist an örtliche Handwerksunternehmen vergeben (Hafner1996: 567).

Page 127: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

116

Ein Problem bei der in den Kleinsiedlungen sozialpolitisch orientierten Selbsthilfe-förderung bestand in der Auswahl der geeigneten Siedler. Sie mussten einerseits quali-fiziert sein, um fehlende finanzielle Mittel durch Eigenarbeit zu ersetzen. Andererseitssollten sie erwerbslos sein. Die Siedlerauswahl erhielt eine den Selbsthilfeprojekteninnewohnende Eigendynamik, insofern als dass für den Hausbau besonders qualifizier-te Personen (z. B. arbeitslose Bauhandwerker oder andere Facharbeiter) bevorzugtwurden (Schäfer 1985: 24). Reichten die Qualifikationen der Siedler nicht aus undmussten Facharbeiter von außen hinzugezogen werden, verteuerte sich der Bau erheb-lich.

Novy sieht die Rahmenbedingungen der Siedlerbewegung in vier wesentlichen Ele-menten: der Mobilisierung der Siedlerarbeit, der Einführung von Ersatzbauweisen, derEntwicklung neuer Finanzierungsverfahren und der kommunalen Bodenpolitik (Novy1983: 49). Mit den Siedlungen wurden Modelle zwischen dem anonymen Mietverhält-nis (in Mietskasernen) und dem unverbundenen Einzeleigentum entwickelt und umge-setzt. Das für diese Reformsiedlungen typische Wohnleitbild war die sozial-kulturelleSiedlungsgemeinschaft mit eigenen Selbstverwaltungseinrichtungen.

NationalsozialismusIn der ersten Phase der nationalsozialistischen Wohnungspolitik (1933-1935) wurdeder Kleinsiedlungsbau weitergeführt. Es änderten sich aber in der Folge die Zielset-zungen, Zielgruppen und die regionale Verteilung der Siedlerstellen in Richtung klei-nere Gemeinden und dünn besiedelte Land- und Grenzgebiete. In den Siedlungsge-danken wurde eine Mischung aus rassistischen, autoritären und nationalistischen Ge-danken aufgenommen und integriert (Wiederverwurzelung mit dem Boden, der Hei-materde). Die �Heimstätte� entwickelte sich zu einem wichtigen Bestandteil national-sozialistischer Familienpolitik. Mit den veränderten ideologischen Zielsetzungen ver-änderten sich auch die Zielgruppen. Statt für arbeitslose Menschen wurden die Sied-lungen für den Mittelstand geöffnet. �Parteizugehörigkeit�, "Tüchtigkeit" und "Ras-senzugehörigkeit" wurden zu maßgeblichen Vergabekriterien (Hafner 1996, Harlander1995). Durch die Öffnung der Heimstättenbewegung für den (vollbeschäftigten) Mit-telstand änderte sich auch die Bedeutung des Gartens, der nicht mehr als Existenzsi-cherung durch Nebenerwerbslandwirtschaft notwendig war.

Die mit dem Nationalsozialismus erfolgte Veränderung der förderungswürdigen Ziel-gruppe des Kleinsiedlungsbaus (vom Erwerbslosen zum Stammarbeiter) schloss diesozioökonomisch Benachteiligten de facto aus. Damit verlor die Selbsthilfe ihre "sozi-alpolitische Funktion des Ausgleichs von Versorgungsdefiziten" (Marahrens 1988:26). Gleichzeitig erzeugte diese Verschiebung auch immanente Widersprüche bei derAusgestaltung und Durchführung der baulichen Selbsthilfe, die auch heute noch Be-

Page 128: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

117

standteil der Auseinandersetzungen um diese sind: Voll Erwerbstätigen steht nur einbeschränktes Zeitbudget zur Selbsthilfe beim Hausbau zur Verfügung. Für die 1930erund 1940er Jahre bedeutete dies, zusätzlich zur Regelarbeitszeit von 48 Stunden und ineinzelnen Branchen durch die Aufrüstungsanstrengungen deutlich mehr Arbeitsstun-den, die Arbeit beim Hausbau zu leisten. Dies führte in vielen Fällen dazu, dass einigeGewerkearbeiten an professionelle Bauarbeiter vergeben werden mussten, mit demResultat, dass die Baukosten stiegen. Qualifizierte Industriearbeiter waren in der da-maligen wirtschaftlichen Situation nur schwer zu ersetzen. Durch die doppelte Belas-tung der Selbsthilfe und der Erwerbsarbeit wurde die Gesundheit und letztlich das Ar-beitsvermögen bedroht. Die Betriebe reagierten darauf mit verschiedenen Lösungs-versuchen: Beurlaubung der Arbeiter für die Zeit des Hausbaus, Arbeitgeberkrediteund die Einstellung von zusätzlichen Handwerkern (Schäfer 1985: 30).

Nach 1945: Der WiederaufbauAngesichts des großen Wohnraummangels nach dem Zweiten Weltkrieg war die (bau-liche) Selbsthilfe eine alltägliche Selbstverständlichkeit. "Die Wiederherstellung derzerstörten Wohnbauten in Selbsthilfe wurde zu einem Symbol der Wiederaufbau-anstrengungen" (Schäfer 1985: 31). Aufgrund ihrer faktischen Bedeutung bekam dieSelbsthilfe im I. WoBauG einen besonderen Stellenwert:

"Beim Neubau von Wohnungen ist in erster Linie der Bau von Eigenheimen,Kleinsiedlungen und Kaufeigenheimen zu fördern; dabei sind Bauvorhaben, dieunter erheblichem Einsatz von Selbsthilfe durchgeführt werden, zu bevorzugen" (§19, Abs.2, I. WoBauG).

Die Ankurbelung der Wohnungsbautätigkeit wurde zu einer der wichtigsten Aufgabenvon Bund und Ländern. Dazu sollten alle verfügbaren Ressourcen herangezogen wer-den, auch die Selbsthilfe. Die Förderung der Selbsthilfe war jedoch an die Rechtsformdes Eigentums gebunden. Selbsthilfe wurde zur Voraussetzung für mittlere und untereEinkommensschichten, um sich überhaupt Wohneigentum leisten zu können. Dies galtinsbesondere für ländliche Regionen und Kleinstädte, in den Großstädten verhindertenauf der einen Seite steigende Bodenpreise, Verteuerungen von Material und handwerk-lichen Leistungen und auf der anderen Seite die geringe Sparfähigkeit den Zugangzum Wohneigentum trotz möglicher Selbsthilfe und öffentlicher Mittel. Es gibt keineAngaben zum quantitativen Umfang der in Selbsthilfe erstellten Eigenheime und zumUmfang der betreuten Selbsthilfeleistungen. Schäfer, der sich auf Monographien vonUnternehmen stützt, die sich der betreuten Selbsthilfe gewidmet haben, kommt zu demSchluss, "(...) daß das Angebot an Selbsthilfebetreuung eine Größenordnung erreichte,die im Rahmen des sogenannten Familienheimbaus wohnungswirtschaftlich relevant

Page 129: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

118

war und außerdem rationelle kostensparende Organisations- und Bautechniken erlaub-te." (Schäfer 1985: 36)

Neben einer Vielzahl von Wohnformen (Schlichtwohnungen und Übergangsheime,sozialer Wohnungsbau als Mietwohnung und Eigenheim) entstanden in der Nach-kriegszeit auch Kleinsiedlungen, die den Selbsthilfegedanken betonten. Die Siedlun-gen wurden häufig in organisierter Gruppenselbsthilfe unter der Betreuung und Anlei-tung eines Trägers erstellt. Soziale Zielgruppen des Kleinsiedlungsbaus waren nun inerster Linie Ausgebombte und Flüchtlinge. Unterstützt wurde die Siedlungsprogram-matik insbesondere durch die Kirchen, die in der Nachkriegzeit eine intensive Bautä-tigkeit entfalteten.

Aufgrund des fehlenden Eigenkapitals spielte die Selbsthilfe bei fast allen Klein-siedlungen in der Funktion als Eigenkapitalsersatz eine maßgebliche Rolle. Danebenwurde der baulichen Selbsthilfe auch ein erzieherischer Effekt zugeschrieben. NachEinschätzung von Harlander (1993) wurde die Selbsthilfe in diesem Zusammenhanghäufig als ein ideologisch überhöhter Ansatz gesehen. Damit verbunden war die Hoff-nung auf eine erzieherische Wirkung und die Bindung an die Siedlerstelle. Für die ef-fektive Durchführung der organisierten Gruppenselbsthilfe betont Harlander die Not-wendigkeit und Sinnhaftigkeit der organisierten Betreuung durch Träger, die im Hin-blick auf Abwicklung, Betreuung, Einsparungsmöglichkeiten etc. gute Arbeit leisteten.Ein Vergleich der Organisation des Selbsthilfeprozesses bei verschiedenen Trägernzeigt große Unterschiede in allen Aspekten der Organisation (Mitsprache- und Mitges-taltungsmöglichkeiten, Aufteilung der Gewerke, Bewertung der Arbeitsleistung etc.).Harlander zeichnet die zeitgenössische Diskussion um den möglichen Umfang derSelbsthilfearbeiten und der geeigneten Gewerke nach. Er kommt zu dem Schluss, dassdie Selbsthilfeanteile bei den meisten Projekten (bei einer Bauzeit von 18 bis 24 Mo-naten) zwischen 1500 und 2500 Arbeitsstunden lagen. Dadurch konnten Einsparungenbis zu 25% der Herstellungskosten (ca. 40% der Baukosten) erreicht werden (Harlan-der 1993: 1311). Für die 1950er Jahre kommt er auf einen Selbsthilfestundensatz vonzwei DM bei einem Stundeneinsatz von 1500 bis 2500 Stunden insgesamt. Die Um-stände der geleisteten Selbsthilfe (evtl. keine Erwerbstätigkeit) sind dabei zu berück-sichtigen. Darüber hinaus war die Motivation und Einsatzbereitschaft der Siedler man-gels Alternativen in dieser Phase sehr hoch.

Mit dem Wirtschaftswunder der 1950er Jahre rückte der Gedanke der Selbsthilfe undder Selbstversorgung durch die Siedlerstelle in den Hintergrund. Die Phase der aktivenKleinsiedlungsförderung war daher relativ kurz und führte zu einer eher bescheidenenZahl (bis 1952 ca. 50.000) neu geschaffener Siedlerstellen (Harlander 1993: 1310).Die schon gegen Ende der Weimarer Republik deutlich gewordene und in der Zeit des

Page 130: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

119

Nationalsozialismus fortgesetzte Entwicklung, die Selbsthilfe aus den eng mit der Ar-beiter- und Genossenschaftsbewegung und (Gegen-)Kultur verwobenen Wurzeln zulösen, setzt sich in der Nachkriegszeit fort. Die Selbsthilfepraxis in der Bundesrepublikbis in die 70er Jahre ist geprägt von "...dem stetigen Bedeutungsverlust der Formenkollektiver Selbsthilfe nach 1945 sowie der dazu parallel verlaufende Prozeß der Ein-bindung individueller Selbsthilfe in die Eigenheimförderung" (Marahrens 1988: 31).

ZusammenfassungSelbsthilfe im Kontext der Genossenschaftsbewegung bedeutet über die konkrete Ar-beit hinaus Selbstbestimmung, Selbstorganisation und Selbstverwaltung. Der Versuch,sich ohne den Markt oder weitgehend am Markt vorbei mit Wohnungen zu versorgen,stieß jedoch an seine Grenzen. Anders als beispielsweise bei den wirtschaftlichenSelbsthilfeorganisationen, den Konsumgesellschaften, waren Wohnungen ohne öffent-liche Unterstützung nicht herzustellen. Mit den genossenschaftlichen Ansätzen waraber mehr verbunden als die reine Wohnungsversorgung. Es ging um Solidarität undgegenseitige Unterstützungsleistungen. In vielen der genossenschaftlichen Arbeiter-siedlungen kam dies durch gemeinschaftliche Einrichtungen zum Ausdruck.

Viele der beschriebenen Selbsthilfeinitiativen entstanden aus einer massiven gesell-schaftlichen Notsituation (Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit) heraus. In der Wei-marer Republik wurden die Selbsthilfeorganisationen im Bereich des Wohnungsbausin die staatliche Unterstützung eingebunden (Siedlerbewegung). Neben der reinenVersorgung mit Wohnraum entstand ein neues Wohnleitbild, das geprägt war durchgemeinschaftliches Wohneigentum (Genossenschaft), der Schaffung sozialer und kul-tureller Einrichtungen und Formen der Bewohner/innenbeteiligung. Viele der Siedlun-gen waren in diesem Sinne Reformsiedlungen. In der weiteren Entwicklung zog sichder Staat aus der direkten Wohnungsbauförderung zurück. Die Politik verlagerte sichauf die Propagierung der �Kleinsiedlung�.

In der Nachkriegszeit wurde (bauliche) Selbsthilfe als Reaktion auf die Notsituationeingesetzt. Selbsthilfe war ein selbstverständlicher Bestandteil des Wiederaufbaus. DieFörderung von Selbsthilfe wurde im Wohnungsbaugesetz verankert, bezog sich jedochauf die Förderung von Eigenheimen (allerdings außerhalb des Siedlungskonzepts).Diese Koppelung von Selbsthilfe und Eigenheim (Eigentum), also der Einsatz bauli-cher Selbsthilfe bei der Errichtung des individuellen Wohneigentums, hat sich bis indie heutige Zeit erhalten. Der weitergehende Anspruch von Selbstbestimmung undSelbstverwaltung aber ist in großen Teilen verloren gegangen.

Page 131: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

120

2. Aktuelle Untersuchungen zur Selbsthilfe im WohnungsbauDie Auslöser der neueren Selbsthilfediskussion waren die "Instandbesetzer", bei denenjedoch der politische Anspruch im Vordergrund ihrer Forderungen stand. Anfang der80er Jahre entstand in der Bundesrepublik (besonders in Berlin und Hamburg) im Zu-ge der Hausbesetzerbewegung auch eine breite Selbsthilfebewegung.77 Ziele dieserBewegung waren die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum, von langfristig siche-ren und günstigen Mieten und von selbstbestimmten Wohnen. Damit verbunden warebenfalls ein gewisser Anspruch an das Zusammenleben in der Gemeinschaft, der sichaus den politischen Zielvorstellungen (antikapitalistische Ausrichtung) ergab. Wie Ma-rahrens beschreibt, wollten sie "eine soziale und kulturelle Autonomie und versuchtenmit der Selbsthilfe, die materiellen Bedingungen zu ihrer Verwirklichung herzustellen"(Marahrens 1988: 34). Sie knüpften damit explizit an die Traditionen der Arbeiterbe-wegung an.

Die Selbsthilfegruppen leisteten häufig Pionierarbeit in ökologischer Hinsicht und imHinblick auf eine behutsame, sozial orientierte Stadtteilentwicklung. Selbsthilfe imKontext der �Instandbesetzung� von Gebäuden fand in den großen Städten in Altbau-beständen statt. Viele der in Selbsthilfe von den Bewohnern und Bewohnerinnen mo-dernisierten und instandgesetzten Häuser und Wohnungen wurden aus rechtlichenGründen in Form einer Genossenschaft, als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)oder als Verein organisiert. Die Gründung eines Vereins oder einer Genossenschaftverhinderte dabei die Bildung von individuellem Eigentum. Viele der Selbsthel-fer/innen wären lieber Mieter/innen geblieben, mussten aber nach den Selbsthilfe-Richtlinien eine Rechtsform gründen.78

Es gibt jedoch auch Projekte, in denen von Mietern Selbsthilfemaßnahmen durch-geführt wurden. Allerdings sind die rechtlichen Konstruktionen meist sehr kompliziertund von Kompromissen geprägt. Marahrens bezeichnet den Bereich der In-standsetzung und Modernisierung als "Mieterselbsthilfe", die rechtlich nicht abge-sichert ist.79 Ein Verein in Berlin (Ohlauer Straße 37) hat das Verwaltungsproblem fol-gendermaßen gelöst: Der Mieterverein schließt einen Erbpachtvertrag über 33 Jahremit dem Bezirk ab. An den Erbpachtvertrag ist die Instandsetzung und Modernisierung

77 Vgl. dazu die Berichte verschiedener Berliner Projekte auf der Tagung "Die Zukunft der Selbsthilfe" 1984 inBerlin im Rahmen der Internationalen Bauausstellung, zur Entwicklung in Berlin Kuckuck/Wohlers 1990, zuHamburg Stattbau 2002.

78 1982 wurde z. B. in Berlin ein Programm zur Förderung der Selbsthilfe aufgelegt.79 Es besteht die Möglichkeit, dass die von den Mietern geschaffenen Verbesserungen des Wohnwertes einerWohnung beim Auszug nicht finanziell abgelöst werden bzw. allein dem Besitzer der Wohnung zugutekommt. Auf der Grundlage einer Vielzahl von Praxiserfahrungen im Bereich der Mieterselbsthilfe sind inden letzten Jahren Lösungsmodelle entstanden, wie etwa die �Mustervereinbarung Modernisierung durchMieter�. Zu der Diskussion Anfang der 90er Jahre vgl. Schönefeldt 1990. Weeber u.a. geben eine aktuelleÜbersicht der möglichen vertraglichen Regelungen (1999: 74ff).

Page 132: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

121

des Hauses gekoppelt. Die Mitglieder des Vereins sind Mieter/innen geblieben (Ku-ckuck/Wohlers 1990). Ebenfalls in der Diskussion und praktischen Umsetzung sindProjekte, die in baulicher Selbsthilfe Wohnungen und Arbeit beschaffen wollen.

Neben den neuen Selbsthilfebereichen bestehen auch weiterhin die traditionellen For-men der Selbsthilfe: der vorrangig finanziell motivierte Bau eines Eigenheims in länd-lichen Regionen und kleinen Städten. Da in diesen Gebieten der Grundstückspreisnoch verhältnismäßig niedrig liegt, kann durch die Übernahme von Selbsthilfeleistun-gen am Bau ein vergleichsweise hoher Anteil der Gesamtbaukosten eingespart werden.Darüber hinaus sind auf dem Lande eher die notwendigen sozialen Strukturen � trag-fähige Nachbarschafts- und Verwandtschaftsbeziehungen, die auf Gegenseitigkeit be-ruhen � vorhanden (vgl. Jessen u. a. 1988, Petrowsky 1993).

Darüber hinaus sind ebenfalls seit Anfang der 80er Jahre eine Reihe von Selbsthil-femaßnahmen in städtischen Gebieten und unter Anwendung verschiedenen Formender Selbsthilfe (Einzel- und Gruppenselbsthilfe) und verschiedener Trägermodelle ent-standen. Diese Maßnahmen waren überwiegend Selbsthilfeprojekte mit dem Ziel derBildung von Wohneigentum im Neubau. Auf dem Anwendungsbereich der baulichenSelbsthilfe im Eigenheimbau liegt auch der Schwerpunkt der folgenden Darstellung.Nach einer genaueren begrifflichen Klärung der verschiedenen Formen der Selbsthilfewerden die empirischen Untersuchungen zur Selbsthilfe im Eigenheimbau dargestelltund im Hinblick auf die für meine Fragestellung bedeutsamen Ergebnisse analysiert.

2.1. Formen der Selbsthilfe: BegriffsklärungenDie Selbsthilfe ist im Eigenheimbau nichts Ungewöhnliches und in unterschiedlichenVarianten anzutreffen. Am häufigsten findet sich die individuelle Selbsthilfe (Einzel-selbsthilfe), in der Regel mit Unterstützung durch Freunde, Verwandte und Nachbarn.Diese Form der Selbsthilfe wird in eigener Regie vom Bauherrn organisiert und solldie finanzielle Belastung senken oder mehr Komfort für das gleiche Geld ermöglichen.Neben der Einzelselbsthilfe ist auch ein Zusammenschluss von Bauinteressenten mög-lich, die dann in Gruppenselbsthilfe gemeinsam ihre Häuser errichten. Bei beidenFormen gibt es die Variante der individuellen Selbsthilfe, die die Organisation desBaus in eigener Verantwortung meint, und die betreute Selbsthilfe, bei der die Organi-sation und Betreuung des Hausbaus von einem Träger übernommen wird. Selbsthilfeist sowohl in der Rohbauphase als auch im Ausbau (Innenausbau) möglich.

• Individuelle EinzelselbsthilfeDie Arbeit auf der Baustelle wird ohne Anleitung in Eigenregie von der Baufamiliedurchgeführt. Einzelselbsthilfe kann zum einen die sogenannten Finisharbeiten (An-strich, Tapeten, Fußbodenbelag, Bepflanzung) umfassen, zum anderen auch bei Roh-

Page 133: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

122

bauarbeiten und bestimmten Ausbaugewerken (Innenwände setzen, verputzen, verflie-sen etc.) geleistet werden (LB 2002).

• Organisierte EinzelselbsthilfeAuch hier baut jede Familie nur ihr eigenes Haus. Gemeinsam organisiert ist in dieserForm der Selbsthilfe die Betreuung der Selbsthelfer/innen. Ein Bauleiter (oder Polier)leitet die Familien an und überwacht den Bauprozess. Die für die Betreuung und An-leitung anfallenden Kosten verringern den erarbeiteten Selbsthilfewert.

• Individuelle GruppenselbsthilfeDie Gruppenselbsthilfe bietet eine Möglichkeit, einzelne Bauinteressenten zu einerBaugruppe zusammenzuschließen. Die notwendigen Bauleistungen werden dann ge-meinschaftlich erbracht. Das bedeutet im Unterschied zur Einzelselbsthilfe, dass alleSelbsthelfer/innen an allen Häusern gemeinsam arbeiten. In diesen Projekten bildenBaufamilien auf eigene Initiative eine Baugemeinschaft.

• Organisierte GruppenselbsthilfeHier werden mehrere Baufamilien in Gruppen zusammengefasst und bauen gemein-sam unter fachlicher Anleitung und Kontrolle. Die Gruppe der Baufamilien wird durcheinen Träger (z. B. eine Wohnungsbaugesellschaft) betreut, der den Baufamilien einenbestimmten Selbsthilfewert garantiert. Der Wert der erbrachten Selbsthilfeleistungen �abzüglich der Betreuungskosten � fließt in die Finanzierung der Baumaßnahme ein.Die Teilnehmer/innen einer solchen Baumaßnahme sind vertraglich gebunden. DieGruppenselbsthilfe ist meist auf den Rohbau konzentriert, der Ausbau erfolgt dann inEinzelselbsthilfe durch jede Baufamilie. Die Träger übernehmen teilweise auch zusätz-liche Leistungen, wie z. B. Gewährleistung und Vorfinanzierungen, die bei Bauvorha-ben in Gruppenselbsthilfe schwieriger zu bewerkstelligen sind.

2.2. Untersuchungen zur Selbsthilfe im Wohnungsbau: ein ÜberblickDer Schwerpunkt der empirischen Untersuchungen der baulichen Selbsthilfe liegt inden 1980er Jahren. Analysiert wurden in erster Line Neubaumaßnahmen, wobei alleOrganisationsformen der Selbsthilfe (Einzel- und Gruppenselbsthilfe) im Mittelpunktder Betrachtung standen. Hinsichtlich der regionalen Verteilung steht häufig dieSelbsthilfe in Verdichtungsgebieten im Vordergrund, da die ländliche Selbsthilfe meistindividuell organisiert ist, eine lange Tradition hat und in der Regel wenig organisato-rische Probleme aufweist.

Die Auseinandersetzungen um die bauliche Selbsthilfe wird Mitte der 1980er Jahrenach Ansicht einiger Autoren hauptsächlich im Bau- und Architekturbereich geführt.Eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Selbsthilfe, die Fragen nachder Entstehungsgeschichte von Projekten, den Motiven der Handelnden, den Gruppen-

Page 134: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

123

prozessen und den Belastungen der Selbsthelfer beinhalten könnte, findet nur in Rand-bereichen statt.80 Dies hat sich bis heute nicht wesentlich verändert.

Die Fragestellungen, die in den empirischen Studien verfolgt werden, konzentrierensich auf die wohnungspolitische Bedeutung baulicher Selbsthilfe. Zentrale Frage ist,ob und unter welchen Voraussetzungen die Selbsthilfe einen Beitrag zur Wohnungs-versorgung leisten und damit zum Abbau der Engpässe der städtischen Wohnungs-märkte beitragen kann (Schäfer 1985). Über die reine Wohnversorgung hinausgehendsoll auch eine Verbesserung der Wohnverhältnisse durch die Selbsthilfe bewirkt wer-den. Dies gilt insbesondere für die Frage, ob durch bauliche Selbsthilfe der späterenNutzer und Nutzerinnen die Wohnsituation einkommensschwacher und sozial benach-teiligter Bevölkerungsgruppen verbessert werden kann (Marahrens 1988). Darüberhinaus werden auch �nicht-ökonomische Ansprüche� der Selbsthilfe thematisiert:mögliche �gemeinschaftsbildende Effekte der Gruppenselbsthilfe, Selbsthilfe als Mit-tel zur Selbstverwirklichung des Individuums sowie die Gruppenselbsthilfe als gesell-schaftsveränderndes Potential� (Marahrens 1988: 8).

Selbsthilfe gewinnt also als ein Instrument der Wohnungsversorgung an Bedeutung,sowohl in allgemeiner Hinsicht, aber auch insbesondere für Gruppen mit niedrigenEinkommen. Der baulichen Selbsthilfe wird demnach eine sozialpolitische Vertei-lungsfunktion zugeschrieben, die allerdings vor dem Hintergrund einer Debatte um dasSubsidaritätsprinzip auch kritisch reflektiert wird. Wenig problematisiert wird dage-gen, dass die Selbsthilfe vorwiegend an die Eigentumsbildung gekoppelt wird, insbe-sondere an das (freistehende) Einfamilienhaus. Die damit verbundene Konzentrationauf traditionelle Kernfamilien als Zielgruppen der Selbsthilfemaßnahmen ist erst injüngster Zeit auch als Ausgrenzung anderer Haushaltstypen in den Blick geraten (IRS1998).

Die Wohnungspolitik des Bundes und der Länder sieht die organisierte Gruppen-selbsthilfe als eine der geeignetsten Maßnahmen, die Eigentumsbildung junger Famili-en mit Kindern zu fördern, für die das eigene Haus als Wohnform �besonders geeig-net� erscheint (LEG 1987, Jäger 1998). Dies wurde durch die Ergebnisse eines For-schungsvorhaben der 1980er Jahre in den alten Bundesländern bestätigt, die zeigten,dass sich die organisierte Gruppenselbsthilfe besonders bei der Schaffung von Wohn-eigentum durch jüngere Familien mit mittleren und geringern Einkommen bewährt(BMBau 1991).

Betrachtet man nun die konkreten Forschungsvorhaben, so fällt auf, dass sich diese aufalle Formen der Selbsthilfe beziehen und eine vergleichsweise kleine empirische Basis

80 Vgl. dazu Deimer/Jaufmann 1985 und 1986.

Page 135: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

124

haben. Schäfer und Geelhaar untersuchten acht Baufamilien, die in Einzel- und Grup-penselbsthilfe Eigenheime (im Rohbau und/oder im Ausbau) erstellt haben. Die Fall-auswahl erfolgte anhand einer Typenbildung, in der verschiedene Kombinationen vonSelbsthilfeorganisationen berücksichtigt wurden. Bei den ausgewählten Fallbeispielenhandelt es sich um Familien, die die Selbsthilfe informell organisierten und deren Hel-fer sich aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis rekrutierten (Schäfer 1985, Geel-haar 1985). Als Ergebnis ihrer Analyse bringen sie Vorschläge zur Neugestaltung derSelbsthilfepraxis, wobei sich Geelhaar auf die planerischen und organisatorischen As-pekte der Selbsthilfe-Maßnahmen konzentriert und Schäfer die wohnungspolitischenRahmenbedingungen und die Fördermodalitäten in den Blick nimmt.

Die Studie von Marahrens bezieht sich auf 31 sekundäranalytisch untersuchte Selbst-hilfeprojekte im Wohnungsneubau. Er stellt fest, dass viele Projekte wenig bis garnicht dokumentiert sind (oder werden) und es oft nur schwer möglich ist, Berichte,Dokumentationen etc. zu bekommen. Bei diesen Projekten handelt es sich zum großenTeil um Baumaßnahmen in Einzelselbsthilfe, d. h. die späteren Nutzer arbeiteten alleinoder mit Hilfe weiterer Personen aus dem Verwandten- und Bekanntenkreis aus-schließlich am eigenen Haus. Die Selbsthilfeleistungen wurden sowohl im Rohbau alsauch im Ausbau (Innenausbau) geleistet, teilweise wurde nur der Ausbau in Selbsthilfeerbracht. Eine eigene empirische Erhebung nimmt der Autor am Beispiel der �LangenReihe� in Bremen vor, einem Gruppenselbsthilfeprojekt, in dem sieben Baufamilienwissenschaftlich begleitet wurden.

Eine Untersuchung der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) Nordrhein-Westfalenbeschreibt seit 1980 ein verstärktes Interesse an der Durchführung von Grup-penselbsthilfe-Maßnahmen. Die LEG hat bis 1987 in NRW 160 fertig gestellte Famili-enheime in 17 Gruppenvorhaben gebaut. Die Kombination der Gruppenvorhaben mitden Elementen des kosten- und flächensparenden Bauens, so ein Ergebnis dieser Un-tersuchung, hat sich als nicht realisierbar erwiesen. Zwar war bei den beteiligten Fami-lien eine hohe Bereitschaft zu Selbsthilfeleistungen vorhanden, doch richteten sichdiese Bemühungen neben den Einsparungsmöglichkeiten auch auf eine gehobene Bau-substanz und Ausstattung der Häuser. Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dassbeide Angebote (Gruppenselbsthilfe und kosten- und flächensparendes Bauen) unter-schiedliche Adressaten haben und daher nicht kombinierbar seien (LEG 1987).

In den 1990er Jahren verschiebt sich die Diskussion um die bauliche Selbsthilfe weiterin Richtung der organisierten Gruppenselbsthilfe. Neuere Beispiele für den Siedlungs-bau in organisierter Gruppenselbsthilfe sind die Siedlungen �Einfach und selber bau-en�, die im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscher Park durchgeführtwurden. In dem Zeitraum von 1993 bis 1998 wurden sieben Siedlungen in der Kombi-

Page 136: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

125

nation von organisierter Gruppenselbsthilfe und kosten- und flächensparendem Bauenerstellt. Diese Selbsthilfeprojekte werden als Fallbeispiel im zweiten Teil meiner Ar-beit ausführlich analysiert und dargestellt. Im Kontext dieser Maßnahmen gab es eineReihe von Veröffentlichungen, die ebenfalls dort diskutiert werden (Beierlorzer/Boll1998, Beierlorzer 1996 und 1999, Goerke 2001, IBA 1998, Kirbach 1999, Novy1999).

In den neuen Bundesländern wurden Ende der 1990er Jahre eine Reihe von Eigen-tumsmaßnahmen in organisierter Gruppenselbsthilfe durchgeführt und vom Institut fürRegionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) wissenschaftlich begleitet. Nach derWende und der Wiedervereinigung bestand Anfang der 90er Jahre in den neuen Bun-desländern eine äußerst angespannte Wohnungssituation. Neben der Unterstützung beider Sanierung der vorhandenen Bestände spielte in den wohnungspolitischen Strate-gien die Neuschaffung von Wohnraum und die Erhöhung der Eigentumsquote einebesondere Rolle. Ein Mittel, dies zu erreichen, sah die Bundesregierung in der organi-sierten Gruppenselbsthilfe für junge Familien mit niedrigem Einkommen. Gleichzeitigsollte damit die Eigeninitiative im Wohnbereich und die Bildung aktiver Nachbar-schaften gefördert werden. Im Jahr 1993 stellte die Bundesregierung insgesamt 82,5Millionen DM für Maßnahmen der organisierten Gruppenselbsthilfe (Neubau und Sa-nierung) zur Verfügung. Das Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung(IRS) untersuchte im Rahmen einer wissenschaftlichen Begleitforschung elf Modell-vorhaben über einen Zeitraum von vier Jahren. Ähnlich wie beim allgemeinen Eigen-heimbau überwogen traditionell geprägte Siedlungsvorhaben. Initiativmaßnahmen, d.h. von den Baufamilien selbst initiierte Projekte und Sanierungsvorhaben konnten we-gen der Förderbedingungen für Familien nur wenig berücksichtigt werden. Die Ver-bindung zum kosten- und flächensparenden Bauen, die in den alten Bundesländernzunehmend an Gewicht gewonnen hatte, trat in den neuen Ländern bei keinem Vorha-ben in den Vordergrund.

Die Begleitforschung hatte das Ziel, die Wirkungen der unterschiedlichen Verfah-rensweisen und Organisationsformen der organisierten Gruppenselbsthilfe aufzuzeigenund Optimierungsvorschläge zu entwickeln. Die Studie (IRS 1998) legte demnach ei-nen Schwerpunkt auf Organisationsfragen der Gruppenselbsthilfe (rechtliche Form,finanzielles Einsparpotenzial, Beratungs- und Betreuungsverfahren) und auf die bau-lich-technische Gestaltung (Frage nach für Laien geeignete Bauweisen und bautechni-schen Verfahren).

Obwohl mit der Hausbesetzerbewegung die bauliche Selbsthilfe zunehmend auch imMietwohnungsbau bzw. in der Sanierung und Modernisierung von Altbauten einge-setzt wurde, gibt es nur wenige Publikationen zur Selbsthilfe im Mietwohnungsbau.

Page 137: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

126

Günstige Miete, Wohnsicherheit und Mitgestaltungsmöglichkeiten sind unter Mieternund Mieterinnen weit verbreitete Wünsche. Um Mietern und Mieterinnen die Mög-lichkeit zu geben, Eigeninitiative und Eigenleistung bei der Umsetzung ihrer Wohnbe-dürfnisse und Wohnwünsche umzusetzen, wurde zum Beispiel das Konzept des �ver-einfachten, ausbaufähigen Wohnungsbaus� geschaffen (Weeber u. a. 1999: 36). Es isteine Variante, zum einen günstige Mietpreise und zum anderen mehr Gestaltungsspiel-raum zu ermöglichen.

Aktuell in der Diskussion sind die Möglichkeiten der Selbsthilfe im genossen-schaftlichen Wohnungsbau. Genossenschaften werden für eine unmittelbare Betei-ligung der Mitglieder am Bau und Betrieb der Wohnungen aufgrund ihrer Geschichteund Rechtsform geradezu als prädestiniert angesehen. Selbsthilfe, Selbstverwaltungund Selbstverantwortung sind die tragenden Ideen. Die bestehenden Altgenossenschaf-ten sind bislang nur wenig im Arbeitsgebiet der baulichen Selbsthilfe tätig. Immerhäufiger kommt es daher zur Gründung neuer Kleingenossenschaften für Selbsthilfe-Projekte, aber auch zu neuen Organisationsformen wie den Dachgenossenschaften.Genossenschaftliche Selbsthilfe-Projekte werden heute weniger im Kontext der großenAltgenossenschaften realisiert, sondern vielmehr im Rahmen der sogenannten �selbst-nutzenden Kleingenossenschaften� (Weeber u.a. 1999, Stattbau 2002). Die Untersu-chung von Mersmann/Bärtsch (1995) geht auf die Geschichte der Selbsthilfe in derDDR ein und zeigt Potenzial für aktuelle Selbsthilfeleistungen in Wohnungsgenossen-schaften der neuen Länder auf (vgl. auch Weiske 1995). Genossenschaften erhaltenauch im Kontext von Mieterprivatisierungen und als geeignete Trägerform für Wohn-projekte und neue Wohnformen eine neue Bedeutung. Im Kontext der vorliegendenArbeit spielt die Genossenschaft als Trägerform keine Rolle, da das Fallbeispiel � dieIBA Emscher Park Projektreihe �Einfach und selber bauen� � als selbstgenutztes indi-viduelles Wohneigentum umgesetzt wurde.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Selbsthilfe im Wohnungsneubauschwerpunktmäßig bei der Erstellung von selbstgenutzten Eigentumsobjekten einge-bracht wird. Die bauliche Selbsthilfe im Mietwohnungsbau bildet dagegen eher eineAusnahme. Sie wurde in den letzten Jahren in den großen Städten und in den neuenBundesländern zunehmend im Rahmen von Altbausanierungen eingesetzt. In der aktu-ellen Debatte rückt die Frage nach genossenschaftlicher Selbsthilfe in den Vorder-grund. Diskutiert wird die Organisationsform der Genossenschaft als besonders geeig-net für Selbstorganisation und Selbstbestimmung der Nutzer/innen. Die Einsatzmög-lichkeiten der baulichen Selbsthilfe werden im genossenschaftlichen Mietwohnungs-bau gesehen, aber auch in neuen Wohnformen, die sich zunehmend häufiger in derForm der selbstnutzenden Kleingenossenschaft organisieren. Darüber hinaus sind

Page 138: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

127

Selbsthilfe und Genossenschaften auch bei Mieterprivatisierungen wichtige Themen(z. B. Riwetho in Oberhausen).

2.3. Wesentliche ForschungsergebnisseBei der Forschung über bauliche Selbsthilfe rücken � entsprechend der verfolgten Fra-gestellungen � die Fragen der Finanzierung sowie der Rahmenbedingungen und Zielein den Mittelpunkt der Betrachtung. Weiter werden die Motive der Selbsthelfer undSelbsthelferinnen, ihre Belastungen durch den Hausbau und die Arbeitsteilung in derFamilie untersucht.

2.3.1. Rahmenbedingungen von Selbsthilfe-ProjektenExperten schätzen, dass bei etwa zwei Drittel aller neu gebauten Einfamilienhäuservon den Bauherren in irgendeiner Form Selbsthilfeleistungen erbracht werden. Für diealten Bundesländer schätzt man, dass seit 1945 ca. 40.000 Familieneigenheime inGruppenselbsthilfe errichtet wurden. In der DDR war kein Eigenheimbau ohne Selbst-hilfe vorstellbar.

Oft hatten also Bauherren, die Selbsthilfe leisteten, gar keine andere Wahl. Bei einer1984 durchgeführten Umfrage unter Selbsthelfern gaben 38% der Befragten an, dassihr angespartes Eigenkapital nicht für eine Finanzierung des restlichen Kapitalbedarfsdurch die Bank ausgereicht hätte (GEWOS 1985: 93). Dies wird durch die Infratest-Untersuchung Anfang der 80er Jahre unterstützt.

�Die Eigenkapitalquote ist im Verlauf der 70er Jahre zwar gesunken, sie fällt je-doch mit 42,7% (...) zum Ende der Dekade immer noch überraschend hoch aus.Dieses lässt sich u. a. durch den hohen Selbsthilfeanteil am Eigenkapital erklären.So bringen beispielsweise 80% der Bauherren von Ein- und Zweifamilienhäusern,die in eigener Regie gebaut haben, zur Kostensenkung Eigenleistungen auf. DieseHaushalte �finanzierten� schätzungsweise 40% ihres Eigenkapitals durch Selbsthil-feleistungen.� (Höflich-Häberlein/Weissbarth 1982: 621)

Die überwiegende Mehrheit des Baus von Ein- und Zweifamilienhäusern wird dem-nach mit einem nicht unerheblichen Selbsthilfeanteil realisiert.

Soziale Zielgruppen der Selbsthilfe-ProjekteDie GEWOS-Studie stellt für die 1980er Jahre ein leicht unterdurchschnittliches Ein-kommensniveau fest (GEWOS 1985:52). Bei den sogenannten �Mittelstandsprojek-ten�, die häufig von Akademikern durchgeführt wurden, ging es dagegen nicht in ers-ter Linie um eine Kostenreduzierung, sondern um Selbstbestimmung und Realisierungbestimmter Wohnformen. Eine Reihe von Projekten wurde mit Familien durchgeführt,deren Einkommen die Grenzen des § 25 II. WoBauG nicht überschritten. Bei Projek-ten mit besonderer Unterstützung der Kommunen wurden die Zugangsbedingungen

Page 139: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

128

noch weiter eingeschränkt, z. B. durch die Konzentration auf kinderreiche und jungeFamilien.

�Bei der Auswahl der Bewerber werden ebenfalls bestimmte Gruppen benachteiligt:Alte Leute und Behinderte haben kaum eine Chance, bei der Selbsthilfe mitzuwirken,da sie immer noch als Betätigungsfeld körperlich Gesunder und Kräftiger gilt � wie esder gängige Begriff der �Muskelhypothek� suggeriert.� (Marahrens 1988: 55).

Bei den in der Begleitforschung der IRS-Studie untersuchten Modellvorhaben in denneuen Bundesländern81 handelte es sich bei 97% der Beteiligten um traditionelle Fami-lien. Alleinerziehende waren nur verschwindend gering vertreten (5 von 105 Teilneh-menden), das Gleiche gilt auch für generationsübergreifende Baufamilien (nur in dreiFällen vorhanden). Die Autoren der Studie führen diese Ein- bzw. Beschränkung derZielgruppen auf traditionelle Familien zu großen Teilen auf die Förderbedingungenund Förderprioritäten der einzelnen Bundesländer zurück (IRS 1998: 22).82

Bezogen auf das Alter der Selbsthelfer und Selbsthelferinnen stellt Marahrens für die1980er Jahre fest, dass sich die Zusammensetzung fast ausschließlich auf die Al-tergruppe zwischen 25 und 45 Jahre konzentrierte. Sie entsprach damit im Wesentli-chen der Alterstruktur der eigentumsbildenden Haushalte allgemein, mit der Aus-nahme, dass die über 45-Jährigen beim herkömmlichen Hauskauf noch ein Fünftelausmachen, bei der Selbsthilfe jedoch kaum beteiligt waren. Diese Ergebnisse werdenauch in den neuen Bundesländern bestätigt. In den Modellvorhaben lag das durch-schnittliche Alter im Jahr 1997 bei den männlichen Erwachsenen bei 40 Jahren und beiden weiblichen Erwachsenen bei 38 Jahren. Etwa zwei Drittel der Baufamilien warenzwischen 31 und 40 Jahre alt und entsprachen damit dem in Deutschland üblichen Ein-stiegsalter in das Wohneigentum (IRS 1998: 22).

Die Ziele der organisierten GruppenselbsthilfeNeben dem vorrangigen Ziel, Wohneigentum für bestimmte Bevölkerungsschichten zuschaffen, wurden mit der organisierten Gruppenselbsthilfe noch eine Reihe weiterersozialer und wirtschaftlicher Ziele verfolgt. Die Mitbestimmungsmöglichkeiten beimPlanen und Bauen werden in Selbsthilfe-Projekten größer eingeschätzt als in konventi-onellen Baumaßnahmen. Die schon gegen Ende der 1970er Jahre häufig diskutierteNutzer/innenbeteiligung hat so in Gruppenselbsthilfe-Projekten eine größere Chancezur Durchsetzung. Damit verbunden wird häufig die Möglichkeit gesehen, durch die

81 Wissenschaftlich begleitet wurden elf Modellvorhaben in allen neuen Ländern. Mit einer Ausnahme handeltees sich um Neubauprojekte, die Größe der Selbsthelfergruppen lag dabei zwischen vier und 34 Baufamilien(IRS 1998: II).

82 Die Förderung von eigenständigen Wohnungen für Familienangehörige ist in der Regel ausgeschlossen.Generationsübergreifendes Wohnen ist demnach nur in einem gemeinsamen Haushalt möglich.

Page 140: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

129

aktive Mitarbeit in der Selbsthelfergruppe die Einbindung in eine dauerhafte, belastba-re Nachbarschaft zu ermöglichen. Die Selbsthilfe schafft im Idealfall eine enge Bin-dung an das selbst erbaute Haus und an die daran beteiligten anderen Selbsthelfer, denzukünftigen Nachbarn. Die LEG beschreibt positive Effekte der Selbsthilfe auf derEbene der Städte und Gemeinden in der Stabilisierung von Wohnquartieren:

�(...) denn die Mitglieder der Selbsthilfegruppe haben gelernt, Initiative zu entwi-ckeln, Probleme selbst anzupacken und dazu das Netz der nachbarschaftlichen Be-ziehungen zu nutzen. Selbsthelfer sind daher weit entfernt von einer passiv-fordernden Versorgungsmentalität.� (LEG 1987: 21)

Ein Selbsthilfe-Projekt � so die Hoffnung � ist nicht mit der Fertigstellung der Häuserbeendet. Die erworbenen sozialen Fähigkeiten sollen in die Gestaltung der Siedlung,aber auch darüber hinausgehend in das gesamte Wohnquartier eingebracht werden.Dies soll insofern anregend auf die Bewohner und Bewohnerinnen eines solchen Quar-tiers wirken, als dass ebenfalls in Eigeninitiative Verbesserungen an der baulichenSubstanz, Entrümpelung etc. vorgenommen werden. Die in Selbsthilfe-Projekten beo-bachtete Stabilität soll sich positiv auf die Nachbarschaft auswirken. Diskutiert wurdesogar die Nutzbarmachung der Leistungsbereitschaft der Selbsthelfer nach Ende derBaumaßnahme für die Schaffung öffentlicher Einrichtungen im Wohnumfeld (LEG1987).

Neben den beschriebenen sozialen Zielen der Gruppenselbsthilfe werden auch wirt-schaftliche Ziele verfolgt. Das zentrale Anliegen der baulichen Selbsthilfe wird in derEinsparung von Baukosten gesehen. Die Höhe der Einsparungsmöglichkeiten ist ab-hängig von der Bausubstanz (Neubau oder Bestand), der Eigentumsform und der Or-ganisationsform der Selbsthilfeleistungen. Bei Modernisierungsmaßnahmen im Be-stand erstreckt sich die Selbsthilfeleistung in der Regel auf die Fertigstellung der Ober-flächen (Anstrich- und Belegarbeiten) in Einzelselbsthilfe. Der erzielbare Einsparef-fekt kann hier nach Auffassung der LEG nur gering sein. Die organisierte Gruppen-selbsthilfe erlaubt dem gegenüber die Einsparung hoher Beträge (um die 20% der Ge-samtkosten), da die Selbsthilfeleistungen bereits im Rohbau einsetzen können (LEG1987: 20f.).

Bei der Diskussion der wirtschaftlichen Effekte auf das Baugewerbe und die Woh-nungswirtschaft wird hervorgehoben, dass die häufig geäußerten Nachteile der Selbst-hilfe (Schwarzarbeit und Verlust von Aufträgen) nicht zutreffen. Obwohl das Prinzipder Selbsthilfe auf der Substitution gewerblicher (Bau-)Leistungen durch Eigenleis-tung beruht, ist der Effekt einer solchen Maßnahme als grundsätzlich positiv einzu-schätzen. In einer Selbsthilfemaßnahme bauen häufig Familien, die sonst ihren Haus-wunsch nicht hätten realisieren können (GEWOS 1985).

Page 141: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

130

Trägermodelle und Organisation von SelbsthilfemaßnahmenIm Konzept der organisierten Gruppenselbsthilfe wird die Betreuung und Anleitung inder Regel durch einen Projektträger (z. B. Wohnungsunternehmen oder Baufirma) ü-bernommen. Die übliche Rollenverteilung (Bauherr, Bauleitung, ausführendes Unter-nehmen) wird durch die veränderte Organisationsstruktur abgewandelt. Der Trägerübernimmt häufig Planung, Baustellenleitung und auch finanzielle Vorleistungen. DieHäuser gehen meist erst nach Ende der Maßnahme in den Besitz der Familien über.Die �Bauherren� werden in diesen Projekten zu �Bauhelfern� und stehen unter derLeitung eines Poliers. Die notwendigen Selbsthilfeleistungen sind über Vereinbarun-gen geregelt. Die gearbeiteten Stunden werden in Form eines Baukontos oder einesStundenbuchs festgehalten. Dieses Konzept stellt besondere Anforderungen an Träger,Architekten und Bauleitung. Der Träger übernimmt in der Regel die technische undfinanzielle Betreuung der Maßnahme und stellt die Anleitungskraft. Die Anleitungsollte sowohl in baulicher Hinsicht als auch im Hinblick auf Gruppenprozesse kompe-tent und erfahren sein. Für die beteiligten Architekten bedeutet eine Selbsthilfemaß-nahme die verstärkte Einbindung der Familien in Planungsprozesse. Inwieweit tatsäch-lich Mitbestimmungsmöglichkeiten bei der Planung und Ausführung bestehen, wird inden einzelnen Projekten sehr unterschiedlich beurteilt.

Im Vorfeld der Selbsthilfeprojekte sollte eine intensive Beratung bezüglich der finan-ziellen Voraussetzungen und der zu leistenden Selbsthilfestunden erfolgen. Die realis-tische Einschätzung des möglichen Selbsthilfepotenzials der jeweiligen Familien istentscheidend für den Erfolg des Projektes. In älteren Veröffentlichungen zu Selbsthil-femaßnahmen wird die Zusammensetzung der Gruppe der Baufamilien als eine we-sentliche Voraussetzung der Maßnahme angesprochen. Einige Träger gehen von derAnnahme aus, dass die Zusammensetzung der Gruppe gesteuert werden muss, d. h. essollten genügend Personen mit handwerklichen Qualifikationen vorhanden sein (LEG1987). Neuere Publikationen betonen, dass für jeden Personenkreis Arbeit auf einerSelbsthilfebaustelle vorhanden ist und keine handwerklichen Kenntnisse vorhandensein müssen (Jäger 1998).

Übereinstimmend wird von einer notwendigen Schulung der Baugruppe in technischerund in gruppendynamischer Hinsicht gesprochen. Die technische Schulung erfolgt ineinigen Fällen durch die Einweisung in bestimmte handwerkliche Tätigkeiten, z. B.Mauern. Im Hinblick auf die Gruppendynamik wird der Aufbau einer demokratischenEntscheidungskultur eingefordert. Die Gruppenmitglieder übernehmen im Bauprozessbestimmte Funktionen, wie beispielsweise Obmann oder Gruppensprecher/in. Die ge-genseitigen Verpflichtungen zur Selbsthilfe werden vertraglich geregelt.

Page 142: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

131

Im Zusammenhang mit Selbsthilfeprojekten wird häufig von einer Verlängerung derBauzeit gesprochen. Als Richtwert gilt eine konventionelle Bauzeit von etwa einemJahr. Die untersuchten Projekte haben eine große Spannbreite in der Bauzeit, die vonsieben Monaten bis zu 36 Monaten reicht. Im Durchschnitt geht man jedoch von einervernünftigen Obergrenze für die Bauzeit von maximal zwei Jahren aus (LEG 1987).Allerdings entstehen durch die Verlängerung der Bauzeit in der Regel zusätzliche Kos-ten aufgrund notwendiger Zwischenfinanzierungen.

Als wesentliche Rahmenbedingung für das Gelingen von Selbsthilfemaßnahmen wur-de die Unterstützung von Städten und Gemeinden identifiziert. Die unterstützende Be-gleitung durch die betreffende Kommune kann z. B. durch den Nachweis geeigneter,kostengünstiger Baugrundstücke, der Subventionierung der Grundstückspreise, dieVergabe von Gründstücken im Wege des Erbbaurechts sowie Information und Bera-tung erfolgen (IRS 1998: 33).

2.3.2. Selbsthilfe und FinanzierungFinanzielle Aspekte stehen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Betrachtung derSelbsthilfe im Wohnungsbau. Untersucht werden zwei Themenkomplexe: das Ein-sparpotential durch Selbsthilfe und die Rolle der Eigenleistung in der Gesamtfinan-zierung des Hausbaus.

Die finanztechnische Funktion der Selbsthilfe lässt sich definieren als Eigenkapitaler-satz bzw. Einsparungsmöglichkeit, um die teuren Fremdmittel zu reduzieren. Bei einerherkömmlichen Hausfinanzierung wird der größte Teil der Baukosten durch die Auf-nahme von Fremdmitteln auf dem Kapitalmarkt bzw. bei Bausparkassen abgedeckt.Das Einbringen von Selbsthilfe verfolgt das Ziel, über eine Reduktion der Fremdmitteleine Verminderung der monatlichen Belastung zu erreichen. Die monatliche Belastungder Haushalte setzt sich zusammen aus dem Schuldendienst für aufgenommenesFremdkapital (Finanzierungskosten) und einer Betriebs- und Instandhaltungspauscha-le.

Die reinen Baukosten eines Gebäudes (Roh- und Ausbau) umfassen ca. 60 bis 70% derGesamtkosten. Bei geringeren Grundstückspreisen, etwa in ländlichen Gebieten, liegtder Anteil der Baukosten noch höher. Etwa die Hälfte der Baukosten sind Materialkos-ten. Damit entfallen ca. 30% der Gesamtkosten auf den Lohnanteil der reinen Baukos-ten. Hier liegt das größte Einsparungspotential der Selbsthilfe (Marahrens 1988). AlsNebeneffekte der Gruppenselbsthilfe entstanden in einigen Projekten auch Kostenvor-teile wie z. B. die Verringerung der Planungskosten für mehrfach gebaute Objekte unddie Ersparnis durch gemeinsamen Materialeinkauf. Von den Einsparungen müssen dieKosten der Betreuung abgezogen werden. Der Träger hat durch die Betreuung und

Page 143: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

132

Steuerung der organisierten Gruppenselbsthilfe zusätzliche Aufwendungen (Einsatzeines Poliers oder Fachbauleiters und die Koordination der Baustelle). Die Grenzendes Selbsthilfevolumens werden vor allem durch den Anteil der Lohnkosten an denreinen Baukosten bestimmt. Generell kann der Umfang der Selbsthilfeleistungen sehrunterschiedlich ausfallen. Selbsthilfe kann sich sowohl auf den Rohbau als auch aufden Ausbau und die Baunebenleistungen erstrecken. Marahrens weist auf einen deutli-chen Unterschied zwischen betreuten und nicht betreuten Projekten hin. In betreutenMaßnahmen war Selbsthilfe in den Bereichen Bauplanung, Bauleitung, Beschaffungund finanzielle Abwicklung kaum möglich.

Der Wert der Selbsthilfeleistung ist nach § 36 II. WoBauG � Eigenleistung durchSelbsthilfe � �mit dem Betrag als Eigenleistung anzuerkennen, der gegenüber den üb-lichen Kosten der Unternehmerleistung erspart wird. (...) Zur Selbsthilfe gehören dieArbeitsleistungen, die zur Durchführung eines Bauvorhabens ... von den Bauherrenselbst, von seinen Angehörigen (und) von anderen unentgeltlich oder auf Gegenseitig-keit erbracht werden� (§36, II. WoBauG).

Die Angaben zu möglichen Einsparungspotenzialen der baulichen Selbsthilfe sind sehrheterogen (vgl. Tab. 8). Problematisch ist darüber hinaus, dass aufgrund unterschiedli-cher Bezugsgrößen die Angaben nur bedingt vergleichbar sind.

Tab. 8: Übersicht: Einsparungspotenzial der SelbsthilfeAutor(in) Anteil der Selbsthilfe an den

KostenErwirtschafteteBeträge

Stundensätze

Schäfer(1985)

Von ca. 30% bis 50% des Wertesvon Bauwerk und Außenanlagen(ohne Baunebenkosten)

Durchschnittlich30 DM

Marahrens(1988)

36% bis 43% der Kosten von Bau-werk, Außenanlagen und Bauneben-kosten

über 100.000 DM

LEG(1987)

1/4 bis 1/3 der Gesamtkosten 55.000 DM bis80.000 DMdurchschnittlich70.000 DM

20 DM bis 26DM, durchschnitt-lich 22,30 DM

IRS(1998)

durchschnittlich 17% der Gesamt-kosten

39.438 DM bis84.263 DM

Durchschnittlich15 DM

(Quelle: eigene Zusammenstellung nach den angegebenen Autoren)

In der Einzelfallstudie von Schäfer lagen die durch die Selbsthilfe erreichten Ein-sparpotenziale sehr hoch. Dies ist zum Teil auf die Kriterien der Fallauswahl zu-rückzuführen, da gezielt Projekte ausgewählt wurden, die möglichst viel Selbsthil-feleistungen erbracht haben. Der Selbsthilfeanteil reichte von ca. 30% bis 50 % desWertes von Bauwerk und Außenanlagen (ohne Baunebenkosten). Einer der unter-suchten Fälle beschränkte die Selbsthilfe auf Ausbaumaßnahmen und kam auf eine

Page 144: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

133

Einsparung von 16,4% der reinen Baukosten. Der durchschnittliche Stundensatz liegtbei ca. 30 DM (Schäfer 1985: 150).

Die LEG dokumentiert ein 1980 durchgeführtes Selbsthilfeprojekt und kommt zu et-was niedrigeren Werten. Die von ihnen errechneten Selbsthilfewerte liegen zwischen55.000 und 80.000 DM. Das bedeutet für den Stundenwert eine Schwankung zwischen20 und 26 DM in unterschiedlichen Bauabschnitten. Der durchschnittliche Selbsthilfe-ertrag lag demnach bei 70.000 DM und einem durchschnittlichen Stundenwert von22,30 DM.

Auf ein ebenfalls hohes Einsparungspotential der Selbsthilfe kommt Marahrens amBeispiel eines Projektes in Bremen. Die Kosteneinsparungen lagen über 100.000 DMund umfassten zwischen 36% und 43% der Kosten von Bauwerk, Außenanlagen undBaunebenkosten. Die Bauzeit lag im Bremer Projekt zwischen 18 und 20 Monaten(Marahrens 1988: 153).

Diese vergleichsweisen hohen Stundensätze für die geleistete Selbsthilfe lassen sich inneueren Projekten nicht bestätigen. Die IRS kommt bei den Maßnahmen 1997 auf ei-nen durchschnittlichen Stundensatz von 15 DM. Insgesamt lag die Kostenersparnis inden Modellvorhaben der neuen Bundesländer im Durchschnitt bei 17% der Gesamt-kosten (IRS 1998: 77). Anteile von 30% der Gesamtkosten konnten nur erarbeitetwerden, wenn viele Helfer und Helferinnen vorhanden waren oder die Selbsthelferüber besondere Qualifikationen verfügten. Die durchschnittlichen Eigenleistungen la-gen zwischen 39.438 DM und 84.263 DM (ebd.).

Die Einsparmöglichkeiten durch Selbsthilfe hängen von der Anzahl der geleistetenStunden ab. Die Frage, wie viele Stunden eine Familie am Hausbau mitarbeiten kann,beschäftigt Forschung und Praxis seit den 1980er Jahren. Die Stunden werden in derRegel für ein Jahr berechnet, auch wenn die Bauzeit von Selbsthilfeprojekten durch-schnittlich höher liegt. Die Berechnung der möglichen Arbeitsstunden geht von einemberufstätigen Selbsthelfer aus, der regelmäßig nach seiner regulären BerufstätigkeitStunden auf der Baustelle leistet, die freien Samstage und seinen Jahresurlaub einsetzt.Die Schätzungen reichen von jährlich 1.100 Stunden (Peters 1984: 36) bis zu 1.500Stunden (LEG 1987:39) und mehr. Marahrens kommt auf 1.600 Stunden im Jahr (vierStunden pro Tag plus zehn Stunden samstags ergibt eine Wochenarbeitszeit von 30Stunden und vier Wochen Urlaub mit täglich acht Stunden) als maximale Selbsthilfe-leistung eines einzelnen Selbsthelfers (Marahrens 1988: 74). Diese Schätzung dürftenach den berichteten Praxiserfahrungen eindeutig zu hoch liegen.

Wenn Helfer und Helferinnen auf der Baustelle mitarbeiten, erhöht sich die Zahl dermöglichen Selbsthilfestunden. Im Gegensatz zu den neueren Maßnahmen beschreibtMarahrens, dass bei einigen Projekten nur in Ausnahmefällen unbezahlte Helfer mit-

Page 145: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

134

arbeiteten. In einigen der von ihm untersuchten Projekte war der Helfereinsatz sogaruntersagt. In einigen Projekten waren Helfer/innen von der Rohbauphase ausgeschlos-sen, konnten aber bei dem individuellen Innenausbau eingesetzt werden. Die Mehrzahlder Helfer/innen kam aus dem Bekanntenkreis (Nachbarn und Kollegen), aus der eige-nen Verwandtschaft stammten deutlich weniger (Marahrens 1988: 82). In dem vonSchäfer untersuchten Beispiel zog die Gruppe ebenfalls kaum Helfer/innen von außenhinzu, weshalb das Arbeitskräftepotential beschränkt war. Dies bedeutete in der Regeleine Verlängerung der Bauzeit, die sich nach Schäfer bis zu drei Jahren hinziehenkonnte (Schäfer 1985: 106).

Die Annahme, dass ein geringer Eigenkapitalanteil zu einer entsprechend höherenSelbsthilfeleistung führen würde, hat sich in der Analyse von Marahrens nicht be-stätigt. Die Selbsthilfeanteile waren bei Selbsthelfern mit geringem Eigenkapital ge-nauso hoch wie bei Selbsthelfern mit hohem Kapitalanteil (Marahrens 1988: 91). Beimittlerem Einkommen ist die Erwerbstätigkeit der (Ehe-)Frau trotz Kostenreduzierungdurch Selbsthilfe eine Bedingung für den Einstieg ins Wohneigentum. Diese Bedin-gung steht allerdings im Widerspruch zu der wohnungspolitischen Forderung, dass einEigenheim gerade Familien mit Kleinkindern ermöglicht werden sollte (Schäfer 1985:162).

Ein wichtiger Aspekt ist die Frage, inwieweit die Selbsthilfe zur Senkung der mo-natlichen Belastung beitragen kann. In der Bremer Studie erhöhte sich die monatlicheBelastung durch die Wohnkosten um durchschnittlich 518 DM (Marahrens 1988: 158).Die monatlichen Wohnkosten in den Modellvorhaben der neuen Bundesländer weiseneine Spanne von 630 DM bis zu 2.400 DM und lagen durchschnittlich bei 1.330 DM(IRS 1998: 89). Das entsprach bei ca. zwei Drittel der Haushalte einer üblichen Belas-tung mit Wohnkosten von Haushalten mit mittleren und höheren Einkommen undwurde von den Familien als tragbar angesehen. Ein Teil der Baufamilien mit niedri-gem Einkommen hat jedoch auch überdurchschnittlich hohe Wohnkosten, so wurdenWohnkosten von 50 bis nahezu 90 Prozent des Familieneinkommens angegeben (IRS1998: 89). Dies führte zu hohen Belastungen des Haushaltseinkommens und weist ineinigen Fällen auf eine massive finanzielle Überlastung hin. Eine dauerhafte Finanzie-rung der Häuser wird dadurch in Frage gestellt, insbesondere vor dem Hintergrund,dass in einigen Jahren eine Belastungssteigerung durch den Anstieg von variablenZins- und Tilgungsleistungen zu erwarten ist und sich dadurch und durch den Wegfallder Eigenheimzulage nach acht Jahren erhebliche Mehrbelastungen ergeben werden(IRS 1998: 92).

Page 146: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

135

2.3.3. Motive der Selbsthelfer/innenIn den sozialwissenschaftlichen Studien zu Selbsthilfeprojekten zeigt sich, dass derEntscheidung, ein Haus zu bauen, nicht ein ausschlaggebendes Motiv, sondern einBündel von Motiven zugrunde liegt. Ein Eigenheim � so Marahrens � wird vorwie-gend aus zwei Gründen angestrebt: Verbesserung der Wohnqualität in quantitativerund qualitativer Hinsicht sowie finanzielle Attraktivität des Eigentums (Marahrens1988: 98). Seiner Ansicht nach unterscheiden sich Selbsthelferhaushalte in dieser Hin-sicht nicht von anderen wohneigentumsbildenden Haushalten. Das wichtigste Motivzum Hausbau in Selbsthilfe sind die finanziellen Einsparungsmöglichkeiten.

Der Wunsch nach einem eigenen Haus wird häufig als ein Wert an sich angesehen, dernur noch konstatiert, aber nicht mehr nach seinen Bestimmungsgründen hinterfragtwird. Das Motiv, durch den Hausbau eine sichere Kapitalanlage zu schaffen und dieeigene Versorgung im Alter abzusichern, bestätigt sich laut Marahrens nicht. Auch deroft genannte Stolz auf �etwas Eigenes� wurde in dieser Untersuchung allenfalls alseine positive Begleiterscheinung bewertet. Der Autor stellt dem gegenüber zwei zent-rale Motivationsstränge heraus: der Wunsch nach mehr Verfügungsrechten über denWohnraum und finanzielle Gründe. Letztere beruhen auf dem Gedanken, dass man�für sich selbst� zahlt. Aus diesem Grund sind die Familien bereit, einen größeren fi-nanziellen Aufwand in Kauf zu nehmen. Abweichend von der Einschätzung Marah-rens ist das Motiv �für sich selbst� zu zahlen m. E. durchaus als Vermögensbildungder Haushalte anzusehen.

Marahrens stellt fest, dass ein wesentlicher Grund für den Hausbau bei den von ihmuntersuchten Haushalten in bestimmten, stark negativ bewerteten Merkmalen der bis-herigen Wohnung liegt. Dazu zählen zum einen die geringe Wohnungsgröße und derschlechte Wohnungszuschnitt, zum anderen Gründe, die in den strukturellen Be-dingungen eines Mietverhältnisses liegen (z. B. Angst vor Kündigungen und Miet-erhöhungen) (Marahrens 1988: 127). Gegenüber der bisherigen Wohnung wurden vorallem größere Wohnungen mit einem besseren Ausstattungsstandard in einem anderenWohnumfeld gewünscht. In der Untersuchung des IRS wurde die Eigentumsbildungals ein Grund für die Umzugsentscheidung mit 9% überraschend wenig angegeben.Das Haus als ein Statussymbol und eine finanzielle Absicherung für den späteren Le-bensabschnitt spielte allerdings in den vertiefenden Gesprächen eine Rolle, in denendie Sicherung einer langfristig kostengünstigen Wohnsituation hervorgehoben wurde(IRS 1998: 39).

Für die meisten Familien war der ausschlaggebende Grund für das Bauen in Selbsthil-fe der große finanzielle Vorteil durch Eigenarbeit. Marahrens stellt ein instrumentellesVerhältnis zur Gruppenselbsthilfe fest. Diese Form wurde vorrangig unter finanziellen

Page 147: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

136

Gesichtspunkten gewählt (der Bau wird durch die Gruppenorganisation billiger) unddie Gruppenselbsthilfe als eine mögliche Organisationsform gesehen.

�Die konzeptionelle Vorstellung der Architekten, gemeinsames Planen und Bauenals kollektiven Lernprozess zu begreifen und die gemeinschaftsbildenden Perspek-tiven zu betonen, trat bei den Selbsthelfer-Familien eindeutig in den Hintergrund.�(Marahrens 1988: 139)

2.3.4. Familie und ArbeitsteilungDie Selbsthilfe am Bau bezieht die ganze Familie mit ein und muss daher schon in derVorbereitungsphase bedacht werden. Es werden jedoch in den vorhandenen Berichtenkaum Angaben über die Mitarbeit der Familienangehörigen gemacht. In der Regel lagdie eigentliche Arbeit auf der Baustelle in den Händen der Männer. Dies ist aus derSicht der LEG begründet durch die Tradition der organisierten Selbsthilfe und der ge-sellschaftlichen Verbreitung der familiären (geschlechtsspezifischen) Rollenverteilung.

In den Untersuchungen von Schäfer und Marahrens wird diese Einschätzung bestätigt.Marahrens geht davon aus, dass Frauen durchgängig weniger auf der Baustelle tätigwaren und identifiziert eine Reihe von Gründen für diese Arbeitsteilung. Ein wesentli-cher Aspekt der Arbeitsteilung scheint die Stellung der Familie im Lebenszyklus zusein. Der Eigenheimbau findet zu einem Zeitpunkt statt, in dem die Familie stark mitder Erziehung der noch verhältnismäßig kleinen Kinder beschäftigt ist. Diese Aufgabeliegt nach wie vor traditionell in den Händen der Frauen. Darüber hinaus hat Marah-rens festgestellt, dass in den von ihm untersuchten Projekten die Frauen von der Mit-arbeit auf der Baustelle durch ihre Männer teilweise ausgeschlossen wurden. Als Be-gründungen wurden angeführt: Frauen haben solche harte Arbeit nicht nötig, sie habenkeine handwerklichen Kenntnisse und durch die Mitarbeit der Frauen gäbe es nur Är-ger und Streit (Marahrens 1988: 85f).

In der Studie von Marahrens arbeitete keine der Frauen während der Rohbauphase aufdem Bau mit. Bis auf eine Ausnahme akzeptieren die Frauen den Ausschluss von denBauarbeiten. Lediglich eine Frau mit handwerklichen Kenntnissen und schon großenKindern wollte bereits beim Rohbau mitarbeiten. Diese Gruppe hatte jedoch die Regel,dass nur eine Person pro Haus arbeiten sollte und alle weiteren Helferleistungen dergesamten Gruppe zugute kommen würden (Marahrens 1988: 179).

Im Innenausbau wurden Frauen verstärkt aktiv. In der Beobachtung von Marahrenshalfen sie in der Regel bei einfachen Arbeiten (Aufräumen, Saubermachen, Hand-langerdienste). Allerdings wird in seinen Zitaten deutlich, dass bei den Frauen zumeinen ein großes Engagement bestand und zum anderen ein deutliches Potenzial, auchanspruchsvollere Arbeiten erledigen zu wollen. Er kommt zu dem Fazit:

Page 148: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

137

�Somit führte die von der Gruppe praktizierte bauliche Selbsthilfe sicherlich bei ei-nem Teil der Beteiligten zu einer Verfestigung traditioneller Familienstrukturen(...) und zur Aufrechterhaltung der familieninternen Arbeitsteilung ...�. (Marahrens1988: 181)

Die gewohnte und bisher als funktional empfundene Arbeitsteilung setzte sich somitauch während der Bauzeit in der Familie fort und bewahrte alle Familienmitglieder vorder Notwendigkeit, ein neues Rollenverhalten einüben zu müssen. Diese Arbeitstei-lung wird jedoch nicht nur kritisiert, sondern auch als sinnvoll empfunden. In der Do-kumentation der LEG wird die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung als eine notwen-dige oder zumindest doch sinnvolle Grundlage für den Hausbau in Selbsthilfe angese-hen:

�Wenn mehrere Mitglieder einer Familie an der Baustelle mitarbeiten wollen, ge-fährdet dies den Leistungsausgleich mit den anderen Familien, wo meist nur einermitarbeiten kann. Noch häufig fällt diese Aufgabe dem Mann zu, während die Part-nerin sinnvollerweise die familiären Aufgaben und die Zuarbeit für Baustelle (Ver-sorgung, Fahrten und Botengänge) übernimmt.� (LEG 1987: 30)

In der Arbeit von Schäfer wird der zeitliche Aufwand der Ehefrauen genauer unter-sucht. Der Autor stellt fest, dass die Einbindung der Frauen in die Bauarbeit erheblichwar. Viele von ihnen erbrachten ein Viertel und mehr Leistungen im Vergleich zu ih-ren Ehemännern. Nicht darin enthalten war die zusätzliche Arbeit in der Familie undim Haushalt durch die Bautätigkeit wie z. B. Waschen, Nähen und Verpflegung. Zu-sätzlich dazu wurden von den Frauen Aufgaben übernommen, die sonst vom Mannerledigt wurden. Frauen waren demnach einer vierfachen Belastung ausgesetzt: Kin-der, Haushalt, Beruf und Bauarbeit. Das heißt, dass die Frauen trotz ihrer �baulichenAbstinenz� (Schäfer 1985) eine erhebliche Belastung getragen haben.

Den obigen Ausführungen zur Mitarbeit der Frauen auf der Baustelle widerspricht dieStudie des IRS. In den Modellvorhaben der neuen Bundesländer beobachteten die Au-toren eine gleichwertige Zusammenarbeit von Männern und Frauen auf der Baustelle.In der Regel waren Frauen auch bei den körperlich anstrengenden Tätigkeiten betei-ligt. Richtet man den Blick jedoch auf die Organisation der familiären Tätigkeiten, sozeigt sich auch hier eine weitgehend traditionelle Aufgabenteilung. Den Hauptteil derVersorgung und der Betreuung der Kinder wird von den Frauen, von weiblichen Ju-gendlichen oder Helferinnen aus der Familie, z. B. Großmüttern, geleistet (IRS 1998:59f.).

Im weiteren Verlauf seiner Studie geht Schäfer der Frage nach, in welcher Weise dieBauzeit die Binnenbeziehungen innerhalb der Familie beeinflusst hat. Die Selbsthilfebeim Bau galt als Männersache.

Page 149: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

138

�Unter dem Aspekt der ehelichen Rollenverteilung kann das bedeuten, dass dieSelbsthilfe ein Mittel zur Stärkung der Rolle des Mannes als Versorger der Familiedarstellt.� (Schäfer 1985: 125)

Der Hausbau in Selbsthilfe stellt sich in dieser Perspektive als ein Modell aufwerten-der Selbstverwirklichung des Mannes dar. Der Hausbau kann jedoch auch ein Feld derehelichen Kooperation sein. Dies erfordert allerdings bestimmte familienstrukturelleVoraussetzungen. Im Sample von Schäfer war dies der Fall bei einem kinderlosen E-hepaar, die beide Vollzeit berufstätig waren und gleichviel verdienten. Betrachtet mandie Situation der Kinder während der Bauzeit, so ist von einem deutlichen Interessen-konflikt auszugehen. Gerade in einer intensiven Betreuungs- und Erziehungsphase derKinder ist der Vater durch die Arbeitsbelastung auf der Baustelle häufig abwesend.

2.3.5. Arbeitsbelastung durch die SelbsthilfeIn allen Berichten über bauliche Selbsthilfe wird auf die große physische und psy-chische Belastung der Selbsthelfer und ihrer Familien hingewiesen. Diese Angabenwerden jedoch in den seltensten Fällen präzisiert. Schäfer konstatiert, dass die von ihmuntersuchten Baufamilien keine Alternative zur Selbsthilfe sahen, die Selbst-hilfeleistungen also unabdingbar waren, um das gewünschte Eigenheim zu bekommen.Diese Sichtweise kann eine kritische Wahrnehmung der Belastung verhindern. Eineempirische Erhebung der Belastung war abgesehen von einer Ermittlung des Zeitauf-wandes dadurch erschwert (Schäfer 1985: 109). Was macht nun die Belastung aus?

Der immense Zeitaufwand für die Arbeit auf der Baustelle wird an erster Stelle ge-nannt. Zeit für sich selbst oder für die Familie bleibt kaum, von sozialen Kontaktenüber die Familien hinaus ganz zu schweigen. Die zeitliche Belastung wird von ver-schiedenen Faktoren beeinflusst: der Dauer der Bauzeit, den geleisteten Selbsthilfe-stunden und die Art der Arbeitsteilung in der Familie. Die Bauzeit der untersuchtenProjekte variiert je nach Organisationsform der Baustelle und dem verfügbaren Zeit-budget der Selbsthelfer zwischen 13 Monaten und drei Jahren. Schäfer geht von einerdurchschnittlichen wöchentlichen (Selbsthilfe)Arbeitszeit von 20 Stunden aus. Diesbedeutet immerhin einen Zeitaufwand, der 50% der beruflichen Arbeitszeit ausmacht(Schäfer 1985: 121). Das Hauptproblem der Männer bestand in der Vereinbarung derberuflichen Arbeit mit der Arbeit auf der Baustelle. Dies konnte durch unregelmäßigeArbeitszeiten oder Schichtarbeit erschwert werden. Die Bauzeit fällt in der Regel ineine Phase im Familienzyklus, in der die Kinder ihre Eltern zeitlich am meisten bean-spruchen. Durch die Bauarbeit kommen auf die Frauen eine Reihe zusätzlicher Arbei-ten zu, z. B. Behördengänge und sonstige Besorgungen, und auch die Hausarbeit wur-de durch den Hausbau umfangreicher.

Page 150: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

139

Aus den zeitlichen Belastungen ergeben sich auch Belastungen oder Konfliktsitua-tionen in anderen Bereichen während der Bauzeit. Schäfer benennt als weitere Be-lastungsfelder die Einschränkung der Freizeit und der sozialen Kontakte sowie mögli-che Konflikte in der Familie und auf der Baustelle (Helfer, Gruppe etc.). Er zeigt auf,dass die Selbsthelfer zum Teil bewusste Strategien entwickelten um diese Belastungenzu reduzieren (Schäfer 1985: 89). Die Strategien der Selbsthelfer im Umgang mit denEinschränkungen sind je nach der Vorerfahrung mit solchen Situationen unterschied-lich. Waren Erfahrungen mit Bausituationen (oder Nebenerwerbstätigkeiten) vorhan-den, so gelang es den Bauherren, ihnen wichtige Freizeittermine trotzdem wahrzu-nehmen. In anderen Fällen konzentrierte sich das alltägliche Leben vollständig auf denHausbau.

Konflikte in der Familie � zwischen den Ehepartnern oder mit den Kindern aufgrundder häufigen Abwesenheit des Mannes während der Bauzeit � können ebenfalls zuerheblichen Belastungen führen. Neben der Familie ist auch die Baustelle ein mögli-cher konfliktträchtiger Ort (Probleme untereinander, mit den Helfern oder mit Bau-handwerkern). Die Auswirkungen auf die Familie werden zwar von allen Autorenkonstatiert, aber durchaus unterschiedlich eingeschätzt und bewertet. In der Einschät-zung von Marahrens konnten die Familienmitglieder die häufige Abwesenheit des Va-ters gut verkraften, allenfalls kleinere Kinder litten teilweise darunter.

�Insgesamt lässt sich also zu den durch die Eigenarbeit auf der Baustelle auftreten-den Belastungen sagen, dass diese von den Betroffenen als gar nicht so gravierendempfunden wurden. (...) Diese subjektive Wahrnehmungsweise dürfte aber durchdie Gratifikation des fertigen Hauses stark beeinflusst worden sein.� (Marahrens1988: 90)

Dagegen zeigt die Untersuchung des IRS auf, dass insbesondere Familien mit Kindernden Einfluss der Bauzeit auf die Familie als negativ bewerten. Es gab jedoch auch Fa-milien, die den Bauprozess als positiven Einfluss auf die Familie ansahen. Die neueAufgabe wurde als Stärkung der Partnerschaft und des Familienzusammengehörig-keitsgefühl bewertet und insgesamt als Bereicherung empfunden (IRS 1998: 61).

Ein weiterer Belastungsfaktor ist die körperlich sehr anstrengende Bauarbeit. Bei derArbeit auf dem Bau ergaben sich witterungsbedingte körperlichen Belastungen undkörperlich anstrengende Arbeiten (z. B. Transport und Heben von schweren Baumate-rialien). Aus Kostengründen verzichteten viele Selbsthilfeprojekte auf den Einsatz vonarbeitssparenden Maschinen und ersetzten fehlende Maschinen durch Handarbeit. DieBewertung der körperlichen Belastung durch die Bauherren selber fiel in der Studievon Schäfer ambivalent aus. Einige hatten keine Probleme damit und empfanden diekörperliche Arbeit sogar als angenehm (�Trimm-Dich-Aktion�). Andere benötigten

Page 151: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

140

eine Gewöhnungszeit und kamen dann gut mit der körperlichen Belastung klar. EinemTeil der Selbsthelfer fiel die körperliche Arbeit jedoch sehr schwer.

�Bei der subjektiven Reaktion auf körperliche Belastungen lässt sich eine Anpas-sung an den Zwang zum Bauerfolg beobachten, die schon während der Bauzeit da-zu führen kann, dass gesundheitliche Schäden verleugnet werden.� (Schäfer 1985:137)

Auf den Umgang der Selbsthelfer mit den Belastungen gibt es nur wenige Hinweise.In der Studie von Schäfer wird darauf hingewiesen, dass die Arbeit auf der Baustellezwar als sehr schwer, aber für die meisten als durchaus tragbar empfunden wurde. Al-lerdings wurde die Arbeit zu Beginn der Bauphase als gut erträglich eingeschätzt, ge-gen Ende der Rohbauphase dagegen als immer unerträglicher. �Interessanterweise be-zeichneten die Frauen die physischen Anstrengungen für ihre Männer als sehr viel här-ter als jene selbst� (Marahrens 1988: 175); d. h. es ist eine geschlechtsspezifischeWahrnehmung der körperlichen Belastung feststellbar.

Insgesamt wird die subjektive Einschätzung der Baufamilien in Fragen der Belastungproblematisiert. In der Regel sind Baufamilien befragt worden, die das Selbsthilfe-Projekt erfolgreich abgeschlossen haben � Familien, die den Bauprozess abgebrochenhaben, wurden nicht befragt. Die Autoren heben hervor, dass durch den Erfolg dieSichtweise auf die Belastungen der Bauzeit relativiert werden können, sie �verblassen�in der Erinnerung.

2.3.6. �Nebenwirkung�: Die Förderung des NachbarschaftsgedankensDurch die gemeinsame Arbeit am Bau � so die Vorstellung vieler Forscher und For-scherinnen und Planer und Planerinnen � haben die Baufamilien Gelegenheit, sich be-reits vor dem Einzug intensiv kennen zu lernen und damit eine gute Basis für nachbar-schaftliche Beziehungen entstehen zu lassen. Zweifellos ist die Gelegenheit zum Ken-nenlernen in dem Modell der organisierten Gruppenselbsthilfe ein integraler Bestand-teil. Ob dies jedoch zu der Entstehung von intensiven Gemeinschaftsbezügen beiträgt,ist kritisch zu hinterfragen.

Dieser Aspekt erscheint wie eine Modernisierung des �Siedlergedankens�. Ging es inder Bauphase um die Einübung solidarischen Verhaltens in der Selbsthilfegruppe, sogeht es nach der Fertigstellung des Bauprojekts um die dauerhafte Sicherung oderPflege einer intakten Nachbarschaft. Der Siedlergedanke richtet sich ausschließlich anFamilien und sieht � nicht weiter überraschend � das eigene Haus (mit Grundstück) alsIdealform familiengerechten Wohnens (LEG 1987).

Gegen die häufig aufgestellte Behauptung, dass Gruppenselbsthilfe eine gute Basis fürlang anhaltende engere nachbarschaftliche Beziehungen sei, bezieht Schäfer deutlichStellung. Er weist auf die Ergebnisse früherer sozialwissenschaftlicher Unter-

Page 152: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

141

suchungen hin. Diese zeigten, dass ein wesentliches Element beim Zustandekommenenger nachbarschaftlicher Beziehungen die gemeinsame Not- bzw. Pioniersituation ist(Klages 1958, Hamm 1973). Auch die Beziehungen in einer Gruppenselbst-hilfemaßnahme haben eine vorwiegend funktionelle Bedeutung, die nach Fertigstel-lung des Hauses wegfällt bzw. ihre Intensität verlieren kann (Schäfer 1985: 125).

Wirft man einen Blick auf die beschriebenen Gruppenprozesse während und nach derBauzeit, scheint sich diese Einschätzung zu bestätigen. Der Kontakt nach den Rohbau-arbeiten ging bei einigen Selbsthilfemaßnahmen schlagartig zurück, alle waren nun inEinzelselbsthilfe mit dem Innenausbau beschäftigt. Als Problembereiche in den Grup-penprozessen während der Bauzeit werden die Angst vor möglicher �Cliquenbildung�und eine mögliche Hierarchisierung innerhalb der Gruppe entlang der vorhandenenhandwerklichen Qualifikationen und des Arbeitsvermögens (Verteilung der Ar-beitsaufgaben) beschrieben.

Wie bei den Ausführungen zur Arbeitsteilung bereits deutlich wurde, waren die Frauennicht Teil der Selbsthelfer-Gruppe. Sie wurden teilweise von den Rohbauarbeiten aus-geschlossen und haben insgesamt eher im Innenausbau auf der Baustelle gearbeitet.Durch diese Form der Arbeitsteilung waren die Frauen von den Gruppenprozessenzumindest zu Beginn der Maßnahme häufig ausgeschlossen. Eine Ausnahme stellendabei die Modellvorhaben in den neuen Bundesländern dar, die von einer gleichbe-rechtigten Teilnahme der Frauen berichten.

Das Ergebnis der Selbsthilfe wird übereinstimmend als gut bezeichnet. Die Qualitätder in Selbsthilfe entstehenden Häuser ist in der Regel überdurchschnittlich gut. DieSelbsthelfer bauen in ihrem eigenen Interesse und sind daran interessiert, ihr Eigentumso solide und wertvoll wie möglich zu erstellen. In den Untersuchungen der 1980erJahre werden die hohe Wohnzufriedenheit und die hohe Stabilität in den in Selbsthilfeerstellten Siedlungen herausgestellt. Keine Aussagen gibt es bislang dazu, ob dies auchfür die aktuellen Baumaßnahmen zutrifft.

