gerinnungstherapie nach maß*

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142 I ÜBERSICHTEN / REVIEW ARTICLES © Anästh Intensivmed 2009;50:142-157 Aktiv Druck & Verlag GmbH Zusammenfassung: Gerinnungsstörungen gehen von Thrombozyten, plasmatischer Gerinnung, deren Inhibition, Gerinnselbildung oder Fibrinolyse aus. Diagnostik ist hier effektiver und immer preiswerter als ungezielte Therapie. Klinische Situation und Anamnese geben die wesentlichen Hinweise. Labor- diagnostik ergänzt die Einschätzung. Gerinnungs- therapie nach Maß soll in angemessener Zeit mit minimalen Nebenwirkungen und geringstem Ver- brauch von Ressourcen den notwendigen Erfolg erzielen. Gerinnungstherapeutika stehen für nahezu alle Situationen zur Verfügung. Tagestherapiekosten reichen von mehreren Tausend Euro (Faktor VIIa) bis hinab zu wenigen Cent (orale Antikoagulantien). Rückenmarksnahe Regionalanästhesie wird nur bei intakter Gerinnung empfohlen. Heparine und Acetyl- salicylsäure sind hier nur in prophylaktischer Dosis erlaubt. Schlüsselwörter: Blutstillung – Gerinnung – Thrombozyten – Thrombose – Blutung. Summary: Coagulation disorders may originate with platelets, plasmatic coagulation or its inhibition, clot formation or fibrinolysis. Prior diagnostic clarifi- cation always leads to more effective results than blind therapy. The clinical situation and patient histo- ry provide important information, and laboratory investigations finalise the diagnosis. Optimal coagu- lation therapy should achieve success with a mini- mum of side effects and resources and within an acceptable time. Therapeutic agents are available for almost situations. Daily treatment costs range from thousands of euros (factor VIIa) to only a few cents (oral anticoagulants). Central regional anaesthesia should be used only when coagulation is intact, and heparins and aspirin are permitted in prophylactic doses only. Keywords: Hemostasis – Coagulation – Platelets – Thrombosis – Bleeding. Einführung Die Therapie von Gerinnungsstörungen setzt eine vernünftige Diagnostik sowie elementare Kenntnisse der Labormethoden und des Gerinnungssystems voraus. Im Folgenden möchten wir uns auf diagno- stische Standardmethoden, gängige Arzneimittel und typische klinische Situationen beschränken. Physiologie der Blutgerinnung Die Blutgerinnung ist ein äußerst komplexes System, das Blutverluste durch spontane oder traumatische Leckagen verhindert, ohne die Perfusion durch Thrombosen größerer Gefäße zu gefährden. Für die Diagnostik und Therapie reicht ein schematisch ver- einfachtes Modell völlig aus, das in Abbildung 1 dar- gestellt ist. Thrombozyten Thrombozyten (A, Abb. 1) werden durch Scherkräfte in „Stromschnellen“ (Engstellen bei hoher Ge- schwindigkeit) aktiviert. Endotheliale (ADP), humora- le Stoffe (Adrenalin) und Gerinnungsprodukte (Thrombin) erhöhen die Aktivierbarkeit. Thrombo- zyten können sich mit anderen Thrombozyten verbin- den (Aggregation) oder am Endothel oder an Fibrin- fasern kleben (Adhäsion). Letzteres erfordert den von-Willebrand-Faktor. Thrombozytopenie oder -pathie führen daher bei Ver- letzung zu einem diffusen punktförmigen Blutungs- muster. Bei intakter Haut sind petechiale Einblu- tungen zu sehen. Eine therapeutische Hemmung der Thrombozytenfunktion ist bei Gefahr von Ver- schlüssen kleiner Arterien sinnvoll, so bei koronarer Herzkrankheit, peripherer arterieller Verschluss- krankheit oder zerebralen Perfusionsstörungen. Thrombozyten sorgen für die primäre Hämostase in kleinen arteriellen Gefäßen sowie für die Stabili- sierung von Fibringerinnseln. Gerinnungstherapie nach Maß hat das Ziel, in an- gemessener Zeit mit minimalen Nebenwirkungen und geringstem Verbrauch von Ressourcen den notwendigen Erfolg zu erzielen. Gerinnungstherapie nach Maß* Coagulation therapy made to measure G.V. Dietrich Abteilung Anästhesiologie-Intensivmedizin-Schmerztherapie-Transfusionsmedizin, Kreiskrankenhäuser Rottal-Inn (Chefarzt: PD Dr. G.V. Dietrich) * Rechte vorbehalten PIN-Nr.: 030985

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142 I ÜBERSICHTEN / REVIEW ARTICLES

© Anästh Intensivmed 2009;50:142-157 Aktiv Druck & Verlag GmbH

�Zusammenfassung: Gerinnungsstörungen gehenvon Thrombozyten, plasmatischer Gerinnung, derenInhibition, Gerinnselbildung oder Fibrinolyse aus.Diagnostik ist hier effektiver und immer preiswerterals ungezielte Therapie. Klinische Situation undAnam nese geben die wesentlichen Hinweise. Labor -diagnostik ergänzt die Einschätzung. Gerinnungs -therapie nach Maß soll in angemessener Zeit mitminimalen Nebenwirkungen und geringstem Ver -brauch von Ressourcen den notwendigen Erfolgerzielen. Gerinnungstherapeutika stehen für nahezualle Situationen zur Verfügung. Tagestherapiekostenreichen von mehreren Tausend Euro (Faktor VIIa) bishinab zu wenigen Cent (orale Antikoagulantien).Rückenmarksnahe Regionalanästhesie wird nur beiintakter Gerinnung empfohlen. Heparine und Acetyl -salicylsäure sind hier nur in prophylaktischer Dosiserlaubt.