3. Zwischenfazit: Selbsthilfe als Instrument der Wohnungspolitik?Die Bilanz der durchgeführten Selbsthilfemaßnahmen im Hinblick auf die oben ange-führten Forschungsfragen ist ambivalent. Die quantitative Bedeutung der Selbsthilfeist gering, einen substanziellen Beitrag zur Wohnungsversorgung kann sie demnachnur in einem sehr beschränkten Marktsegment leisten. Zur Wohnungsversorgung vonsozialen Problemgruppen scheint sie jedoch nicht geeignet zu sein, da die Selbsthilfegroße Arbeitspotenziale erfordert, die Menschen in Notsituationen nicht zur Verfü-gung stehen. Die darüber hinaus angestrebte Zielgruppe der jungen Familien hat sieebenfalls nur bedingt erreicht. Das Durchschnittsalter der Familien ist vergleichbar mit

Page 153: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

142

dem Bundesdurchschnitt der eigentumsbildenden Haushalte. Speziell junge Familienin ihrer Gründungsphase haben die Selbsthilfeprojekte demnach nicht angesprochen.Gleichzeitig kommt die einseitige Ausrichtung der Selbsthilfemaßnahmen auf traditio-nelle Familien vor dem Hintergrund der zunehmenden Differenzierung von Lebens-formen zunehmend in die Kritik. Dies spiegelt sich auch in der kritischen Auseinan-dersetzung mit den aktuellen Förderprogrammen wider, die die Festlegung auf familia-le Wohnformen durch ihre Förderpolitik in großen Teilen zementieren.

Generell lässt sich feststellen, dass die organisierte Gruppenselbsthilfe von allen Betei-ligten ein hohes Maß an Engagement und Einsatzbereitschaft erfordert. Dies gilt nichtnur für die Baufamilien und die Träger der Maßnahme, sondern auch für die Kommu-nen. Ohne die Unterstützung von Städten und Gemeinden sind solche Projekte schwerdurchführbar. Die unterstützende Begleitung durch die betreffende Kommune ist einewesentliche Erfolgsvoraussetzung, z. B. durch den Nachweis geeigneter, kostengünsti-ger Baugrundstücke, der Subventionierung der Grundstückspreise und die Vergabevon Gründstücken im Wege des Erbbaurechts. Aber auch die Organisation des Bauab-laufs und die kompetente Betreuung und Anleitung durch einen Träger haben sich alsentscheidende Faktoren für das Gelingen eines Selbsthilfeprojekts herausgestellt (IRS1998). Auf der Grundlage der Analyse von sieben Selbsthilfeprojekten werden im em-pirischen Teil der vorliegenden Arbeit unterschiedliche Betreuungs- und Anleitungs-formen und deren (kritische) Einschätzung aus der Sicht der Baufamilien in den Blickgenommen.

Obwohl der Erfolg der Selbsthilfemaßnahmen sowohl von der Politik als auch von denbeteiligten Baufamilien � soweit bisher überhaupt erhoben � durchaus positiv gesehenwird, sind meiner Ansicht nach zwei grundsätzliche Prämissen dieser Maßnahmen zuproblematisieren. Vor dem Hintergrund der im letzten Kapitel aufgezeigten �Eigen-heimideologie� ist die gängige Koppelung von Selbsthilfe und Wohneigentum prob-lematisch. Die Selbsthilfeansätze im (genossenschaftlichen) Mietwohnungsbau, diezurzeit eine nur wenig beachtete Randerscheinung darstellen, sollten stärker gefördertwerden. Dazu gehört auch die Entwicklung neuer Verfügungsformen im Wohnbereich(Weeber u. a. 1999). Bezogen auf die von der Politik formulierten Zielgruppen dereinkommensschwachen Familien gilt es zweitens zu fragen, ob es für Haushalte mitgeringem finanziellen Spielraum überhaupt sinnvoll ist, Wohnungseigentum zu bilden.Der Hausbau ist verbunden mit einer enormen Arbeitsbelastung und in einigen Fällenauch mit einer kaum tragbaren monatlichen finanziellen Belastung (vgl. Kap. II). Zu-dem gehen Haushalte mit geringem finanziellem Spielraum mit dem Hausbau ein be-trächtliches Risiko ein, das beispielsweise im Falle eines Arbeitsplatzverlustes auch zueinem Verlust des Hauses und einer langfristigen Verschuldung führen kann. Im Zu-

Page 154: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

143

sammenhang mit diesen Fragen wird in der Analyse meines Fallbeispiels erörtert, wiesich die Finanzierung und die monatliche Wohnkostenbelastung in den untersuchtenSelbsthilfeprojekten gestaltet und wie der Hausbau im Hinblick auf die Zufriedenheitvor dem Hintergrund einer massiven Belastungssituation reflektiert wird.

Die Selbsthilfe, insbesondere die Gruppenselbsthilfe, ist eng mit dem Begriff der Ge-meinschaft verbunden: Gemeinschaft der Selbsthelfer/innen im Hinblick auf das ge-meinsame Ziel, den Hausbau; Gemeinschaft aber auch nach der Bauzeit in stabilennachbarschaftlichen Netzwerken. Diese enge Verknüpfung geht meines Erachtens zuweit bzw. weist auf eine �ideologische Überhöhung� (Harlander 1993) der mit derSelbsthilfe verbundenen Ansprüche hin. Zwar bietet die Gruppenselbsthilfe tatsächlichdie Gelegenheit, die zukünftigen Nachbarn während der Bauzeit (gut oder vielleichtsogar zu gut) kennenzulernen. Damit ist jedoch noch nichts über die weitere Entwick-lung der Nachbarschaft nach der Bauzeit gesagt. Die Möglichkeit der Gemeinschafts-bildung durch Selbsthilfe wird auch in der Literatur durchaus kritisch reflektiert. Al-lerdings zeigt die Selbsthilfe in der genossenschaftlichen Tradition auch ein Potentialan Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungsmöglichkeiten. Insofern kann sie als einwichtiges Element bürgerschaftlichen Engagements/demokratischer Entwicklungspro-zesse angesehen werden. Offen bleibt in vielen Fällen, wie sich der gemeinsame Bau-prozess konkret gestaltet, welche Hemmnisse einer positiven Gemeinschaftsentwick-lung entgegenwirken und welche Faktoren diese fördern. Dies gilt ebenso für die Ent-wicklung der Projekte nach der Bauzeit. Welche Rolle spielen Gemeinschaftseinrich-tungen bei der Etablierung eines nachbarschaftlichen Zusammenlebens? Diesen Fra-gen wird in der Analyse der Selbsthilfeprojekte meines Fallbeispiels nachgegangen.

Insgesamt muss konstatiert werden, dass es nur wenige (wissenschaftliche) Untersu-chungen zur organisierten Gruppenselbsthilfe gibt. Die vorhandenen Analysen bieteneine schmale empirische Basis, die durch die Untersuchung der im Rahmen der IBAEmscher Park durchgeführten Projektreihe �Einfach und selber bauen� erweitert wer-den soll. Die sowohl quantitative (Fragebogen) wie qualitative (Interviews) Erhebungbaut auf den dargestellten Ergebnissen zur baulichen Selbsthilfe auf. Im folgendenKapitel (IV) werden die Gruppenselbsthilfeprojekte hinsichtlich ihrer Zielsetzung,Rahmenbedingungen und der Einordnung in den Kontext der Internationalen Bauaus-stellung dargestellt. Die Entwicklung und Konkretisierung meiner Forschungsfrage-stellungen schließt sich in Kapitel V an; die methodische Vorgehensweise erläutertKapitel VI. Die Analyse und Interpretation der Untersuchungsergebnisse erfolgt inKapitel VII anhand einer thematischen Strukturierung, die sich an den Forschungsfra-gen orientiert.

Page 155: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

145

IV. Die IBA Emscher Park und die Projektreihe�Einfach und selber bauen�

Die Internationale Bauausstellung (IBA) Emscher Park war ein auf zehn Jahre befris-tetes Strukturprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen. Ihrem Selbstverständnis nachhat sich die IBA Emscher Park als eine regionale Entwicklungsstrategie verstanden,als �Werkstatt für die Zukunft von Industrieregionen� (IBA Emscher Park 1996). Zielwar es, für das Ruhrgebiet eine Zukunftsperspektive in der Form eines neuen qualitati-ven Entwickungsmodells zu entwickeln, ohne mit dem dortigen montanindustriellenErbe zu brechen. Die IBA fand von 1989 bis 1999 im nördlichen Ruhrgebiet statt. IhrPlanungsgebiet umfasste 803 Quadratkilometer und 17 Städte mit ca. 2,1 Mio. Ein-wohnern und Einwohnerinnen. Ihrem Leitbild einer nachhaltigen Regionalentwicklungentsprechend, hat die IBA eine Vielzahl von Projekten und Aktivitäten zur Erneuerungder alten Industrieregion initiiert, entwickelt und begleitet.83 Zur Erfüllung dieser äu-ßerst komplexen Aufgabe wurden sechs Handlungsfelder definiert: Wohnen, Gewerbe,Landschaft, Umbau des Emschersystems, Industriedenkmale und soziale und kulturel-le Initiativen. Ihre Arbeitsschwerpunkte hatte die IBA in den Bereichen Pflege undGestaltung von Landschaft und Freiräumen, Umgang mit Wasser, Qualität von Ge-werbe und Dienstleistungsstandorten, Erhalt von Industriedenkmälern und historischenArbeitersiedlungen sowie Experimente mit neuen Wohnformen und neuen Formen derNutzerbeteiligung. Neben den inhaltlichen Aspekten sollten auch neue Verfahren derPlanung und Steuerung erprobt werden.84

Dem Arbeitsschwerpunkt Wohnen und Stadtentwickung und der Entwicklung woh-nungspolitischer Konzepte gilt die Aufmerksamkeit dieser Arbeit: In der Zeit von1989 bis 1999 wurden 2500 Wohnungen in rund 20 Neubauprojekten erstellt, die be-sondere städtebauliche und architektonische Qualitäten besaßen. Der Neubau vonSiedlungen wurde in einigen Bereichen mit der Reaktivierung städtisch integrierterBrachflächen verbunden (z. B. Gartenstadtsiedlung Seseke-Aue in Kamen, Küppers-busch-Gelände in Gelsenkirchen, die Reaktivierung der Zeche Holland und Zechen-brache Prosper III, Siedlung "Im Ziegelgrund" in Recklinghausen etc.). Diese Siedlun-gen und Wohnprojekte thematisieren ökologisches Bauen, BewohnerInnenbeteiligungsowie soziale Qualitäten und sind häufig Teil komplexer Stadtentwicklungsprojekte imnördlichen Ruhrgebiet (Beierlorzer 1996: 191). Unter den Wohnprojekten befindensich auch kleinere, zielgruppenbezogene Wohnprojekte mit sozialem oder themati-schem Profil, wie z. B. �Frauen planen bauen� in Bergkamen, Wohnprojekt für Allein-

83 Im Finale der IBA 1999 wurden 120 Projekte präsentiert (vgl. IBA Emscher Park 1999). Zur Organisations-struktur der IBA vgl. Siebel 2000a.

84 In diesem Zusammenhang entstanden eine Vielzahl von Forschungsarbeiten vgl. etwa Kilper 1999 und BBR1999.

Page 156: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

146

erziehende in Recklinghausen-Süd,85 neue Wohnsiedlung in Herne (Umsiedlungsmaß-nahme), Wohnen im Alter auf der ehemaligen Zeche Holland etc.

Ein wesentlicher Bestandteil dieser Wohnprojekte ist die Initiierung von Mitbestim-mungs- und Beteiligungsprozessen, die aus Sicht der IBA die besondere soziale Quali-tät des Wohnungsbaus charakterisieren. In die gleiche Richtung geht die Einrichtungvon Wohnergänzungseinrichtungen und Gemeinschaftsräumen, die in allen Wohnpro-jekten geschaffen wurden (Beierlorzer 1996: 195).

Neben den beschriebenen Aktivitäten im Bereich des Wohnungsneubaus hat die IBAAnfang der 90er Jahre die Projektreihe "Einfach und selber bauen" entwickelt. In die-ser Maßnahme wurden im Zeitraum von 1994 bis 2000 sieben Siedlungen im Ruhrge-biet in organisierter Gruppenselbsthilfe errichtet.86 Diese Projekte sollten ein "Impulsfür qualitätsvollen Siedlungsneubau und Beitrag für eine soziale Wohnungsversor-gung" darstellen (IBA Emscher Park 1998: 5). Die Projektidee entstand vor dem Hin-tergrund einer Neueinschätzung der Aufgaben des Wohnungs- und Siedlungsbaus inder zweiten Hälfte der 90er Jahre in der Emscher Region. Zwei Faktoren spielen dabeieine wesentliche Rolle: Die Frage des Bauens am Stadt- und Siedlungsrand und derNachholbedarf in der Emscher-Region bezogen auf die Wohneigentumsbildung (Bei-erlorzer 1996: 198).

Im folgenden Kapitel wird in einem ersten Schritt die Projektidee �Einfach und selberbauen� und die damit verbundenen Positionen/Absichten dargestellt. In einem zweitenSchritt werden die Selbsthilfewohnprojekte (Größe, bauliche Gestaltung etc.) be-schrieben. Dies stellt die Grundlage für die darauf folgende Darstellung der For-schungsfragestellungen und der empirischen Erhebungen in den Selbsthilfe-Projektendar.

85 Zu Themenfeld IBA und Frauen allgemein vgl. Becker/Greiwe/Pohlmann-Rohr 2000; zu den Frauenwohn-projekten der IBA vgl. Novy 1999.

86 Ursprünglich war eine achte Siedlung in Selm (Münsterland) geplant, die jedoch nach Einschätzung der IBAwegen der mangelnden Nachfrage in der ländlichen Region nicht realisiert wurde.

Page 157: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

147

1. Die Projektidee "Einfach und selber bauen"87

Die IBA-Projektreihe �Einfach und selber bauen� greift die Probleme der Wohnungs-versorgung auf und entwickelt im Rückgriff auf traditionelle Selbsthilfe- und (Arbei-ter-)Siedlungskonzepte ein neues Konzept der sozialen Wohnungsversorgung. ImKern geht es dabei um die Versorgung unterer Einkommenschichten mit bezahlbaremund qualitätsvollem Wohnraum. Die Qualität der Wohnungen bezieht sich jedochnicht nur auf den Wohnraum, sondern ebenso auf Freiraum- und Wohnumfeldqualitä-ten. Diese Wohnqualitäten sieht die IBA Emscher Park in idealer Weise in kleinen,gartenstädtisch geprägten Siedlungen mit der eigentumsähnlichen Wohnform des Hau-ses mit Garten umgesetzt.88 Henry Beierlorzer formuliert das Ziel der Projektstrategie�Einfach und selber bauen�:

�Siedlungen bauen � mit architektonischem Anspruch, mit �Eigenheimen für kleineLeute�, mit Beiträgen zu ressourcenschonendem Bauen sowie als Grundlage fürNachbarschaft und soziale Gemeinschaft in der Stadt� (Beierlorzer 1999: 66).

Die Idee ist, jungen Familien mittlerer und unterer Einkommenschichten durch eineKombination von Selbsthilfe und kostengünstigem Bauen einen neuen Weg zumWohneigentum zu ermöglichen. Im Mittelpunkt stehen dabei nicht die klassischen�Eigenheimer�, sondern Schwellenhaushalte, die sich den Sprung ins Wohneigentumohne besondere Förderungen nicht leisten könnten. Um dieses Ziel zu erreichen, wur-de eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen angewandt: kostengünstiges undressourcenschonendes Bauen, Bauen in der Gruppe und Selbsthilfe als Eigenkapitals-ersatz. Kern der Projektidee ist der Einsatz von organisierter Gruppenselbsthilfe derBaufamilien, die durch Eigenleistung (�Muskelhypothek�) das notwendige Eigenkapi-tal ersetzen und zur Reduzierung der Finanzierungskosten betragen können.

Das Finanzierungskonzept: Selbsthilfe als EigenkapitalersatzDie Projektstrategie �Einfach und selber bauen� greift in ihrem Finanzierungskonzeptein gravierendes Zugangsproblem zum Eigenheimerwerb auf. Grundlage jeder Wohn-eigentumsfinanzierung ist das notwendige Eigenkapital von mindestens 15% der Bau-kosten. Bei vielen Haushalten mit Kindern und geringem Einkommen ist der notwen-dige Eigenkapitalsanteil jedoch nicht oder noch nicht vorhanden. Die Baufamilien inden �Einfach und selber bauen�-Projekten hatten die Möglichkeit, einen wesentlichen

87 Die Selbsthilfe-Projekte sind in einer Broschüre der Internationalen Bauausstellung dargestellt (IBA EmscherPark 1998). Darüber hinaus hat das Landesinstitut für Bauwesen NRW in Zusammenarbeit mit der IBA Em-scher Park ein Handbuch zur Projektreihe "Einfach und selber bauen" herausgegeben (Beierlorzer/Boll1998). Vgl. weiter Kirbach 1999, Beierlorzer 1996 und 1999, speziell zu Duisburg-Hagenshof vgl. Goerke2001, zu Lünen-Brambauer vgl. Novy 1999.

88 Zum Konzept der Gartenstadt und dessen Bedeutung für die Entwicklung von Wohn- und Siedlungskonzep-ten der IBA vgl. Zlonicky 1999 und Scholz 2000.

Page 158: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

148

Teil des Eigenkapitals durch Selbsthilfe zu ersetzen. Dadurch wird der durch dieSelbsthilfe erwirtschaftete Finanzierungsbeitrag neben dem üblichen Fremdkapital derBanken und der Eigenheimförderung des Landes Nordrhein-Westfalen zu einem zent-ralen Bestandteil der Finanzierung. Beierlorzer geht von einem durchschnittlich zuerwirtschaftenden Selbsthilfeanteil von 30.000 DM89 aus. Dies gelingt nach Ansichtder IBA nur, wenn die bauliche Selbsthilfe bereits im Rohbau einsetzt und einen er-heblichen Stundenaufwand der Baufamilien von durchschnittlich etwa 1.500 bis 2.000Arbeitstunden umfasst. Die Selbsthilfestunden wurden von den Baufamilien nach Fei-erabend, an Wochenenden und im Urlaub gearbeitet (Beierlorzer 1999: 66). Die �Ein-fach und selber bauen�-Projekte wurden in organisierter Gruppenselbsthilfe durchge-führt. Ein Träger übernahm dabei die professionelle Betreuung der Baumaßnahme inkaufmännischer (finanzielle Beratung und Abrechnung) und technischer Hinsicht. DieGruppe der Baufamilien wurde beim Hausbau durch den Träger angeleitet und betreutund arbeitete gemeinsam an allen Häusern der Siedlung.

Soziale WohnungsversorgungDie Kombination von kosten- und flächensparendem Bauen und Gruppenselbsthilfeermöglicht aus der Sicht der IBA die Erschließung eines neuen Marktsegments im Ei-genheimbereich: die Sozialmieterhaushalte. Auch geringverdienende Haushalte erhal-ten durch die bauliche Selbsthilfe eine Zugangsmöglichkeit zum Wohneigentum. Al-lerdings sind, so Beierlorzer, die Projekte nicht mit dem klassischen Eigenheimmarktzu vergleichen.

�Sie sind vielmehr eine Variante zur Versorgung für Familienhaushalte im öffent-lich geförderten Mietwohnungsbau. Es handelt sich nicht um Alternativen zum Ei-genheim, sondern um Alternativen zur Geschossmietwohnung.� (Beierlorzer 1999:67)

Die Wohnflächen und Ausstattung der vergleichsweise kleinen Reihenhäuser orientie-ren sich an den Wohnflächenobergrenzen des öffentlich geförderten Mietwohnungs-baus. Um tatsächlich eine Alternative zur (Sozial-)Mietwohnung darzustellen, werdenWohnkosten angestrebt, die mit denen einer Mietwohnung vergleichbar sind. Daherdürfen die Gesamtkosten des Bauvorhabens die Kostenschwelle von 320.000 DMnicht überschreiten. Dies bedeutet Gesamtkosten um 3.000 DM pro qm Wohnfläche.90

Als entscheidene Vorzüge dieser Projekte hebt Beierlorzer die Wohnform des eigenenHauses mit Garten und die dauerhafte Wohnperspektive hervor (ebd.). Voraussetzungeiner erfolgreichen Realisierung des Projektprinzips ist auf Seiten der Kommunen eine

89 Im Handbuch zur Projektentwicklung wird ein durchschnittlicher Selbsthilfeanteil von 25.000 bis 35.000 DMangegeben (Beierlorzer/Boll 1998: 10).

90 Dies entspricht etwa 1.700 bis 1.800 DM Baukosten (Bauwerkskosten) pro qm Wohnfläche (Beierlorzer/Boll1998: 14).

Page 159: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

149

aktive Baulandpolitik hinsichtlich der Bereitstellung geeigneter Grundstücke und desGrundstückspreises. Darüber hinaus müssen die Effekte des kostensparenden Bauensund der Gruppenselbsthilfe ohne Zwischengewinne direkt an die Nutzer und Nutzerin-nen weitergegeben werden.

Nachbarschaft und GemeinschaftAls Gegenbild zum individualisierten �Wohnen am Stadtrand� vertritt die Projektstra-tegie die soziale Siedlungsidee �Wohnen in einer guten Nachbarschaft und Gemein-schaft�. Über die Beteiligung der Baufamilien und den intensiven Bauprozess in derorganisierten Gruppenselbsthilfe entsteht, so die IBA, die soziale Gemeinschaft bereitsbeim Zusammenarbeiten.

"Durch die Organisation der baulichen Selbsthilfe in der Gruppe wird über die pro-fessionelle Abwicklung von Baumaßnahmen hinaus ein hohes Maß an Nachbar-schaft und Siedlungszusammenhang bei den Bauherren entwickelt. Selbsthilfepro-jekte der Reihe �Einfach und selber Bauen� bilden damit die direkteste Form vonBeteiligungsansätzen im Wohnungsbau." (Beierlorzer 1996: 199)

In allen Projekten wurden darüber hinaus Gemeinschaftshäuser oder Gemeinschafts-flächen (Grünflächen oder Spielbereiche) als �Siedlungsmitten� umgesetzt, die alskommunikative Treffpunkte �auch ein Stück räumlicher Identität der neuen Siedlun-gen sind� (IBA Emscher Park 1998: 9). Die gemeinschaftlichen Einrichtungen undFlächen sind auch als ein Ausgleich für die begrenzten Flächen innerhalb des indivi-duellen Hauses und Gartens angelegt und sollen zu einer deutlichen Qualitätssteige-rung des Wohnumfeldes und der Nachbarschaft beitragen. Die Aufgaben der Siedler-gemeinschaft sind auch nach Bezug der Häuser und vor allem in der Nutzungsphasenicht beendet. Die gemeinsame technische Infrastruktur (Haustechnikzentralen) unddie gemeinschaftlichen Wege, Plätze und Grünflächen müssen durch die Siedlerge-meinschaft instandgehalten, gepflegt und verwaltet werden. Die grundstücksrechtlicheAufteilung der Siedlungen erfolgt nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG). Da-durch werden Notar- und Vermessungskosten gespart und die Anlage der gemein-schaftlichen Erschließung sowie der Ver- und Entsorgung erleichtert (Beierlorzer/Boll1998: 50). Durch diese Maßnahmen sollen die �Einfach und selber bauen� - Siedlun-gen Grundlagen für Nachbarschaft und soziale Gemeinschaften in der Stadt bilden.

Page 160: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

150

Siedlungskonzept und Elemente des kosten- und ressourcenschonenden BauensIm Mittelpunkt der Projektstrategie steht somit nicht der Bau von einzelnen, kosten-günstigen Reihenhäusern, sondern die Entwicklung kleiner Gartenstadtsiedlungen inder Tradition des Arbeitersiedlungsbaus im Ruhrgebiet. Diese �Siedlungen aus einemGuß� stehen für eine besonders "hohe Wohnqualität im Haus mit eigenem Eingangund kleinem Garten, in einer überschaubaren Nachbarschaft" (IBA Emscher Park1998: 5). Die Projektstrategie �Einfach und selber bauen� ist im Kern jedoch ein städ-tisches Bau- und Wohnkonzept. Mit städtebaulich geschlossenen Siedlungen, kompak-ten Bauweisen, Reihenhausstrukturen und einer gebündelten Erschließung bieten dieProjekte Alternativen zum Geschosswohnungsbau und zur Zersiedlung der Stadtränderdurch Eigenheime. Die Siedlungen werden über Stichstraßen erschlossen, die den Cha-rakter von Wohnwegen haben. Die Stellplätze, in der Regel im Verhältnis 1:1, werdenmöglichst dezentral konzentriert, um ein autofreies Siedlungsinneres zu erreichen. DieAutostellplätze werden als offene Stellplätze oder als begrünte Carport-Anlagen ges-taltet.

Die Siedlungskonzepte wurden über Wettbewerbsverfahren ausgewählt und beinhalteneine Reihe ressourcenschonender Maßnahmen. Einige der Siedlungen wurden inHolzbauweise erstellt, alle entsprechen dem Niedrigenergiehausstandard und realisie-ren einen naturnahen Umgang mit Regenwasser (Nutzung oder Versickerung) in denSiedlungsgebieten. Als Elemente des kostengünstigen Bauens wurden neben den vie-len Einzelaspekten kostenoptimierter Gebäudeplanung im Wesentlichen drei Maß-nahmen umgesetzt: Verzicht auf einen Keller und Ersatz durch Neben- und Abstell-räume im Haus oder auf dem Grundstück, gemeinsame Technikzentralen für Heizung,Strom und Wasserversorgung und Optimierungen im Bereich der Hausinstallation so-wie Erschließung und Entwässerung (IBA Emscher Park 1998: 11).

Die Reihenhäuser zeichnen sich durch einen guten Grundrisszuschnitt aus, der es er-möglicht, auch mit den vom öffentlich geförderten Mietwohnungsbau üblichen 80 bis100 qm Wohnfläche auszukommen. Die Gebäudegrundrisse basieren auf wenig tiefenund dafür breiteren Häuser und haben gleich große nutzungsneutrale Schlafräume undmöglichst geringe Flur- und Entschließungsflächen. Die Grundrisse sind in der Regelflexibel angelegt, so dass die Baufamilien Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich derRaumaufteilung nutzen können (Beierlorzer/Boll 1998: 55ff).

Page 161: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

151

ZusammenfassungIn der Projektreihe �Einfach und selber bauen� greift die IBA mit der Eigentumsorien-tierung den zentralen Wohnwunsch vor allem familienorientierter Haushalte auf. Siethematisiert damit zugleich auch den wesentlichen Motor der Suburbanisierungspro-zesse mit den bekannten negativen Effekten. Um der Zersiedlung entgegen zu wirken,setzt die IBA auf die Entwicklung von verdichteten Siedlungskonzepten am Stand-rand, die konsequent Maßnahmen des kostensparenden und ressourcenschonendenBauens einsetzen. Um den Wohnwunsch vom eigenen Haus auch für Familien mitniedrigem Einkommen realisierbar zu machen, wurde der Einsatz von baulicherSelbsthilfe geplant. Durch die Wiederbelebung des Konzepts der organisierten Grup-penselbsthilfe rückt der Eigenheimbau somit auch für untere Einkommenschichten inden Bereich des Möglichen. Der Einsatz von baulicher Selbsthilfe in einem nennens-werten Umfang bereits beim Rohbau ermöglicht den Ersatz von Eigenkapital durch dieSelbsthilfe und trägt damit zu einer sozialen Wohnungsversorgung (von Familien) bei.Durch den gemeinsamen Bauprozess und die Schaffung von Gemeinschaftseinrichtun-gen soll darüber hinaus die Entstehung nachbarschaftlicher Netzwerke und gemein-schaftsorientierter Wohnformen gefördert werden.

2. Die Selbsthilfe-Projekte und ihre Organisation

2.1. Projektbeschreibungen

Gladbeck, Rosenhügel

Als eine der letzten Siedlungen wurden in Gladbeck ab 1998 43 Reihenhäuser errich-tet, aufgeteilt in sieben Gebäudezeilen. Die Reihenhäuser haben ein Pultdach, wurdenin konventioneller Mauerwerksbauweise erstellt und sind nicht unterkellert. Alle Rei-henhäuser haben � im Gegensatz zu den restlichen Projekten � einen Balkon im Ober-geschoss.

Abb. 5: Gladbeck, Rosenhügel

(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 28)

Page 162: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

152

Die Erschließung der Siedlung ist kleinteilig, verkehrsberuhigt und geprägt durchBäume und Grünbereiche. Zwischen dem zentral gelegenen Platz und der Grünflächeliegt ein kleines Gemeinschaftshaus. In der Siedlung wurden vier Haustypen mit unter-schiedlicher Wohnfläche (96, 98, 110 und 111 qm) realisiert. Die Hausbreiten liegenzwischen 6,65 m und 7,50 m; die Haustiefen bei lediglich ca. 10 Metern. Die äußereGestaltung der Häuser ist festgelegt; einen Spielraum haben die Baufamilien bei derGestaltung des Hausinneren. Jeweils ein Stellplatz (Carport) ist auf dem Grundstückoder in unmittelbarer Nähe angeordnet. Die Häuser entsprechen dem Niedrigenergie-haus-Standard und werden durch eine gemeinschaftliche Heizzentrale versorgt. DieRegenwasserableitung und -versickerung erfolgt über ein Rinnen- und Muldensystem(vgl. IBA 1998).

Recklinghausen-Hochlar, HolthoffstraßeBei diesem Selbsthilfe-Projekt handelt es sich um den Neubau von Einfamilienreihen-häusern in konventioneller Mauerwerksbauweise mit Holzfassade. Das Projekt wurdeim Jahr 2000 fertig gestellt. Die Siedlung besteht aus 37 Reihenhäusern und einemGemeinschaftshaus. Erschlossen wird die Siedlung über eine Schleife von derHolthoffstraße. Die Stellplätze für die Autos (Carports mit Dachbegrünung) werden anden beiden Siedlungseingängen konzentriert. Dadurch erhält die Straße durch die Sied-lung den Charakter eines Wohnweges. Der westliche Straßenabschnitt wird zu einemNachbarschaftsplatz als Siedlungsmitte gestaltet, am dem das Gemeinschaftshaussteht. Die Reihenhäuser sind nicht unterkellert und haben als Ersatz für den Keller-raum neben den Hauseingängen ebenerdige Abstellräume. Für die Reihenhäuser wur-den sechs Haustypen mit unterschiedlichen Größen (von 88 qm bis 111 qm) entwi-ckelt. Die Häuser haben relativ breite Achsmaße, um die gute Belichtung der Räumezu gewährleisten. Die Häuser entsprechen dem Niedrigenergiehausstandard und sindkonsequent nach Süden orientiert. Eine zentrale Heizanlage im Gemeinschaftshausversorgt die Siedlung mit Energie für Heizung und Warmwasser. Die Dächer der Rei-henhäuser sind begrünt und führen dadurch zu einer deutlichen Reduzierung des Nie-derschlagswassers. Der Rest des Niederschlagswassers wird auf dem Grundstück ver-sickert. Die Siedlung erhielt den BDA-Preis �Auszeichnung guter Bauten 2000� undden Bauherrenpreis 2002 der Aktion �Hohe Qualität � tragbare Kosten�. (vgl. LB2002: 10f., IBA 1998)

Page 163: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

153

Abb. 6: Recklinghausen-Hochlar

(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 34)

Selbsthilfeprojekte Herten, FeldstraßeIn dem kleinsten Projekt der Reihe �Einfach und selber bauen� wurden in organisierterGruppenselbsthilfe 20 Einfamilienreihenhäuser in Holzbauweise errichtet.91 Die Ge-bäude wurden als teilvorgefertigte Holzrahmenkonstruktion von einer norwegischenHolzbaufirma aufgestellt. Die Siedlung ist als eine kinderfreundliche Hofanlage miteinem Spielplatz konzipiert. Der autofreie Hof als städtebauliche Figur verbindet dieBewohner und Bewohnerinnen miteinander und bietet Platz für gemeinsame Akti-vitäten, allerdings ist kein Gemeinschaftshaus vorhanden.

Abb. 7: Luftaufnahme Herten

(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Blossey)

91 In einem zweiten Bauabschnitt werden auf dem angrenzenden Grundstück weitere elf Reihenhäuser errichtet.

Page 164: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

154

Die Autos parken vor dem Innenhof auf einem eigenen Grundstück. Die Wege zu denHäusern sind gepflasterte Privatwege. Alle Hauseingänge sind zum Hof ausgerichtetund vielen Häusern sind Holzveranden vorgelagert. Die Farbgestaltung der Häuserorientiert sich an den von Kindern verwendeten Grundfarben (Rot, blau, grün undgelb). Es sind zwei unterschiedliche Haustypen errichtet worden, 92 qm und 111 qm,beide mit einer Ausbaureserve von 33 qm im Dachgeschoss. Die Grundrisse wurdenden verschiedenen Bedürfnissen der Baufamilien angepasst. Eine gemeinschaftlicheHeizzentrale versorgt die gesamte Siedlung mit Energie für Heizung und Warmwasser.Die Gebäude sind als Niedrigenergiehäuser konzipiert. Das Projekt wurde auf Initiati-ve der Stadt Herten und dem Kinderbüro �ProKids� entwickelt. ProKids betreute undmoderierte in Zusammenarbeit mit dem Träger auch den Bauprozess (vgl. LB 2002:14f., IBA 1998, Kirbach 1999).

Gelsenkirchen-Bismark, Laarstraße/SellmannsbachstraßeDie Siedlung besteht aus sechs Doppelhäusern und 22 Reihenhäusern, aufgeteilt infünf Gebäudezeilen. Anstelle einer Unterkellerung befinden sich Abstellräume imHaus selbst und vor dem Haus. Jede Hausgruppe hat eine gemeinsame Zentrale für dieHeizungsanlage. Zu jeder Wohnung gehört ein Carport am Rand der Siedlung. Die(Schmetterlings-)Dächer der Häuser sind begrünt.

Die Häuser wurden in Holzrahmenkonstruktion erstellt und die Holzfassade wurdefarblich in verschiedenen Blautönen gestaltet. Es handelt sich um Niedrigenergiehäu-ser. Die Bestandteile der Holzhäuser wurden auf der Baustelle durch die Baufamilienvorgefertigt und dann aufgestellt.

Abb. 8: Gelsenkirchen-Bismarck: Straßenansicht

(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Vollmer )

Page 165: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

155

Das Gemeinschaftsgrundstück befindet sich am Ende der letzten Reihe. Es ist keinGemeinschaftshaus vorhanden. Das Grundstück an der Seite ist als kleiner Steingartengestaltet, das Grundstück am Ende als Spielplatz. Pläne für die Gestaltung eines ge-meinschaftlichen Grillplatzes sind nicht auf die Zustimmung der BewohnerInnen ge-stoßen. Es sind fünf verschiedene Haustypen gebaut worden, die sich in der Wohnflä-che z. T. jedoch nur geringfügig unterscheiden. Das kleinste Haus hat ca. 78 qm²Wohnfläche (drei Häuser), es sind insgesamt zehn Häuser zwischen 84 und 88 qm²vorhanden, sieben Häuser mit 92,68 qm² und acht große Häuser mit 104,2 qm².

Die erste Reihe zur Straße besteht aus sechs Doppelhäusern (vgl. Foto oben). DieseHäuser haben ihre Abstellräume (Bergings)92 direkt neben dem Haus. Bei den anderenHäusern befinden sich die Kellerersatzräume neben den Carports, die entlang der Stra-ße angebracht sind.

Die zweite und dritte Hausreihe sowie die vierte und fünfte Reihe haben einen ge-meinsamen schmalen Eingangsweg, der nur wenig Licht in die Hauseingänge lässt.Dazu liegen die Eingänge nach innen versetzt. Zusätzlich zu den Abstellräumen habenalle Häuser ein Gartenhaus. Zwischen den privaten Gärten sind Gartenwege angelegtworden. Alle Gebäude erfüllen den Niedrigenergiehausstandard. Das umgesetzte Re-genwasserkonzept beinhaltet begrünte Dächer, unversiegelte Flächen und Versicke-rungsrigolen (vgl. IBA 1998).

Abb. 9: Gelsenkirchen-Bismark: Blick in die Hausreihe

(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Vollmer)

92 Der Begriff der �Bergings� für die Kellerersatzräume verweist auf niederländische Vorbilder.

Page 166: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

156

Die Siedlungen in Gelsenkirchen und in Lünen wurden von dem gleichen Träger undin identischer Bauweise erstellt. Die Anordnung der Häuser auf dem Grundstück unddie Gestaltung der Freiflächen differieren jedoch beträchtlich (s.u.).

Bergkamen, Hubert-Biernat-StraßeDer Baubeginn in Bergkamen war im Frühsommer 1996. Es waren zunächst 21, später22 Häuser geplant, die dann auch gebaut wurden. Zusätzlich entstanden auf demGrundstück zwölf Geschossbauwohnungen, die von einer Firma erstellt wurden undals Eigentumswohnungen verkauft werden sollten. Die Häuser sind seit Mai/Juni 1997fertig gestellt.

Abb. 10: Luftbild Bergkamen

(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Lippsmeier)

Die 22 Reihenhäuser und 12 Geschosswohnungen befinden sich auf einem Flurstück,eine zentrale Heizungsversorgung befindet sich in dem Geschossbau. Die Reihenhäu-ser sind in fünf Gebäuderiegeln nach Süden und Westen ausgerichtet. Das Grundstückliegt in einer Ecksituation zwischen Straße und Wald. Alle Gebäude wurden in kon-ventioneller Mauerwerksbauweise mit vorgezogenem Pultdach errichtet. Die Häusersind nicht unterkellert, neben dem Hauseingang und im Garten befinden sich Abstell-und Kellerersatzräume. Zu jeder Wohnung gehört ein Autostellplatz. Die erforderli-chen Stellplätze wurden im (öffentlichen) Straßenraum einer angrenzenden Straße un-tergebracht. Die Stellplätze wurden mit Hecken und Bäumen von den öffentlichenVerkehrsflächen abgegrenzt. Es wurden drei Haustypen mit 80 qm, 92 qm und 110 qmgebaut. Die Reihenhäuser wurden mit überdurchschnittlich breiten Achsmaßen undunter Verzicht tragender Innenwände konzipiert. Daraus ergaben sich verschiedenemögliche Grundrissvarianten. Alle Häuser haben eine vorgelagerte, überdachte Veran-da als Übergang zur öffentlichen Fläche. Im vorderen Bereich der Siedlung an einemdreieckigen Gemeinschaftsplatz liegt ein überdachtes, an den Seiten offenes Gebäude,das als Gemeinschaftshaus der Siedlung fungiert. Das Projekt erhielt den Bauherren-

Page 167: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

157

preis 1998 und die Auszeichnung �gutes Bauen� des Bundes Deutscher Architekten(vgl. IBA 1998).

Duisburg-Hagenshof, TaunusstraßeDie Siedlung besteht aus 52 Häusern und sechs Eigentumswohnungen, die in Massiv-bauweise erstellt wurden. Das städtische Grundstück wurde in Erbpacht an die Baufa-milien vergeben. Die Häuser wurden in verschiedenen Bauabschnitten fertig gestellt,und entsprechend zog sich auch die Bezugszeit über einen längeren Zeitraum hin.

Am Zugang zur Strasse befinden sich offene Sammelstellplätze für die Autos (einStellplatz pro Wohneinheit). Die Siedlung wird durch eine Straße mit Wendehammererschlossen. Auf eine direkte Zufahrt vor jedes einzelne Haus wurde verzichtet, um dieVerkehrsfläche und die Versiegelung zu reduzieren. In einem Nebengebäude (imWinkel zwischen den Hauszeilen) hat jedes Haus einen Abstellraum als Ersatz für denfehlenden Keller. In diesen Räumen wurden auch der gemeinsame Hausanschluss unddie Heizzentrale mit Warmwasserversorgung für die Hausgruppe untergebracht. Ab-stellraum und Freifläche sowie der Wohnweg sind gemeinschaftliches Eigentum jederHausgruppe, teils mit gemeinschaftlichem Nutzungsrecht, teils (bei Stellplätzen undAbstellräumen) mit individuellem Sondernutzungsrecht. Zentrum der Siedlung ist einbaumbestandener Platz entlang der Straße, an dem das Gemeinschaftshaus liegt. Die inder Mitte der Siedlung liegende Freifläche ist als Ergänzung des privaten Gartens ge-dacht.

Abb. 11: Duisburg- Hagenshof: Blick auf die Gärten

(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Bremer)

In der Siedlung in Duisburg wurden zwei Reihenhaustypen mit 85 qm bzw. 95 qm fürFamilien mit drei bis fünf Personen gebaut. Als Orientierungswerte für die Woh-

Page 168: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

158

nungsgrößen wurden die Wohnflächenobergrenzen des öffentlich geförderten Woh-nungsbaus zugrunde gelegt. Während die Außengestaltung im Sinne eines homogenenErscheinungsbildes der Siedlung von den Architektinnen verbindlich festgelegt wurde,konnte der Grundriss der Häuser individuell angepasst werden.

Die Häuser erreichen durch passive Energiegewinnung aufgrund der Südausrichtung,durch Wärmeschutzverglasung und hochwertige Dämmung den Niedrigenergiehaus-standard. Die Pultdächer der Häuser sind begrünt, und durch eine offene Versickerungdes Regenwassers in einem Muldensystem können kommunale Abwassergebührenreduziert werden (vgl. Goerke 2001, IBA 1998).

Abb. 12: Luftaufnahme Duisburg-Hagenshof

(Quelle: IBA 1998: 24)

Lünen-Brambauer, Am CalversbachDie Siedlung in Lünen ist Teil eines größeren Neubaugebietes und besteht aus 30Holzreihenhäusern, die sich um einen gemeinschaftlichen Innenhof gruppieren. Aufdiesem Platz in der Mitte der Siedlung befindet sich das Gemeinschaftshaus und einSpielplatz.Da die Autostellplätze (Carports) am Rand der Siedlung untergebracht sind,ergibt sich ein autofreies Siedlungsinneres. Realisiert wurden Reihenhäuser in vierunterschiedlichen Größen: 84, 93, 104 und 122 qm Wohnfläche. Die Grundrisse derReihenhäuser sind flexibel nutzbar. Die Gebäude sind nicht unterkellert und habenAbstellräume im Haus und im Garten.

Page 169: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

159

Wie auf der Luftaufnahme (vgl. Abb. 13) zu erkennen ist, grenzen die Gartenhäuserdie individuellen Gärten der oberen Gebäuderiegel von der gemeinschaftlichen Flächeim Innenhof der Siedlung ab. Im unteren Gebäuderiegel dienen die Gartenhäuser alsSichtschutz nach außen. Bei der Gestaltung der Häuser und Gärten hatten die Baufa-milien die Option zwischen einem Wintergarten und/oder einer Terrasse (vgl. Abb.14).

Abb. 13: Luftaufnahme Lünen-Brambauer

(Quelle: IBA 1998: 32)

Ebenso wie in Gelsenkirchen wurden die Häuser in einer vor Ort gefertigten Holzrah-menkonstruktion ausgeführt. Die Holzstulpschalung ist farbig unterschiedlich lasiert,und die Häuser haben ein Schmetterlingsdach. Alle Gebäude erfüllen den Niedrig-energiehaus-Standard und werden durch ein benachbartes Blockheizkraftwerk beheizt.

Abb. 14: Lünen-Brambauer: Innenhof

(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; Foto: Lippsmeier)

Page 170: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

160

Tab.9:DieProjektreihe"Einfachundselberbauen"imÜberblick

Bergkamen,Hubert-Biernat-Str.

Duisburg-Hagenshof,Taunusstr.Gelsenkirchen-Bismarck,

Laarstr./Sellmannsbachstr.

Projektgröße

22HauseinheiteninGruppenselbst-

hilfe

und12

Geschosswohnungen,

diedurchUnternehmererstelltwur-

den

52Hauseinheiten(plus5Eigen-

tumswohnungen)

28Hauseinheiten

Konstruktionsart

KonventionellerMauerwerksbau

KonventionellerMauerwerksbau

derGebäude

undHolzbauweise

derKellerersatzräume(Bergings)

Holztafelbauweise

mitVorfertigung

ineiner"Zeltfabrik"inGruppenselbsthilfe

Wirtschaftliche

Baubetreuung

Landesentwicklungsgesellschaft

NRW,Dortmund

dasfamiliengerechteHeim,dfh

SiedlungsbauGmbH

THSTreuHandStelleEssen

Bauzeit

14bis19Monate

14bis20Monate

13bis17Monate

Organisationder

Selbsthilfe

BauleitungderArchitekteninKoope-

rationmitdenPolierenderBaufir-

men,Einbeziehung

ortsansässiger

Handwerksfirmen

derBaubetreuerhatdieSH

orga-

nisiert,abgewickeltundübernahm

auchdie5-jährigeGewährleistung,

BauleiterhatBaufamilien

zuGruppenzus.gestellt,

THSinKooperationmitdenArchitekten,

stellteentsprechendeFachkräfteein

Hausgrößen

3Typen(81qm,92qm

und110

qm)

2Typen(84,5qmund95,5qm)

kleineReihenhäuser77qm,mittleremit

83-91qm,großemit102qm

Gesamtkosten

Zwischen250.000und323.000DM

226.000und249.000DM

zwischen240.000und322.000DM

Grundstückspreis

(zzgl.

Erschlie-

ßung)1

110DM/qm

(15DM/qm)

Erbpacht(zu4%)165DM/qm

(15,75DM/qm)

150DM/qm

(40DM/qm)

1 AngabenlautBeierlorzer/Boll1998:18

(Quelle:EigeneDarstellungnachIBAEmscherPark1998undBeierlorzer/Boll1998)

160

Page 171: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

161

161

Lünen-Brambauer,Am

Calversbach

Herten,Feldstraße

Recklinghausen-

Hochlar,Holfhoffstr.

Gladbeck,Rosenhügel

Projektgröße

30Hauseinheiten

20Hauseinheiten

37Hauseinheiten

42Hauseinheiten

Konstruktions-

art

HolztafelbauweisemitVor-

fertigungineiner"Zeltfab-

rik"inGruppenselbsthilfe

Holztafelbauweisemit

industriellvorgefertigten

Elementen

konventionelleMauer-

werks-bauweisemit

GründächernundHolz-

fassade

konventionellerMauerwerks-

bauweise

Wirtschaftliche

Baubetreuung

THSTreuHandStelleEssen

Dasfamiliengerechte

Heim,dfhSiedlungsbau

GmbH

Wohnungsbau-und

Betreuungsgesellschaft

Recklinghausen

dasfamiliengerechteHeim,dfh

SiedlungsbauGmbH

Bauzeit

11bis15Monate

9bis10Monate,Fertig-

stellungab1997

Fertigstellung1999

Fertigstellung1999

Organisation

derSelbsthilfe

THSinKooperationmitden

Architekten,stellteentspre-

chendeFachkräfteein

durchdiedfh,Baubetreuer

vorOrt,durchVorferti-

gungkonzentriertesich

dieSHaufGründungsar-

beitensowieEnd-und

Innenausbau

durchdenProjektträger

durchdenProjektträger

Hausgrößen

4Größen:84,93,104,122

qm2Typen,92und111qm,

habeneineAusbaureserve

vonca.35qmimDachge-

schoß

6Haustypen(88,100und

105-111qm)

4Haustypen(96qm,98qm,110

und111qm)

Gesamtkosten

zwischen246.000und

334.000DM

293.000und326.000DM

308.200bis336.200DM

Grundstücks-

preis(zzgl.Er-

schließung)

Erbpacht(4%)150DM/qm

(50DM/qm)

Erbpacht6DM/qm

(87DM/qm)

Erbpacht(4%)290

DM/qm

(70DM/qm)

154DM/qm

(93DM/qm)

(Quelle:EigeneDarstellungnachIBAEmscherPark1998undBeierlorzer/Boll1998)

Page 172: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

162

2.2. Organisatorische Rahmenbedingungen der Projektreihe�Einfach und selber bauen�

Zielgruppen und Auswahl der FamilienDie Projekte richteten sich an die Zielgruppe Familien mittlerer und unterer Einkom-mensschichten. Neben dem Eigenkapitalanteil und den üblichen Fremdmitteln konntenauch Mittel der (sozialen) Eigentumsförderung in Nordrhein-Westfalen zur Finanzie-rung des Hausbaus eingesetzt werden. Um die Fördermittel des Landes zu erhalten,mussten jedoch Einkommensgrenzen eingehalten werden. Die finanziellen Vorausset-zungen zur Beantragung der öffentlichen Mittel waren nicht zwingend für die Teil-nahme an den Projekten. In den Projekten bauten in unterschiedlich hohen Anteilenauch Baufamilien mit, die jenseits der Einkommensgrenzen der öffentlichen Förderunglagen oder ausreichendes Eigenkapital mitbrachten. In dem �kinderfreundlichen� Pro-jekt in Herten wurden die Familien von der Kinderorganisation �ProKids� nach be-stimmten Kriterien (z. B. Alter und Anzahl der Kinder, Wohnsituation der Familie)ausgewählt. Hierzu erstellte das Kinderbüro ein Bewertungsraster, in dem mit Hilfeeines Punktesystems entschieden wurde, welche Familien aufgenommen wurden.

Eine wesentliche Teilnahmevoraussetzung der Projektreihe �Einfach und selber bau-en� war die Bereitschaft der Baufamilien, allein oder mit Helfern und HelferinnenSelbsthilfe in der Gruppenmaßnahme zu erbringen. Die Höhe der zu leistenden Selbst-hilfestunden war abhängig von dem vorhandenen Eigenkapital. Abgesehen von denVorgaben der Träger hing die Anzahl der zu leistenden Selbsthilfestunden jedoch vonden individuellen finanziellen Voraussetzungen ab. Familien mit geringem Eigenkapi-tal leisteten in den Projekten also deutlich mehr Selbsthilfe als Familien mit einem hö-heren Eigenkapitalanteil. Darüber hinaus war in einigen Projekten ein Mindeststun-densatz vorgeben. In Lünen und Gelsenkirchen betrug das zu leistende Stundenmini-mum beispielsweise 800 Stunden. Diese Stunden dienten der Sicherstellung des Bau-ablaufs und sollten von allen Familien geleistet werden, unabhängig von der individu-ellen Finanzierung, die bei einigen Familien eine wesentlich höhere Stundenzahl vor-aussetzte.

In den Projekten, in denen nicht alle Häuser bereits zu Beginn der Maßnahme verkauftwaren, lockerten sich die Zugangsbedingungen für die später einsteigenden Familien.In Einzelfällen war es möglich, nur wenig oder keine Selbsthilfe zu erbringen und die-se durch Eigenkapital zu ersetzen. Dies war z. B. in Bergkamen bei einigen Familiender Fall. Auch in anderen Projekten haben einige Familien ihr Stundensoll aus unter-schiedlichen Gründen nicht geleistet und mussten daher das Finanzdefizit bezahlen.

Im Vorfeld der Baumaßnahme wurde von den Baubetreuern der Selbsthilfe-Projekteeine intensive Finanzierungsberatung durchgeführt. Einkommen, Ersparnisse, bereits

Page 173: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

163

vorhandene Kreditbelastungen etc. wurden bis ins Detail geprüft; ebenso die Möglich-keit, die Fördermittel des Landes und die Eigenheimzulage des Bundes zu beantragen.Das Finanzierungskonzept wurde dann durch die Selbsthilfestunden ergänzt. Die Ab-schätzung der realisierbaren Selbsthilfestunden war ein zentraler Bestandteil der Fi-nanzierungsberatung.

FinanzierungskonzeptIm Finanzierungskonzept der "Einfach und selber bauen"-Projekte stellt die Selbsthilfeein zentrales Instrument dar. Familien, deren Eigenkapital deutlich unter 15% der Ge-samtkosten liegt, haben die Möglichkeit, die Finanzierungslücke durch eine Eigenleis-tung in Form von Selbsthilfe zu schließen. Für die Zielgruppe der IBA-Projekte, Fami-lien mit geringem Einkommen, reichte der durch die Selbsthilfe erwirtschaftete Eigen-anteil jedoch nicht aus, um eine Finanzierung abzusichern. Hier war eine Kombinationvon Selbsthilfe und öffentlichen Fördermitteln in Form von zinsgünstigen Baudarlehennotwendig. Das Land Nordrhein-Westfalen fördert den Ersterwerb und den Bau vonEigentumsmaßnahmen zur Selbstnutzung (vgl. Kap. II.3.4).

Ein Schwerpunkt innerhalb der Eigentumsförderung des Landes ist die Förderung vonGruppenbaumaßnahmen. Dies sind Bauvorhaben, die unter einer einheitlichen Planungund Durchführung mindestens sechs Eigenheime erstellen. Für den Träger einer sol-chen Maßnahme ist es möglich, vor Beginn sicherzustellen, ob die Mittel für dieseMaßnahme zur Verfügung stehen (Reservierung). Durch die Möglichkeit einer Mittel-reservierung vor Beginn der Bauphase konnten die Baufamilien von einer größerenSicherheit bei der Gewährung der beantragten Mittel ausgehen.

Organisierte Gruppenselbsthilfe � TrägermodelleFür die Gruppenselbsthilfe sehen die Finanzierungsbedingungen des Landes zwei För-dermöglichkeiten vor: Die Bauherrengemeinschaft und das Trägermodell für festste-hende Bewerber. In der �Einfach und selber bauen� � Projektreihe wurde das Träger-modell angewandt. Der Träger baut die Häuser in diesem Falle auf fremde Rechnungund muss die Gesamtkosten der Objekte in der tatsächlich angefallenen Höhe nach-weisen und abrechnen. Im Rahmen dieses Trägermodells erhält der Träger den Bewil-ligungsbescheid für feststehende Bewerber. Er schließt mit den betroffenen FamilienBewerberverträge ab, und die Bewilligungsbescheide werden mit den im II. Woh-nungsbaugesetz (§§ 54 ff.) vorgeschriebenen Auflagen versehen.

Die organisierte Gruppenselbsthilfe unterscheidet sich grundlegend von Formen indi-vidueller Eigenarbeit bei der Errichtung von Eigenheimen. Sie umfasst neben der wirt-schaftlichen Baubetreuung der Projekte durch die jeweiligen Träger auch die Architek-tenleistungen von der Planung bis zur Bauleitung sowie die fachliche Anleitung und

Page 174: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

164

Betreuung der Baufamilien während der Bauzeit. Durch die organisierte Grup-penselbsthilfe ist der für die Finanzierung notwendige Selbsthilfeanteil gewährleistet.Darüber hinaus übernimmt der Träger der organisierten Gruppenselbsthilfe die Ge-währleistung gemäß BGB für 5 Jahre auf alle Bauleistungen, einschließlich der Selbst-hilfeleistungen in diesen Baumaßnahmen (vgl. Kap. III).

Die Selbsthilfeleistungen werden auf der Grundlage von vor Baubeginn ermitteltenKostenvoranschlägen oder anhand ortsüblicher Durchschnittspreise oder vorliegenderAusschreibungsergebnisse berechnet. Von dem so kalkulierten Wert der Eigenarbeitmüssen die Material- und Betreuungskosten abgezogen werden. Der durchschnittlicheWert einer Selbsthilfestunde ergibt sich dann im Verhältnis zu den insgesamt geleiste-ten Selbsthilfestunden über alle Gewerke und alle Selbsthelfer und Selbsthelferinnen,unabhängig von ihrer Qualifikation. Während der Bauzeit wird für jede Baufamilie einStundenbuch geführt, in dem die geleisteten Selbsthilfestunden der Familie und ihrerHelfer und Helferinnen verzeichnet werden (Beierlorzer/Boll 1998: 80).

Page 175: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

165

V. Entwicklung der ForschungsfragestellungenInsgesamt bleiben trotz der vorliegenden Daten und Dokumentationen der Projektreihe�Einfach und selber bauen� viele Fragen offen. Das von der IBA herausgegebene Pro-jekthandbuch vertritt die Perspektive der Baubetreuung und der Akteure, die mit derPlanung, Betreuung und Durchführung beauftragt waren. Die Sicht der Baufamilienauf den Bauprozess und ihr Siedlungsprojekt fehlt in der dortigen Darstellung. Meineeigene empirische Erhebung stellt daher den Perspektivenwechsel hin zu den �Betrof-fenen� in den Mittelpunkt der Analyse. In ihr geht es in erster Linie um die Sichtweiseder Baufamilien auf den Bauprozess; es gilt, deren Erfahrungen, Eindrücke, subjekti-ven Deutungen und Einschätzungen zu erfragen, um die mit diesem Projekt gemachtenErfahrungen auch von dieser Seite zu vervollständigen.

Die vorliegende Arbeit verfolgt die Frage, wie die Projektstrategie � der erheblicheEinsatz baulicher Selbsthilfe als Eigenkapitalersatz � aus der Perspektive der beteilig-ten Baufamilien nach Abschluss der Bauphase bilanziert wird und inwieweit die dar-über hinaus von der IBA angelegten Ziele der sozialen Wohnungsversorgung, der Mit-bestimmung und der sozialen Gemeinschaftsbildung aus Sicht der betroffenen Baufa-milien umgesetzt wurden. Meine Untersuchung baut auf dem vorhandenen Materialder IBA auf (vgl. Beierlorzer/Boll 1998). Dieses wird in der Darstellung der hier vor-gestellten empirischen Ergebnisse als Vergleichsgrundlage zu einzelnen Themenberei-chen herangezogen. In Anlehnung an die Befunde des theoretischen Teils werden dieForschungsfragestellungen im Folgenden präzisiert.

Der Einsatz baulicher Selbsthilfe beim Bau eines Eigenheims ist vor allem in ländli-chen Regionen ein auch heute noch alltägliches Phänomen. Das historisch vielfältigpraktizierte Konzept der organisierten Gruppenselbsthilfe im Wohnungsbau gewinnterst in den letzten Jahren wieder verstärkt an Bedeutung (IRS 1998). Das Konzept derProjektreihe �Einfach und selber bauen� richtet sich an junge Familien mit niedrigemEinkommen zur Verbesserung ihrer Wohnungssituation. In dieser Ausrichtung werdenmeines Erachtens zwei Problemkreise deutlich: Die Anzahl der zu leistenden Selbsthil-festunden hängt von dem vorhandenen Eigenkapital ab, das die Familien in die Finan-zierung einbringen können. Dies ist in der Regel bei jungen Familien jedoch gar nichtoder in nicht ausreichendem Maße vorhanden. So ist davon auszugehen, dass die Fa-milien eine erhebliche Stundenanzahl arbeiten müssen, um die Finanzierung sicherzu-stellen. Gerade Familien mit (kleinen) Kindern könnte es jedoch schwerfallen, in einerarbeitsintensiven Familienphase parallel zu einer normalen Erwerbstätigkeitssituationdie für die Finanzierung des Hausbaus notwendigen Selbsthilfestunden zu erbringen.Die Arbeitsbelastung durch die Familiensituation und Vollerwerbstätigkeit verschärftsich in der Bauzeit durch die in der Regel hohe (zwischen 1.500 und 2.000 Stunden

Page 176: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

166

nach Kalkulationen der IBA) Selbsthilfebelastung zu einer extrem belastende Situati-on. Wie gehen die Baufamilien mit dieser Extremsituation um? Für meine Arbeit re-sultieren daraus zwei Fragekomplexe.

a.) Erstens die Frage danach, welche Faktoren bei der Arbeitsbelastung der Bau-familien eine Rolle spielen und welche Strategien sie entwickeln, um mit dieserExtremsituation umzugehen. Untersucht werden die möglichen körperlichen undpsychischen Belastungen während der Bauzeit und mögliche sonstige Stressfak-toren im Bauprozess.

b.) In der Extremsituation Hausbau wird zweitens die Frage relevant, wie dieBaufamilien die anfallenden Tätigkeiten in Beruf, Familie und Hausbau organi-sieren und aufteilen. In den Blick genommen werden insbesondere die Rolle derFrau bei der Arbeit im Bauprozess und auf der Baustelle und die Formen der in-nerfamilialen Arbeitsteilung. Wie in bisherigen Untersuchungen deutlich wurde,ist die Einbindung der Frauen in die mit dem Hausbau verbundene Arbeit zwarerheblich, von der konkreten Mitarbeit auf dem Bau sind sie jedoch weitgehendausgeschlossen. Der Annahme einer auch aktuell noch vorhandenen �baulichenAbstinenz� der Frauen (Schäfer 1985) wird in meiner Erhebung nachgegangen.In engem Zusammenhang damit stehen die Formen der innerfamilialen Arbeits-teilung. Wie wirken sich die enormen Belastungen der Bauzeit auf die Beziehun-gen und Arbeitsteilungen innerhalb der Familie aus? Welche Muster der innerfa-milialen Arbeitsteilungen bilden sich heraus? Meine Arbeit verfolgt hier die The-se einer Re-Traditionalisierung der geschlechtspezifischen Arbeitsteilung durchden Hausbau, die sich sowohl auf die Mitarbeit auf dem Bau als auch auf dieMuster der Arbeitsteilung in der Familie bezieht.

Die Organisation, Gestaltung und Abrechnung der baulichen Selbsthilfe bildet einenweiteren Erhebungsschwerpunkt. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen zum einendie formalen Aspekte der Organisation: Wie erfolgt die Organisation der Gruppen-selbsthilfe durch den Träger? Wer übernimmt die Anleitung der Baufamilien auf derBaustelle und wie gestaltet sich diese?

Vor dem Hintergrund der in der Literatur formulierten Annahme, dass durch dieGruppenselbsthilfe der Baufamilien neue Nachbarschaften und soziale Gemeinschaf-ten entstehen können, wird auch die Frage nach der Gestaltung des konkreten Prozes-ses der Zusammenarbeit auf der Baustelle bedeutsam. Welche Faktoren spielen bei derArbeit in einer Baugruppe eine Rolle, welche sozialen (Gruppen-)Dynamiken entste-hen und wie werden diese bewertet? Betrachtet wird auch die Zeit nach dem Hausbauinsbesondere unter dem Aspekt, wie sich die nachbarschaftlichen Kontakte nach derBauzeit entwickeln. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Gemeinschaftsräume und

Page 177: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

167

Gemeinschaftsflächen, da sie von der IBA als gemeinschaftsfördernd und-unterstützend angesehen werden. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhangauch die Spielräume, die den Baufamilien in Mitbestimmungs- und Beteiligungspro-zessen eingeräumt werden. Mitbestimmung und Beteiligung machen einen Teil dersozialen Qualität des Wohnens aus und können ebenfalls fördernd in Richtung Ge-meinschaftsbildung wirken (Bärsch/Simbringer 2001). Die Erhebung geht daher derFrage nach, inwieweit und in welchen Bereichen Mitbestimmungsmöglichkeiten beiden Baufamilien vorhanden waren und wie zufrieden die Baufamilien damit sind.

In der Forschung zu neuen Wohnformen und Wohnprojekten wurde der Wunsch nachGemeinschaft als ein Hauptmotiv konstatiert (Brech 1999, Häußermann 1999). Spieltdies bei den Selbsthilfe-Projekten auch eine Rolle? Oder steht nicht vielmehr der (ge-sellschaftlich konstruierte) Wunsch nach einem Eigenheim, wie er in den Forschungenzu Wohneigentum und Wohnwünschen deutlich geworden ist, im Vordergrund derEntscheidung für diese Projekte? In der vorliegenden Untersuchung wird daher nachden Motiven für den Hausbau und die Entscheidung für ein Selbsthilfe-Projekt gefragt.

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Individualisierung der Lebensbereiche undeiner Herauslösung aus traditionellen Bindungen bietet die organisierte Gruppen-selbsthilfe einen möglichen Ersatz für den angenommenen Rückgang familiärer undnichtfamiliärer Netzwerke, die traditionell (besonders bei Arbeiterhaushalten) denHausbau unterstützten. Der Zusammenschluss einer Gruppe von Familien könnte dieNachteile einer städtischen Lebensweise hinsichtlich der Eingebundenheit in Netzwer-ke wechselseitiger Unterstützung aufwiegen. Da sich die Baufamilien in der Regelvorher nicht kannten, und die Selbsthilfe-Projekte nicht als selbst- sondern als fremd-initiierte Maßnahmen entstanden, kann man von einer künstlichen Herstellung einessolidarischen Zusammenhangs sprechen. Ist eine solche �Zwangsgemeinschaft� mitdem Ziel des Hausbaus auch langfristig tragfähig? Lassen sich bei den Baufamiliendarüber hinaus Hinweise auf ein tragfähiges soziales Unterstützungssystem (Familie,Freunde, Arbeitskollegen) finden, die den Hausbau aktiv mittragen?

Ein zentrales Moment der Projektreihe �Einfach und selber bauen� ist die Finanzie-rung des Hausbaus. Mit der Möglichkeit, Eigenkapital durch Selbsthilfe zu ersetzen,greifen die Projekte eine Zugangsbarriere insbesondere geringverdienender Haushaltezum Wohneigentum auf. Die Bestandteile der Finanzierung (Eigenkapital, Förderung,Selbsthilfeertrag und die monatliche Belastung der Baufamilien durch den Hausbau)werden anhand der vorliegenden Daten analysiert. Ein wesentlicher Aspekt dabei istdie Frage nach der subjektiven Einschätzung der Belastung durch die Baufamilien.

Abschließend wird nach der Bewertung und Gesamteinschätzung der Baufamilien ge-fragt. Wie hoch bewerten sie die Wohnzufriedenheit in ihrem neuen Haus und der

Page 178: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

168

Siedlung? Welche Kritikpunkte und Änderungsvorschläge formulieren sie? Wie wä-gen sie den erheblichen Aufwand der Selbsthilfe gegen das Ergebnis ab?

Page 179: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

169

VI. Methodischer Ansatz und empirisches MaterialIn der empirischen Untersuchung der Projektreihe "Einfach und selber bauen" wurdenqualitative (Leitfaden-Interviews) und quantitative (Fragebogen-Erhebung) Methodenkombiniert. Das Konzept der Untersuchung folgt demnach einem zweistufigen Verfah-ren. Der Durchführung von Interviews in fünf der sieben Siedlungen folgte in einemzweiten Schritt eine Fragebogen-Vollerhebung in allen sieben Selbstbau-Siedlungen.

1. Leitfaden-InterviewsUm die Erfahrungen der Baufamilien als eine komplexe soziale Realität in den Blicknehmen zu können, führte ich in fünf der bereits fertig gestellten Siedlungen struktu-rierte Leitfaden-Interviews93 durch. Qualitative Leitfaden-Interviews eröffnen dieMöglichkeit, im Rahmen eines von der Interviewerin eingebrachten, nur lose struktu-rierten Interviewleitfadens relativ frei über die für die Untersuchung relevanten The-menbereiche zu sprechen. Den Befragten wird hier ein breiter Spielraum der Struktu-rierung und Äußerung subjektiver Deutungen eingeräumt. Es werden daher keineAntwortkategorien vorgegeben. Ziel der strukturierten Leitfadeninterviews ist es eher,"richtigen" Variablen zu finden, als deren quantitativen Ausprägungen und Beziehun-gen zu analysieren. Insofern hatten die Interviews auch explorativen Charakter unddienten dazu, das Untersuchungsfeld zu erschließen. Der Aufbau des Leitfadens er-folgte anhand verschiedener Themenfelder, zu denen im Verlauf des Interviews immerwieder vertiefend nachgefragt wurde. Die Themenfelder wurden auf der Grundlage derAnalyse von Sekundärliteratur, des vorhandenen Materials der IBA zu den Selbsthil-feprojekten und der Expertengespräche entwickelt.

Der Interviewleitfaden und Kontaktaufnahme in den SiedlungenDer Interviewleitfaden orientierte sich an den dargestellten Forschungsfragen und um-fasste neben soziodemographischen Daten (Alter, Berufstätigkeit, Kinderzahl und Al-ter) die Themen:

• Gründe für den Hausbau• Innerfamiliäre Arbeitsteilung während der Bauzeit• Organisation und Ablauf des Bauprozesses• Mitbestimmung• Unterstützungssysteme (Helfer und Helferinnen)• Zusammenarbeit auf der Baustelle und nachbarschaftliche Kontakte• Einschätzung der (körperlichen und psychischen) Belastung

93 Zur Einordnung und Abgrenzung strukturierter Leitfaden-Interviews innerhalb des breiten Spektrums quali-tativer Interviews vgl. Hopf 1991.

Page 180: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

170

• Finanzierung (Eigenkapital, Fördermittel, monatliche Belastung)• Gesamteinschätzung (Wohnzufriedenheit/ retrospektive Beurteilung).Der Kontakt zu den Siedlungen wurde über die jeweiligen Träger der Bauvorhabenhergestellt. Im Vorfeld der Interviews wurden Expertengespräche mit je einem Vertre-ter der drei Bauträger und einem Vertreter der IBA Emscher Park durchgeführt94. Zu-sätzlich zu den Expertengesprächen konnte durch den Kontakt mit den Trägern bereitsvorhandenes Material (technische Beschreibungen, Vertragsmuster, Selbsthilfeverein-barungen etc.) gesammelt werden, welches später in die Auswertung einfloss. In allenSiedlungen gab es Siedlungssprecher/innen, die von den Baufamilien bereits zu Be-ginn der Bauzeit gewählt wurden und als Ansprechpartner/innen für die Gruppe undnach außen fungierten. Über die Sprecher/innen konnte ein erster Kontakt zur jeweili-gen Siedlung hergestellt werden. Die Sprecher/innen wurden über das Forschungsvor-haben informiert, machten es in der Siedlung bekannt und halfen, Interviewpartner und-partnerinnen zu finden.

Auswahl der Befragten für die Leitfaden-InterviewsVor dem Hintergrund, dass die Höhe des vorhandenen Eigenkapitals, die Anzahl unddas Alter der Kinder, Art und Umfang der Berufstätigkeit beider (Ehe-)Partner und dieAnzahl der geleisteten Selbsthilfestunden entscheidende Faktoren bei der Durchfüh-rung und späteren Einschätzung eines Selbsthilfeprojektes sind, sollten die befragtenFamilien ein möglichst breites Spektrum dieser Faktoren abbilden. Da keine Datenüber die Baufamilien vorlagen (und aus Datenschutzgründen auch nicht zu erhaltenwaren), war es nur teilweise möglich, die Auswahlkriterien im Vorfeld eines Inter-views abzuklären. In der Regel kamen die Kontakte zu den Interviewten über die Sied-lungssprecher/innen zustande, darüber hinaus durch Weiterempfehlung an Nachbarnund Freunde in den Siedlungen (�Schneeballverfahren�). Durch eine intensive Suchenach Interviewpartnern und -partnerinnen und die große Kooperationsbereitschaft derBaufamilien in den Selbsthilfe-Siedlungen ist es gelungen, sowohl �Extremfälle� hin-sichtlich der Verteilung der genannten Faktoren als auch eine breite Variation unter-schiedlicher Fälle in das Interviewsample einzubeziehen. Auf diese Weise war es mög-lich, die Variationsbreite und Unterschiedlichkeit des Untersuchungsfeldes zu er-schließen (Flick 1995).

94 Die Befragung der Experten gestaltete sich schwieriger als gedacht. Nur in einem Fall konnte problemlos einInterviewtermin vereinbart werden. In den restlichen Fällen gelang es nur nach beharrlichem Nachfragen, dieInterviews durchzuführen. Keiner der Experten war bereit, das Interview auf Band aufnehmen zu lassen. DieAuswertung der Experteninterviews erfolgt daher auf der Grundlage von nach dem Interview erstellten Ge-sprächsprotokollen. Die Expertengespräche orientierten sich ebenfalls an einem Leitfaden (vgl. Meu-ser/Nagel 2002) und dienten zur Ergänzung der Sichtweisen auf die Projektreihe.

Page 181: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

171

Von den durchgeführten 30 Interviews wurden 27 ausgewertet.95 Die Interviews vertei-len sich wie folgt auf die Projektstandorte: Herten (5), Duisburg (4), Bergkamen (7),Gelsenkirchen (6) und Lünen (5). Im Standort Duisburg gab es Probleme, Interview-partner/innen zu finden. Dies lässt sich zum einen auf die schon länger zurückliegendeFertigstellung des Projektes zurückzuführen, zum anderen darauf, dass Duisburg be-reits Gegenstand einer Evaluation war und viele Familien daher nicht zu einem erneu-ten Interview bereit waren. Trotz zahlreicher Versuche, Kontakte herzustellen, bliebdie Anzahl der Interviews im Vergleich zu den anderen Projektstandorten gering.

Durchführung der Leitfaden-Interviews96

Entscheidend bei der Durchführung der Interviews war es, die Gesprächsbereitschaftder Interviewpartner und -partnerinnen zu erhalten und zu fördern. Da ich davon aus-gehe, dass die Bauzeit als ein wichtiges biographisches Ereignis von Mann und Fraujeweils unterschiedlich erlebt wird, sollten beide (Ehe-)Partner befragt werden. Da esvon Seiten der Baufamilien aus Zeitgründen nicht möglich war, beide getrennt zu be-fragen, wurden die Interviews mit beiden (Ehe-)Partnern gleichzeitig durchgeführt.97

Die Interviewsituation war in der Regel durch eine besondere Gesprächsdynamik ge-kennzeichnet, da die Antworten auf Fragen häufig unterschiedlich ausfielen und da-durch im Interview Diskussionen über bestimmte Probleme und Einschätzungen ent-standen. Diese Gesprächsdynamik wurde als Möglichkeit gesehen, die verschiedenenPerspektiven innerhalb der Familie auszuleuchten, als "Bereicherung" begriffen und indie Auswertung mit einbezogen. In den Gesprächen zeigte sich allerdings eine deutli-che Rollenverteilung zwischen Mann und Frau. In zwei Fällen hat die Frau selbst aufeine direkte Anfrage nicht geantwortet, sondern die Frage durch Blickkontakt an denMann weitergegeben. Die Gesprächsanteile waren insgesamt deutlich ungleich verteilt.Auch in Gesprächen, in denen die Frauen engagiert am Gespräch teilgenommen ha-ben, war ein klarer Unterschied in den Gesprächsanteilen zwischen Männern undFrauen zugunsten des Mannes festzustellen.

Die Interviews fanden in den (selbst erbauten) Häusern der Baufamilien statt und dau-erten zwischen einer und drei Stunden. In zwei Dritteln der Fälle waren die Kinderanwesend und mussten � je nach Alter � zwischendurch versorgt werden. In einer Fa-milie haben die älteren Kinder am Interview teilgenommen und ebenfalls Fragen be-antwortet. In einigen Familien war für das Interview ein Raum (und Zeit) im Alltag

95 Die restlichen drei Interviews wurden nicht ausgewertet, da sich die Interviewten nicht mit einer Tonband-aufnahme einverstanden erklärten. Darüber hinaus war es in zwei dieser Fälle nicht möglich, eine Interview-situation herzustellen, die es erlaubt hätte, den Leitfaden abzufragen.

96 Zu den in Interviewsituationen strukturell angelegten Problemen vgl. Hopf 1978.97 Eine Ausnahme bildeten zwei Familien, in denen ausschließlich die Frauen befragt wurden.

Page 182: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

172

der Familie geschaffen worden. Es traten keine wesentlichen Störungen auf, beide In-terviewpartner/innen standen zur Verfügung. In der Mehrzahl der Fälle wurde der In-terviewtermin jedoch in den � bereits vollen � Alltag hineingeplant. Dies bedeuteteeine Ablenkung durch Kinder, Haustiere etc.

Einige der Familien boten mir an, ihr Haus zu besichtigen. Sie schilderten und zeigtenneben baulichen Problemen auch voller Freude die als positiv erlebte Wohnumgebung(Kinderzimmer, Terrasse, Garten etc.). Die Gesprächsdynamik war teilweise sehremotional geprägt. Der Hausbau, von manchen als eine schwere Zeit charakterisiert,hat bei einigen der Befragten Verbitterung, Zorn, Wut oder Enttäuschung hervorgeru-fen bzw. hinterlassen. Diese emotionale Grundstimmung nahm Einfluss auf den Ver-lauf des Gesprächs. Einigen war es wichtig, die für sie entscheidenden Eindrücke undInformationen an andere weiterzugeben. Die Gespräche hatten jedoch auch für die Be-fragten selbst in einigen Fällen eine Entlastungsfunktion und stellten einen Anlass dar,sich über ihre Erfahrungen und Einschätzungen auszutauschen.

In der Regel wurde das in dem Gesprächsleitfaden enthaltene Themenspektrum imInterviewverlauf abgedeckt. Nur der Themenbereich Finanzierung konnte nicht immerhinreichend vertieft werden, da zum Teil die Befragten nicht bereit waren, sich näherdazu zu äußern. Um die Interviewerin während des Gesprächs zu entlasten, den Ge-sprächsfluss nicht zu stören und um dokumentierbares Material für die Auswertung zuerhalten, wurden alle Interviews auf Tonband aufgenommen.

Auswertung der Leitfaden-InterviewsIn einem ersten Schritt wurden alle Tonbandaufnahmen transkribiert. Dabei wurdendie Gespräche wörtlich übertragen. Um Übertragungsfehler zu vermeiden, wurden alleTranskriptionen durch eine zweite Person überprüft. Für die weitere Auswertung wur-de nach zwei Ansätzen verfahren: zum einen wurden für alle interviewten Baufamilienstichwortartige Kurzportraits (Fallanalysen) erstellt, in denen die wichtigsten Angabender Befragten zu Alter, Berufstätigkeit, geleisteten Selbsthilfestunden etc. zusammen-gefasst wurden. Ergänzt wurden diese Portraits zweitens durch Profile der Selbsthilfe-Projekte, die Organisation, bauliche Gestaltung und Besonderheiten der jeweiligenStandorte zusammenfassten.

Die detaillierte Auswertung der Interviews erfolgte anhand eines thematischen Kate-goriensystems, dessen Kategorien an die Themenstruktur des Interviewleitfadens an-gelehnt waren, mit dem Textanalyseprogramm MAX (vgl. Kuckartz 1992). Die Aus-wertungskategorien wurden in Anlehnung an den Leitfaden entwickelt. Die wörtlichenund sinngemäßen Äußerungen der Befragten zu bestimmten Themenbereichen wurdenfallübergreifend zusammengestellt, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlicher

Page 183: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

173

heraustreten zu lassen. Diese themenbezogenen Zusammenstellungen bildeten diewichtigste Basis der Auswertung.

2. Fragebogen-ErhebungDie Fragebogen-Erhebung wurde im Frühjahr 2000 in allen sieben Selbsthilfe-Projekten der IBA Emscher Park durchgeführt. Es handelt sich um eine standardisier-te, postalische Einzelbefragung von Baufamilien, die in den Projekten wohnen und inorganisierter Gruppenselbsthilfe gebaut haben. Vor der Versendung des Fragebogenswurden die Siedlungssprecher/innen der Siedlungen über die geplante Erhebung inKenntnis gesetzt und gebeten, darüber in der Siedlung zu informieren. Dem Fragebo-gen waren ein Begleitschreiben und ein frankierter Rückumschlag beigefügt. DemVersand des Fragebogens folgte vier Wochen später ein Erinnerungsschreiben.

Der Aufbau der FragebögenDer Fragebogen wurde auf der Grundlage der Interview-Ergebnisse in der Absicht er-stellt, diese Ergebnisse durch eine Vollerhebung der am Bauprozess beteiligten Fami-lien in den sieben Projektstandorten auf eine breitere empirische Basis zu stellen undzu verifizieren. In den Fragebögen wurden die soziodemographischen Daten der Bau-familie erhoben; sie enthielten darüber hinaus Fragen zu folgenden Themenkomple-xen:

• Finanzierung (Eigenkapital, Fördermittel)• Entscheidungsfindung und Gründe für den Hausbau und für die Selbsthilfe• Organisation des Bauprozesses und Mitbestimmungsmöglichkeiten• Einschätzung der Belastungen• Zusammenarbeit während der Bauzeit und nachbarschaftliche Kontakte nach derBauzeit

• Innerfamiliäre Arbeitsteilung während der Bauzeit• Einschätzung der Wohnzufriedenheit und des Projekts allgemein.

Durchführung der Fragebogen-ErhebungEs handelt sich um eine Vollerhebung der Familien, die an der Gruppenselbsthilfe unddem Bauprozess auch tatsächlich teilnahmen. Insofern wurden nicht alle Familien an-geschrieben, die in den Projekten zu dem Zeitpunkt der Erhebung wohnten (231), son-dern nur die Familien, die nach meinem Informationsstand an dem Selbsthilfeprojektbeteiligt waren. Daher weicht die Grundgesamtheit der Befragung (vgl. Tab. 2) vonder Grundgesamtheit der gebauten Häuser ab. In Herten richtete sich die Befragungnur an die Familien des ersten Bauabschnitts, da der zweite Bauabschnitt zum Zeit-punkt der Befragung noch nicht fertig gestellt war. In Duisburg stand ein Haus zumZeitpunkt der Erhebung leer. In Recklinghausen haben nach Angaben des Siedlungs-

Page 184: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

174

sprechers an der organisierten Gruppenselbsthilfe nur 21 Familien teilgenommen, dierestlichen Häuser wurden erst später verkauft oder teilweise vermietet. Ähnlich wardie Situation in Bergkamen, denn von den 22 Hauseinheiten waren laut Siedlungsspre-cherin nur 15 Familien an der Selbsthilfe beteiligt, der Rest der Häuser wurde spätervergeben oder steht noch zum Verkauf. In Lünen haben 28 Familien mitgebaut, zweiHäuser wurden nach Abschluss der Bauzeit vergeben. Von den 43 Häusern in Glad-beck standen zwei zum Zeitpunkt der Befragung leer und eine Familie war gerade ein-gezogen.

Tab. 10: Rücklauf FragebögenOrt Grundgesamtheit

der BefragungRücklauf

absolut in %Bergkamen 15 (22)98 5 33,3Duisburg 51 (52) 19 37,3Gelsenkirchen 28 (28) 9 32,1Gladbeck 40 (43) 18 47,5Herten 20 (20) 8 40,0Lünen 28 (30) 19 67,9Recklinghausen 21 (37) 10 47,6Gesamt 203 (232) N=89 43,8

Auffällig sind die vergleichsweise hohen Rücklaufquoten aus Lünen (67,9%), Reck-linghausen und Gladbeck. In den beiden letztgenannten Siedlungen wurden keine In-terviews im Vorfeld der Fragebogen-Erhebung durchgeführt. Das Forschungsvorhabenwar in der Siedlung daher noch nicht bekannt, und es bestanden keine persönlichenKontakte in den Siedlungen. Demnach kann die Bereitschaft zur Teilnahme und dasInteresse an einer Untersuchung der Selbsthilfeprojekte in Recklinghausen und Glad-beck als hoch eingeschätzt werden. Im Gegensatz dazu sind die Siedlungen Bergka-men, Herten und Gelsenkirchen mit der absoluten Rücklaufanzahl nur gering vertreten.Einen zahlenmäßigen Schwerpunkt bilden die großen Projekte Duisburg und Glad-beck, aber auch Lünen aufgrund der höchsten Rücklaufquote. Dies ist bei der Auswer-tung der Daten zu berücksichtigen.99

98 Die Zahlen in Klammer bezeichnen die Hauseinheiten der Siedlungen.99 Der Rücklauf der Fragebogen-Untersuchung beträgt N=89 Fragebogen. Die Anzahl der Fälle bei den einzel-nen Fragen wird mit n angegeben (z. B. n=86, 3 fehlend).

Page 185: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

175

Auswertung der Fragebogen-ErhebungDie Auswertung der Fragebögen erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS. Die offe-nen Fragen wurden zusammengestellt und als Text ausgewertet. Da die Fragen desstandardisierten Fragebogens auf der Basis der Interviewergebnisse generiert wurden,werden die jeweiligen Ergebnisse im Folgenden gemeinsam und entlang der unter-suchten Themenfelder dargestellt. In der Regel erfolgt die Darstellung der Ergebnisseaus den verschiedenen Datenquellen anhand der Gliederung a) Ergebnisse aus derIBA-Befragung (soweit vorhanden), b) Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung und c)Ergebnisse der qualitativen Interviews.

Page 186: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

177

VII. Verborgene Realitäten: Ergebnisse der empirischen Erhebungen

1. Das soziale Bild der BaufamilienDie Gruppenselbsthilfe-Projekte waren von der IBA für die Zielgruppe junger Famili-en mit einem niedrigen bis mittleren Einkommen konzipiert. Um die Zusammenset-zung der untersuchten Baufamilien genauer zu bestimmen und mit der von der IBAintendierten Zielgruppe zu vergleichen, wurden in beiden Erhebungsschritten sozio-demographische Daten abgefragt. Zur Einordnung des Interviewsamples und der Fra-gebogen-Erhebung werden die von der IBA angegebenen Daten zur Sozialstrukturaller Projekte der �Einfach und selber bauen�� Projektreihe als Vergleichsgrundlageherangezogen (vgl. Beierlorzer/Boll 1998).

1.1. Die Altersstruktur der BefragtenDas Alter der Interviewten (beide Ehepartner) liegt bei Baubeginn im Durchschnitt bei35,6 Jahren. Differenziert man nach Geschlecht, so liegt der Altersdurchschnitt derinterviewten Frauen mit 34,6 Jahren zwei Jahre niedriger als der der Männer mit 36,6Jahren. Die Altersspanne reicht bei den interviewten Männern von 31 bis 47, bei denFrauen von 26 bis 45 Jahren. Bei einem Blick auf die Altersverteilung lässt sich jedochfesthalten, dass Herten mit 33,4 Jahren den niedrigsten Altersdurchschnitt bei den In-terviewten aufweist und Duisburg mit einem Durchschnittalter von 39,1 Jahren denhöchsten.

Während sich die Altersstruktur im Durchschnitt aller Projekte deutlich auf die Alters-stufen der 31- bis 35-Jährigen und der 36- bis 40-Jährigen konzentriert, ist die Alters-verteilung in dem Interviewsample trotz einer ebenfalls vorhandenen Mehrheit in dengenannten Altersstufen insgesamt breiter gestreut (ein hoher Anteil an bis 35-Jährigenund der 41�45 bzw. 46�50-Jährigen, vgl. Tab 11). Dies lässt sich teilweise auf die me-thodische Anlage des Interviewsamples zurückführen, in dem ein breites Spektrum derFamilien (in diesem Fall der Altersstufen) abgedeckt werden sollte.

Page 187: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

178

Tab. 11: Altersstruktur in Interviews, Fragebögen und Durchschnitt aller Projekte (nach An-gaben der IBA)Alter Interviews

(n=54)100Fragebögen(n=159)101

Durchschnittaller Projekte*

> 30Jahre

11,1% 28,3% 10,7 %

31-35 Jahre 44,4% 34,6% 42,1 %36-40 Jahre 22,2% 22,6% 31,5 %41-45 Jahre 18,6% 10,1% 11,3 %46-50 Jahre 3,7% 2,5% 3,1 %<50 Jahre 0% 1,9% 0,6 %Gesamt 100% 100% 100%* Die Angaben der IBA beziehen sich auf das Alter des Haushaltsvorstandes, Werte nicht für alle Hauseinheiten(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 12)

In der Fragebogen-Erhebung liegt das Durchschnittsalter insgesamt bei 34,4 Jahren,bei den Männern bei 35,5 Jahren und bei den Frauen ebenfalls knapp zwei Jahre nied-riger bei 33,4 Jahren. Bei einem Vergleich dieser Zahlen mit dem Interviewsamplelässt sich feststellen, dass der Altersdurchschnitt in der Fragebogen-Erhebung um 1,2Jahre niedriger liegt. An der Fragebogen-Erhebung haben also demnach deutlich mehrjüngere Familien teilgenommen.

Im Hinblick auf die Zielsetzung der Projektreihe, insbesondere jungen Familien einenWeg zu Wohneigentum zu ermöglichen, kann von einem Erfolg gesprochen werden,denn mit einem Durchschnittsalter von 34,4 Jahren in der Fragebogen-Erhebung (bzw.35,6 Jahren in den Interviews) liegen die Familien deutlich unter dem durchschnittli-chen Alter der Erwerber selbstgenutzten Wohneigentums, das in den Jahren 1987 bis1990 bei 38 Jahren (Ulbrich 1993: 18) und bei den Empfängern der Eigenheimzulage1996 bis 2000 durchschnittlich bei 39,3 Jahren lag (BBR 2002a: 12).

Betrachtet man als weitere Indikatoren zur Einordnung der Familien das Heiratsalterund das durchschnittliche Alter bei der Geburt des ersten Kindes, so wird deutlich,dass die Baufamilien erst einige Jahre nach der Familiengründung den Hausbau um-setzten.102

100 Es wurden 27 Interviews mit (Ehe)Paaren durchgeführt, und die Altersangaben beziehen sich auf das Alterdes Mannes und der Frau.

101 Die Angaben zum Alter bei Baubeginn wurden im Fragebogen nach Geschlecht getrennt abgefragt. Es ant-worteten 79 Männer (n=79, 10 fehlend) und 80 Frauen (n=80, 9 fehlend).

102 Das Alter der Frau bei der Geburt des ersten Kindes lag 2000 in der Bundesrepublik bei durchschnittlich 29Jahren (BMFSFJ 2003: 76). Das Heiratsalter hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich nach hinten ver-schoben und lag 2000 in Westdeutschland bei Männern bei 31,3 Jahren und bei Frauen bei 28,5 Jahren(BMFSFJ 2003: 65).

Page 188: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

179

1.2. Anzahl und Alter der KinderDie Anzahl der in den Familien vorhandenen Kinder ist ein wichtiges Kriterium fürdie Förderung der Selbsthilfe-Projekte. Die Verbindung von Anzahl und Alter derKinder zum Zeitpunkt des Baubeginns ist darüber hinaus ein wesentlicher Faktor zurCharakterisierung der Familiensituation in der Bauphase.

Der angestrebten Zielgruppe entsprechend hatten in dem Interviewsample die 27 Fa-milien zu Baubeginn insgesamt 56 Kinder. Zum Zeitpunkt des Baubeginns der Projek-te geben in der Fragebogen-Erhebung 85 Familien in den acht Projektstandorten insge-samt 182 Kinder an. In zwei Fällen (Recklinghausen und Gladbeck) gibt es (Ehe-)Paare ohne Kinder.

Tab. 12: Kinderanzahl zu Baubeginn: Interviews, Fragebögen und Durchschnitt aller Projektenach Angaben der IBA

Interviews(n=27)

Fragebogen(n=85)

Durchschnittaller Projekte*

Keine Kinder - 2,3% 1,0 %1 Kind 26,0% 16,5% 12,5 %2 Kinder 48,1% 50,6% 60,1 %3 Kinder 22,2% 25,9% 20,9 %4 Kinder 3,7% 4,7% 5,1 %5 Kinder - - 0,5 %Gesamt 100% 100% 100%* Werte nicht für alle Hauseinheiten(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 12)

Ein deutlicher Schwerpunkt in der Projektreihe liegt bei den Familien mit zwei Kin-dern. Die durchschnittliche Kinderanzahl aller Projekte liegt nach Angaben der IBAbei 2,3 Kindern je Haushalt (Beierlorzer/Boll 1998: 12). In den Interviews und Frage-bögen liegt diese Zahl bei 2,1 Kindern je Haushalt etwas niedriger. Allerdings verwei-sen die Angaben der Familien in beiden Samples darauf, dass die Phase der Familien-gründung in einigen Familien zu Baubeginn noch nicht abgeschlossen war.103

Zum Alter der Kinder liegen von Seiten der IBA keine Angaben vor. Da das Alter je-doch von entscheidender Bedeutung für die Betreuungssituation der Kinder und dieOrganisation des Bauablaufs ist, wurde in den Interviews und der Fragebogen-Erhebung nach dem Alter der Kinder zu Baubeginn gefragt (vgl. Tab. 13).

103 Zum Zeitpunkt der Interviews (1998) haben drei Familien weitere Kinder bekommen. In der Fragebogen-Erhebung (2000) wird in 13 Fällen auf später geborene Kinder hingewiesen.

Page 189: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

180

Tab. 13 Alter der Kinder zu Baubeginn in den Interviews und der Fragebogen-ErhebungAltersstufen Anzahl Interviews Anzahl Fragebogen0-2 Jahre 11 (19,6%) 51 (28,0%)3-4 Jahre 12 (21,4%) 33 (18,1%)5-6 Jahre 8 (14,3%) 22 (12,1%)7-8 Jahre 8 (14,3%) 18 (9,9%)9-10 Jahre 7 (12,5%) 16 (8,8%)11-12 Jahre 3 (5,4%) 11 (6,0%)13-14 Jahre 5 (8,9%) 10 (5,5%)15-16 Jahre 1 (1,8%) 8 (4,4%)17-18 Jahre - 6 (3,3%)über 18 Jahre 1 (1,8%) 7 (3,9%)Gesamt 56 182(Quelle: Interviews und Fragebogen-Erhebung)

In beiden Samples liegt ein deutlicher Schwerpunkt in der Altersverteilung der Kinderauf den 0- bis 6-Jährigen. In den Interviews liegt der Anteil der bis 6-Jährigen bei55,3%, in der Fragebogen-Erhebung mit 58,2% noch höher. In vielen Familien befan-den sich demnach zu Beginn der Bauzeit die Kinder im betreuungsintensivsten Alter,denn die Einbindung der Kinder in pädagogischen Einrichtungen erfolgt in der Regelerst ab einem Alter von drei Jahren (Kindergarten) bzw. ab 6 Jahren (Schule).

Page 190: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

181

1.3. Art und Umfang der BerufstätigkeitArt und Umfang der Berufstätigkeit sind vor dem Hintergrund der Selbsthilfeprojektein zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Der Umfang der Berufstätigkeit der (Ehe-) Part-ner beeinflusst die für die Selbsthilfe auf dem Bau verfügbare Zeit entscheidend mit.Zugleich kann die Art der ausgeübten Berufstätigkeit (Qualifikation und Art der Be-schäftigung) einen Hinweis auf die in den Familien vorhandenen Kenntnisse und Er-fahrungen geben, die für die Bauarbeit von Nutzen sein können.

Erfragt wurden in den Interviews und in den Fragebögen die Art und der Umfang derausgeübten Berufstätigkeit aller erwachsenen ProjektteilnehmerInnen. Dabei wurdenMänner und Frauen getrennt gefragt.

Laut Aussagen aus den Interviews war die Mehrzahl der Männer Vollzeit berufstätig.Bei den Frauen verteilte sich das anders: Nur eine Frau war Vollzeit berufstätig (Kran-kenschwester, zu der Zeit allerdings in Erziehungsurlaub). Knapp die Hälfte der Frau-en war Teilzeit berufstätig (wobei die Anzahl der geleisteten Stunden stark variierte),knapp die andere Hälfte war nicht berufstätig, bzw. bezeichnete sich als Hausfrau. Indieser Gruppe befand sich eine Frau nach eigenen Angaben in einer Ausbildung, einezweite war arbeitslos (vgl. Tab. 14).

Tab. 14: Interviews: Umfang Berufstätigkeit nach GeschlechtBerufstätigkeit Mann FrauVollzeit 25 1Teilzeit - 13Gejobbt -nicht berufstätig 2 13Gesamt 27 27(Quelle: Interviews)

Vor dem Hintergrund der in den Projekten geleisteten Selbsthilfe beim Hausbau ist dieFrage danach bedeutsam, ob in den beteiligten Familien handwerkliche Kenntnissevorhanden waren, die es ihnen ermöglichten, die notwendigen Selbsthilfestundenleichter und effektiver abzuarbeiten. Um der Beantwortung der Frage nach vorhande-nen handwerklichen Kenntnissen näher zu kommen, erfolgt ein Blick auf die ausgeüb-ten Berufe bzw. die Berufsausbildung der Interviewten:

Die Berufstätigkeiten der Frauen umfasst ein weites Spektrum: (Hausfrau), Tagesmut-ter, Krankenschwester, Arzthelferin, Erzieherin, Diplom Pädagogin, Diplom Psycho-login, Steuerfachangestellte, Dozentin, Friseurin, Aushilfe, Einzelhandelskauffrau undGaststättenfachfrau. Geht man von der angegebenen Berufstätigkeit aus, lassen sichbei den befragten Frauen keine handwerklichen Ausbildungen oder Kenntnisse vermu-ten.

Page 191: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

182

Bei den interviewten Männern sieht es schon anders aus: In 19 von insgesamt 27 Fäl-len haben die Interviewten eine handwerkliche Ausbildung und/oder waren auch indiesem Beruf tätig (z. B. Elektriker, Schlosser, Monteur, Tischler, Schreiner undTechniker). In acht Fällen war keine handwerkliche Ausbildung vorhanden (Postbeam-ter, Lehrer, Angestellter, Sozialpädagoge, Krankenpfleger, MTA, Kaufmann und Be-amter). Insgesamt kann bei den interviewten Männern in der Mehrzahl der Fälle auf-grund der beruflichen Qualifikation von fundierten handwerklichen Kenntnissen undErfahrungen ausgegangen werden. Andererseits sagt die nicht vorhandene beruflicheQualifikation im handwerklichen Bereich bei dem geringeren Teil der Gesamtgruppejedoch weder bei den Frauen noch bei den Männern etwas über die tatsächlich vorhan-denen handwerklichen Kenntnisse oder Vorerfahrungen aus.

Dieser Eindruck hinsichtlich des Umfangs der Berufstätigkeit wird bestätigt von Er-gebnissen aus der Fragebogen-Erhebung: Die befragten Männer sind in der überwie-gend Mehrzahl Vollzeit berufstätig, nur jeweils ein Mann ist Teilzeit berufstätig oderhat gejobbt. Vor dem Hintergrund des Hausbaus und der damit verbundenen finanziel-len Belastung ist es eher erstaunlich, dass vier der Männer zum Zeitpunkt der Befra-gung nicht berufstätig waren. Unter der Kategorie "nicht berufstätig" gibt ein Befragter"Rentner", ein anderer "Hausmann" an. In den Familien, in denen der Mann nicht be-rufstätig war, haben zwei Frauen Vollzeit gearbeitet (Krankenschwester, Diplom Pä-dagogin), eine Frau hat Teilzeit gearbeitet (Köchin) und eine weitere hat gejobbt (La-geristin).

Tab. 15: Fragebogen: Umfang der Berufstätigkeit nach GeschlechtBerufstätigkeitMann/Partner

Gesamt Prozent BerufstätigkeitFrau/Partnerin

Gesamt Prozent

Vollzeit 83 93,3 Vollzeit 8 9,0Teilzeit 1 1,1 Teilzeit 13 14,6hat gejobbt 1 1,1 Hat gejobbt 5 5,6nicht berufstätig 4 4,5 nicht berufstätig 63 70,8Gesamt 89 100,0 Gesamt 89 100,0(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)

Mehr als zwei Drittel der befragten Frauen sind nach eigenen Angaben nicht berufstä-tig, wobei die Tätigkeit von den Frauen mit den unterschiedlichsten Inhalten gefülltwird: z. B. Studium, Hausfrau, Mutter, Erziehungsurlaub, Finanzverwalterin und Gärt-nerin. Das restliche Drittel der befragten Frauen hat überwiegend in Teilzeit gearbeitet,nur 9% der befragten Frauen waren Vollzeit beschäftigt und 5,6% der Frauen habengejobbt.

Page 192: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

183

Tab. 16: Kreuztabelle Berufstätigkeit Mann/Partner und Berufstätigkeit Frau/PartnerinBerufstätigkeitMann/Partner

Berufstätigkeit Frau/Partnerin

Vollzeit Teilzeit hat gejobbt nicht berufstätig GesamtVollzeit 5 12 4 62 83Teilzeit 1 1hat gejobbt 1 1Nicht berufstätig 2 1 1 4Gesamt 8 13 5 63 n= 89(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)

Die Berufstätigkeit der Frau ist im Wesentlichen komplementär zu der des Mannesangelegt, d. h. die Hauptversorgungsfunktion der Familie nimmt in der überwiegendenZahl der Fälle der Mann wahr. Nur acht Frauen waren laut Fragebogen-Sample Voll-zeit berufstätig, davon waren in fünf Fällen beide (Ehe-)Partner Vollzeit berufstätig.Bei zwei von diesen Fällen handelte es sich um (Ehe-)Paare ohne Kinder. Nur in Aus-nahmefällen, wenn der Partner arbeitslos oder Teilzeit beschäftigt war, erfolgte dieVersorgung der Familie über die volle Berufstätigkeit der Frau. Die Berufstätigkeit derFrau korreliert eng mit der Anzahl und dem Alter der vorhandenen Kinder, wie diefolgende Tabelle belegt.

Die Frage nach der ausgeübten Berufstätigkeit wurde in der Fragebogen-Erhebung nurvon 55 Männern und 50 Frauen beantwortet. Ähnlich wie in dem Interviewsample übtüber die Hälfte der Männer (29) einen handwerklichen Beruf (Elektriker, Techniker,Tischler, Schweißer, Monteur, Heizungsbauer, Gerüstbauer, Schlosser etc.) aus. NeunMänner sind als Beamte tätig (Polizei-, Post-, Feuerwehr- und Justizbeamte), siebenarbeiten in pädagogischen bzw. medizinischen Berufsfelder, weitere vier Befragte imkaufmännischen Bereich, zwei im Bereich Datenverarbeitung, ein Mann arbeitet alsKonditor.

Tab. 17: Kreuztabelle Berufstätigkeit Frau und KinderanzahlBerufstätigkeitFrau/Partnerin

keine Kinder 1 Kind 2 Kinder 3 Kinder 4 Kinder Ge-samt

Vollzeit 3 1 2 1 1 8Teilzeit 1 9 3 13hat gejobbt 2 3 5nicht berufstätig 5 35 14 6 60108Gesamt 3 7 48 18 10 86(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=86, 3 fehlend)

Von den befragten 89 Frauen haben 23 die Frage nach der ausgeübten Berufstätigkeitmit �Hausfrau� und �Mutter� beantwortet. Neun der Frauen arbeiten im medizinischen

108 In drei Fällen war in den Fragebögen keine Angabe zur Anzahl der Kinder vorhanden. Dadurch erklärt sichdie Differenz zu der in Tab. 16 und Tab. 17 angegebenen Zahlen der nicht berufstätigen Frauen.

Page 193: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

184

Bereich (Arzthelferin, Krankenschwester, Hebamme, PTA), sieben Frauen üben pä-dagogische Berufe aus (Sozialarbeiterin, Diplom Pädagogin, Erzieherin und Sozialpä-dagogin) und vier der Frauen sind als Kauffrau tätig. Darüber hinaus arbeitet eine Frauals Dipl. Ing. und jeweils eine Frau als technische Angestellte, Köchin, Lageristin,Putzfrau und Kellnerin. Zwei Frauen geben an, zum Zeitpunkt der Befragung eineAusbildung (Studium und Ausbildung) zu absolvieren.

Lassen sich auch hier keine Schlüsse auf die tatsächlich vorhandenen handwerklichenKenntnisse der Baufamilien schließen, so ist doch aufgrund der Tatsache, dass über dieHälfte der befragten Männer in einem handwerklichen Beruf ausgebildet und darinauch tätig sind und eine Frau als Diplom-Ingenieurin arbeitet, davon auszugehen, dassin über der Hälfte der Baufamilien fundierte handwerkliche Kenntnisse und Erfahrun-gen vorhanden waren.

Der Anteil der Baufamilien, bei denen eine handwerkliche Qualifikation vorhanden ist,fällt in dem Interviewsample und der Fragebogen-Erhebung unterschiedlich hoch aus.Während von den Interviewten ca. 70 % der Männer einen handwerklichen Beruf aus-übten, waren es laut Aussagen in der Fragebogen-Erhebung nur knapp über 50%. Dieskann vermutlich auf die vergleichsweise hohe Anzahl von fehlenden Werten (34) inder Fragebogen-Erhebung zurückgeführt werden. In den Angaben der IBA zum Berufder Baufamilien im Durchschnitt aller Projekte fällt der Anteil an Arbeitern und Fach-arbeitern mit 65,4% ebenfalls hoch aus (vgl. Tab.18).

Tab. 18: Berufstätigkeit im Durchschnitt aller Projekte nach Angaben der IBA109

Beruf Durchschnittaller Projekte

Arbeiter 20,4 %Facharbeiter 45,4 %kaufmännische Berufe 14,2 %soziale Berufe 4,9 %Akademiker 2,8 %Beamter 7,8 %Selbständige 1,2 %Haufrau 3,1 %(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 12)

Im Hinblick auf die Zielsetzung der Projektreihe �Einfach und selber bauen� lässt sichfesthalten, dass in den Projekten die Zielgruppe der jungen Familien erreicht wurde.Bei den Baufamilien liegt der Altersdurchschnitt deutlich unter dem durchschnittlichenAlter der Erwerber selbstgenutztem Wohneigentums. Die Altersgrenze der Eigen-

109 Aus dieser Darstellung geht nicht klar hervor, ob durchgängig beide Ehepartner aufgenommen worden sind.Auffällig ist jedoch der geringe Anteil an Hausfrauen im Vergleich zu den Interview- und Fragebogenergeb-nissen.

Page 194: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

185

tumsbildung ist hier also deutlich nach unten verschoben (vgl. Kap. II). Dies bestätigtsich auch im Vergleich mit Projekten der organisierten Gruppenselbsthilfe in den neu-en Bundesländern. Hier liegt das Durchschnittsalter bei 40 (männlich) und 38 (weib-lich) Jahren (IRS 1998: 22). Die Familien haben mit 2,3 (IBA-Durchschnitt) bzw. 2,1Kindern (Interviews und Fragebögen) je Haushalt verhältnismäßig viele Kinder. DerAltersschwerpunkt der Kinder bei Baubeginn liegt auf den bis 6-jährigen Kindern. Eshandelt sich demnach um Familien kurz nach der Familiengründungsphase. Die Pro-jektidee ist aus dieser Perspektive als gelungen zu bezeichnen. Es entstanden so haupt-sächlich Siedlungen mit einer ähnlichen demographischen Haushaltsstruktur und ent-sprechend zu erwartenden Wellen des Alterns und der Familienzyklen.

Betrachtet man die beruflichen Tätigkeitsfelder der Baufamilien, so lässt sich resümie-ren, dass über die Hälfte der Männer in handwerklichen Berufsfeldern ausgebildet undtätig sind. Vor dem Hintergrund der in Kapitel III analysierten Fachliteratur zurSelbsthilfe entspricht dies zum einen der in vielen Fällen als notwenig angesehenenVorraussetzung zur Durchführung von Selbsthilfeprojekten und zum anderen auch derbeobachteten Praxis. In Bezug auf die Verteilung der Berufstätigkeit zwischen Mannund Frau lässt sich eine überwiegend traditionelle Arbeitsteilung konstatieren. Nur inwenigen Ausnahmefällen ist die Frau für die finanzielle Haupt-Versorgung der Familiezuständig. Diese Verteilung korreliert auch eng mit dem Alter der Kinder, die sich inder Bauzeit überwiegend in einem betreuungsintensiven Alter befanden.

2. Warum ein Selbsthilfe-Projekt? MotivationenDie Initiatoren gingen in ihren Vorannahmen für die Planung der Selbsthilfe-Projektedavon aus, nicht vorhandenes Eigenkapital durch Selbsthilfe zu ersetzen. Als Ziel-gruppe wurden dann auch vorrangig junge Familien mit Kindern und geringem Ein-kommensniveau definiert. Die Entscheidung für eines der untersuchten Projekte wirddaher häufig mit finanziellen Gesichtspunkten begründet. �Oft erfolgte die Verführungüber die einzigartige Möglichkeit, nur hierüber überhaupt den Traum vom eigenenHeim für die Kinder realisieren zu können� (Beierlorzer 1999: 68). Dabei wird vonSeiten der IBA betont, dass die Reihenhäuser eine Alternative zur Sozialwohnung dar-stellen, nicht zu einem �normalen� Wohneigentum. Ebenso wird die besondere Wohn-qualität der Siedlungsprojekte hervorgehoben: Wohnen in einem Haus mit eigenemEingang und einer guten (Siedlungs-) Adresse. Diese Annahmen wurden von der IBAjedoch nicht empirisch untersucht. In diesem Abschnitt wird daher der Frage nachge-gangen, welche Gründe die Baufamilien für ihre Teilnahme an den Bauprojekten an-geben.

In den Interviews wird die Frage nach den Gründen für den Hausbau in der Eingangs-frage abgehandelt. Im weiteren Verlauf des Interviews wurde nach den Entschei-

Page 195: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

186

dungsgründen für ein Selbsthilfe-Projekt gefragt. Die Fragebogen-Erhebung folgtedieser Struktur; dabei wurden auf der Grundlage der Interviewergebnisse für die Fra-gebogen-Erhebungen drei Fragen konzipiert: Der Stellenwert des Hausbaus in der Le-bensplanung, die Gründe für den Hausbau und die Entscheidung für die Selbsthilfe.

2.1. Entscheidungsdimensionen: Beweggründe für Hausbau und Selbsthilfe inder Fragebogen-Erhebung

Die Entscheidung, ein Haus zu bauen, wurde von mehr als einem Drittel der befragtenFamilien als eine lange vorhandene Absicht bezeichnet. Dies deutet darauf hin, dasssich diese Familien bereits länger mit dem Wunsch, ein Haus zu bauen (oder zu kau-fen) auseinandergesetzt haben und u. U. den möglichen Hausbau bereits geplant bzw.vorbereitet haben (z. B. durch Ansparen von Kapital). Der Hausbau war � so lässt sichschießen � ein Bestandteil ihres Lebensplans.

Ein weiteres Drittel der Familien bezeichnet die Teilnahme an den Selbsthilfeprojektenals eine spontane Entscheidung. Eine spontane Entscheidung lässt im Gegensatz zu deroben formulierten Absicht auf keine Vorbereitung des Hausbaus schließen. Allerdingssagt diese Antwort nichts über einen vielleicht vorhandenen Wunsch der Familiennach einem eigenen Haus aus.

Als eine Gelegenheit, vorhandene Wohnungsprobleme zu lösen, wird der Hausbau voneinem Fünftel der Befragten charakterisiert. 7,9% der Befragten haben mehrere Ant-worten angegeben (vgl. Abb. 15).

Abb. 15: Entscheidung für Hausbau (Angaben in %)

33,7

7,91,1

20,2

37,1

05101520253035404550

lang vorhandeneAbsicht

spontaneEntscheidung

günstigeGelegenheit, unsereWohnungsprobleme

zu lösen

mehrere Antworten keine Angabe

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)

Page 196: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

187

Vor dem Hintergrund der im ersten Teil der Arbeit dargestellten Wohnwunschbefra-gungen (vgl. Kap. II.1) ist festzustellen, dass die vorhandene Absicht zum Hausbaumit 37,1% der befragten Familien vergleichsweise niedrig ausfällt bzw. eine Diskre-panz zwischen den erhobenen Wohnwünschen besteht (ca. 75% der Bevölkerungwünscht sich ein eigenes Haus, vgl. Jokl 1990) und der Umsetzung in eine lang vor-handene Absicht. Dies ist m. E. darauf zurückzuführen, dass viele der befragten Bau-familien in den Selbsthilfeprojekten aufgrund ihrer sozialen Situation keine Chancenzur Realisierung ihres Hauswunsches sahen und ihn daher nicht in ihre Lebensplanungeinbezogen.

Bei der Frage nach den Gründen für den Hausbau (vgl. Abb.16) zeigt sich ein deutli-cher Schwerpunkt bei dem Wunsch nach einem eigenen Haus. An zweiter Stelle stehtder Wunsch nach mehr Freiraum durch einen eigenen Garten. Die mögliche Absiche-rung im Alter durch Hauseigentum wurde von den Familien an dritter Stelle genannt.Mit einigem Abstand folgt die Unabhängigkeit vom Vermieter. Weitere Gründe, dieProbleme des Wohnungsmarktes (Wohnungsversorgung) und des Mieterverhältnissesthematisieren, werden von den Familien in der Fragebogen-Erhebung nur wenig ge-nannt.

Abb. 16: Gründe für den Hausbau (Angaben in %)

3

5,2

7,5

17,6

21

22,1

4,1

19,5

0 5 10 15 20 25

Sonstiges

Wir befürchteten einMieterhöhung

Schwierig, mit Kinderneine (Miet)Wohnung zu

finden

Schwierig, einebezahlbare Wohnung zu

finden

Unabhängigkeit vomVermieter

Absicherung im Alter

Durch einen eigenenGarten mehr Freiraum

Wir wünschten uns eineigenes Haus

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=87, 2 fehlend, Mehrfachantworten)

Page 197: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

188

Die unter dem Punkt �sonstige Gründe für den Hausbau� genannten Angaben lagenschwerpunktmäßig auf der Wohnsituation der Kinder: Kinderanzahl, das fehlendekindgerechte Umfeld und die durch Familienzuwachs zu klein gewordene Wohnung.Darüber hinaus wurden finanzielle Gründe genannt: �Kosten senken durch Muskelhy-pothek� und ein �bezahlbar(es)� Haus sowie Aspekte der Wohnsicherheit und derWohnqualität genannt.

Bei der Entscheidung für ein Selbsthilfe-Projekt stehen finanzielle Gründe mit Ab-stand im Vordergrund. Mit 49 % der Antworten wird der Ersatz des fehlenden Eigen-kapitals durch die Selbsthilfe beim Bau genannt. Die Möglichkeit, die zukünftigenNachbarn durch die gemeinsame Bauzeit kennen zulernen, wurde mit 20,3 % derAntworten angegeben. Als etwa gleichwertig wird mit 20,9% die Möglichkeit der ak-tiven Mitgestaltung des eigenen Hausbaus angegeben (vgl. Abb. 17).

Abb. 17: Warum haben Sie sich für ein Selbsthilfe-Projekt entschieden?

Eigenkapitalersetzen;49,0%

Hausbau aktivmitgestalten;20,9%

Sonstiges;9,8%

zukünftigenNachbarn

kennenlernen;20,3%

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=87, 2 fehlend, Mehrfachantworten)

15 der Befragten führten unter der Kategorie "Sonstiges" weitere Gründe für die Ent-scheidung für ein Selbsthilfe-Projekt an. Knapp die Hälfte davon (sieben Familien)geben hier finanzielle Gründe an. Dabei werden Aspekte aufgezählt, die bereits vorherin anderen Fragen und Items thematisiert wurden, wodurch der Eindruck entsteht, dasses den Familien wichtig war, die finanziellen Beweggründe außerhalb der vorgegebe-nen Antwortmöglichkeiten genauer zu erläutern. Im Mittelpunkt der Statements stehtdie Finanzierbarkeit des Hauses ("bezahlbar", "günstiger Preis", "Eigenkapital erhö-hen"). Dazu trägt auch die Inanspruchnahme der Fördermittel des Landes bei. Nebender Finanzierung wird von den Familien ein zweites Motivbündel genannt: Die Wohn-

Page 198: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

189

lage bzw. die Wohn- und Wohnumfeldqualität. Dabei war die bauliche Selbsthilfenicht ausschlaggebend, u. U. ist die Entscheidung für dieses Projekt sogar trotz derNotwendigkeit, Selbsthilfe zu leisten, gefallen. So formulierte eine Familie ihre Ent-scheidungsfindung als negativen Ausschluss: "vernünftiges Haus war nicht finanzier-bar". Was diese Familie unter "vernünftigem Haus" versteht, lässt sich aus dieser Aus-sage nicht ableiten. Auf der Grundlage des vorhandenen Materials lässt sich jedochvermuten, dass der fehlende Keller, die als klein eingeschätzten Grundstücke, die "ein-fache" Bauweise etc. eine Rolle bei dieser Einschätzung spielen könnten.

Die Wohnqualität in den Siedlungen spielte bei drei weiteren Familien eine große Rol-le bei der Entscheidung für das Selbsthilfe-Projekt. Auch hier wird die Wohnlage alspositiver Aspekt angesprochen ("zentrale ruhige Lage"), aber auch die Holzbauweiseund ökologische Standards sowie die insgesamt "hohe Attraktivität von Haus, Sied-lung und Umgebung" werden von einzelnen Familien als zentrale Aspekte der Ent-scheidung genannt. Neben der ökologischen Bauweise wurden in diesem Zusammen-hang die "Grundrissplanung" und die "kinderfreundliche Planung" hervorgehoben. ZurWohnqualität gehören auch die Kontaktmöglichkeiten, die von einer Familie als Ent-scheidungsgrund angegeben wurde ("unsere Freunde (haben) hier auch gebaut ha-ben"). Der Wunsch mit Gleichgesinnten zusammenzuwohnen, gab in diesem Fall denAusschlag. Die hier aufgeführten Gründe decken sich größtenteils mit den unter�Sonstiges� bei der Frage nach dem Hausbau angegebenen Gründen; dabei ist keindirekter Bezug zum Bauen in Selbsthilfe zu erkennen.

Ein weiteres Motivbündel, nämlich "Neue Erfahrungen machen" und "Freude am Bau-en" wurde von zwei Familien als Entscheidungskriterien für ein Selbsthilfeprojekt an-gegeben. In eine etwas andere Richtung geht die Anmerkung dieses Mannes110:

�1. Weil ich den Makel, dass ich zwei linke Hände hätte, loswerden wollte - mitErfolg!2. Weil ich mal die Grenzen meiner Belastbarkeit kennen lernen wollte!3. Weil ich mal in einer richtigen Männergesellschaft leben wollte (wenn ichschon keine Bundeswehr erlebt habe)!�(030)111

Das Selbsthilfe-Projekt wird hier als persönliche Herausforderung (als �Mann�) aufverschiedensten Ebenen gesehen. Es bietet die Möglichkeit, sich handwerklicheKenntnisse anzueignen und damit die persönlichen Fähigkeiten auf einer fast professi-onellen Ebene zu erweitern. Gleichzeitig wird es als eine Herausforderung gesehen,

110 Laut Fragebogen ist der Mann Vollzeit als Altenpfleger berufstätig, seine Frau ist Diplom Sozialarbeiterinund war während der Bauzeit nicht berufstätig. Sie haben zwei Kinder im Alter von sieben und elf Jahren.Die Familie hat nach eigenen Angaben bis zu 50.000 DM Eigenkapital eingebracht, und insgesamt 1.600Selbsthilfestunden (1300 OGS, ca. 300 ESH) gearbeitet. Als Grund für den Hausbau geben sie unter �Sonsti-ges� an, dass Freunde mitgebaut haben.

111 Die Quellenangabe bei Zitaten aus der Fragebogen-Erhebung gibt die Nummer des Fragebogens an.

Page 199: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

190

durchzuhalten und sich den ungewohnten körperlichen und psychischen Anforderun-gen tatsächlich gewachsen zu zeigen. Die dritte Herausforderung ist die Erlangung vonAnerkennung in der "Männergesellschaft". Eine Baustelle wird damit zu einem Ort derMännergesellschaft, in dem eigene Regeln herrschen, wie beispielsweise in der Bun-deswehr. Aber diese Gesellschaft bietet, so lässt sich vermuten, auch etwas Wertvol-les, das die Anstrengungen lohnt: ein Identitätsangebot durch Zugehörigkeitsgefühleund eine damit verbundene Solidarität (unter Männern). Die "Selbsthilfe als letztesAbenteuer", ein Begründungsmuster, das in dem Untersuchungsmaterial nur an dieserStelle so deutlich thematisiert wird.

2.2. Motivbündel � die InterviewergebnisseWie sehen nun die interviewten Baufamilien die Gründe für ihre Teilnahme an denBauprojekten? Die Entscheidung für eines der untersuchten Projekte wird häufig mitfinanziellen Gesichtspunkten begründet, aber auch andere Beweggründe sind vertre-ten. In den meisten Fällen waren keine isolierten und damit eindeutigen Gründe zuerkennen, sondern es handelte sich meist um Motivbündel. Im Folgenden werden diein den Interviews genannten wesentlichen Beweggründe für die Teilnahme an denSelbsthilfe-Projekten herausgearbeitet.

2.2.1. Der Wunsch nach etwas �Eigenem�Als zentraler Beweggrund zeigt sich in den Interviews der Wunsch nach einem eige-nen Haus. Dieser Traum von etwas �Eigenem� liegt anderen Motivationssträngenzugrunde bzw. ist mit diesem verflochten. Im Unterschied zu den Aussagen der Fachli-teratur wird dieser Wunsch explizit jedoch nur vergleichsweise selten formuliert, voninsgesamt 27 Familien äußerten nur sechs Interviewte diesen Wunsch ausdrücklich alseinen Grund für den Einstieg in die Projekte. Von denjenigen, die das explizit formu-lieren, wird ein schon lange bestehender Wunsch formuliert, etwas �Eigenes� zu ha-ben. Teilweise wird der Wunsch konkreter ausgestaltet als "freistehendes Haus" oderin Bezug gesetzt zu der familiären Umgebung:

�Also auf die Idee, ein Haus zu bauen, sind wir schon lange gekommen. Meine El-tern haben ein eigenes Haus, die Geschwister haben ein eigenes Haus. Wir wolltenes eigentlich auch schon immer haben. War finanziell natürlich nicht machbar(...).� (Frau Erdmann) 112

In Verbindung mit der beschriebenen Wohnungssuche kommen einige der interview-ten Familien zu dem Schluss, für den hohen Mietpreis etwas zu kaufen. Die monatli-chen finanziellen Belastungen werden dann als eine Investition betrachtet und nicht als

112 Die Interviews wurden sprachlich geglättet und die persönlichen Angaben anonymisiert. Die Namen sind freierfunden.

Page 200: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

191

Ausgaben, von denen der Vermieter profitiert, nicht die Mieter. Wesentlich erscheinthier, dass die monatlichen Belastungen vergleichbar mit den Mietpreisen sind. Im Ge-gensatz zu einer Mietwohnung wird das eigene Haus in vielerlei Hinsicht als ein Ge-winn betrachtet: das Eigentum stellt einen dauerhafter Wert dar, der an die Kinder ver-erbt werden kann. In vielen Interviews ist Wohneigentum darüber hinaus auch verbun-den mit der Vorstellung von einem eigenen Garten.

�Eine Mietwohnung kann ich schlecht vererben und alles was ich an Miete zahle,bekomme ich auch schlecht zurück. Wir machen auf jeden Fall nur Plus. Wir kön-nen uns ja nur verbessern. Allein schon der Garten, die Terrasse nach hinten raus.Eigentum als solches natürlich der Grundgedanke (...).� (Herr Böll)

In finanzieller Hinsicht wird die Wohneigentumsbildung nicht in allen Fällen als einVorteil gesehen. Der folgende Interviewpartner stellt seinen Wunsch, ein eigenes Hauszu haben, über die finanziellen Gründe. Nach den Angaben des Befragten zahlt dieFamilie für das Haus monatlich mehr an Belastung als vorher an Miete und hat sodeutlich höhere Ausgaben. Der Wunsch nach etwas Eigenem wird in dieser Aussagezum Hauptgrund der Entscheidung, der den Nachteil � die monatlichen Mehrausgaben� ausgleicht. Allerdings sind die finanziellen Bedingungen dieses Projektes auch fürdiesen Interviewten die Voraussetzung, sich diesen Wunsch überhaupt erfüllen zukönnen. Er nimmt dafür aus seiner Sicht finanzielle Nachteile in Kauf.

"Nicht aus finanziellen Gründen. Nein, da stehen wir uns ja schlechter, sage ichjetzt mal. Nein, ganz einfach nur weil ich das wollte, also ein Haus, ja? Also es istja zu 90% aller Menschen der Wunsch da, ein eigenes Haus zu haben. Ich gehörezu den 90% und aufgrund dessen ... ich habe ja schon immer mit dem Gedankengespielt (...)." (Herr Keller)

Der starke Wunsch nach dem eigenen Haus wird jedoch in den Selbsthilfeprojektendurch die Form der Organisation der Eigentumsverhältnisse in gewisser Hinsicht kon-terkariert. Die Familien haben formal kein eigenes Haus, sondern eine Eigentumswoh-nung gebaut, da die Siedlungen als Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) or-ganisiert sind. Dies hat nach Angaben der Initiatoren vorrangig finanzielle Gründe, daaufgrund der gemeinschaftlichen Versorgungseinrichtungen und Erschließungskostendeutliche Einsparungen erzielt werden können. Vor dem Hintergrund der zentralenMotivbündel der Familien, in denen der Wunsch nach einem eigenen Haus eine großeRolle spielte, stellt diese Form der Organisation für einige Familien ein Problem dar.

�(...) das man uns bis zum Schluss in dem Glauben gelassen hat, dass man wirklichein eigenes Haus hatte und eben kurz vor der Unterschrift erfahren, dass das eigent-lich nur eine Eigentumswohnung ist. (...) also ich hätte es nicht gemacht. Denn ichwar eigentlich davon ausgegangen, dass ich mir ein eigenes Haus kaufe.� (HerrBach)

Page 201: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

192

�Uns wurde dann irgendwann mitgeteilt, dass das verwaltungstechnisch erstmal sogehandhabt wird, das seien Eigentumswohnungen. (...) Da habe ich gesagt, das gibtes doch gar nicht. Das ist hier mein Haus. Nein, vor dem Gesetz wird das als Ei-gentumswohnung gehandhabt. (...) das war eine Unverschämtheit.� (Herr Schnei-der)

Diese heftigen Reaktionen auf die Information, anstatt eines Hauses eine Eigentums-wohnung gekauft zu haben, verdeutlichen wie stark der Wunsch nach �einem eigenenHaus� ist. Aus den Reaktionen lässt sich schließen, dass es für viele der interviewtenFamilien einen wesentlichen Unterschied macht, ob sie in einer (selbstgebauten) Ei-gentumswohnung oder in einem Reihenhaus wohnen. Ein Haus ermöglicht in derWahrnehmung der Baufamilien mehr Freiheit, Unabhängigkeit und Ungestörtheit. Dienotwendige Kommunikation zwischen den Besitzer/innen von Eigentumswohnungenund der Zwang zur Verständigung sind in einer Wohneigentümergemeinschaft nachWEG deutlich höher als in einem Einfamilienhaus. Dies ist allerdings von den Initiato-ren durchaus gewollt, da durch das Siedlungskonzept mit den Gemeinschaftsflächenund �häusern ebenfalls eine Notwendigkeit zu gemeinsamer Verständigung und nach-barschaftlichem Umgang gegeben ist. Obwohl diese �verwaltungstechnische� Lösungstarke finanzielle Vorteile für die Baufamilien bedeutet (z. B. gemeinsame Erschlie-ßung und Heizzentrale), erleben viele der Familien dies als einen Widerspruch zumTraum vom eigenen Haus, für dessen Verwirklichung sie große Anstrengungen inKauf genommen haben.

Insgesamt zeigt sich, dass der Traum vom eigenen Haus bei vielen der interviewtenFamilien vorhanden ist und dieser Wunsch bei vielen Familien ausschlaggebend fürdie Beteiligung an den Selbsthilfeprojekten war. Der Wunsch nach etwas �Eigenem�ist eng mit weiteren Beweggründen verflochten.

2.2.2. Finanzielle DimensionenDie Mehrheit der Familien weist darauf hin, dass es ihnen ohne die Selbsthilfe nichtmöglich gewesen wäre, ein Eigenheim zu finanzieren. Dabei werden verschiedene As-pekte als bedeutsam hervorgehoben. Bei einigen Familien war kein oder nur wenigEigenkapital vorhanden. Hier übernimmt das durch die Selbsthilfe erwirtschaftete Ka-pital den Ersatz des für die Finanzierung notwendigen Eigenkapitals. Der organisierteEinsatz der eigenen Arbeitskraft ermöglicht in diesen Fällen erst den Eigenheimbau,ohne Selbsthilfe wäre er nicht möglich gewesen. Dies entspricht den Intentionen derInitiatoren, die die finanziellen Aspekte als die wesentlichen Beweggründe der Bau-familien hervorheben, aber auch den Ergebnisse der Studien zu Selbsthilfe, die in die-sem Zusammenhang von einer �Schwellenüberwindungsfunktion� sprechen (Marah-rens 1988, Gewos 1985: 27). Bei den meisten der interviewten Familien werden finan-zielle Gründe für die Teilnahme an den Selbsthilfeprojekten aufgezeigt, es werden je-

Page 202: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

193

doch auch noch andere mit der Finanzierung im Zusammenhang stehende Aspektegenannt.

Einige der Interviewten betonen den Zeitfaktor, der bei ihnen eine Rolle gespielt habe.Die Selbsthilfe ermöglicht das Bauen zu einem früheren Zeitpunkt in der Lebenspla-nung, da das Ansparen des notwendigen Eigenkapitals noch längere Zeit gedauert hät-te. Wie es die Selbsthelferin Frau Arndt formuliert: "Statt ein paar Jahre noch sparen,wollten wir das abarbeiten." Eine weitere Familie konstatiert, dass sie noch vier bisfünf Jahre hätten warten müssen, bis sie genügend Eigenkapital angespart hätten.

Nicht nur der Ersatz von Eigenkapital, sondern auch die Finanzierung generell wird inVerbindung zu der Selbsthilfe gesehen. Der Selbsthilfe-Anteil trägt dazu bei, die Fi-nanzierungskosten zu reduzieren und damit auch die monatlichen Belastungen niedrigzu halten. Die dadurch langfristige Finanzierbarkeit des Eigenheims war für diesenInterviewpartner der ausschlaggebende Grund, das Projekt zu beginnen.

"Nein wir hatten uns auch schon bemüht, wir hatten auch geguckt nach einem Hausoder nach einer Eigentumswohnung, bloß das ist ja nicht finanzierbar. Das ist alsounter den Voraussetzungen, weil ich finanziell immer ein bisschen vorsichtig ge-wesen bin, (...). Es war für mich oder für uns eine Möglichkeit, an Eigentum zukommen unter vernünftigen Bedingungen, von der finanziellen Seite natürlich, sowas für uns also hieß, dass ich als Alleinverdiener jetzt ... klar meine Frau arbeitetnoch mit, aber generell als Alleinverdiener mit einer Belastung, die meiner Mieteentsprechend oder ähnlich war bei normaler Arbeitszeit also tragbar ist." (HerrBayer)

Unter diesen Bedingungen erscheint es Herrn Bayer möglich, das Finanzierungsrisikoeines Eigenheims einzugehen. Ausgehend von einer unsicheren Arbeitssituation mussdas Haus auch von einem Gehalt ohne Überstunden finanziert werden können. Es istnicht möglich, wesentlich mehr an monatlicher Belastung für ein eigenes Haus aufzu-bringen, als es der vorherigen Miete entspricht. Dies weist darauf hin, dass die Mietbe-lastungen bereits an der Grenze der finanziellen Möglichkeiten der Familie lagen undeine Mehrbelastung ohne (wesentliche) Einschränkungen des Lebensstandards nichtmöglich wäre.

Die aktuelle Lebenssituation und der Lebensstandard der Familien sind ebenfallsThemen, die von den Befragten angesprochen werden. Eine junge Familie mit Kindernhat in der Regel nur wenig Gelegenheit, früh das notwendige Eigenkapital anzusparen,da das Gehalt noch nicht entsprechend hoch ist und eine Reihe von Ausgaben für denLebensunterhalt und die Kinder notwendig sind.

"Das geht einfach nicht in jungen Jahren. (...) Wir sind knapp über die 30. Manmöchte ja auch leben. Man kauft sich ein Auto, man kauft hier und mal da was.Man fährt mal in Urlaub. Dann haben wir das Kind gehabt, da war für uns sowiesoklar, wir haben nur eine Möglichkeit. Wir sagen spöttisch, selber bauen machtSpaß." (Herr Böll)

Page 203: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

194

Der alltägliche Lebensstandard darf in der Einschätzung dieses Interviewten nicht un-ter der Bausituation leiden. Aus diesem Auszug wird deutlich, dass die Selbsthilfe zudiesem Zeitpunkt als einzige Möglichkeit gesehen wird, zu einem Haus zu kommen.Gleichzeitig wird angedeutet, dass eine konventionelle Art des Hausbaus (ohneSelbsthilfe) vorzuziehen wäre. Die Selbsthilfe wird als notwendiges Übel gesehen, inKauf genommen und umgewertet: "Wir sagen spöttisch, selber bauen macht Spaß".Das bedeutet, dass die Familie aus ihrer Sicht keine andere Wahl hat, um � zu diesemZeitpunkt - zu einem Haus zu kommen. Sie ist aus finanziellen Gründen gezwungen,Eigenleistung in Form von Selbsthilfe zu erbringen.

2.2.3. Sicherheit der Mittel - Sicherheit des TrägersEin zentraler Bestandteil des Finanzierungskonzepts der Projektreihe war je nach indi-vidueller finanzieller Situation der Baufamilien die Beantragung der öffentlichen Mit-tel und � damit verbunden � die Einhaltung der Einkommensgrenzen der Bewerberfa-milien. Da der Förderungskorridor sehr eng war, konnte ein zweites Familieneinkom-men, beispielsweise das der Ehefrau, dazu führen, dass die Einkommensgrenze über-schritten wurde und die Familie nicht förderberechtigt war. Auf diese Situation gehtdas folgende Zitat ein.

"Also für mich war vorrangig finanziell eigentlich, dass hier die garantierten Lan-desmittel waren. Wenn ich normalerweise ein Bauvorhaben habe, kann ich diezwar beantragen, habe sie aber nicht, d. h. es ist nicht garantiert. Während das hier,da wusste ich 100%ig sind die Landesmittel da, dafür kann ich aufhören zu arbei-ten. Da stehe ich nicht hinterher da, habe keinen Job und dann eben halt auch nichtdie öffentlichen Mittel." (Frau Erdmann)

Dieser Interviewauszug verdeutlicht zwei Aspekte: Die Sicherheit der beantragtenLandesmittel und in Abhängigkeit davon, die Entscheidung, den eigenen Arbeitsplatzaufzugeben, um diese Mittel zu erhalten. Da der Träger vor Beginn der Maßnahmeklären konnte, ob für das Projekt Mittel des sozialen Wohnungsbaus vorhanden wa-ren113, hatten die Baufamilien die größtmögliche Sicherheit hinsichtlich der beantragtenMittel. Vor diesem Hintergrund konnte Frau Erdmann eine risikolose Entscheidunghinsichtlich ihres Arbeitsplatzes treffen.

Neben den Landesmitteln spielten für einige Familien auch der Ruf und die Kompe-tenz der beteiligten Akteure eine Rolle bei der Entscheidung. Die allgemeine Unsi-cherheit des Baugeschehens, die Gefahr, letztlich doch mehr für ein Haus zahlen zumüssen, wurde durch die Beteiligung bekannter und als seriös eingeschätzter Akteureverringert.

113 Für Gruppenbaumaßnahmen war eine Reservierung der Landesmittel (zinsgünstige Darlehen) möglich.

Page 204: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

195

"Von der Finanzierung her war es wirklich dann interessant und für mich war auchwichtig, eigentlich persönlich, ja dass da der Bauträger dahinter stand, die Stadt daauch letztendlich dahinter stand, dass das alles doch schon einen sicheren Eindruckmachte, während man ja, wenn man heute baut, da sind so viele Faktoren, die eineRolle spielen, also Unsicherheit, wo nachher der Preis hingeht und (...) man hatte jawirklich einen Preis, es wurde genau definiert, und gesagt so, da ist alles mit ent-halten, ob nun Grunderwerbssteuer und Bereitstellungszinsen und was auch immer(....)." (Herr Baum)

Das mit dem Bauen verbundene Risiko unvorhergesehener Preissteigerungen wurdedurch die beteiligten Akteure in der Sicht von Herrn Baum minimiert.

2.2.4. Die Beschränktheit des Wohnungsmarktes und die Suche nachAlternativen

Die Entscheidung für den Bau eines Hauses erfolgt nicht unabhängig von wohnungs-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Als ein mit dem Motivbündel �Finanzierbar-keit� eng verflochtener zentraler Beweggrund wird aus den Aussagen der Interviewtender Hausbau als Alternative zur Wohnungssuche deutlich. Den Wunsch nach Verände-rung der Wohnsituation nennen fast alle Interviewten, als Grund wird von vielen derbeschränkte Wohnraum aufgrund der angestiegenen Kinderzahl angegeben. In zweiFällen werden Schwierigkeiten mit den Vermietern/ Nachbarn erwähnt, die durch dieKinder verursacht werden.

"Der Wohnraum war eng. Die drei Jungs haben sich ein großes Kinderzimmer ge-teilt und da haben wir schon gesehen, dass da ja ein gewisses Konfliktpotential he-ranwuchs. Ja, und dann war auch der Wunsch gewesen, sich zu verändern." (FrauMüller)

Die Wohnungssuche wird von den Befragten als ein schwieriges und zeitaufwendigesUnternehmen geschildert. Kriterien bei dieser Suche waren zum einen die Größe derWohnung (ein Kinderzimmer für jeden) und der monatliche Mietpreis. Auf dem Woh-nungsmarkt sind nach Aussagen vieler der interviewten Familien nur wenige Woh-nungen überhaupt verfügbar und dazu unverhältnismäßig teuer. Neben dem Mietpreiswird auch das Vorhandensein von Kindern als ein weiteres Problem bei der Woh-nungssuche genannt.

"Ich könnte also für das was ich jetzt hier im Moment aufbringen muss, keineWohnung mieten mit meinen drei Kindern. (...) Also mit einer 5-köpfigen Familieeine vernünftige Wohnung zu finden, das ist ja fast unmöglich. Kriegt man ja garnicht. Entweder kriegt man sie nicht, weil sie keine Kinder wollen, das ist das erste,war oben drüber steht. Und meistens sind die auch unheimlich teuer noch. Ist jawirklich teuer, nicht? Zur Miete." (Frau Kamp)

Gerade für Familien gestaltet sich die Wohnungssuche auf einem ohnehin schon engenWohnungsmarkt schwierig, dies wird von einigen der interviewten Familien themati-

Page 205: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

196

siert. Auch der Preis für die aktuell bewohnte Wohnung kann aus Sicht der Familiendurch Mieterhöhungen und die Ausgleichsabgabe114 unverhältnismäßig steigen.

2.2.5. Spontane Entscheidung: "Eigentlich wollten wir gar nicht bauen"Auf der Suche nach Alternativen ergab sich für einige Familien der Hausbau als eineunerwartete Möglichkeit. Die Einschätzung "Eigentlich wollten wir gar nicht bauen"wurde von einigen InterviewpartnerInnen genannt. Damit verbunden werden zwei As-pekte: die finanziellen Gründe, wie sie oben bereits ausgeführt wurden und die Beson-derheiten des jeweiligen Projekts.

"Wir haben immer so gesponnen, ein Haus wäre klasse. Wir haben nie daraufhingespart. Wir haben nie gesagt, so jetzt machen wir Bausparverträge. Wir bauen ir-gendwann in 10 Jahren. Nein, Unsinn, das kam ganz spontan. Zack und jetzt."(Herr Schneider)

Im Gegensatz zu dem oben formulierten Zeitfaktor wird hier die spontane Entschei-dung in den Mittelpunkt gestellt. In dem Zitat wird deutlich, dass zwar der Gedanke,selber zu bauen, vorher nicht thematisiert wurde, aber über eine ideale zukünftigeWohnsituation nachgedacht wurde (�ein Haus wäre klasse�). Erst in dem Moment, alsdie Familie von dem Selbsthilfe-Projekt erfahren hat, wurde der Hausbau zu einerkonkreten Möglichkeit, nahm die Idee des eigenen Hauses Gestalt an und wurde reali-sierbar.

In dem folgenden Zitat ist der Anstoß zum Bauen in der konkreten Ausgestaltung desProjektes zu finden. Die Vorteile des Selbsthilfeprojekts � eine geschlossene nachbar-schaftlich orientierten Siedlung im Gegensatz zu anonymen Wohnverhältnissen, dieGemeinschaftsanteile sowie die besondere Bauweise der Holzhäuser und die Kinder-freundlichkeit der Projekte � überzeugten diese Familie zum spontanen Einstieg in dasProjekt.

"Eigentlich wollten wir gar nicht bauen. Ursprünglich hatten wir vorher noch malso gesagt, erstmal so eine Eigentumswohnung kaufen, und dann haben wir das ge-lesen, dass dieses Projekt hier starten soll, und das fanden wir sehr interessant, weilhalt so eine geschlossene Siedlung gebaut werden sollte. Holzhäuser fanden wirsehr interessant und ja halt weil es so eine komplette Siedlung wird und jeder einbisschen Platz hat und viele Kinder da sind und die Kinder zusammen spielen kön-nen." (Frau Nickel)

Die Entscheidung zu bauen, fiel in diesem Fall spontan, aber auch hier wird die vorhe-rige Orientierung auf Wohneigentum mit dem beabsichtigten Kauf einer Eigentums-wohnung deutlich formuliert. Als Auslöser für die Entscheidung benennt Frau Nickeldie besondere (Wohn-)Qualität der Siedlungsprojekte.

114 Bewohnt die Familie eine Sozialwohnung und übersteigt das Familieneinkommen die zulässigen Einkom-mensgrenzen, muss eine Ausgleichsabgabe gezahlt werden.

Page 206: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

197

2.2.6. Besonderheit des Projekts: WohnqualitätDie Besonderheiten der Bauvorhaben waren in einigen Fällen entscheidend für diesesSelbsthilfe-Projekt. Gerade von Familien, die unter finanziellen Gesichtspunkten auchanders hätten bauen können, werden andere Qualitäten der Projekte als Entschei-dungsgründe hervorgehoben. Dazu gehören die Anlage der Siedlungsstandorte und dieBauweise. Es wird in geschlossenen Siedlungen gebaut, die Nachbarschaft ist begrenztund vorher bekannt. Durch den gemeinsamen Bauprozess können intensive Kontaktezwischen den Baufamilien entstehen. Die Häuser werden nach ökologischen Gesichts-punkten gebaut, d. h. es sind Niedrigenergiehäuser, es gibt Wasserversickerungskon-zepte, Carports etc.

Von besonderer Bedeutung sind die erwarteten und gewünschten nachbarschaftlichenKontakte hinsichtlich der Kinder. In allen untersuchten Siedlungen wohnen bis aufdrei Paare nur Familien mit Kindern, und die Siedlungen sind kinderfreundlich gestal-tet (Spielplatz etc.). Die Kinder gut versorgt zu wissen, ist ein leitender Beweggrundbei der Entscheidung für das Projekt Hausbau. Dies zeigt sich auch in der Fragebogen-Erhebung, in der die Verbesserung der Wohnsituation der Kinder ebenfalls als einstarkes Motiv genannt wird. Ein eigenes Zimmer für jedes Kind, Spielfläche direkt amHaus, Kinder als Spielgefährten, die Nachbarn als Unterstützung im Alltag, das sindKriterien, die von den Familien genannt werden und deren Umsetzung sie von denSiedlungskonzepten erwarten.

"... der einzige Grund eben, dass es finanziell geklappt hat, ist es eben nicht gewe-sen, sondern auch die Tatsache, wie das Ganze hier sich gestaltet. Sprich Holzhaus,Niedrigenergiehaus, Anschluss an gleichaltrige Familien mit entsprechenden Kin-dern usw., also kinderfreundliche Siedlung. Das trägt also alles schon ein bisschendazu bei, dass wir gesagt haben, das ist unser Ding hier." (Herr Koch)

Der besondere Charakter der Projekte wurde verstärkt durch die Aufnahmeverfahrenin die Projekte, das in großen Teilen ein Auswahlverfahren nach bestimmten Kriterienwar. Die Begeisterung und Euphorie für ein Projekt wurde davon jedoch nicht beein-trächtig, im Gegenteil, in einigen Fällen noch verstärkt.

"Das klingt so toll und wir waren dann immer mehr angetan von dem Gedankenund haben die Unterlagen dann studiert und gesagt, ja, das ist schon eine tolle Sa-che, und wenn wir dabei sind ... es war wirklich so, dass man sagen muss, man hatdas nicht gekauft wie viele andere Dinge, dass man sagt, so, das möchte ich gernehaben, das kaufe ich. Das war ja echt ein Auswahlverfahren. Nachher wurde ge-sagt, Sie dürfen. Sie dürfen dran teilnehmen." (Herr Baum)

Page 207: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

198

2.2.7. Die Selbsthilfe an sichEinige der interviewten Baufamilien thematisieren die Zufriedenheit und den Stolz aufdas Erreichte und eine andere Einstellung zu einem Haus, das man im Wesentlichenselber gebaut hat. Es sind hauptsächlich die Männer, die das betonen. Als ein Ent-scheidungsgrund wird die eigene Arbeit auf dem Bau in den Interviews nicht genannt.Es wird im Gegenteil darauf verwiesen, dass die Eigenleistung finanzielle Gründe hatund insbesondere die Menge der geleisteten Stunden von der finanziellen Situationabhängig ist.

"Und Selbsthilfe ist eigentlich nur, weil wir kein Spargut haben oder einen Bau-sparvertrag haben. Und aufgrund dessen � sicher, ich sage mal, wenn wir jetzt dasStartkapital gehabt hätten, dann hätte ich wahrscheinlich trotzdem hier gearbeitet,aber ich hätte nicht diese Menge gemacht, die ich hier gemacht habe in dem Haus."(Herr Keller)

Dieser Interviewte hätte auch mit Eigenkapital auf dem Bau gearbeitet, aber den Um-fang der Arbeit erheblich reduziert. Auch das folgende Zitat hebt die Selbstverständ-lichkeit der Mitarbeit beim eigenen Hausbau hervor, problematisiert jedoch gleichzei-tig den großen Umfang der Selbsthilfestunden.

"Aber die Selbsthilfe ... also ein bisschen hätte ich schon selber gemacht, aber nichtdas ganze Jahr so intensiv, wenn es nicht auch finanziell nötig gewesen wäre. Dahätte ich schon lieber ein paar Stunden abgegeben. Aber selbst so war es genau ander Grenze und das wäre sonst wirklich zu knapp geworden. Also bis jetzt ... dieEndabrechnung ist ja noch nicht genau da, ob wir nicht noch was nachbezahlenmüssen, ob das Geld überhaupt reicht." (Herr Feld)

Neben der thematisierten Normalität beim Hausbau mitzuarbeiten, betonen beide In-terviewten die Grenzen der Mitarbeit. Bis auf wenige Ausnahmen war die Möglich-keit, selber auf dem Bau mitzuarbeiten, kein Entscheidungsgrund für die Projekte.Selbstverwirklichung oder Selbstbestimmung durch Selbsthilfe wurden nicht themati-siert.

2.3. Fazit: Selbsthilfe ist kein SelbstzweckIn der überwiegenden Anzahl der Fälle waren keine isolierten und damit eindeutigenMotive zu erkennen, sondern es handelte sich meist um Motivbündel. Den meistenInterviewaussagen liegt der Wunsch nach Eigentum zugrunde. Dieses wird durch dieErgebnisse der Fragebogen-Erhebung bestätigt. Der Wunsch ist bereits vorhanden undwird nicht durch das Projekt hervorgerufen. Das Selbsthilfeprojekt bietet jedoch einenAnstoß und eine Gelegenheit zur Verwirklichung des Traums von einem eigenenHaus. Durch die Selbsthilfe werden auch Schwellenhaushalte angesprochen, die vor-her den Hausbau aus finanziellen Gründen als unrealistisch betrachtet hatten. DieSelbsthilfeprojekte bieten einen überschaubaren Rahmen, innerhalb dessen der Haus-bau aufgrund festgelegter bestimmter Bedingungen und Regeln überschaubar und rea-

Page 208: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

199

lisierbar erscheint. Dies bezieht sich vor allem auf das finanzielle Risiko, das mit demBau eines Hauses verbunden ist.

Der Wunsch nach einem Eigenheim äußert sich in zwei Richtungen. Ein Teil der Fa-milien verbindet damit das �Für sich selbst� -zahlen, worauf bereits Maharens (1988)verwiesen hat. Diese Familien wurden auch dadurch angesprochen, dass die monatli-che Belastung � laut Initiatoren � ähnlich hoch sein sollte wie die Miete einer ver-gleichbaren Wohnung. Für eine zweite Gruppe von Familien ist die monatliche Belas-tung nicht das entscheidende Kriterium, vielmehr steht hier im Vordergrund, dass dieFamilien etwas �Eigenes� haben, auch wenn es teurer ist als vorher. Diese Familiensind gerne bereit, für ein eigenes Haus eine zusätzliche Belastung in Kauf zu nehmen �so lange sie in einem tragbaren Rahmen bleibt.

Paradoxerweise handelt es sich bei den in Selbsthilfe erstellten Siedlungen nicht umEigenheime im klassischen Sinn. Die Siedlungen sind aus Kostenersparnisgründen alsWohneigentümergemeinschaften (WEG) organisiert. Rechtlich sind somit die Häuserals Eigentumswohnungen einzustufen. Die Interviewzitate haben gezeigt, dass dieseOrganisationsform (trotz der damit verbundenen Kostenvorteile) dem häufig emotionalbesetzten Wunsch nach einem Eigenheim in vielen Fällen diametral entgegensteht.

Die Selbsthilfe ist ein Weg, den Hausbau zu ermöglichen. Für die Mehrheit der an denSelbsthilfeprojekten beteiligten Familien ist sie unter den aktuellen Förder- und Finan-zierungsbedingungen der einzige Weg, zu diesem Zeitpunkt ein eigenes Haus zu bau-en. Die Mehrzahl der Familien hat die Gelegenheit, an einem Selbsthilfeprojekt teilzu-nehmen, daher hauptsächlich aus finanziellen Gründen ergriffen. Dies bestätigen auchdie Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung, in denen mit 49% der Ersatz von Eigenkapi-tal als Grund für den Einstieg in ein Selbsthilfeprojekt genannt wurde. Ohne dieSelbsthilfe, so das Fazit der Baufamilien, wäre der Hausbau nicht möglich gewesen.Damit deckt sich die Intention der IBA mit den Hauptmotiven der Beteiligten. DasZiel, gering verdienenden jungen Familien auf diesem Weg zu Wohneigentum zu ver-helfen, scheint erreicht. Die bauliche Selbsthilfe erfüllt damit in zweifacher Hinsichteine Schwellenüberwindungsfunktion: als Eigenkapitalsersatz und als Reduzierung derlangfristigen monatlichen Belastung.

Aus den Ergebnissen wird deutlich, dass mit Wohneigentum bestimmte Vorstellungenverbunden werden: Der Wunsch nach etwas �Eigenem� impliziert mehrere möglicheMotive. Die Baufamilien heben die Wohn- und Wohnumfeldqualitäten der Siedlungenhervor, insbesondere für die Kinder. Die Besonderheiten der Projektreihe �Einfach undselber bauen�, die genau auf diese Qualitätsaspekte zielen, stellen für einige Familienalso einen wesentlichen Beweggrund für die Teilnahme dar. Diese Qualitäten scheinenjedoch für die Familien eng mit dem Eigentumsgedanken verbunden zu sein. Aller-

Page 209: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

200

dings erfolgt die Entscheidung für Wohneigentum vor dem Hintergrund der Situationauf dem Wohnungsmarkt. Der Zugang zu angemessenem Wohnraum (Wohnungsgrö-ße, Lage und Mietpreis) wird von vielen Familien als äußerst schwierig beschrieben.Pierre Bourdieu (1998) spricht in diesem Zusammenhang von der Entwicklung vonDispositionssystemen (für Eigentum oder Miete), die maßgeblich durch den Woh-nungsmarkt beeinflusst werden.115

Insgesamt können in Abweichung von den wissenschaftlichen Untersuchungen zurSelbsthilfe einige Veränderungen hinsichtlich der Beweggründe konstatiert werden:Zwar lassen sich auch aus diesem Material keine eindeutigen, isolierten Beweggründefür die Teilnahme an den Selbsthilfeprojekten ableiten, jedoch weichen die hier ge-nannten Gründe an einigen Punkten von den Ergebnissen bzw. Annahmen andererStudien ab. Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung wurden in den 1980er Jahrenals starke Motive der Mitarbeit auf der Baustelle genannt. In der vorliegenden Unter-suchung werden diese Gründe jedoch nur in der Fragebogen-Erhebung (20,9% �Haus-bau aktiv mitgestalten�) formuliert. Auch das Motiv der Eigentumsbildung als Alters-sicherung wird von den Befragten (weder in den Interviews noch in der Fragebogen-Erhebung) besonders hervorgehoben. Dies erstaunt insbesondere vor dem Hintergrundder aktuellen Debatte um selbstgenutztes Wohneigentum als Säule der Alterssiche-rung. Stattdessen werden in der vorliegenden Untersuchung vorrangig finanzielleGründe als ausschlaggebend für die Teilnahme an den Selbsthilfeprojekten genannt.Wenn auch in anderen Punkten Differenzen zu den Studien aus den 1980er Jahren be-steht, so stimmen in diesem Punkt die genannten Ergebnisse mit den Studien überein(Schäfer 1985, Maharens 1988, LEG 1987).

Der Vorrang finanzieller Gründe wird vor dem Hintergrund verständlich, dass einHausbau für Schwellenhaushalte, zu denen ein Großteil der befragten Familien gehört,ein enormes finanzielles Risiko darstellt. Gerade für gering verdienende Familien ist es�überlebenswichtig�, eine seriöse und langfristig tragbare Finanzierung aufzustellen,damit das Risiko der Überschuldung, Insolvenz und letztlich die Gefahr eines Haus-verlustes ausgeschlossen werden kann.

115 �...die Neigung bestimmen, das Wohnproblem so zu lösen, dass man entweder Eigentümer oder vielmehrMieter wird. Dabei darf nicht übersehen werden, dass diese Dispositionssysteme nur in Bezug auf eine be-stimmte Marktlage wirksam werden und ebenso nur in Abhängigkeit von den institutionellen Bedingungendes Zugangs zu diesem Markt, d. h. vor allem von den verschiedenen Formen öffentlicher Unterstützungen.�(Bourdieu 1998: 135)

Page 210: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

201

3. Der Planungs- und BauprozessDas Konzept der Organisierten Gruppenselbsthilfe (OGS) ist gegenüber der üblichenRollenverteilung beim Hausbau (Bauherr, Bauleitung, ausführendes Unternehmen)durch eine veränderte Organisationsstruktur gekennzeichnet. Im Trägermodell über-nimmt der Träger die wirtschaftliche und technische Betreuung der Baumaßnahme füreine bereits feststehende Gruppe von Baufamilien. Darüber hinaus ist die Bereitstel-lung einer technischen Anleitung auf der Baustelle zur Durchführung der baulichenSelbsthilfe ein zentraler Bestandteil der Betreuung durch den Träger. Das Betreuungs-unternehmen (Träger) sollte in der Lage sein, die Baufamilien bei der Erbringung ihrerSelbsthilfearbeiten durch Beratung und Anleitung zu unterstützen sowie die von deneinzelnen Familien erbrachten Leistungen zu bewerten und zu verrechnen.116

Im Rahmen der Projektreihe �Einfach und selber bauen� waren die Baufamilien beider Projektentwicklung der Grupppenbaumaßnahmen nicht eingebunden. Vielmehrwurden die Architekten der verschiedenen Siedlungen über von der IBA initiierte ein-geschränkte Architektenwettbewerbe ermittelt. Basis für die Beurteilung der Arbeit derArchitekten war eine selbsthilfegerechte Planung, damit war auch die Organisation derGruppenselbsthilfe eine zentrale Planungsaufgabe. Neben einer realistischen Einschät-zung des Selbsthilfeumfangs des Gesamtprojekts waren die Architekten auch für diefachliche Anleitung der in Gruppenselbsthilfe zu erstellenden Gewerke zuständig(Beierlorzer/Boll 1998: 37).

Die Betreuung umfasst neben der wirtschaftlichen (Selbsthilfeabrechnung) auch dietechnische Seite (Baustellenausstattung, Bauablauf, Organisation der Gruppenselbst-hilfe), entscheidend ist die Betreuung vor Ort in der Person eines �Selbsthilfepoliers�.Die OGS verlangt von allen beteiligten Akteuren ein besonderes Engagement und zu-sätzlichen Zeit- und Organisationsaufwand. Das Betreuungsunternehmen muss dieSelbsthilfearbeit der Baufamilien in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht koordi-nieren und abrechnen. Es handelt sich also um eine komplexe Organisationsstruktur.Die Aufgaben sind umfangreich, so ist beispielsweise der Polier der Definition nachnicht nur für die technische Anleitung (technische Kompetenz) der Baufamilie zustän-dig, sondern auch für einen funktionierenden Gruppenprozess innerhalb der Gruppeder Baufamilien (soziale Kompetenz). Der Betreuer/Träger übernimmt aus der Sichtder IBA auch eine auf das Sozial- und Gemeinwesen bezogene Arbeit, dazu zählt dieZusammenführung der Baufamilien zu einer Gemeinschaft, beispielsweise durch re-gelmäßige Besprechungen und die Wahl eines Siedlungssprechers (Beierlorzer/Boll1998: 36).

116 Zu den Anforderungen an das Betreuungsunternehmen und den gesetzlichen Grundlagen vgl. Beierlor-zer/Boll 1998: 31f.

Page 211: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

202

Vor diesem Hintergrund wurde in den Interviews und der Fragebogen-Erhebung nachdem Ablauf des Bauprozesses, der Rolle der einzelnen Akteure und auftretenden Prob-lemen gefragt. Die in den Interviews angesprochenen Problemfelder wurden in derFragebogen-Erhebung teilweise bestätigt. Sie bezogen sich schwerpunktmäßig aufRolle und Aufgaben der am Bauprozess beteiligten Akteure (Träger, Anleitkraft, Bau-leitung/Architekt/innen). Ebenfalls erhoben wurde die Frage nach den Gestaltungs-spielräume und Mitbestimmungsmöglichkeiten der Baufamilien. Die Interviewergeb-nisse vertiefen die genannten Problemfelder und verdeutlichen strukturelle Schwierig-keiten der Gruppenselbsthilfe.

3.1. Baubetreuung und Organisation des Bauprozesses in derFragebogen-Erhebung

In der Fragebogen-Erhebung wurden wesentliche Bereiche der Organisation der Grup-penselbsthilfemaßnahmen untersucht. Dabei handelte es sich im Einzelnen um dieBetreuung der Baufamilien durch den jeweiligen Träger im Vorfeld der Baumaßnah-me, die Beurteilung der allgemeinen Ablauforganisation der Arbeit auf der Baustelleund die Einschätzung der Anleitungskräfte vor Ort sowie der Bauleitung der Selbsthil-feprojekte durch die Baufamilien.

Die Betreuung der Baufamilien vor BaubeginnDer Bauträger übernahm im Rahmen der wirtschaftlichen Betreuung die Beratung beider Erstellung von Finanzierungskonzepten und Förderanträgen sowie bei der Be-schaffung von Fremdmitteln etc. Ein zentraler Bestandteil dieser Beratung ist die An-zahl der für die Finanzierung des Hauses notwendigen Selbsthilfestunden.

Abb. 18: �Wozu hat die Wohnungsbaugesellschaft in Gesprächen vor Beginn des HausbausIhrer Meinung nach beigetragen?� (absolute Häufigkeiten)

11

22

23

59

71

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Sonstiges

Aufklärung über die Belastung

Klärung machbarer SH-Stunden

zur Finanzierung notwendige SH-Stunden

umfassende Finanzierungsberatung

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=87, 2 fehlend, Mehrfachantworten)

Page 212: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

203

Die für die Zielgruppe der IBA-Projektreihe besonders wichtige Finanzierungsbera-tung der Betreuungsunternehmen wird weit überwiegend als umfassend und gut be-zeichnet. Da nach den Ergebnissen einer aktuellen Studie zur Eigentumsförderung imsozialen Wohnungsbau die meisten Fördernehmer ohne umfangreiche Beratung nichtin der Lage sind, die Förderung zu beantragen, ist der positiven Bewertung derBetreuungsunternehmen eine besondere Bedeutung beizumessen.117

Integraler Bestandteil des Finanzierungskonzeptes sind die in Selbsthilfe zu leistendenStunden. Auch zu diesem Punkt war die Beratung der Träger aus der Sicht der Baufa-milien mehrheitlich (59 Nennungen) gewährleistet. Allerdings wird die ebenso bedeut-same Klärung der Frage, wie viele Selbsthilfestunden eine Familie realistisch in derBauzeit abarbeiten kann, nur von einem Viertel der Befragten als Beitrag der Trägergesehen. Auch wird die meiner Ansicht nach für den Erfolg eines Selbsthilfeprojekteszentrale Aufklärung über die mit der baulichen Selbsthilfe verbundene Belastung nurbei einem knappen Viertel der Befragten bestätigt.

Unter dem Punkt �Sonstiges� haben elf Familien geantwortet. Die Unterstützung derBauträger im Vorfeld wurde subjektiv unterschiedlich erlebt. Positiv erwähnt wurdendie zusätzliche Informationen und Unterstützung in den Bereichen Bauweise und Stan-dards, die Beantragung der öffentliche Mittel und Förderungen, und die Klärung, dasswegen einer vorliegenden Behinderung keine Selbsthilfestunden zu leisten sind. Ande-re Familien fühlten sich nicht unterstützt (�wenig Hilfestellung�) und zu wenig überdie konkrete Umsetzung der Selbsthilfe informiert.

Ablauforganisation der Arbeit auf der SelbsthilfebaustelleDie hier abgefragten Items wurden aus den in den Interviews benannten Problemengeneriert. Sie zielen auf Störungen in der Ablauforganisation auf der Baustelle. Verzö-gerungen wurden als problematisch beurteilt, weil sie in der Konsequenz zu einer Ver-längerung der Bauzeit führen konnten. Dies bedeutete nicht nur eine längere Selbsthil-febelastung, sondern auch mögliche finanzielle Nachteile. Bauverzögerungen könnendie Arbeitsplanung der Familien empfindlich stören, ein bereits genommener Urlaub(z. B. zum Fenstereinbauen) kann beispielsweise aufgrund von Verzögerungen nichtvoll für die Selbsthilfe genutzt werden.

117 �Die Förderrichtlinien der Eigentumsförderung wirken überwiegend in hohem Maße überfrachtet und kom-pliziert.� (IFS/advis 2003: 12)

Page 213: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

204

Abb. 19: Arbeit auf der Baustelle � allgemeiner Ablauf (Angabe in Prozent)

3,4

42,5

41,4

12,8

46

19,5

1,2

1,1

27,958,1

36,8

9,2

0 10 20 30 40 50 60 70

es waren immer genügendArbeitskräfte auf der

Baustelle

die erforderlichen Werkzeugewaren vorhanden

Verzögerungen des Bauswaren selten

trifft nicht zu trifft teilweise zu trifft zu trifft voll zu

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=87, n=87, n=86)

Verzögerungen, so die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung, waren die Regel. Nimmtman die beiden unteren Ausprägungen zusammen, so bestätigten mit 79,3% zwei Drit-tel der Befragten Verzögerungen im Bauprozess. Inwieweit diese auf tatsächlich vor-handene Organisationsmängel zurückgehen oder Teil eines �normalen� Bauprozessessind, lässt sich aus dem Untersuchungsmaterial nicht klar ableiten.

Wie bereits deutlich wurde, ist die Organisation einer Gruppenselbsthilfemaßnahmeäußerst komplex. Es gilt, das notwendige Material und den Baufortschritt mit denSelbsthilfe leistenden Familien abzustimmen. Da viele Selbsthelfer/innen berufstätigsind, findet die Arbeit auf der Baustelle in der Regel ab 16.00 Uhr und am Wochenen-de (außer Sonntags) statt. Allerdings sind aufgrund von Schichtdiensten, Urlaub undder Mitarbeit von (nicht berufstätigen) Frauen auch tagsüber Selbsthelfer/innen auf derBaustelle. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass das Vorhandensein genügenderArbeitskräfte für bestimmte Bauaufgaben eines hohen Organisationsaufwandes � inder Regel des Poliers � bedarf. Nach Aussagen der Baufamilien in der Fragebogen-Erhebung scheint dies teilweise gut gelungen zu sein (58,1%). Allerdings ist es auch ineinem guten Fünftel der Fälle nicht gelungen (27,9% �trifft nicht zu�). Insgesamtscheint die Ablauforganisation auf der Baustelle ein Bereich zu sein, in dem aus derSicht der Baufamilien deutliche Verbesserungen vor allem im Hinblick auf die Ver-meidung von Verzögerungen notwendig sind.

Page 214: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

205

Anleitung durch den PolierDie konkrete Ablauforganisation vor Ort hängt in starkem Maße von der Person derAnleitkraft (Polier) ab, die die Arbeit der Selbsthelfer/innen strukturiert. In der Regelwaren ein bis zwei Anleitkräfte vor Ort tätig. Der Polier machte die Arbeitspläne, teiltedie Selbsthelfer/innen ein und leitete sie an. Neben seiner fachlichen Kompetenz warin der Arbeit mit 20 bis 50 Baufamilien auch eine ausgeprägte soziale Kompetenz inden Bereichen Gruppendynamik, Anleitung von Laien etc. notwendig.

Ein gutes Drittel der Baufamilien bestätigt dem Polier soziale Kompetenz im Umgangmit den Baufamilien und für immerhin 48,8% der Befragten traf dies teilweise zu. Beider Beantwortung dieser Frage zeigen sich deutliche projektspezifische Unterschiede.So ist in drei Projekten eine deutlich negativere Einschätzung des Poliers festzustellenals in den restlichen fünf Projekten. Es ist anzunehmen, dass die Einschätzung derBaufamilien einerseits stark von der Persönlichkeit des Poliers sowie der Gruppendy-namik im Projekt abhängt.

Abb. 20: Arbeit auf der Baustelle � Anleitkräfte

2,30%

2,30%

29,90%

48,80%

41,4%

50,6%

5,80%

16,30%

28,70%

29,1%

27,60%

17,20%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60%

der Polier war fachlichkompetent

der Polier warerreichbar

der Polier konnte gutmit Leuten umgehen

trifft nicht zu trifft teilweise zu trifft zu trifft voll zu

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=86, n=87, n=87)

Bei der Einschätzung der fachlichen Kompetenz fällt das Urteil deutlich positiver aus:In 69% der Fälle (�trifft zu� und �trifft voll zu�) wurden dem Polier die fachlicheKompetenz zugesprochen. Diese Frage scheint unabhängig von der persönlichen Eig-nung behandelt worden zu sein. Nur in einem Projekt wurde mit zwei Nennungen�trifft nicht zu� angegeben.

Page 215: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

206

Die Erreichbarkeit des Poliers ist für den Fortschritt der Bauarbeiten in vielen Fälleneine wesentliche Voraussetzung. Je nach Organisationsmodell (vgl. unten) war dieständige Anwesenheit auf der Baustelle unterschiedlich ausgeprägt. Allerdings wirddie Erreichbarkeit des Poliers überwiegend als gut einschätzt: Für insgesamt 67,8% derBefragten trifft dies zu bzw. voll zu. Knapp 30% schätzen die Erreichbarkeit nur alsteilweise gegeben ein.

Bauleitung/ArchitektenDie Bauleitung vor Ort wurde in der Regel von dem Polier ausgeübt. In einigen Fällenübernahm das Architekturbüro die Bauleitung. Bemängelt wurden in den Interviewshauptsächlich die unklare Verteilung der Entscheidungskompetenzen, der mangelndeInformationsfluss und die Zusammenarbeit mit den Architekt/innen.

In der Fragebogen-Erhebung bestätigt sich dieser Eindruck. Der Informationsaus-tausch zwischen der Bauleitung und der Gruppe der Selbsthelfer/innen wird in 26,4%als nicht funktionierend beschrieben und in der Mehrzahl der Nennungen (54,1%) alsteilweise funktionierend. Dies kann zu Schwierigkeiten in der Weitergabe notwendigerInformationen bezüglich der Weiterarbeit auf der Baustelle führen, aber auch Folgenhaben im Hinblick auf die Einbindung der Baufamilien in Entscheidungsprozesse. Inder Literatur zu Selbsthilfeprojekten wird die Durchführung regelmäßiger Baubespre-chungen empfohlen. Diese wurden auch in den �Einfach und selber bauen��Projektenin unterschiedlicher Intensität durchgeführt. Allerdings waren die Baubesprechungen �so lassen sich die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung interpretieren � nicht ausrei-chend, um eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Bauleitung/Träger und denBaufamilien zu etablieren.

Abb. 21: Arbeit auf der Baustelle � Bauleitung/Architekten

54

1,2

1,1

45,9

26,4

45,97,1

18,4

0 10 20 30 40 50 60

Zusammenarbeitzwischen Bauleitungund Architektenfunktionierte

Informationsflusszwischen Bauleitungund Selbsthelfernfunktionierte

trifft nicht zu trifft teilweise zu trifft zu trifft voll zu

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=87, n=85)

Page 216: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

207

Auch die Zusammenarbeit zwischen Bauleitung und Architekt/innen beurteilen dieBaufamilien als überwiegend nicht oder nur teilweise gelungen. Hier ergibt sich eindeutlicher Handlungsbedarf zur Verbesserung des organisatorischen Ablaufs, der E-tablierung tragfähiger Kommunikationsstrukturen und gegenseitiger Absprachen derLeitungsverantwortlichen in Richtung einer größeren Transparenz auf der Baustelle.

3.2. Planung und Organisation aus der Sicht der InterviewsDie Organisierte Gruppenselbsthilfe (OGS) erfordert einen hohen Organisationsauf-wand durch die Betreuung der Baufamilien. Der grobe Rahmen der OGS wurde bereitsskizziert: kaufmännische und technische Betreuung durch den Träger und Anleitungder Baufamilie vor Ort durch einen Polier. Die konkrete Durchführung der Organisati-on und Betreuung der Gruppenselbsthilfe gestaltete sich jedoch durchaus unterschied-lich bei den untersuchten Projekten. Daher werden im folgenden Abschnitt die spezifi-schen Organisationsmodelle von den fünf Selbsthilfe-Projekten, in denen Interviewsdurchgeführt wurden, vorgestellt.

3.2.1. Projekt A: Formen der Selbstorganisation als Kompensation vonBetreuungsdefiziten

Dieses Selbsthilfe-Projekt hatte im Gegensatz zu den anderen Projekten ein besonderesOrganisationsmodell, in dem die Gruppenselbsthilfe über eine (Bau-)Firma betreutwurde. Neben den Reihenhäusern, die in Gruppenselbsthilfe errichtet werden sollten,war der Bau von zwölf Geschossbauwohnungen durch eine Baufirma auf dem glei-chen Flurgrundstück geplant. Zu Baubeginn waren nicht alle Häuser verkauft und auchzum Interviewzeitpunkt standen sieben der Häuser noch leer. Die Häuser sind seitMai/Juni 1997 fertig gestellt, an den Außenanlagen wurde danach noch gearbeitet. ZuBaubeginn waren nur elf Familien an dem Projekt beteiligt. Diese relativ kleine Grup-pe von Baufamilien baute alle 22 Häuser im Rohbau. Dies führte dazu, dass viele Fa-milien mehr Stunden als geplant gearbeitet haben, da sonst die Häuser nicht fertig ge-worden wären.

Die Organisation der Selbsthilfe-Baustelle erfolgte zum einen über den Architekten,der den Bauleiter stellte (ein Architekt aus dem Architekturbüro). Die Anleitung derBaufamilien vor Ort erfolgte über die Firma, die auch den Geschossbau erstellte. Diekaufmännische Betreuung übernahm der Träger.118 Dieses Organisationsmodell erwiessich an einigen Stellen als problematisch für den Ablauf des Bauprozesses.

118 Wichtig ist an dieser Stelle der Hinweis, dass der Träger zwar Anfang der 80er Jahre einige Maßnahmen inorganisierter Gruppenselbsthilfe durchführte (vgl. LEG 1987), jedoch aktuell keine Mitarbeiter und Mitarbei-terinnen mit Erfahrungen in diesem Bereich hatte.

Page 217: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

208

Die Häuser wurden in konventioneller Mauerwerksweise erstellt. Zur Vorbereitung derBaufamilien veranstaltete der Bauunternehmer vor Beginn des Baus einen Einfüh-rungskurs im Mauern.

�Da sind wir zu diesem Werk hingefahren, dann hat man uns das gezeigt, wie mandas zu handhaben hat mit diesem gezahnten Stein und so eine kleine Schulung ge-geben. (...) im Prinzip haben wir das alles hier auf der Baustelle gelernt.� (HerrVogel)

Die Baufirma stellte einen Polier zur Verfügung, der parallel zu der Arbeit an den Ge-schossbauwohnungen die Selbsthelfer und Selbsthelferinnen betreuen sollte. Im Unter-schied zu den anderen Selbsthilfe-Projekten ist hier � laut Angaben der Baufamilien �nur eine vergleichsweise geringe Betreuungszeit pro Haus eingeplant worden, da derPolier durch seine Mitarbeit an dem Geschossbau zwei Funktionen gleichzeitig zu er-füllen hatte.

�Mit der Firma (...), die haben uns den Polier zur Seite gestellt. Der hat dann auchmal gesagt, hört mal Jungs, das und das müsst ihr so machen, bei den Ecken setzenund so, da hat der dann schon mit ausgemessen und ausgelotet mit einem Nivel-liergerät, dass wir das auch ordentlich hinbekommen haben. Obwohl, da hätten wiruns eigentlich ein bisschen mehr Unterstützung gewünscht. Es war geplant ur-sprünglich, dass der Polier pro Haus 16 Stunden zur Verfügung steht und er hat al-so, wenn wir das so hochgerechnet haben, maximal 20 Stunden für alle 22 Häuserzur Verfügung gestanden.� (Herr Vogel)

Das bedeutet, dass der Polier den Hauptteil seiner Arbeitszeit für den Geschossbauverwendete. Die Arbeitzeit auf einer Selbsthilfebaustelle unterscheidet sich von einernormalen Baustelle. In der Regel waren die Selbsthilfebaustellen von 7.00 Uhr bis21.00 Uhr aktiv und dies auch am Samstag. Da viele der Selbsthelfer tagsüber arbeite-ten, lag die Hauptarbeitszeit bei vielen der Selbsthilfe-Projekte von 16.00 bis 21.00Uhr werktags, und der Samstag war der Hauptarbeitstag. D. h. das Betreuungsmodell�Baufirma� bedeutete also auch, dass die Baustelle gerade dann nicht betreut wurde,wenn die meisten Selbsthelfer und Selbsthelferinnen anwesend und tätig waren. Zwarwar der Polier im Verlauf der Bauzeit drei- bis viermal am Samstag anwesend, das warjedoch aus Sicht der Baufamilien nicht ausreichend.

�Die Anleitung lief hier so, dass wir glücklicherweise viele Leute hatten, die Früh-schicht, Mittagschicht, Nachtschicht hatten und die haben teilweise morgens hiergearbeitet, und wenn wir nachmittags gekommen sind, dann haben wir von denenpraktisch die Neuheiten erfahren, und ab und zu haben wir natürlich auch mal denPolier gesehen (...). Zu Anfang hatten wir einen guten Polier. Der hat uns dann malden einen Handgriff gezeigt, oder wenn irgendwas verkehrt war, hat er das amnächsten Morgen dem Arbeitstrupp gesagt. (...) Die Vermessung mussten wir dannteilweise auch selber vornehmen, wo jetzt ein Fenster hinkommt, wo eine Tür, weilja nachmittags keiner mehr da war.� (Herr Bach)

Page 218: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

209

Die Betreuungskapazität durch einen erfahrenen Handwerker vor Ort war demnachdeutlich eingeschränkt. Der Polier wurde � neben den beiden Aufgaben, die er zeit-gleich erfüllen sollte - im Verlauf des Bauprozesses anscheinend häufiger abgelöst.Die Baufamilien hatten daher nur zu bestimmten Zeiten einen ansprechbaren Betreuerzur Verfügung und waren dadurch meiner Ansicht nach gezwungen, ein gutes Kom-munikationssystem innerhalb der Baufamilien aufzustellen, um die Informationen überden Fortgang des Bauvorhabens schnell und zuverlässig weiterzugeben. Darüber hin-aus entwickelten die Baufamilien rasch eigene Zuständigkeiten für den Bauablauf, dieMaterialbestellungen etc.

�... wir waren hinterher soweit, wir haben unsere Steine selber bestellt, als wir ge-mauert haben, wir haben für den Trockenbau die Platten selber bestellt, das Stän-derwerk selber bestellt, weil er nicht aus dem Quark kam. Das ist so die Sache, wowir uns echt geärgert haben. Es hieß immer, Sie kriegen eine Anleitung. Ja und dieAnleitung mussten wir uns selber holen.� (Herr Meyer)

Die Arbeit auf der Selbsthilfebaustelle begann vor der Arbeit am Geschossbau. DieInterviewten schildern, dass zu Beginn der Bauzeit nur wenige Geräte, kein Wasserund kein Strom vorhanden waren und die Geräte erst angeliefert wurden, als der Bau-unternehmer die Arbeit an dem Geschossbau aufnahm. Schwierigkeiten in der Ab-stimmung zwischen Selbsthelfern und Bauleitung bzw. Polier zeigten sich auch in derMaterialbeschaffung. Alle Baufamilien schildern anschaulich, dass es zu Beginn häu-fig zu Verzögerungen aufgrund der verspäteten Lieferung notwendiger Baumaterialenkam. Im Verlauf der Bauzeit haben die Baufamilien diese Aufgabe mit übernommen,um sicher zu sein, dass das erforderliche Material rechtzeitig angeliefert wurde.

�Wenn wir da nicht Eigeninitiative gezeigt hätten in Bezug darauf, dass wir dieMaterialien selber bestellt hätten, dann hätten wir auch wieder eine Riesenzeit-spanne dazwischen gehabt, bis die Materialien gekommen wären.� (Herr Vogel)

Diese Form der Selbstorganisation dehnte sich auch auf andere Bereiche aus. Für dieAbrechnung der Selbsthilfestunden ist eine genaue Buchführung über die geleistetenStunden notwendig. In den anderen Projekten wurde dies auf der Baustelle in der Re-gel vom Polier durchgeführt. In diesem Projekt übernahmen die Selbsthelfer dieseFunktion.

�Wir hatten einen, der hatte die Oberaufsicht hier bei uns, der war auch aus unserenReihen gewählt, der dann die Stundenzettel gegenzeichnen musste. Bei dem hatman sich dann angemeldet, oder wenn er nicht da war, war der Stellvertreter da undwir waren eigentlich auch so, ja wir haben keinen über�s Ohr gehauen oder so et-was, sondern wir haben uns dann auch gegenseitig die Zettel unterschrieben undabgehakt und auch im Anwesenheitsbuch dann eingetragen, wer wann da gewesenist, dass man das überhaupt nachvollziehen konnte (...) Wir haben dann alle unsereZettel abgegeben und selber hat man sich das kopiert. Man hatte dann auch einenÜberblick, ob man jetzt langsam seine Stunden erreicht hatte oder nicht.� (HerrVogel)

Page 219: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

210

Die Baustelle wurde von der Berufsgenossenschaft zweimal stillgelegt, da die Sicher-heitsvorschriften (bestimmte Ausstattung mit Gerüsten) nicht eingehalten wurden.Diese Gerüste wurden von der Baufirma nur unzureichend bereitgestellt.

�Zweimal ist die Baustelle stillgelegt worden, weil von der Berufsgenossenschaftwelche da waren (...). Die Firma, die das Projekt begleitet hat, wo auch die Poliereherkamen, die haben mal eben nicht genug Schutzgerüste zur Verfügung gestellt.Und wir haben dann immer so provisorisch aufgebaut und da mussten drei Bohlen(...) an der Seite hoch sein und wir hatten immer nur zwei Bohlen zur Verfügung.Ja und wenn die von der Berufsgenossenschaft hier waren, die haben uns von derBaustelle runtergeholt und dann stand das erstmal wieder, bis dann erstmal dieseLieferung mit den neuen Bohlen wieder da war. Und hier vor Ort hatten wir keinTelefon, dass man im Architekturbüro anrufen konnte und dann sagen konnte, hörtmal zu, wir brauchen ganz dringend Bohlen. (...) Die Baustelle ist stillgelegt wor-den.� (Herr Vogel)

Neben den beschriebenen Engpässen an Material trugen auch diese Geschehnisse hin-sichtlich der Sicherheitsvorschriften zu einer Verzögerung des Baus bei. Von Seitendes Trägers wurden jedoch auch Anstrengungen unternommen, die Kommunikationzwischen Selbsthelfer/innen und der Bauleitung allgemein zu fördern. So organisierteder Träger einige Zeit nach Beginn der Baumaßnahme regelmäßig einmal im Monateine Versammlung, in der der Ablauf des Bauprozesses und die weitere Vorgehens-weise besprochen wurden.

Im Rohbau verlief die Gemeinschaftsarbeit nach Aussagen der interviewten Baufami-lien gut. Sobald die Häuser im Rohbau standen, hat sich jede Familie jedoch auf ihrHaus konzentriert. Von einer der Baufamilien, die wenig Helfer und Helferinnen hatte,wird dieses problematisiert, da viele der Arbeiten im Innenausbau nicht allein bewäl-tigt werden konnten und nun keinerlei Betreuung oder Anleitung mehr zur Verfügungstand.

�Das war sowieso so ein bisschen auch eine Lücke zwischen Theorie und dann derpraktischen Umsetzung. Solange der Rohbau war, lief das also mit der Gemein-schaftsarbeit recht gut. Da ging es auch mit der Betreuung (...) und das war einfachrelativ klar, was gemacht werden sollte, und sobald dann die Häuser standen, wares dann eben doch sehr so, dass sich jeder dann auf sein Haus stürzte und geguckthat, dass er das fertig kriegte. Auch verständlicherweise, weil das war so ja, sagenwir mit der Betreuung durch die einzelnen Firmen nicht immer ganz so, wie es ei-gentlich vorgesehen war (...).� (Frau Foss)

Es entsteht der Eindruck, dass die Fertigstellung der Häuser im Wesentlichen in Ein-zelselbsthilfe erfolgte. Familien, die in dieser Endphase nicht mehr auf die Hilfe vonVerwandten oder Bekannten zurückgreifen konnten und deren handwerkliche Kennt-nisse eventuell nur eingeschränkt vorhanden waren, standen somit vor einer schwieri-gen Situation.

Page 220: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

211

Insgesamt ist es den Baufamilien auf eine beeindruckende Weise gelungen, dieSchwierigkeiten und Probleme der spezifischen Projektorganisation zu kompensieren.Dabei haben meines Erachtens eine Reihe von Faktoren eine Rolle gespielt: Die Bau-gruppe war mit 11 Familien sehr klein und überschaubar. Dies bedeutete für alle Fami-lien, dass sie mehr Selbsthilfestunden gearbeitet haben (und arbeiten mussten), um dieHäuser überhaupt aufzustellen. Die Familien hatten sich aufgrund der Initiative derspäteren Siedlungssprecherin bereits vor Beginn der Bauzeit getroffen und kennen ge-lernt. Der Gruppenzusammenhalt wurde von allen interviewten Familien als sehr gutdargestellt. Die häufige Abwesenheit des Poliers wurde durch einige Selbsthelferkompensiert, die fundierte handwerkliche Kenntnisse besaßen und in der Gruppe eine�Leitungs- und Betreuungsfunktion� einnahmen. Die Verantwortung für den Baupro-zess war in diesem Projekt bei allen Teilnehmenden sehr stark ausgeprägt.

3.2.2. Projekt B: Eine funktionsfähige LeitungDiese Siedlung besteht aus 52 Häusern und 6 Eigentumswohnungen, die in Massiv-bauweise erstellt wurden. Das städtische Grundstück wurde in Erbpacht an die Baufa-milien vergeben. Das Projekt war das erste in der Reihe �Einfach und selber bauen�und insofern ein Modellprojekt. Es ist das größte der in diesem Rahmen realisiertenProjekte. Die Häuser sind daher in verschiedenen Bauabschnitten fertig gestellt wor-den und entsprechend hat sich auch die Bezugszeit über einen längeren Zeitraum hin-gezogen.

Dieses Projekt wurde � wie das Projekt E � von einem Bauträger betreut, der langjäh-rige Erfahrungen im Bereich der Organisierten Gruppenselbsthilfe mitbrachte. DerBauträger stellte den Polier vor Ort und dieser übernahm die Bauvorbereitung undDurchführung. Die Organisation des Projektes war idealtypisch geregelt: In Zusam-menarbeit mit den Architekten wurde dem Polier vor Ort die Bauleitung übertragen. Erteilte die Baufamilien ein, koordinierte die Bauarbeiten und übernahm die Beauftra-gung der von Unternehmen auszuführenden Arbeiten. Der Bauleiter (Polier) hatte indiesem Projekt zwei Helfer, die ihn unterstützten. Die Einteilung der Baufamilien warbei der Größe des Projekts eine schwierige Aufgabe, denn die Baustelle war groß undschwer zu beaufsichtigen.

Im Zusammenhang mit der Größe des Projekts und der Einteilung der Baufamilienwird von den Interviewten ein grundlegendes Problem thematisiert. Zu Beginn derMaßnahme standen alle Baufamilien (und ihre Helfer/innen) zur Arbeit zur Verfü-gung. Gegen Ende der Bauzeit, insbesondere wenn wie in diesem Projekt in verschie-denen Bauabschnitten gebaut wurde, waren in vielen Fällen nur noch die Familien vorOrt, denen die noch zu bauenden Häuser gehörten. Die anderen Selbsthelfer hatten ihreStunden bereits abgearbeitet.

Page 221: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

212

�Das heißt, wir sind um 4 Monate dann verzögert worden, weil eben am Ende dieLeute nicht mehr da waren. Wir mussten Reihe für Reihe arbeiten, das heißt eswurde nicht eher hier weitergearbeitet, bevor die Reihe, die laut Plan dran ist, fertigist. (...) Ja gut, wir haben mit diesem Enthusiasmus vielleicht das Chaos reinge-bracht. Wir sind hier mit 40 Mann reingestürzt. Wir wollen arbeiten, wir wollen ar-beiten. Gib mir die Schaufel, ich will arbeiten. (...) wenn ich jetzt den Leuten Ar-beit gebe, verfahre ich so und soviel Stunden und dann irgendwann sind die Leutefertig (...) heute mache ich meine zweitletzte Stunde und dann gehe ich Hause (...).Und dann komme ich erst in einem halben Jahr, die Schlüssel zu holen.� (Herr A-sche)

Dieses Problem wurde noch dadurch verschärft, dass der Polier vom Träger bereits fürdas nächste Projekt eingeteilt wurde und nicht mehr in der gesamten Zeit zur Verfü-gung stand, damit waren die letzten Familien in dieser Situation auf sich allein gestellt.Dies bedeutet nicht nur eine zeitliche Verzögerung der Fertigstellung, sondern aucheinen finanziellen Nachteil. Die oben zitierte Familie gibt an, dass sie durch die bauli-che Verzögerung vier Monate länger Bauzeitzinsen zahlen musste.

Insgesamt ist die Beurteilung der Betreuung vor Ort jedoch bemerkenswert gut. Diemeisten der befragten Familien äußerten sich zufrieden mit der Betreuung. Dies istumso bemerkenswerter als die Voraussetzungen bei einem Projekt dieser Größe hin-sichtlich des zu leistenden Betreuungsaufwandes als außerordentlich schwierig zu be-zeichnen sind. Auffällig erscheint, dass von den befragten Familien weder Kommuni-kationsprobleme untereinander oder mit der Bauleitung berichtet werden noch Kritikhinsichtlich der von der Leitung zu leistenden Aufgaben (Materialbeschaffung etc.)formuliert wurden. Das hier praktizierte Organisationsmodell scheint im Gegensatz zuProjekt A tatsächlich eine funktionsfähige Leitung und Organisation installiert zu ha-ben. Die einzelnen Selbsthelfer/innen, so mein Eindruck, fühlten sich nicht verant-wortlich für den Ablauf des gesamten Projekts, sondern nur für ihre Selbsthilfestun-den. Das Projekt war aufgrund der Größe für den Einzelnen nicht überschaubar, unddie zu regelnden Aufgaben wurden von der Bauleitung erledigt. In gewisser Weisebedeutete dies eine Entlastung der Baufamilien, gleichzeitig jedoch auch, dass die I-dentifikation mit dem Projekt und den beteiligten Familien nicht in dem Maße wie inanderen Projekten vorhanden war. Die Familien waren abgekoppelt von dem Gesamt-ablauf, die Beteiligung erfolgte punktuell in der Arbeit auf der Baustelle. Im Vergleichzu einigen anderen Projekten kam es nicht zu einem Zuständigkeitsgefühl (Übernahmevon Verantwortung) für das gesamte Projekt. Zugleich gestaltete sich die Arbeit fürdie Familien dadurch eher überschaubarer, weil sie nur die unmittelbar für sie wichti-gen Dinge in den Blick genommen haben.

Page 222: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

213

3.2.3. Projekte C und D: Leistungsdruck und �Stundenängste�Beide Projekte wurden vom gleichen Träger durchgeführt. Sie unterscheiden sich zwarin der Anordnung der Häuser und Grundstücke, haben aber die gleiche Bauweise. Essind Holzhäuser, deren Bestandteile auf der Baustelle durch die Baufamilien vorgefer-tigt und dann aufgestellt wurden. Die Ausgangsbedingungen für die beiden Projektewaren von den organisatorischen Rahmenbedingungen weitgehend gleich: gemeinsa-mer Träger, Architekt und Bauleitung. Es existierten jedoch zwei bedeutsame Unter-schiede im Hinblick auf die Zahl der Baufamilien zu Baubeginn und die finanziellenRahmenbedingungen des Projektes. In Projekt C war die Zahl der Baufamilien nahezuvollständig, und alle waren an dem Bauprozess beteiligt. In Projekt D sind die 30 Häu-ser überwiegend mit ca. 20 bis 24 Familien gebaut worden. Ein gravierender Unter-schied lag darüber hinaus in der Art des Grundstückserwerbs. Das erste Projekt musstedas Grundstück von der Stadt für 75 Euro pro qm kaufen, das zweite konnte über denTräger einen Erbpachtzins von 4% in Anspruch nehmen. Die beiden Projekte wurdennahezu zeitgleich durchgeführt: Baubeginn April (bzw. Mai)119 1996 und August 1996.

Wie ein Vertreter des Trägers feststellt, waren zu Beginn des Bauvorhabens alle Betei-ligten sehr euphorisch und engagiert. In Projekt C haben die Familien in den erstenfünf Monaten 18 Häuser erstellt und einige vorbereitende Arbeiten erledigt. In derrestlichen Bauzeit (Bezug der Häuser war von August bis November 1997) wurden �bei gleicher Arbeitszeit � nur noch die restlichen 10 Häuser gebaut (Expertenge-spräch).

Die Organisation der beiden Bauvorhaben weist im Vergleich zu den anderen Projek-ten eine spezifische Konstellation auf: Da der zuständige Architekt aus Süddeutsch-land kam, wurde die Bauleitung an ein Baubüro vor Ort delegiert. Die Anleitkräfte, inder Regel zwei, wurden jedoch von dem Träger eingestellt, der dafür extra Leute en-gagiert hatte. Nach Einschätzung des Bauträgers ist diese Form der Organisation alsschwierig zu charakterisieren, da es zu Loyalitätskonflikten der Anleitkräfte zwischender Bauleitung und dem Träger gekommen sei. Die Anleitkräfte haben vor Ort auchdie Aufgabe, darauf zu achten, dass die Selbsthilfestunden der Baufamilien effektivund kostengünstig eingesetzt werden. In Projekt C habe man zu viel Zeit für das Auf-stellen der Häuser gebraucht. Diesen Arbeitsschritt hätte man � so rückblickend dieEinschätzung des Trägers � in diesem Fall besser an eine Firma gegeben (Expertenge-spräch).

Auch aus der Sicht der Baufamilien werden in diesem Projekt grundlegende Problememit der Person der Anleitkraft und der Verteilung der Entscheidungskompetenzen

119 In dem ersten Projekt kam es zu einer Verzögerung des Baubeginns um einen Monat.

Page 223: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

214

thematisiert. In Projekt C waren zu Beginn der Baumaßnahme zwei Poliere vor Ort.Im Verlauf der Bauzeit wurde einer der beiden Anleitkräfte von dem Träger entlassen,da sich die Baufamilien über ihn beschwerten.

�Zwei Anleitkräfte sind immer wichtig. Damit die eine Anleitkraft der anderen aufdie Finger schaut. Damit es da keine Klüngeleien gibt, keine Klübchenbildung.Dann denke ich, eine Anleitkraft oder im Beruf die Vorarbeiterin, wenn man sound so viele Menschen unter sich hat, die müssen für ein gutes Betriebsklima sor-gen. Und nicht zusehen, dass da noch immer weiter gestichelt wird. (...) da gab esgewisse Siedler, auch jetzt noch, die mehr Siedler sind als unsereiner. (...) Die ha-ben Informationen, an die wären wir nie drangekommen.� (Herr Müller)

In diesem Zitat wird die wahrgenommene Ungleichbehandlung der Baufamilien the-matisiert. Die Person des Poliers wird dargestellt als jemand, der die vorhandenen Un-stimmigkeiten zwischen den Selbsthelfern nicht schlichten konnte, im Gegenteil sogarnoch weiter verstärkte, indem er Unterschiede in der Informationsweitergabe machte.Von Herrn Müller wird in dem Interview weiter angesprochen, dass die Verteilung derArbeiten nach Sympathie und Antipathie erfolgte. Vor dem Hintergrund, dass vieleSelbsthelfer in diesem Projekt Handwerker waren und Herr Müller keine handwerkli-chen Vorkenntnisse besaß, ist diese Einschätzung unter Umständen zu relativieren,schließlich könnte die Einteilung der Tätigkeiten auch nach der vorhandenen hand-werklichen Qualifikation erfolgt sein. Deutlich wird jedoch, dass in diesem Projekt einUnterschied in der Behandlung der Baufamilien wahrgenommen wird und der Polierin der Sicht dieser Baufamilie diese Unterschiede im Gegensatz zu seinem Auftrag imProjekt verstärkte anstatt ihnen entgegen zu wirken.

Eine andere Familie formulierte den Eindruck der Überlastung bzw. Überforderungder Anleitung.

�Meiner Meinung nach war das einfach zuviel, der war überlastet mit der Baustel-le. Wenn der mit 28, es waren ja teilweise mehr als 28 Hobby-Handwerker hier.Einige hatten Helfer mit, wenn mal die Baustelle gut besucht war, da waren es 30,40 Hobbybastler, die von jedem ein bisschen Ahnung haben wollten, im Endeffektaber keine Ahnung hatten, und die wurden dann auf die Bauten losgelassen. EineAnleitkraft alleine sollte dann die ganze Baustelle überwachen, die war dann über-fordert. Dadurch konnte er sich dann teilweise gar nicht mehr die Mühe machen.�(Herr Dorn)

Die konkrete Anleitung von allen Baufamilien und ihren Helfern war in der Einschät-zung von Herrn Dorn durch eine Anleitkraft nicht zu leisten, da neben der Betreuungund fachkundigen Anleitung der Selbsthelfer/innen der Bauablauf organisiert und ko-ordiniert werden musste.

Page 224: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

215

�Im Grunde kann man sagen, es liegt nicht nur an den Anleitkräften, ich sage malder Bauträger und das Ingenieurbüro hat sich das unheimlich leicht gemacht. Wirhaben unseren Mann da vorne, der macht das schon. Der wird das schon irgendwiehinkriegen. So einfach ist das alles aber gar nicht. Es müssen Entscheidungen ge-troffen werden, dann muss Rücksprache genommen werden und die Kompetenz,die war im Anfang nicht gegeben.� (Herr Schneider)

Aus der spezifischen Konstellation von Anleitung, Träger und Bauleitung resultierteeine unklare Verteilung der Entscheidungskompetenzen, die aus der Sicht der Baufa-milien deutliche Nachteile hatte. Dies zeigte sich, wie in den anderen Projekten bereitsangesprochen, z. B. bei der Einteilung der Arbeitskräfte auf der Baustelle. Zu Beginnder Bauzeit waren alle Familien auf der Baustelle und standen unter dem Druck, ihreSelbsthilfestunden abzuarbeiten. Gegen Ende blieben häufig nur die Familien übrig,deren Häuser noch nicht fertig gestellt waren. Thematisiert werden in diesem Zusam-menhang zu Beginn der Bauphase auch �Stundenängste�:

�Das Problem ist, dass am Anfang unheimlich viele Leute sich aufgeregt haben,um Gottes Willen, ich kriege meine Stunden nicht zusammen. (...) es ist halt sogewesen, dass am Anfang nicht so viel Arbeit zu bewältigen war und dann je mehrman zur Mitte kam, um so mehr wurde es. Und dann wurde es immer weniger.Man kann im Grunde wie einen Berg betrachten und dann ganz im Anfang war haltnicht so viel Arbeit da und da hatten die Leute wirklich Angst, ihre Stunden nichtvoll zukriegen. Und dann irgendwann, so nach Mitte der Bauzeit, waren die Jungsalle zu Hause, weil die ihre Stunden voll hatten.� (Herr Deppe)

Zu Beginn der Bauphase führte dies teilweise zu Konflikten mit dem Polier, der nichtgenug Arbeit für alle Familien und ihre Helfer/innen hatte. Es ist jedoch in keinemProjekt tatsächlich der Fall gewesen, dass über die Bauzeit hinweg zu wenig Arbeit fürdie Baufamilien vorhanden war und diese Probleme hatten, die Selbsthilfestunden zuerfüllen.

Als ein weiteres zentrales Problem in diesen beiden Projekten wurde die mangelndeKommunikation benannt. Zwar wurden regelmäßige Siedlerbesprechungen abgehal-ten, aber die Informationsweitergabe von der Bauleitung an die Baufamilien, aber auchder Baufamilien untereinander wurde als mangelhaft kritisiert.

�Alles, was hier schief gelaufen ist oder nicht zur Zufriedenheit erledigt worden istoder geändert werden musste, hatte nur einen Hintergrund. Der eine wusste es undhat es mit nach Hause genommen. (...) und dann hatte nur noch einer das Wissenim Kopf, der hat es dann im Stille-Post-Verfahren anders rübergebracht, und danngab es Schwierigkeiten (...). Das ist einfach nur ein reines Kommunikationsprob-lem. Ob mit der Bauleitung, ob mit den verantwortlichen Architekten oder Planernoder auch mit den Nachbarn. Das sind einfach nur Schwierigkeiten, man sprichtnicht drüber.� (Herr Böll)

Page 225: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

216

3.2.4. Projekt E: Intermediäre InstitutionDieses Projekt ist mit 20 Häusern die kleinste Siedlung der IBA-Projektreihe. DieHäuser sind in Holzbauweise erstellt worden, jedoch wurden die vorgefertigten Teileim Unterschied zu den anderen Projekten in Holzbauweise angeliefert und von einerFirma aufgestellt. Die Selbsthelfer/innen haben das Betonfundament gegossen und denInnenausbau gemacht. Die Bauzeit war in diesem Projekt vergleichsweise kurz, eswurde neun Monate gebaut. Alle 20 Häuser waren verkauft. Das städtische Grund-stück wurde im Wege des Erbbaurechts an die Baufamilien weitergegeben.

Die Organisationsstruktur dieses Projektes wurde erweitert. Neben der üblichen Kon-struktion von Bauträger, Polier und Architekt war eine intermediäre Institution (Pro-Kids) an dem Projekt beteiligt. Um die �Kinderfreundlichkeit� des Projektes zu ge-währleisten, wurde die kommunale Einrichtung �ProKids� als beratende und beglei-tende Institution für den Bauprozess hinzu gezogen.120 Sie war bereits im Vorfeld derBaumaßnahme an dem Auswahlverfahren der Familien beteiligt und hat Kriterien fürkinderfreundliches Wohnen erarbeitet, was auch die Gestaltung der Außenanlagen unddes Wohnumfeldes mit einschloss. Darüber hinaus wurde während der Bauzeit regel-mäßig samstagnachmittags eine Kinderbetreuung angeboten. �ProKids� hat die Ver-sammlungen moderiert, eine Vermittlerrolle bei Konflikten eingenommen und standauch für innerfamiliäre Probleme als Ansprechpartner zur Verfügung. Nach Einschät-zung des Trägers hat die Institution gute familienpädagogische Arbeit geleistet undbetreut auch das Projekt in Gladbeck (Expertengespräch). Die Familien haben sichgrundsätzlich positiv dazu geäußert. Die Kosten für die familienpädagogische Betreu-ung und die Moderation wurden auf die Familien umgelegt (500 Euro pro Familie).

Im Gegensatz zu vorhergehenden Projekten wurde in diesem Projekt die fachlicheKompetenz der Anleitkraft hervorgehoben.

�Also eigentlich war die ganze Zeit nur einer da. Der, sag ich jetzt mal, fachlichwohl alles drauf hatte. Der hat wirklich alles vermitteln können, worauf es ankam.Für den Innenausbau hatte man dann nachher noch einen zweiten Mann mit enga-giert, der kam aus dem Holzbereich, aus dem Holzverarbeitungsbereich (...) und in-sofern war das also ein richtiger Holzwurm � haben wir immer gesagt � Spezialist,der einem unheimlich viele Tricks dann auch gezeigt hat.� (Herr Baum)

Die Weitergabe der Informationen erfolgte hier im �Schneeballsystem� unter den Bau-familien und funktionierte nach Angaben der Baufamilien zufriedenstellend.

Auch in diesem Projekt waren zu Baubeginn Probleme mit der Abarbeitung derSelbsthilfestunden zu verzeichnen. Im Gegensatz zu anderen Projekten wurde hier je-

120 ProKids, Kinderinteressen in der Stadt, ist ein Informations-, Beratungs- und Planungsbüro zum Thema Kin-derinteressen der Stadt Herten. Es handelt sich hierbei um eine Dienstleistungsgesellschaft, die der städti-schen Gesellschaft PROSOZ angegliedert ist.

Page 226: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

217

doch von dem Polier entschieden, dass in der Anfangsphase nur Helfer/innen auf derBaustelle arbeiten dürfen, wenn der spätere Hauseigentümer ebenfalls anwesend war.Zum Ende der Bauzeit hatten die Familien ihre notwendigen Stunden gearbeitet und zudiesem Zeitpunkt durften nach Angaben der befragten Familien auch wieder Helferund Helferinnen alleine auf der Baustelle arbeiten.

�... also dieser Bauarbeiter, der hat einfach gesagt, nein, keine Helfer, wenn derje-nige, der beteiligt ist, nicht dabei ist. Das war aber in einer Engphase, als diese Pa-nik um die Stunden da war, denn später zum Ende hin, als viele ihre Stunden hattenund keiner mehr was machen wollte, da durften auf einmal hier irgendwelche On-kel, Tanten, Großväter auch völlig alleine vor sich hinpusseln.� (Frau Sand)

Die Begrenzung des Einsatzes von Helfer/innen zu Baubeginn scheint in diesem Pro-jekt dazu beigetragen zu haben, dass die �Panik um die Stunden� vergleichsweise gutgelöst werden konnte (wenn dies auch im Einzelfall zu Problemen geführt haben mag,z. B. wenn ein Bauherr krank wurde und keine Helfer/innen für ihn arbeiten konnten).Der Polier regelte auch den gemeinsamen Übergang vom Rohbau zum Innenausbau.

�Es hat auch Querelen zwar gegeben untereinander, aber das fand ich sehr gut vondem Träger. Der Polier hatte alle Schlüssel. Und erst, als alle Häuser ungefähr ei-nen Stand hatten, kriegte jeder den Schlüssel für sein Haus, dass er innen loslegenkonnte, also Elektro und Fußböden und tapezieren, dass also nicht die, deren Hauszufällig als erstes gebaut wurde, dann nur noch im eigenen Haus verschwindenkonnten. Das haben viele zwar mokiert, (...) aber ich persönlich fand das klasse.�(Frau Sand)

Dieses deutliche und organisierende Vorgehen des Poliers wird von den Baufamilienunterschiedlich beurteilt, v. a. aber diejenigen Familien, deren Häuser zuletzt erstelltwurden, beurteilten diese Regelung positiv, da sie sicherstellte, dass ausreichend vieleFamilien bis zur Fertigstellung des letzten Rohbaus auf der Baustelle waren.

3.3. Mitbestimmungs- und BeteiligungsprozesseDie Beteiligung der Baufamilien während des Bauprozesses ist durch den Einsatz derorganisierten Gruppenselbsthilfe als hoch einzuschätzen. Die regelmäßige Anwesen-heit auf der Baustelle, die Teilnahme an Siedlerbesprechungen etc. gewährleisten einekontinuierliche Beteiligung während des Bauprozesses. Allerdings ist in den vorheri-gen Ausführungen deutlich geworden, dass diese Beteiligungsformen als nicht ausrei-chend eingeschätzt werden. So wurde der Wunsch geäußert, Vertreter der Baufamilienan den Gesprächen der Bauleitung teilnehmen zu lassen und vor allem besser infor-miert zu werden.

Die Frage der Mitbestimmung spielte in dem Konzept der IBA eine zentrale Rolle.Zwar erfolgte die Planung in allen sieben Selbsthilfesiedlungen aus Kostengründenüber typisierte Häuser, dennoch wurde von der IBA eine intensive Mitwirkung derBaufamilien in allen Phasen des Bauprozesses angestrebt (Beierlorzer/Boll 1998: 67).

Page 227: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

218

Art und Umfang der geplanten Spielräume für die Beteiligung der Baufamilien undderen Bewertung wurde von der IBA auf der Grundlage der vorhandenen Projektdatenausgewertet. Als Hauptkonfliktpunkte zwischen der Planungsvorgabe und den Wün-schen der Baufamilien werden die Außenanlagen, die Ausbau- bzw. Anbaumöglich-keiten und die individuellen Gestaltungsvorstellungen benannt. Im Ergebnis bewertendie Autoren jedoch die Baufamilien als weitgehend zufrieden mit den eingeräumtenGestaltungsspielräumen. Aus der Sicht der Träger wird der zusätzliche Betreuungs-aufwand durch die Planungsbeteiligung hervorgehoben (Beierlorzer/Boll 1998: 69).

Die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung kommen zu einer anderen Einschätzung derMitbestimmungsmöglichkeiten (vgl. Abb. 22). So geben nur 2,3% der BaufamilienkeinenWunsch nach mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten an. Dagegen wünschen sich42% der Baufamilien deutlich mehr Mitbestimmung (�ja, trifft voll zu�), 27,3% �trifftzu� und 19,3% �trifft eher zu�.

Die Analyse der Interviewaussagen ermöglicht einen differenzierteren Blick auf dieFrage der Mitbestimmung. Es können zwei Bereiche unterschieden werden: die Innen-gestaltung der Häuser (Grundrisse und Ausstattung) und die Außengestaltung der Ge-bäude und Außenanlagen. Aufgrund der Hauskonstruktionen (tragende Wände) hattendie Familien in den einzelnen Siedlungen unterschiedlich große Innengestaltungsmög-lichkeiten.

Abb. 22: Haben Sie sich bei der Gestaltung der Siedlung mehr Mitbestimmung gewünscht?(Angaben in Prozent)

3,4

42

27,3

19,3

5,72,3

0

5

10

15

20

25

30

35

40

45

nein, trifft nichtzu

2 3 4 5 ja, trifft voll zu

Prozent

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)

Page 228: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

219

Auch wenn die Veränderungsoptionen hinsichtlich der Grundrisse in einigen Projekteneher gering waren, äußerten viele der Interviewten eine große Zufriedenheit mit derRaumgestaltung und der Raumnutzung.

�Wobei ich sagen muss, dass die Aufteilung der Räume optimal ist. (...) also es istschon von der Architektur her, von der Innenarchitektur, von der Planung, vomGrundriss ist das Klasse.� (Herr Schneider)

Einige Familien betonen, dass ihnen der Rahmen der Gestaltungsmöglichkeiten in Be-zug auf die Grundrissgestaltung vorher bekannt war. Insgesamt wird jedoch die Mitbe-stimmung bei der Gestaltung der Außenanlagen als deutlich zu gering kritisiert.

�... bei dem Grundriss des Hauses war es natürlich recht eingeschränkt. Bloß dasweiß ich natürlich auch im Vorfeld, auf was ich mich da einlasse und was für Ent-scheidungsmöglichkeiten ich da habe. Bloß die Entscheidungsmöglichkeiten nach-her, mit der Außengestaltung, mit der Farbe der Häuser oder der Beleuchtungsein-richtung, da waren die Möglichkeiten da, und die hätte man nutzen können, wennman eine Gruppe gewesen wäre. Wenn man da also wirklich verstärkt als Gruppeauftritt, und dann auch noch seine Interessen durchsetzt, hat man alle Möglichkei-ten der Welt.� (Herr Bayer)

Herr Bayer thematisiert die Bedeutung der Gruppe der Baufamilien und ihrer Ein-flussnahme auf den Gestaltungsspielraum. Wenn sich alle zusammenschließen, warendie Chancen größer, Änderungen gegen die Vorgaben der Architekten oder Trägerdurchzusetzen. Aber auch eine funktionsfähige Gruppe hatte nicht immer Erfolg, wiesich am Beispiel der Weggestaltung in Duisburg zeigt, denn hier waren alle Baufami-lien bereit, für die Pflasterung der Wege (statt Granulat) zusätzlich zu zahlen. Obwohldie Gemeinschaft der Selbsthelfer/innen gemeinsam für eine Änderung der Pläne vo-tierte, wurde dies von dem Träger aus Kostengründen abgelehnt.

Neben der Gefahr möglicher Kostensteigerungen lässt sich ein weiterer Grund � ein-heitliche Außendarstellung - für die mangelnde Flexibilität im Umgang mit Ände-rungswünschen der Außenanlagen benennen.

�Auch von außen, ... da haben wir nicht viel zu reden gehabt, weil die Architekten,die haben diese Siedlung entworfen und haben einen Preis gewonnen damit. Diewollten sich das auch nicht kaputt machen lassen, dieses Erscheinungsbild derSiedlung durch zu viele Abweichungen, die dann hinterher kommen. Ist ja auchverständlich irgendwo.� (Herr Stein)�... die Wahnvorstellung von dem Architekten war immer so, der eine nimmt dannso eine spätbarocke Lampe, der nächste wieder so eine neuzeitliche und der anderemacht wieder einen auf Enterprise und da haben wir gesagt, das verstehen wir. Daswollen wir auch nicht. Wir haben gesagt, wir bringen alle Leute dazu, die gleicheLampe zu nehmen.� (Herr Koch)

Die detaillierten Planungen der Architekten ließen in den meisten Fällen keine odernur marginale Änderungen der Außenanlagen zu. Wie aus den Zitaten deutlich hervor-geht, nahmen die Baufamilien diesen Konflikt wahr und akzeptierten die Vorgabe ei-

Page 229: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

220

ner einheitlichen Gestaltung. Viele der Familien schlugen jedoch vor, für Türen, Au-ßenlampen, Farben etc. mehrere Auswahlmöglichkeiten zu bieten und dann in derGruppe der Selbsthelfer/innen die Entscheidung für eine der Möglichkeiten zu treffen.

3.4. Fazit: Grundprobleme der OrganisationAls Ergebnis der Fragebogen-Erhebung kann festgehalten werden, dass insbesonderedie mangelnde Zusammenarbeit zwischen der Bauleitung vor Ort und den Archi-tekt/innen kritisiert wird. Als entscheidendes Defizit in der Ablauforganisation auf derBaustelle werden von den Familien die Verzögerungen des Bauprozesses benannt, diefür diese weitreichende Konsequenzen haben können. Die Qualität der Anleitungdurch das Betreuungsunternehmen wird von den Baufamilien differenziert einge-schätzt: die fachliche Kompetenz des Poliers wird nachdrücklich bestätigt, auch dieErreichbarkeit ist bis auf wenige Ausnahmen gegeben. Die soziale Kompetenz wirdhingegen nur bei ca. einem Drittel der Baufamilien als ausreichend vorhanden bewer-tet.

Das Problem der Stundeneinteilung zu Beginn und im Verlauf der Bauzeit wird in al-len Projekten thematisiert. Zu Anfang eines Projektes sind alle Baufamilien voll Eu-phorie und wollen arbeiten, gegen Ende lässt die Motivation nach, auch sind die not-wendigen Stunden dann abgearbeitet. In einigen der Projekte hat dies zu Problemenbzw. Konflikten der Baufamilien untereinander geführt, teilweise auch zu konkretenNachteilen für die Familien (Verzögerungen der Fertigstellung, längere Zahlung vonBauzeitzinsen), da wegen mangelnden Selbsthelfer/innen v. a. gegen Ende deren Häu-ser nicht so schnell wie geplant errichtet werden konnten.

Grundsätzlich tritt dieses Problem in allen Projekten auf, allerdings wurde es z.B. inProjekt E entschärft, in dem eine Firma die Häuser aufstellte. In den Projekt A und Dhaben die Familien einen Weg gefunden: Die Solidarität mit den anderen Familien waranscheinend so groß, dass viele Familien mehr Stunden als geplant gearbeitet haben,damit alle Häuser fertig gestellt werden konnten. Wenn alle Familien in den Häusernmit dem Innenausbau beschäftigt sind, tritt das Problem der Fertigstellung bei den Au-ßenanlagen, Gemeinschaftshaus etc. auf, dieses wird aber nicht als so gravierend ein-geschätzt, da es keine konkreten Nachteile für einzelne Familien darstellt, sondern dieGemeinschaft betrifft.

Abgesehen von dem Modell �Firma als Anleitung� sind die vorgestellten Organisati-onsmodelle in der Grundstruktur sehr ähnlich. In der konkreten Umsetzung eines Pro-jektes hängt viel von den Qualifikationen und sozialen Qualitäten der beteiligten undverantwortlichen Personen ab. Ein Träger mit Erfahrung hat � so lässt sich vermuten �auch erfahrenes Personal. In diesen Projekten kam es nicht oder nur selten zu Konflik-

Page 230: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

221

ten wegen der Anleitungskräfte (Erfahrung in Gruppendynamik). Die Konstellationmit der Firma scheint ungeeignet, da keine verbindliche Betreuungsverantwortlichkeitgeregelt wurde.

Die Konstellation mit Architekt, Träger und Bauleitung entspricht im Wesentlicheneinem konventionellen Bauprozess, in dem sich die Kommunikation ebenfalls unterUmständen schwierig gestalten kann. Hier sind allerdings noch die Baufamilien zuberücksichtigen, die die Organisationsmängel auffangen und tragen müssen. Die indi-viduelle Last gestaltet sich durch die emotionale und finanzielle Verbindung zu demBau meines Erachtens schwerer als die Bewältigung einer Verzögerung durch eineHandwerksfirma: �Zeitverzögerungen im Planungs- oder Bauablauf haben weitausdeutlichere negative Auswirkungen auf die Projekte der Organisierten Gruppenselbst-hilfe als auf andere Bauvorhaben, da die Arbeitszeit das �Kapital� der Baufamilien ist.Auftretende Probleme müssen deshalb schnell gelöst werden und erfordern die Zu-sammenarbeit aller Beteiligten.� (IRS 1998: 103).

Die Betreuung und Anleitung durch die Betreuungsunternehmen waren eine wichtigeVoraussetzung für die Realisierung der Gruppenselbsthilfe, sie wurden jedoch in ihrerUmsetzung von den Baufamilien deutlich kritisiert. Vor diesem Hintergrund scheinteine gezielte Verbesserung der Organisation und Betreuung, insbesondere im Bereichder Beratung und Anleitung der Familien am Bau und beim Baustellenmanagementnotwendig. Dies bedeutet zum einen die Etablierung einer funktionsfähigen Kommu-nikationsstruktur sowohl innerhalb der Leitungsfunktionen (Träger, Architekt/in, Bau-leitung/Polier) als auch zwischen Leitung und Baufamilien. Auch die Informationswei-tergabe innerhalb der Baufamilien sollte institutionalisiert werden, damit sichergestelltist, dass alle Baufamilien die gleichen Informationen erhalten. Zum anderen muss dieBedeutung der fachlichen und insbesondere sozialen Qualifikationen der Anleitkraftals ein zentraler Faktor entsprechende Konsequenzen für die Auswahl des Anleitper-sonals haben.

4. Finanzierung und FörderungIn dem Finanzierungskonzept der "Einfach und selber bauen"-Projekte stellt dieSelbsthilfe als �Muskelhypothek� ein zentrales Instrument dar. Bei dem Bau einesHauses ist es notwendig, einen Teil der benötigten Finanzmittel als Eigenkapital ein-zubringen, worüber junge Familien und Familien mit geringem bis mittlerem Ein-kommen häufig nicht verfügen. Im Rahmen des Projektes haben die Familien, derenEigenkapital deutlich unter 15% der Gesamtkosten liegt, die Möglichkeit, die Finan-zierungslücke durch eine Eigenleistung in Form von Selbsthilfe zu schließen. Ein seri-öses Finanzierungskonzept muss darüber hinaus auch eine tragbare monatliche Belas-tung der Baufamilien ermöglichen. Neben dem Eigenkapital sind daher auch die Fra-

Page 231: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

222

gen nach den langfristigen Wohnkosten und den Kosten der Finanzierung entschei-dend. Für die Zielgruppe der IBA-Projekte reicht der durch die Selbsthilfe erwirtschaf-tete Eigenanteil jedoch nicht aus, um eine Finanzierung abzusichern. Hier ist eineKombination von Selbsthilfe und öffentlichen Fördermitteln in Form von zinsgünsti-gen Baudarlehen notwendig. Die Finanzierungsstruktur der Selbsthilfeprojekte setztesich also aus der öffentlichen Förderung (Wohnungsbaufördermittel), den Eigenmit-teln und den Fremdmitteln zusammen, was sich je nach Baufamilien unterschiedlichgestaltete. Die Förderung der Baufamilien mit öffentlichen Mitteln war abhängig vonden Richtlinien der Landesförderung, den Einkommensverhältnissen und dem Haus-haltstyp (vgl. Kap. II).

4.1. Die Kosten des HausesDie entscheidende Voraussetzung für die Durchführung kostengünstigen Bauens istdie Verfügbarkeit geeigneter Grundstücke. In den sieben Selbsthilfeprojekten waren eszum großen Teil die Kommunen, die geeignete Grundstücke bereitgestellt haben. Invier Projekten wurde das Grundstück in Erbpacht vergeben.

Tab. 19: Grundstückvergabe und Grundstückskosten nach Angaben der IBAProjekt Grundstücksgeber Grundstückspreis Zzgl. Er-

schließungBergkamen Stadt Bergkamen 110 DM/qm 15 DM/qmDuisburg Stadt Duisburg Erbpacht (4%): 165

DM/qm15,75

DM/qmGelsenkirchen Stadt Gelsenkirchen 150 DM/qm 40 DM/qmGladbeck VEBA-Immobilien

AG154 DM/qm 93 DM/qm

Herten Stadt Herten Erbpacht: 6 DM/qm 87 DM/qmLünen THS Essen Erbpacht (4%): 150

DM/qm50 DM/qm

Recklinghausen StadtRecklinghausen

Erbpacht (4%): 290DM/qm

70 DM/qm

Durchschnittaller Projekte 183 DM/qm 52 DM/qm(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 18)

Die Honorierung der wirtschaftlichen und technischen Betreuung stellt einen weiterenKostenfaktor dar. Die Honorierung der wirtschaftlichen Betreuung erfolgt auf der Ba-sis der Baukosten ohne Baunebenkosten.121 Das Honorar beträgt bei Baukosten bis250.000 DM einen Prozentsatz von 3,4%. Dieser Satz erhöht sich um 0,5% bei derBetreuung von Eigenheimen und um weitere 1,5%, wenn für den Bau eines Familien-heimes oder einer eigengenutzten Eigentumswohnung Selbsthilfe in Höhe von mehr

121 Die Honorierung der wirtschaftlichen Betreuung für Eigenheimmaßnahmen im öffentlich geförderten Woh-nungsbau ist im § 8 der II. Berechnungsverordnung (II. BV) geregelt.

Page 232: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

223

als 10% der Baukosten geleistet wird (§8 II.BV). Bei den Selbsthilfeprojekten �Ein-fach und selber bauen� ist daher von einem Prozentsatz von 5,4% der Baukosten alsHonorar für die wirtschaftliche Betreuung auszugehen (vgl. Beierlorzer/Boll 1998:39).

Unter die technische Betreuung fallen die Architektenleistungen und Kosten für dieBetreuung und Anleitung der organisierten Gruppenselbsthilfe. Die Honorierung Ar-chitektenleistungen sind in der II.BV im § 16 HOAI festgelegt.122 Die Kosten für dieOrganisation der Gruppenselbsthilfe sind Bestandteil der in Gruppenselbsthilfe erstell-ten Gewerke und werden gesondert vertraglich vereinbart (Beierlorzer/Boll 1998: 40).

Die Gesamtkosten für wirtschaftliche und technische Betreuung schwanken in denSelbsthilfeprojekten in Abhängigkeit vom Grundstückspreis und der Größe der Häuserzwischen 239.246 DM und 336.200 DM.

Tab. 20: Beispiele für die Zusammensetzung der Gesamtkosten nach Angaben der IBAGelsenkirchen

77 qmReihenhaus

Lünen104 qm

Reihenhaus

Gladbeck111 qm

ReihenhausGrundstück 45.736 DM 15.445 DM1 30.100 DMHerrichten/Erschließen 7.039 DM 14.234 DM 18.100 DMBauwerk 139.534 DM 176.093 DM 220.000 DMAußenanlagen 14.037 DM 21.560 DM 30.000 DMBaunebenkosten (zzgl.Finanzierungskosten)

32.900 DM 43.703 DM 38.000 DM

Gesamtkosten 239.246 DM 271.055 DM 336.200 DM1Grundstücke in Erbpacht(Quelle: Eigene Darstellung nach Beierlorzer/Boll 1998: 92ff.)

Die reinen Baukosten (Bauwerkskosten) liegen in den dargestellten Beispielen zwi-schen ca. 1.700 DM und 1.980 DM pro qm Wohnfläche. Die von der IBA ausge-rechneten Kosten liegen am niedrigsten in Lünen mit 1.650 DM/qm und am höchstenin Herten mit 2.050 DM/qm Wohnfläche. Die durchschnittlichen Bauwerkskosten derSelbsthilfeprojekte werden mit 1.800 DM/qm angegeben (Beierlorzer/Boll 1998: 81).Das Landesinstitut für Bauwesen des Landes Nordrhein-Westfalen geht von Baukos-ten eines kostengünstigen Einfamilien-Reihenhauses zwischen ca. 1.740 DM (870 Eu-ro) bis 2.260 DM (1.130 Euro) aus (LB 2002: 24). Die Baukosten der Projektreihe�Einfach und selber bauen� sind demnach als niedrig einzustufen. Dies bestätigt auchder Vergleich mit den Organisierte Gruppenselbsthilfemaßnahmen in den neuen Bun-desländern, die mit 2.090 DM bis 2.202 DM pro Quadratmeter Wohnfläche deutlichhöher lagen (IRS 1998: 79).

122 II. BV, § 16 HOAI, Honorarzone III, Mindestsatz und unter Berücksichtigung der Abschläge für Wiederho-lungsfälle gemäß § 22 HOAI (vgl. Beierlorzer/Boll 1998: 39f.).

Page 233: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

224

4.2. Die Förderung der BaufamilienSelbst beim Einsatz von Eigenleistung in Form der Selbsthilfe ist der Hausbau für vie-le Familien aufgrund der hohen Finanzierungskosten nur möglich, wenn sie die zins-günstigen Baudarlehen des Landes in Anspruch nehmen können. Die Vergabe der För-dermittel ist an fest definierte Einkommensgrenzen gebunden. Ob eine künftige Bau-familie Landesmittel in Anspruch nehmen kann, ist vom Einkommen aller Haushalts-mitglieder abhängig. Damit die finanziellen Belastungen, die durch den Bau einesHauses entstehen, nicht die Existenzgrundlage der Baufamilie gefährden, wird dieTragbarkeit der Belastung geprüft. Mit dem Antrag auf Bewilligung der Wohnungs-baumittel ist eine sogenannte Lastenberechnung vorzulegen. In dieser sind die Bau-oder Erwerbskosten aufzuführen, die beabsichtigte Finanzierung darzustellen sowiedie Kapitalkosten (Zinsen, Verwaltungskostenbeiträge, Tilgung) und die Bewirtschaf-tungskosten zu berechnen. Nach Abzug aller laufenden Kosten müssen zum Lebensun-terhalt monatlich mindestens 1.450 DM (aktuell 820 Euro) für einen Zweipersonen-haushalt zuzüglich 400 DM (205 Euro) für jede weitere Person verbleiben.

Über 80% der Baufamilien (83,9%) gaben in der Fragebogen-Erhebung an, dass sieFördermittel des sozialen Wohnungsbau des Landes Nordrhein-Westfalen zur Fi-nanzierung des Hausbaus in Anspruch genommen haben. 16,1% der befragten Fa-milien haben nach eigenen Angaben keine Fördermittel bekommen. Diese 14 Familienteilen sich auf die folgenden Projekte auf: Duisburg und Lünen jeweils zwei Familien,Gladbeck und Recklinghausen jeweils fünf Familien, in Herten, Gelsenkirchen undBergkamen keine. Die Höhe der bewilligten Fördermittel ist je nach Familie sehr un-terschiedlich und bewegt sich zwischen 10.000 DM am unteren Ende bis zu 115.000DM maximale Förderung.

4.3. Vorhandenes EigenkapitalEin Blick auf die Höhe des vorhandenen Eigenkapitalanteils der Baufamilien anhandder Angaben der IBA zeigt folgendes Bild: Im Durchschnitt aller Projekte liegt dervorhandene Eigenkapitalsanteil bei 32,3% bis 10.000 DM, bei 40,4% zwischen 10.000DM und 40.000 DM und 27,4% der Familien haben im Durchschnitt über 40.000 DMEigenkapital eingebracht (vgl. Tab.16). Allerdings ist die Verteilung bezogen auf dieProjektstandorte sehr unterschiedlich. So haben in Bergkamen laut vorliegenden An-gaben 44,4% der Familien über 50.000 DM Eigenkapital eingebracht. Es folgen dieProjekte in Gladbeck und Herten, bei denen der Eigenkapitalsanteil bei ca. einem Vier-tel der Familien über 50.000 DM liegt. Dagegen haben in Duisburg und Lünen nur3,8% bzw. 4,2% der Familien über 50.000 DM in die Finanzierung eingebracht.

Page 234: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

225

Auffällig für den Standort Duisburg ist der hohe Anteil der Familien (36,5%), die nachden vorliegenden Angaben kein Eigenkapital eingesetzt haben. Darüber hinaus hat ca.ein Fünftel der Familien bis 10.000 DM Eigenkapital eingebracht. Mehr als die Hälfteder Familien in Duisburg konnte demnach nur einen sehr geringen bis gar keinen Ei-genkapitalsanteil in die Finanzierung einfließen lassen. In Recklinghausen liegt derAnteil der Familien ohne Eigenkapital demgegenüber nur bei 13,3%, in Gladbeck mit5,9% noch niedriger. In den restlichen vier Projekten haben alle Familien mit vorhan-denem Eigenkapital zur Finanzierung beigetragen, allerdings in deutlich unterschiedli-chem Ausmaß (vgl. Tab. 16).

Aus den genannten Zahlen wird deutlich, dass ein großer Teil der Baufamilien auf dieSelbsthilfe angewiesen war, um die für die Förderung und Finanzierung erforderlichenEigenmittel von 15% der Baukosten aufzubringen. Dieses Ergebnis wird in der Frage-bogen-Erhebung deutlich bestätigt. Im Vergleich zu den Daten der IBA zeigt sich je-doch ein Unterschied: laut der Fragebogen-Erhebung sind deutlich mehr Familien miteinem Eigenkapitalanteil von bis zu 100.000 DM ausgestattet (5,1% der Befragten),und immerhin 9% der Familien hat über 100.000 DM in die Finanzierung eingebracht.Bei der Differenzierung nach Orten zeigt sich, dass fünf Familien in Gladbeck bis100.000 DM und darüber in die Finanzierung eingebracht haben. In Bergkamen hateine Familie bis 100.000 DM und eine Familie über 100.000 DM Eigenkapital ange-geben.

Abb. 23: Vorhandenes Eigenkapital der Baufamilien

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=80, 9 fehlend)

39,7

38,5

7,7

5,1

9

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

bis 25.000 DM

bis 50.000 DM

bis 75.000 DM

bis 100.000 DM

über 100.000 DM

Prozent

Page 235: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

Tab.21:EigenkapitalderBewohnerInnennachAngabenderIBA

Berg-

kamen

1DuisburgGelsen-

kirchen

Gladbeck1

Herten

Lünen1

Reckling-

hausen1

Durchschnitt

allerProjekte

Eigenkapital

0-

36,5%

-5,9%

--

13,3%

8,3%

bis10.000

11,1%

21,2%

32,1%

8,8%

10,0%

37,5%

13,3%

24,0%

10.000-20.000

11,1%

11,5%

14,3%

14,7%

20,0%

25,0%

-12,8%

20.000-30.000

22,2%

5,8%

7,1%

11,8%

15,0%

12,5%

33,4%

14,4%

30.000-40.000

-15,4%

14,3%

11,8%

20,0%

8,3%

13,3%

13,2%

40.000-50.000

11,1%

5,8%

14,3%

20,5%

10,0%

12,5%

20,0%

12,9%

über50.000

44,4%

3,8%

17,9%

26,5%

25,0%

4,2%

6,7%

14,5%

Einkommen(bruttoimJahr)

bis50.000DM

22,2%

17,5%

3,6%

5,0%

8,3%

11,3%

50.000bis60.000DM

22,2%

30,0%

32,2%

45,0%

33,3%

33,1%

60.000bis70.000DM

44%%

32,5%

50,0%

35,0%

29,2%

36,8%

über70.000DM

11,1%

20,0%

14,2%

k.A.

15,0%

29,2%

k.A.

18,8%

1WertenichtfüralleHauseinheiten

(Quelle:Beierlorzer/Boll1998:12)

226

Page 236: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

227

4.4. Finanzierungsstruktur und SelbsthilfeertragDie Tabelle 22 zeigt die Zusammensetzung des Finanzierungskonzepts der "Einfachund selber Bauen"-Reihe. Übliche Finanzierungsmodelle (in der Regel mit Eigen- undFremdkapital) werden in diesem Projekt durch die Inanspruchnahme von Wohnungs-baufördermitteln und den durch die Selbsthilfe erwirtschafteten Betrag ergänzt. Zudem Projekt in Bergkamen liegen leider keine Angaben vor.

Tab. 22: Finanzierungsstruktur der Eigenheime nach Angaben der IBAWohnungs-

baufördermittelEigenkapital Selbsthilfe Fremdmittel

Bergkamen k. A. k. A. k. A. k. A.Duisburg 30,4 % 6,2 % 12,1 % 51,3 %Gelsenkirchen 25,2 % 10,1 % 9,6 % 55,1 %Gladbeck1 24,4 % 11,7 % 10,2 % 54,5 %Herten 32,1 % 12,0 % 9,3 % 46,6 %Lünen1 30,6 % 6,9 % 9,5 % 53,0 %

Recklinghausen1 27,7 % 10,5 % 8,9 % 52,9%Durchschnittaller Projekte

28,4 % 9,6 % 9,9 % 52,2 %

1 Werte nicht für alle Hauseinheiten(Quelle: Beierlorzer/Boll 1998: 11)

Im Durchschnitt der Projekte decken der Eigenkapitalsanteil (9,6%) und der Anteil derSelbsthilfe (9,9%) zusammen 19,5% der Kosten. Der Anteil der Wohnungsbau-förderung liegt mit 28,4% vergleichsweise hoch, die Fremdmittel machen im Durch-schnitt dann noch 52,2% der Finanzierung aus. Am niedrigsten ist der Anteil derFremdmittel mit 46,6% in Herten, am höchsten mit 55,1% in Gelsenkirchen und inGladbeck (54,5%). Diese Verteilung hängt zusammen mit dem Anteil des Eigenkapi-tals und den Wohnungsbaufördermitteln, die beide in Herten mit 12% und 32,1 % amhöchsten ausfallen. Entsprechend niedrig liegt der Anteil der Wohnungsbau-fördermittel in Gelsenkirchen (25,2%) und Gladbeck (24,4%). Vergleichsweise niedrigfällt der Eigenkapitalsanteil in Duisburg (6,2%) und Lünen (6,9%) aus.

Der durchschnittliche Anteil des in die Finanzierung eingebrachten Eigenkapitals in-klusive Selbsthilfe (19,5%) liegt im Vergleich mit herkömmlichen Wohneigen-tumsfinanzierungen deutlich niedriger (27% Eigenkapital in der VDH-Erhebung,Schätzl 2003). Auch im sozialen Wohnungsbau liegt der durchschnittliche Eigenkapi-talsanteil mit 21 bis 27% noch deutlich höher als in den Selbsthilfeprojekten. Auch dieBelastung durch Kredite liegt mit 52,2% deutlich über dem Durchschnitt der sozialenWohnraumförderung (40-50%) (vgl. IfS/advis 2003).

Page 237: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

228

Den höchsten Anteil der Selbsthilfe an der Finanzierung hat das Projekt in Duisburgmit 12,1% erwirtschaftet. Gladbeck steht mit 10,2% an zweiter Stelle, wohingegen inRecklinghausen der Selbsthilfeanteil mit 8,9% am niedrigsten liegt. Der Ertrag, der inSelbsthilfe erbrachten Leistungen, fällt in den Projekten unterschiedlich aus. ProQuadratmeter Wohnfläche wurden von 251 DM bis zu 322 DM von den Familien er-wirtschaftet.

Tab. 23: Selbsthilfeertrag nach Angaben der IBASelbsthilfeertrag(DM/qm Wfl.)

Durchschnittlicher Selbsthilfe-wert je Wohneinheit (DM)

Bergkamen 251,- 24.897,-Duisburg 331,- 29.248,-Gelsenkirchen 328,- 30.300,- 1Gladbeck 252,- 32.500,- 1Herten 256,- 29.882,-Lünen 284,- 1 27.600,- 1Recklinghausen 322,- 1 29.065,- 1Durchschnittaller Projekte

291,- 29.070,-

1 Werte geschätzt(Quelle: Eigene Darstellung nach Beierlorzer/Boll 1998: 80f.)

Die Höhe des Selbsthilfeertrags kann über Ausschreibungsergebnisse oder kalkulierteBaukosten ermittelt werden. In der Selbsthilfeordnung eines Trägers ist die Bewertungund Berechung der Selbsthilfeleistung genau festgelegt (vgl. THS 1996: 5).

4.5. Monatliche Belastung der BaufamilienEntscheidend für die Finanzierbarkeit des Hauses sind nicht nur die Baukosten, son-dern auch die monatlichen Belastungen der Baufamilien durch den Hausbau (Finanzie-rungskosten etc.).

Tab. 24: Beispiel FinanzierungskostenAlle Werte in TDM Mtl. BelastungKaufpreis EK GSH ESH Zw.Su

.Förder-mittel

Erb-bauzinsDM

Fremdm.DM

SummeDM

262,00 82,40 22,48 12,60 35,08 103,00 137,99 177,83 315,82262,00 5,00 26,83 11,90 38,73 103,00 130,65 603,83 734,48232,00 - 26,83 13,20 40,02 - 113,00 1.055,52 1.168,52232,00 10,00 25,69 6,90 32,59 57,60 117,77 639,99 757,76232,00 11,30 16,09 8,70 24,79 - 123,55 1.010,50 1.134,05(Quelle: dfh, Einfach und selber bauen, Duisburg-Hagenshof)

Die monatliche Belastung (Kaltmiete) liegt je nach Eigenkapital (EK), Gruppen-selbsthilfeanteil (GSH), Einzelselbsthilfeanteil (ESH) und Wohnungsbaufördermittelnin den Beispielrechnungen zwischen 316 und 1.169 DM. Neben der Höhe des vorhan-

Page 238: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

229

denen Eigenkapitals stellen die zinsgünstigen Fördermittel des Landes NRW den zent-ralen Faktor dar, der die monatliche Belastung entscheidend bestimmt. Dies bestätigtdie Schlussfolgerung von Marahrens, der aufzeigt, dass die Unterschiede in den mo-natlichen Belastungen nur zu einem geringen Maß auf die unterschiedlich hohenFremdkapitalanteile in der Finanzierung zurückgeführt werden können, sondern aufdie Inanspruchnahme von Fördermittel (z. B. sozialer Wohnungsbau) und auf steuerli-che Entlastungen (Marahrens 1988: 164). Deutlich werden in der Aufstellung ebenfallsdie erheblichen Unterschiede der monatlichen Wohnkostenbelastung in dieser Sied-lung.

Tab. 25: Vergleich Miete vorher und gesamte aktuelle monatliche BelastungOrte Gesamtmiete vorher1

(Mittelwert)aktuelle monatlicheBelastung2 (Mittelwert)

Differenz

Bergkamen 726,66 DM 1525,33 DM 798,67 DMDuisburg 907,33 DM 1385,60 DM 478,27 DMGelsenkirchen 778,33 DM 1748,33 DM 965,00 DMGladbeck 958,00 DM 1675,26 DM 717,26 DMHerten 1041,66 DM 1724,66 DM 683,54 DMLünen 1043,12 DM 1742,00 DM 698,88 DMRecklinghausen 1175,70 DM 1888,30 DM 712,60 DMDurchschnitt derProjekte

996,97 DM 1660,72 DM 663,75 DM

Abgefragt wurde die monatliche Gesamtmiete des vorherigen Wohnverhältnisses einschließlich aller Nebenkos-ten, ohne Heizkosten.2 Setzt sich zusammen aus Zinsen und Tilgung der Bankkredite, Zinsen für öffentliche Mittel, Zahlung an Ver-walter falls vorhanden, sonstige Nebenkosten (ohne Heizkosten).(Quelle: Fragebogen-Erhebung n=85, n=72)

In der Fragebogen-Untersuchung wurden die Wohnkosten vor dem Hausbau und dieaktuellen finanziellen Belastungen erhoben (vgl. Tab. 26). Bei einem Vergleich dervorherigen Wohnkosten mit den aktuellen finanziellen Belastungen der Baufamilienwird deutlich, dass die Kosten insgesamt erheblich gestiegen sind, jedoch auch dieWohnungsgröße zugenommen hat. Durchschnittlich zahlen die Baufamilien im Monat663,75 DM mehr. Die durchschnittliche Gesamtmietbelastung vor dem Hausbau zeigteine ortsspezifisch unterschiedliche Ausprägung der Mietpreise.

Die monatliche Belastung durch den Hausbau umfasst im Fragebogen die Angaben zuZinsen und Tilgung für Bankkredite, Zinsen für öffentliche Mittel, eventuelle Zahlungan Verwalter und die sonstigen Nebenkosten (ohne Heizkosten). Wirft man einenBlick auf die Verteilung der finanziellen Belastungen, so zeigt sich, dass der Hauptan-teil der Befragten (29,2%) eine monatliche finanzielle Belastung von 1.600-1.800 DMangibt (vgl. Abb. 24).

Page 239: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

230

Abb. 24: Monatliche finanzielle Belastung der Baufamilien (Angaben in DM)

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=72, 17 fehlend)

Eine Belastung über 2.200 DM pro Monat geben nur zwei Befragte (2,8%) an. Auf derGrundlage des Vergleichs der Wohnkosten vor und nach dem Hausbau lässt sich dem-nach eine deutliche Kostensteigerung feststellen. Wie schätzen nun die Baufamiliendiese erhöhte monatliche Belastung ein?

Über 75% der Befragten schätzt die mit dem Hausbau verbundene monatliche Belas-tung als tragbar (53%) bis problemlos tragbar (22,1%) ein (vgl. Abb. 25). Nur einknappes Viertel der Befragten gibt Einschränkungen an oder beschreibt die finanzielleBelastung als "an der Grenze der Belastbarkeit" (5,8%). Diese Frage sagt nicht unbe-dingt etwas über die tatsächliche finanzielle Belastung aus, sondern sie gibt die subjek-tive Einschätzung der Baufamilien wieder. Wirft man einen Blick auf das vorhandeneEigenkapital der Familien, das im Vergleich mit anderen Bauvorhaben erstaunlichniedrig liegt, erstaunt die positive Einschätzung der finanziellen Belastung, denn diemonatliche Gesamtbelastung ist im Durchschnitt der Projekte erheblich angestiegen.

8,312,5

23,6

29,2

9,7

13,91,4

1,4

0 5 10 15 20 25 30 35

1000-1200

1200-1400

1400-1600

1600-1800

1800-2000

2000-2200

2200-2400

2400-2600

Prozent

Page 240: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

231

21,6

53,4

19,3

5,7

0

10

20

30

40

50

60

problemlos tragbar tragbar mitEinschränkungen

tragbar

an der Grenze

Prozent

Abb. 25: Einschätzung der monatlichen Belastung durch den Hausbau

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)

Dieser Widerspruch in der Einschätzung der finanziellen Belastungen der Baufamilienstimmt mit den Ergebnissen der Studie von Marahrens (1988) überein. Er zeigt auf,dass die Wohnkostenbelastung durch den Hausbau deutlich gestiegen ist und dieseBelastungssteigerung in einem eklatanten Widerspruch zu der Aussage der Befragtensteht, dass ihre Wohnkostenbelastung nicht viel höher liegen würde als die bisherigeMiete. Diese zusätzlichen Belastungen werden jedoch von den Baufamilien ebenfallsals durchaus tragbar und angemessen angesehen.

In den Interviewaussagen finden sich Hinweise auf die Hintergründe der subjektivenEinschätzungen der Baufamilien hinsichtlich ihrer monatlichen Wohnkostenbelastung.Deutlich wird eine Verbindung zu den zentralen Beweggründen des Hausbaus: etwasEigenes zu haben, Miete an �sich selber� zahlen.

�Selbst wenn ich 300 Mark mehr zahle im Monat. Würde mich auch nicht belasten.Weil ich genau weiß, das ist ja für uns. Das schenk ich keinem Vermieter, der abund zu mal alle 10 Jahre eine neue Badewanne einbauen muss dafür, sondern dasist eben für uns�. (Herr Böll)

Neben der Eigentumsorientierung spielt bei der subjektiven Einschätzung der Wohn-kosten auch die Vorstellung eine Rolle, dass sich die finanziellen Belastungen mit derZeit reduzieren. Den fallenden Kosten für das eigene Haus wird ein unberechenbarerWohnungsmarkt gegenüber gestellt, in dem die Mietpreise stetig steigen.

�Natürlich ist das für uns jetzt ein größerer finanzieller Aufwand. Wir haben vor-her bezahlt 900 Mark Sozialwohnung, 900 Mark mit Garage warm, da war es jetztnatürlich eine Steigerung, und das merkt man schon an dem Portemonnaie, das istrichtig, aber auf der anderen Seite sage ich mir, ich weiß jetzt, was ich ... also beimir, bei uns sieht das so aus, mit den Jahren wird meine Belastung kleiner. Was aufdem freien Wohnungsmarkt abgeht ...� (Herr Müller)

Page 241: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

232

4.6. Finanzierung und soziale Dynamik in den InterviewsDie geschilderten finanziellen Voraussetzungen zur Beantragung der öffentlichen Mit-tel waren nicht zwingend für die Teilnahme an den Projekten. In den Projekten bautenin unterschiedlich hohen Anteilen auch Baufamilien mit, die jenseits der Einkom-mensgrenzen der öffentlichen Förderung lagen oder ausreichendes Eigenkapital mit-brachten.

Eine wesentliche Teilnahmevoraussetzung jedoch war die Bereitschaft der Baufamili-en, allein oder mit Helfern Selbsthilfe in der Gruppenmaßnahme zu erbringen. DieHöhe der zu leistenden Selbsthilfestunden ist abhängig von dem vorhandenen Ei-genkapital. Darüber hinaus war in einigen Projekten ein Mindeststundensatz vor-geben.123 Diese Stunden sollten von allen Familien geleistet werden, unabhängig vonder individuellen Finanzierung, die bei einigen Familien eine wesentlich höhere Stun-denanzahl voraussetzte. In Projekten, in denen nicht alle Häuser bereits zu Beginn derMaßnahme verkauft waren, lockerten sich die Zugangsbedingungen für die später ein-steigenden Familien. So war es dann möglich, auch eine geringere Stundenzahl als dasfestgelegte Minimum zu arbeiten etc. In einigen Fällen war es jedoch auch möglich,keine Selbsthilfe zu erbringen und diese durch Eigenkapital zu ersetzen. Dies war z. B.in Bergkamen bei einigen Familien der Fall. Auch in anderen Projekten haben einigeFamilien ihr Stundensoll nicht absolviert und das Defizit bezahlt. Abgesehen von denVorgaben der Träger hing die Anzahl der zu leistenden Selbsthilfestunden von denindividuellen finanziellen Voraussetzungen ab. Familien mit geringem Eigenkapitalleisteten in den Projekten in der Regel also deutlich mehr Selbsthilfe als Familien miteinem höheren Eigenkapitalsanteil.

Die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen der Baufamilien (und die darausresultierenden differenten monatlichen Belastungen) führten zu sozial heterogenenGruppen sowie sozialen Spannungen, die die Zusammenarbeit und die nach-barschaftlichen Kontakte maßgeblich beeinflusst haben. Diese werden von den Befrag-ten vor allem in den Interviews benannt. Im Folgenden werden die von den Interview-ten benannten Konfliktpunkte im Zusammenhang mit der aus der Finanzierung entste-henden Dynamik dargestellt.

123 In Lünen und Gelsenkirchen betrug das Stundenminimum nach Angaben der befragten Baufamilien 800Stunden, in Duisburg und Herten 1.300 Stunden.

Page 242: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

233

4.6.1. "Die Unterschiede in der Finanzierung sind Wahnsinn"Drei Faktoren spielen bei den Differenzen der monatlichen Belastung durch den Haus-bau eine Rolle: die Höhe des vorhandenen Eigenkapitals, die Anzahl der geleistetenSelbsthilfestunden, aber insbesondere die Höhe der im Rahmen des sozialen Woh-nungsbaus erhaltenen Fördermittel. Wie in Kap. 4.4 gesehen, differierte die Höhe desvorhandenen Eigenkapitals erheblich. Von wenigen tausend Mark bis zu über 100.000DM konnten die Familien als Eigenleistung einbringen. Hierzu ist anzumerken, dassdie Angaben der Baufamilien gegenüber dem Träger nicht zwangsläufig den real vor-handenen Mitteln entsprechen müssen, eine Abweichung nach oben ist möglich. EineInterviewpartnerin teilte mit, dass sie nur das für die Finanzierung notwendige Eigen-kapital angegeben habe, das darüber hinaus vorhandene Kapital "geht die nichts an".Sie verweist auf andere Familien in ihrer Siedlung, bei denen es ähnlich sei.

Auf die unterschiedlichen Regelungen bezüglich der Selbsthilfe-Stunden habe ich be-reits hingewiesen. Viele der Baufamilien haben mehr Stunden gearbeitet, als in derPlanung kalkuliert waren. Dies ist teilweise durch arbeitstechnische Notwendigkeitenbegründet. So ließen sich beispielsweise mit einem festgelegten Stundenminimum von800 Stunden pro Familie in Lünen die Häuser nicht fertig stellen. Eine Erhöhung derSelbsthilfe-Stunden erfolgte bei vielen Familien in dieser Siedlung vor dem Hinter-grund, die Häuser (schnell) fertig stellen zu wollen. Die Tätigkeiten, die von den Fami-lien nicht geleistet wurden, mussten dann von Firmen übernommen werden. Das be-deutete eine zusätzliche Belastung des engen Kostenrahmens der Projekte.

4.6.2. "Ohne Förderung unrealistisch"Die Einkommensvoraussetzungen für die Bewilligung der öffentlichen Mittel sindnach oben und unten begrenzt. Das Einkommen muss unter den vorgegebenen Gren-zen liegen, aber nach Abzug der anfallenden Belastungen noch mindestens 1.450 DMfür zwei Personen (und für jede weitere 400 DM) betragen. Die Enge des Förderungs-korridors kritisiert eine Familie als einen Nachteil der staatlichen Förderung. Die Frau,die als Krankenschwester Teilzeit berufstätig war, gab zu Beginn der Bauphase ihreBerufstätigkeit auf, damit die Familie öffentliche Mittel bekommen konnte. Die Bewil-ligung des Baudarlehens war für die Familie eine entscheidende Voraussetzung,Wohneigentum zu bilden, denn "nur mit den Stunden kommt man auch nicht weit".Allerdings wird es als schwierig beschrieben, eine Familie mit drei Kindern (und demHaus) von einem Verdienst zu unterhalten.

Ein weiterer Interviewpartner kommentiert seine Selbsthilfeleistung als allein nichtausreichend zur Finanzierung des Hausbaus:

Page 243: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

234

"...wir haben jetzt durch unsere Stundenleistung 26.000 Mark erwirtschaftet, imPrinzip nur, in Anführungsstrichen, weil wenn man jetzt sieht, die Masse für denAufwand, der erbracht werden muss, ist es nicht das Ausschlaggebende, was meineFinanzierung dann jetzt nach unten drückt." (Herr Bayer)

Das Ausschlaggebende für eine tragbare monatliche Belastung ist eine hohe staatlicheFörderung bzw. eine Kombination von Selbsthilfe und staatlicher Förderung. Es gabauch Fälle, in denen die Familien ein zu geringes monatliches Einkommen oder zuwenig Eigenkapital für die Beantragung der Förderung hatten. Einige der Familienmussten trotz der Selbsthilfeleistung bis Baubeginn noch Geld aufbringen, das als Ei-genkapital in die Finanzierung einfließen konnte. Eine Familie reduzierte beispielswei-se die monatlichen Ausgaben um den Gewerkschaftsbeitrag, damit das monatlicheEinkommen ausreichte.

"...waren wir eine von den zwei Familien, bei denen es sehr knapp war. (...) Aberdadurch waren wir einfach bis auf den letzten Pfennig wirklich ausgereizt. Und wirhatten dann wirklich noch irgendwie 20 Mark Unterdeckung, wie man das so schönnennt." (Frau Sand)

Diese Familie war darauf angewiesen, auch tatsächlich alle für die Finanzierung kalku-lierten Selbsthilfestunden zu leisten, da eine Nachfinanzierung aufgrund der schonsehr knappen Finanzlage äußerst schwierig gewesen wäre.

Als ein weiterer Kritikpunkt wird von den interviewten Familien die Berechnungs-grundlage der öffentlichen Mittel genannt. Es wird darauf hingewiesen, dass man kei-ne Fördermittel bekommen habe, da das Gehalt des Mannes � zeitweise � wegen Ü-berstunden zu hoch gelegen habe. Nun gäbe es keine Überstunden mehr, aber die mo-natlichen Belastungen seien durch die Kosten der Fremdmittel sehr hoch. Es wird kri-tisiert, dass keine Korrektur der auf der Grundlage des durch Überstunden berechnetenfinanziellen Hintergrunds erfolgt.

4.6.3. Konfliktpotential: "Zu viel Kohle"In allen Projekten sind Familien dabei, die jenseits der Einkommensgrenzen der sozia-len Förderung liegen und Familien, die unabhängig davon einen großen Eigenkapitals-anteil mit einbringen.

"Wir haben auch Leute hier, die im Grunde hier gar nichts zu suchen haben. Vonder finanziellen Seite, von der sozialen Struktur her haben die überhaupt nichts zusuchen. Weil die einfach zuviel Kohle haben." (Herr Schneider)

Die gewünschte Voraussetzung der Gemeinschaft � ähnlich finanzielle Verhältnisse -wird hier thematisiert. Im Konzept der organisierten Gruppenselbsthilfe werden andiesem Punkt die gegenseitigen Abhängigkeiten sehr deutlich. Zum einen müssen aus-reichend Leute auf der Baustelle genügend lange arbeiten, damit die Häuser fertigwerden. Wer genug Geld hat, kann die Stunden allerdings auch einfach bezahlen. Zum

Page 244: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

235

anderen sollte die Arbeit mit hoher Motivation und effektiv erfolgen, da von der Leis-tungsfähigkeit der Gruppe die Höhe des Stundenlohns aller abhängt. Wer handwerkli-che Qualifikationen oder Vorkenntnisse hat, kann schneller und produktiver arbeiten.

Die genannten Aspekte wie vorhandenes Kapital und handwerkliche Qualifikationensind bei der Betrachtung der Dynamik einer Selbsthilfegruppe von Bedeutung. Auchdie Geschlechterdimension spielte hier eine Rolle, wobei der Leistungsdruck bei bei-den Geschlechtern bestand. Unter dem Gesichtspunkt der Produktivität kritisiert einMann die Arbeit einer Reihe von Frauen in seinem Projekt.

"Fünf Frauen tragen ein Brett, was vielleicht insgesamt drei Kilo wiegt. KeinScherz. Das tragen die von hier bis da hinten, statt dass sie gleich fünf nehmen,dann hätte jeder drei Kilo, das wäre okay. (...) Das sind dann fünf Frauen, die proStunde 15 Mark kriegen, netto." (Herr Schneider).

In seiner Kritik geht es nicht um eine generelle Ablehnung der Arbeit von Frauen,sondern um die Frauen, die aus seiner Sicht nur Stunden machen wollten, nicht ernst-haft gearbeitet haben und damit den Stundenlohn für die ganze Gruppe verringern.Eben dieses Leistungsprinzip kritisiert auch ein weiterer Interviewpartner. Die Selbst-hilfestunden sollten nicht so in den Vordergrund gestellt werden.

"(...) aber die Finanzierungen sind auch so unterschiedlich, dass derjenige, dessenFinanzierung nicht so gut ist, natürlich darauf bedacht ist, dass die Arbeitsleistungder anderen natürlich auch relativ hoch ist. Damit der Stundensatz, der ja noch va-riabel ist, der ja auch noch nach oben gehen kann, da nicht auf einmal in den Kellergeht." (Herr Bayer)

Motivation und Leistungsbereitschaft der Familien werden in Relation zu dem fi-nanziellen Hintergrund gesehen. Letztlich � so wird deutlich � geht es nicht primär umden tatsächlichen finanziellen Hintergrund einer Familie, sondern um die gegenseitigeAbhängigkeit bei der Erbringung der Selbsthilfestunden und die damit verbundeneHöhe des Stundenlohns.

4.6.4. Die Vergabe der HäuserAuch die Kriterien der Häuservergabe sollten aus Sicht der Interviewten stärker ansoziale Bedingungen geknüpft sein. In einem Projekt kam es zu Problemen, als eineFamilie nach Baubeginn abgesprungen ist und das Haus neu vergeben wurde. Es warein großes Haus, d. h. geplant für eine Familie mit drei Kindern. Die nachgerückte Fa-milie hat jedoch nur zwei Kinder. Das hat unter den Nachbarn, von denen einige auf-grund von Familienzuwachs gerne das Haus gewechselt hätten, zu Unstimmigkeitengeführt. Gleichzeitig wird diese Familie von einigen Interviewten als �zu wohlhabend�für das Projekt eingeschätzt. Die Kriterien der Hausvergabe werden als nicht transpa-rent kritisiert und in Zusammenhang mit einer angenommenen besseren finanziellenSituation der Familie gebracht. Von Trägerseite wurde dagegen argumentiert, dass

Page 245: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

236

man Probleme hatte, das Haus zu verkaufen. Der Unmut in der Siedlung führte in die-sem konkreten Fall zu Beschädigungen des Hauses. Es wurden Leitungen durchschnit-ten und eine Wand eingetreten. Inwieweit dies noch auf andere Ursachen zurückzufüh-ren ist, lässt sich aus dem Interviewmaterial nicht entnehmen.

4.7. Fazit: Finanzielle Inhomogenität der Zielgruppe als KonfliktpotenzialZusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Anteil der Familien, die kein oderEigenkapital bis 10.000 DM in die Finanzierung des Hausbaus eingebracht haben, beica. einem Drittel der Baufamilien liegt. Betrachtet man die Finanzierungsstruktur derSelbsthilfeprojekte, so liegt der durchschnittliche Eigenkapitalanteil mit 9,6% eben-falls sehr niedrig. Durch den erwirtschafteten Selbsthilfeanteil von durchschnittlich9,9% steigt der gesamte Anteil der Eigenmittel auf 19,5% an. Im Vergleich zu her-kömmlichen Finanzierungen (ca. 27%) und auch zu Finanzierungen im sozialen Woh-nungsbau (21-27%) liegt der Eigenkapitalanteil in der Projektreihe �Einfach und selberbauen� damit deutlich niedriger. Insgesamt kann also davon ausgegangen werden, dassdie Zielgruppe der Familien mit geringem und mittlerem Einkommen erreicht wordenist und die Selbsthilfe in vielen Fällen den Zugang zum Wohneigentum erst ermöglich-te. Die finanzielle Ausgangssituation der Baufamilien gestaltete sich jedoch im Einzel-fall sehr unterschiedlich, und daraus resultierten ein unterschiedlich hohes Selbsthilfe-volumen und eine große Spannbreite in der monatlichen Wohnkostenbelastung.

Gemeinschaft, Zusammenarbeit auf der Baustelle, gegenseitige Unterstützung bei derErreichung eines gemeinsamen Ziels (des Hausbaus) � all dies wird immer wieder mitden finanziellen Voraussetzungen der Familien und den Rahmenbedingungen der Pro-jekte in Zusammenhang gebracht. Diese Verbindung ist nicht zufällig, schließlich han-delt es sich um ein Selbsthilfeprojekt für Schwellenhaushalte. Der Hausbau erfolgt fürviele Familien vor einer schwierigen finanziellen Ausgangssituation, die von Knapp-heit geprägt ist. Die Selbsthilfe dient dazu, das notwendige Eigenkapital zu erarbeiten,Grundstücks- und Wohnfläche der Häuser sind aus Kostenspargründen begrenzt. DieAusgangssituation ist grundsätzlich von einem Mangel (an Geld) geprägt. Durch dieorganisierte Gruppenselbsthilfe entsteht eine Situation des gegenseitig aufeinanderAngewiesenseins, eine Abhängigkeit von den anderen Baufamilien: nur zusammenkönnen sie die Häuser erstellen und den Wunsch nach dem eigenen Haus erfüllen.Diese Abhängigkeit ist in gewisser Hinsicht auch eine finanzielle Abhängigkeit. VieleFamilien sind darauf angewiesen, die Selbsthilfestunden für ihre Finanzierung zu leis-ten, die vorgesehenen Bauarbeiten auch tatsächlich auszuführen und dabei einen ak-zeptablen Stundenlohn zu erreichen. Familien, die nur Stunden �absitzen�, nicht rich-tig oder zu langsam arbeiten, können den Stundenlohn aller beteiligten Familien nachunten drücken und damit die Finanzierung gefährden. Ausschlaggebend ist dabei nicht

Page 246: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

237

in erster Linie die unterschiedliche finanzielle Belastung, sondern die Situation derKnappheit bei zugleich gegenseitiger Abhängigkeit in der Bauzeit, wo jede Störungund jedes Ungleichgewicht auch eine finanzielle und für manche Familien gar eineexistenzielle Dimension annimmt.

Interessant ist das Ergebnis zur subjektiven Einschätzung der monatlichen finanziellenBelastung durch den Hausbau. Die unterschiedlichen finanziellen Voraussetzungen derFamilien (Eigenkapital, Einkommen, Förderung) führten zu sehr unterschiedlichenBelastungen, die jedoch im Ergebnis häufig höher waren als die Wohnkostenbelastungvor dem Hausbau. Trotzdem geben viele Familien an, dass die Belastung gut oder oh-ne Probleme tragbar sei. Die Interpretation verdeutlichte, dass viele der Baufamiliendie Wohnkosten als angemessen für ein �eigenes Haus� bewerten. Für dieses �Eigene�sind sie bereit, mehr zu bezahlen und empfinden dies nicht als Einschränkung oderBelastung. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass viele Familien sich hinsicht-lich der Wohnfläche und Ausstattung (Garten) im Vergleich zur vorherigen Wohnsitu-ation verbessert haben.

5. Die Selbsthilfe-TätigkeitDurch die prekäre finanzielle Situation vieler Baufamilien ist davon auszugehen, dasseine hohe Anzahl an Selbsthilfestunden gearbeitet werden muss, um die Finanzierungzu sichern. Darüber hinaus � so ist in den Analysen der finanziell motivierten sozialenDynamiken im vorhergehenden Kapitel deutlich geworden � besteht dadurch in vielenProjekte ein hoher Leistungsdruck, durch effektive und schnelle Arbeit einen hohenStundensatz zu erwirtschaften. Der Umfang der Selbsthilfeleistungen, die erwirtschaf-tete Höhe des Stundensatzes und deren Vergütung werden daher im Folgenden anhandder IBA-Angaben dargestellt.

Bei der Betrachtung der Selbsthilfe-Tätigkeit muss differenziert werden zwischen denin der Planung vorgesehenen Selbsthilfestunden und deren Realisierung in der Bauzeit.Ein wichtiger Faktor in diesem Zusammenhang sind Helfer und Helferinnen, die dieBaufamilien unterstützen. Vor dem Hintergrund des im ersten Teil der Arbeit darge-stellten Funktionswandels der familiären und freundschaftlichen Netzwerke ist zu fra-gen, ob stabile und verlässliche Unterstützungssysteme bei den Baufamilien vorhandenwaren und ob sich diese eher aus der Familie oder dem Freundes- und Bekanntenkreiszusammensetzten.

Der Hausbau ist ein Projekt, das die ganze Familie betrifft, aber arbeitet auch die gan-ze Familie (Frauen und Männer) auf der Baustelle mit? In den Untersuchungen zurbaulichen Selbsthilfe der 80er Jahre wird eine �bauliche Abstinenz� der Frauen kons-tatiert. Demgegenüber zeigt sich in der aktuelleren Untersuchung des IRS eine gleich-

Page 247: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

238

berechtigte Arbeits(ver)teilung. Wie sieht es in den als innovativ angelegten IBA-Projekten aus? Dieser Frage wird im letzten Teil dieses Kapitels nachgegangen.

5.1. Umfang, Vergütung und zeitliche Organisation der Selbsthilfe aus derSicht der IBA

Kern der Projektidee �Einfach und selber bauen� ist der Ersatz von Eigenkapital durchden Einsatz von Selbsthilfe im Roh- und Innenausbau. Die organisierte Gruppen-selbsthilfe unterscheidet sich dabei grundlegend von Formen individueller Eigenarbeitbei der Errichtung von Eigenheimen. Im ersten Fall arbeiten die Selbsthelfer/innen imTeam an jeweils einer Häusergruppe und haben dadurch die Möglichkeit, ihren Ar-beitseinsatz zu effektiveren. Darüber hinaus übernimmt der Träger der organisiertenGruppenselbsthilfe die Gewährleistung gemäß BGB für 5 Jahre auf alle Bauleistungen,einschließlich der Selbsthilfeleistungen in diesen Baumaßnahmen. Es muss gewähr-leistet sein, dass die Baufamilien die Selbsthilfeleistung am Bau erbringen können, diezur Deckung ihrer Eigenleistung notwendig ist (Beierlorzer/Boll 1998: 62).

Der Umfang der möglichen Selbsthilfe hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab:dem Gesamtumfang der Selbsthilfe in einem spezifischen Projekt und der realistischenEinschätzung der von der einzelnen Baufamilie zu leistenden Selbsthilfestunden. Ausder Sicht der IBA besteht einerseits die Gefahr einer Überforderung der Selbsthelferund Selbsthelferinnen durch eine zu hoch geplante Stundenzahl. Dies hängt anderer-seits mit einer meist zu hohen Einschätzung der Arbeitsstunden mithelfender Freundeund Verwandte zusammen (Beierlorzer/Boll 1998: 76). In einer Gesamtbauzeit, die 15bis 18 Monate nicht überschreiten sollte, kann und sollte eine Person nach Einschät-zung der IBA nicht mehr als 800 bis 1000 Stunden im Jahr leisten (inklusive Urlaubs-zeiten als Bauzeiten). Es liegt in der Verantwortung der Baubetreuung, dass der in dieFinanzierung einfließende Gruppenselbsthilfewert auch in der baulichen Praxis ge-währleistet werden kann.

Die Selbsthilfeleistungen werden auf der Grundlage von vor Baubeginn ermitteltenKostenvoranschlägen oder anhand ortsüblicher Durchschnittspreise oder vorliegenderAusschreibungsergebnisse berechnet. Von dem so kalkulierten Wert der Eigenarbeitmüssen die Material- und Betreuungskosten abgezogen werden. Der durchschnittlicheWert einer Selbsthilfestunde ergibt sich dann im Verhältnis zu den insgesamt geleiste-ten Selbsthilfestunden über alle Gewerke und alle Selbsthelfer und Selbsthelferinnen,unabhängig von deren Qualifikation.

Die tatsächlich erwirtschaftete Höhe des Stundensatzes hängt nach Ansicht der IBAvon einer Reihe von Faktoren ab: Neben handwerklichen Fachkenntnissen und Vorer-fahrungen können Größe und Harmonie der Gruppe ausschlaggebende Faktoren sein.Darüber hinaus kann der Wert der Selbsthilfestunden von Schäden durch Vandalis-

Page 248: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

239

mus, Baufehler etc., vom Wetter, aber auch von der Baukonstruktion und der Qualitätder Anleitung und Betreuung abhängen (Beierlorzer/Boll 1998: 81). Für die Kalkulati-on wurde in den Selbsthilfe-Projekten von einem durchschnittlichen Mindeststunden-satz von 15 DM ausgegangen. Die folgende Tabelle (Tab. 27) gibt einen Überblicküber den Umfang der in organisierter Gruppenselbsthilfe (OGS) geleisteten Selbsthil-festunden im Rohbau, der Einzelselbsthilfe (ESH) der Baufamilien im Innenausbauder Häuser sowie dem tatsächlich erwirtschafteten Betrag insgesamt. Allerdings istdarauf hinzuweisen, dass es sich teilweise um geschätzte Werte bzw. um Soll-Wertehandelt.

Die Stundensätze liegen in den unterschiedlichen Projekten eng beieinander. Bergka-men hat als einziges Projekt im Durchschnitt mehr Stunden in ESH geleistet als in derOGS. Die in OGS geleisteten Stunden liegen hier mit 486 weit unter dem Durchschnittaller Projekte (1100 Stunden). Die Projekte �Einfach und selber bauen� haben durch-schnittlich etwa 29.000 DM Selbsthilfewert erwirtschaftet, dies bedeutet einen Anteilvon 12,4% der Baukosten. In Herten fällt der Anteil der Selbsthilfe an den Baukostenmit 9,8% am niedrigsten aus, in Gelsenkirchen mit 17,7% am höchsten. Es lässt sichhier ein Zusammenhang zwischen den Selbsthilfeteilen und der Bauweise vermuten.Während in Herten der Rohbau mit extern vorgefertigten Holzrahmenbauten erstelltwurde, fertigten die Familien in Gelsenkirchen vor Ort die Holzrahmen in einer �Zelt-fabrik� an (Beierlorzer/Boll 1998: 83f). Allerdings wurde diese Bauweise auch in Lü-nen angewandt, wo der Selbsthilfeanteil mit 12,8% jedoch dem Durchschnitt der Pro-jekte entspricht.

Der hier erwirtschaftete Selbsthilfewert und der Anteil an den Gesamtkosten liegt un-terhalb der Untersuchungsergebnisse der Studie des Instituts für Regionalentwicklungund Strukturplanung, die von einem durchschnittlichen Selbsthilfeanteil von 17% anden Gesamtkosten ausgeht (IRS 1998: 84).124 Die in dieser Studie erhobenen Eigenleis-tungen liegen zwischen 39.438 DM und 84.263 DM und damit deutlich höher als derSelbsthilfewert in den �Einfach und selber bauen� Projekten (24.897 DM bis 32.500DM). Der durch die Selbsthilfe erarbeitete Eigenkapitalsanteil war in vielen Fällen dieZugangsbedingung zur Wohneigentumsbildung. Ohne das erforderliche Eigenkapitalwären eine Finanzierung und damit der Hausbau nicht möglich gewesen. In den Bau-familien, in denen ausreichend Eigenkapital vorhanden war, diente die Selbsthilfe häu-fig dazu, die Ausstattung des Hauses zu erhöhen (z. B. durch den Bau eines Wintergar-tens).

124 Anteile von 30% der Gesamtkosten konnten in den Modellvorhaben in den neuen Bundesländern nur erarbei-tet werden, wenn viele Helfer und Helferinnen vorhanden waren oder die Selbsthelfer/innen über besondereQualifikationen verfügten (IRS 1998: 84).

Page 249: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

Tab.26:UmfangundVergütungderSelbsthilfeleistungennachAngabenderIBA

Bergkamen

DuisburgGelsen-

Kirchen

Glad-

beck

HertenLünen

Reckling-

hausen

Durchschnitt

allerProjekte

GSH:Arbeitsstunden(Ø)jeErwerber-

familieStd.

486

1.215

1.1601

1.4001

1.285

1.0201

1.2241

1.100

errechneterErtragderGSHjeStd.(DM)15,01

15,18

15,001

15,001

15,04

15,001

15,001

15,04

WertderGSH(Ø)jeWohneinheit(DM)7.294

18.437

17.4001

21.2501

19.482

15.300118.3601

16.790

WertderESH(Ø)jeWohneinheit(DM)17.603

10.811

12.9001

11.2501

10.400

12.300110.7051

12.280

SelbsthilfewertGesamt(DM)

24.897

29.248

30.3001

32.5001

29.882

27.600129.0651

29.070

AnteilderSelbsthilfeandenBauwerks-

kosten/Baukosten(in%)

14,9/10,8

16,8/13,119,5/17,7

115,8/12,0

112,5/9,

817,0/12,

816,9/10,9

16,2/12,4

AbgerechnetertechnischerBetreuungs-

aufwandfürOGS(DM)

2.1962

8.4803

9.6303

9.5003

8.2253

8.6703

GSH=GruppenselbsthilfeESH=Einzelselbsthilfe

OGS=OrganisierteGruppenselbsthilfe

1Wertegeschätzt(Soll-Wert);

2nurbesondereArchitektenleistungen;3einschl.PolierundBaustelleneinrichtung

(Quelle:Beierlorzer/Boll1998:80)

240

Page 250: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

241

5.2. Planung und Realisierung der Selbsthilfe � Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung

Bei der Betrachtung des abgeschlossenen Bauprozesses wird deutlich, inwieweit diePlanung und Realisierung der Selbsthilfe-Stunden übereinstimmen. In der Fragebogen-Erhebung wurde die Differenz zwischen beiden erhoben und danach gefragt, aus wel-chen Gründen die Selbsthelfer und Selbsthelferinnen möglicherweise mehr oder weni-ger gearbeitet haben als vorher geplant.

Die Frage nach der geplanten Anzahl von Selbsthilfe-Stunden wurde von 83 Familienbeantwortet.121 Vier Familien gaben an, dass sie keine Vorgabe durch die Baubetreuunghatten. Das von den Baufamilien angegebene Minimum der zu leistenden Stunden lagbei 100, das Maximum bei 2.500 Stunden.122 Über 1.500 Stunden wurde immerhinnoch von16,9% der befragten Familien angegeben (vgl. Abb. 26).

Abb. 26: Wie viele Selbsthilfe-Stunden (Rohbau und Innenausbau) sollten Sie laut Woh-nungsgesellschaft leisten?

64,8

16,9

9,6

1,22,4

32,5

3,6

22,9

0

5

10

15

20

25

30

35

bis 500 500-750 750-1000 1000-1250 1250-1500 1500-1750 1750-2000 2000-2250 über 2250

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=83, 4 keine Vorgabe, 2 fehlend)

Geht man von den oben dargestellten Annahmen der IBA aus, so liegt nur etwa einDrittel der befragten Familien mit einer geplanten Stundenzahl bis 1.000 Stunden imRahmen der von einer Person realistisch zu leistenden Arbeitsstunden. Zwei Drittel derFamilien haben im Vorfeld der Baumaßnahme deutlich mehr Selbsthilfestunden ge-

121 Im Durchschnitt aller Projekte lag die Stunden-Vorgabe zur Finanzierung bei 1.229 Stunden.122 Bei einem Drittel der Familien lag die Vorgabe durch den Bauträger zwischen 1.250 und 1.500 Stunden.

Prozent

Page 251: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

242

plant und � wie ein Blick auf die Realisierung zeigt � auch deutlich mehr Stunden tat-sächlich gearbeitet.123

Abb. 27: Geplante und gearbeitete Selbsthilfestunden

weniger Stundenals geplant;11,3%

mehr Stundenals geplant;88,8%

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=80, 9 fehlend)

Die überwiegende Mehrheit (88,8%) der Baufamilien hat nach eigenen Angaben mehrStunden als geplant gearbeitet. Nur neun Familien (11,3%) geben an, weniger Selbst-hilfe-Stunden geleistet zu haben. In Lünen und Gelsenkirchen haben alle befragtenFamilien mehr gearbeitet, in Duisburg und Gladbeck hat jeweils nur eine Familie we-niger gearbeitet. In Bergkamen haben von fünf Familien zwei weniger als geplant ge-arbeitet, in Herten zwei von sieben und in Recklinghausen drei von sieben Familien.

Da davon ausgegangen werden kann, dass im Vorfeld der Maßnahme die zur Finanzie-rung notwendigen Selbsthilfestunden zu Grunde gelegt wurden, stellt sich die Frage,warum viele der Familien mehr Stunden auf der Baustelle gearbeitet haben, als es fi-nanziell vielleicht notwendig gewesen wäre. Bei der Frage nach den Begründungen fürdie Mehrarbeit auf der Baustelle nannten die Familien an erster Stelle (51 Nennungen),dass sie sonst nicht fertig geworden wären. Die Fertigstellung der Häuser lag demnachzu einem großen Teil in der Verantwortung der Familien bzw. die Vergabe von Arbei-ten an Handwerker hätte eine Erhöhung der Kosten bedeutet, die die Familien vermei-den wollten.

123 Die Anzahl der gearbeiteten Selbsthilfestunden bewegt sich in den interviewten 27 Familien zwischen 500und 3.500 Stunden, wobei das obere und untere Extrem nur von jeweils einer Familie angeben wurde. ImMittel lagen die Selbsthilfestunden bei 1.580 Stunden.

Page 252: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

243

Die Reduzierung der finanziellen Belastung durch die Selbsthilfearbeiten steht mit 37Nennungen an zweiter Stelle. Allerdings wurden in einigen Fällen auch zusätzlicheAusstattungsmöglichkeiten durch einen erhöhten Selbsthilfeanteil finanzierbar. DieEinhaltung des Einzugstermins war für 20 weitere Familien, die bereits ihre Wohnunggekündigt hatten, ein Grund dafür, mehr Selbsthilfestunden zu arbeiten. 16 Familiengeben an, dass alle anderen auch mehr gearbeitet haben.

Abb. 28: Begründungen für zusätzliche Selbsthilfestunden: Wir haben mehr gearbeitet, (abso-lute Häufigkeiten)

14

20

51

16

37

0 10 20 30 40 50 60

sonstiges

weil wir unsere Wohnung gekündigt hatten

weil alle anderen auch mehr gearbeitet haben

weil wir damit die finanzielle Belastung senkenkonnten

weil wir sonst nicht fertig geworden wären

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=73, 16 fehlend, Mehrfachantworten)

Unter dem Punkt �Sonstiges� haben mit 14 Familien vergleichsweise viele der Befrag-ten geantwortet. Die Mehrarbeiten ergaben sich zum Teil aus der Organisation desBauvorhabens. Da in einigen Projektstandorten zu Beginn der Baumaßnahme nichtalle Häuser vergeben waren, haben die vorhandenen Familien alle Rohbauten erstelltund dabei mehr Stunden als angenommen gearbeitet. Die gegenseitige Abhängigkeitder Baufamilien wird von einigen thematisiert: �beim letzten Haus haben kaum nochBauherren geholfen� (011), �weil andere sonst nicht fertig geworden wären� (017),�weil viele ihre angegebenen Stunden nicht mehr geleistet haben� (062). Bauverzöge-rungen und der Wunsch, den Baufortschritt zu beschleunigen thematisieren zwei Fa-milien. Eine weitere unterstreicht die finanzielle Notwendigkeit, den Hausbau abzu-schließen: �weil die doppelte Belastung (Miete u. Hypothek) nicht mehr tragbar war,da wir nicht im August �98, sondern erst Februar �99 einziehen konnten� (084). DieMöglichkeit, durch Einzelselbsthilfe den Standard der Ausstattung zu erhöhen, ist beidrei Familien ein Grund zur Mehrarbeit gewesen. Damit verbunden waren für zweiFamilien Freude und Spaß an der handwerklichen Tätigkeit.

Page 253: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

244

Nur neun Familien haben angegeben, weniger als ihre geplanten Selbsthilfestundengeleistet zu haben. Dabei spielten die von mir vermuteten Gründe � Verletzungen aufder Baustelle, Bauverzögerungen und ausfallende Kinderbetreuung � nur eine margi-nale Rolle. Die Items �weil eines unserer Kinder krank wurde� und �weil einer vonuns krank wurde� sind beide mit jeweils zwei Nennungen vertreten. Unter dem Punkt�Sonstiges� haben alle neun Familien weitere Gründe angeführt. Eine Schwanger-schaft hat die Stunden einer Familie reduziert, genügend Eigenkapital war ein weitererGrund. Auf die hohe Arbeitsbelastung gehen drei der Familien ein: �berufliche Ar-beitszeit ist sehr lang� (027), �weil uns das Ende der Arbeitsbelastung wichtiger warals das restliche Geld� (031) und �weil wir uns speziell beim Innenausbau zu viel vor-genommen hatten� (085). Eine Familie leistete weniger Selbsthilfe-Stunden als ge-plant, weil sie bei der Einzelselbsthilfe keine Helfer und Helferinnen mehr hatten. Alseinen wesentlichen Grund für die Reduzierung der Selbsthilfestunden formulieren dieBaufamilien hier die Überlastung durch die Arbeitsanforderungen.

5.3. Unterstützungssysteme: Wer leistete die Selbsthilfe?Bei vielen Familien war der Einsatz von Helfern und Helferinnen eine entscheidendeVoraussetzung, die für die Finanzierung notwendigen Selbsthilfe-Stunden abzuarbei-ten. Die Unterstützung der Familien während der Bauzeit erfolgte auf unterschiedli-chen Ebenen. Ein zentraler Bereich war die Hilfe durch die Mitarbeit auf der Baustel-le. In den Projekten wurde die Mitarbeit von Helfer/innen unterschiedlich geregelt. Ineinem Projekt war beispielsweise festgelegt, dass Helfer und Helferinnen während derersten Bauphase nur in Anwesenheit der Baufamilien mitarbeiten konnten. In der Re-gel war die Mitarbeit von Helfer/innen jedoch kein Problem und wurde nicht speziellgeregelt, die von ihnen geleisteten Stunden wurden der jeweiligen Baufamilien gutge-schrieben. Als ebenso wichtig hat sich auch die Unterstützung von Helfer/innen in denBereichen der Kinderbetreuung, Mithilfe im Haushalt etc. herausgestellt, um der Fami-lie (bzw. insbesondere der Frau) den Rücken freizuhalten.

Der Einsatz von Selbsthilfe beim Hausbau ist in ländlichen Regionen weit verbreitet.Dazu zählt auch der Einsatz von gegenseitigen Hilfeleistungen innerhalb eines breitensozialen Netzes (Familie, Nachbarn, Freunde etc.). Für städtische Regionen geht manjedoch davon aus, dass sich sowohl Familien- als auch nachbarschaftliche Netzwerkeausdünnen. In diesem Zusammenhang wurde in der Erhebung die Frage verfolgt, wiesich die Helfer und Helferinnen der Baufamilien zusammensetzen. Konnten sich dieFamilien auf ein vorwiegend familiäres Netzwerk stützen oder traten andere Bindun-gen, z. B. zu Arbeitskollegen, in den Vordergrund? In der Studie von Schäfer (1986)wird die Form der Organisierten Gruppenselbsthilfe als eine Möglichkeit dargestellt,nicht vorhandene, aber für einen Bauprozess notwendige Mitarbeiter zu ersetzen. Das

Page 254: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

245

Modell der Gruppenselbsthilfe als Ersatz für einen fehlenden Helferkreis konnte in denuntersuchten Projekten jedoch nur selten festgestellt werden, die meisten der befragtenFamilien konnten auf Helfer und Helferinnen während des Bauprozesses zurückgrei-fen.

Mit 58,4% der Befragten haben mehr als die Hälfte der Baufamilien angegeben, Helferund Helferinnen bei der Organisation der Selbsthilfe-Stunden eingeplant zu haben. DerAnteil der Familien, die tatsächliche Unterstützung durch Helfer/innen hatten, liegtnoch deutlich höher.124

Tab. 27: Helfer eingeplant � tatsächliche HelferTatsächlicheHelfer

Gesamt

Ja NeinHelfer eingeplant Ja 49 3 52

Nein 20 17 37Gesamt 69 20 89(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)

Wer zählte nun zu den Helfer und Helferinnen? An erster Stelle stehen nach Angabender Baufamilien Familienangehörige (42 Nennungen), vor allem der Vater/ Schwie-gervater (38 Nennungen). Freunde und Bekannte werden 31 Fällen genannt. Entgegenmeiner Annahme, dass die Mutter/Schwiegermutter eine bedeutsame Rolle bei derKinderbetreuung übernimmt, wird sie von den Baufamilien nur mit sieben Nennungenerwähnt. Sie steht damit noch hinter den Arbeitskollegen (neun Nennungen). Zur Un-terstützung des Hausbaus wird nach den Ergebnissen der Fragebogen-Erhebung über-wiegend das familiäre Netzwerk der Familien herangezogen. Daneben nehmen Freun-de und Bekannte ebenfalls eine wesentliche Unterstützungsfunktion wahr.

Die Anzahl der von den Helfern und Helferinnen geleisteten Stunden liegt im Durch-schnitt der Projekte bei 422 Selbsthilfe-Stunden. Auf diese Frage haben nur 67 derFamilien geantwortet. Wie in den Interviews bereits deutlich wurde, könnte dies daranliegen, dass viele Familien die Anzahl der Selbsthilfe-Stunden spontan (ohne in Unter-lagen nachzusehen) nicht kennen.

124 In der Studie des IRS haben 83% der Baufamilien angegeben, mit weiteren Helfer/innen, meist Familienan-gehörigen, Freunden oder Kollegen auf der Baustelle gearbeitet zu haben: �Dabei reichte die Spanne von nureinem bis zu elf regelmäßigen Helfern, wobei in der Regel ein bis fünf Helfer zur Verfügung standen.� (IRS1998: 53)

Page 255: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

246

Abb. 29: Selbsthilfestunden der Helfer und Helferinnen (Anzahl der Nennungen)

8 8

4

12

4

2

5

15

99

0

2

4

6

8

10

12

14

16

bis 100 100-200 200-300 300-400 400-500 500-600 600-700 700-800 800-900 900-1000 über1000

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=67, 22 fehlend)

Ein deutlicher Schwerpunkt der von Helfer/innen geleisteten Selbsthilfe-Stunden liegtbis 500 Stunden. Immerhin 49 Familien geben den Anteil der von Helfer/innen geleis-teten Stunden bis 500 an. Darunter fallen bis 100 Stunden bei 15 Familien auch vieleHelfer/innen mit einem geringen Stundenpotential. Der Rest der von Helfer/innen ge-leisteten Stunden verteilt sich bis 1.000 Stunden. Zwei Familien haben angegeben,dass ihre Helfer/innen 1.714 bzw. 2.000 Stunden gearbeitet haben. Die Stundenzahlenhängen auch von der Anzahl der zur Verfügung stehenden Helfer/innen ab, die imFragebogen nicht erhoben wurden.

Auch bei dem Einsatz von Helfer und Helferinnen auf der Baustelle zeigt sich eineDifferenz zwischen Planung und Realisierung der Selbsthilfestunden.

Abb. 30: Selbsthilfeplanung der Helfer und Helferinnen (Angaben in %)

keineAngabe; 8,8

wiegeplant; 32,4

weniger alsgeplant; 19,1

mehr als geplant;39,7

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=68, 21 fehlend)

Page 256: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

247

Knapp ein Drittel der Helfer/innen hat wie geplant gearbeitet, und knapp 40% der be-fragten Familien haben angegeben, dass ihre Helfer/innen mehr als geplant gearbeitethaben. Da bei den Baufamilien knapp 90% angeben, mehr Stunden als geplant gear-beitet zu haben, lässt sich in Bezug auf den Einsatz von Helfern feststellen, dass sichdie Erhöhung der Arbeitsstunden nur zu einem Teil auf den Umfang der Helferstundenausgewirkt hat. Dies bedeutet in einem Umkehrschluss, dass die zusätzlich zur Pla-nung geleisteten Stunden von mehr als der Hälfte der Familien alleine getragen wur-den. Insgesamt haben über 70% der Befragten genauso viel oder mehr Hilfeleistungenals ursprünglich angenommen in Anspruch nehmen können. Die �Hilfebilanz� fälltdamit zunächst einmal durchaus positiv aus. Allerdings musste knapp ein Fünftel derFamilien auf Unterstützung durch Helfer/innen verzichten.

Auf die Frage, aus welchen Gründen die Helfer/innen nicht wie geplant gearbeitet ha-ben, haben 40 Familien geantwortet. Die hier genannten Gründe spiegeln im Wesentli-chen die von den Baufamilien selbst angegebenen Ursachen für die Differenzen zwi-schen Planung und Realisierung wider. Als Gründe für den fehlenden Helfereinsatzwerden schwerpunktmäßig individuelle Probleme der Helfer/innen genannt (Krank-heit, eigener Umzug, Zeitmangel), aber auch die Belastungen durch die baulicheSelbsthilfe werden hervorgehoben (�die Arbeiten waren zu anstrengend�, �Differenzenmit dem Bauleiter�, �zu große Belastung�). Eine Familie weist darauf hin, dass die fürdie Helfer/innen zu entrichtenden Versicherungsbeiträge an die Berufsgenossenschaftzu hoch gewesen seien. Damit wird ein wichtiger Kostenfaktor angesprochen, der ausder Sicht dieser Familie den Wert der Selbsthilfeleistungen der Helfer vermindert. DieKosten für die Versicherung liegen aus der Sicht dieser Baufamilie höher als der durchdie Arbeit erwirtschaftete Betrag des Helfers oder der Helferin.

5.4. Innerfamiliale Arbeitsteilung während der BauzeitAufgrund der prekären finanziellen Situation der meisten Baufamilien kam der Selbst-hilfe auf dem Bau eine besonders große Bedeutung zu. Daraus ließe sich hypothetischschließen, dass in der Familie alle verfügbaren Ressourcen für die Mitarbeit an demeigenen Haus herangezogen wurden. Auch die (Ehe-)Frau würde in dieser Perspektiveeinen Anteil der Selbsthilfestunden übernehmen. Ob dies die übliche geschlechtsspezi-fische Arbeitsteilung, die immer noch in großen Teilen besteht, außer Kraft gesetzthat, ist die Forschungsfrage, die hier verfolgt wird. Eine zentrale Frage in diesem Zu-sammenhang ist, wie der Bauprozess von der Familie organisiert wurde. Wie gestaltetesich die innerfamiliale Arbeitsteilung? Wie wurde die Mitarbeit auf der Baustelle ge-regelt? Aus Untersuchungen zur Arbeitsteilung in Partnerschaften ist bekannt, dass dieArbeiten im Haushalt noch weitgehend geschlechtsspezifisch aufgeteilt sind. Die zeit-liche Belastung von Frauen durch Erwerbsarbeit, Hausarbeit und Kinderbetreuung

Page 257: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

248

liegt nach wie vor deutlich über der Gesamtbelastung der Männer (vgl. Kap. I.2.3). Dietraditionelle Arbeits- und damit auch Rollenteilung im Haushalt wird durch Kinder i.d. R. drastisch verstärkt und dies trotz bzw. unabhängig von einer Erwerbstätigkeit derFrau (Keddi/Seidenspinner 1991: 181). Was passiert nun in einer Extremsituation wiedem Hausbau, in der alle verfügbaren Ressourcen auf ein Ziel hin gebündelt werdenmüssen? Werden dabei traditionelle Muster der Arbeitsteilung aufgebrochen und ent-wickeln sich neue egalitäre Muster partnerschaftlicher Arbeitsteilungen oder werdenim Gegenteil die traditionellen Muster in dieser stark belasteten Situation verstärkt undstabilisiert? Da ein wesentlicher Faktor der Arbeitsteilung zwischen den (Ehe-) Part-nern die Berufstätigkeit der Paare ist, wird zuerst ein Blick auf die geschlechtsspezifi-sche Verteilung der Berufstätigkeit gerichtet.

5.4.1. Berufstätigkeit der BaufamilienDie Verteilung der Berufstätigkeit der Frauen weicht in der Fragebogen-Erhebung vonden Interviewergebnissen ab, so war der Anteil der Teilzeit berufstätigen Frauen indem Interviewsample doppelt so hoch. Zwei Drittel der befragten Familien gaben inder Fragebogen-Erhebung an, dass die Frauen nicht berufstätig sind; der Anteil dernicht berufstätigen Frauen im Interviewsample fällt dagegen mit knapp über der Hälftedeutlich niedriger aus (vgl. Tab. 28).

Tab. 28: Verteilung der Berufstätigkeit in Interviews und Fragebogen-ErhebungVoll Teilzeit nicht berufstätig Gesamt

Berufstätigkeit Mann Interviews 25(92,6%)

- 2(7,4%)

27

Berufstätigkeit Mann Fragebogen-Erhebung

83(93,3%)

2(2,2,%)

4(4,5%)

89

Berufstätigkeit Frau Interviews 2(7,4%)

11(40,7%)

14(51,9%)

27

Berufstätigkeit Frau Fragebogen-Erhebung

8(9%)

18(20,2%)

63(70,8%)

89

(Quelle: Interviews n=27, Fragebogen-Erhebung n=89)

Im qualitativen Untersuchungsteil wurden 27 Familien in fünf Projekten befragt. Vonden 27 Familien waren 25 Männer voll berufstätig, zwei Männer (beide Elektriker)waren zuständig für die Familienarbeit. Bei den Frauen ist die Verteilung unterschied-lich: 14 Frauen waren nicht berufstätig und ausschließlich zuständig für die Familien-arbeit125, 13 Frauen waren berufstätig, davon zwei Frauen in Vollzeit und elf Frauen inTeilzeit. Die Erwerbstätigkeit ist zum Teil auf die staatlichen Förderbedingungen zu-rückzuführen, denn die Einkommensgrenzen des sozialen Wohnungsbaus geben einedeutliche Grenze vor, wodurch doppeltverdienende Paare aus dem Förderrahmen fal-

125 Darunter sind zwei Frauen, die zu Baubeginn ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben hatten.

Page 258: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

249

len können. Hier wird sichtbar, dass die Einkommensgrenzen gerade für teilzeitbe-schäftigte Frauen ein großes Problem darstellen. Das Abwägen der Finanzierung desHausbaus gegen die eigene Berufstätigkeit erscheint problematisch.

"...das Problem ist, um die Bauförderung zu bekommen, dürfen Sie nur ein gewis-ses Einkommen haben. Und da ich halbtags berufstätig war (...). Da lagen wir drü-ber. (...) In der heutigen Arbeitsmarktlage seinen Beruf aufzugeben, muss man sichwirklich überlegen. Wir haben hin und her gerechnet, und dann habe ich meinenBeruf aufgegeben, mit der Verpflichtung, die nächsten zwei bis drei Jahre nichtmehr dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen." (Frau Müller)

Die Erwerbstätigkeit konzentrierte sich in der Mehrzahl der Fälle auf die Männer, diedamit vorrangig für die finanzielle Absicherung der Familie zuständig waren. In zweiFamilien waren die Frauen voll berufstätig und die Männer erwerbslos bzw. zuständigfür Familienarbeit. Zu Beginn der Bauzeit veränderte sich in diesen beiden Familienallerdings die Form der Arbeitsorganisation. Die Frauen übernahmen die Familienar-beit (aufgrund von Schwangerschaft und Arbeitslosigkeit) und die Männer die Bauar-beit; sie arbeiteten quasi "Vollzeit" auf der Baustelle.

5.4.2. Innerfamiliare Arbeitsteilung während der BauzeitIn der Fragebogen-Erhebung wurden dazu zwei Punkte erhoben: die Mitarbeit auf derBaustelle und die Arbeitsteilung in der Familie während der Bauzeit. Die Mitarbeit dererwachsenen Mitglieder der Baufamilien auf der Baustelle gestaltete sich unterschied-lich. Es zeichnen sich jedoch klare Tendenzen bei der Aufteilung der Selbsthilfe-Arbeit innerhalb der Familien ab. Der größte Anteil der Familien (48,5%) gibt an, dassnur der Mann auf der Baustelle gearbeitet hat. In 43,8 % der Familien haben beide aufder Baustelle gearbeitet, der Mann jedoch den größeren Anteil der Stunden geleistet.Nur 6,8% der Familien gibt an, dass die Selbsthilfestunden von beiden gleich erbrachtwurden (vgl. Abb. 31).

Abb. 31: Arbeitsteilung während der Bauzeit: Mitarbeit auf der Baustelle

43,8

1,1

0

6,8

48,3

0 10 20 30 40 50 60

wir haben beide am Bau mitgearbeitet, aber meinMann/Partner hat mehr Stunden gearbeitet

wir haben beide am Bau mitgearbeitet, aber meineFrau/Partnerin hat mehr Stunden gearbeitet

wir haben beide etwa gleich viel am Bau gearbeitet

nur mein Mann/Partner hat am Bau gearbeitet

nur meine Frau/Partnerin hat am Bau gearbeitet

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)

Page 259: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

250

Von einer �baulichen Abstinenz� der Frauen, wie sie in Studien der 1980er Jahre pos-tuliert wurde, kann auf der Grundlage der Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung nichtmehr gesprochen werden. So haben mehr als die Hälfte der befragten Frauen in unter-schiedlicher Intensität auf der Baustelle mitgearbeitet. Wirft man jedoch einen Blickauf den Anteil der Frauen an den Selbsthilfestunden, so differenziert sich der Umfangder Mitarbeit deutlich geschlechtsspezifisch.

Abb. 32: Arbeitsaufteilung während der Bauzeit: Allgemeine Aufgaben (Angaben in %)

0 0

40,9

0

42,5

1,15,6

0

84,7

13,5

24,723 22,7

86,5

36

25,3

12,4

2533,7

86,5

7,1 9,28,211,4

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

Kinderbetreuung

Arbeiten imHaushalt

Behördengänge

Schriftverkehr

Koordinationsaufgaben

Bodenbelägeetc.

Frau Mann gemeinsam andere Personen

(Quelle: Fragebogen-Erhebung n=89)

Kinderbetreuung und die Arbeit im Haushalt sind während der Bauzeit eindeutig dieAufgabe der Frau. Das Aussuchen von Material und Ausstattung für das neue Hauswird in der Mehrzahl der befragten Familien gemeinsam erledigt. Auch die notwendi-gen Behördengänge werden hauptsächlich gemeinsam bewältigt. Der mit dem Baupro-zess verbundene Schriftverkehr und deutlicher noch die Koordinationsaufgaben sindhingegen Aufgabe des Mannes. Allerdings ist die Aufgabenverteilung hier nicht sostark ausgeprägt wie bei den �Frauendomänen� Kinderbetreuung und Hausarbeit.

Betrachtet man die Interviews hinsichtlich der Arbeitsteilung auf der Baustelle, ergibtsich ein ähnliches Bild. So haben alle befragten Männer Selbsthilfestunden auf derBaustelle geleistet, jedoch nur 15 der befragten Frauen, immerhin über die Hälfte der

Page 260: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

251

Befragten. Wirft man einen genaueren Blick auf Art und Umfang der Frauenarbeit aufder Baustelle, lässt sich diese in drei Kategorien differenzieren: volle Mitarbeit, teil-weise Mitarbeit und keine Mitarbeit. In 12 Familien haben die Frauen nicht auf derBaustelle mitgearbeitet. Von den 15 mitarbeitenden Frauen leisteten sechs Frauen inetwa gleich viel Arbeit wie ihr Partner. Neun Frauen arbeiteten nach eigenen Aussagenteilweise auf dem Bau mit. Dieses bedeutet, dass die Frauen hauptsächlich samstags,gegen Ende der Bauzeit und im Innenausbau tätig waren. Die geleisteten Arbeitsstun-den variieren bei dieser Gruppe stark.

Je nach Blickwinkel ist dies nun unterschiedlich zu bewerten: Nimmt man die beidenersten Kategorien (volle und teilweise Mitarbeit) zusammen, so haben mehr als dieHälfte der Frauen auf der Baustelle mitgearbeitet. Jedoch haben, unabhängig von derkonkreten Mitarbeit auf dem Bau, alle beteiligten Frauen eine Vielzahl von Arbeitenerledigt, ohne die der Bauprozess nicht möglich gewesen wäre. Hierunter fallen bei-spielsweise auch Arbeiten wie der Schriftverkehr oder die Vorbereitung des Innenaus-baus. Es geht mir hier jedoch vorrangig darum, einen Blick auf die Baustelle zu wer-fen. Wovon hängt nun die Mitarbeit auf der Baustelle ab? Es liegt nahe, die Antwort inder Berufstätigkeit und in der Anzahl der Kinder zu suchen.

Von den sechs Frauen, die voll auf dem Bau mitgearbeitet haben, waren fünf nichtberufstätig und eine Frau seit zwei Jahren als Aushilfe tätig. Vier der Frauen haben einKind (im Alter zwischen fünf und zehn Jahren), eine Frau hat zwei Kinder (neun undzwölf Jahre) und eine Frau hat drei Kinder (sieben, elf und fünfzehn Jahre). Bei denFamilien mit mehr als einem Kind sind die Kinder im schulpflichtigen Alter. Von denneun Frauen, die teilweise auf dem Bau mitgearbeitet haben, sind sieben Frauen Teil-zeit berufstätig und nur zwei nicht berufstätig. Dies zeigt, dass Berufstätigkeit an sichkein Hindernis für die Mitarbeit auf dem Bau darstellt. Sicher bietet eine Teilzeitbe-schäftigung bessere Voraussetzungen als eine Vollzeitstelle, da die Verantwortung fürHaushalt und Kinder nach wie vor schwerpunktmäßig bei den Frauen liegt.

Von den zwölf Frauen, die nicht auf der Baustelle mitgearbeitet haben, waren achtnicht berufstätig und vier Frauen Teilzeit berufstätig. Sieben Familien haben zweiKinder, drei Familien haben drei Kinder, jeweils eine Familie hat eins bzw. vier Kin-der. Sehen wir oben, dass die volle Mitarbeit der Frauen während der Bauzeit schonmit der Berufstätigkeit zusammenhing (die Mehrzahl der Frauen ist nicht berufstätig),so wird an den Familien mit strikter Arbeitsteilung deutlich, dass die Berufstätigkeitder Frau und auch die Kinderanzahl an sich nicht die entscheidenden Faktoren waren,von denen die Mitarbeit dieser Frauen auf der Baustelle abhing. Denn obwohl in dieserGruppe zwei Drittel der Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgingen, waren sie währendder Bauzeit eindeutig zuständig für die Organisation der Familienarbeit. Ich vermute

Page 261: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

252

daher, dass zwei wesentliche Faktoren bei der Organisation der Arbeitsteilung eineRolle spielen: Zum einen die Frage nach dem Alter der Kinder126 und der Kinder-betreuung, zum anderen eine bewusste Entscheidung für diese Arbeitsteilung, auchwenn es vielleicht anders möglich gewesen wäre. Als Gründe für diese Entscheidungist eine schon vorher vorhandene strikte Arbeitsteilung denkbar, vielleicht auch eineDistanz der Frauen zu der beim Bau eines Hauses notwendigen Art der Arbeit.

5.4.3. KinderbetreuungDie zuverlässige Versorgung der Kinder während der Bauzeit ist eine zentrale Voraus-setzung für die Mitarbeit der Frauen auf der Baustelle. Die Kinderbetreuung währendder Bauzeit lag in der Verantwortung der Baufamilien. So organisierten bis auf einenTräger (in der Regel Wohnungsbaugesellschaften) die Projekte keine gemeinsameKinderbetreuung. Eine Ausnahme stellte eine Wohnungsbaugesellschaft dar, die inZusammenarbeit mit einem Verein (ProKids) samstags eine Kinderbetreuung anbot,was nach den Aussagen der Interviewten eine Doppelfunktion erfüllen sollte: die Mög-lichkeit des Kennenlernens der Frauen (und Kinder) sowie das Angebot einer Kinder-betreuung, um den Frauen zu ermöglichen, samstags auf der Baustelle mitzuarbeiten.Das Angebot der Kinderbetreuung sahen alle als eine sehr wichtige Hilfestellung an.Allerdings beschrieben die befragten Frauen die Betreuung als nicht ausreichend. Soreichte die Anzahl der Betreuungskräfte für eine eigenständige Betreuung nicht aus.Die Mütter konnten ihre Kinder nicht einfach in der Betreuung lassen und auf die Bau-stelle gehen, waren also nicht wirklich freigestellt von der Kinderbetreuung. In dieserHinsicht wurden die Treffen als unzureichend charakterisiert.

Je nach Alter der Kinder waren zum einen öffentliche Einrichtungen (Schule, Tages-stätten etc.) und zum anderen insbesondere Familienmitglieder (Großeltern, Schwes-tern etc.) bei der Betreuung der Kinder von entscheidender Bedeutung. Waren dieKinder regelmäßig und verlässlich untergebracht, nutzten einige Frauen diese Zeit, umauf der Baustelle zu arbeiten. In der Rohbauphase wurde die Baustelle für Kinder alszu gefährlich beschrieben. Die Kinder wurden also nicht mit auf die Baustelle ge-nommen. Dies veränderte sich vielfach im Innenausbau: Einige Frauen beschreiben,dass sie im Innenausbau mitarbeiten konnten, da die Kinder mit im neuen Haus waren.

"Wir hatten auch schon zwei Frauen dabei, die mitgebaut haben, die es aber reinvom Beruflichen und von den Kindern her konnten. Das ist ja das Problem dabeigewesen. Hier sind ja fast nur junge Familien mit kleinen Kindern, und wer danicht die Möglichkeit hat, sein Kind abzugeben, der muss halt zusehen, wie er das

126 In den zwölf Familien waren in acht Fällen ein oder mehrere Kinder unter sechs Jahre alt. In fünf Fällenwaren ein oder mehrere Kinder jünger als drei Jahre.

Page 262: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

253

anders organisiert. Da bleibt meistens bei den Rohbauarbeiten dann die Frau zuHause." (Frau Meyer)

5.4.4. Vor- und Nachteile der ArbeitsteilungenDie Extremsituation "Bauen" führt zu unterschiedlichen Modellen der Arbeitsteilungund auch zu unterschiedlicher Zufriedenheit mit diesen Modellen. Wurde vor Beginnder Bauzeit eine traditionelle Arbeitsteilung in der Familie praktiziert, hing es ent-scheidend von äußeren Faktoren ab, ob diese traditionelle Arbeitsteilung auch währendder Bauzeit beibehalten wurde. Die äußeren Faktoren betreffen die Anzahl der zu leis-tenden Selbsthilfestunden und die Möglichkeiten, Hilfeleistungen von Familienange-hörigen, Freunden und Bekannten in die Kalkulation einzubeziehen. Waren die Rah-menbedingungen günstig, d. h., konnte es der Mann (mit Hilfe anderer) vorrangig al-leine schaffen, die Selbsthilfestunden abzuarbeiten, wurde die traditionelle Arbeitstei-lung in vielen Fällen beibehalten. Als Begründung dafür nannten die Befragten denWunsch nach Aufrechterhaltung der familiären Normalität bzw. Stabilität durch eingeregeltes Familienleben während der Bauzeit. Sie wollten während der Bauzeit einen"Ruhepol" aufrechterhalten, insbesondere für die Kinder.

Waren die finanziellen und anderen Voraussetzungen nicht so günstig, löste sich dastraditionelle Muster mehr und mehr auf, da eine Person nicht in der Lage war, alleindie notwendigen Selbsthilfestunden abzuarbeiten. Waren zudem keine oder nur wenigeHelfer und Helferinnen vorhanden, übernahmen die Frauen einen großen Anteil derSelbsthilfestunden auf dem Bau. Voraussetzung war hier die Unterbringung der Kin-der. Diese Form der Arbeitsteilung ergab sich jedoch klar aus der finanziellen Not-wendigkeit bzw. aus dem massiven finanziellen und damit existenziellen Druck. EineFrau drückt es so aus: "Alleine hätte er die Stunden nicht geschafft. Wir hatten keineHilfe, wir haben die Stunden ganz alleine gemacht." (Frau Weber) Dieses Arbeitsmus-ter folgte dann der eingangs dargestellten Extremsituation, in der traditionelle Musteraußer Kraft gesetzt werden und alle verfügbaren (Arbeits-)Kräfte auf das Ziel desHausbaus konzentriert werden. Dies scheint jedoch nur im Falle absoluter finanziellerNotwendigkeit der Fall gewesen zu sein. Wie sieht es nun bei den Familien mit ande-ren Modellen der Arbeitsteilung aus?

Zwei Interviewpartnerinnen formulieren eine vor der Bauzeit gleichberechtigte Rol-lenverteilung. Durch den Hausbau seien die Frauen in die Hausfrauenrolle gegangenoder auch gedrängt worden. Die Bewertung dieser "erzwungenen" Arbeitsteilung wäh-rend des Hausbaus erfolgte in den Familien insbesondere auf Seiten der Frauen aufunterschiedliche Weise. Einerseits bildete sich ein Modell der "pragmatischen Akzep-tanz" heraus, in dem die Haus-, Berufs- und Bauarbeit pragmatisch nach Machbarkeitzwischen den Partnern verteilt wird. Daraus resultiert die Zuständigkeit der Frauen für

Page 263: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

254

Hausarbeit, Kinderversorgung, teilweise auch Teilzeitberufstätigkeit und bestimmteTätigkeitsbereiche im Kontext des Hausbaus, und die Zuständigkeit der Männer für die(Vollzeit-) Berufsarbeit und die Arbeit auf der Baustelle (Selbsthilfestunden). In die-sem Modell wird eine Person (in der Regel der Mann) für die Zeit des Hausbaus vonden Tätigkeiten im Reproduktionsbereich vollständig freigestellt, um den massivenAnforderungen der Selbsthilfe zusätzlich zur normalen Berufstätigkeit gewachsen zusein. Dieses Modell wird rein pragmatisch bewertet, da diese Form der Arbeitsteilungfür beide Partner notwendig erscheint, um die gestiegenen Arbeitsanforderungen zubewältigen. Gleichzeitig wird dieser Zustand als temporäre Ausnahme wahrgenommenund es kann nach Beendigung des Hausbaus wieder zu einer anderen Form der Ar-beitsteilung zurückgekehrt werden.

Interessant erscheint mir, dass diese Form der Arbeitsteilung auch von zwei Familienpraktiziert wurde, deren Frauen vor Beginn der Bauzeit Vollzeit berufstätig und derenMänner für Haushalt und Kinder zuständig waren. An der Reaktion der befragtenFrauen wird deutlich, dass es sich auch hier um eine pragmatische Lösung handelt;beide Frauen sahen die Arbeitsteilung während der Bauzeit nicht als etwas Problemati-sches an. Allerdings waren sie nach wie vor für die finanzielle Versorgung der Familiezuständig (Arbeitslosengeld und Schwangerschaft). Die zu Beginn der Bauzeit arbeits-losen Männer übernahmen den Hausbau quasi als Vollzeiterwerbstätigkeit. Bei diesenFrauen ist kein Interesse an einer Mitarbeit auf der Baustelle festzustellen, sie über-nahmen den Reproduktionsbereich. Diese besondere Form der Arbeitsorganisationwährend der Bauzeit wurde sicherlich dadurch begünstigt, dass die beiden Männereine handwerkliche Ausbildung hatten und ihre Kompetenzen somit in besondererForm in die Arbeit auf der Baustelle einbringen konnten. Beide erarbeiteten eine großeAnzahl Selbsthilfestunden und trugen somit maßgeblich zur Finanzierung bei. DieReifizierung von bisher geübter Praxis stellt einen Sonderfall im "pragmatischen Mo-dell" dar.

Neben der Bewertung als "pragmatische Akzeptanz" machten einige Familien deut-lich, dass sie unter der traditionellen Arbeitsteilung auch gelitten haben. Die Einschät-zung dieser Form der Arbeitsteilung ist negativ geprägt, man kann von einer "erzwun-genen Arbeitsteilung" sprechen. "Man ist einfach durch diese Phase so extrem in dieseRollenspezifika gedrängt worden. Ob man es wollte oder nicht." (Frau Thomas) Dieseswurde gerade bei Familien thematisiert, deren familiäre Arbeitsorganisation vor Be-ginn der Bauzeit als gleichberechtigt charakterisiert wurde. Wenn eine strikte Arbeits-teilung zwischen den Partnern besteht, kann man von zwei unterschiedlichen Partssprechen, die sie in der Bauzeit einnehmen. Dies kann dazu führen, dass ein Austausch

Page 264: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

255

über die jeweilige Situation (auf dem Bau oder zu Hause) nicht mehr möglich ist.Auch eine Änderung der Arbeitsteilung erscheint unmöglich.

"Mittlerweile sehe ich das mit Humor und denke, mein Gott, ich hatte auch so ge-nug zu tun, aber weil wir dadurch in das typische Klischee rein geraten sind. Daswar dann auch gar nicht möglich, weil ich gar nicht den Ablauf kannte, mal zu sa-gen, weißt Du was, jetzt bleibst du mal einen Tag bei den Kindern, ich geh mal.Und das hätte ich persönlich mir manchmal gewünscht. Komm, lass mich lieber diePlatten an die Wand schrauben und mal einen kinderfreien Tag machen." (FrauThomas)

Durch die Form der Arbeitsteilung bildete sich eine Routine heraus, die einen Rollen-tausch erschwerte bzw. aus der Sicht der Beteiligten unmöglich machte. Die Rollen-trennung wurde so über die Bauzeit hinweg zementiert und von dieser Familie als be-lastend empfunden.

Einige Familien beschrieben die durch die Extremsituation Hausbau "erzwungene"traditionelle Arbeitsteilung als einschränkend. Insbesondere der Zusammenhalt derFamilie bzw. die Einschränkung der Kontaktmöglichkeiten der Väter zu ihren Kindernwurde bei dieser Form der Arbeitsteilung als ein schwerwiegendes Problem geschil-dert.

"Und von daher war es dann für uns blöd an der Stelle, dass ja eine absolute Tren-nung war zwischen Familie und Haus. Also, die Kinder haben ganz oft gesagt, derPapa baut sein Haus, und wir haben den also gar nicht gesehen." (Frau Thomas)

Aus der Sicht der Kinder wird der Hausbau hier vollständig mit dem Vater identifi-ziert. Weder die Mutter noch die Kinder hatten in dieser Familie einen Anteil am Bau-prozess.

Die Fragebogen-Erhebung bestätigt diese Einschätzung im Hinblick auf die Zeitprob-lematik (vgl. Abb. 33). Während der Bauzeit � so geben 52,3% der Familien an � warhäufig keine Zeit, um sich mit der Familie und den Kindern zu beschäftigen; bei12,8% der Befragten war sehr häufig/immer keine Zeit für die Familie. Bei der detail-lierten Frage nach der Zeit, die die Väter mit ihren Kindern während der Bauzeitverbringen konnten, zeigt sich eine Polarisierung der Antworten. Die Extreme �nie�und �sehr häufig� wurden mit jeweils 7,1% angegeben; die restlichen Antworten ver-teilen sich mit je 42,9% auf �selten� und �häufig� keine Zeit für die Kinder.

Page 265: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

256

Abb. 33: Situation der Kinder während der Bauzeit

4,7 7,1

30,2

42,9

52,3

42,9

12,8 7,1

0%

20%

40%

60%

80%

100%

blieb keine Zeit für Kinder und dieFamilie

sahen die Väter ihre Kinder fast nichtmehr

nie selten häufig immer/sehr häufig

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=86, n=84)

Bei vielen Familien existierten jedoch Mischformen der Arbeitsteilung. Einige Frauenwaren Teilzeit berufstätig und haben besondere Muster innerfamilialer Arbeitsteilunggefunden. Sie trugen diese Mischformen auch in die Arbeit auf der Baustelle (bei-spielsweise Mitarbeit auf der Baustelle vormittags, wenn die Kinder in der Schule/imKindergarten waren oder Mitarbeit am Samstag). Als Vorteil wurde hier gesehen, dassman selber am Hausbau mitwirken kann, also an einer wichtigen biographischen Stati-on auch aktiv vor Ort beteiligt ist. Die Familie ist in diesen Mischformen mehr in dieBauarbeiten mit einbezogen. Eine Entfremdung zwischen zwei Welten, wie sie obenbeschrieben wurde, entsteht hier nicht (oder nicht in diesem Ausmaß). Allerdings sindauch hier die Finanzierungsnotwendigkeiten die Grenze der "angenehmen" Mitarbeit.Sobald nicht ausreichend Helfer und Helferinnen vorhanden sind, müssen die Kinderabgegeben werden, damit die Frauen auf der Baustelle mitarbeiten können. Wenn die-se Mitarbeit ein bestimmtes Maß überschreitet, wird sie in ihren Auswirkungen alsnegativ für die Kinder angesehen und daher nur aus finanzieller Notwendigkeit herausakzeptiert.

Page 266: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

257

5.4.5. Das war eine Baustelle für Männer�� Zur Konstruktion von Ausschlussmechanismen

Die Mitarbeit der Frauen auf der Baustelle hängt � so wurde in den vorhergehendenAbschnitten deutlich � von der allgemeinen Arbeitsteilung in der Familie und denMöglichkeiten der Kinderbetreuung ab. Allerdings lassen sich in den Interviewaussa-gen auch Hinweise für einen Ausschluss der Frauen von der Selbsthilfe auf der Bau-stelle durch die Organisation finden. In der Konstruktion von Mechanismen, die Frau-en von einer direkten Mitarbeit am Bau ausschließen, spielen verschiedene Faktoreneine Rolle. Die Arbeit auf der Baustelle scheint nach wie vor ein männerdominierterBereich zu sein, dies gilt in besonderer Weise für die Rohbauarbeiten.

Ein wesentlicher Einflussfaktor auf die Art der Arbeitsgestaltung auf der Baustelle wardie Organisation der Baustelle durch den Träger der Baumaßnahme und seinen Vertre-ter vor Ort, den Polier. Von Trägerseite wurde durchgängig angemerkt, dass Frauenvon der Arbeit auf dem Bau keinesfalls ausgeschlossen waren, die Träger folgern, dassdies wohl eher eine Entscheidung der Frauen gewesen sei. Allerdings war die Situationauf dem Bau aus der Sicht der befragten Frauen eine andere: Der Rohbauprozess (Bo-denarbeiten, Betonieren, Mauern etc.) wurde eindeutig und ausschließlich als Männer-arbeit verstanden. Zugleich verliefen die Ausschlussprozesse und -mechanismen inden Selbsthilfe-Projekten auch unterschiedlich. So war die Mitarbeit von Frauen inzwei Projekten auch in der Rohbauphase selbstverständlich, in den drei anderen Pro-jekten waren Frauen anscheinend ebenso selbstverständlich vom Rohbau ausgeschlos-sen. In der Wahrnehmung der interviewten Frauen äußerte sich das folgendermaßen:

"Es hieß zuerst, Frauen sollten nicht beim Mauern helfen." (Frau Meyer)"Nein, für Frauen war Arbeit verboten." (Frau Markus)"...und ich hatte so die Illusion, dass ich selber auch mit Hand anlegen kann. Undauch was machen kann, und das war im Grunde gar nicht bezweckt. Das war eineBaustelle für Männer bis zu dem Zeitpunkt, wo es um das Streichen der Außenfas-sade ging, weil da wohl die Männer zu wenig Lust hatten." (Frau Thomas)

Beim Innenausbau änderte sich dies vielfach. Da waren Frauen deutlicher an den Ar-beiten beteiligt. Meiner Ansicht nach wird gerade in diesen widersprüchlichen Wahr-nehmungen der Betreuungsunternehmen auf der einen Seite und der Frauen auf deranderen Seite ein Konstruktionsprozess deutlich, in dem Geschlecht für den Baupro-zess Bedeutung zugewiesen wird. In den offiziellen Rahmenbedingungen der Selbst-hilfeprojekte war die Mitarbeit von Frauen nach Angaben der Träger vorgesehen (Ex-pertengespräche). Die Organisation der Baustelle erfolgte jedoch vor Ort durch denPolier, einen Bauhandwerker, der in einigen Projekten selbstverständlich davon aus-ging, dass Frauen am Rohbau nicht beteiligt sind. Dies verweist auf das Vorhanden-sein latenter Geschlechternormen im Baugewerbe, die zwar in einigen Projekten auch

Page 267: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

258

in der Rohbauphase außer Kraft gesetzt werden konnten, aber in den restlichen Projek-ten Frauen durch die Gestaltung der Arbeitsbedingungen effektiv von den Rohbauar-beiten ausschloss.

5.4.6. Schlussfolgerungen: Die Stabilisierung traditioneller Arbeitsteilung?Es lässt sich feststellen, dass die Ausnahmesituation Hausbau eine extreme Form derArbeitsteilung in der Familie hervorrufen kann und traditionelle Rollenklischees ver-stärkt werden können. Diese Form der Arbeitsteilung erscheint in fast der Hälfte derbefragten Familien als die einzige Möglichkeit, den Bauprozess sinnvoll zu organisie-ren und zu bewältigen.

Problematisch erscheint daran, dass der Hausbau ein wichtiges biographisches Ereig-nis darstellt, das getragen ist von vielen positiven Erlebnissen und dem Stolz, "etwasgeschafft zu haben". Von diesen Erfahrungen sind einige Frauen aufgrund der extre-men Form der Arbeitsteilung ausgeschlossen. Auch die Identifikation mit dem Projekt,der Einbezug in die (Bau-)Gemeinschaft, der durch die gemeinsame Arbeit gefördertwird, kann von vielen Frauen erst nach dem Einzug nachgeholt werden. Die extremeTrennung in die zwei Welten Hausbau und Familie kann zu Entfremdung zwischen(Ehe-) Partnern und zwischen Vätern und Kindern führen.

Deutlich wird jedoch auch, dass einige Familien ihre eher egalitär ausgerichteten Mus-ter der innerfamilialen Arbeitsteilung auf den Bauprozess übertragen konnten. Durchgünstige (finanzielle) Ausgangsbedingungen, eine starke Unterstützung durch Famili-enangehörige bei der Arbeit auf der Baustelle oder bei der Kinderbetreuung war eseinigen Frauen möglich, voll oder teilweise auf der Baustelle mitzuarbeiten. Wesent-lich waren dabei auch die Rahmenbedingungen der Organisation der Baustelle und dieEinstellung des Baustellenleiters in dem jeweiligen Projekt, damit die Frauen ihre Ar-beitsleistungen bereits im Rohbau mit einbringen konnten.

In Bezug auf die in der IBA-Projektreihe avisierte Zielgruppe � junge Familien mitKindern � ist die Bauphase nicht optimal geregelt. Die Zuständigkeit für die Betreuungvon Kindern bleibt in der Verantwortung der Familie, die zusätzlich zur Erwerbstätig-keit und zur Arbeit auf der Baustelle auch die Kinderbetreuung regeln muss. Die Fami-lienphase wird damit in der Organisation der Baustelle (der Selbsthilfeprojekte allge-mein) nicht berücksichtigt, obwohl gerade junge Familien mit Kindern die zentraleZielgruppe der IBA-Projektreihe darstellten. Die in der Literatur angesprochene Mög-lichkeit, dass in der Gruppe der Baufamilien eine gemeinsame Kinderbetreuung orga-nisiert und diese Betreuungsarbeit auch als �Selbsthilfestunden� gezählt wird, kammeiner Kenntnis nach in keinem der Projekte vor. In den Interviews wurde vereinzeltgegenseitige Unterstützung angesprochen, aber keine organisierte Hilfestellung.

Page 268: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

259

Diese mangelnde Aufmerksamkeit ist meines Erachtens vor dem Hintergrund zweierAspekte zu betrachten. Bauarbeit ist � zumindest in der Rohbauphase � immer nochMännerarbeit. Die Mitarbeit der Frauen auf der Selbsthilfebaustelle war nicht in allenProjekten erwünscht bzw. selbstverständlich. Darüber hinaus kostet KinderbetreuungGeld, eine äußerst knappe Ressource gerade in diesen Projekten.

6. (Arbeits-)Belastung � Wie wird die Selbsthilfe reflektiert?Im vorherigen Kapitel wurde der teilweise sehr große Arbeitsaufwand in den Selbsthil-feprojekten deutlich. Die Bauzeit lässt sich auf dieser Grundlage als eine Zeit extremerBelastung für die Baufamilien charakterisieren. Die Initiatoren der Selbsthilfeprojektethematisieren dies im Zusammenhang mit den Anforderungen der am Bauprozess be-teiligten Akteure: Die Selbsthelfer und Selbsthelferinnen sollten über �ausreichendverfügbare regelmäßige Freizeit und Unterstützung im Privatbereich während derBauzeit� und �Belastbarkeit (physisch/psychisch durch Doppelbelastung)� verfügen(Beierlorzer/Boll 1998: 66).

In den Studien zur baulichen Selbsthilfe werden unter dem Aspekt der Belastung derenorme Zeitaufwand sowie der körperliche Einsatz hervorgehoben. Aus den zeitlichenBelastungen können sich Konfliktsituationen in den Bereichen Freizeit/soziale Kon-takte und Familie ergeben. Die schwere körperliche Bauarbeit wird von den befragtenFamilien sehr unterschiedlich eingeschätzt; die Umstände des Hausbaus mit demZwang zum Bauerfolg können jedoch auch � wie Schäfer herausgefunden hat - zu ei-ner Verleugnung möglicher gesundheitlicher Schäden führen (Schäfer 1986: 137). Dieempirische Erhebung der Belastung wird in der Forschungsliteratur durchgängig alsproblematisch charakterisiert. Da der Einsatz von Selbsthilfe in vielen der hier unter-suchten Fällen unabdingbare Voraussetzung für den Hausbau ist, scheint ein kritischerBlick aus der Sicht der Baufamilien auf deren Belastung nur schwer möglich.

Um einen genauen Eindruck der Arbeitsbelastung zu erhalten, wurden in den Inter-views und der Fragebogen-Erhebung verschiedene Belastungsfaktoren erfragt. Darun-ter fallen zum einen die zeitlichen und körperlichen Belastungsmomente durch dieSelbsthilfetätigkeit, aber auch die von den Baufamilien darüber hinaus benanntenStressfaktoren. Es wird die Frage verfolgt, welche Dimensionen von den Baufamilienim Zusammenhang mit Stress thematisiert werden und wie diese vor dem Erfahrungs-hintergrund der Familien zustande kommen. Ebenfalls in den Blick genommen werdenmögliche (durch die Belastung entstandene) Konfliktsituationen auf der Baustelle undin der Familie. Neben einer detaillierten Darstellung der oben genannten Stressfakto-ren liegt ein weiterer Schwerpunkt der Analyse auf der Frage, wie die durch Hausbauund Selbsthilfe verursachten Belastungen minimiert werden können.

Page 269: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

260

6.1. Allgemeine Einschätzung - War die Bauzeit stressig?Ausgehend von der in der Literatur vertretenen Annahme, dass die Bauzeit ge-schlechtsspezifisch unterschiedlich wahrgenommen wird (vgl. Marahrens 1988), wur-de in den Interviews und der Fragebogen-Erhebung die Einschätzung von Männernund Frauen getrennt erhoben. Diese Annahme hat sich jedoch in der Fragebogen-Erhebung nicht bestätigt, denn beide (Ehe-)Partner bezeichnen die Bauzeit gleicher-maßen als eine �stressige Zeit�.

Abb. 34: Einschätzung der Bauzeit (Angaben in %)

0 05,7

94,3

0

10

20

30

40

50

60

70

80

90

100

die Bauzeit war für unsbeide stressig

die Bauzeit war nur fürden Mann stressig

die Bauzeit war nur für dieFrau stressig

die Bauzeit war nichtstressig

Prozent

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)

Im Gegensatz zu den Ergebnissen der Fragebogen-Erhebung werden in einigen Inter-views geschlechtsspezifisch unterschiedliche Einschätzungen der Bauzeit formuliert.Ein Interviewpartner betont, dass doch eher seine Frau mehr Stress gehabt habe, da siedie ganze Zeit alleine mit den Kindern zurechtkommen musste. Dagegen meinen zweiInterviewpartnerinnen, dass die Belastung alleine auf den Schultern ihrer Männer ge-legen hätte: "Nur für Dich war es mehr Belastung." (Frau Engel) Für sie sei das Lebennormal weitergelaufen, sie habe alles gemacht, was sie vorher auch gemacht hätte. Indie gleiche Richtung geht die Antwort von Frau Thomas auf die Frage nach Stresswährend der Bauzeit: "Eigentlich nicht." Für ihren Mann schilderte sie die Situationanders. Er sei ununterbrochen unterwegs gewesen und habe gesundheitliche Folgeer-scheinungen gehabt, da er zu viel gearbeitet habe. Sie hingegen war nicht berufstätigzum Zeitpunkt des Eigenheimbaus und kümmerte sich um ihre beiden Kinder.127

127 Frau Thomas beschreibt Stress bei anderen Frauen, weil diese ihre Kinder nicht abgeben konnten. Sie selberhabe Glück gehabt und ihre Kinder bei ihrer Mutter gelassen. So sei sie in der Lage gewesen, Entscheidun-gen über die Gestaltung des Hauses vorzubereiten, einzukaufen und zur Baustelle zu fahren etc. Auf der Bau-

Page 270: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

261

Die Einschätzung der Bauzeit als eine �stressige Zeit� teilt mit 94,3% die überwiegen-de Mehrheit der Baufamilien in der Fragebogen-Erhebung (vgl. Abb. 34). Dies ist we-gen der grundlegenden Voraussetzungen der Projekte, die Selbsthilfestunden nebeneiner (in großen Teilen) Vollzeitberufstätigkeit abzuarbeiten, nicht überraschend. Inte-ressant bzw. außergewöhnlich sind die fünf Familien, die die Bauzeit anscheinendganz anders erlebten und beurteilen.

Wirft man einen genaueren Blick auf diese Familien, so stellen sich eine Reihe mögli-cher positiver Rahmenbedingungen für diese Einschätzung heraus: In einer der Famili-en leisteten beide (Ehe-)Partner aufgrund einer Behinderung keine Selbsthilfestunden.Ihre Finanzierung ist durch vorhandenes Eigenkapital von über 100.000 DM gesichert.Ebenfalls einen hohen Eigenkapitalsanteil (über 100.000 DM) brachte die zweite Fa-milie ein. Sie arbeitete trotz einer Vorgabe von 1.000 Selbsthilfestunden nach eigenenAngaben nur 350 Stunden, davon mit 335 Stunden den Hauptteil in Einzelselbsthilfe.Die dritte Familie hat 500 Stunden auf der Baustelle gearbeitet, wobei sie bei knappder Hälfte von Helfern und Helferinnen (230 Stunden) unterstützt wurde. Bei allendrei Familien waren die Männer laut Fragebogen Vollzeit berufstätig, die Frauen wa-ren nicht berufstätig.

Die vierte Familie, die die Bauzeit als nicht stressig bezeichnet, hat 1.050 Selbsthilfe-stunden gearbeitet, also viel Zeit auf der Baustelle verbracht. Der Hauptteil der Stun-den wurde allerdings in Einzelselbsthilfe gearbeitet (1.010 Stunden), der Anteil dervon Helfer und Helferinnen erbrachten Stunden lag bei 350. Der Mann war Rentnerund zum Zeitpunkt der Befragung 65 Jahre alt. Die Frau war in Teilzeit als Köchinbeschäftigt. Der Betreuungsaufwand für Kinder fiel aufgrund deren Alters (32 und 36Jahre) weg. Nur der Mann hat nach eigenen Angaben auf der Baustelle gearbeitet. AlsRentner entfällt für ihn die Notwendigkeit, die Berufstätigkeit mit der Arbeit auf derBaustelle zu vereinbaren, und damit auch ein wesentliches Stressmoment. Die fünfteFamilie passt in kein Erklärungsraster. Die Familie hat 1.100 Stunden auf der Baustel-le gearbeitet. Zum Zeitpunkt der Befragung hat die Familie vier Kinder im Alter vonzwei, vier, sechs, acht Jahren. Da das vierte Kind zu Baubeginn geboren wurde, wardie Frau während der Bauzeit im Erziehungsurlaub. Der Mann hat auf der Baustellegearbeitet. Die Bedingungen für eine �stressfreie� Bauzeit scheinen bei dieser Familienicht gegeben zu sein, trotzdem schätzen sie diese so ein. Da keine weiteren Angabenvorliegen, kann über die Gründe für die positive Einschätzung nichts weiter ausgesagtwerden.

stelle selber hat sie nicht mitgearbeitet. Sie hat zu Hause vorbereitende Arbeiten erledigt, z. B. Gardinen ge-näht, Fliesen ausgesucht etc.

Page 271: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

262

Bei der Betrachtung dieser Beispiele werden Stress mindernde Faktoren deutlich:

• die geringe Anzahl der geleisteten Selbsthilfestunden, vorwiegend in ESH,• ein hoher Eigenkapitalanteil,• die nicht berufstätige (Ehe-)Frau,• vorhandene Unterstützungssysteme (Helfer und Helferinnen),• keine Berufstätigkeit des Mannes (Rentner).

Die genannten Faktoren, die die Einschätzung von Stress beeinflussen, werden in derAuswertung der Interviews bestätigt, ergänzt und weiter ausgeführt. Alle der 27 inter-viewten Baufamilien sprechen davon, dass die Bauzeit ihres in Selbsthilfe erstelltenHauses eine "stressige" Zeit war (und in Teilen auch jetzt noch ist). Stress im Sinnevon (Über-)Belastung, (Über-)Anstrengung, erhält unter der Perspektive eines Haus-baus mit Selbsthilfe noch einige weitere Dimensionen. Dabei spielen verschiedeneFaktoren eine Rolle, wenn es um die Einschätzung einer Situation als belastend geht.Außer den oben genannten wurden in den Interviews noch die folgenden Faktoren er-wähnt:

• Alter und Anzahl der Kinder• Schwangerschaft und Krankheiten /Unfälle in der Familie• Ausfall von Helfern und Helferinnen• berufliche Tätigkeit, die kaum Zeit lässt (z. B. Montage, Dienstreisen)• Entfernung der Baustelle vom Wohnort• Konflikte innerhalb der Familie• Konflikte auf der Baustelle: Organisation, Betreuung und andere Familien• Immense Zeitbelastung: Arbeit rund um die Uhr• Dauer der Bauzeit• Körperliche Belastung

Die wesentlichen der genannten Faktoren werden im Folgenden auf der Grundlage derInterviewaussagen und den Ergebnissen der Fragebogen-Erhebung weiter ausgeführt.Dabei differenziert der Text zwischen den psychischen und physischen Belastungsfak-toren. Im Kapitel 6.2 wird den zentralen Stressfaktoren im Zusammenhang mit derzeitlichen und psychischen Belastung nachgegangen, im Kapitel 6.3 werden die kör-perlichen Belastungen analysiert.

Page 272: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

263

6.2. Wesentliche Stressfaktoren: Zeit und Dauer, Konflikte auf der Baustelle undin der Familie

Immense Zeitbelastung: �Arbeit rund um die Uhr�

Was war an der Arbeit auf der Baustelle belastend? Eine Antwort auf die Frage liegtnicht in den konkreten Selbsthilfearbeiten, sondern in der Struktur der Projekte undihren Bedingungen. "Arbeit rund um die Uhr" ist hier das Stichwort, denn jeder Tagund jede freie Stunde wurde von vielen Familien auf der Baustelle verbracht, da diesder einzige Weg war, die Selbsthilfestunden zu schaffen. Mit zunehmendem Einsatzvon Helfern und Helferinnen verringerte sich die Arbeit, die die einzelne Familie zuleisten hatte. Fiel jedoch jemand von den Helfern aus, wurde der Druck für die Familiegrößer. Die ununterbrochene Beschäftigung mit dem Hausbau, sei es beim Arbeitenauf der Baustelle, beim Aussuchen der Fliesen etc., beim Anfertigen von Zeichnungenund Bestellungen wurde von allen Familien als große Belastung empfunden. Der Ur-laub von einem oder zwei Jahren wurde auf der Baustelle verbracht. In zwei Projektenwurde zusätzlich eine Nachtwache eingerichtet, in der immer zwei Selbsthelfer/innentätig waren. Je nach sonstiger beruflicher Belastung wurde wenig geschlafen und vorund nach der beruflichen Arbeit auf dem Bau gearbeitet, d. h. die Arbeit auf der Bau-stelle findet parallel zu dem normalen täglichen Leben und eben auch den beruflichenAnforderungen statt. Im Extremfall bedeute dies "zwei volle Stellen" zu haben. DieSituation stellt einen Ausnahmezustand dar, der über einen begrenzten Zeitraum hin-weg als �erträglich� beschrieben wird. Weitet sich die Bauzeit jedoch aus, bedeutetdies auch eine Verlängerung des Ausnahmezustandes, der als nicht tragbar empfundenwird: �Das ging alles schon ziemlich an das Limit, würde ich sagen.� (Herr Böll), �Ja,die Nerven waren angekratzt.� (Frau Böll)

Page 273: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

264

Abb. 35: Die Situation während der Bauzeit (Angaben in Prozent)

11,4

0

13,5

4,5

13,6

18

50

32,6

33,7

50,6

25

59,6

4,5

27

7,9

48,3

0 10 20 30 40 50 60 70

Arbeit rund um die Uhr

wurde Samstag den ganzenTag am Bau gearbeitet

war die Belastung einfachzuviel

hatte man keine Freizeitmehr

nie selten häufig sehr häufig

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)

Die Bauzeit ist charakterisiert durch zu wenig oder keine Freizeit, da die verfügbareZeit auf der Baustelle verbracht wird.

�Das Problem ist einfach, dass wir in 9 Monaten Bauzeit 1.800 Arbeitsstunden hierverbracht haben. Pro Haus. Und wenn man sich überlegt, dass 1.800 Stunden einganzes Arbeitsjahr sind, ein reguläres, wir haben also ganz normal gearbeitet, unse-re Zeit plus die zusätzliche Zeit hier auf der Baustelle, dass man also zwei volleStellen praktisch hatte plus Wochenende, ja also, Feiertage oder so was kanntenwir in diesen 9 Monaten nicht. (...) Und wenn wir nicht auf der Baustelle waren,dann wurde aber zu Hause soviel erledigt, Zeichnungen gemacht oder Aufstellun-gen gemacht, Bestellungen fertig gemacht und im Grunde genommen hatte manüberhaupt keine Zeit für sich.� (Herr Sand)

Die Dauer der BauzeitDie Dauer der Bauzeit ist ein entscheidender Stressfaktor: Eine kurze Bauzeit die Be-lastungen zu konzentrieren und leichter handhabbar zu machen.

�Also ich habe auch von Projekten gehört, die über zwei Jahre gedauert haben oderso. Also da weiß ich nicht, ob ich das dann noch genauso sagen würde. Weil, dawar jetzt einfach auch die Schmerzgrenze erreicht.� (Herr Arche)

Bei Befragten, deren familiäre Situation sich schwierig gestaltet, kann es auch zu eineranderen Sichtweise auf die Dauer der Bauzeit kommen. Wenn die Stundenzahl zuhoch ist, andere Umstände dazu kommen, wie beispielsweise eine Schwangerschaft,kleine Kinder, Krankheiten, und � ein wesentlicher Punkt � Ausfall von Helfern und

Page 274: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

265

Helferinnen � dann wird die Bauzeit als zu kurz erlebt. In einem aus dieser Perspektivedann viel zu kurzen Zeitraum drängen sich die Anforderungen und werden als Ballungund Überforderung erlebt. Diese Familien wünschen sich dann eher eine längere Bau-zeit um "in Ruhe" alles erledigen zu können.

Konkreter und zentraler Belastungsfaktor sind die Anzahl der in Selbsthilfe zu leisten-den Stunden. Diese sind in den fünf Projektstandorten und auch in den einzelnen Fa-milien unterschiedlich. Die Anzahl der Stunden bildet m. E. den Kern der Frage nacheiner bewältigbaren Arbeitseinteilung. Je nach finanzieller Lage der Baufamilien oderProjektstruktur schwankt die Anzahl der Selbsthilfestunden zwischen 800 und 3.000.Auch die Bauzeit variiert zwischen 9 und 18 Monaten.

�Das ist auch für so ein Projekt entscheidend, denke ich mir mal, für die Bewohneroder zukünftigen Bewohner und ... wir haben es gesehen. Viele haben gesagt, we-sentlich länger dürfte so eine Phase nicht dauern. Das ist ja doch schon Beanspru-chung der ganzen Familie, ob das nun die Männer sind, die praktisch da ihre kom-plette Freizeit und nach der Arbeitszeit das ganze Wochenende verbracht haben,und dann die Frauen, die auf die Kinder in der Regel aufgepasst haben, ob man daein Jahr durchzieht oder zwei Jahre. Das ist schon ein Riesenunterschied.� (HerrBaum)

Belastungen durch Konfliktsituationen auf der BaustelleAllerdings wird die direkte Arbeit auf der Baustelle nur selten als Stress bezeichnet.Teilweise wird die körperliche Anstrengung hervorgehoben, weil man es nicht ge-wöhnt sei, z. B. Schubkarren zu schieben, Betonarbeiten zu erledigen etc. Die Arbeitan sich war jedoch klar eingegrenzt und abzuarbeiten. Die (Rahmen-) Bedingungenauf der Baustelle waren schon eher Anlass für Stress. Probleme mit dem Bauträger unddem Architekten, Schwierigkeiten bei der Betreuung auf der Baustelle und Verzöge-rungen des Bauprozesses, all das wurde als erhebliche Belastung bezeichnet.

�Es war stressig, aber eigentlich hat es einem nicht viel ausgemacht. Zumindestnicht das Jahr, bis es so alles einigermaßen fertig war, bis man hier drin kleinereSachen machen konnte, also es war ... Der einzige Stress war zwischen uns unddem Bauträger und den Architekten. Das war der Stress.� (Herr Engel)

Die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, der Ablauf des Bauprozesses, die Qualität derBetreuung und das Baustellenmanagement können eine Reihe von möglichen Stress-elementen beinhalten. Probleme mit dem Bauträger und Architekten bedeuten in derRegel zusätzlichen Schriftverkehr und Gesprächstermine zur Klärung. Schwierigkeitenbei der Betreuung können den Arbeitsablauf hemmen, da viele der befragten Familienauf Anleitung und Betreuung angewiesen waren. Darüber hinaus ist die Bauleitungzuständig für die Planung und Abwicklung des gesamten Projektes und daher verant-wortlich für termingerechte Materialbestellung etc. Auch hier kann die Ursache fürVerzögerungen und Leerlaufzeiten im Bauprozess liegen. Neben der Baustellenleitung

Page 275: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

266

wird auch die Zusammenarbeit mit den anderen Baufamilien als mögliche Stressfakto-ren benannt.

�Ansonsten vom Arbeitsstress her muss ich sagen nein. Ich hatte mit der Arbeitweniger Stress als mit den Leuten hier.� (Herr Schneider)

Auslöser möglicher Konflikte bei der Zusammenarbeit können unterschiedliche hand-werkliche Kenntnisse, nicht eingehaltene Absprachen und der durchgängig erheblicheLeistungsdruck sein.

Konfliktfeld Familie und PartnerschaftAbhängig davon, wie die Familien den Bauprozess organisieren, leisten beide Partneroder nur der Mann die Selbsthilfestunden. In der Regel leistet der Mann den Hauptteilder Stunden, und die Frau ist zuständig für die Organisation des täglichen Lebens unddie Kinderbetreuung sowie dafür, Entscheidungen für den Innenausbau vorzubereiten.Bei einigen Familien arbeitete die Frau ebenfalls auf der Baustelle mit. Nur bei sehrwenigen übernahm die Frau einen gleich großen Anteil an den Selbsthilfestunden. DieArt der Belastung wird in den unterschiedlichen Modellen auch unterschiedlich erlebtund bewertet. Als belastend an dieser Situation wird hauptsächlich von Männern her-vorgehoben, dass keine Zeit bleibe, sich zu entspannen und auszuruhen. Dies bedeuteauch, dass das Familienleben in dieser Zeit zu kurz kommt und keine Zeit für die Kin-der bleibe.

Für die Zeit des Eigenheimbaus sind viele der Frauen allein zuständig, die Familiensi-tuation aufrecht zu erhalten. "Alleinerziehend und verwaist" werden von ihnen alsStichworte genannt. Durch die Arbeitsbelastung und die Situation auf der Baustellewird die Situation in der Familie während der Bauzeit häufig als gereizt und ange-spannt beschrieben.

�Also das war so, ja das hat Stress gemacht und das hat sich auch auf Familie undso klar ausgewirkt. Also weil er dann eben ... wenn er nach Hause kam, war er ge-laden und kurz vor der Explosion, weil, es ist doch wirklich einiges schief gelau-fen. Das ist bei ihm aufgrund dieser ... also die Betreuung war einfach nicht so ...wie das vorgesehen war.� (Frau Foss)

Die Aufgabe, die Alltagssituationen reibungslos zu organisieren und eine gute Famili-enstimmung aufrechtzuerhalten, fiel eindeutig den Frauen zu. Sie waren dafür zustän-dig, die Schwierigkeiten und Probleme, die in der Bauzeit anfielen, aufzufangen undihren Männern einen familiären Hintergrund zu schaffen, der es ihnen erst ermöglich-te, diese außergewöhnliche Arbeitsbelastung zu bewältigen.

Page 276: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

267

�Bei uns war es zwischendurch mal so weit, dass ich gesagt habe, mein Gott, wofürdas alles. Dafür, dass wir jetzt keine Familie mehr sind? Jetzt haben wir ein wun-derbares Haus, aber was wir vorher eigentlich waren, worauf wir stolz waren, dasist kaputt. Mittlerweile ist das wieder unter einem ganz anderen Blickwinkel, weilsich jetzt wirklich alles so langsam beruhigt hat und sich wirklich auch alles wiederaufbaut und auch wieder Familienleben möglich ist.� (Frau Sand)

Unter den enormen Anstrengungen der Bauzeit leidet das Familienleben. Dies gilt zumeinen im Hinblick auf die Kinder, deren Bedürfnisse während der Bauzeit häufig zu-rückgestellt werden. Zum anderen kann auch die Beziehung zwischen den (Ehe-) Part-ner auf eine harte Belastungsprobe gestellt werden.

�Ich habe mir oft gedacht, wenn eine Partnerschaft schon vor so einem Bau instabilist, dann kann das auch echt in die Brüche gehen. Weil das ist schon eine enormeBelastung (...).� (Frau Schneider)�Ich sage mal, von der physischen Belastung her ist das kein Thema. Das kann je-der schaffen. Von der psychischen Belastung her, das ist individuell bedingt. Daskann man so nicht sagen. Wir haben Schwierigkeiten gehabt, wir haben uns richtiggefetzt, und das hat manchmal richtig gescheppert (...).� (Herr Schneider)

In den Interviews wurden mögliche Spannungen in Familie und Partnerschaft verein-zelt angesprochen. In der Fragebogen-Erhebung gaben jedoch nur 3,4% der befragtenFamilien an, dass die Bauzeit sehr häufig bzw. 14,8% häufig zu Spannungen in derPartnerschaft geführt hat.

Abb. 36: Spannungen in der Partnerschaft während der Bauzeit (Angaben in %)

30,7

51,1

14,8

3,4

0 10 20 30 40 50 60

führten die hohenBelastungen zuSpannungen in derPartnerschaft

nie selten häufig sehr häufig

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)

Sonstige StressfaktorenDer Innenausbau wurde wegen des verstärkten Zeitdrucks als Belastung empfunden.Bei vielen Familien stand der Einzugstermin fest, die Bauzeit verzögerte sich, dieWohnung war bereits gekündigt, und so musste der Innenausbau unter großem Zeit-druck erfolgen. Bei einigen Familien verzögerte sich der Einzugstermin derart, dassdie Möbel zwischen gelagert werden mussten, die Kinder bereits in der neuen Schule

Page 277: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

268

waren und täglich gefahren werden mussten, die Familien auseinander gerissen wur-den, der Mann bereits in dem Haus wohnte (u. U. ohne Wasser, Strom etc.) und dieArbeiten beendete, während der Rest der Familie bei Verwandten und Freunden unter-kam.

�Die schlimmste war die ganze Endphase und das, weil das ganz am Ende war, dashat man noch am besten im Kopf. Da waren unendlich lange Tage und verdammtkurze Nächte waren das. Ich bin manchmal um 12 nach Hause gekommen, nachtsund um 4 musste ich wieder aufstehen und arbeiten gehen.� (Herr Asche)

Der Einzug und die Zeit danach aber wurden nicht bei allen als Endpunkt der Belas-tung und Bauzeit erlebt. Mit dem Einzug waren die Unruhe, das Chaos und auch dieArbeit nicht automatisch vorbei, denn in vielen Projekten waren die Arbeiten nochnicht abgeschlossen und die Familien lebten teilweise in Provisorien (Baustufen, keineTüren etc). Die Hoffnung, mit dem Einzug in ein fertiges Haus zu kommen und dieUnruhe der Bauzeit hinter sich zu lassen, erfüllt sich für die meisten Familien nichtsofort. Auf dem Grundstück sind häufig noch Handwerker, die Arbeiten beenden, vieleDinge sind noch unabgeschlossen. Das Finden des Familienlebens nach einem Aus-nahmezustand wird von einer Interviewpartnerin als sehr belastend in dieser Zeit be-schrieben:

�Nur wie gesagt, was das Anstrengendste war, da noch mal die Kraft zu schöpfen,für sich in seinen eigenen vier Wänden auf die Reihe zu kommen und in das alltäg-liche Leben wieder zurückzufinden. Das, finde ich, war - und wir sind jetzt einekleine Familie - also für mich nah an der Grenze.� (Frau Feld)

Neben den Belastungen durch die Arbeit, die Arbeitszeiten, den Folgen für das Famili-enleben, die Kinder und auch die Beziehung zwischen den Partnern werden in den In-terviews noch zwei weitere Stressfaktoren thematisiert, die in unterschiedlicher Weisemit Angstgefühlen verbunden sind: die finanziellen Belastungen und die Absicherungder Baufamilien gegen Unfälle etc. Die Kredite, die für den Bau des Hauses aufge-nommen worden sind, werden von einigen Familien als eine beunruhigende Verant-wortung empfunden.

�Vor allem man denkt immer, man ist nicht gut aufgehoben und man kann nachtswirklich nicht schlafen. Das geht ja um solche Summen, sage ich mal. Man ist janicht alleinstehend. Man hat Verantwortung, man hat Kinder, und das geht um soviele Sachen eigentlich, finde ich. Man kriegt wirklich Angst da. Man denkt, meinGott, was machst du denn, wenn irgendwas jetzt sein sollte.� (Frau Vogel)

In zwei Projektstandorten spielte die Frage nach der Versicherung der Baufamilieneine große Rolle. Die Versicherung sei nicht eindeutig abgeklärt und man habe Angst,im Falle eines Unfalls nicht richtig abgesichert zu sein. Die Arbeit auf der Baustellewurde als unfallanfällig beschrieben. Ein schwerer Unfall in einem Projektstandortund die Schwierigkeiten der betroffenen Familie mit der Versicherung scheint dieseÄngste zu bestätigen.

Page 278: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

269

�Was ich schlimmer fand, war eigentlich, mein Mann hat hier auf der Baustelle ei-nen schweren Unfall gehabt und wir haben also bis jetzt im Juni Unsicherheit ge-habt, inwieweit die Unfallversicherung zum Tragen kam, obwohl wir das im Ver-trag abgesichert hatten, musste erst mit Rechtsanwalt und allem gegen die Gesell-schaft vorgegangen werden, bevor da eine Absicherung erfolgte. Das sind natürlichSachen, die empfinde ich als gravierend, weil, es hätte genauso gut - er hatte jetztdie Wirbelsäule gebrochen, er hat einen bleibenden Schaden, und es hätte genausogut sein können, dass er überhaupt nicht mehr laufen konnte und dann hätte ich ei-gentlich da gestanden als Sozialfall, und das nur, weil ich mich auf so etwas verlas-sen hatte. Und das sind Sachen, die empfinde ich als gravierend, dass das alsowirklich eine Zumutung war. (...) Das ist also auch ein Bleibeschaden. Das wirduns also auch ewig an diese Selbstbaumaßnahme erinnern.� (Frau Erdmann)

Die von einigen Interviewten berichteten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit derUnfallversicherung könnten darauf zurückzuführen sein, dass die Zuständigkeit derVersicherungsträger nicht geklärt war. Die gesetzliche Regelung schreibt vor, dass dieSelbsthelfer/innen grundsätzlich versichert sein müssen. Ein beitragsfreier gesetzlicherUnfallschutz besteht für die Baufamilie und ihre Helfer/innen bei öffentlich geförder-ten Eigentumsvorhaben des ersten Förderwegs (Versicherungsträger: GuVV). Die Ar-beitsleistung der Helfer/innen muss dabei unentgeltlich erbracht werden. Wenn dasBauvorhaben nicht im 1. Förderweg gefördert wird, müssen die Helfer/innen in dergesetzlichen Unfallversicherung der Berufsgenossenschaft versichert werden (vgl.BMBau 1998: 74ff.). Die Höhe der Versicherungsbeiträge für die Helfer/innen richtetsich nach der Art der Tätigkeit und dem zeitlichen Umfang der Mitarbeit und bedeutetfür die nicht öffentlich geförderten Baufamilien zusätzliche Kosten.

6.3. Körperliche Belastung und Folgen für die GesundheitDie Auswirkungen der Bauzeit auf die Gesundheit der Baufamilien stehen im Vorder-grund dieses Abschnitts. In den Blick genommen werden die körperlichen Belastun-gen, die sich neben der Berufstätigkeit aus der Arbeit auf der Baustelle ergeben. DieBauarbeit kann als körperlich sehr anstrengende Arbeit charakterisiert werden. In fastallen Selbsthilfe-Projekten wurde auf den (kostenintensiven) Einsatz von Maschinenverzichtet und diese durch arbeitsintensive Handarbeit ersetzt. In der Fragebogen-Erhebung wurden mögliche gesundheitliche Probleme aufgrund der Bautätigkeit nurselten thematisiert (vgl. Abb. 37). Die überwiegende Mehrheit der Baufamilien konsta-tiert �nie� (39,8%) oder �selten� (44,3%), dass die Bauzeit zu gesundheitlichen Prob-lemen geführt habe. Immerhin insgesamt 15,9% nahmen gesundheitliche Problemewahr und führten sie auf die (körperlichen) Anstrengungen während der Bauzeit zu-rück.

Page 279: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

270

Abb. 37: Einschätzung der körperlichen Anstrengungen während der Bauzeit

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)

In den Interviews werden körperliche Beschwerden und Beeinträchtigungen eher kur-sorisch erwähnt und dies insbesondere von den befragten Frauen. Die interviewtenMänner redeten von sich aus selten darüber, erst auf Nachfrage werden bestimmtekörperliche Probleme näher beschrieben. Insofern bestätigten sich in den Interviewsdie Ergebnisse der Studie von Marahrens (1988: 175), der eine nach Geschlecht diffe-renzierte unterschiedliche Wahrnehmung der physischen Anstrengungen feststellt. DieDarstellung gesundheitlicher Beeinträchtigungen hat dabei eine große Spannbreite. Siereichte von ungewohnter körperlicher Arbeit, die jedoch ohne größere Probleme zubewältigen war, bis hin zu Mangelerscheinungen, Krankheiten und Unfällen. Die un-gewohnte körperliche Arbeit wurde in der Regel als ein Gewöhnungsprozess beschrie-ben, in dessen Verlauf sich die körperliche Belastungsfähigkeit steigerte.

�Na gut, da war natürlich die körperliche Anstrengung, weil man es nicht gewohntist. Ich bin im kaufmännischen Bereich tätig, und mir haben abends dann schon dieFinger gekribbelt vom stundenlangen Schubkarrenschieben.� (Herr Baum)

Insbesondere beim Transport und Heben von schweren Baumaterialien leisteten dieFamilien viele Arbeitsstunden. Witterungsbedingte Belastungen (Kälte, Regen etc.)erschwerten die Arbeit auf der Baustelle. Gegen Ende der Bauzeit wurden die körper-lichen Belastungen von den Familien deutlicher wahrgenommen und führten in eini-gen Fällen zu formulierten Mangelerscheinungen und Erschöpfungszuständen.

�(...) also er hatte zeitweise zum Schluss hin Mangelerscheinungen, dass er nachtswach wurde und taube Arme hatte und taube Finger hatte. Er sagt, ich werde wachund als ob die Hand mir nicht mehr gehört. (...) Ich hatte dann den Arzt gefragt,und der sagte, das sind einfach Mangelerscheinungen. Magnesium, Eisen, also ichsollte ihn mal morgens damit voll pumpen (...).� (Frau Thomas)

39,8

44,3

13,6

2,3

0 10 20 30 40 50

führten diekörperlichen

Anstrengungen zugesundheitlichenProblemen

nie selten häufig sehr häufig

Page 280: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

271

Die Dauer der Belastungen spielte in der Einschätzung der Familien eine wichtige Rol-le. Da in der Regel nur der Sonntag als arbeitsfreier Tag zur Regeneration zur Verfü-gung stand, bestanden für die Familien in der Bauzeit nur wenige Möglichkeiten zurErholung.

�Und wenn man dann ... nach diesem Jahr, das was hier so im Rohbau etc., was wirda so gebaut haben, war man fertig. Der Körper war einfach ausgelaugt. Deswegenwaren dann auch noch so Frustphasen, wo wir alle gesagt haben, wir machen nichtsmehr.� (Herr Vogel)

Parallel zum Innenausbau mussten die Gemeinschaftsanlagen und u. U. das Gemein-schaftshaus in Gruppenselbsthilfe erstellt werden. In diesem Zusammenhang wurdehäufig (auch von Trägerseite) die hierfür fehlende Motivation der Familien erwähnt,die jedoch vor dem Hintergrund der massiven Arbeitsbelastung verständlich wird. Diein dem Zitat beschriebenen �Frustphasen� lassen eher eine weitgehende Erschöpfungvermuten als einen Motivationsmangel.

In den Interviews werden eine Reihe von körperlichen Belastungssymptomen berich-tet. In einigen Fällen kam es bei den Männern zu Krankheiten (z. B. Gürtelrose, Lun-genentzündung, Bandscheibenvorfall), und auch bei Frauen und Kindern wird körper-liche Erschöpfung thematisiert.

�(...) hatte während der Bauphase dann auch noch einen Bandscheibenvorfall undfiel auch noch 6 Wochen aus. (...) Und nach drei Wochen war er überhaupt nichtmehr zu halten und ich sage, wenn Du zur Baustelle gehst, musst Du auch arbeitengehen. Wie willst Du das machen? Das ist ja nicht nur die Baustelle.� (Frau Sand)

Durch den extremen Druck in der Bauphase ist der Fall von Herrn Sand keine Selten-heit. Herr Sand arbeitete in einem Projekt mit neun Monaten Bauzeit, und ohne seineAnwesenheit konnten auch seine Helfer/innen nicht auf der Baustelle arbeiten. Krank-heit war ein Luxus, den sich die Familien in der Regel nicht leisten konnten. Nebenkrankheitsbedingten Beeinträchtigungen wurden in den Interviews auch Verletzungendurch Unfälle auf der Baustelle beschrieben.

�Nein, es sind nur kleinere Sachen passiert, die sind aber nicht der Rede wert. Esmusste keiner ins Krankenhaus oder so. Wir haben zwar gefährliche Situationen er-lebt hier, sind aber alle glimpflich ausgegangen. Wenn man auf den Gerüsten arbei-tet, dann kann es schon mal sein, dass diese Querstangen, die als Brüstung dienen,dass die nicht ganz fest sind. Wenn man sich dann drauf verlässt, dann kann manschon mal abstürzen, aber der Kollege, der wollte sich dann auch anlehnen, istdann runter gefallen, konnte sich aber dann noch halten. 5 m Höhe. Aber ist auchschon mal hier in den Häusern, dass eine Regipsplatte von oben runterkommt, istauch passiert, aber ... Es ist keiner zu Schaden gekommen.� (Herr Stein)

Zwar sind bis auf eine Ausnahme keine schweren Unfälle passiert, aber kleinere Zwi-schenfälle waren an der Tagesordnung.

Page 281: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

272

6.4. Fazit: Bis an die Grenze der Belastbarkeit und darüber hinausDie Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung zeigen, dass nur ein geringer Teil der Bau-familien (4,5%) die Belastung sehr häufig als zu hoch einschätzte. Für ein Drittel derFamilien war die Belastung häufig zuviel (vgl. Abb. 35). Gesundheitliche Problemeaufgrund der mit dem Bau verbundenen körperlichen Anstrengungen konstatieren nurknapp 16% der Baufamilien. Diese Ergebnisse scheinen die eingangs skizzierten Er-hebungsschwierigkeiten zu bestätigen. In den Interviews zeigt sich jedoch ein diffe-renziertes Bild, dort wird eine Vielzahl von Stressfaktoren genannt.

Alle interviewten Familien thematisieren, dass sie während der Bauzeit auf unter-schiedliche Weise an die Grenze ihrer Belastbarkeit gestoßen sind. Diese waren zumeinen die Dauer der Bauzeit und die damit verbundene immense Arbeitsbelastung, dieals Ausnahmesituation aufgrund des enormen Zeitdrucks und der hohen zeitlichen wiekörperlichen Belastungen von allen Beteiligten als starke Belastung wahrgenommenwurde. Diese lang andauernde Ausnahmesituation mit dem weitgehenden Fehlen vonErholungszeit oder �Zeit für die Familie� konnte zu Konflikten in der Familie (Ver-nachlässigung von Kindern auf Seiten der Männer bzw. die Situation als Alleinerzie-hende auf Seiten der Frauen) und in der Partnerschaft führen. Weitere, eher emotionaleStressfaktoren waren durch die stets vorhandenen Ängste und Sorgen hinsichtlich derfinanziellen Belastung sowie möglicher fehlender (finanzieller und sozialer) Absiche-rung gegenüber (Arbeits-)Unfällen auf der Baustelle festzustellen. Als ein weitererwichtiger Stressfaktor benannten die Baufamilien die starke körperliche Belastung unddie damit verbundenen Folgen für die Gesundheit. In den Interviews fiel aber auf, dassdies von Frauen und Männern unterschiedlich wahrgenommen und vor allem be-schrieben wurde; es waren vornehmlich die Frauen, die den Punkt der körperlichenBelastungsgrenze ihrer Männer und die Beeinträchtigung durch Verletzungen auf derBaustelle ansprachen.

Daraus kann geschlossen werden, dass die Struktur des Bauprozesses eine familiäreund berufliche Situation verlangt, die reibungslos funktionieren muss. Kamen zu der�normalen� Bausituation noch weitere Schwierigkeiten wie Krankheiten, Ausfall vonHelfern und Helferinnen sowie Konflikte auf der Baustelle hinzu, waren Krisen vor-programmiert und die Arbeit konnte nur unter zusätzlichen und damit enormen An-strengungen der ganzen Familie weitergeführt werden.

Page 282: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

273

7. Arbeiten und Wohnen in der GemeinschaftMit den Siedlungsprojekten entstehen gebaute Räume, die sich jedoch nicht auf einegebaute Umwelt reduzieren lassen, sondern die von den Bewohner/innen ebenfallssozial hergestellt werden müssen. Über diese soziale Konstruktion von Räumen kön-nen durch Aneignungsprozesse auch soziale Beziehungen entstehen.

Ein zentraler Aspekt der wohnungspolitischen Konzepte der Internationalen Bauaus-stellung stellt die soziale Qualität des Wohnens dar. Nicht nur eine Wohnung, sondern�Wohnen� soll entstehen. Dies geschieht zum einen auf der Grundlage einer gutenGebrauchsarchitektur (z. B. nutzungsneutrale Räume, Garten, Siedlungsidentität durchindividuelle Wohnungszugänge), zum anderen durch Angebote für die Gemeinschaft(Beierlorzer 1996: 193ff). In den Selbsthilfeprojekten wird die Entwicklung von trag-fähigen Nachbarschaften und sozialen Netzwerken in einem engen Zusammenhang zuder Selbsthilfetätigkeit der beteiligten Familien gesehen. Neben Mitbestimmungspro-zessen bei der Planung und im Bauprozess haben die Familien aus Sicht der IBA durchdie Gruppenselbsthilfe eine direkte Beteiligungsmöglichkeit: �Das Selberbauen in derGruppe ist die direkteste Form der Nutzerbeteiligung und Grundlage der Gemein-schaftsbildung� (Beierlorzer 1999: 69, vgl. auch Siebel 1999). Die gemeinsame Arbeitan den Eigenheimen ermöglicht intensive Kontakte zwischen den Familien vor demEinzug, bietet die Identifikation mit einem gemeinsamen Ziel � dem Aufbau der Sied-lung � und stellt damit im Prinzip eine gute Grundlage für ein nachbarschaftlichesWohnen nach dem Ende der Bauzeit dar. Dieser Prozess der Gemeinschaftsbildungsoll durch die Einrichtung von Gemeinschaftsflächen und -häusern gefördert und un-terstützt werden.

Insbesondere drei Bereiche des Arbeiten und Wohnens in der Gemeinschaft stehen imMittelpunkt der folgenden Betrachtung: Das gemeinschaftlich organisierte Arbeitenwährend der Bauzeit in Form der organisierten Gruppenselbsthilfe, die Einschätzungund der Umgang mit den Gemeinschaftseinrichtungen sowie die Entwicklung desnachbarschaftlichen Kontakts nach der Bauzeit.

7.1. Gemeinschaftlich bauen und arbeitenDen Hintergrund meines Interesses bildet die These, dass über die Herstellung vonRäumen auch soziale Beziehungen entstehen können. Unter diesem Aspekt wird dieGruppenselbsthilfe häufig auch � wie ich meine � sehr idealisierend als gemein-schaftsbildend gesehen. Auch wenn der Bauprozess als �gemeinsame Leidensge-schichte� (Beierlorzer 1999: 69) bezeichnet wird, entstehen in ihr � so die IBA � so-ziale Netze und nachbarschaftliche Solidarität. Aber wie beurteilen dies die Baufamili-en in den Projekten? In den Ergebnissen der Erhebungen wurde deutlich, dass sich die

Page 283: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

274

Selbsthilfeprojekte im Hinblick auf die Zusammenarbeit während des Bauprozessesund die nachbarschaftlichen Kontakte in den einzelnen Projekten völlig unterschied-lich entwickelt haben.

Die beiden Aspekte der Zusammenarbeit und des nachbarschaftlichen Kontakts hän-gen eng zusammen, da die Art und Weise, wie die Zusammenarbeit von den Selbsthel-fern gestaltet wird, in einem großen Ausmaß ebenfalls die Qualität der späteren Kon-takte in der Siedlung bestimmt. Die Interviewten bieten auf die Frage nach den nach-barschaftlichen Beziehungen häufig Erklärungsmuster für das Gruppenklima, für Kon-flikte etc. an. Die Nachbarschaftssituation ist auf diese Weise eng mit der Atmosphärein der Bauzeit verbunden, obwohl die Extreme (sowohl sehr gute als auch sehrschlechte Erfahrungen) nach Fertigstellung der Siedlungen von vielen der interviewtenFamilien abgeschwächt werden. Dies ist verständlich, da schon in der letzten Phase derBauzeit die Gruppenarbeit zugunsten der Einzelselbsthilfe in den eigenen Häusern zu-rückgeht. Hier fängt ein "Rückzug ins Private" bereits an, der sich nach dem Einzugfortsetzt. Eventuelle Konflikte verschwinden damit nicht, aber das direkte und unmit-telbare "Aufeinander-Angewiesensein" der Bauzeit ist nicht mehr gegeben und da-durch werden eine Reihe von Konflikten entschärft. Auch im Hinblick auf einen gutenZusammenhalt der Gruppe ist zu beobachten, dass die gemeinsame Erfahrung im all-täglichen Leben verblasst. Das heißt jedoch nicht, dass die Erfahrungen während derBauzeit gleichgültig wären, im Gegenteil, sie prägen immer noch entscheidend denUmgang der Familien miteinander.

7.1.1. �Gute Zusammenarbeit, aber keine feste Gemeinschaft� � Ergebnisse derFragebogen-Erhebung

Insgesamt, so die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung, kann die Zusammenarbeit aufder Baustelle als überwiegend positiv gekennzeichnet werden. Zwei Drittel der befrag-ten Baufamilien bezeichnen die Zusammenarbeit als weitgehend harmonisch. In gut60% der Selbsthilfeprojekte fanden während der Bauzeit gemeinsame Aktivitäten statt;man hat sich gegenseitig geholfen, und die unterschiedlichen Kenntnisse wurden zumNutzen aller eingesetzt. Nur die Frage nach der Entwicklung einer festen Gemein-schaft durch die Zusammenarbeit weicht von der insgesamt positiven Beurteilung derBaufamilien ab. Hier haben nur 8% der Baufamilien �trifft voll zu� angegeben, und28,4% �trifft zu�. Diese Einschätzung ist im Wesentlichen bei drei Projekten anzutref-fen. Die Kategorie �trifft teilweise zu� wurde mit 45,4% am häufigsten genannt. Hierliegen die ortspezifischen Schwerpunkte bei zwei Projekten. Als eindeutig nicht zu-treffend bezeichnet mit 77,8% nur ein Projekt die Frage nach der Entwicklung einerGemeinschaft, drei weitere Projekte haben mit jeweils um die 20% geantwortet undein Projekt liegt bei 10% der Nennungen. Es lässt sich demnach feststellen, dass, ob-

Page 284: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

275

wohl die Zusammenarbeit grundsätzlich positiv bewertet wird, dies nicht zwangsläufigzu einer Gemeinschaftsbildung beiträgt. Die Gemeinschaftsbildung wird von den ein-zelnen Projekten sehr unterschiedlich beurteilt.

Abb. 38: Zusammenarbeit auf der Baustelle während der Bauzeit

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Die Zusammenarbeit zwischen den Baufamilienverlief weitgehend harmonisch

es waren zu viele Baufamilien

manche konnten nicht zusammenarbeiten

durch die Zusammenarbeit auf dem Bau ist einefeste Gemeinschaft entstanden

die unterschiedlichen handwerklichen Kenntnissehaben zu Spannungen geführt

während der Bauzeit gab es gemeinsameAktivitäten

mit einigen gab es heftigen Streit

man hat sich gegenseitig geholfen

die unterschiedlichen Fähigkeiten/Kenntnissewurden zum Nutzen aller eingebracht

trifft nicht zu trifft teilweise zu trifft zu trifft voll zu

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)

Die in der Frage nach der Zusammenarbeit auf der Baustelle verwendeten Items wur-den auf der Grundlage der vorhandenen Studien zur Selbsthilfe und den Interviewaus-sagen entwickelt. Die in die Formulierung der Items eingegangenen Vorannahmen inBezug auf die Faktoren, die bei der Einschätzung der Zusammenarbeit eine Rolle spie-len (z. B. Größe des Projekts, Unterschiede in den handwerklichen Qualifikationen),bestätigen sich nicht bzw. nur in Teilen. Die Größe des Selbsthilfeprojekts hat auf denVerlauf und die Gestaltung der Bauarbeit keinen entscheidenden Einfluss ausgeübt, sodie überwiegende Mehrheit der befragten Familien. Auch die Vermutung, dass es in

Page 285: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

276

der Bauzeit aufgrund des enormen Drucks der Baufamilien zu Auseinandersetzungenund Streit kommen könnte, hat sich nicht bestätigt. Für über die Hälfte der Familien(55,7%) trifft dies nicht zu. Allerdings geben 38% der Familien an, mit manchen deranderen Selbsthelfer und Selbsthelferinnen nicht zusammenarbeiten zu können (fürimmerhin 49,4% trifft dies teilweise zu). Persönliche Sympathien und Antipathienspielen demnach in den Projekten eine große Rolle. Dies müsste sich in der Art derArbeitsgestaltung widerspiegeln (vgl. Abb. 39). Die unterschiedliche Verteilunghandwerklicher Kompetenzen hat nach den Ergebnissen der Fragebogen-Erhebungdemgegenüber nur einen geringen Einfluss auf die Form und die Beurteilung der Zu-sammenarbeit. Nur für 5,7% der Familien trifft dies zu bzw. für 6,8% trifft es voll zu.

Abb. 39: Haben Sie meistens mit den gleichen Selbsthelfern zusammengearbeitet?

vorwiegendmit dengleichen ;26,40%

mal so, malso; 52,90%

häufiggewechselt;20,70%

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)

Auf die Frage nach der Zusammensetzung der Selbsthelfergruppen ergibt sich folgen-des Bild: Über die Hälfte der Befragten hat die Zusammenarbeit den Erfordernissender Baustelle (z. B. sind aufgrund verschiedener Arbeitszeiten nicht immer alle Fami-lien gleichzeitig anwesend) angepasst und keine stabilen oder geschlossenen Gruppenfür die gesamte Bauzeit gebildet. Nur ein gutes Viertel hat vorwiegend mit den glei-chen Selbsthelfern gearbeitet. Dies geschah wohl vor allem dann, wenn Gruppen miteiner spezifischen Qualifikation gebildet wurden, die dann in allen Häusern eine be-stimmte Tätigkeit erledigt haben.

Als weiterer Indikator für den Zusammenhang von organisierter Gruppenselbsthilfeund Gemeinschaftsbildung wurde die Frage nach der Qualität der entstandenen Bezie-hungen herangezogen. Bei 43,2% der Familien entstanden �oberflächliche Beziehun-gen� durch die Bauzeit und bei etwas mehr Familien (44,3%) entstanden �enge Be-kanntschaften/Freundschaften�.

Page 286: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

277

Abb. 40: Haben Sie unter den Selbsthelfern neue Bekanntschaften geschlossen?

44,3%

43,2%

9,1%

3,4%

engeBekanntschaften/Freundschaften

oberflächliche Bekanntschaften

nur Arbeitsbeziehungen

mehrere Angaben

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, 1 fehlend)

Dies widerspricht zum Teil den Ergebnissen der oben genannten Items. Fast die Hälfteder Familien hat durch den gemeinsamen Hausbau Freunde oder enge Bekannte ge-funden, während die Frage nach der Gemeinschaftsbildung nur ein gutes Drittel derFamilien positiv beantwortete. Im Unterschied zu der Gemeinschaftsbildung, die dieSelbsthelfer/innengruppe als Ganzes betrifft, beziehen sich Freundschaften nur aufkonkrete (Einzel-)Personen.

7.1.2. Von �Wir haben Spaß gehabt dabei...� zu �es war hinterher nicht mehr zuertragen� � Interviewergebnisse

In den Interviews berührt die Frage nach der Zusammenarbeit zwei Bereiche: Sie be-zieht sich zum einen auf die inneren Bedingungen der Gruppenbildung (Zusammen-setzung, Konflikte etc.) und zum anderen auf die äußeren Bedingungen (Organisati-onsformen, Leitung etc.).

Zu den inneren Bedingungen der GruppenbildungProbleme, Reibereien, Abstimmungsschwierigkeiten innerhalb der Selbsthelfergruppegab es in allen Projekten, allerdings wurde die Arbeitsatmosphäre in vier von fünf Pro-jekten als gut bezeichnet. Hier ist es den Baufamilien gelungen, eine arbeitsfähigeGruppe herzustellen. In einem Projekt hat sich das Gruppenklima derartig ungünstigentwickelt, dass massive Konflikte auftraten und Schwierigkeiten innerhalb derSelbsthilfegruppe als zentraler Stressfaktor genannt wurden ("Ich hatte mit der Arbeitweniger Stress als mit den Leuten"). Dieses Projekt wird getrennt im Anschluss an dievier anderen behandelt.

Page 287: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

278

Die Interviewten aus vier Projekten beschreiben die Zusammenarbeit in ihrer Gruppeals gelungen. Als zentral wird von allen die gute Gemeinschaft hervorgehoben. Aufein gemeinsames Ziel hinzuarbeiten hat die Familien zusammengeschweißt ("an einemStrang ziehen"). Die Zusammenarbeit habe weitgehend gut funktioniert, man habe alleNachbarn bereits sehr gut kennen gelernt. Die unterschiedlichen Kompetenzen derEinzelnen wurden als bereichernd und als Erleichterung empfunden ("einem fällt im-mer etwas ein"), man konnte sich aufeinander verlassen. Dieses setzt sich in der späte-ren Nachbarschaft fort, die Hilfsbereitschaft untereinander wird als groß beschrieben.Einige der Interviewten heben ebenfalls hervor, dass sie Spaß gehabt haben, also dieBauzeit auch positive Erfahrungen hinsichtlich der Gruppenerlebnisse geboten hat. Sokönnen aus diesen Projekten alle Interviewten mit der Frage nach dem schönsten Er-lebnis etwas anfangen. Sie erinnern sich gerne an das gemeinsame Grillen, Eisessenund die gemeinsamen Feste.

"Wenn ich das mit vorher vergleiche, in dem 6-Familien-Haus hat Regina glaubeich schon 7 Jahre gewohnt, und die kennt die Leute oder kannte die Leute nicht sogut wie wir hier mittlerweile unsere Nachbarn kennen. Das ist also schon ein Un-terschied. Gerade das finde ich auch sehr positiv. Also man findet immer jeman-den, mit dem man über irgendwas reden kann. Auch wenn jemand mal Problemehat, man sieht ihm das an, wird auch darauf angesprochen. Das ist manchmal viel-leicht auch ein bisschen zu öffentlich, also privat geht dann auch ein bisschen ver-loren. Aber im Großen und Ganzen ist das eher positiv." (Herr Feld)

Hier werden die nachbarschaftlichen Beziehungen im Vergleich zur vorherigen Wohn-situation dargestellt. Die Beziehungen sind durch die gemeinsame Bauphase entstan-den und verhindern anonyme oder durch Isolation gekennzeichnete Wohnverhältnisse.Miteinander zu reden, auch über Probleme, ist ein zentrales Merkmal der Beziehungenuntereinander. Die Vertrautheit und das enge Zusammenleben der Familien können ineinigen Fällen allerdings auch zu Nähe-Distanz-Problemen führen: "also privat gehtdann auch ein bisschen verloren".

Die Gemeinschaft beim Bauen hat � trotz positiver Beurteilung � jedoch auch ihreGrenzen. Einige der Interviewten wiesen darauf hin, dass man nicht mit allen befreun-det sein könne und dass einige Leute nicht zusammen arbeiten konnten. Die Gruppen-größe wird als ein wichtiges Kriterium für ein angenehmes Gruppenklima genannt. Sowar es in einigen Projekten üblich, Kleingruppen zu bilden, die dann für den Verlaufder Bauzeit zusammenarbeiteten.

In dem mit 52 Familien größten Projekt berichten alle Interviewten von der Schwie-rigkeit, die Vorstellungen aller in ein Projekt zu integrieren. Die Gruppengröße hatauch zu anderen Formen des Kennenlernens geführt: man kannte nicht alle Familien,sondern nur den Teil, der gerade mit einem zusammen gebaut hat. Die Äußerungenzum Gruppenklima in diesem Projekt sind distanzierter, ebenso wie die Äußerungen

Page 288: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

279

zum Träger, wobei der längere zeitliche Abstand seit der Fertigstellung hierbei eben-falls eine Rolle spielen dürfte.

Zwischen Frauen und Männern lassen sich in den Schilderungen dieses GeschehensDifferenzen beobachten. Insgesamt ist festzustellen, dass Frauen an einigen Bereichender Zusammenarbeit/der Gemeinschaft nicht teilnehmen (können). Da viele Frauennicht auf der Baustelle mitarbeiten, sind sie auf andere Gelegenheiten, Kontakte zuknüpfen, angewiesen. Die vier Projekte haben dafür unterschiedliche Lösungsmög-lichkeiten gefunden. In allen Projekten haben sich die Baufamilien vor Baubeginn ge-troffen, um sich kennen zu lernen. Einige Frauen haben dann nach Baubeginn gemein-same Nachmittage für Mütter und Kinder organisiert, damit sich gerade auch die Kin-der treffen können. Nur in einem Projekt ist dies in einer institutionalisierten Formgeschehen. In den anderen Projekten wurde das von den Frauen selbst organisiert. Dasfolgende Zitat soll als ein Beispiel noch einmal die positiven Aspekte der gemein-schaftlichen Arbeit, aber auch die Schwierigkeiten der Bauzeit und ihre Belastungenverdeutlichen:

"Das Schöne ist ja, wir haben trotzdem unseren Spaß gehabt dabei. Die Leute, diehier Schulter an Schulter gekämpft haben, die haben sich also tatsächlich näherkennen gelernt, haben eine unheimliche Gemeinschaft so von der Nachbarschaft,die schon klasse ist. Das ist natürlich jetzt alles, können wir sagen, das war einefurchtbare Zeit, zwei Jahre wie im Gefängnis hier, aber das hat auch schon Spaßgemacht." (Frau Koch)

Trotz der widrigen Umstände � durch die Arbeit � beschreibt die Interviewte Situatio-nen, in denen sie Spaß hatten. Die Selbsthelfer/innen sind gemeinsam gegen Widrig-keiten angetreten, haben diese "Schulter an Schulter" bekämpft, und dabei ist eineGemeinschaft herausgekommen, die "klasse", wenngleich auch unheimlich ist. DieBauzeit wird als ein Gefängnis beschrieben. Gefängnis heißt: unter Ausschluss vonÖffentlichkeit, Isolierung und Separierung von einem als "normal" und "frei" empfun-denen Leben. Es wird ein Gegensatz konstruiert zwischen der Bauzeit als Gefängnis-zeit auf der einen und dem Nicht-Inhaftier-Sein auf der anderen Seite. Obwohl dieSelbsthelfer/innen in der Bauzeit wie in einem Gefängnis zusammen waren � nämlichohne dass sie sich die Zellgenossen/Gruppenmitglieder aussuchen konnten � hatten sieSpaß.

Zu den äußeren BedingungenDie gute Stimmung untereinander bedeutet nicht, dass es keinen Stress oder Schwie-rigkeiten in der Zusammenarbeit gab. In den Interviews wird häufig als Problem dieZusammenarbeit mit der Organisation, der Leitung und in einem Fall die Architektingenannt ("der einzig miese Punkt hier war die Architektin").

Page 289: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

280

In zwei Projekten werden Probleme mit dem Träger hervorgehoben, so wurden in die-sen Projekten eine Reihe von Häusern erst nach Fertigstellung des Rohbaus verkauft.Dies bedeutete für die Baufamilien einen Mehraufwand an Arbeit, da sie mit einerkleinen Gruppe alle Häuser aufstellten. In einem Projekt trat der Konflikt auf, dass die"Nachrücker-Familien" ihre Eigenleistung im Innenausbau erbringen konnten undnicht für die Gemeinschaft arbeiten mussten. Die Siedlungssprecher betonen, dass diesfür den Gruppenzusammenhalt ein großes Problem darstellte, vor allem, da der Trägerdies mit der Gruppe nicht abgesprochen habe. Man fühlte sich benachteiligt und hattedas Gefühl, die schwere (undankbare) Arbeit für die später eingestiegenen Familienmitgeleistet zu haben. Diese Familien in die Gruppe zu integrieren wurde als schwierigbeschrieben.

In dem zweiten Projekt wurde der solidarische Zusammenhalt der Baufamilien aus-schließlich vor dem Hintergrund der massiven Probleme mit dem Träger beschrieben.Die Organisation des Bauvorhabens wird in verschiedenen Bereichen als mangelhaftbeurteilt. Es kam zu Verzögerungen, da Geräte und Material fehlten. Die Betreuungund Anleitung wurde in diesem Projekt von einer Firma übernommen und von denInterviewten übereinstimmend als unzureichend bezeichnet. In dem Kontakt zwischender Gruppe der Baufamilien und dem Träger kam es zu Auseinandersetzungen, da dieFamilien Mängelbeseitigungen etc. einklagten. Der Zusammenschluss und die großeSolidarität der Gruppe sind m. E. auch durch diese Schwierigkeiten begründet. Hierentsteht der Eindruck, dass in der Gruppe selber keine Probleme entstehen konnten, daalle auf den außen stehenden Träger verlagert wurden.

Unabhängig von der projektspezifischen Ausprägung der Zusammenarbeit zwischenden Baufamilien wurde in den Interviews deutlich, dass die Anleitkraft, der Polier,eine wichtige Funktion für den Gruppenprozess hat. Je nach Erfahrungshorizont undPersönlichkeit hat die Anleitung maßgebliche Einflussmöglichkeiten auf die Gestal-tung der Zusammenarbeit und der Arbeitsatmosphäre.

Die innere Dynamik einer Baugruppe und deren (organisatorische) Rahmenbedingun-gen lassen sich nicht immer trennscharf voneinander unterscheiden. Daher wird in denfolgenden beiden Abschnitten auf zwei zentrale Problemfelder hinsichtlich der Gestal-tung der Zusammenarbeit der Baufamilien während der Bauzeit eingegangen. Diesewurden jeweils in einem Projekt besondern hervorgehoben, sind jedoch in abge-schwächter Form ebenfalls in den restlichen Projekten thematisiert worden.

Page 290: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

281

"Das eigentliche Problem war die soziale Struktur"Massive Spannungen zwischen den Familien beeinträchtigten das Bauvorhaben in demoben bereits thematisierten problematischen Projekt. Das Ausmaß dieser negativenEntwicklung ist überraschend. In diesem Standort werden in den Interviews fast aus-schließlich Aussagen zu Konflikten, Spannungen etc. gemacht. Bestenfalls kommennoch neutrale Aussagen vor, wie beispielsweise "wir haben unsere Arbeit gemacht"oder "aus Streitereien haben wir uns raus gehalten". In dem Projekt kam es zu einerGruppenspaltung, es haben sich Untergruppen gebildet, die dann im Wesentlichen zu-sammengearbeitet haben. Die Atmosphäre beim Bauen ist charakterisiert durch Un-stimmigkeiten, persönliche Antipathien zwischen den Baufamilien bis hin zu massivenKonflikten, die zu Auseinandersetzungen, teilweise mit Anwälten, führten. Wie kames zu dieser Entwicklung?

Die organisierte Gruppenselbsthilfe setzt eine funktionierende Zusammenarbeit vorausund ist gekennzeichnet durch große gegenseitige Abhängigkeiten. Die Gruppe derSelbsthelfer ist eine zufällig zusammengesetzte Gruppe, deren Mitglieder sich nur zumgemeinsamen Zweck des Hausbaus zusammenschließen. Die Kriterien für die Auf-nahme in die Gruppe sind jedoch so unterschiedlich bzw. haben sich im Verlauf derVorbereitung und Planung der Projekte immer weiter verändert und ausgeweitet (auchFamilien, die keine Fördermittel bekommen etc.), so dass die soziale Zusammenset-zung der Gruppe nicht homogen ist. Die sozialen Differenzen sind im Hinblick auf denBauprozess in organisierter Gruppenselbsthilfe im Wesentlichen in zwei Bereichenvon Bedeutung: Die unterschiedliche ökonomische Situation der Baufamilien führteerstens in diesem Projekt zu einer unterschiedlich hohen Anzahl von zu leistendenSelbsthilfestunden. Wer mehr Geld hatte, musste nicht so viele Stunden arbeiten. DieMindeststundengrenze in diesem Projekt ist mit 800 Stunden im Vergleich niedrig an-gesetzt und viele Familien haben ihre Stundenzahl erhöht, da die Arbeit an den Häu-sern mehr Zeit in Anspruch nahm. Wer "nur" das Stundenminimum arbeitete, trug da-her gegen Ende der Baumaßnahme zu einem personellen Engpass bei.

"Das eigentliche Problem war die soziale Struktur hier. Weil sich ganz schnellrauskristallisiert hat, wer mit wem kann und dass sich Klübchen gebildet haben,dann wurde gegeneinander gehetzt. Der eine oder andere schlecht gemacht und soweiter und so fort. Es war hinterher nicht mehr zu ertragen. Es war echt soweit,dass man sich kaum noch gegrüßt hat mit manchen Leuten." (Herr Schneider)

Die interne Gruppenbildung ist in der Darstellung von Herr Schneider verbunden mitder Abgrenzung und Diffamierung der jeweils anderen Gruppenmitglieder. Er themati-siert die Gründe für diese Abgrenzungen nicht, gibt aber einen Erklärungsansatz fürdie aufgetretenen Probleme, es liege an der "sozialen Struktur". Aus seiner Sicht sinddie sozialen Differenzen, die nicht weiter ausgeführt werden, das Ausschlaggebende

Page 291: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

282

für die durch Konflikte gekennzeichnete Entwicklung des Bauprojekts. Die Problemein der Selbsthilfegruppe eskalierten derart, dass nicht mehr miteinander gesprochenwurde und "es war hinterher nicht mehr zu ertragen".

Die sozialen Differenzen bestehen zweitens auch im Hinblick auf die Qualifikationender Selbsthelfer. Eine handwerkliche Ausbildung oder Vorerfahrung erleichterte dieArbeit auf der Baustelle und führte zu einem produktiven Arbeitseinsatz. DiejenigenSelbsthelfer, die keine oder nur geringe Erfahrungen in diesem Bereich hatten, warenauf Anleitung angewiesen. Die in sehr unterschiedlichem Ausmaß vorhandenen hand-werklichen Kompetenzen wurden in diesem Projekt im Zusammenhang mit dem er-wirtschafteten Stundenlohn gesehen, der in Abhängigkeit von der Arbeitsleistung allerberechnet wird. Es ging also nicht nur darum, seine Stunden abzuarbeiten, sondernauch möglichst viel zu schaffen in der Zeit, damit der Stundenlohn steigen konnte.Durch eine solche Einstellung kann ein massiver Leistungsdruck entstehen, der hier zuKonflikten und Spannungen führte.

In der Einschätzung des Siedlungssprechers dieses Projektes ist die Fixierung auf dieArbeitsleistung der Einzelnen � auf die geleisteten Stunden und ihren Wert � die we-sentliche Ursache für die aufgetretenen Probleme in der Baufamiliengruppe. Da diefinanziellen Voraussetzungen unterschiedlich waren, war nicht bei allen Familien dieNotwendigkeit vorhanden, einen hohen Stundenlohn zu erwirtschaften und sich damitauch keinem so hohen Leistungsdruck auszusetzen.

"Das ist jetzt auch so, dass natürlich die Sachen, die Nachbarn, die dann in der Zeitauch regelmäßig in Urlaub gefahren sind und nur ihre Pflichtstunden absolviert ha-ben, indem sie die Schubkarre so langsam wie irgend möglich über die Baustellegeschoben haben, auch natürlich noch bis heute dann irgendwie so ein schlechtenBeigeschmack haben, wenn man sie trifft. Das bleibt eigentlich und das ist auchnicht gut für eine Nachbarschaft." (Frau Erdmann)

Die Bauzeit ist eine Ausnahmesituation, alle anderen Aktivitäten werden in der Bau-zeit dem Ziel des Hausbaus untergeordnet. In dem Zitat wird deutlich, dass sich in derAusnahmesituation des Bauprozesses eine ganz eigene Normalität entwickelt. In dieserNormalität ist es üblich, mehr Stunden zu arbeiten als das mögliche Minimum. EineFamilie, die "nur ihre Pflichtstunden" absolvierte, fällt aus dieser Normalität heraus.Ebenso von Bedeutung ist die Art und Weise, in der die Arbeitsleistung erbracht wird.Es geht nicht darum, die Stundenzahl voll zu bekommen, sondern in dieser Zeit dasMeistmögliche zu schaffen. Arbeit ohne Identifikation hat in einer Selbsthilfebaumaß-nahme keinen Platz.

Page 292: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

283

"Wir haben für die Gemeinschaft gearbeitet, und die haben für sich gearbeitet"In einem Projekt sind eine Reihe von Häusern erst verkauft worden, nachdem derRohbau bereits fertig war, d. h. einige Familien wurden erst nach der Rohbauzeit Mit-glieder der Baugruppe. Hier wurde als Problem die Arbeitsteilung innerhalb der Bau-familiengruppe zwischen den beiden Phasen (Rohbau und Innenausbau) thematisiert.Die "alte" Gruppe von Baufamilien hatte teilweise die Stundenanzahl beträchtlich er-höht, um alle Häuser fertig zu stellen. Die "neuen" Familien, die erst nach Abschlussder Rohbauphase dazu kamen, konnten (und mussten) ihren Selbsthilfeanteil im In-nenausbau erwirtschaften. Dies wurde von einem Teil der Baufamilien aus verschie-denen Gründen als ungerecht empfunden.

"... die Leute, die jetzt noch einziehen, die isolieren ihre Häuser selber, weil dieHäuser ja schon stehen. Die können ja keine andere Arbeit mehr machen. Und diekriegen für diese ... also die Arbeit schaffen sie mit Hilfe in 3, 4 Monaten und krie-gen dafür an Geld fast soviel gutgeschrieben wie wir wirklich für ein Jahr Arbeit."(Herr Feld)

Der Zeitaufwand für die Selbsthilfe ist um vieles geringer � so die Einschätzung diesesSelbsthelfers � wenn nur die Arbeit im Innenausbau zu bewältigen ist. Außerdem istder Innenausbau im Gegensatz zur organisierten Gruppenselbsthilfe witterungsunab-hängig, betrifft nur das eigene Haus und wird in der Regel in Einzelselbsthilfe geleis-tet. Diese Arbeit wird daher als leichter und angenehmer angesehen und ermöglicht esin der Einschätzung von Herr Feld, eine vergleichbare Eigenleistung zu erwirtschaften.Dies widerspricht allerdings dem Konzept der Projektreihe �Einfach und selber bau-en�, die eine zur Finanzierung ausreichende Eigenleistung nur in der Kombination desEinsatzes von Selbsthilfe im Rohbau und Innenausbau gewährleistet sieht.

Mit der Beschränkung auf den Innenausbau und damit auf Einzelselbsthilfe im Gegen-satz zu der Gruppenselbsthilfe in der Rohbauphase ist ein weiterer Konfliktpunkt ver-bunden. Die für die Siedlungsgemeinschaft geleistete Arbeit, wie beispielsweise dieGestaltung der Außenanlagen, wurde nur von einem Teil der Baufamilien geleistet.

"... und die kamen und sind sofort in ihre Häuser gegangen und konnten weiterma-chen. Ohne bei uns noch einen Finger krumm zu machen. Und das ist nicht ... wirhaben für die Gemeinschaft gearbeitet, und die haben für sich gearbeitet und ka-men wesentlich später ..." (Frau Koch)

Ebenso wie der im vorherigen Abschnitt dargestellte Leistungsdruck der Selbsthel-fer/innen ist auch die Arbeit für die Gemeinschaft eine der Grundvoraussetzungen derorganisierten Gruppenselbsthilfe. Obwohl das vorrangige Ziel der Bau des eigenenHauses ist, arbeiten die Baufamilien gemeinsam an der Fertigstellung aller Häuser(und der Außenanlagen). Dieses wird akzeptiert, so lange sich alle Familien daranbeteiligen. Familien, die erst nach Fertigstellung des Rohbaus zu der Gruppe der Bau-familien stoßen, profitieren von der Arbeit der anderen. Das, so formuliert es Frau

Page 293: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

284

Koch implizit, widerspricht der Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit in den Selbst-hilfeprojekten. Die Arbeit im Innenausbau des Hauses, die alle Familien neben demRohbau leisten müssen, wird als eine individuelle Arbeit angesehen. Um Teil der Ge-meinschaft zu sein, muss jedoch auch Arbeit für die Gemeinschaft geleistet wordensein. Diese Einschätzung verweist auf die prekäre Balance, die die Baufamilien untergroßem Druck und wenig (finanziellen, zeitlichen und sozialen) Ressourcen haltenmüssen.

7.2. Wohnen in der GemeinschaftDie Bauzeit ist beendet, die Familien sind eingezogen. Wie gestaltet sich nun dasnachbarschaftliche Leben in den Siedlungen? Bleiben die in der Bauzeit geknüpftenKontakte zwischen den Baufamilien bestehen oder verändern sie sich? Eines der Zieledes Konzepts der Projektreihe "Einfach und selber bauen" war die Schaffung von trag-fähigen nachbarschaftlichen Strukturen durch die Einrichtung von Gemeinschaftsflä-chen und -häusern. Haben diese Gemeinschaftseinrichtungen aus Sicht der Baufamili-en tatsächlich einen positiven Einfluss auf das Siedlungsleben?

7.2.1. Gemeinschaft im Zusammenleben: GemeinschaftshäuserEin wesentlicher Ausgangspunkt der Projektreihe "Einfach und selber bauen" ist dieGemeinschaftsorientierung, die in dem Konzept einer geschlossenen Siedlung, derGruppenselbsthilfe und in den zur gemeinschaftlichen Nutzung vorgesehenen Anlagenzum Ausdruck kommen. Hintergrund dieser Konzeption ist der Gedanke, dass einefunktionierende Nachbarschaft den Kern des sozialen Gebrauchswerts im Wohnungs-bau darstellt und nur selten von alleine entsteht. Der Prozess der Gemeinschafts- oderNachbarschaftsbildung kann durch die gemeinsam durchgeführte Gruppenselbsthilfeund andere Bedingungen, beispielsweise ein Gemeinschaftshaus, gemeinschaftlicheAufgaben etc., gefördert werden.

Die rechtliche Gestaltung der Projekte ist trotz des Eigenheimcharakters (Haus mitGarten) in der Regel als Wohnungseigentümergemeinschaften (nach dem Wohnungs-eigentumsgesetz - WEG) organisiert. Zusätzlich zu der hier üblichen Unterscheidungin Sondereigentum am Wohnhaus und den Anteilen des Gemeinschaftseigentums amGrundstück werden in den Kauf-/Teilungsverträgen differenziertere Regelungen hin-sichtlich Sondernutzungsrechten und Eigentumsanteilen getroffen. Im Gegensatz zu"normalen" Eigenheimgebieten verlangt diese rechtliche Konstruktion die dauerhafteRegelung von Gemeinschaftsaufgaben durch alle Nachbarn einer Siedlung. Diese Ge-meinschaftsaufgaben beziehen sich in der Regel auf die vier Bereiche Gemeinschafts-räume und -häuser, Gemeinschaftsflächen im Freiraum, Haustechnik und die äußereGestaltung der Gebäude. Diese Aufgaben können innerhalb der Siedlungsgemein-

Page 294: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

285

schaft und in Eigeninitiative geregelt werden, sie können auch professionell vergebenwerden (vgl. Beierlorzer/Boll 1998: S. 87ff.).

Im Folgenden geht es in erster Linie um die Frage, wie die Baufamilien zu den in vierProjekten vorhandenen Gemeinschaftshäusern (Bergkamen, Duisburg, Lünen undRecklinghausen) und den Gemeinschaftsflächen in den anderen drei Projekten stehen.Werden die mit der Konzeption verbundenen Vorstellungen, dem gemeinschaftlichenLeben einen Ort zu geben und es damit zu fördern, von den Baufamilien aufgegriffenund umgesetzt? Da einige Projekte zum Befragungszeitpunkt erst vor kurzer Zeit fertiggestellt wurden, können hinsichtlich der Umsetzung bislang nur wenige Erfahrungenberichtet werden.

Alle Befragten der Fragebogen-Erhebung wurden nach ihrer grundsätzlichen Einschät-zung zu dem Konzept eines Gemeinschaftshauses gefragt. Da die Gruppe der Baufa-milien in der Regel das Gemeinschaftshaus in Gruppenselbsthilfe erstellten, wurdeauch die Frage nach dem Bauverlauf aufgenommen. Darüber hinaus sind die Aspekteder Nutzung des Gemeinschaftshauses, der Spannbreite der möglichen Nutzungsartenund die organisatorischen Regelungen einzelner Projekte in der Fragebogen-Erhebungvon Bedeutung.

Abb. 41: Wie finden Sie die Idee eines Gemeinschaftshauses? (Angaben in %)

26,5

23

35,6

14,9

0

10

20

30

40

50

60

sehr gut gut weniger gut nicht gut

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=86, 3 fehlend)

Die Meinungen zu einem Gemeinschaftshaus sind gespalten, 50,6% der Familien fin-den die Idee gut bis sehr gut, wobei der Schwerpunkt mit 35,6% auf "gut" liegt. Dierestlichen Befragten verteilen sich fast gleichmäßig auf "weniger gut" (23%) und"nicht gut" (26,4%).

Bei der Beurteilung der Idee lässt sich ein Zusammenhang zwischen dem Vorhanden-sein eines Gemeinschaftshauses in einer Siedlung und der positiven Einschätzung fest-stellen. Nur neun der Familien, in deren Siedlung kein Gemeinschaftshaus vorhandenist, finden die Idee gut oder sehr gut. Umgekehrt verhält es sich mit den 52 Familien,die ein Gemeinschaftshaus haben: von denen finden fast die Hälfte (25 Familien) die

Page 295: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

286

Idee gut und neun Familien finden sie sehr gut. Insgesamt beurteilt mit mehr als einemViertel doch ein beachtlicher Teil der Familien das Konzept des Gemeinschaftshausesals �nicht gut�.

Der Bau des Gemeinschaftshauses musste zusätzlich zu der Arbeit an den eigenenHäusern geleistet werden. Diese Arbeit �für die Gemeinschaft� hatte möglicherweiseeine andere Qualität als die Arbeit an den eigenen Häusern. Wie wurde diese Zusatz-arbeit in den Bauprozess integriert und wie erlebten die Baufamilien den Bau des Ge-meinschaftshauses?

Abb. 42: Wie haben Sie den Bau des Gemeinschaftshauses erlebt? (Anzahl derNennungen in den Siedlungen mit Gemeinschaftshaus)

21

30

13

9

24

0 5 10 15 20 25 30 35

Sonstiges

der Bau desGemeinschaftshauseswar eine unnötige

Belastung

der Bau desGemeinschaftshauseszog sich über einen zulangen Zeitraum hin

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=50, 2 fehlende Werte, Mehrfachantworten)128

In allen Siedlungen wurde das Gemeinschaftshaus zum Ende der Bauzeit errichtet. DieFertigstellung verzögerte sich in allen beteiligten Siedlungen. Dieser Punkt wird in derBefragung am häufigsten genannt. Unter �Sonstiges� wurde betont, dass das Gemein-schaftshaus (immer) noch nicht fertig gestellt und daher auch nicht nutzbar sei. Diesheben Familien aus allen Projektstandorten mit Gemeinschaftshaus hervor. In Bezugauf die Finanzierung betont eine Familie, dass das Gemeinschaftshaus das Projekt un-nötig verteuere.

128 Die Grundgesamtheit bei dieser Frage lag bei n=52. In Bergkamen, Duisburg, Lünen und Recklinghausenwurde ein Gemeinschaftshaus gebaut, in den restlichen drei Projektstandorten nicht.

Page 296: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

287

Über die Nutzung des Gemeinschaftshauses entscheiden ausschließlich die Baufamili-en. Bei der Durchführung der Interviews stellte sich heraus, dass einige der Familienbereits Ideen entwickelt hatten, wie das Gemeinschaftshaus genutzt werden könne. Inder Fragebogen-Erhebung wurde abgefragt, ob diese Vorüberlegungen in der Nut-zungsphase tatsächlich umgesetzt wurden und ob weitere Nutzungsmöglichkeiten ent-wickelt wurden.

Abb. 43: Wie wird das Gemeinschaftshaus genutzt? (Anzahl der Nennungen)

1

20

21

22

30

9

0 5 10 15 20 25 30 35

Sonstiges

im Gemeinschaftshaus findet eine selbstorganisierteKinderbetreuung statt

das Haus wird für Feste genutzt

es besteht eine Nutzungsordnung, die Zeiten, Kostenetc. regelt

das Haus wird bislang kaum/nicht genutzt

das Haus ist bislang nicht fertiggestellt

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=52, Mehrfachantworten)

Auch bei der Frage nach der Nutzung des Gemeinschaftshauses wird die Nicht-Fertigstellung problematisiert, gefolgt von der mangelnden Nutzung, die 21,4% derAntworten ausmacht. Hier wird deutlich, dass die Nutzung bzw. Nichtnutzung desGemeinschaftshauses stark ortsabhängig ist. Bei beiden Items macht Duisburg mit 15bzw. 13 Nennungen den Hauptteil der Antworten aus. In Duisburg wird das Hauspraktisch nicht genutzt. Auch in Bergkamen wird es selten genutzt.

Eine Nutzungs- oder Hausordnung für das Gemeinschaftshaus besteht in Lünen (17Nennungen). In Recklinghausen gibt es eine Hausordnung, die Nutzungsordnung wirdnoch geregelt. Die Nutzungsarten werden unter �Sonstiges� ergänzt um die Punkte:"Tanzen, Sport, Spielen, Versammlungen". Vor dem Hintergrund der Interviewaussa-gen, die die Kinderbetreuung als eine zentrale Nutzungsmöglichkeit des Gemein-schaftshauses hervorhoben, war die faktisch nicht vorhandene Kinderbetreuung (1

Page 297: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

288

Nennung) in der Fragebogen-Erhebung überraschend. Auf der Grundlage der Frage-bogen-Erhebung kann man schließen, dass dies nicht oder bislang nicht umgesetztwurde. Auch hier wird unter �Sonstiges� angemerkt, dass in Bergkamen kein Hausvorhanden ist, sondern nur ein �Unterstand�. Für die Situation in Duisburg konstatierteine Familie: "das Haus wird wahrscheinlich nie genutzt werden" (014).

In der Fragebogen-Erhebung wurde ebenfalls nach den Gründen gefragt, warum dasGemeinschaftshaus aus der Sicht der Baufamilien nicht genutzt wird. Die genanntenGründe sind je nach Standort unterschiedlich. In Bergkamen betreffen sie in erster Li-nie die mangelnde Ausführung und Ausstattung des Gebäudes: "weil es bisher keinHaus, sondern nur ein offener Unterstand ist" (009), "weil es mangelhaft ist, einfacherBetonboden, der sehr uneben ist" (001). In Recklinghausen wird ebenfalls die Nicht-fertigstellung festgestellt: "es ist noch immer nicht fertig gestellt und dient noch als'Bauhaus'" (058), während in Lünen der Schwerpunkt der Kritik auf dem Baustandardund der Größe liegt: "schlechte Schallisolierung, zu klein, mehr als 30 Personen sindunmöglich" (083). Der Projektstandort Duisburg ist mit 12 von 19 Nennungen am häu-figsten vertreten. Auch hier ist die Bauweise und Ausstattung ein Thema: "keineWärmedämmung � nur Holztore, die nicht dicht schließen � Deckenhöhe viel zu hoch"(014). Dazu kommen als zu teuer eingeschätzte Heiz-, Strom- und Wasserkosten. DieZuständigkeit für das Gemeinschaftshaus ist unklar: "keiner fühlt sich zuständig"(011). Dies wird zum einen auf die Größe des Projekts mit 52 Familien zurückgeführt,zum anderen auf Mängel in der Organisation: "hatten keinen Ansprechpartner zur Fer-tigstellung" (011), "keine Unterstützung bei Gründung eines Trägervereins" (035). Ei-ne Familie fasst es zusammen:

"Unser Gemeinschaftshaus ist eine unmögliche Architektur und viel zu teuer. Es istnoch nicht fertig und entwickelt sich zu einer enormen finanziellen Belastung, beiso vielen Familien gibt es ständig Streit wegen des Gemeinschaftshauses." (012)

Bei der Betrachtung der Fragebogen-Ergebnisse und der Interviewaussagen ist es zent-ral, darauf hinzuweisen, dass die Gemeinschaft in den Projekten eine von außen kon-struierte ist. Die Initiierung der Projekte erfolgte durch die Internationale Bauausstel-lung bzw. durch den jeweiligen Träger und die Kommune. Die Familien wurden fürdie Projekte rekrutiert und lernten sich erst in der Vorbereitungs- und Planungsphasekennen. Das sie verbindende gemeinsame Interesse richtete sich (vorerst) ausschließ-lich auf den Hausbau. Der Bau eines Gemeinschaftshauses oder die Einrichtung vonGemeinschaftsflächen war in allen Projekten ein fester Bestandteil der Planung. DieBaufamilien hatten nur eingeschränkte Möglichkeiten, darauf Einfluss zu nehmen. Diezusätzlichen Kosten wurden auf die Familien umgelegt und waren Bestandteil der Fi-nanzierung. Die Kosten für das Gemeinschaftshaus oder die Flächen mussten alsonicht nur zusätzlich von den Familien getragen werden, auch der Bau wurde von ihnen

Page 298: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

289

in der Regel im Rahmen der Gruppenselbsthilfe erstellt. Die Gemeinschaft hat alsoihren Preis: zusätzliche Kosten und zusätzliche Arbeitsstunden.

Für die Zielgruppe der jungen Familien mit geringem Einkommen, die sich in denmeisten Fällen den Hausbau aufgrund äußert knapper finanzieller Ressourcen nur überden (massiven) Einsatz von Selbsthilfe leisten können, ist dies eine zusätzliche schwe-re Last. Die bereits vorhandene Knappheit an Zeit und Geld wird durch den Bau desGemeinschaftshauses noch verstärkt. Insofern kann man von dem Gemeinschaftshausauch als einem Paradox sprechen: Familien, denen wenig Ressourcen zur Verfügungstehen, sollen noch mehr für die Gemeinschaft aufbringen.

Die Einrichtung eines Gemeinschaftshauses setzt in der Regel voraus, dass ein ge-meinsames Interesse der beteiligten Familien vorhanden ist. In den Selbsthilfeprojek-ten wurde diese Maßnahme von �oben� verordnet; es handelt sich hier um eine vonaußen konzipierte Gemeinschaft. Bei Familien, deren vorrangiges Interesse in dem�Wunsch nach etwas Eigenem� liegt, ist nicht zwangläufig von einem Interesse an ei-ner Gemeinschaft auszugehen. Der Wunsch nach (Wohn-)Eigentum und Individuali-sierungstendenzen sind u. U. nicht kompatibel zu einem unter historisch anderen Um-ständen entstandenen Gemeinschaftsgedanken. Gemeinschaft wird heute wieder neuaktuell, aber ist die Form eines Gemeinschaftshauses vielleicht eher ein veralteter Ge-danke? Im Folgenden werden die Gemeinschaftshäuser und deren Beurteilung auf derGrundlage der Interviewaussagen dargestellt und analysiert.

Gemeinschaftshaus in Lünen-BrambauerIn dem Projektstandort Lünen befindet sich das Gemeinschaftshaus in der Mitte derkreisförmig angelegten Siedlungsanlage. Zum Zeitpunkt der Erhebung ist das Gemein-schaftshaus noch nicht fertig gestellt. Die "schleppende" Fertigstellung ist ein Kritik-punkt aller Interviewten, wobei nicht deutlich wird, ob die Fertigstellung in Gruppen-selbsthilfe oder durch beauftragte Handwerker erfolgen soll. In dem ersten Fall liegtdie Verantwortung für die Fertigstellung der Arbeiten bei der Gruppe, im zweiten Fallbei dem verantwortlichen Baubetreuer.

�Ich kann da so gar nichts zu sagen, weil, es ist ja einfach auch noch nicht fertigund ich kenne auch nur die Planungen und jetzt im Augenblick fehlen noch (...).Sehr schleppend. Andererseits ist der Geist, da so gemeinschaftlich drin zu arbeiteneben so ... das ist auch noch mal wieder so ein Zusammenraufen, ein Streichen vonFreizeit im Prinzip. Das dauert dann, denke ich, auch noch ein bisschen länger.�(Frau Feld)

Aus den Interviews geht nicht klar hervor, wo die Gründe für die schleppende Fertig-stellung liegen. Es wird angedeutet, dass nach dem Einzug und der Fertigstellung dereigenen Häuser keine Kraft mehr für andere Arbeiten mehr vorhanden ist, die Familiensind erschöpft. Sich nach den enormen Anstrengungen der Bauzeit wieder als Gruppe

Page 299: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

290

zu finden und die Arbeit am Gemeinschaftshaus zu beenden, bedeutet einen großenKraftaufwand. Frau Feld charakterisiert diesen Prozess als ein �Streichen von Frei-zeit�. Freizeit ist während der Bauzeit zu einem sehr seltenen und daher kostbarem Gutgeworden und auch nach dem Einzug in die Häuser nur wenig vorhanden. Sie dientder Entspannung und der (gesundheitlichen) Regeneration, beides Dinge, die die Bau-familien nach den Anstrengungen der Bauzeit dringend benötigen.

Abb. 44: Lünen: Innenhof mit Gemeinschaftshaus

(Foto: Grützner 2007)

Die Größe des Gemeinschaftshauses ist ein Kritikpunkt. Zur Unterbringung von 30Familien, das sind etwa 120 Personen, ist das Gemeinschaftshaus zu klein. Allerdingswird von den Baufamilien auch problematisiert, dass mit einem größeren Haus auchhöhere Kosten anfallen würden (Herstellung und Nebenkosten). Alle befragten Famili-en werten den Bau des Gemeinschaftshauses jedoch als positiv. Es hat sich bereits eineGruppe gebildet, die eine Nutzungsordnung erarbeitet und über verschiedene Nut-zungsmöglichkeiten (Sport, Spielraum für Kinder, Bastelabende, Skatgruppe, Raumfür Feste und Versammlungen) nachdenkt. Das Gemeinschaftshaus bietet neben einemGruppenraum auch ein Gästezimmer, dessen Nutzen von den Baufamilien ganz unter-schiedlich beurteilt wird.

"Von der Planung her ist es teilweise auch ein bisschen überflüssig. Zum Beispielwird da ein komplettes Gästezimmer eingerichtet, wobei sich kaum jemand hier in

Page 300: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

291

der Siedlung vorstellen kann, wer da wirklich mal übernachtet, weil die meisten jaschon Platz genug haben (...)." (Frau Feld)

Eine sechsköpfige Familie findet demgegenüber die Möglichkeit, Gäste außerhalb deseigenen Hauses unterzubringen, sehr sinnvoll.

Der Bau des Gemeinschaftshauses war in diesem Projekt ein fester Bestandteil derPlanung und wurde von den Familien nicht zur Disposition gestellt.

�Ja, es ist einfach mit drin im Hauspreis. Insofern, wir konnten uns das nicht aus-suchen. Das war von Anfang an dabei und da, denke ich, kann ich auch nur dieVorteile sehen. Von der Planung her ist es teilweise auch ein bisschen überflüssig.(...)Aber sonst, so um sich mal gemeinsam zu treffen und die Kinder spielen zu lassen,finde ich das eine schöne Sache.� (Herr Feld)

Im Hinblick auf das eingangs beschriebene Paradox lässt sich für Lünen feststellen,dass die Familien sich von vorneherein auf den Bau des Gemeinschaftshauses einge-stellt haben und dies weder im Bauverlauf noch nach Beendigung der Bauzeit in Fragegestellt haben. Es war für sie ein selbstverständlicher Bestandteil der Konzeption, undsie sehen das Gemeinschaftshaus grundsätzlich positiv. In diesem Projekt hat demnachdie von �oben� verordnete Gemeinschaft funktioniert, allerdings mit einer �schleppen-den� Fertigstellung aufgrund der Erschöpfung der Baufamilien.

�Haus der Mitte� in BergkamenIn Bergkamen war das Gemeinschaftshaus als ein "Haus der Mitte" Bestandteil derWerbung durch den Träger. In der Planungsphase war vorgesehen, das Gemein-schaftshaus zu Beginn der Bauzeit zu erstellen und es dann als Aufbewahrungsort fürMaterial und Werkzeug und als Umkleide- und Aufenthaltsmöglichkeit für die Selbst-helfer und Selbsthelferinnen zu nutzen. Von Trägerseite wurde diese Planung � nachAussage eines Verantwortlichen � aus logistischen Gründen129 geändert und das Ge-meinschaftshaus erst nach Erstellung der Eigenheime errichtet.

129 Aus Sicht des Baubetreuers wurde in dem Expertengespräch erläutert, dass die notwendigen Maschinen(Kran etc.) und das Material auf dem Grundstück sonst nicht hätten transportiert werden können.

Page 301: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

292

Abb. 45: Bergkamen: Gemeinschaftsfläche Abb. 46: �Gemeinschaftshaus� in Bergkamenund Blick auf �Gemeinschaftshaus�

(Quelle: Beierlorzer/Boll/Ganser 1999; (Foto: Grützner 2007)Foto: Lippsmeier)

Auch die konkrete Gestaltung des Hauses wich von der Planung ab: statt eines ge-schlossenen Hauses wurde ein �Unterstand� ohne Fenster errichtet, der zu zwei Seitenteilweise offen ist. Auf die Änderungen in der Ausführung des Gemeinschaftshauses(Unterstand mit Option zum Ausbau) durch den Projektträger reagieren die Interview-ten mit Enttäuschung über die aus ihrer Sicht nicht eingehaltenen Zusagen. Gegenüberder Planung wurde der Zeitpunkt der Erstellung verschoben und die Form des Ge-meinschaftshauses verändert, offensichtlich ohne Rücksprache und ohne Mitsprache-recht der Baufamilien.

"Und da waren doch einige Leute schon sehr frustriert, dass es nicht fertig gewor-den ist und dass es jetzt irgendwie mit den Kosten ja nicht ganz geklärt ist, wie dasjetzt fertig gemacht werden soll, wie das überhaupt läuft, und das war schon einbisschen enttäuschend, weil ja es eben immer als Gemeinschaftshaus gehandeltworden ist." (Frau Foss)

Auch in dieser Siedlung ist das Gemeinschaftshaus nicht fertig gestellt und es bestehtUnklarheit, wer die restlichen Arbeiten erledigt und wie die anfallenden Kosten ver-teilt werden. Die �Option zum Ausbau� (z. B. den Unterstand mit Seitenwändenschließen) verlagert die Entscheidung über die weitere Vorgehensweise und die damitverbundenen Kosten und Arbeit jedoch von der Seite des Baubetreuers auf die Baufa-milien. In der jetzigen Form sei das Gemeinschaftshaus nicht nutzbar, so eine Inter-viewpartnerin, es sei eine "Bretterbude"; die Möglichkeiten der Nutzung seien witte-rungsabhängig, bei Regen oder Kälte sei der Unterstand nicht zu gebrauchen.

Nach der Bauphase sind die BewohnerInnen auf selbst definierte Nutzungsformenverwiesen. Es bestehen Überlegungen, den Unterstand auszubauen und beispielsweisemit einer Theke oder einer Küche auszustatten. Als sinnvolle Nutzungsmöglichkeitwird das Gemeinschaftshaus als Ort für die Eigentümerversammlungen genannt. Aberüber Sinn und Nutzen des Gemeinschaftshauses bestehen innerhalb der Siedlung ver-schiedene Ansichten.

Page 302: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

293

"Ja gut, es gibt in einer anderen Siedlung solche Gemeinschaftshäuser und so wieman hört, funktionieren die da sehr schlecht. Die Leute kommen damit einfachnicht klar. Ich finde es eine relativ überflüssige Sache, muss ich ehrlich sagen."(Herr Engel)

Gemeinschaftshaus in DuisburgEine ähnliche Situation besteht in Duisburg, wo das Gemeinschaftshaus als Bestandteildes Vertrages zwischen Träger und Baufamilien gebaut wurde. Hier wurde jedoch ge-meinsam mit den Baufamilien über das Gemeinschaftshaus entschieden. In der Bau-phase gab es eine Auseinandersetzung über die Gestaltung des Hauses, und es wurdeüber den Bau des Hauses abgestimmt. Es waren nur sehr wenige Familien für den Baudes Gemeinschaftshauses, da es jedoch Vertragsbestandteil war, wurde der Rohbaufertig gestellt. Offensichtlich, so meine Vermutung, bestand die Übereinstimmung,dass der Träger sich in diesem Fall an die vertraglich festgelegten Vereinbarungenhält.

Der Innenausbau des Gemeinschaftshauses war bis zum Untersuchungszeitpunkt nichtabgeschlossen. Der Innenausbau muss von den Baufamilien selbst durchgeführt undfinanziert werden. Die Reaktionen der Befragten nehmen hauptsächlich das notwendi-ge Geld für den Innenausbau in den Blick. "Man braucht dafür Geld, und keiner willdas Geld dafür geben ..." (Herr Asche). In den Äußerungen steht dem notwendigenGeld kein konkreter Nutzen entgegen, der viele Baufamilien motivieren könnte, fürden Ausbau zu bezahlen.

Abb. 47: Duisburg: Gemeinschaftshaus

(Foto: Grützner 2007)

Page 303: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

294

Einige Familien versuchen, aus dem Haus etwas zu machen, die anderen kritisierendies und sind nicht bereit etwas zu investieren, sei es Zeit oder Geld. Das unfertigeHaus wird im Gegensatz zu der eigentlichen Intention � der Förderung von Gemein-schaft � in dieser Siedlung eher als Anlass zu Auseinandersetzungen wahrgenommen."Das ist eine Katastrophe. Das ist nur ein Grund zum Streit zwischen den Nachbarn."(Herr Markus)

Siedlungsmitte ohne Gemeinschaftshaus in HertenIn Herten war ein Gemeinschaftshaus in der Mitte der Siedlungsanlage geplant. AufBeschluss der Baufamilien wurde die Planung verändert, da dieses Haus nicht in dieGesamtkonzeption passe. Das Gemeinschaftshaus war in der gleichen Höhe wie dieEigenheime geplant und die Baufamilien fanden dies in der Mitte der Anlage nichtangemessen. Im Gegensatz zu Duisburg konnte gegen den Bau des Gemeinschaftshau-ses von der Gruppe der Baufamilien entschieden werden. Es ist zu vermuten, dass hiereine einstimmige Entscheidung vorlag, während in Duisburg einige Familien für denBau waren. Der Verlauf und das Ergebnis dieses Entscheidungsprozesses verweist aufeine große Flexibilität des Trägers. Die Baubetreuung ist an dieser Stelle auf die Wün-sche der Baufamilien eingegangen und hat nicht auf der Durchsetzung ihrer Planungbeharrt. Der gewonnene Platz wurde als Gemeinschafts- und Spielfläche für Kindergenutzt. Einige Familien bedauern, dass sie kein Gemeinschaftshaus haben. "Nein,leider nicht. Das haben wir nicht. Das wäre schön, wenn wir so etwas hätten." (FrauStein)

Abb. 48: Innenhof in Herten

(Foto: Grützner 2007)

Page 304: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

295

Aus den Äußerungen wird deutlich, dass nicht die Entscheidung gegen das Gemein-schaftshaus nachträglich in Frage gestellt, sondern dass ein Ort für die Gemeinschafts-aktivitäten als sinnvoll und wünschenswert erachtet wird. Der Wunsch nach einemGemeinschaftshaus entsteht aufgrund einer funktionierenden Nachbarschaft. Aller-dings sind Wunsch und Realisierung zwei unterschiedliche Dinge, denn wenn der Trä-ger in Herten auf dem Bau bestanden hätte, hätte die Einstellung der Familien zumGemeinschaftshaus auch anders ausfallen können (siehe Projekt Duisburg).

Einige InterviewpartnerInnen berichten, dass die Gruppe geplant habe, ein Gemein-schaftshaus an einer anderen Stelle auf dem Grundstück zu bauen.

�... weil, es wurde auch unheimlich hoch veranschlagt, dieses Gemeinschaftshaus,und die Männer haben so viel alleine gebaut und haben hinterher gesagt, also wennwir irgendwann einmal ein Gemeinschaftshaus haben wollen, dann werden wir dasalso hinten in der Ecke bauen, wo es also erstmal nicht auffällt, und (...) wenn esmal schlechte Tage sind, wollen wir es dann auch so bauen, dass man die Türenöffnen kann und wie so ein praktisch vergrößertes Gartenhaus. In der Art, aber daswollen die Männer dann irgendwann dann alleine bauen.� (Frau Thomas)

Grundsätzlich, so wird hier deutlich, ist nicht der Ort das Entscheidende für gemein-schaftliche Aktivitäten, sondern der Wunsch, gemeinschaftliche Aktivitäten durchzu-führen. In Herten sind bereits einige Feste gemeinsam geplant und durchgeführt wor-den.

"Wenn wir uns treffen, treffen wir uns meistens draußen. Wir haben auch so einZelt mal gekauft, wir bauen das auch schon mal auf, wenn das im Sommer dochnach Regen aussieht, dann kann man da auch sitzen." (Frau Stein)

Es geht auch ohne Haus, aber ein Haus ist unter bestimmten Voraussetzungen (Witte-rung) ebenfalls sinnvoll. Daher besteht der Plan, selber ein Gemeinschaftshaus zu bau-en. Inwieweit zu diesem Plan Bedenken bestehen, z. B. hinsichtlich der Kosten undArbeit, geht aus den Interviews nicht hervor. In diesem Standort gibt es ein reges ge-meinschaftliches Leben, das selber einen Ort findet oder sich schafft, nachdem sie dieFamilien gemeinsam gegen den Bau eines Gemeinschaftshauses entschieden haben.

Gemeinsamer Treffpunkt in GelsenkirchenIn Gelsenkirchen war kein Haus, sondern ein gemeinsamer Treffpunkt (Grillplatz) ge-plant. Der Grillplatz wurde auf allgemeinen Wunsch der Baufamilien in einen Spiel-platz umgewandelt. Die Entscheidung gegen einen gemeinschaftlichen Treffpunkt tra-gen alle Baufamilien. Auch in diesem Projekt zeigt der Träger die Flexibilität, auf dieWünsche der Familien einzugehen und die Planung zu verändern. Die Begründungenfür die Ablehnung eines gemeinschaftlichen Treffpunkts beziehen sich auf unter-schiedliche Aspekte. Zum einen wird hervorgehoben, dass in der Gruppe nur wenigeGemeinsamkeiten vorhanden sind.

Page 305: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

296

"(...) wir sind an sich doch alle realistisch in der Siedlung. Es weiß eigentlich jeder,dass wir nicht so viele Gemeinsamkeiten haben, dass wir unbedingt ein gemeinsa-mes Fest noch machen wollen." (Frau Erdmann)

Der Bauprozess hat in diesem Projekt eher zu Konflikten geführt und keine Grundlagefür ein gemeinschaftlich orientiertes Nachbarschaftsleben ermöglicht. Nach Abschlussder Bauphase besteht, so können wir dem Zitat entnehmen, kein Wunsch nach Aktivi-täten, die die gesamte Gruppe betreffen. Der Kontakt zu einzelnen Familien wird da-gegen bewusst gestaltet und beschränkt. In diesem Sinn argumentiert ein Interview-partner, dass die Nachbarschaft funktioniere und keines gemeinsamen Treffpunktesbedürfe.

"Wir pflegen also auch nachbarschaftliche Beziehungen hier zu anderen Nachbarn.Nicht zu jedem. Das begrenzen wir ganz bewusst und da kommt man eigentlichprima klar." (Herr Böll)

Konflikthafte Beziehungen, die im Verlauf der Bauzeit entstanden sind, haben dieseSiedlergruppe in verschiedene Lager unterteilt. Nachbarschaft funktioniert aufgrunddessen nur noch �reihenweise�, nur mit den Nachbarn, die direkt nebenan, in der glei-chen Reihe wohnen, oder mit denen man sich während der Bauzeit gut verstanden hat.Innerhalb der gesamten Gruppe ist es bislang nicht möglich gewesen, wegen der Kon-flikte als Gruppe zu agieren. Hier ist der Wunsch nach gemeinsamen Aktivitäten, wiebeispielsweise in Herten oder auch Lünen, nicht vorhanden. Die Ablehnung einesGrillplatzes hat u. U. noch dazu einen ganz praktischen Grund: Alle Familien habeneinen eigenen Garten und sind nicht bereit, das Grillen auf einen gemeinschaftlich ge-nutzten und in gewisser Weise öffentlichen Platz zu verlegen. Allerdings ist ein Grill-platz nicht auf diese eine Funktion festgelegt und hätte auch als allgemeiner Treff-punkt dienen können.

FazitZusammenfassend lässt sich sagen, dass sich der Umgang mit den Gemeinschaftshäu-sern in den Selbsthilfeprojekten unterschiedlich gestaltet, es jedoch in allen ein Prob-lem darstellt. In einigen Projekten stand die Entscheidung für den Bau eines Gemein-schaftshauses zur Disposition, und in zweien wurde dagegen entschieden. In den Pro-jekten, in denen die Entscheidung unumstritten war, gestaltete sich der Prozess derFertigstellung problematisch. Die vorhandenen Gemeinschaftshäuser waren zum Zeit-punkt der Befragung noch nicht gebrauchsfähig, wobei in einem Fall das Gemein-schaftshaus bereits seit mehreren Jahren in einem unfertigen Zustand war. In der Pro-jektreihe �Einfach und selber bauen� geht es um das Minimale: kleine Häuser, kleineGrundstücke und geringe Kosten. Mit dem Bau und der Unterhaltung eines Gemein-schaftshauses wird den beteiligten Familien eine zusätzliche Leistung abverlangt, dieunter den Bedingungen der Selbsthilfe eher zu einer von außen aufoktroyierten Last

Page 306: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

297

wird. Dies zeigt sich deutlich in den Realisierungsschwierigkeiten der einzelnen Pro-jekte. Der im Kontext von genossenschaftlichen Traditionen und Wohnreform entstan-dene Gemeinschaftsgedanke wird in diesen Projekten in moderne Lebensverhältnissetransportiert und dies in der Kombination mit Eigentum. Der Wunsch nach �Eigenem�konkurriert dabei mit der Ideologie der Gemeinschaft. Die Ergebnisse der Fragebogen-Erhebung zeigen deutlich, dass der Wunsch nach einem Gemeinschaftshaus bei derknappen Mehrzahl der Familien vorhanden war, insofern lag die IBA mit der Konzep-tion richtig. In der Realisierung sind dem jedoch aufgrund der Belastbarkeit der Fami-lien eindeutige Grenzen gesetzt. Daher ist meiner Ansicht nach unter diesen Bedin-gungen nicht davon auszugehen, dass alle Baufamilien Interesse und Engagement aneinem gemeinschaftlich genutzten Ort haben bzw. entwickeln.

Wenn das Gemeinschaftshaus erst nach dem Einzug in die Eigenheime gebaut wird,verzögert sich der Bau erfahrungsgemäß. Dies ist verständlich, da die Baufamilien ei-ne sehr anstrengende Bauzeit hinter sich haben und Zeit und Energie fehlen, direkt aneinem Gemeinschaftshaus weiterzubauen. Der Nutzen eines Gemeinschaftshauses istdarüber hinaus vielen Familien unklar. Meines Erachtens ist aber genau das die Vor-aussetzung für ein Gemeinschaftshaus: das gemeinsame Nutzungsinteresse, derWunsch nach gemeinschaftlicher Aktivität. Wie in dem Hertener Projekt deutlichwurde, ist dieser Wunsch, mehr noch als nur ein Ort, Voraussetzung für gemeinschaft-liche Aktivitäten. Das Engagement und die Beteiligung sind in allen Gruppen unter-schiedlich. Dies ist m. E. nicht als problematisch zu sehen und kann sich im Laufe derZeit auch verändern.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass die Kosten des Gemeinschaftshauses (Geld undArbeit) nicht zusätzlich zu dem Hausbau von den Familien geleistet werden können,sondern beispielsweise durch Landesmittel gefördert werden müssten. Um den Ein-stieg in das gemeinschaftliche Wohnen zu erleichtern, wäre es sinnvoll, wenn das Ge-meinschaftshaus nach Abschluss der Bauphase bereits fertig gestellt ist. In der Studiezu Gemeinschaftshäuser in Nordrhein-Westfalen kommen Bärsch und Simbringer(2001) zu dem Schluss, das im Umgang mit Gemeinschaftseinrichtungen in Deutsch-land � etwa im Gegensatz zu Dänemark � wenig Erfahrungen vorhanden sind und da-her eine Begleitung der Bewohner und Bewohnerinnen sinnvoll sei. Dies wäre meinerAnsicht nach auch auf Selbsthilfeprojekte und Wohneigentumsmaßnahmen anzuwen-den.

Page 307: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

298

7.2.2. Nachbarschaftlicher Kontakt nach der Bauzeit in den InterviewsAls ein wichtiger Aspekt bei der Untersuchung der Wohnzufriedenheiten und Wohn-verhältnisse wird die Nachbarschaft angesehen (s. o.). Die Bedeutung einer funktionie-renden Nachbarschaft liegt in erster Linie im Kommunikationsbereich und (gegensei-tigen) Hilfeleistungen. Schneider/Spellerberg (1999:219) weisen darauf hin, dass inden alten und neuen Bundesländern die engen Nachbarschaftskontakte von Anfang der90er Jahre bis 1997 zurückgegangen sind. Die Autorinnen ordnen diese Entwicklungin eine schon seit den 70er Jahren beobachtete Tendenz ein, nach der die direkteNachbarschaft kontinuierlich an Bedeutung verliert. Allerdings gilt dies für die ver-schiedenen sozialen Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß (vgl. Kap. II.3).

Die in der Forschung zu Nachbarschaftskontakten erwähnten Funktionen, Kommuni-kation und Hilfeleistungen werden auch in den Interviews betont. Die Beurteilung desnachbarschaftlichen Zusammenhalts der Siedlung geschieht vor dem Hintergrund derErlebnisse während der gemeinsamen Bauzeit. Daher fallen auch bei diesem Punkt dieEinschätzungen der Baufamilien je nach Projektstandort unterschiedlich aus. Insge-samt ist jedoch festzuhalten, dass trotz der häufig sehr kritischen Bewertung der Grup-penselbsthilfe und der Gemeinschaftseinrichtungen die Gesamteinschätzung derNachbarschaft in fast allen Fällen positiv bis sehr positiv ausfällt.

�So eine Nachbarschaft, ja wie man sie von früher noch kennt�Die in den Interviews gemachten Äußerungen zum nachbarschaftlichen Leben bezie-hen sich in ihrer Einschätzung auf ein Idealbild von Nachbarschaft: �wie es frühereinmal war�. Als wichtige Bestandteile dieses Idealbildes nennen die Familien die Ü-berschaubarkeit der Siedlung und dass man jeden kennt.

�Es ist auf jeden Fall zu befürworten, solche Projekte sind einfach klasse, weil hierwird was geschaffen, was es eigentlich gar nicht mehr gibt heutzutage, so eineNachbarschaft, ja wie man sie von früher noch kennt, wo jeder jeden kennt undauch die Kinder kennen sich alle. Wo gibt's denn so etwas noch? Die Neubaugebie-te, die kaufen irgendein Haus, die ziehen dann da ein irgendwann ...� (Herr Stein)

Die Selbsthilfesiedlungen werden den �konventionellen� Neubausiedlungen gegenübergestellt, in denen sich die Nachbarn erst nach dem Einzug � wenn überhaupt � kennenlernen. Die Überschaubarkeit und die persönlichen Beziehungen zwischen den Nach-barn verleihen der Siedlung einen quasi familiären Charakter.

�Hier kannst du hinkommen wo du willst, komm rein und setz dich hin und willstDu was trinken und das ist eine Großfamilie, sagen wir mal. So haben wir uns dasvorgestellt, wie es früher war. Das ist ja jetzt ein Wohnhof, und so war's ja früherauch, dass sich alle getroffen haben, abends vor dem Haus unter Bäumen oder wasund haben geredet oder Fernsehen oder Radio oder Federballspielen und so etwas.�(Herr Jordan)

Page 308: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

299

Unterstützt wird die Herstellung von Beziehungen und Kontakten durch die baulicheGestaltung der Siedlungen, die in vielen Fällen um eine Gemeinschaftsfläche herumangelegt sind. Der so entstandene Wohnhof ermöglicht es, zwanglos Kontakte herzu-stellen und gemeinsame Aktivitäten spontan zu organisieren. Auch Herr Jordan stellteinen Bezug zu dem Idealbild früherer nachbarschaftlicher Beziehungen her. Er ver-mittelt den Eindruck, sich so eine �ideale� Nachbarschaft für das Selbsthilfeprojektvorgestellt und gewünscht zu haben. Insgesamt werden Wohnatmosphäre und Lebens-qualität in den Siedlungen durch das Vorhandensein von persönlichen Beziehungendeutlich verbessert.

�Ich meine, ich kann so eine Sache natürlich nicht vergleichen mit einem Hausbauin einer konventionellen Art und Weise. Ich kenne hier jeden meiner Nachbarn.Man spricht auch miteinander. Man hilft sich auch untereinander, jetzt die direktenNachbarn zum Beispiel. So, und dass ist natürlich auch eine ganz andere Atmo-sphäre und eine ganz andere Lebensqualität als so anonym in irgendeinem Wohn-haus. (...) Also von der Warte her ist da schon mehr mit Gemeinschaft als bei vie-len anderen Sachen.� (Herr Bayer)

Gemeinsame Aktivitäten, Kontaktmöglichkeiten und HilfeleistungenGemeinsame Aktivitäten und Hilfeleistungen sind je nach Projekt in unterschiedli-chem Ausmaß vorhanden. Der Ausgangspunkt der Nachbarschaftsentwicklung ist füralle Siedlungen gleich: alle Selbsthelfer/innen kennen sich von der Bauzeit. Diese Tat-sache wird je nach Verlauf der Bauzeit unterschiedlich bewertet.

�... also ich finde, es hat unheimlich viel gebracht. Man lernt die Leute wirklichauch kennen, zu der Zeit. Nicht nur mal so unter schönem Wetter, sondern auch bei(...) Zank, Streit oder irgendwie so etwas ... doch das hat also mit geholfen.� (FrauThomas)

In der Sicht von Frau Thomas legt die gemeinsame Bauzeit, trotz möglicher Konflikte,den Grundstein für nachbarschaftliche Beziehungen. Hilfeleistungen sind durchgängigeine Selbstverständlichkeit in den Siedlungen, zumindest für die direkten Nachbarn.Auch von gegenseitiger Kinderbetreuung und einem gemeinsamen car-sharing wird inden Interviews berichtet. Einige Siedlungen haben ein schwarzes Brett zur Nachrich-tenübermittlung innerhalb der Siedlung, denn auch nach dem Ende der Bauzeit sindgemeinschaftlich Aufgaben wie z. B. die Pflege der Grünflächen zu erledigen. Niko-lausfeiern, Sommerfeste oder Vatertagstouren sind nur einige der gemeinsamen Akti-vitäten, die stattfinden.

Neben organisierten Aktivitäten sind es jedoch die alltäglichen Begegnungsmöglich-keiten oder Rückzugsräume, die von den Familien geschätzt werden.

�Das ist auch der Vorteil hier, wenn ich halt meinen Kaffee nicht alleine trinkenmöchte nach der Arbeit, wenn man einfach jemand braucht, um ein bisschen zuquasseln, dann setze ich mich mit einer Tasse Kaffee nach vorne. Da kommt schon

Page 309: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

300

irgendwer. Wenn ich aber meine Ruhe haben will, dann setze ich mich halt nachhinten.� (Herr Arche)

Eine wichtige Voraussetzung für den nachbarschaftlichen Kontakt stellt demnach dieindividuelle Wahlmöglichkeit dar. Durch die bauliche Gestaltung der Siedlung liegtder eher öffentliche Eingangsbereich von Herrn Arche zum Wohnhof, hinten liegt dieprivate Terrasse mit Garten.

Auch nach Abschluss der Bauarbeiten werden gemeinsame Treffen, wie z. B. ein Ke-gelabend der Männer beibehalten. Auf die unterschiedliche Einbindung der Frauen indie durch die Bauzeit entstandenen Kontakte wurde bereits hingewiesen.

� ...aber das haben wir nach dem Umzug erst möglich gemacht, dass wir Frauengesagt haben, jetzt können die Männer mal die Kinder hüten und wir hauen mal ab.Wir sind dann einfach mal zusammen essen gegangen. (...) Das haben wir beibe-halten, so alle paar Monate ... irgendwie so in verschiedenen Abständen gehen wirdann mal essen oder anschließend auch mal tanzen und die Männer haben ihre Ke-gelabende beibehalten.� (Frau Sand)

Mit dem Umzug in das neue Haus entstehen also auch neue Netzwerke, die von denFrauen selbst initiiert werden. Wie lange diese regelmäßigen Aktivitäten Bestandteilder nachbarschaftlichen Kontakte bleiben, ist unsicher. In dem bereits Anfang der 90erJahre fertig gestellten Projekt lösten sich diese gemeinsamen Treffen nach einiger Zeitauf.

Probleme der Intimität: Nähe und DistanzTreten während der Bauzeit Konflikte unter den Baufamilien auf, so kann es nach derBauzeit schwierig sein, nachbarschaftliche Kontakte aufzubauen. Die Bauzeit wurdevon den befragten Familien als ein Ausnahmezustand, eine Extremsituation erlebt.Gerade die Intensität des Kennenlernens durch die gemeinsam geleistete Selbsthilfekann zu Problemen bei der Rückkehr in den normalen Alltag führen.

"Hier kennt man alle und man hat sich kennen gelernt, ob man wollte oder nicht.Man hat sie (...) teilweise so intim kennen gelernt, so würde man ja nie seinenNachbarn ... So, und jetzt hat man diesen Menschen aber anderthalb Jahre wirklichbis ins tiefste Innerste hineingeleuchtet, ja und das macht das Zusammenleben na-türlich dann auch wieder etwas schwieriger. Weil man sich so gut kennt. Und wirverfahren jetzt wirklich so, wir sagen nach rechts guten Tag und sagen nach linksguten Tag. Und das reicht auch. Denn wir haben festgestellt, zuviel Intimität gehtauf Dauer nicht gut." (Frau Müller)

Durch die übergroße Nähe und Intimität während der Bauzeit hat diese Familie dasBedürfnis, im Alltag eine Distanz herzustellen und einen oberflächlichen Kontakt zupflegen. Auch in dem Fall von Familie Sand wird darauf geachtet, ein Gleichgewichtzwischen Nähe und Distanz aufrechtzuerhalten.

�So engen Kontakt haben wir zu drei, ja drei Ehepaaren, mit denen wir uns auchabends schon mal zusammensetzen oder auch zusammen grillen, eben einmal die

Page 310: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

301

direkten Nachbarn und zwei andere Familien, wo einfach Interessen ähnlicher ge-lagert sind (...) Ich hoffe nur, dass es so bleibt, dass es nicht mal eben zu eng wirdund dadurch dann auch Probleme gibt, weil, das haben wir in einem anderenWohngebiet mal kennen gelernt, dass wir mit 8, 9 Ehepaaren Kontakt hatten unddann eine Scheidung war und dann ging das Chaos los. Und von daher habe ich e-her so die Bedenken gehabt, dass es zu eng wird, die Distanzlosigkeit zu groß wird,und das ist also nicht.� (Frau Sand)

Von eher distanzierten Kontakten wird auch von einigen anderen Familien berichtet.Dort tritt die gemeinsame Bauzeit in den Hintergrund und unverbindliche Nachbar-schaftsbeziehungen gestalten den Alltag.

Die Grenzen der GemeinschaftDie Schwierigkeiten der Balance zwischen Nähe und Distanz in den Beziehungen zwi-schen den Familien nach dem Ende der Bauzeit verweisen bereits auf eine deutlicheGrenze der Gemeinschaft. Eine weitere liegt in dem potentiell konfliktreichen Umgangmit den Gemeinschaftsflächen und -einrichtungen. Einige der interviewten Familienberichten über Auseinandersetzungen in der Pflege der Gärten etc. Auch wenn es umdie Gestaltung des eigenen Hauses geht, stehen bei einigen Familien individuelle Ein-zelinteressen vor dem Gemeinschaftsinteresse.

�Das wird immer so schön hingestellt, Gemeinschaft, Gemeinschaft. Irgendwannlegt sich das und dann sind das 28 Einzelkämpfer.� (Herr Dorn)

Am deutlichsten wird dies in der Frage, wie die Selbsthilfeprojekte mit Ansprüchen anden Träger umgehen, beispielsweise bei Baumängeln. In der Bauzeit waren in der Re-gel alle Baufamilien von organisatorischen Problemen gleich betroffen. Nach dem En-de der Bauzeit werden die Problemlagen wieder individueller und auch die Lösungs-wege werden es zunehmend. Allerdings erfolgt das nicht unreflektiert:

�Wir haben jetzt den Punkt erreicht, wo wir eigentlich dann ... wo wir jetzt einbisschen Probleme haben mit der Gemeinschaft. Sonst war es immer so, dass wirimmer gesagt haben, wenn so eine Sache alle angeht, dann haben wir gemein-schaftlich ein Schreiben verfasst und das wurde praktisch von allen mitgetragen.Jetzt geht es leider darum, das teilweise in bestimmten Häusern solche Baumängelauftreten, dass die z. B. beim Gutachten jetzt vom Bauträger (...) haben ermittelnwollen, ob denn das tatsächlich unzumutbar ist. Wenn man z. B. das Laufgeräuschdes Nachbarn an der Treppe hört. Wenn jetzt nebenan jemand hoch- und runter-geht, dass man das hier so extrem mitbekommt, dass man sich belästigt fühlt. Daswurde dann auch auf Drängen dann auch gemacht, so ein Gutachten nach DIN,richtig mit Meßmethode und mit allem, was dazugehört. Und Sinn der Übung warnachher, dass raus kam, das ist doch alles im Toleranzbereich. Und jetzt geht's haltdarum, wie können wir die Leute unterstützen, oder können wir die überhaupt un-terstützen als Gruppe, dass wir gesagt haben, also wir empfinden dieses Geräuschwohl ein bisschen, aber lange nicht so stark wie ihr, können wir jetzt mit euch inein Boot setzen, zum Rechtsanwalt gehen und eine Gruppenklage machen. Da hört

Page 311: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

302

das irgendwo dann auf, dass man jetzt sagen muss, da muss dann jeder für sichauch kämpfen oder so.� (Herr Koch)

Fazit: Perspektiven der Gemeinschaft?Die Selbsthilfeprojekte haben gute Voraussetzungen für eine funktionsfähige Nachbar-schaft und dies sowohl hinsichtlich der bereits vorhandenen Beziehungen als auch inBezug auf die Gemeinschaftsanlagen. Durch die Bauzeit entsteht ein intensiver Kon-takt zwischen Familien, die sich vorher nicht kannten. Das gemeinsame, unter erhebli-chen Anstrengungen erreichte Ziel des eigenen Hauses schafft einen Bezugspunkt fürpositive wie auch für negative Beziehungen. Erfahrungsgemäß schwächt sich die In-tensität des nachbarschaftlichen Kontakts nach Ende der Bauzeit ab. Wie sich dieNachbarschaft in einem Projekt weiterentwickelt hängt m. E. von Begegnungsräumenund individuellen Rückzugsmöglichkeiten ab. Ein Gemeinschaftshaus kann diese Be-gegnungsstätte bieten, ist aber kein Garant für nachbarschaftliche Kontakte. Abhängigvon Gruppendynamik und gemeinsam erlebter Bauzeit werden die Gemeinschaftsan-gebote genutzt und auch entsprechend positiv oder negativ bewertet. Letzteres lässtsich v. a. im Projekt Duisburg erkennen, in dem das Gemeinschaftshaus von den meis-ten Familien weder akzeptiert noch genutzt wird. Hier sind deutliche Grenzen der Ge-meinschaft zu erkennen.

"Fehl- bzw. nicht beraten sind die Projekte, die sich aufwendige Gemeinschaftsan-lagen oder Erschließungshöfe baulich leisten, die dann in der Praxis nicht oderschlecht genutzt werden. Diese werden dann leicht zu Denkmälern enttäuschterErwartungen. Wirkliche Wohngruppenprojekte definieren sich weniger baulich alsin der Form des alltäglichen Zusammenlebens, im Aufbau informeller Nachbar-schaftshilfe nach innen und außen." (Novy 1989: 59)

Klaus Novy macht darauf aufmerksam, dass die gebaute Gemeinschaft einen Rückfallhinter bereits erreichte Privatheits-, Rückzugs- und Anonymitätsansprüche bedeutenkann. Daher müssen die haushaltsübergreifenden Lebenszusammenhänge besondersauf die Balance von Privatheitsmöglichkeit und Nachbarschaftsoption achten (Novy1989: 60).

8. Schluss-Reflexionen der BaufamilienIn den vorangegangenen Kapiteln wurde die Innensicht der Baufamilien und ihre Er-fahrungen mit dem komplexen Prozess "Bau eines Eigenheims" und den damit ver-bundenen Chancen und Problemen dargestellt und analysiert. Wie schätzen die Bau-familien vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen nun das Gesamtprojekt ein? Wiewerden die in vielen Bereichen deutlich gewordenen Ambivalenzen und Widersprüchevon ihnen im Nachhinein bewertet? Diesen Fragen wird im Folgenden anhand der Be-reiche Wohnzufriedenheit, Gesamteinschätzung (�Würden Sie es noch einmal ma-

Page 312: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

303

chen?) und der Frage nach Änderungsvorschlägen und notwendigen Rahmenbedin-gungen nachgegangen.

8.1. WohnzufriedenheitDie Frage nach der Zufriedenheit mit der gegenwärtigen Wohnsituation ist ein kom-plexer Bereich, dessen empirische Erfassung sich problematisch gestaltet. Die Zu-sammenhänge, aus denen heraus Bedürfnisse artikuliert werden, sind kompliziert. Dieerfragbaren subjektiven Einstellungen sind häufig das Ergebnis eines Vergleichs zwi-schen Erwartungen und Wirklichkeit, wobei unterschiedliche soziale Gruppen diver-gente Standards anlegen. Wie wir aus der Zufriedenheitsforschung wissen, besteht eineTendenz zur (resignativen oder aktiven) Anpassung der Wünsche an die aktuelleWohnsituation und daraus resultierend eine steigende Zufriedenheit mit der Wohnsitu-ation (dies ist insbesondere von der Wohndauer abhängig).130

Der Rechtstatus stellt im Zusammenhang mit der Wohnzufriedenheit (mit dem Wohn-ort) einen der signifikanten Faktoren dar. Nach der Untersuchung von Schnei-der/Spellerberg sind Eigentümer zufriedener als Mieter, was die Autorinnen auf ihregrößere emotionale und mentale Bindung an den Wohnort zurückführen (Schnei-der/Spellerberg 1999: 209). In ihrer Untersuchung finden sie heraus, dass der Rechts-status den wichtigsten Einfluss auf die Gestaltung der Nachbarschaftskontakte hat."Eigentümer pflegen ein deutlich intensiveres Nachbarschaftsverhältnis als Mieter"(Schneider/Spellerberg 1999: 280). Es wird dabei jedoch nicht unterschieden zwischenHaus- und Wohnungseigentümern, was vor dem Hintergrund der Organisation derSelbsthilfe-Projekte als Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) eine wichtigeDifferenzierung wäre. Ein interessantes Ergebnis der Studie von Schneider/Spellerbergist, dass Haushalte mit Kindern in der Einschätzung der Zufriedenheit nicht besondershervorstechen, obwohl ihnen allgemein ein besonders enger Nachbarschaftskontakt,der über die Kinder vermittelt sei, zugesprochen wird.

Um die Zufriedenheit mit der Wohnsituation ermitteln zu können, wurden verschiede-nen Faktoren der Wohnsituation erhoben. Ein wesentlicher Punkt � das wurde im vor-herigen Kapitel deutlich � ist das nachbarschaftliche Miteinander in der Siedlung. Alsein weiterer Indikator für die Wohnzufriedenheit wurde in der Fragebogen-Erhebungnach einer allgemeinen Einschätzung der Wohnsituation und einer differenzierten Ein-schätzung bezogen auf Ausstattungsmerkmale der Wohnungen und des Wohnumfeldes(Freiraumgestaltung und Siedlungslage) gefragt.

130 Prägnant zusammengefasst: "Die Abfrage eines Wunsches erfasst nur einen momentanen Status quo, der dasErgebnis teilweise schmerzhafter Prozesse resignierter Anpassung sein kann." (Häußermann/Siebel 1996:219), vgl. auch Bourdieu 1998.

Page 313: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

304

Allgemeine Einschätzung der aktuellen Wohnsituation:Die Frage nach der allgemeinen Einschätzung der Familien bezieht sich auf einenVergleich zwischen der vorherigen und der aktuellen Wohnsituation. Die allgemeineEinschätzung der aktuellen Wohnsituation ist weit überwiegend positiv. Der Hausbauwird als eine große Verbesserung der Wohnsituation gesehen.

Mit 78,7% hat die überwiegende Mehrheit der Baufamilien angegeben, dass sich ihreWohnsituation sehr verbessert hat. 16,9% der Familien beschreiben ihre Wohnsituati-on als "etwas verbessert". Nur drei Familien haben eine Verschlechterung angegeben,darunter fallen zwei Familien aus Lünen ("etwas verschlechtert") und eine Familie ausBergkamen ("sehr verschlechtert").

Welche Bereiche tragen nun in der subjektiven Einschätzung der Baufamilien zu die-ser verbesserten Wohnsituation bei? Neben den Vorteilen der neuen Wohnsituation fürKinder werden bei den Befragten in den Interviews die Themen Hausgestaltung,Wohnumfeld und Nachbarschaft dargestellt. Ein differenzierter Blick auf die Faktoren,die die Wohnsituation näher beschreiben, macht deutlich, dass insbesondere die deutli-che Verbesserung der Wohnsituation der Kinder zu einer positiven (Gesamt-) Ein-schätzung führt.

Wohnsituation der KinderDa die Konzeption der Projektreihe �Einfach und selber bauen� von einer geschlosse-nen und gemeinschaftsorientierten Siedlungsgestaltung ausgeht, sind in allen Projektengemeinsame Grünflächen und Spielplätze vorhanden. Je nach Anlage der Siedlungentsteht z. B. in Herten und Lünen ein geschützter, autofreier Raum im Siedlungsinne-ren, der sowohl gute und sichere Spielmöglichkeiten für Kinder bietet, als auch denEltern eine problemlose Beaufsichtigung ermöglicht.

Page 314: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

305

Abb. 49: Wohnsituation der Kinder

0%

10%20%

30%

40%

50%60%

70%

80%90%

100%

Die Kinder haben ausreichend Platz imHaus

Die Kinder können gut draußen spielen

trifft nicht zu trifft teilweise zu trifft zu trifft voll zu

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n= 85, n=86)

Das Gelingen der Siedlungsanlage spiegelt sich in der sehr positiven Einschätzung derBaufamilien hinsichtlich der Wohnsituation ihrer Kinder wider. Die Räumlichkeitenfür Kinder im Haus werden nur von zwei Familien (aus Duisburg) als nicht ausrei-chend bezeichnet und zehn Familien charakterisieren sie als nur teilweise ausreichend.Die Verteilung nach Orten zeigt, dass insbesondere in Gladbeck und Herten die Raum-frage in der Einschätzung der Baufamilien sehr gut gelöst wurde.131

Das Vorhandensein von Spielflächen und -möglichkeiten für Kinder wurde insgesamtnoch positiver als die Wohnsituation im Haus beurteilt. Die Ausprägung �trifft nichtzu� wurde von keiner Familie genannt, und knapp 90% der Befragten beurteilt dieMöglichkeit für Kinder, draußen zu spielen, als gut bis sehr gut. Auch in den Inter-views bestätigt sich diese Einschätzung und wird noch um einige Aspekte erweitert.Wichtig ist danach nicht nur das Angebot an Spielflächen, sondern auch der sich in derSiedlung fast selbstverständlich ergebende Kontakt zu anderen Kindern.

"Und vor allen Dingen für die Kinder hier ist es wirklich ein Paradies. Die habenalle Freundschaften hier geschlossen und die sind jeden Tag eigentlich draußen,rennen draußen herum und sind am Spielen. Es ist ganz toll." (Frau Vogel)

Einige der interviewten Frauen heben hervor, dass die Beaufsichtigung der Kinder vonder Küche (oder anderen Räumen) des Reihenhauses erfolgen kann und sich so derBetreuungsaufwand für die Eltern reduziert habe. Durch die Überschaubarkeit der

131 Gladbeck: �trifft zu� 41,2% und �trifft voll zu� 58,8% der Nennungen. In Herten haben 25% der Familien dieAusprägung �trifft zu� und 75% �trifft voll zu� angegeben.

Page 315: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

306

Selbsthilfeprojekte und die Tatsache, dass sich alle Familien gut kennen, hat sich ineinigen Siedlungen � meist in den kleineren � eine gegenseitige Aufmerksamkeit undVerantwortung für die Kinder in Nachbarschaft entwickelte. Die benachbarten Famili-en haben ebenso ein Auge auf die Kinder wie die Eltern selber: jede/r weiß, wo dieKinder hingehören.

Einschätzung des Grundrisszuschnitts und der BelichtungIn der Konzeption der IBA war der gute Grundrisszuschnitt der Häuser ein integralerBestandteil der Projektreihe �Einfach und selber bauen�. Da die Reihenhäuser imRahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet wurden, hatten sie weniger Wohnfläche(80 bis 110 qm) als die üblichen Eigenheime. Daher war es wichtig, die Wohnflächegut zu organisieren und durch einen Garten und ein kinderfreundlich gestaltetesWohnumfeld zu ergänzen (Beierlorzer/Boll 1998: 55). Vor diesem Hintergrund wurdein der Fragebogen-Erhebung nach der Beurteilung der Grundrisse und der Belichtungder Häuser gefragt.

Abb. 50: Einschätzung von Grundrisszuschnitt und Belichtung

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Der Grundriss des Hauses ist gutgeplant

Die Räume im Haus sind hell

trifft nicht zu trifft teilweise zu trifft zu trifft voll zu

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=88, n=89)

Die Gestaltung der Häuser, die Helligkeit der Räume und den Grundriss, sehen dieFamilien überwiegend als gelungen an. Bei der Planung des Grundrisses liegt derSchwerpunkt der Antworten mit 50,0% bei "trifft zu", die Ausprägung "trifft voll zu"

Page 316: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

307

haben 21,6% der befragten Familien angegeben. Nur vier Familien beurteilen denGrundrisszuschnitt negativ; sie verteilen sich auf Duisburg (3) und Gladbeck (1). Einknappes Viertel der Familien hat angegeben "trifft teilweise zu".

Bezogen auf die Belichtung der Räume gibt es nur in Gelsenkirchen eine Negativnen-nung. Der Schwerpunkt der Nennungen liegt mit 44,9% auf einer sehr guten Beurtei-lung. Die Differenzierung nach Projektstandorten zeigt für Recklinghausen (90% derNennungen �trifft voll zu�) und Herten (75% �trifft voll zu�) eine überdurchschnittlichgute Bewertung.

Einschätzung des WohnumfeldesDie Bemessung der Wohnqualität ist nicht nur auf die Wohnung beschränkt, sondernberücksichtigt ebenfalls die Einbindung der Wohnung in das Umfeld und dessen Infra-struktur sowie Ergänzungsangebote. Die Gestaltung des Wohnumfelds trägt dement-sprechend maßgeblich zur Wohnzufriedenheit bei. In der Fragebogen-Erhebung wur-den zwei Bereiche abgefragt: die Beurteilung des direkten Wohnumfeldes in der Sied-lung und die infrastrukturelle Einbindung.

Abb. 51: Einschätzung des Wohnumfeldes

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Es gibt genügendPrivatsphäre in der

Siedlung

Es gibt genügend Flächezur Begegnung

Es gibt eine guteAnbindung an den ÖPNV

Es gibt guteEinkaufsmöglichkeiten

trif f t nicht zu trif f t teilw eise zu trif f t zu trif f t voll zu

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n= 88, n=89)

Durch die vergleichsweise kleinen privaten Grundstücke und die Gemeinschaftsflä-chen stellte sich die Frage nach dem Vorhandensein von Rückzugsmöglichkeiten undPrivatsphäre in den Selbsthilfeprojekten und deren Einschätzung durch die Baufamili-

Page 317: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

308

en. Ingesamt sehen nur wenige Familien (8%) eine voll genügende Privatsphäre in denSiedlungen gewährleistet.

Bei der Frage nach genügend Begegnungsflächen zeichnet sich eine deutliche Diffe-renzierung nach Projektstandorten ab. Während in Duisburg, Gelsenkirchen und Glad-beck in unterschiedlichen Anteilen die Ausprägungen �trifft nicht zu� und �trifft teil-weise zu� genannt wurden, konzentrieren sich die Antworten der restlichen Projekt-standorte auf eine positive Beurteilung. Die Begegnungsflächen werden mit über 60%in Bergkamen, Recklinghausen und Herten als voll genügend bewertet. Im Durch-schnitt der Projekte liegt der Schwerpunkt mit 50% auf �trifft zu�.

Insgesamt liegt die durchschnittliche Bewertung der ÖPNV-Anbindung bei gut(46,1%) bis sehr gut (32,6%). In Bergkamen und Herten wird die ÖPNV-Anbindungausschließlich als gut bis sehr gut bezeichnet; in Duisburg, Gladbeck und Lünen gibtes jeweils eine Negativnennung. Auch die Einkaufsmöglichkeiten werden im Durch-schnitt der Projekte als gut (42,7%) und sehr gut (22,5%) bewertet. Allerdings beurteiltHerten die Einkaufsmöglichkeiten mit 50% der Nennungen als schlecht, ebenso Glad-beck wenn auch mit deutlich weniger Nennungen (15,8%). Am positivsten werden dieEinkaufsmöglichkeiten in Bergkamen beurteilt.

Einschätzung von Siedlung und NachbarschaftEin wesentliches Ziel der Projektreihe lag in der Entwicklung einer funktionsfähigenNachbarschaft, die durch Gruppenselbsthilfe und Gemeinschaftseinrichtungen geför-dert werden sollte. Ein geschlossenes Siedungskonzept und die Projektidee sollten eineSiedlungsidentität entstehen lassen (Beierlorzer/Boll 1998).

Im Durchschnitt der Projektstandorte schätzt über die Hälfte der Familien (55,1%) dieNachbarschaft als gut ein. Mit einem sehr guten Nachbarschaftsgefühl charakterisieren10,1% der Familien ihre Wohnsituation. Bei der Differenzierung nach Orten ist auffäl-lig, dass sich in Gelsenkirchen (eine vergleichsweise hohe Anzahl Familien nannte mitjeweils einem Drittel �trifft nicht zu� und �trifft teilweise zu�) eine eher negative Ein-schätzung der nachbarschaftlichen Bezüge abzeichnet (vgl. Abb. 52).

In Duisburg liegt der Schwerpunkt der Antworten auf �trifft teilweise zu� (47,4%).Dies könnte zum einen auf die Projektgröße (52 Wohneinheiten) zurückgeführt wer-den, zum anderen auf die Unterteilung des Bauprozesses in verschiedene Bauabschnit-te. Zeitlich versetzte Bauabschnitte können dazu führen, dass sich Untergruppen bil-den, die während der Bauzeit hauptsächlich zusammenarbeiten und später als direkteNachbarn auch den engsten Kontakt haben. Die positivste Beurteilung der Nachbar-schaft findet sich in Bergkamen, Herten und Recklinghausen.

Page 318: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

309

Abb. 52: Einschätzung von Siedlung und Nachbarschaft

0%10%20%30%40%50%60%70%80%90%100%

Das Nachbarschaftsgefühl ist gut Wir sind stolz auf die Siedlung

trif f t nicht zu trif f t teilw eise zu trif f t zu trif f t voll zu

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)

Die Antwortverteilung auf die Frage nach dem Stolz auf die Siedlung weicht von derder anderen Items ab, bei der die Mehrheit in der Regel deutlich bei �trifft zu� liegt.Die Verneinung und die volle Zustimmung haben jeweils 14,6% der Familien genannt.Die Ausprägung �trifft zu� liegt mit 39,3% etwas über �trifft teilweise zu� (31,5%).

Vergleich der vorherigen Wohnsituation und der aktuellen WohnsituationAls Vergleichsindikatoren der vorherigen und der aktuellen Wohnsituation wurden inder Fragebogen-Erhebung Wohnfläche, Anzahl der Zimmer und ein vorhandener Gar-ten herangezogen. Obwohl die Wohnfläche der Reihenhäuser innerhalb der Grenzendes öffentlich geförderten Mietwohnungsbaus liegt, zeigt sich bei einem Vergleich mitder vorherigen Wohnsituation eine Zunahme der Wohnfläche um durchschnittlich21,33 qm. Den Familien stehen im Durchschnitt 1,2 mehr Zimmer zur Verfügung.

Tab. 29: Vergleich Wohnraum vorher und aktuellVorher(Mittelwert)

Aktuell(Mittelwert)

Differenz

Wohnraum (qm) 79,63 100,67 21,33Anzahl der Zimmer 3,60 4,80 1,20(Quelle: Fragebogen-Untersuchung n=89)

Die Anzahl der Zimmer hat sich für 35,7% um ein Zimmer und für ein Viertel der Fa-milien sogar um zwei Zimmer erhöht. Was das Ausstattungsmerkmal �Garten� betrifft,so hat sich die Mehrzahl der Familien verbessert: nur 34.9% der Familien hatten inihrer vorherigen Wohnung einen Garten, aber alle Familien geben an, jetzt einen Gar-ten zu haben.

Page 319: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

310

Abb. 53: Lünen: Blick auf die Gärten mit Terrasse oder Wintergarten

(Foto: IBA)

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Wohnsituation der Baufamilien nacheigener Einschätzung deutlich verbessert hat. Dies lässt sich an einer Zunahme derWohnfläche (um durchschnittlich 21 qm), der Anzahl der Zimmer (1,2 Zimmer mehr)und vor allem am Garten festmachen. Besonders hervorgehoben wird in den Inter-views die Verbesserung der Wohnsituation der Kinder durch ein eigenes Kinderzim-mer und ausreichende Spielflächen in der Siedlungsanlage. Darüber hinaus hat sich dieBetreuungssituation der Kinder durch die räumliche Nähe von Spielflächen und Woh-nung sowie der gegenseitigen Verantwortung der Familien deutlich verbessert. DasNachbarschaftsgefühl wird von zwei Drittel der Familien in der Fragebogen-Erhebungals gut bzw. sehr gut charakterisiert, allerdings zeigen sich bei diesem Aspekt deutli-che Unterschiede zwischen den Projektstandorten. Die für funktionierende Nachbar-schaftsbeziehungen notwendige Balance zwischen Begegnungs- und individuellenRückzugsräumen scheint insgesamt eher zugunsten der Begegnungsmöglichkeitenauszufallen. Das Vorhandensein von ausreichender Privatsphäre wird von den Famili-en zurückhaltender beurteilt: nur weniger als 10% sehen diese voll gewährleistet.

Bewertet man die Aussagen der Befragten zusammenfassend, zeigt sich insgesamt ei-ne hohe Zufriedenheit mit der Wohnsituation und dem Wohnumfeld; die Negativpunk-te sind jeweils projektspezifisch begründet. Somit lässt sich sagen, dass bezüglich derWohnzufriedenheit das Gesamtkonzept der IBA aufgegangen ist.

Page 320: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

311

8.2. Reflexion der Baufamilien: �Würden Sie es noch einmal machen?�Wie schätzen die Baufamilien vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen und nach Ab-schluss des Bauprozesses nun das Gesamtprojekt ein? Wie werden die in vielen Berei-chen deutlich gewordenen Ambivalenzen und Widersprüche im Nachhinein bewertet?

8.2.1. Überwiegend positive Einschätzung in den FragebögenDie skalierte Abfrage, ob die Familien noch einmal bauen würden, ermöglicht denFamilien eine feinere Abstimmung der Antwort, allerdings verlangt sie auch eine Fest-legung ohne die Möglichkeit zu bieten, Einschränkungen zu formulieren. Im Vergleichzu den Interviewergebnissen (�ja� bei 51,9%) fällt die Zustimmung zu der Projektreihein der Fragebogen-Untersuchung deutlicher aus. Nimmt man die oberen beiden Kate-gorien zusammen, würden rund drei Viertel der Familien (75,4%) auf jeden Fall odereher wieder bauen. 12,4% bewegen sich im Mittelfeld und ebenfalls 12,4% würdeneher nicht oder auf keinen Fall noch einmal bauen (vgl. Abb.54).

Abb. 54: Gesamteinschätzung der Baufamilien: Würden Sie aus heutiger Sicht betrachtetnoch einmal bauen? (Angaben in %)

7,912,4

60,7

14,6

4,5

0

10

20

30

40

50

60

70

auf keinen Fall 2 3 4 auf jeden Fall

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, n=89)

Diejenigen, die auf jeden Fall noch einmal bauen würden, stimmen zahlenmäßig fastmit denen überein, die auf die Frage, ob sie jemals daran gedacht haben aufzugeben,mit "nie" geantwortet haben (66,7%). Immerhin 11,7% der befragten Familien habenangegeben, dass sie �häufig� oder �sehr häufig� daran gedacht haben, aufzugeben (vgl.Abb. 55).

Page 321: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

312

Abb. 55: Aufgeben in der Bauzeit: Wenn Sie sich in die Bauzeit zurückversetzen, haben Siein dieser Zeit daran gedacht, aufzugeben? (Angaben in %)

66,7

22,6

7,1 8,2

1,2

59,3

29,1

3,6

16,5

74,1

5,85,8

0

10

20

30

40

50

60

70

80

nie selten häufig sehr häufig

Gesamt Mann Frau

(Quelle: Fragebogen-Erhebung, Mann n=85, Frau n=86)

Die sich in den Interviews abzeichnende, nach Geschlechtern unterschiedliche Ein-schätzung des Bauprozesses bestätigt sich in den Ergebnissen zu dieser Frage. Männerstellten den Verlauf des Bauvorhabens deutlich weniger in Frage als Frauen. 74,1 %der befragten Männer und nur 59,3% der Frauen haben "nie" ans Aufgeben gedacht.Folgerichtig haben umgekehrt deutlich mehr Frauen (5,8%) "sehr häufig" ans Aufge-ben gedacht. Knapp 30% der Frauen hat "selten" ans Aufgeben gedacht, allerdings nur16,5% der Männer.

8.2.2. �Interviews�Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der Bedürfnisforschung (vgl. Kap. II.1) sind dieAntworten auf die Frage "Würden Sie es noch einmal machen, würden Sie noch ein-mal bauen?"132 als eher überraschend einzuschätzen (vgl. Kap. 8.1). Wenn man vordem Wissen der Zufriedenheitsforschung nun davon ausgeht, dass die Entscheidungfür den Hausbau und der Bauprozess in Form von organisierter Selbsthilfe im Nachhi-nein eher als positiv eingeschätzt wird, um die damit verbundenen enormen Anstren-gungen zu rechtfertigen, haben vergleichsweise viele Familien auf diese Frage mit"nein" geantwortet.

132 Hier wird danach gefragt, ob die Familien mit ihren jetzigen Erfahrungen an einem ähnlichen Projekt teil-nehmen würden.

Page 322: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

313

Tab. 30: Würden Sie es noch einmal machen?Projekte ja nein offenHerten 4 - 1Lünen 3 2 -Bergkamen 3 3 1Duisburg 2 1 1Gelsenkirchen 2 3 1Gesamt 14 9 4(Quelle: Interviews n=27)

Da fast alle Familien in ihren Antworten eine Vielzahl von Aspekten und Gründe da-für oder dagegen benannt und ihre Entscheidung im Gespräch sorgfältig abgewogenhaben, ist eine Systematisierung der Antworten schwierig. Um die Tendenz der Ein-schätzung der Baufamilien zu den Selbsthilfe-Projekten herauszuarbeiten, wurden dieAntworten in die Kategorien "ja", "nein" und "offen" eingeteilt. Von insgesamt 27 In-terviewpartnerInnen antworteten 14 Familien mit �ja, wir würden es noch einmal ma-chen� (12 davon mit Einschränkungen, ja, aber), neun Familien mit "nein" und vierFamilien waren unentschieden ("offen").

Wirft man einen Blick auf die Verteilung der Antworten nach Projektstandorten, so istfestzustellen, dass � soweit sich das bei einer so geringen Stichprobe sagen lässt � Her-ten in der Einschätzung des Projektes eindeutig positiv ist. Lünen erscheint überwie-gend positiv, Bergkamen unentschieden, in Duisburg wirkt die Einschätzung eher po-sitiv. In Gelsenkirchen überwiegend als einzigem Projektstandort die "nein" �Antworten (vgl. Tab. 30). Im Folgenden werden die Begründungen und Problemwahr-nehmungen aus den Interviews wiedergegeben. Die Darstellung folgt dabei den Ant-wortkategorien.

"Ja" und "ja, aber..."Von den 14 positiven Antworten waren nur zwei ohne Einschränkungen, in den restli-chen Antworten wurden neben ihrer grundsätzlichen Zustimmung zu den Selbsthilfe-Projekten auch deutliche Kritikpunkte (wie z. B. die Organisation des Bauprozesses)formuliert. Die Begründungen für die Einschränkungen waren vielfältig. Darüber hin-aus wurden jedoch auch viele positive Aspekte thematisiert. Die Interviewzitate zeigeneinen Einschätzungsprozess auf, der in vielen Fällen von Ambivalenzen und Wider-sprüchen gekennzeichnet ist.

"Wohnen wie im Urlaub", so sieht Frau Thomas ihre aktuelle Wohnsituation. Im Ver-gleich zu vorher hebt sie hervor, dass ihre Kinder nun draußen spielen gehen können,ohne dass sie dabei sein muss. Die Anlage der Siedlung mit der Gemeinschaftsflächeund dem Spielplatz in der Siedlungsmitte ermöglicht es allen BewohnerInnen, aus derKüche ihrer Häuser, diese Flächen im Blick zu behalten. Gleichzeitig liegt die Spiel-

Page 323: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

314

fläche in dem geschützten und zur Straße hin abgeschlossenen Innenraum der Siedlungund bietet so genügend Schutz für die Kinder.

"... ich bin hier immer so wie auf Urlaub, habe ich das Gefühl. So viel Freizeit auchfür mich alleine jetzt, wo ich sagen würde, die Kinder sind jetzt draußen, ich sehedie nicht, ich höre die nicht. Ich hätte das Haus fünfmal rauf und runter putzenkönnen. Und wo man früher nie die Zeit dazu hatte. Wir hatten an der bewohntenHauptstraße gewohnt. Ich hätte die Kinder nie alleine rauslassen können. (...) ichmusste mitgehen und auf sie aufpassen. Und hier ist das nicht so. Die machen dieTür auf und raus." (Frau Thomas)

Die neue Wohnsituation in dem Selbsthilfe-Projekt bedeutet nicht nur für die Kindereinen Freiheits- und Selbständigkeitsgewinn, sondern auch für die Betreuungsperson(vornehmlich die Mutter). Zeit, die sonst durch die Beaufsichtigung der Kinder gebun-den war, kann nun für (Haus-)Arbeit oder sogar für Freizeitaktivitäten genutzt werden.In den Ausführungen von Frau Thomas wird deutlich, dass sie dies als große Entlas-tung und als eine Bereicherung ihres Wohn- und Lebensalltags empfindet. Die positiveVeränderung der Lebenssituation der Kinder steht bei ihrer Einschätzung des Selbst-hilfe-Projektes im Vordergrund.

"Also ich könnte nichts Negatives darüber sagen. Auch wenn man jetzt im Vorfelddann weiß, die Bauphase und dieses Alleinsein mit den Kindern, und der Manndann unter Stress und so, aber das wird im nach hinein, wenn man hier wohnt, istdas alles wieder vergessen. Also sollte man es auf jeden Fall tun. Und ich denke,man kann den Kindern hier so viel Freiheiten bieten, die man ihnen nirgendwo an-ders geben kann."(Frau Thomas)

Die Schwierigkeiten der Bauzeit werden ins Verhältnis zu der positiven Einschätzungder aktuellen Wohnsituation gesetzt und diese wiegt in der Einschätzung von FrauThomas die vorangegangen Belastungen wieder auf. Die Abwägung der Anstrengun-gen gegen das Ergebnis fällt auch bei Frau Müller letztlich positiv aus. Ihre Einschät-zung hat sich im Verlauf des Interviews verändert. Zu Beginn hat sie, ähnlich wie ihrMann, vorrangig die enormen Anstrengungen der Bauzeit in den Blick genommen. ImGesprächsverlauf veränderte sich dann ihre Einschätzung des Prozesses.

"Ich hätte gesagt: doch, das ist mir die Sache wert. Doch, das war mir wirklich dieSache wert. Die anderthalb Jahre sind um, die sind vorbei, die sind unter der Rub-rik Erlebtes abgehakt. Und doch, ich weiß wofür. Ich wohne jetzt schön, finde ich.Wiegt alles andere im nach hinein auf. Für mich persönlich." (Frau Müller)

Die im Zitat ausgedrückte Zufriedenheit mit der aktuellen Wohnsituation lässt die An-strengungen der Bauzeit im Nachhinein als sinnvoll und notwendig erscheinen. Siedeutet an, dass es zwar nicht leicht war, sie aber ihr Ziel deutlich vor Augen hatte undmit dem Ergebnis der Anstrengungen zufrieden ist. Beide Interviews weisen auf einenRationalisierungsprozess der Bauzeit hin, der das mühevoll erreichte Ergebnis (daseigene Haus) in den Vordergrund der Betrachtung rückt und die Anstrengungen legi-timiert.

Page 324: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

315

In der Reflexion darüber, ob sie noch mal bauen würden, spielen auch finanzielleGründe eine Rolle. Die Thematisierung der finanziellen Situation hat verschiedeneDimensionen, so wird die Selbsthilfe als Eigenkapitalsersatz angesprochen: "Das istwirklich bares Geld. Sonst kommt man nie an ein Haus" (Herr Stein) und als optimaleMöglichkeit für Leute, die "nicht so das Geld auf der Tasche haben" (Herr Bach). Da-mit stehen der Zugang zum (Wohn-)Eigentum und die Zugangsbedingungen im Mit-telpunkt der Betrachtung. Die Selbsthilfe eröffnet Wege zum Wohneigentum und Per-spektiven für den Lebensalltag, die sonst in der Einschätzung der Baufamilien nichtmöglich gewesen wären. Darüber hinaus gehende Betrachtungen des finanziellen As-pektes sind in den Interviews selten. Herr Baum ist da eine Ausnahme:

"Wenn ich mir überlege, dass ich in der Zeit ja dann 30.000 Mark eingespart habe,das sind 1.300 und 600 Stunden an Einzelarbeiten, also das sind insgesamt knappe30.000 Mark gewesen, die wir an Eigenleistung erbringen konnten. Wenn ich mirdann ausrechne, dass man ungefähr das Dreifache in seinen 30 Jahren zurückzahlt,dann hab ich 100.000 Mark gespart, dann wäre es bei diesem derzeitigen Zinssatzzwar möglich gewesen, aber ob es dann erstrebenswert gewesen wäre, wenn mandie Gelegenheit hat zu bauen, glaube ich nicht. Das einzige, wofür ich mich jetztim Nachhinein entschieden hätte, dass ich dann gleich gesagt hätte, 800 Stundenschaffe ich, ohne dass ich große Probleme kriege, und dann mache ich das. Sowurde es doch schon manchmal recht eng." (Herr Baum)

Diese differenzierte Darstellung der finanziellen Ersparnis durch die Selbsthilfestun-den zeigt eine intensive Auseinandersetzung, die weiter geht, als es viele Baufamilienin den Interviews formulieren. Für diese Familie, so kann man dem Zitat entnehmen,wäre es wahrscheinlich auch ohne die Selbsthilfe möglich gewesen zu bauen, wennauch an der Grenze der finanziellen Belastbarkeit. Die Einschätzung von Herrn Baumdeutet darauf hin, dass die Arbeitsbelastung durch die Selbsthilfestunden die Grenzender Belastbarkeit erreicht bzw. überschritten hat. Aber das stellt seine positive Ein-schätzung des Projekts nicht in Frage, er würde es wieder machen, nur die Belastungdurch die Arbeit auf der Baustelle auf ein für ihn realistisches Maß reduzieren.

Das frühe und intensive Kennenlernen der zukünftigen Nachbarn wird bei der Ein-schätzung des Projektes von einer Familie als ein bedeutsamer Aspekt erwähnt.

"Wenn wir irgendwo ein Haus gebaut hätten, hätten wir, glaube ich, nie die Nach-barn so schnell und so gut kennen gelernt wie hier." (Herr Feld)

Diese Familie spricht den Wunsch nach einem vertrauten nachbarschaftlichen Umfeldvor dem Hintergrund anderer Erfahrungen in ihrem familiären Umfeld an. Der nach-barschaftliche Kontakt wird hier als ausschlaggebender Faktor für die positive Ein-schätzung formuliert. Auch andere Familien berichten von der besonderen Qualität dernachbarschaftlichen Netzwerke, die durch die Bauzeit entstanden sind.

"Weil wir so schon soviel Schönes auch erlebt haben in der Zeit, mit Feiern, die aufeinmal abends entstanden sind. (...) dann haben wir die tollsten Feiern gehabt, wir

Page 325: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

316

haben hier auf Brettern gesessen und auch im Dreck gesessen irgendwo, aber eswar so, das sind so Sachen, die so zusammengeschweißt haben so am Anfang auch.Und da denke ich heute noch so zurück, was wir gelacht haben in dieserZeit."(Frau Thomas)

Ein gemeinsames Ziel vereint die unterschiedlichen Baufamilien in diesem Projekt und"schweißt zusammen". Die gemeinsame Anstrengung hat auch Spaß gemacht und dar-an wird gerne zurückgedacht. Im aktuellen Lebensalltag sehen die Kontakte u. U. an-ders aus, Beziehungen unter den Familien haben sich in die eine oder andere Richtungentwickelt.

Die Erfüllung eines Traumes, so sieht Herr Jordan den Bau seines Hauses: "Ich habemein Haus jetzt stehen, das war immer mein Traum gewesen". Er würde es jederzeitwieder machen, nur sei er langsam zu alt dazu, es sei eher ein Projekt für junge Leutemit jungen Großeltern, die mithelfen könnten. Nicht der Traum, aber die besondereWertschätzung des "Eigenen" taucht in den Interviews als Bewertungskriterium vondrei Familien auf. Dabei geht es einmal um die Vorteile eines (Reihen-)Hauses mitTerrasse und Garten, aber es scheint auch eine Rolle zu spielen, dass es sich um Woh-neigentum handelt.

"Ich bin ganz zufrieden. Ich bin froh, dass wir das gemacht haben. Ich sage, das istdas Eigene, das ist ja doch was anderes, wenn man nachher schön im Sommer imGarten sitzen und direkt auf die Terrasse gehen kann, ist ja etwas Herrliches."(Frau Mersmann)

Die Familie hat vorher in einer Dachwohnung gelebt und genießt nach Aussagen derFrau besonders den direkten Zugang zum Garten. Genossen wird auch, so zeigt dasInterview, das Besitzgefühl, dass dem Garten noch eine besondere Qualität gibt. Eineandere Familie hebt den Stolz auf die eigene Leistung, auf das Selberbauen hervor.

"Wenn ich von einer Luxusvilla hier einziehe, mache ich keinen Schnitt. Wenn ichaber von einer ganz normalen Mietwohnung komme und mit öffentlichen Mittelngefördert, mit Eigenleistung, mit Muskelhypothek, sprich mit wenig Fremdmittelnund einer vernünftigen Baubetreuung eine vernünftige Siedlergemeinschaft mit Ei-gentum bauen kann, macht das echt stolz. Das bringt ein Wohlgefühl irgendwo.Kann ich nur jedem empfehlen.� (Herr Böll)

Hier wird der Hausbau unter schwierigen Bedingungen als eine besondere Leistungund Herausforderung gewertet, die Stolz auf das Erreichte hervorbringt.

Einige Familien thematisieren deutliche Kritikpunkt an den Selbsthilfe-Projekten, diejedoch einer grundsätzlich positiven Einschätzung nicht widersprechen. Die Arbeit desBauträgers und insbesondere der Bauleitung wird als wesentlich für den Erfolg einesProjektes angesehen. Aus Sicht der Befragten sollten beide Erfahrungen in diesem Be-reich vorweisen können, und die Bauleitung muss darüber hinaus besondere Qualifika-tionen besitzen, um den Bauprozess optimal betreuen zu können. Ein anderer Aspekt

Page 326: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

317

der Organisation der Baumaßnahmen ist die Frage der Mitbestimmung, die hier alsunzureichend kritisiert wird.

"Ja. Doch, würde ich auf jeden Fall noch mal machen. Was ich da sicherlich andersmachen würde von Anfang an, mehr darauf achten, dass die Eigentümer bezüglichder Detailplanung da etwas mehr Mitspracherecht hätten." (Herr Nickel)

Zwei der Familien sprechen die Arbeit in der Gruppe von Selbsthelfern als Kritikpunk-te an. Dabei geht es einmal um die (handwerkliche) Kompetenz der Selbsthelfer undSelbsthelferinnen.

"Ich würde es noch mal machen, aber unter anderen Voraussetzungen. Zum Bei-spiel mit den ganzen Leuten, mit denen wir hier gearbeitet haben, da würde ichverschiedene Leute raussuchen und mit denen Haus für Haus fertig machen. (...)wir haben verschiedene Leute dabei gehabt, die haben uns dann einen Tag mal ge-holfen, dann waren sie drei Tage krank. Deswegen, wenn ich so etwas noch malmachen würde, dann nur mit ausgesuchten Leuten." (Herr Mersmann)

In dem folgenden Zitat wird unterschieden zwischen der Arbeit für die Gemeinschaftund der Arbeit �nur für uns�. Diese Familie hatte Schwierigkeiten, ihr Haus fertig zu-stellen, da gegen Ende der Baumaßnahme nur noch wenige Familien in der Gruppen-selbsthilfe tätig waren.

"Ich würde sagen, vielleicht nicht in so einer Gemeinschaft. Wenn, dann würde ichsagen, dass das eben nur ein einzelnes Haus wäre und dann halt praktisch nur füruns. Denn mein Mann hat ja auch viel in anderen Häusern gearbeitet. (...) unsereHäuser wurden zuletzt erstellt, und wir begannen auch natürlich dann zuletzt mitdem Innenausbau, und das war dann schon so, dass nur wenige Leute noch da wa-ren, weil die anderen schon in ihren eigenen Häusern gearbeitet haben. Das warhalt so. Konnte man denen auch nicht verübeln, das ist ganz klar." (Frau Stein)

Es erscheint einfacher und vielleicht auch gerechter aus der Sicht von Frau Stein, "nurfür uns" zu bauen. Die Investition in die Gemeinschaft hat sich in diesem Fall nichtrentiert. Die Bauzeit wird als Ausnahmesituation charakterisiert, aus der heraus manwieder einen Weg ins "normale" Leben finden musste.

"Vielleicht, dass man sich auch selber irgendwie ein Märchenschloss wünscht, und esklappt nicht" - Begründungen für �Nein�In den Begründungen für "nein, ich würde es nicht noch einmal machen" werden eini-ge der oben genannten Aspekte wieder aufgegriffen, allerdings anders bewertet, undsie führen zu einer negativen Gesamteinschätzung. Bei der Bewertung der Projektespielt die gemeinsame Arbeit in der Selbsthilfe-Gruppe eine besondere Rolle.

"Also ich würde so ein Projekt nicht noch mal machen. Ich würde jederzeit meinHaus wieder bauen, jederzeit, auch selbst machen. Aber ich würde das nie mehr inso einer Gruppe machen." (Herr Schneider)

Die Bautätigkeit an sich wird von Herrn Schneider nicht in Frage gestellt, sondern diegemeinsame Arbeit in einer Selbsthelfergruppe. Die gegenseitigen Abhängigkeiten,

Page 327: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

318

notwendigen Abstimmungsprozesse und Konfliktpotenziale führen in diesem Fall zueiner Ablehnung der Gruppenselbsthilfe. In eine andere Richtung geht die Bewertungvon Herrn Engel.

"...wenn ich es heute noch mal machen oder angeboten bekäme, zu den Bedingun-gen, die hier am Ende herauskamen, da würde ich es nicht mehr machen. Da würdeich wirklich drei Jahre länger warten oder vier. Weil, was man also hier für die Ar-beit, die man macht, rausbekommt, ist sehr wenig. Da haben wir einen Stundensatzvon etwa 15 Mark rausbekommen. (...) Es war gar keine Betreuung. Ich muss sa-gen im Nachhinein, diese Selbsthilfesache war eigentlich ein Reinfall." (Herr En-gel)

Thematisiert wird hier in erster Linie der als zu niedrig eingeschätzte Stundenlohn, derin keinem Verhältnis zu der erbrachten Leistung steht. In engem Zusammenhang damitspricht Herr Engel die fehlende Betreuung an. Ein weiterer zentraler Kritikpunkt istdie enorme Arbeitsbelastung, die auf vielerlei Arten von den Baufamilien angespro-chen wird. Die Bauzeit wird als eine Lebensphase gesehen, in der man alle Bedürfnis-se dem Hausbau unterordnen (�opfern�) musste.

"Probleme gibt es immer, aber nicht mehr so extrem sich opfern. (...) Vor allem, al-les leidet ja auch darunter. Das war ja ein Jahr lang nur Stress sage ich mal. Unddie Familie und die Beziehung, es leidet alles darunter, dass muss man ganz offensagen. Und ich denke, noch mal alles mitmachen möchte ich nicht." (Frau Vogel)

Der Hausbau verursachte in der Sicht von Frau Vogel viel �Leid�, dass sie nicht nocheinmal erleben möchte. Auch in der Bilanz von Herrn Asche und Frau Koch war derAufwand von Nerven und Kraft in Relation zu dem Ergebnis zu groß.

�Nein, das kostet zuviel Nerven und Kräfte. Würde ich nicht noch mal machen.Und wenn ich damals das gewusst hätte, was ich heute weiß, würde ich die Fingerdavon lassen. (...) Miete zahlen und weiter wohnen. (...) ja das war ziemlich stres-sig und hat mich wirklich viel Power gekostet. (...) aber heute nach zwei Jahren,wo man schon bisschen Abstand hat, sage ich, okay, einmal habe ich es gemacht,und Gott sei dank brauche ich es kein zweites Mal tun." (Herr Asche)"Das war mir einfach viel zu viel Arbeit. Ich meine, wenn man so mittendrin ist,das macht auch Spaß, ganz klar, es war auch schön und wir verstehen uns, das istalles in Ordnung. Aber ich finde, der Aufwand war zu groß, den wir leisten muss-ten. Das war einfach viel zu viel. Das war halt hinterher so, wo ich gedacht habe,Mensch, heute sind meine letzten OGS-Stunden und das war so, dass ich bis einUhr arbeiten wollte und um halb 1 hab ich gesagt, nein, wenn ich mich jetzt nichthinsetze, dann kippe ich um. Dann war es das. Also soweit würde ich dann nichtmehr gehen." (Frau Koch)

In dem folgenden Zitat wird das Ergebnis der Anstrengungen näher in den Blick ge-nommen. Nach Ende der Bauzeit und dem Wegfall der Belastungen stellt sich für FrauErdmann heraus, dass das Haus (und die Siedlung) nicht ihren Vorstellungen entspre-chen.

Page 328: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

319

"Ich glaube, dass das auch den großen Frust ausmacht, dass wir jetzt praktisch, wodie Belastung nicht mehr so da ist, sehen, dass es nicht so geworden ist, wie wir esgehofft haben. Vielleicht, dass man sich auch selber irgendwie ein Märchenschlosswünscht, und es klappt nicht." (Frau Erdmann)

Der Traum vom eigenen Haus hat sich zwar erfüllt, aber ein Märchenschloss ist estrotz aller Anstrengungen nicht geworden. Dieses Zitat macht als Zusammenfassungzwar den Stolz über das eigene Haus und die damit verbundene eigene Leistung deut-lich; zugleich wirft es auch einen Blick auf die Kritikpunkte und nicht erfüllten Erwar-tungen, die das gesamte Projekt zu einer großen Anstrengung werden ließen und dieseBaufamilien zu der abschließenden Einschätzung kommen lässt, dies nicht noch ein-mal machen zu wollen.

8.3. Was würden sie ändern?In der Fragebogen-Erhebung haben 68 Familien auf die Frage geantwortet "WelcheBedingungen müssten erfüllt sein, damit Sie heute noch einmal bauen würden In denAntworten auf die Fragen haben die Befragten deutliche Bedingungen formuliert, un-ter denen sie solch eine Bauform noch mal durchführen würden. Hier geben die Er-gebnisse der Fragebogen-Erhebung deutlichere Hinweise als die Ergebnisse aus denInterviews. Daher im Folgenden die Bedingungen aus Sicht der Baufamilien. In denAntworten werden in der Regel mehrere Bedingungen bzw. eine Verschränkung ver-schiedener Voraussetzungen angesprochen.

• Träger/Bauleitung/Organisation ist mit 27 Nennungen der zentrale Kritikbereichmit einem komplexen Bündel von Faktoren, die zu dem Gelingen des Projektesbeitragen. Der Träger wird von 12 Familien kritisiert. Angemerkt werden die feh-lende gute Anleitung und Betreuung, dass Nicht-Ernstnehmen der Baufamilien alsAkteure und der mangelnde Informationsfluss sowie die Organisation der Selbst-hilfe. Die Überschreitung der geplanten Bauzeit ist ein wesentlicher Kritikpunkt fürfünf Familien. Unter den Punkt �Organisation� fällt die Forderung nach Mitarbeitaller Baufamilien, bis das letzte Haus fertig gestellt ist. In eine ähnliche Richtunggeht die Anmerkung, dass zu Beginn der Baumaßnahme alle Häuser vergeben seinsollten (Anzahl Häuser = Käufer), damit nicht wenige Familien alle Häuser bauenmüssen. Eine verbesserte Finanzierungsberatung wird nur von einer Familie gefor-dert.

• Genügend Eigenkapital: Insgesamt 18 Familien thematisieren das mangelnde Ei-genkapital in unterschiedlicher Form. Zwei Familien geben ausreichende Geldmit-tel (ironisch: "Lottogewinn") als Bedingung für einen Hausbau an, drei Familienwürden nur noch "schlüsselfertig" bauen. Die Problematik der fehlenden oder nichtausreichenden finanziellen Mittel wird in fünf Fällen direkt mit der Notwendigkeit

Page 329: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

320

der Selbsthilfe in Verbindung gebracht. Diese Familien würden "keine Selbsthilfe"mehr leisten wollen. D. h. diese Befragten äußerten sehr deutlich als Bedingungausreichend vorhandenes Eigenkapital.

• Kritik am Haus und/oder am Siedlungsmodell: Insgesamt zehn Familien kritisierendas Haus. Die Qualität des Hauses wird von vier Familien angesprochen ("Ge-räuschübertragung", Baumängel, Qualität insgesamt "billig"). Die restlichen sechsFamilien kritisieren in Teilen gerade die Besonderheiten der "Einfach und selberbauen"-Reihe: Keller und Dachboden fehlen, sie möchten mehr Wohnfläche (feh-lendes Arbeitszimmer) und ein freistehendes Haus, kein "Gründach", einen größe-ren Garten, eine Garage und die Möglichkeit, mit dem Auto bis zum Haus zu fah-ren.

• Mitbestimmung: Der Wunsch nach mehr Mitbestimmung wird von sechs Familienformuliert. Dies bezieht sich insbesondere auf die Planung, hier wird konkret dieMöglichkeit der Mitbestimmung bei Fenstern, Wegen, der Außengestaltung derHäuser und der Siedlung erwähnt. In einem engen Zusammenhang damit steht dieForderung nach Transparenz.

• Transparenz: In einem der Interviews wird herausgestellt, dass die Informationüber die konkrete Planung des Hauses und vorhandene Entscheidungsspielräumeals sehr wichtig einzuschätzen ist, damit die Familie in der Lage ist, ein Bild odereine Vorstellung von dem Haus zu entwickeln und auf dieser Basis Veränderungs-wünsche und Veränderungsmöglichkeiten zu durchdenken und Entscheidungen zutreffen. Es geht also darum, schon vor Beginn des Hausbaus eine möglichst großeTransparenz von Planung und Durchführung von Seiten der Projektleitung herzu-stellen. Betont wird ebenfalls, dass die beteiligten Akteure (Architekten/Träger) Er-fahrungen mit Selbsthilfe-Projekten haben sollten.

• Gruppenselbsthilfe: Problematisiert wird die Gruppenselbsthilfe von fünf Familien,die so nicht wieder bauen würden ("nicht mehr in dieser Form", "keine SH-Gruppe"). Die Möglichkeit, in Einzelselbsthilfe zu arbeiten, sehen zwei Familienals praktikablen Weg an.

• Wohnungseigentümergemeinschaft: Zwei Familien problematisieren die Eigen-tumsform, statt Einzeleigentum sind die Projekte als Wohnungseigentümergemein-schaften (WEG) organisiert. Eine weitere Familie schreibt "nie wieder Gemein-schaftseigentum!".

• Kinderbetreuung: Zwei Familien geben eine "organisierte" und "problemlose"Kinderbetreuung als Bedingung an, wieder in solch einer Form zu bauen. In einem

Page 330: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

321

Fall wird dies verbunden mit dem Wunsch nach einer "strukturierten sozialen Be-gleitung" des Bauvorhabens.

In Verbindung mit dem Ergebnis, dass 60,7% der Befragten "auf jeden Fall" nocheinmal bauen würden, sind die formulierten Bedingungen, unter denen die befragtenBaufamilien noch einmal in solch einem Projekt bauen würden, überwiegend negativbzw. kritisch aufgefallen. Zwar haben nicht alle Familien diese Frage beantwortet,doch ist es meiner Einschätzung nach nicht sehr wahrscheinlich, dass ausgerechnet die"zufriedenen" nicht geantwortet haben, ich würde eher davon ausgehen, das geradediese Gruppe ihre Zufriedenheit herausstreicht. Vergleicht man diese Ergebnisse mitdenen der Interviews, so sind die problematisierten Bereiche im Wesentlichen de-ckungsgleich.

Fazit: Die Ergebnisse zur Wohnzufriedenheit sind sehr deutlich positiv: insgesamt istdie Wohnzufriedenheit der Befragten hoch, wobei allerdings unterschiedliche Ein-schätzungen zu einzelnen Punkten festzuhalten sind: So wird von der großen Mehrheit(vor allem von den Frauen) eine deutliche Verbesserung der Wohn- und Betreuungssi-tuation der Kinder formuliert; als gut wird der Grundriss, die Helligkeit der Räumeund die neue Nachbarschaft in der Siedlung beschrieben. Insbesondere der Vergleichzwischen der alten und neuen Wohnsituation führt die meisten der Befragten zu einerdeutlich positiven Aussage, die durch die objektiven Bedingungen (Vergrößerung derWohnfläche, Vorhanden-Sein von Garten) unterstrichen wird.

Bei einer genaueren Betrachtung (�Ja, aber...�) werden jedoch die erlebten Anstren-gungen, Differenzen und Belastungen der Bauzeit, die in dieser Projektreihe zu einebesonders starken Belastung der Baufamilien durch die notwendige Einzel- und Grup-penhilfe führte, nicht negiert, sondern deutlich ausgedrückt. Dass dies auch in der Be-trachtung im Nachhinein und auf der Grundlage des Stolzes, es geschafft zu haben,immer noch so deutlich von den Befragten so formuliert wurde, verdeutlicht die enor-men Anstrengungen, die mit dieser Projektreihe von den Baufamilien gefordert wurde.Diese Anstrengungen und mit dem Projekt verbundenen Schwierigkeiten (Notwendig-keit der Gruppenselbsthilfe, mangelnde Absprachen mit dem Bauträger sowie fehlendeMitbestimmungsmöglichkeiten) lässt einige wenige dann auch zum dem Schlusskommen, es nicht noch einmal machen zu wollen. Es ist genau diese Ambivalenz, diein den Antworten (der Fragebogen-Erhebung wie den Interviews) zum Vorschein kamund sich in der Schlussfrage �Würden Sie es noch einmal machen?� wie in einemBrennglas zentriert � und dabei die positiven wie auch negativen Seiten der Projekt-idee �Einfach und selber bauen� aus Sicht der Betroffenen wiedergibt.

Page 331: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

323

VIII. SchlussbetrachtungenDer empirische Blick auf die �verborgenen Realitäten� des Bauprozesses zeigt einkomplexes Geflecht von Beweggründen, Belastungssituationen, Gemeinschaftsbe-ziehungen und vielfältigen Strategien im Umgang mit der Ausnahmesituation �Haus-bau�. Das Konzept der Projektreihe �Einfach und selber bauen� hat sich hinsichtlichder angestrebten Zielgruppen, des Finanzierungskonzeptes, der Wohnqualität und � inTeilen � der Gemeinschaftsbildung bestätigt. Die Wohnzufriedenheit der Baufamilienin den Selbsthilfesiedlungen ist hoch, fast alle der Familien geben an, ihre Wohnsitua-tion deutlich verbessert zu haben. Doch die genaue Betrachtung der empirischen Er-gebnisse eröffnet eine weitere Perspektive auf die Selbsthilfe. So erscheint das Projektdes Eigenheimbaus in organisierter Gruppenselbsthilfe in erster Linie als ein �zu viel�:eine Überforderung und Überlastung der Baufamilien, die vor dem Hintergrund einerprekären finanziellen Ausgangssituation unter erheblichem Leistungsdruck standen,die notwendigen Selbsthilfestunden abzuarbeiten. Die Organisationsform der Grup-penselbsthilfe ermöglicht zwar die gegenseitige Unterstützung der Baufamilien, er-zeugt jedoch gleichzeitig massive gegenseitige Abhängigkeiten. Der Stundenlohn allerBaufamilien hängt von der Produktivität und Effektivität der Arbeit auf der Baustelleab. Familien mit einer besseren finanziellen Ausstattung haben die Möglichkeit, sichvon der Selbsthilfe �freizukaufen� bzw. sind nicht in dem Maße auf einen hohen er-wirtschafteten Stundenlohn angewiesen wie die restlichen Familien. Dies hat in fastallen Projekten zu sozialen Spannungen geführt. Thematisiert wurden in diesem Zu-sammenhang Fragen nach der sozialen Gerechtigkeit und nach der Zusammensetzungder Gruppe der Baufamilien.

Selbsthilfe vor dem Hintergrund von Individualisierung und Wohnwandel

Versucht man die Selbsthilfeprojekte in den eingangs dargestellten Kontext vonWohnwandel und Individualisierung einzubetten, kommt man zu widersprüchlichenErgebnissen. Die Zielgruppen der Projekte � junge Familien � erscheinen vor demHintergrund einer zunehmenden Pluralisierung von Lebensformen und Ausdifferenzie-rung von Lebensstilen als unzureichend. Andere Lebensformen werden so von Eigen-tumsbildung und gemeinschaftlichem Wohnen ausgegrenzt. Gleichzeitig wird damiteine Ausrichtung der Wohnungspolitik fortgeschrieben, die bereits seit den 1950erJahren durch eine Konzentration auf die �traditionelle Familie� gekennzeichnet ist.Andererseits hängt der Erfolg der Selbsthilfeprojekte in großem Ausmaß von der Ein-gebundenheit in ein funktionsfähiges soziales Netzwerk ab.

Wird auf der theoretischen Ebene durchaus ambivalent diskutiert, ob bzw. inwieweitsoziale Netzwerke sich im Zuge fortschreitender Individualisierungsprozesse auflösen,

Page 332: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

324

so zeigen die empirischen Ergebnisse, dass mehr als die Hälfte der Baufamilien dieUnterstützung eines tragfähigen Netzwerks zur Verfügung hatte. Dabei waren es inerster Linie Familienmitglieder, die auf der Baustelle einen wesentlichen Anteil derArbeit übernahmen, an zweiter Stelle standen Freunde und Bekannte. Die Unterstüt-zung durch Helfer/innen war umso wichtiger, da die Anzahl der Selbsthilfestunden nurbei wenigen Baufamilien realistisch von einer Person zu bewältigen war. WichtigesErgebnis ist jedoch auch, dass die Einbindung in ein verlässliches Beziehungsnetzwerkeine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen des Hausbaus darstellt. Von einemErsatz der Netzwerke durch die Gruppe der Selbsthelfer/innen � eine der Ausgangs-hypothesen � ist demnach nur in wenigen Fällen auszugehen. Dies galt zudem nur fürdie Rohbauphase, der Innenausbau wurde in der Regel als individuelle Selbsthilfe ge-handhabt, da waren die Familien wieder auf Helfer/innen außerhalb der Selbsthilfe-gruppe angewiesen. Für die Familien, die sich �nur� auf die Baugruppe stützen konn-ten, war der Bauprozess nur unter sehr großen Anstrengungen zu bewältigen.

Vor dem Hintergrund einer zunehmenden Pluralisierung der Lebensformen scheint esangebracht, die Zielgruppen für Selbsthilfeprojekte zu erweitern. Es ist jedoch frag-lich, ob die geschilderte Belastungssituation durch den Hausbau auch außerhalb derFamilie bewältigt werden kann. Der Hausbau in Selbsthilfe setzt eine Dreifach-belastung voraus: Beruf, Familie und Baustelle. Dies ist beispielsweise von einer al-leinerziehenden Frau nur schwer zu leisten. Familien scheinen demgegenüber auf-grund ihrer inneren Organisationsstruktur und der Möglichkeit auf familiäre Netz-werkressourcen zuzugreifen am Besten geeignet, die Belastungen zu bewältigen.

Die Projektidee erscheint an dieser Stelle nicht als innovatives Konzept der Wohn-raumversorgung, sondern eher als ein traditionelles Projekt. Die Ausrichtung an tradi-tionellen Strukturen zeigt sich ebenfalls bei der Frage der innerfamiliären Arbeitstei-lung und der Arbeitsteilung auf der Baustelle. Die Bewältigung der AusnahmesituationHausbau setzt in vielen Fällen eine traditionelle innerfamiliale Arbeitsteilung voraus,in der die Frau auf Hausarbeit und Kinderbetreuung verwiesen und der Mann für Berufund Baustelle zuständig ist. Die Anlage der Selbsthilfeprojekte trägt somit deutlich zueiner Stabilisierung traditionaler Arbeitsteilung bei. Von einem innovativen Projekt imSinne der Geschlechtergerechtigkeit kann demnach nicht gesprochen werden. Im Ge-genteil, das Projekt liegt mit seiner Re-Traditionalisierung der Geschlechterverhältnis-se voll im Trend. Auch die staatlichen Förderbedingungen rekurrieren auf die nach wievor vorhandene Geschlechterungleichheit. Durch die Festlegung von Einkommens-grenzen und die in der Regel höheren Gehälter der Männer sind einige der Frauendurch die Förderungslogik vor die Entscheidung gestellt worden, ihren Beruf auf-zugeben, um die Fördermittel zu erhalten. Bezogen auf die Arbeitsteilung in der Fami-

Page 333: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

325

lie und auf der Baustelle muss also ein anhaltendes Gewicht von Deutungsmustern derGeschlechterdifferenz konstatiert werden. Die Selbsthilfeprojekte sind demzufolge invielerlei Hinsicht traditionelle Projekte: Die Zielgruppen sind traditionelle Zweieltern-familien, funktionierende soziale Netzwerke und eine traditionelle innerfamiliale Ar-beitsteilung sind Voraussetzung einer erfolgreichen Bewältigung der Belastungen. Vordiesem Hintergrund ergeben sich zwei wesentliche Handlungsfelder:

• Reduzierung der Belastung: Um Selbsthilfeprojekte für eine Vielfalt familiärer Le-bensformen zu öffnen, ist es notwendig, die Belastung durch den Bauprozess deut-lich zu reduzieren. Ebenfalls nötig wäre eine Form der Kinderbetreuung, die si-cherstellt, dass auch Alleinerziehende an den Projekten teilnehmen können. Dar-über hinaus wäre die Kinderbetreuung für alle Familien bzw. Frauen eine Chance,am Bauprozess aktiver teilzunehmen.

• Selbsthilfe und Geschlechtersensibilität: Bezogen auf die Selbsthilfe-Projekte wäreeine aktive Stützung der Beteiligung von Frauen im Bauprozess notwendig undsinnvoll gewesen. Dies hätte erstens das Angebot oder die Unterstützung einerKinderbetreuung vorausgesetzt bzw. die Anrechnung der Kinderbetreuung alsSelbsthilfestunden und zweitens eine veränderte Einstellung von Baubetreuern undPolieren vor Ort. Eine geschlechtersensible Schulung der Baustellenleitung kanndazu beitragen, Frauen nicht bereits im Vorfeld von der Arbeit auf der Baustelle(insbesondere im Rohbau) auszuschließen und damit eine aktive Teilhabe derFrauen an der biographisch bedeutsamen Station der Eigentumsbildung zu ermög-lichen. Um die innerfamiliare Arbeitsteilung zu verändern, sind die Sicherstellungvon Kinderbetreuungsmöglichkeiten und eine Änderung der Förderlogik, die bis-lang häufig dazu führt, dass Frauen ihre Erwerbstätigkeit wegen der Fördermittelaufgeben, notwendig.

Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

�Der Wunsch nach etwas Eigenem� � der zentrale Beweggrund der Familien war dieWohneigentumsbildung. Durch die Kombination von Selbsthilfe, kosten- und flächen-sparendem Bauen und dem Einsatz von Fördermitteln ist die Eigentumsbildung auchfür Familien mit mittlerem und unterem Einkommen möglich geworden. Die organi-sierte Gruppenselbsthilfe hat für die Familien ohne Eigenkapital eine Schwellenüber-windungsfunktion erfüllt und den Zugang zum Wohneigentum ermöglicht. Der ent-scheidende Finanzierungsbaustein ist auf der Grundlage der vorliegenden Ergebnissejedoch nicht die Selbsthilfe, sondern die öffentlichen Fördermittel. Es stellt sich daherm. E. die Frage, warum die Fördermittel nicht um den in Selbsthilfe erwirtschaftetenBetrag aufgestockt werden, um den Familien die extreme Belastung durch die Selbst-

Page 334: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

326

hilfestunden zu ersparen bzw. den Selbsthilfeanteil auf ein von der jeweiligen Familierealistisch zu bewältigendes Maß zurückzustufen. Ruth Becker hat dieses �Eigenkapi-talsurrogat� bereits 1998 vorgeschlagen (Becker 1998: 265).

Die Erfahrungen der Baufamilien haben deutlich gezeigt, wie knapp die Finanzie-rungsmodelle zum Teil kalkuliert waren und ebenfalls eindrücklich auf den engen Zu-sammenhang mit den zu leistenden Selbsthilfestunden hingewiesen. Die Arbeit auf derBaustelle war das Kapitel der Baufamilien, wurde jemand krank, konnte im Extremfalldie Finanzierung des Hausbaus kippen. Die empirischen Ergebnisse verweisen auf dieNotwendigkeit einer soliden (unabhängigen) Finanzierungsberatung sowie einer realis-tischen Einschätzung der zu leistenden Selbsthilfestunden.

Der Wunsch zur Eigentumsbildung entsteht bei vielen Familien vor dem Hintergrundder gewünschten Verbesserung der Wohnsituation, die auf dem Wohnungsmarkt nichtzu erfüllen ist. In dem Wohnungsmarktsegment der preisgünstigen größeren Wohnun-gen für Familien besteht nach wie vor eine deutliche Knappheit. Als weiteren wesent-lichen Bestandteil der Wohnsituation beschreiben die Familien die strukturellenNachteile eines Mietverhältnisses: keine Verfügungsrechte, mögliche Preissteigerun-gen, Gefahr einer Kündigung. Vor diesem Hintergrund wird der Wunsch nach Wohn-eigentum geäußert. Voraussetzung für die Eigentumsbildung sind u. a. eine stabile Le-benssituation und konstante und steigenden Einkommensperspektiven. Für Schwellen-haushalte stellt sich die Wohneigentumsbildung schwieriger dar: Die Risiken sind grö-ßer, da häufig nur wenig Eigenkapital vorhanden ist und gleichzeitig sind die Alterna-tiven auf dem Mietwohnungsmarkt ebenfalls teuer und häufig unattraktiv. Schwellen-haushalte, so Häußermann (2005), haben also was die Wohnqualität angeht am meis-ten zu gewinnen. Umgekehrt tragen sie das größte Risiko. Im �Euphoriediskurs�Wohneigentum wird dies häufig übersehen. Das die Wohneigentumsbildung bei(Schwellen)Haushalten ein beträchtliches Finanzierungsrisiko darstellt, wird erst inden letzten Jahren im europäischen Forschungsdiskurs zunehmend thematisiert. Eineneuere Studie zu Zwangsversteigungen in Deutschland (Höbel 2004 u. a.) zeigt Wegeim Umgang mit Risiken auf: Begleitung, Beratung, Ausfallgarantien etc. Gleichzeitigstellt sich jedoch auch die Frage, ob die von den Baufamilien geäußerten Wohnbe-dürfnisse nicht auch in anderen (Eigentums-)Formen realisiert werden können.

Die Eigentumsbildung wird aktuell im Zusammenhang mit den besseren Aneignungs-chancen von Eigentümern gegenüber Mietern diskutiert. Bekannt ist jedoch auch, dassMitbestimmungs- und Beteiligungsprozesse der Bewohner und Bewohnerinnen dieAneignung des Wohnumfeldes und die individuellen Beiträge zur Erhaltung und Pfle-ge der Wohnquartiere ebenso fördern. In der Diskussion um die Vorteile von Wohnei-gentum wurde herausgearbeitet, dass viele der Vorteile nicht an die Rechtsform Eigen-

Page 335: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

327

tum gebunden sind. So ist beispielsweise auch eine andere Regelung der Verfügungs-rechte in Mietwohnungen oder in gemeinschaftlichen Eigentumsformen (Genossen-schaften) denkbar. Wohnungspolitisch bedeutsam erscheinen die folgenden Hand-lungsfelder:

• Entkopplung von Selbsthilfe und Eigentum: Die Förderung von Selbsthilfe imMiet- und genossenschaftlichen Wohnungsbau kann sowohl einen Teil der thema-tisierten Wohnbedürfnisse erfüllen (z. B. langfristige Wohnsicherheit in der Genos-senschaft) als auch durch Mitbestimmung und Beteiligungsprozesse dazu beitra-gen, Aneignungsprozesse zu fördern, nachbarschaftliche Bezüge herzustellen unddamit die Wohnqualität zu verbessern.

• Instrumente der Wohneigentumssicherung: Um den häufig unterschätzen Risikender Wohneigentumsbildung von Schwellenhaushalten zu begegnen, ist die Unter-suchung und der Einsatz von Instrumenten der Wohneigentumssicherung notwe-nig. Hierzu zählen insbesondere der Verbraucherschutz bei Finanzierungsberatun-gen, ein Schuldenmanagement sowie die Möglichkeit der Nachfinanzierung in Ein-zelfällen in der sozialen Wohnraumförderung (Höbel u. a. 2004).

Selbsthilfe: Konkurrenz zwischen Eigentum und Gemeinschaft

Die Anzahl der geleisteten Selbsthilfestunden lag bei der Mehrheit der Familien deut-lich über dem als �machbar� angesehenen Limit. Dies führte zu einer extremen Belas-tungssituation, die sich auf Familie und Partnerschaft auswirkte und in einigen Fällenauch gesundheitliche Folgen hatte. Diese Überlastung wirkte sich in vielen Fällenkontraproduktiv auf die Gemeinschaftsbildung aus, die ebenfalls erklärtes Ziel derIBA-Projektreihe war. Die Entwicklung nachbarschaftlicher Bezüge erfolgt in einemengen Zusammenhang zu dem Verlauf des Bauprozesses. Treten in der Bauzeit (mas-sive) Störungen und Konflikte auf, so wirken diese auch nach Ende der Bauzeit nach.Die Zusammensetzung der Gruppe der Baufamilien hinsichtlich ihrer finanziellen Res-sourcen spielte ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entwicklung nachbarschaftlicherBezüge. Die vorhandenen sozioökonomischen Unterschiede haben in einigen der un-tersuchten Selbsthilfeprojekte aufgrund der gegenseitigen finanziellen Abhängigkeitenzu Spaltungen und Störungen der gemeinschaftlichen Beziehungen geführt. Die IBA-Projekte sind in erster Linie Eigentumsprojekte, keine Nachbarschafts- oder Gemein-schaftsprojekte. Unter bestimmten Rahmenbedingungen � hier die extremen Belastungder Familien durch die Selbsthilfe auf der Baustelle � kann es zu einer Konkurrenz vonEigentumsbildung und Gemeinschaft kommen.

Die Analyse der Beweggründe zur Teilnahme an den Projekten zeigt neben demgrundlegenden Wunsch, Eigentum zu bilden, auch die Wertschätzung der Wohn-

Page 336: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

328

qualität in den Selbsthilfesiedlungen. Als entscheidende Kriterien der Wohnqualitätformulieren die Baufamilien den geschlossenen Siedlungscharakter, die kinder-freundliche Gestaltung des Wohnumfelds und die Möglichkeit, alle Nachbarn vor demEinzug kennen zu lernen. Die Entwicklung nachbarschaftlicher Kontakte ist demnachein wichtiges Kriterium der Wohnqualität. In den Selbsthilfeprojekten wird dies durchdie Einrichtung von Gemeinschaftsflächen und Gemeinschaftshäusern unterstützt. DieInterpretation der Untersuchungsergebnisse zu diesem Punkt zeigt, dass die Nutzungder Gemeinschaftseinrichtungen sehr unterschiedlich gehandhabt wird. In vielen Fäl-len sind die Gemeinschaftshäuser auch nach Ende der Bauzeit noch nicht fertig ge-stellt. Dies wird vor dem Hintergrund verständlich, dass die Baufamilien trotz ihrervon Knappheit gekennzeichneten Ausgangssituation die Gemeinschaftseinrichtungsowohl bauen als auch finanzieren müssen. Auch hier lässt sich ein �zu viel� feststel-len: eine zusätzliche Investition von Zeit und Geld in die Gemeinschaft führt zu einerweiteren Überforderung der Familien.

Trotz der schwierigen Ausgangssituation zeigt sich in vielen Projekten eine funkti-onsfähige Nachbarschaft. Die Zusammenarbeit der Familien in der Bauzeit führt dazu,dass sich die Familien intensiv kennen lernen, und daraus entsteht in der Mehrzahl derFälle ein nachbarschaftlicher Kontakt nach der Bauzeit. Wesentlich erscheinen dabeizwei Aspekte: Zum Einen muss in der Siedlung die Balance zwischen gemeinschaftli-chen Begegnungsflächen und privaten Rückzugsmöglichkeiten gegeben sein, und zumAnderen ist für die Gemeinschaftsbildung hauptsächlich Interesse und Engagement derFamilien Voraussetzung, nicht der gemeinsame Ort in Form in eines Gemeinschafts-hauses. Die empirischen Befunde bestätigen darüber hinaus die Wichtigkeit von Mit-bestimmungs- und Beteiligungsprozesse für die Gemeinschaftsbildung, die jedoch inden Selbsthilfeprojekten aufgrund der damit verbundenen Kosten nur eingeschränktvorhanden waren.

Betrachtet man den Aspekt der Gemeinschaftsbildung vor dem Hintergrund der imersten Teil der Arbeit dargestellten Individualisierungsdiskussion, so lassen sich vorallem zwei Argumente festhalten. Neben der Eigentumsbildung war ein wesentlicherBeweggrund, an dem Selbsthilfeprojekt teilzunehmen, das Interesse, mit Menschenzusammen zu leben, die man kennt und die sich in einer ähnlichen Lebenssituationbefinden (Familien mit Kindern). Die Selbsthilfeprojekte können so als eine Form derVergemeinschaftung auf der Ebene des Wohnens bezeichnet werden. Sie ersetzen je-doch nicht generell wegfallende familiäre Netze, sondern treten neben diese und er-gänzen sie um lokal gebundene Nachbarschaften, die gerade in der Familienphasenach wie vor eine entscheidende Bedeutung haben. Auf der Grundlage der empiri-

Page 337: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

329

schen Ergebnisse ist die Optimierung des Bauprozesses das wesentliche Handlungs-feld in Bezug auf die konkrete Umsetzung der Selbsthilfeprojekte:

• Organisation des Bauprozesses verbessern: Kritisiert werden von den Baufamilienin erster Linie das Baustellenmanagement und die Qualität von Betreuung und An-leitung. Mängel in der Organisation der Baustelle führten häufig zu Verzögerungendes Bauprozesses, was für die Familien teilweise gravierende Folgen hatte. Nebeneiner Optimierung des Bauablaufes ist die Etablierung einer funktionsfähigenKommunikationsstruktur eine zentrale Voraussetzung für einen reibungslosenBauablauf. Die Informationsweitergabe bezieht sich sowohl auf interne Leitungs-strukturen (Träger, Bauleitung, Architekt) als auch auf die Kommunikation zwi-schen Leitung und Baufamilien und innerhalb der Gruppe der Baufamilien.

• Doppel-Qualifikation der Anleitung im Bauprozess: Eine entscheidende Rolle imBauprozess nimmt der Polier ein. Fachliche Kompetenz und Erreichbarkeit wurdenbis auf wenige Ausnahmen bestätigt, die teilweise fehlende soziale Kompetenz unddie faktische Überforderung wurden kritisiert. Die Bedeutung des Poliers für dieEntstehung einer arbeitsfähigen Selbsthilfegruppe und der Gruppendynamik wirdbislang von den Betreuungsunternehmen unterschätzt. Der Polier sollte in dieserHinsicht besser qualifiziert sein und darüber hinaus durch weitere Anleitkräfte un-terstützt werden.

• Gleichmäßige Organisation der anfallenden Bautätigkeit:. In allen Projekten wur-de darauf hingewiesen, dass gegen Ende der Bauzeit zu wenige Familien für dieErstellung der restlichen Häuser auf der Baustelle waren. Die Stundenaufteilungüber die Dauer der Bauzeit sollte gleichmäßig erfolgen. Dazu ist eine detaillierteAufklärung der Baufamilien über den Bauverlauf notwendig. Generell wird diewirtschaftliche Beratung der Betreuungsunternehmen positiv bewertet. Es bestehtjedoch ein Defizit hinsichtlich der Information über die tatsächlich realisierbarenSelbsthilfestunden und der Aufklärung über die Belastungssituation der Bauzeitallgemein.

• Mitbestimmungsmöglichkeiten ausweiten: Die Mitbestimmungsmöglichkeiten undGestaltungsspielräume der Baufamilien werden insbesondere bei der Außengestal-tung der Gebäude und der Außenanlagen als zu eingeschränkt kritisiert. Hier müs-sen Wege gefunden werden, das Spannungsfeld zwischen individuellen Gestal-tungswünschen und der städtebaulichen Forderung eines einheitlichen Siedlungs-bildes zugunsten der Baufamilien zu verändern.

Page 338: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

330

Ausblick

Die im Kontext der Individualisierungsdiskussionen konstatierte Zunahme der Wahl-möglichkeiten ist für gering verdienende Familien auf dem Wohnungsmarkt nicht vor-handen. In dem Segment der preisgünstigen großen Wohnungen gibt es zurzeit nurwenig Handlungsspielraum. Vor diesem Hintergrund erscheint die Eigentumsbildungals ein (oder der einzige?) Weg zu adäquaten Wohnbedingungen. Ob die mit dem Ei-gentum verbundene Vorstellung von Wohnsicherheit vor dem Hintergrund einer fi-nanziell knappen Kalkulation und nicht geringen finanziellen monatlichen Belastungentatsächlich greift, werden erst die folgenden Jahre zeigen. Insgesamt werden die Risi-ken der Eigentumsbildung für Schwellenhaushalte m. E. unterschätzt. Auch die Be-deutung des Wohneigentums für die Altersicherung wird vor dem Hintergrund der ak-tuellen Entwicklungen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt zunehmend kritisch dis-kutiert (Müller 2003). Es zeichnet sich somit ein deutlicher Forschungsbedarf ab: dieAnalyse der Wohneigentumsbildung (insbesondere von Schwellenhaushalten) vor demHintergrund der Veränderung von gesellschaftlichen und städte- und wohnungsbaupo-litischen Rahmenbedingungen. In diesem Zusammenhang sind Fragen nach der Aus-gestaltung von Sicherungsinstrumenten, der Förderung der Eigenkapitalbildung unddie mögliche Bedeutung des Wohneigentums als Altersvorsorge von Bedeutung.

Die vorliegende Arbeit hat die Motive der Eigentumsbildung von Baufamilien analy-siert. Offen geblieben ist dabei das Zustandekommen und die Verortung des Motivs�(Wohn-) Eigentum�. Um diese Frage zu beantworten, wäre es sinnvoll, nachfolgendeUntersuchungen stärker auf die Zusammenhänge zwischen Wohnerfahrungen/ Wohn-biographien und dem Wunsch nach Eigentum auszurichten. Hier bietet sich ein gene-rationsübergreifender Ansatz an, ähnlich wie er bereits bei der Analyse der Eigen-tumsbildung von Arbeiterhaushalten durchgeführt wurde (Petrowsky 1993).

Die enge und fast selbstverständliche Verknüpfung der Wohnform (Einfamilienhaus)mit der Rechtsform (Eigentum) wäre durch die Förderung anderer Wohn- und Eigen-tumsformen entgegen zu wirken. Zu denken ist hier insbesondere an die Genossen-schaften, die durch die Orientierung auf gemeinschaftliches Eigentum einen �drittenWeg� anbieten. Erste Ansätze hat die Bundesregierung mit der Einberufung der Exper-tenkommission �Wohnungsgenossenschaften� im Jahr 2002 (www.bmvbw.de) unddem inzwischen abgeschlossene Forschungsfeld des Experimentellen Wohnungs- undStädtebaus �Modelle genossenschaftlichen Wohnens - Erschließen von Genossen-schaftspotenzialen� bereits angeregt. Dabei stehen neben der besonderen Rechtsformauch die Bedeutung von Genossenschaftsanteilen in der Altersvorsorge sowie die Po-tenziale von Selbstbestimmungs- und Beteiligungsprozessen zur Diskussion, die vordem Hintergrund der aktuellen Diskussionen um bürgerschaftliches Engagement und

Page 339: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

331

Zivilgesellschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen. In diesem Zusammenhang kannman auch die (bauliche) Selbsthilfe interpretieren. In einer gesellschaftlichen Situati-on, die gekennzeichnet ist von einem immer weiter fortschreitenden Rückzug des Staa-tes aus sozialstaatlichen Sicherungssystemen, gewinnen Eigeninitiative, Selbsthilfepo-tenziale, gegenseitige Unterstützung eine für viele Menschen existenzielle Bedeutung.Dabei kann es jedoch nicht um eine ausschließliche Delegation sozialstaatlicher Ver-antwortung gehen � Selbsthilfe im Wohnungsbau als ein Weg zur Stärkung der Eigen-initiative und zur Bildung aktiver Nachbarschaften benötigt entsprechende Rahmenbe-dingungen.

Page 340: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

333

LiteraturAchterberg, Gerhard; Gajewski, Karl-Heinz (1986): Möglichkeiten, Grenzen und Er-folge beim Bau von Eigenheimen in Selbsthilfe. Stuttgart.

Albrow, Martin (1998): Auf Reisen jenseits der Heimat. Soziale Landschaften in einerglobalen Stadt. In: Beck, Ulrich (Hg.): Kinder der Freiheit. 4. Aufl., Frankfurt a.M., S. 288-314.

Alisch, Monika (1993): Frauen und Gentrification. Der Einfluss von Frauen auf dieKonkurrenz um den innerstädtischen Wohnraum. Wiesbaden.

Andritzky, Michael (1999): Balance zwischen Heim und Welt. Wohnweisen und Le-bensstile von 1945 bis heute. In: Flagge, Ingeborg (Hg.): Geschichte des Wohnens,Bd. 5, 1945 bis heute: Aufbau, Neubau, Umbau. Wüstenrot-Stiftung, Deutscher Ei-genheimverlag e.v. Ludwigsburg, Stuttgart, S. 615-806.

Apitzsch, Christa (1995): Der preiswerte Weg zum Eigenheim - Selberbauen in orga-nisierter Gruppenselbsthilfe. In: EuroBau (6), Nr. 3, S. 41-46.

ARGE Arbeitsgemeinschaft Kirchhoff und Jacobs Hamburg (Hg.) (1988): Quer-schnittsuntersuchung Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Endbe-richt. Hamburg.

Arlt, Monika; Bartholomäi, Reinhart (1996): Neue Wohnformen � Herausforderung andie kommunale Wohnungspolitik. In: Dieckmann, Jochen; Hintzsche, Burkhard(Hg.): Wohnungspolitik für Städte, Gemeinden und Kreise. Köln, S. 43-70.

Articus, Stephan (1999): Erbbaurechte in der kommunalen Praxis. In: Der LangfristigeKredit, H. 13, S. 426-427.

Bärsch, Jürgen; Simbringer, Angelika (2001): Aus dem Privaten ins Öffentliche. Eineempirische Untersuchung über Gemeinschaftsräume in Wohnsiedlungen. In: Scha-der-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft desWohnens. Darmstadt, S. 338-350.

Bahrdt, Hans Paul (1968): Humaner Städtebau. Hamburg.

Baumann, Zygmunt (1993): �Wir sind wie Landstreicher � Die Moral im Zeitalter derBeliebigkeit�. In: Süddeutsche Zeitung 16./17.11.1993, S. 17.

Becher, Britta; Bura, Josef (2002): Gemeinschaftliche Wohnformen für eine zukunfts-orientierte Stadtentwicklung. In: Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Bauge-meinschaften, Soziale Stadtentwicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S.11-16.

Beck, Ulrich (1983): Jenseits von Klasse und Stand. Soziale Ungleichheiten, gesell-schaftliche Individualisierungsprozesse und die Entstehung neuer sozialer Forma-tionen und Identitäten. In: Kreckel, Reinhard (Hg.): Soziale Ungleichheiten. Göt-tingen, S. 35-74.

Beck, Ulrich (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne.Frankfurt a. M.

Beck, Ulrich (1991): Der Konflikt der zwei Modernen. In: Zapf, Wolfgang (Hg.): DieModernisierung moderner Gesellschaften. Verhandlungen des 25. Deutschen So-ziologietages. Frankfurt a. M./New York, S. 40-53.

Page 341: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

334

Beck, Ulrich; Beck-Gernsheim, Elisabeth (1990): Das ganz normale Chaos der Liebe.Frankfurt a. M.

Beck, Ulrich; Beck-Gernsheim, Elisabeth (1993): Nicht Autonomie, sondern Bastel-biographie. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 22, H.3, S. 178-187.

Beck, Ulrich; Beck-Gernsheim, Elisabeth (1994): Individualisierung in modernen Ge-sellschaften - Perspektiven und Kontroversen einer subjektorientierten Soziologie.In: Ders.; Diess. (Hg.): Riskante Freiheiten. Individualisierung in modernen Ge-sellschaften. Frankfurt a. M., S. 10-39.

Beck, Ulrich; Sopp, Peter (Hg.) (1997): Individualisierung und Integration. Neue Kon-fliktlinien und neuer Integrationsmodus? Opladen.

Becker, Ruth (1981): Grundzüge der Wohnungspolitik in der BRD seit 1949. In:Arch+, Nr. 57/58. Aachen, S. 13-21.

Becker, Ruth (1990): Die herrschende Wohnungspolitik � ein Mittel zur Stabilisierungpatriachaler Herrschaft. In: Platz nehmen oder Raum greifen. Standorte und Per-spektiven feministischer Planung. Arbeitsberichte des Fachbereichs Stadtplanungund Landesplanung, Heft 86, S. 28-38.

Becker, Ruth (1997): Im Labyrinth der Wohnungspolitik. Anmerkungen zu Mieten,Belastungen, Förderungsmodellen und Subventionsformen - Ist der soziale Woh-nungsbau obsolet geworden? In: Roscher, V.; Stamm, P. (Hg.): Wohnen in derStadt - Wohnen in Hamburg: Leitbild - Stand - Tendenzen. Hamburg, S. 80-97.

Becker, Ruth (1998): Eigenarbeit � Modell für ökologisches Wirtschaften oder patriar-chale Falle für Frauen? In: Bierter, Willy; Winterfeld, Uta von (Hg.): Zukunft derArbeit - welcher Arbeit? Berlin/Basel/Boston, S. 259-293.

Becker, Ruth (2002): Bewegtes Wohnen: Zur Verräumlichung und Veralltäglichungvon Frauenbewegung in Frauenwohnprojekten. In: Schäfer, Eva; Fritzsche, Betti-na; Nagode, Claudia (Hg.): Geschlechterverhältnisse im sozialen Wandel. Inter-disziplinäre Analysen zur Geschlecht und Modernisierung. Opladen, S. 87-118.

Becker, Ruth (2005a): Wohnungswesen. In: Akademie für Raumforschung und Lan-desplanung (Hg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, S. 1298-1303.

Becker, Ruth (2005b): Wohn- und Lebensformen. In: Akademie für Raumforschungund Landesplanung (Hg.): Handwörterbuch der Raumordnung. Hannover, S. 1295-1298.

Becker, Ruth; Greiwe, Ulla; Pohlmann-Rohr, Birgit (2000): IBA-Emscher Park unddie Frauen � Relevanz gleichstellungspolitischer Forderungen und frauengerechterPlanungsansätze in Strategien, Verfahren und öffentliche Präsentationen der IBA-Emscher Park. Bericht über ein Forschungsprojekt. Dortmund.

Beck-Gernsheim, Elisabeth (1983): Vom �Dasein für andere� zum Anspruch auf einStück �eigenes Leben�. In: Soziale Welt, H.3, S. 307-340.

Beck-Gernsheim, Elisabeth (1986): Von der Liebe zur Beziehung? In: Berger, J. (Hg.):Die Moderne � Kontinuitäten und Zäsuren. Göttingen, S. 209-233.

Page 342: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

335

Beck-Gernsheim, Elisabeth (1992): Arbeitsteilung, Selbstbild und Lebensentwurf.Neue Konfliktlagen in der Familie. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozi-alpsychologie, Jg. 44, H. 2, S. 273-291.

Beck-Gernsheim, Elisabeth (2000): Was kommt nach der Familie? Einblicke in neueLebensformen. 2. durchgesehene Aufl., München.

Beer, Ursula (1992): Das Geschlechterverhältnis in der Risikogesellschaft. Überlegun-gen zu den Thesen von Ulrich Beck. In: Feministische Studien, 10. Jg., Nr. 1, S.99-105.

Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS); Lawaetz-Stiftung; Stattbau;Stadtentwicklungsbehörde (STEB) (Hg.) (1994): Selber Wohnen � Anders machen.Das alternative Baubetreuungsprogramm in Hamburg. Darmstadt.

Behrens, Tobias (2002): Stadterneuerung, Bauen und Beschäftigungsförderung. In:Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, Soziale Stadtent-wicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S. 31-34.

Behrens, Tobias; Bura, Josef (2002): Neue Wohnungsbaugenossenschaften in Ham-burg. In: Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, SozialeStadtentwicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S. 20-24.

Behring, Karin; Helbrecht, Ilse (2002): Wohneigentum in Europa. Ursachen und Rah-menbedingungen unterschiedlicher Wohneigentümerquoten in Europa. Hg. v. derWüstenrot-Stiftung. Ludwigsburg.

Behring, Karin; Helbrecht, Ilse (2003): Mieter oder Selbstnutzer in Europa? Ursachender unterschiedlichen Eigentümerquoten in ausgewählten europäischen Staaten. In:BBR (Hg.) (2003a): Wohneigentum. Informationen zur Raumentwicklung, H.6, S.343-353.

Beierlorzer, Henry (1996): Wohnungsbau im nördlichen Ruhrgebiet. In: Centrum -Jahrbuch Architektur und Stadt, S. 191-197.

Beierlorzer, Henry (1999): Einfach und selber bauen. Selbstbausiedlungen für sozialesWohnen, Nachbarschaft und Baukultur in der Stadt. In: Beierlorzer, Henry; Boll,Joachim; Ganser, Karl (Hg.): Siedlungskultur. Neue und alte Gartenstädte im Ruhr-gebiet. IBA Emscher Park. Braunschweig/Wiesbaden, S. 64-69.

Beierlorzer, Henry; Boll, Joachim u. a. (1998): Einfach und selber bauen. Ein Hand-buch zur Entwicklung von Selbstbausiedlungen. Hg. v. Landesinstitut für Bauwe-sen des Landes NRW. Aachen.

Beierlorzer, Henry; Boll, Joachim; Ganser, Karl (Hg.) (1999): Siedlungskultur. Neueund alte Gartenstädte im Ruhrgebiet. IBA Emscher Park. Braunschweig/ Wiesba-den.

Bertels, Lothar (1990): Gemeinschaftsformen in der modernen Stadt. Opladen.

Bertram, Hans (Hg.) (1995): Das Individuum und seine Familie. Lebensformen, Fami-lienbeziehungen und Lebensereignisse im Erwachsenenalter. Opladen.

Bertram, Hans; Kreher, Simone (1996): Lebensformen und Lebensverläufe in diesemJahrhundert. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 42/96, S. 18-30.

Page 343: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

336

Bertram, Hans (1998): Lebensformen, städtische und ländliche. In: Häußermann,Hartmut (Hg.): Großstadt. Soziologische Stichworte. Opladen, S. 115-122.

Beyme, Klaus von (1999): Wohnen und Politik. In: Flagge, Ingeborg (Hg.) (1999):Geschichte des Wohnens, Bd. 5, 1945 bis heute: Aufbau, Neubau, Umbau. Wüs-tenrot-Stiftung, Deutscher Eigenheimverlag e.v. Ludwigsburg, Stuttgart, S. 81-152.

Birlem, Thorsten (1989): Experimenteller Wohnungs- und Städtebau. Kosten- und flä-chensparendes Bauen und organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Do-kumentation der Modellvorhaben. BMBau. Bonn.

Blomeyer, Gerhard (1990): Zwischen Utopie und Wohnungsnot. Stand und Zukunftder baulichen Selbsthilfe. Berlin.

Böltken, Ferdinand; Schneider, Nicole; Spellerberg, Annette (1999): Wohnen �Wunsch und Wirklichkeit. Subjektive Prioritäten und subjektive Defizite als Bei-trag zur Wohnungsmarktbeobachtung. In: Informationen zur Raumentwicklung, H.2, S. 141-156.

Bourdieu, Pierre (1996): Die Praxis der reflexiven Anthropologie. In: Bourdieu,Pierre; Wacquant, Loïc J. D. : Reflexive Anthropologie. Frankfurt a. M., S. 251-294.

Bourdieu, Pierre (1998): Ein Zeichen der Zeit. In: Bourdieu, Pierre u. a: Der Einzigeund sein Eigenheim. Schriften zu Politik und Kultur 3, Hg. v. Magareta Steinrücke,Hamburg, S. 17-25.

Braun, Reiner; Pfeiffer, Ulrich (2004): Haushalts- und Personenbezogene Wohneigen-tumsquoten in Deutschland. Empirica Forschungspapier, Auftraggeber LBS Bun-desgeschäftsstelle. Berlin.

Brech, Joachim (1989): Neue Wohnformen in Europa. Berichte des 4. InternationalenWOHNBUND-Kongresses. Darmstadt.

Brech, Joachim (1999): Ein Wandel im Wohnen in der Zeit des Umbruchs. Eine Stu-die zu Neuen Wohnformen. In: Wüstenrot-Stiftung (Hg.): Neue Wohnformen iminternationalen Vergleich. Stuttgart/Berlin/Köln, S. 81-160.

Breckner, Ingrid (1995): Innovative Handlungsansätze im Wohnbereich. Informatio-nen über Projekte, Träger und Initiativen in Deutschland und Europa. Dortmund.

Breckner, Ingrid (1999): Wohnprojekte. Luxus für wenige oder gesellschaftlicher Be-darf? In: Info für gemeinschaftliches und selbstbestimmtes Wohnen, Nr. 4, S. 1-2.

Bührmann, Andrea; Diezinger, Angelika; Metz-Göckel, Sigrid (2000): Arbeit, Soziali-sation, Sexualität: Zentrale Felder der Frauen- und Geschlechterforschung. Opla-den.

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.) (1999): ProjektorientiertePlanung � das Beispiel IBA Emscher Park. Informationen zur Raumentwicklung,H. 3/4, Bonn.

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.) (2001): Hemmnisse derWohneigentumsbildung. Forschungen, Heft 106, Bonn.

Page 344: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

337

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg) (2002a): Bericht zur Inan-spruchnahme der Eigenheimzulage in den Jahren 1996-2000. Arbeitsgruppe �Wir-kungsanalyse Eigenheimzulage� des Ausschusses für Wohnungswesen derARGEBAU. Bonn.

Bundesamt für Bauwesen und Raumordung (BBR) (Hg.) (2002b): Wohneigentumsbil-dung und Stadterneuerung in den neuen Bundesländern. Forschungen Heft 107.Bonn.

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg) (2003a): Potenziale derWohneigentumsbildung für die soziale Stabilität von Stadtvierteln. Forschungen,Heft 110. Bonn.

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.) (2003b): Wohneigentum.Informationen zur Raumentwicklung, H. 6. Bonn.

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) (Hg.) (2004): Wohnungsmärkte inDeutschland. Ergebnisse der regionalisierten Wohnungsmarktbeobachtung desBundesamtes für Bauwesen und Raumordnung. Berichte Bd. 18. Bonn.

Bundesgeschäftsstelle der Landesbausparkassen (LBS) (Hg.) (2002): Mieter oder Ei-gentümer � wer wird stärker gefördert? Studien zur Wohnungs- und Vermögenspo-litik. Bearb. v. Reiner Braun, Ulrich Pfeiffer (empirica). Berlin.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hg.) (2001):Gemeinschaftliches Wohnen im Alter. Workshop in Hannover. Bundesmodellpro-gramm Selbstbestimmt wohnen im Alter, Dokumentation Nr. 8. Berlin.

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hg.) (2003):Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. Berlin.

Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2006): Familienzwischen Flexibilität und Verlässlichkeit. Perspektiven für eine lebenslaufbezogeneFamilienpolitik. 7. Familienbericht. Berlin.

Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend; Statistisches Bundes-amt (Hg.) (2003): Wo bleibt die Zeit? Die Zeitverwendung der Bevölkerung inDeutschland 2001/02. Wiesbaden.

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.)(1990): Gruppenbezogene Wohneigentumsformen. Schriftenreihe "Forschung",Heft Nr. 480. Bonn.

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.)(1991): Forschungsvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus:Kosten- und flächensparendes Bauen und organisierte Gruppenselbsthilfe im Ei-genheimbau. Berlin.

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.)(1992): Forschungsvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus: AlteMenschen und ihr Wohnquartier. Berlin.

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.)(1993): Forschungsvorhaben des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus:Wohnsituation Alleinerziehender. Berlin.

Page 345: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

338

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.)(1995): Mitarbeiten Mitgestalten. Wohneigentum möglich machen. OrganisierteGruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Bonn.

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (BMBau) (Hg.)(1998): Ein Haus gemeinsam bauen ... Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigen-heimbau. Bonn-Bad Godesberg.

Bundesministerium für Senioren, Frauen und Familie (1997): Brücken zwischen Jungund Alt. 158 Projekte - Initiativen - Aktionen. Bonn.

Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (2000): Wohnungswirt-schaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern. Bericht der Kommission.Berlin.

Bura, Josef (2002): Stattbau Hamburg � Neue Qualitäten für das Planen, Bauen undWohnen. In: Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, SozialeStadtentwicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S. 8-10.

Burkart, Günter (1998): Individualisierung und Elternschaft. Eine empirische Überprü-fung der Individualisierungsthese am Beispiel USA und ein Systematisierungsvor-schlag. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Die Individualisierungsthese. Opladen, S. 107-142.

Clark, W.A.; Deurloo, M.C.; Dielemann, F.M. (1997): Entry to Home-ownership inGermany: Some Comparisons with the United States. In: Urban Studies, Vol. 34,No 1, S. 7-19.

Dangschat, Jens (1988): Gentrification: Der Wandel innenstadtnaher Wohnviertel. In:Friedrichs, Jürgen (Hg.): Soziologische Stadtforschung. Sonderheft 29 der KölnerZeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Opladen, S. 272-292.

Dangschat, Jens (2000): Perspektiven des Wohneigentums bei der Diskussion übereine soziale Stadt. In: vhw-Forum Wohneigentum, Heft 6, S. 211-218.

Dangschat, Jens; Blasius, Jörg (Hg.) (1994): Lebensstile in den Städten. Konzepte undMethoden. Opladen.

Datenreport 2002. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. Hg. v.Statistischen Bundesamt. Berlin.

Datenreport 2006. Zahlen und Fakten über die Bundesrepublik Deutschland. Hg. v.Statistischen Bundesamt. Berlin.

Deckl, Silvia; Krebs, Thomas (2004): Ausstattung mit Gebrauchsgütern und Wohnsi-tuation privater Haushalte. Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe2003. In: Wirtschaft und Statistik 2, S. 209-227.

Deimer, Klaus; Jaufmann, Dieter (1985): Selbsthilfe im Eigenheimbau. Einige Aspek-te aus sozialwissenschaftlichem Blickwinkel. In: Gemeinnütziges Wohnungswe-sen, Nr. 2, S. 60-65.

Deimer, Klaus; Jaufmann, Dieter (1986): Kommunen als Partner? Bauliche Selbsthilfeund kommunale Strategien zur sozialpolitisch orientierten Förderung von Wohnei-gentum. In: Gemeinnütziges Wohnungswesen, Nr. 5, S. 218-223.

Page 346: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

339

dfh-Siedlungsbau GmbH, das familiengerechte Heim (o. J.): Einfach und selber Bauenin organisierter Gruppenselbsthilfe. Duisburg-Hagenshof. Unveröffentlichtes Pa-pier, Worms.

Dieckmann, Andreas; Engelhardt, Henriette (1995): Die soziale Vererbung des Schei-dungsrisikos. In: Zeitschrift für Soziologie, Heft 3, S. 215-218.

Diewald, Martin (1991): Soziale Beziehungen: Verlust oder Liberalisierung? SozialeUnterstützung in Netzwerken. Berlin.

Dowling, Robyn (1998): Gender, Class and Home Ownership: Placing the Connec-tions. In: Housing Studies, Vol. 13, No. 4, S. 471-486.

Dorp, Erich von (1982): Möglichkeiten und Grenzen der baulichen Selbsthilfe. In: In-formationsdienst, Nr. 14, S. 237-239.

Dübel, Achim; Pfeiffer, Ulrich (1999): Stützung der Wohneigentumsbildung durchSicherungsinstrumente � ein internationaler Vergleich. Endbericht. Im Auftrag desBundesministeriums für Raumordnung, Städtebau und Bauwesen. Stuttgart.

Echter, Claus-Peter; Brühl, Hasso (2004): Förderung von Wohneigentum in deutschenStädten. Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin.

Elias, Norbert (1979): Über den Prozess der Zivilisation. Sozio- und psychogenetischeUntersuchungen. 2 Bde. Frankfurt a. M. (Erstausgabe Basel 1939).

Eggert, Petra (1999): Schaffung von Wohneigentum für breite Schichten der Bevölke-rung. Deutschland und England im Vergleich. Bochum.

Engelhard, Jutta-Beate (1986): Nachbarschaft in der Großstadt. Neuere Initiativen,dargestellt am Beispiel der Stadt Münster. Münster.

Engels, Friedrich (1872): Zur Wohnungsfrage. In: MEW 18 (1973). Berlin, S. 209-287.

Engstler, Heribert; Menning, Sonja (2003): Die Familie im Spiegel der amtlichen Sta-tistik. Lebensformen, Familienstrukturen, wirtschaftliche Situation der Familienund familiendemographische Entwicklung in Deutschland. Erweiterte Neuaufl.Bonn.

Enquete-Kommission �Schutz des Menschen und der Umwelt � Ziele und Rahmenbe-dingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung� (1998): KonzeptNachhaltigkeit. Vom Leitbild zur Umsetzung. Abschlussbericht. Bonn.

Etzioni, Amitai (1995): Die Entdeckung des Gemeinwesens. Ansprüche, Verantwort-lichkeiten und das Programm des Kommunitarismus. Stuttgart.

Expertenkommission Wohnungspolitik (1994): Wohnungspolitik auf dem Prüfstand.Bericht der Expertenkommission Wohnungspolitik. Bonn.

Fedrowitz, Micha; Gailing, Ludger (2003): Zusammen wohnen. GemeinschaftlicheWohnprojekte als Strategie sozialer und ökologischer Stadtentwicklung. Dort-mund.

Feldmann, Gerhard (2002): Der Markt der Eigenheime und Mietwohnungen. In: Im-mobilien und Finanzierung, H. 09, S. 258-261.

Festinger, Leon (1978): Theorie der kognitiven Dissonanz. Stuttgart.

Page 347: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

340

Firat, Serap; Laux, Hans Dieter (2003): Wohneigentumsbildung von Migranten � ihreBedeutung für die räumliche und individuelle Eingliederung am Beispiel der türki-schen Bevölkerung in Köln. In: BBR (2003b): Wohneigentum. Informationen zurRaumentwicklung, H. 6. Bonn, S. 389-400.

Flagge, Ingeborg (Hg.) (1999): Geschichte des Wohnens, Bd. 5, 1945 bis heute: Auf-bau, Neubau, Umbau. Wüstenrot-Stiftung, Deutscher Eigenheimverlag e. v. Lud-wigsburg, Stuttgart.

Flick, Uwe (1996): Qualitative Forschung. Theorie, Methoden, Anwendung in Psycho-logie und Sozialwissenschaften. 2. Aufl. Hamburg.

Flick, Uwe; Kardorff, Ernst v.; Keupp, Heiner u. a. (Hg.) (1991): Handbuch Qualitati-ve Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen. Mün-chen.

Friedrichs, Jürgen (Hg.) (1998): Die Individualisierungsthese. Opladen.

Fromm, Dorit (1991): Collaborative Communities. Cohousing, central living, andother new forms of housing with shared facilities. New York.

Geelhaar, Frank (1985): Wohnungsversorgung durch Selbstbau. Selbsthilfe beim Ei-genheimbau. Planerisch-organisatorische Voraussetzungen für eine veränderteSelbsthilfepraxis. Darmstadt.

Geissler, Birgit; Oechsle, Mechthild (2000): Die Modernisierung weiblicher Lebensla-gen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 31-32, S. 11-17.

Gesamtverband der Wohnungswirtschaft (Hg.) (1992): Wohneigentum in Deutsch-land. Erarb. vom GdW-Fachausschuss Wohneigentum und Eigentumsverwaltung.Köln.

Gesellschaft für Wohnungsbau- und Siedlungswesen GEWOS (1985): Auswirkungender Selbsthilfe im Eigenheimbau auf die Bauwirtschaft. Schriftenreihe Bau- undWohnungsforschung des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städ-tebau. Bonn.

Gilges, Martina; Schaefer, Rainer (1993): Wohnzufriedenheit, Wohnpräferenzen undihre Umsetzung in kommunale Wohnungspolitik. In: Aus Politik und Zeitgeschich-te, B 8-9, S. 43-52.

Glatzer, Wolfgang (1998): Nichteheliche Lebensgemeinschaften. Zwischen konventi-onellen und alternativen Lebensformen. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B53/98, S. 17-25.

Glatzer, Wolfgang (2001): Neue Wohnformen für Junge und Alte. Haushaltstechnisie-rung in der Generationenperspektive. In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel.Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt, S. 216-227.

Goerke, Peter (2001): Selbsthilfesiedlung Duisburg-Hagenshof. In: Harlander, Til-mann (Hg.): Villa und Eigenheim. Suburbaner Städtebau in Deutschland. Wüsten-rot Stiftung, Stuttgart/München, S. 482-491.

Grossmann, Dirk (2001): Fünf Jahre Erfahrungen mit der Eigenheimzulage. In: DerLangfristige Kredit, H. 11, S. 382-384.

Page 348: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

341

Großmann, Achim (1999): Das Erbbaurecht als Instrument der Wohneigentumspolitik.In: Der Langfristige Kredit, H. 13, S. 422-425.

Grueneke, Detlef (1990): Erfahrungen mit Selbsthilfeprojekten. In: Bauwelt, 1993(84), Nr. 28/29, S. 1506-1511.

Gurney, Craig M. (1999): Pride and Prejudice: Discourses of Normalisation in Publicand Private Accounts of Home Ownership. In: Housing Studies, Vol. 14, No. 2, S.163-183.

Habermann-Nieße, K.; Klehn, K. (1996): Soziale Gruppenbauvorhaben in Niedersach-sen. Ein Leitfaden. Hg. v. Niedersächsischen Sozialministerium, Hannover. (Insti-tut für Wohnpolitik und Stadtökologie e. V. )

Häußermann, Hartmut (1999): Neue Haushalte - Wohnformen zwischen Individuali-sierung und Vergemeinschaftung. Neue Lebensstile - neue Haushaltstypen. In:Wüstenrot-Stiftung (Hg.): Neue Wohnformen im internationalen Vergleich. Stutt-gart/Berlin/Köln, S. 12-21.

Häußermann, Hartmut (2001): Städte, Gemeinden und Urbanisierung. In: Joas, Hans(Hg.): Lehrbuch der Soziologie. Frankfurt/New York, S. 506-532.

Häußermann, Hartmut (2005): Wohnen � soziologisch betrachtet. In: Kühne-Büning,Lidwina; Nordalm, Volker; Steveling, Lieselotte (Hg.): Grundlagen der Woh-nungs- und Immobilienwirtschaft. 4. überarb. u. erw. Aufl. Hamburg, S. 345-372.

Häußermann, Hartmut; Petrowsky, Werner (1988): Hauseigentum, Mobilität und Be-legschaftsstruktur. Eine Fallstudie bei Werftarbeitern in Bremen von 1900 bis heu-te. In: Schildt; Axel; Sywottek, Arnold (Hg.): Massenwohnung und Eigenheim:Wohnungsbau und Wohnen in der Großstadt seit dem Ersten Weltkrieg. Frankfurta. M./New York, S. 63-91.

Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter (1994): Gemeinde- und Stadtsoziologie. In:Kerber, Harald; Schmieder, Arnold (Hg.): Spezielle Soziologien. Problemfelder,Forschungsbereiche, Anwendungsorientierungen. Hamburg, S. 363-387.

Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter (1996): Soziologie des Wohnens. Eine Einfüh-rung in Wandel und Ausdifferenzierung des Wohnens. Weinheim/München.

Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter (2000): Wohnverhältnisse und Ungleichheit. In:Harth, Annette; Scheller, Gitta; Tessin, Wulf (Hg.): Stadt und soziale Ungleichheit.Opladen, S. 120-140.

Häußermann, Hartmut; Oswald, Ingrid (2001): Wohnungseigentum? Nicht geschenkt!Zur Wohnungsprivatisierung in Russland. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 30, H.1, S. 65-78.

Hafner, Thomas (1996): Eigenheim und Kleinsiedlung. In: Kähler, Gerd (Hg.): Ge-schichte des Wohnens, Bd. 4, 1918-1945: Reform, Reaktion, Zerstörung. Wüsten-rot-Stiftung. Ludwigsburg/ Stuttgart, S. 557-598.

Hamm, Bernd (1973): Betrifft Nachbarschaft. Gütersloh.

Hamm, Bernd (1998): Nachbarschaft. In: Häußermann, Hartmut (Hg.): Großstadt. So-ziologische Stichworte. Opladen, S. 172-181.

Page 349: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

342

Harlander, Tilman (1993): Gruppenselbsthilfe, Kleinsiedlungsförderung und Woh-nungsbau in der Nachkriegszeit. In: Bauwelt, H. 24, S. 1308-1311.

Harlander, Tilman (1995): Zwischen Heimstätte und Wohnmaschine. Wohnungsbauund Wohnungspolitik in der Zeit des Nationalsozialismus. Basel/Berlin/Boston.

Harlander, Tilman (1997): Notwohnen und Selbsthilfe in der Großstadtperipherie der20er und 30er Jahre. Beispiele aus Österreich, Deutschland, Italien und Griechen-land. In: Zimmermann, Clemens (Hg.): Europäische Wohnungspolitik in verglei-chender Perspektive 1900 - 1939. Stuttgart, S. 60-84.

Harlander, Tilman (1999): Wohnen und Stadtentwicklung in der Bundesrepublik. In:Flagge, Ingeborg (Hg.): Geschichte des Wohnens. Bd. 5, Von 1945 bis heute: Auf-bau, Neubau, Umbau. Wüstenrot-Stiftung. Ludwigsburg/Stuttgart, S. 233-418.

Harlander, Tilmann (2001): Einleitung. In: Ders. (Hg.): Villa und Eigenheim. Subur-baner Städtebau in Deutschland. Wüstenrot Stiftung, Stuttgart/München, S. 11-16.

Harris, Richard (1999a): Aided Self-help Housing, a Case of Amnesia: Editor's Intro-duction. In: Housing Studies, Vol. 14, No. 3, S. 277-280.

Harris, Richard (1999b): Slipping through the Cracks: The Origins of Aided Self-helpHousing, 1918-53. In: Housing Studies, Vol. 14, No. 3, S. 281-309.

Hartmann, Thomas; Schelensky, Birgit (1994): Gemeinschaftseinrichtungen � Ele-mente des Bauens für Familien. In: Brech, Joachim; Drum, Manfred; Wohnbund;Urbanes Wohnen (Hg.): Bauen für Familien: kostengünstig, ökologisch, nachbar-schaftlich. Darmstadt, S. 157-185.

Hausen, Karin (1976): Die Polarisierung der �Geschlechtscharaktere� � Eine Spiege-lung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben. In: Conze, Werner (Hg.):Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas. Stuttgart, S. 363-393.

Heidenreich, Joachim; Nöthen, Manuela (2002): Der Wandel der Lebensformen imSpiegel des Mikrozensus. In: Wirtschaft und Statistik, 1/2002, S. 26-38.

Heitkamp, Thorsten (2002): Motivlagen der Stadt-Umland-Wanderung und Tendenzender zukünftigen Wohnungsnachfrage. In: BBR (Hg.): Perspektiven der Woh-nungsmärkte. Informationen zur Raumentwicklung. H. 3, S. 163-172.

Henckmann, Antje (1999): Aufbruch in ein gemeinsames Altern. Neue Wohnformenim Alter. Opladen.

Henderson, Susan R. (1999): Self-help Housing in the Weimar Republic: The Work ofErnst May. In: Housing Studies, Vol. 14, No. 3, S. 311-328.

Herlyn, Ulfert (1985): Wie wohnen Familien heute? In: Franke, Lutz (Hg.): Mensch-lich wohnen. Frankfurt/New York, S. 48-59.

Herlyn, Ulfert; Scheller, Gita; Tessin, Ulf (1994): Neue Lebensstile in der Arbeiter-schaft? Eine empirische Untersuchung in zwei Industriestädten. Opladen.

Herre, Klaus (1990): Facharbeiter-Notstand in der Bauwirtschaft fördert Partnerschaftbeim Eigenheim-Bau. Selbstbau zeigt interessante Lösungsansätze. In: Selbstbau,Nr. 1, S. 12-13.

Page 350: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

343

Höbel, Regiona; Kloth, Melanie; Berendt, Ulrike (2004): Zahlungsschwierigkeiten vonWohneigentümern. InWis-Bericht-Nr. 32, Bochum..

Höber, Andrea; Ganser, Karl (Hg.) (1999): IndustrieKultur: Mythos und Moderne imRuhrgebiet. Im Rahmen der IBA Emscher Park. Essen.

Höflich-Haberlein, Lisa; Weissbarth, Reinhold (1982): Ohne Fleiß kein Preis. Ergeb-nisse der Infratest-Studie �Die Eigentumsbildung im Wohnungsbau�. In: Bundes-baublatt, H.9, S. 621-623.

Hoff, Andreas (2006): Intergenerationale Familienbeziehungen im Wandel. In: Tesch-Römer, Clemens; Engstler, Heribert; Wurm, Susanne (Hg.): Altwerden in Deutsch-land. Sozialer Wandel und individuelle Entwicklung in der zweiten Lebenshälfte.Wiesbaden, S. 231-288.

Holtmann, Eberhard; Schaefer, Rainer (1996): Wohnen und Wohnungspolitik in derGroßstadt. Eine empirische Untersuchung über Wohnformen, Wohnwünsche undkommunalpolitische Steuerung in Nürnberg. Opladen.

Hopf, Christel (1978): Die Pseudo-Exploration � Überlegungen zur Technik qualitati-ver Interviews in der Sozialforschung. In: Zeitschrift für Soziologie, Jg. 7, H. 2, S.97-115.

Hopf, Christel (1991): Qualitative Interviews in der Sozialforschung. Ein Überblick.In: Flick, Uwe; Kardoff, Ernst v.; Keupp, Heiner u. a. (Hg.): Handbuch QualitativeSozialforschung. München, S. 177-182.

Horx, Matthias (2002): Zwischen Konvention und Innovation � Wandel des Wohnens.In: Wüstenrot Stiftung (Hg.): Wohnbauen in Deutschland. Stuttgart/Ludwigsburg,S. 207-213.

Hradil, Stefan (1998): Die Seismographen der Modernisierung. Singles in Deutsch-land. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 53/98, S. 9-16.

Hradil, Stefan (2001): wohn:wandel � Strukturwandel. Einführung in den Kongress.In: Schader-Stifung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zu-kunft des Wohnens. Darmstadt, S. 10-22.

Hradil, Stefan (2004): Die Sozialstruktur Deutschlands im internationalen Vergleich.Wiesbaden.

Hradil, Stefan (2006): Soziale Milieus � eine praxisorientierte Forschungsperspektive.In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 44-45, S. 3-10.

Huinink, Johannes (1999): Ist die Familie noch zu retten? Anmerkungen zur Zukunftfamilialer Lebensformen. In: Jugendhilfe 37, S. 2-11.

Huinink, Johannes; Wagner, Michael (1998): Individualisierung und die Pluralisierungvon Lebensformen. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Die Individualisierungsthese.Opladen, S. 85-106.

Initiativkreis Emscherregion e. V. (Hg.) (1994): IBA Inspektion von Unten. Struktur-wandel im Ruhrgebiet. IBA Emscher Park: Eine Strategie? Essen.

Initiativkreis Emscherregion e. V. (Hg.) (1997): ...zum stand der dinge ... Struktur-wandel im Ruhrgebiet. Dialoge zur regionalen Entwicklung. Essen.

Page 351: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

344

Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes NRW (ILS) (2003):Potenziale der Wohneigentumsbildung von Migrantinnen und Migranten in be-nachteiligten Stadtteilen. Dortmund.

Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) (1996): OrganisierteGruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Dokumentation der Fachtagung Mitgestalten- Mitarbeiten - Wohneigentum möglich machen, 1995. Erkner.

Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS ) (1998): OrganisierteGruppenselbsthilfe im Eigenheimbau in den neuen Bundesländern. Erkner.

Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik (IfS); adwis (2003): Eigentumsförde-rung im Sozialen Wohnungsbau � Förderpraxis, Zielgruppenerreichung, Perspekti-ven. Kurzfassung. Im Auftrag des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung.

Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) (1996): Positionspapier "Ökologi-sches Planen und Bauen". Fortschreibung 1996.

Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) (Hg.) (1996): Werkstatt für die Zu-kunft von Industrieregionen. Memorandum 1996-1999. Gelsenkirchen.

Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) (1998): Einfach und selber bauen.Siedlungen in der Tradition der Gartenstadt. Eigenheime für "kleine Leute". EineZwischenbilanz. Dokumentation. 2. Aufl. Gelsenkirchen.

Internationale Bauausstellung Emscher Park (IBA) (1999): Katalog der Projekte. Gel-senkirchen.

Jäger, Helga (1998): Hausbaugemeinschaft Hettstadt: verbandliches Engagement fürfamilienfreundliches Wohnen; ein Modellprojekt des Familienbundes der Deut-schen Katholiken. Hg. v. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju-gend. Stuttgart/Berlin/Köln.

Jessen, Johann; Siebel, Walter; Siebel-Rebell, Christa; Walther, Uwe-Jens; Weyrather;Irmgard (1988): Arbeit nach der Arbeit. Schattenwirtschaft, Wertewandel und In-dustriearbeit. Opladen.

Jessen, Johann; Simon, Christina (2000): Urbanes Wohnen - Wohnen im Eigentum?In: vhw-Forum Wohneigentum, Heft 3, S. 86-92.

Jessen, Johann; Simon, Christina (2001): Städtebau - Vom eigenen Haus mit Gartenzum suburbanen Wohnquartier. In: Harlander, Tilmann (Hg.): Villa und Eigen-heim. Suburbaner Städtebau in Deutschland. Wüstenrot Stiftung, Stutt-gart/München, S. 350-381.

Jokl, Stefan (1990): Wohnwünsche der Bundesbürger: Einfamilienhaus bleibt Favorit.In: Der Langfristige Kredit, H. 2, S. 56-57.

Jokl, Stefan (1995): Steuerrecht und Wohneigentum: Reformvorschläge zur steuerli-chen Wohneigentumsförderung. Referate und Statements des 30. Königsteiner Ge-sprächs am 4./5. Mai 1995. Bonn.

Jokl, Stefan; Zehnder, Andreas (2001): Wohneigentumsbildung � Wünsche, Forderun-gen, Grenzen. In: Jenkis, Helmut W. (Hg.): Kompendium der Wohnungswirtschaft.4. erg. Aufl., München/Wien, S. 392-418.

Page 352: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

345

Kähler, Gerd (Hg.) (1996): Geschichte des Wohnens. 1918 - 1945. Reform ReaktionZerstörung. Stuttgart

Kalter, Frank (1999): �The Ties that Bind� � Wohneigentum als ehespezifische Inves-tition. In: Klein, Thomas; Kopp, Johannes (Hg.): Scheidungsursachen aus soziolo-gischer Sicht. Familie und Gesellschaft, Bd. 2, Würzburg, S. 255-270.

Keddi, Barbara; Seidenspinner, Gerlinde (1991): Arbeitsteilung und Partnerschaft. In:Bertram, Hans (Hg.): Die Familie in Westdeutschland. Stabilität und Wandel fami-lialer Lebensformen. Opladen, S. 159-192.

Keupp, Heiner; Röhrle, Bernd (Hg.) (1987): Soziale Netzwerke. Frankfurt a. M.

Keupp, Heiner (1995): Solidarisch und doch frei. Für eine kommunitäre Individualität.In: Psychologie Heute, Juli, S. 50-55.

Keupp, Heiner (2001): Jeder nach seiner Façon. Lebensformen und Identitäten imWandel. In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionenzur Zukunft des Wohnens. Darmstadt, S. 265-275.

Kecskes, Robert (1997): Sozialräumlicher Wandel in westdeutschen Großstädten. Ur-sachen, Folgen, Maßnahmen. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Die Städte in den 90erJahren. Demographische, ökonomische und soziale Entwicklungen. Opla-den/Wiesbaden, S. 213-244.

Kilper, Heiderose (1999): Die Internationale Bauausstellung Emscher Park. Eine Stu-die zur Steuerungsproblematik komplexer Erneuerungsprozesse in einer alten In-dustrieregion. Opladen.

Kirbach, Roland (1999): Jede freie Minute auf der Baustelle. Wie zwanzig Familienmit Hilfe des Prinzips "Einfach und selber bauen" zu Eigenheimen kamen. In: Bei-erlorzer, Henry; Boll, Joachim; Ganser, Karl (Hg.): Siedlungskultur. Neue und alteGartenstädte im Ruhrgebiet. IBA Emscher Park. Braunschweig/Wiesbaden, S. 70-75.

Klages, Helmut (1968): Der Nachbarschaftsgedanke und die nachbarschaftliche Wirk-lichkeit in der Großstadt. Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz.

Knapp, Gudrun-Axeli (2001): Dezentriert und viel riskiert: Anmerkungen zur Thesevom Bedeutungsverlust der Kategorie Geschlecht. In: Diess.; Wetterer, Angelika(Hg.): Soziale Verortung der Geschlechter. Gesellschaftstheorie und feministischeKritik. Münster. S. 15-62.

Knothe, Holger (2002): Junge Frauen und Männer zwischen Herkunftsfamilie und ei-gener Lebensform. In: Cornelißen, Waltraud u. a. (Hg): Junge Frauen � jungeMänner. Daten zur Lebensführung und Chancenungleichheit. Eine sekundäranaly-tische Auswertung. Opladen, S. 89-134.

Koppetsch, Cornelia; Maier, Maja S. (1998): Individualisierung ohne Gleichheit? Zuraktuellen Lage des Geschlechterverhältnisses. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Die In-divdiualisierungs-These. Opladen, S. 143-164.

Koppetsch, Cornelia; Burkart, Günter (1999): Die Illusion der Emanzipation. ZurWirksamkeit latenter Geschlechtsnormen im Milieuvergleich. Konstanz.

Page 353: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

346

Kott, Kristina; Krebs, Thomas (2004): Haus- und Grundbesitz und Immobilienvermö-gen privater Haushalte. Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe2003. In: Wirtschaft und Statistik 7, S. 770-782.

Krätke, Stefan (1988): Gemeinwirtschaft ohne Zukunft? Erfahrungen und Perspekti-ven "sozialer Baubetriebe". Hamburg.

Krings-Heckemeier, U.; Dübel, A. u. a. (1994): Mehr Wohneigentum für mittlere Ein-kommensschichten. Strategien einer effizienteren Förderung. Bonn

Kuckartz, Udo (1992): Textanalysesystem für die Sozialwissenschaften. Einführung inMAX und TEXTBASE ALPHA. Stuttgart.

Kuckuck, Anke; Wohlers, Heike (1990): Selbsthilfe. Ansichten und Aussichten. Hg. v.der Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung Berlin (S.T.E.R.N.), Berlin.

Kühne-Büning, Lidwina; Nordalm, Volker; Steveling, Lieselotte (Hg.) (2005): Grund-lagen der Wohnungs- und Immoblienwirtschaft. 4. Aufl. Hamburg.

Künzler, Jan (1999): Arbeitsteilung in Ehen und Nichtehelichen Lebensgemeinschaf-ten. In: Klein, Thomas; Lauterbach, Wolfgang (Hg.): Nichteheliche Lebensgemein-schaften. Analysen zum Wandel partnerschaftlicher Lebensformen. Opladen, S.235-268.

Künzler, Jan; Walter, Wolfgang (2001): Arbeitsteilung in Partnerschaften. Theoreti-sche Ansätze und empirische Befunde. In: Huinink, Johannes; Strohmeier, KlausPeter; Wagner, Michael (Hg.): Solidarität in Partnerschaft und Familie. Zum Standfamiliensoziologischer Theoriebildung. Würzburg, S. 185-218.

Kurz, Karin (1999): Soziale Ungleichheiten beim Erwerb von Wohneigentum. Analy-sen für die Geburtskohorten 1930, 1940, 1950. Sonderforschungsbereich 186 derUniversität Bremen, Arbeitspapier Nr. 63. Bremen.

Kurz, Karin (2000): Soziale Ungleichheiten beim Übergang zu Wohneigentum. In:Zeitschrift für Soziologie, Jg. 29, Heft 1, S. 27-43.

Kuthe, C.; Mermagen, W.; Schepers, A. (1993): Gemeinsam Bauen - GemeinsamWohnen. Rechtliche und finanzielle Gestaltungsmöglichkeiten für Gruppenprojek-te im Neubau. 2. Aufl., Darmstadt.

Lamnek, Siegfried (1989): Qualitative Sozialforschung. Bd. 2, Methoden und Techni-ken. München.

Langfeldt, Bettina (2002): Innerfamiliale Arbeitsteilung � keine Gleichstellung männ-licher und weiblicher Zeit in Sicht. In: Kramer, Caroline (Hg.): FREI-Räume undFREI-Zeiten: Raum-Nutzung und Zeit-Verwendung im Geschlechterverhältnis.Baden-Baden, S. 201-216.

Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen für Städtebau, Wohnungswesenund Agrarordnung (LEG) (1987): Familienhausbau in Gruppenselbsthilfe. Doku-mentation des Organisationsmodells der LEW NRW. Hg. v. Minister für Stadtent-wicklung, Wohnung und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen. Bonn.

Landesinstitut für Bauwesen des Landes NRW (LB) (Hg.) (2002): Ratgeber PreiswertWohneigentum schaffen. Im Auftrag des Ministeriums für Städtebau und Wohnen,Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen. Überarb. Aufl. Aachen.

Page 354: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

347

Laux, Hans (1997): Die alte Frage neu gestellt: Was ist günstiger � Bauen/Kaufen oderMieten? In: Der Langfristige Kredit, H. 15, S. 486-490.

Leutner, Bernd; Famira, Andrea (2003): Dilemma und Chance: Die �TopEight�- Städ-te. In: Bundesbaublatt, 3, S. 16-20.

Löw, Martina (1994): Raum ergreifen. Alleinwohnende Frauen zwischen Arbeit, sozi-alen Beziehungen und der Kultur des Selbst. Wissenschaftliche Reihe Band 56.Bielefeld.

Lucke, Doris (1998): Eigentum/Eigentumsordnung. In: Schäfers, Bernhard; ZapfWolfgang (Hg.): Handwörterbuch zur Gesellschaft Deutschlands. Opladen, S. 145-153.

Maltznetter, Walter (1994): Internationaler Vergleich von Wohneigentumsquoten. In:Wohnungspolitik auf dem Prüfstand, Materialband Bonn, S. 12-52.

Marahrens, Walter (1988): Selbsthilfe als Instrument der Wohnungspolitik? Möglich-keiten und Beschränkungen der Selbsthilfe im Wohnungsneubau unter besondererBerücksichtigung der städtischen Wohnungsmärkte. Frankfurt a. M./Bern/New Y-ork/Paris.

Mayring, Philipp (1996): Einführung in die qualitative Sozialforschung. Eine Anlei-tung zu qualitativem Denken. 3. Aufl. Weinheim.

McCamant, Kathryn; Durrett, Charles (1994): Cohousing. A Contemporary Approachto Housing Ourselves. 2. überarb. Aufl. Hong Kong.

Meier, Uta; Küster, Christine; Zander, Uta (2004): Alles wie gehabt? Geschlechtsspe-zifische Arbeitsteilung und Mahlzeitenmuster im Zeitvergleich. In: StatistischesBundesamt (Hg.): Alltag in Deutschland. Analysen zur Zeitverwendung. Forum derBundesstatistik, Bd. 43. Bonn, S. 114-130.

Mersmann, Arno; Novy, Klaus (1991): Gewerkschaften, Genossenschaften, Gemein-wirtschaft. Hat eine Ökonomie der Solidarität eine Chance? (Gewerkschaften inDeutschland, Bd. 9). Köln.

Mersmann, Arno; Bärsch, Jürgen (1995): Wohnungsgenossenschaften. Leben durchSelbsthilfe. Wirtschaftliche Bedeutung und Weiterentwicklung der Selbsthilfepo-tentiale von Wohnungsgenossenschaften in den neuen Bundesländern. Köln.

Metz-Göckel, Sigrid (2000): Sozialisation der Geschlechter: Von der Geschlechterdif-ferenz zur Dekonstruktion der Geschlechterdualität. In: Bührmann, Andrea; Die-zinger, Angelika; Metz-Göckel, Sigrid: Arbeit, Sozialisation, Sexualität: ZentraleFelder der Frauen- und Geschlechterforschung. Opladen, S. 103-116.

Metz-Göckel, Sigrid; Müller, Ulla (1985): Der Mann. Brigitte-Untersuchung. Ham-burg.

Meuser, Michael; Nagel, Ulrike (2002): ExpertInneninterviews � vielfach erprobt, we-nig bedacht. Ein Beitrag zur qualitativen Methodendiskussion. In: Bogner, Alexan-der; Littig, Beate; Menz, Wolfgang (Hg.): Das Experteninterview. Theorie, Metho-de, Anwendung. Opladen, S. 71-94.

Page 355: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

348

Mezler, Johannes (1985): Auswirkungen der Selbsthilfe im Eigenheimbau auf dieBauwirtschaft. Schriftenreihe 04 "Bau- und Wohnforschung" des Bundesministersfür Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Heft 04.111, Bonn-Bad Godesberg.

Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen(Hg.) (1987): Familienhausbau in Gruppenselbsthilfe. Dokumentation des Organi-sationsmodells der LEG NRW. Düsseldorf.

Ministerium für Bauen und Wohnen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (1997):Frauen bauen. Düsseldorf.

Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (MSWKS) (2003): Wohnungsbauprogramm 2003 (WOBauP). RdErl. d.Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport vom 05.02.2003. Düs-seldorf. http://www.mswks.nrw.de/download/Wbp03Entwurf.pdf.

Ministerium für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (MSWKS) (2004): Wohnen im Alter. Neue Wohnmodelle in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf.

Mischau, Anina; Blättel-Mink, Birgit; Kramer, Caroline (1998): Innerfamiliale Ar-beitsteilung - Frauen zwischen Wunsch und Wirklichkeit. In: Soziale Welt, H. 49,S. 333-354.

Mitscherlich, Alexander (1965): Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zumUnfrieden. Frankfurt.

Mühlbauer, Walter; Brech, Joachim (1999): Rationalisierung und gewerkeübergrei-fende Fertigung in integrativen Planungs- und Produktprozessen - Eine neue Quali-tät im Wohnungsbau. Forschungsprojekt im Auftrag des Bundesministeriums fürVerkehr, Bau- und Wohnungswesen, Stuttgart.

Müller, Edda (2003): Der verunsicherte Nachfrager. Vermögensbildung, Altersvorsor-ge und Wohneigentum aus der Sicht des Verbraucherschutzes. In: vhw, 4, S. 189-191.

Müller, Hans-Ulrich (1991): Familie und Wohnen. Wohnung und Wohnumfeld. In:Bertram, Hans (Hg.): Die Familie in Westdeutschland. Opladen, S. 311-349.

Müller, Sebastian; Herrmann, Rita (Hg.) (1999): Inszenierter Fortschritt � die Em-scherregion und ihre Bausausstellung. Bielefeld.

Münnich, Margot (1999): Haus- und Grundbesitz sowie Wohnverhältnisse privaterHaushalte in Deutschland. Ergebnisse der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe1998. In: Wirtschaft und Statistik, H. 3, S. 210-220.

Nave-Herz, Rosemarie (1992): Familie. In: Reinhold, Gerd (Hg.): Soziologie-Lexikon.München, S. 156-159.

Nave-Herz, Rosemarie (1998): Die These über den �Zerfall der Familie�. In: Fried-richs, Jürgen; Lepsius, Rainer; Mayer, Karl Ulrich (Hg.): Die Diagnosefähigkeitder Soziologie. Opladen, S. 286-315.

Neckel, Sighard (1993): Die Macht der Unterscheidung. Beutezüge durch den moder-nen Alltag. Frankfurt a. M.

Page 356: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

349

Neitmann, Iris (2000): Entstehung von Urbanität durch Partizipation. In: vhw-ForumWohneigentum, Heft 3, S. 107-110.

Niemeyer, Franz; Voit, Hermann (1995): Lebensformen der Bevölkerung 1993. In:Wirtschaft und Statitik, H. 6, S. 437-445.

Novy, Beatrix (1999): Euphorie und Normalität nachbarschaftlicher Gemeinschafts-projekte. Geschichten aus drei Siedlungen. In: Beierlorzer, Henry; Boll, Joachim;Ganser, Karl (Hg.): Siedlungskultur. Neue und alte Gartenstädte im Ruhrgebiet.IBA Emscher Park. Braunschweig/Wiesbaden, S. 92-97.

Novy, Klaus (1983): Genossenschafts-Bewegung. Zur Geschichte und Zukunft derWohnreform. Berlin.

Novy, Klaus; Prinz, Michael (1985): Illustrierte Geschichte der Gemeinwirtschaft.Wirtschaftliche Selbsthilfe in der Arbeiterbewegung von den Anfängen bis 1945.Berlin/Bonn.

Novy, Klaus (1989): Neue Haushaltsformen, neue Lebensstile und die Suche nach denneuen Bauherren. In: Brech, Joachim (Hg.): Neue Wohnformen in Europa. Berich-te des 4. Internationalen WOHNBUND-Kongresses. Darmstadt, S. 41-70.

Oberhauser, Alois (2001): Familienorientierte Wohneigentumsförderung. Modell einerzielgerichteten Förderung des Erwerbs selbstgenutzten Wohneigentums. In: Jenkis,Helmut W. (Hg.): Kompendium der Wohnungswirtschaft. 4. erg. Aufl., Mün-chen/Wien, S. 419-438.

Oechsle, Mechthild; Geissler, Birgit (2004): Modernisierungstheorien: Anregungspo-tenziale für die Frauen- und Geschlechterforschung. In: Becker, Ruth; Kortendiek,Beate (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden,Empirie. Wiesbaden, S. 196-203.

Osterland, Astrid (2000): Nicht allein und nicht ins Heim. Alternative: Alten-WG. Pa-derborn.

Ostermeier, Marion; Blossfeld, Hans-Peter (1998): Wohneigentum und Ehescheidung.Eine Längsschnittsanalyse über den Einfluß gekauften und geerbten Wohneigen-tums auf den Prozeß der Ehescheidung. In: Zeitschrift für Bevölkerungswissen-schaft, Jg. 23, H. 1, S. 39-54.

Ostner, Ilona (1997): Familie und Zivilgesellschaft. In: Schmals, Klaus M.; Heinelt,Hubert (Hg.): Zivile Gesellschaft. Entwicklung, Defizite und Potentiale. Opladen,S. 369-384.

Park, Robert; Burgess, Ernest W.; McKenzie, Roderick D. (1984): The City. Sugges-tions for Investigation of Human Behavior in the Urban Environment. Chicago (imOriginal 1925).

Peuckert, Rüdiger (1999): Familienformen im sozialen Wandel. 3. völlig überarb. u.erweiterte Aufl. Opladen.

Peters, Heinz (1984): Selbsthilfe am Bau. Vorbereitung, Organisation, Bewertung.Wiesbaden/Berlin.

Petrowsky, Werner (1993): Arbeiterhaushalte mit Hauseigentum. Die Bedeutung desErbes bei der Eigentumsbildung. Bremen.

Page 357: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

350

Pfeiffer, Ulrich; Braun, Rainer (1995): Wohneigentum und Familie. Endbericht imAuftrag der Wüstenrot Stiftung Deutscher Eigenheimverein e.V., Ludwigsburg.Stuttgart.

Pfeiffer, Ulrich (2002): Das Eigenheim zwischen Ökosünde und Wachstumsmotor.Empirica paper Nr. 63. Berlin.

Pfeiffer, Ulrich; Braun, Reiner (2006): Eigenheimförderung in Europa. Was Deutsch-land von anderen Ländern lernen kann. Köln.

Pfeil, Elisabeth (1950): Großstadtforschung. Bremen.

Pinl, Claudia (2004): Wo bleibt die Zeit? Die Zeitbudgeterhebung 2001/2002 des Sta-tistischen Bundesamtes. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, 32, S. 19-25.

Redder, U.; Vogel, W. (1996): Genossenschaftswesen. Neue Wege der Wohneigen-tumsbildung. In: Bundesbaublatt, H. 8, S. 589-604.

Reulecke, Jürgen (Hg.) (1997): Geschichte des Wohnens. 1800 - 1918: Das bürgerli-che Zeitalter. Band 3. Stuttgart.

Riege, Marlo (1993): Der soziale Wohnungsbau. Sein Beitrag und seine Grenzen füreine soziale Wohnungspolitik. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 8-9, S. 32-42.

Rifkin, Jeremy (2000): Access. Das Verschwinden des Eigentums. Warum wir weni-ger besitzen und mehr ausgeben werden. Frankfurt a. M.

Rosenbaum, Heidi (1982): Formen der Familie. Untersuchungen zum Zusammenhangvon Familienverhältnissen, Sozialstruktur und sozialem Wandel in der deutschenGesellschaft des 19. Jahrhunderts. Frankfurt a. M.

Ruck, Michael (1988): Die öffentliche Wohnbaufinanzierung in der Weimarer Repu-blik. In: Schildt; Axel; Sywottek, Arnold (Hg.): Massenwohnung und Eigenheim:Wohnungsbau und Wohnen in der Großstadt seit dem Ersten Weltkrieg. Frankfurta. M./New York, S.150-200.

Saunders, Peter (1990): A Nation of Home Owners. London

Schader-Stiftung (Hg.) (2001): wohn:wandel Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zu-kunft des Wohnens. Darmstadt.

Schader-Stiftung (Hg.) (2001): Kommentiertes Programmheft zu wohn:wandel. Szena-rien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt.

Schäfer, Heiner (1985): Wohnungsversorgung durch Selbstbau. Selbsthilfe beim Ei-genheimbau - Soziale Voraussetzungen und ihre wohnungspolitische Bedeutung.Darmstadt.

Schätzl, Ludwig (2003): Finanzierungsstrukturen der Wohneigentumsbildung 2002.VDH-Erhebung unter Einbeziehung der Großbanken. In: BBR (Hg.): Wohneigen-tum. Informationen zur Raumentwicklung, H.6, Bonn, S. 367-375.

Scheller, Gitta (2003): Ostdeutsche Ehen und Familien im Spannungsfeld zwischenIndividualisierung und Re-Traditionalisierung. In: beiträge zur feministischen theo-rie und praxis. 26. Jg., H. 62, S. 29-43.

Page 358: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

351

Schendel, Reiner (2002): Finanzierung von Wohnprojekten in Hamburg. In: StattbauHamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, soziale Stadtentwicklung. DasStattbau-Buch. Hamburg, S. 25-30.

Schmidt, Manfred G. (2001): Wohneigentum als Äquivalent sozialstaatlicher Siche-rung? In: Schader-Stiftung (Hg.): Kommentiertes Programmheft zu �wohn:wandel.Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt, S. 63-70.

Schneider, Nicole; Spellerberg, Annette (1999): Lebensstile, Wohnbedürfnisse undräumliche Mobilität. Opladen.

Schneider, Norbert (1996): Nichtkonventionelle Lebensformen - Zwischen Individua-lisierung und Institutionalisierung. In: Zeitschrift für Frauenforschung, 4, S. 12-24.

Schneider, Norbert; Rosenkranz, Doris; Limmer, Ruth (1998): NichtkonventionelleLebensformen. Entstehung, Entwicklung, Konsequenzen. Opladen.

Schneider, Ulrike (1992): Neues Wohnen � alte Rollen? Der Wandel des Wohnens ausder Sicht der Frauen. Pfaffenweiler.

Schönefeld, Ludwig (1990): Die bauliche Selbsthilfe braucht Anstöße. Selbsthilfe imMietwohnungsbau mit verschiedenen Trägermodellen im Kontext der Wohnungs-politik. In: Gemeinnütziges Wohnungswesen, 1990 (43), Nr. 4, S. 160-162.

Scholten, Ulrich (1999): Die Förderung von Wohneigentum. Beiträge zur Finanzwis-senschaft, Bd. 8. Tübingen.

Scholz, Brigitte (2000): Siedlungen bauen im Rahmen der IBA Emscher Park. In:Hüchtker, Sybille; Scholz, Brigitte; Selle, Klaus; Sutter-Schurr, Heidi u.a. (Hg.):Siedlungen bauen, Quartiere entwickeln. Beispiele aus der Praxis. Dortmund, S.31-48.

Schubert, Dirk (1992): Gretchenfrage Hafenstraße. Wohngruppenprojekte in Ham-burg. In: Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, H. 4, S. 34-43.

Schülein, Johann August (1985): Wohnen in der Gemeinschaft. In: Franke, Lutz (Hg.):Menschlich wohnen. Frankfurt/New York, S. 60-74.

Schuh, Jürgen (1989): Kollektives Wohnen. Eine vergleichende Untersuchung in- undausländischer Beispiele. Schriftenreihe/Gesamthochschule Kassel, FB Architektur,17. Darmstadt.

Schulz, Günther (1988): Eigenheimpolitik und Eigenheimförderung im ersten Jahr-zehnt nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Schildt; Axel; Sywottek, Arnold (Hg.):Massenwohnung und Eigenheim: Wohnungsbau und Wohnen in der Großstadt seitdem Ersten Weltkrieg. Frankfurt a. M./New York, S. 409-439.

Schulz, Günther (1997): Wohnungspolitik in Deutschland und England 1900-1939.Generelle Linien und ausgewählte Beispiele. In: Zimmermann, Clemens (Hg.): Eu-ropäische Wohnungspolitik in vergleichender Perspektive 1900 - 1939. Stuttgart, S.153-165.

Selle, Gert (1993): Die eigenen vier Wände. Zur verborgenen Geschichte des Woh-nens. Frankfurt a. M./New York.

Page 359: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

352

Selle, Klaus; Sutter-Schurr, Heidi (2002): Die Wiederentdeckung der neuen Träger. In:Stattbau Hamburg (Hg.): Wohnprojekte, Baugemeinschaften, soziale Stadtentwick-lung. Das Stattbau-Buch. Hamburg, S. 54-55.

Siebel, Walter (1999): Soziale Qualitäten des Wohnens. In: WohnBund-BeratungNRW (Hg.): Wohnung, Siedlung, Quartier. Entwicklungen, Projekte und Perspek-tiven für soziales Wohnen. Dortmund, S. 176-181.

Siebel, Walter (2000a): Die Internationale Bauausstellung Emscher-Park. Vortrag aufder Sitzung Stadt- und Regionalsoziologie am 22.10.99 in Gelsenkirchen. In:Nachrichtenblatt zur Stadt- und Regionalsoziologie, 14. Jg., Nr. 2, S. 12-18.

Siebel, Walter (2000b): Qualität des Wohnens - Anmerkungen eines Soziologen. In:vhw-Forum Wohneigentum, Heft 3, S. 105-106.

Simmel, Georg (1995): Die Großstädte und das Geistesleben. In: Rammstedt, Otthein:Georg Simmel Gesamtausgabe. Bd. 7: Aufsätze und Abhandlungen 1901-1908.Frankfurt a. M. S. 116-131(im Original 1903).

Söfker, Wilhelm; Burger, Pia (2001): Das Gesetz zur Reform des Wohnungsbaurechts.Teil 1. In: Bundesbaublatt, H. 8, S. 10-15.

Spiegel, Erika (1986): Neue Haushaltstypen. Entstehungsbedingungen, Lebenssituati-on, Wohn- und Standortverhältnisse. Frankfurt/New York.

Spiegel, Erika (2000): Haushaltsformen und Lebensstile im Lebensverlauf - Wohn-und Standortbedürfnisse und -präferenzen. In: Harth, Annette; Scheller, Gitta; Tes-sin, Wulf (Hg.): Stadt und soziale Ungleichheit. Opladen, S.197-216.

Stadt Bergkamen in Zusammenarbeit mit IBA Emscher Park (Hg.) (1995): Einfachund selber Bauen Bergkamen City. Dokumentationen. Gelsenkirchen.

Stadt und Regionalforschung (Hg.) (2001): Einfamilienhaus und verdichtete Wohn-formen � eine Motivenanalyse. Endbericht im Auftrag des Bundesministeriums fürVerkehr, Innovation und Technologie. Wien.

Statistisches Bundesamt (Hg.) (2001): Fachserie 1 "Bevölkerung und Erwerbstätig-keit", Reihe 3 "Haushalte und Familie 1999", Wiesbaden.

Statistisches Bundesamt (Hg.) (2002): Statistisches Jahrbuch. Berlin.

Statistisches Bundesamt (Hg.) (2005): Leben und Arbeiten in Deutschland. Ergebnissedes Mikrozensus 2004. Wiesbaden.

Stattbau Hamburg (2002) (Hg.): Wohnprojekte Baugemeinschaften Soziale Stadtent-wicklung. Das Stattbau-Buch. Hamburg.

Steinberg, Gernot (1996): Wohnungspolitik, Wohnungswirtschaft, alternative Wohn-projekte in Dänemark. Dortmund.

Steinrücke, Margareta; Schultheis, Franz (1998): Vorwort. In: Bourdieu, Pierre u. a:Der Einzige und sein Eigenheim. Schriften zu Politik und Kultur 3, Hg. v. Magare-ta Steinrücke, Hamburg, S. 7-16.

Strauss, Anselm; Corbin, Juliet (1996): Grounded Theory: Grundlagen QualitativerSozialforschung. Weinheim.

Page 360: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

353

Stürmer, Bernd (1999): Größe, Belegung und Alterstruktur der Eigentümer- undMietwohneinheiten. In: Wirtschaft und Statistik, H. 12, S. 952-958.

Sturm, Gabriele (1993): Die Hälfte der Planung? Das Beispiel der Beteiligung vonFrauen an (Wohn-)Projekten der Internationalen Bauausstellung Emscher Park. In:Müller, Sebastian; Schmals, Klaus M. (Hg.): Die Moderne im Park? Ein Streitbuchzur Internationalen Bauausstellung im Emscherraum. Dortmund, S. 133-148.

Sydow, Manfred (1997): Wohnungseigentumspolitik und Eigentumsquote. Relativie-rung einer Relation. In: Die Wohnungswirtschaft, H. 10, S. 672-676.

Szypulski, Anja (2004): Verborgene Realitäten: Selbsthilfe und innerfamilale Arbeits-teilung. Empirische Ergebnisse aus der IBA Projektreihe �Einfach und selber bau-en�. In: Bauhardt, Christine (Hg.): Räume der Emanzipation. Wiesbaden, S. 163-178.

Szypulski, Anja (2006): Home ownership for young families through self-help hous-ing. A traditional concept newly rediscovered. In: Doling, John; Elsinga, Marja(Hg.): Home ownership. Getting in, getting from, getting out. Part II. Amsterdam,S. 93-108.

Tesch-Römer, Clemens; Engstler, Heribert; Wurm, Susanne (Hg.): Altwerden inDeutschland. Sozialer Wandel und individuelle Entwicklung in der zweiten Le-benshälfte. Wiesbaden

Theimer, Andreas; Thiemer, Beate (1997): Wohnungsmarkt und Wohnungsversor-gung. In: Friedrichs, Jürgen (Hg.): Die Städte in den 90er Jahren. Demographische,ökonomische und soziale Entwicklungen. Opladen/Wiesbaden, S. 245-270.

Tönnies, Ferdinand (1991): Gemeinschaft und Gesellschaft - Grundbegriffe der reinenSoziologie. Darmstadt (im Original 1887).

Ulbrich, Rudi (1993): Wohnungsversorgung in der Bundesrepublik Deutschland. In:Aus Politik und Zeitgeschichte, B 8-9, S. 16-31.

Ulbrich Rudi (2000): Wohnungsversorgung. In: Häußermann, Hartmut (Hg.): Groß-stadt. Soziologische Stichworte. 2. Aufl. Opladen, S. 290-312.

Vaskovics, Laszlo A. (Hg.) (1997): Familienleitbilder und Familienrealitäten. Opladen

Verband der Wohnungswirtschaft Rheinland Westfalen e.V. (Hg.) (2002): Zukunft desWohnens. Perspektiven für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Rheinlandund Westfalen. Ein Gutachten im Auftrag des VdW Rheinland Westfalen, Bo-chum.

Vester, Michael (1997): Soziale Milieus und Individualisierung. Mentalitäten undKonfliktlinien im historischen Wandel. In: Beck, Ulrich; Sopp, Peter (Hg.): Indivi-dualisierung und Integration. Neue Konfliktlinien und neuer Integrationsmodus?Opladen, S. 99-123.

Villmar, Fritz; Runge, Brigitte (1986): Auf dem Weg zur Selbsthilfegesellschaft? Es-sen.

Voesgen, Hermann (1989): Stunden der Nähe - Tage der Distanz. Zum Verhältnis vonDistanz und Nähe in Wohngruppen. In: Brech, Joachim (1989): Neue Wohnformen

Page 361: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

354

in Europa. Berichte des 4. Internationalen WOHNBUND-Kongresses. Darmstadt,S. 94-107.

Voesgen, Hermann (1992): Selbstgewählte Nachbarschaften.Gemeinsam wohnen inHausgemeinschaften und Wohngruppen. In: Forschungsjournal Neue Soziale Be-wegungen, H. 2,S. 68-74.

Vom Dorp, Erich (1982): Möglichkeiten und Grenzen der baulichen Selbsthilfe.Wohneigentum, Städtebau und Siedlungsentwicklung - Hemmnisse und Konse-quenzen. In: Informationsdienst und Mitteilungsblatt des Deutschen Volksheim-stättenwerks, 1982 (36), Nr. 14, S. 237-239.

Wagner, Michael; Mulder, Clara (2000): Wohneigentum im Lebenslauf. Kohortendy-namik, Familiengründung und sozioökonomische Ressourcen. In: Zeitschrift fürSoziologie, Jg. 29, Heft 1, S. 44-59.

Weeber, Rotraut; Weeber, Hannes; Kleebaur, Sabine u. a. (1999): Eigenleistung beimBauen. Wie Eigentümer und Mieter sich am Bau ihrer Wohnung beteiligen können.Bauforschung für die Praxis, Bd. 49, Stuttgart.

Weiske, Christine (1995): Bauliche Selbsthilfe in den neuen Ländern - Geschichte undgegenwärtige Situation. In: Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung(Hg.): Organisierte Gruppenselbsthilfe im Eigenheimbau. Dokumentation derFachtagung, Erkner, S. 11-20.

Wiedmann, Klaus-Peter; Walsh, Gianfranco (2000): Informationsverhalten und Ein-stellungen von Kunden beim geplanten Kauf von Wohneigentum. In: Der Langfris-tige Kredit, H. 3, S. 79-82.

Winter, Horst (1999): Wohnsituation der Haushalte 1998. Ergebnisse der Mikrozen-sus-Ergänzungserhebung. Teil 2: Haushalte und ihre Mieten. In: Wirtschaft undStatistik, H. 11, S. 858-865.

Wischermann, Clemens (1997): Mythen, Macht und Mängel: Der deutsche Woh-nungsmarkt im Urbanisierungsprozeß. In: Reulecke, Jürgen (Hg.): Geschichte desWohnens, Bd. 3, 1800 bis 1918 Das bürgerliche Zeitalter. Stuttgart, S. 333-502.

WohnBund-Beratung NRW (1999a): Kooperation zwischen Wohngruppen und Woh-nungsbauunternehmen. Ein Leitfaden für die gemeinsame Realisierung von neuenWohnformen. Bochum.

WohnBund-Beratung NRW (1999b): Wohnung - Siedlung - Quartier. Entwicklungen,Projekte und Perspektiven für soziales Wohnen. Dortmund.

Wohnbund e. v. (Hg.) (2005): Wohnprojekte und nachbarschaftliches Wohnen inSchleswig-Holstein. Wohnbund-informationen 2 u. 3. München.

Zapf, Katrin (1999): Haushaltsstrukturen und Wohnverhältnisse. In: Flagge, Ingeborg(Hg.): Geschichte des Wohnens, Bd. 5, 1945 bis heute: Aufbau, Neubau, Umbau.Wüstenrot-Stiftung, Deutscher Eigenheimverlag e. v. Ludwigsburg, Stuttgart, S.563-614.

Zehnder, Andreas J. (2000): Ist die Wohneigentumspolitik in die Defensive geraten?In: Der Langfristige Kredit, H. 8, S. 268-270.

Page 362: Gemeinsam bauen - gemeinsam wohnen: Wohneigentumsbildung durch Selbsthilfe

355

Zehnder, Andreas J. (2001): Fünfzig Jahre Wohneigentum. In: Der Langfristige Kre-dit, H. 11, S. 378-382.

Zimmermann, Clemens (1997): Wohnen als sozialpolitische Herausforderung. Refor-merisches Engagement und öffentliche Aufgaben. In: Reulecke, Jürgen (Hg.): Ge-schichte des Wohnens, Bd. 3, 1800 bis 1918 Das bürgerliche Zeitalter. Stuttgart,S.503-636.

Zimmermann, Clemens (2001): Wohnungspolitik - Eigenheime für alle? In: Harlander,Tilmann (Hg.): Villa und Eigenheim. Suburbaner Städtebau in Deutschland. Wüs-tenrot Stiftung, Stuttgart/München, S. 330-349.

Zlonicky, Peter (1999): Warum es Sinn macht, die Gartenstadt immer wieder neu zuerfinden. In: Beierlorzer, Henry; Boll, Joachim; Ganser, Karl (Hg.): Siedlungskul-tur. Neue und alte Gartenstädte im Ruhrgebiet. IBA Emscher Park. Braun-schweig/Wiesbaden, S. 34-39.

Verzeichnis der Internetadressen

www.bbr.bund.de/wohnungswesen/wohneigentum/zahlung.htm(zugegriffen am 15.12.2003)

www.bmvbw.de/Eigenheimzulagegesetz-.457.htm (zugegriffen am 21.06.2004)

www.bmvbw.de/Anlage 19996/Kurzfassung.pdf (zugegriffen am 04. 07.2004)

www.destatis.de/basis/d/bauwo/wositab4.htm (zugegriffen am 20.02.2004)

www.destatis.de/basis/d/bauwo/wositab6.htm (zugegriffen am 20.02.2004)

www.destatis.de/basis/d/bauwo/wositab7.htm (zugegriffen am 20.02.2004)