�Schlüsselwörter: Blutstillung – Gerinnung –Thrombozyten – Thrombose – Blutung.

�Summary: Coagulation disorders may originatewith platelets, plasmatic coagulation or its inhibition,clot formation or fibrinolysis. Prior diagnostic clarifi-cation always leads to more effective results thanblind therapy. The clinical situation and patient histo-ry provide important information, and laboratoryinvestigations finalise the diagnosis. Optimal coagu-lation therapy should achieve success with a mini-mum of side effects and resources and within anacceptable time. Therapeutic agents are available foralmost situations. Daily treatment costs range fromthousands of euros (factor VIIa) to only a few cents(oral anticoagulants). Central regional anaesthesiashould be used only when coagulation is intact, andheparins and aspirin are permitted in prophylacticdoses only.

�Keywords: Hemostasis – Coagulation – Platelets –Thrombosis – Bleeding.

Einführung

Die Therapie von Gerinnungsstörungen setzt einevernünftige Diagnostik sowie elementare Kenntnisseder Labormethoden und des Gerinnungssystemsvoraus. Im Folgenden möchten wir uns auf diagno-stische Standardmethoden, gängige Arzneimittel undtypische klinische Situationen beschränken.

Physiologie der Blutgerinnung

Die Blutgerinnung ist ein äußerst komplexes System,das Blutverluste durch spontane oder traumatischeLeckagen verhindert, ohne die Perfusion durchThrombosen größerer Gefäße zu gefährden. Für dieDiagnostik und Therapie reicht ein schematisch ver-einfachtes Modell völlig aus, das in Abbildung 1 dar-gestellt ist.

ThrombozytenThrombozyten (A, Abb. 1) werden durch Scherkräftein „Stromschnellen“ (Engstellen bei hoher Ge -schwindig keit) aktiviert. Endotheliale (ADP), humora-le Stoffe (Adrenalin) und Gerinnungsprodukte(Thrombin) erhöhen die Aktivierbarkeit. Thrombo -zyten können sich mit anderen Thrombozyten verbin-den (Aggregation) oder am Endothel oder an Fibrin -fasern kleben (Adhäsion). Letzteres erfordert denvon-Willebrand-Faktor.

Thrombozytopenie oder -pathie führen daher bei Ver -letzung zu einem diffusen punktförmigen Blutungs -muster. Bei intakter Haut sind petechiale Einblu -tungen zu sehen. Eine therapeutische Hem mung derThrombozytenfunktion ist bei Gefahr von Ver -schlüssen kleiner Arterien sinnvoll, so bei koronarerHerzkrankheit, peripherer arterieller Verschluss -krankheit oder zerebralen Perfusionsstörungen.

Thrombozyten sorgen für die primäre Hämostase inkleinen arteriellen Gefäßen sowie für die Stabili -sierung von Fibringerinnseln.

Gerinnungstherapie nach Maß hat das Ziel, in an -ge messener Zeit mit minimalen Nebenwirkungenund geringstem Verbrauch von Ressourcen dennotwendigen Erfolg zu erzielen.

Gerinnungstherapie nach Maß*Coagulation therapy made to measureG.V. DietrichAbteilung Anästhesiologie-Intensivmedizin-Schmerztherapie-Transfusionsmedizin, Kreiskrankenhäuser Rottal-Inn (Chefarzt: PD Dr. G.V. Dietrich)

* Rechte vorbehalten �

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CONTINUING MEDICAL EDUCATION / ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG I 143

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Plasmatische GerinnungDie plasmatische Gerinnung kann durch Bestandteilezerstörter Zellen, sogenannter Thromboplastine (B;Abb. 1; „extrinsisch“), oder durch veränderte Endo -thel oberflächen (C; „intrinsisch“) aktiviert werden. Die klassische Gerinnungskaskade orientiert sich amAblauf der Testsysteme im Labor. Hoffmann et al. [1]stellen ein Modell der Blutgerinnung vor, das sichdavon in wesentlichen Punkten unterscheidet: Esstartet analog zum traditionellen "extrinsischen"Aktivierungsweg mit dem Faktor VII. Die FaktorenVIII, IX und XI der "intrinsichen" Gerinnungskaskadewerden jedoch in dieses Reaktionsmodell integriert.Die Zellen im Wundbereich spielen als Protein bin -dungsstellen und Reaktionskatalysatoren einewesentliche Rolle. Es entsteht ein begrenzter Reak -tionsraum, in den Proteaseinhibitoren nicht eindrin-gen können. So bleibt die Koagulation lokalbegrenzt.Gerinnungsfaktoren sind Proteine, die aus einer inak-tiven in eine enzymatisch aktive Form überführt wer-den. Aktivierte Gerinnungsfaktoren besitzen nur eineHalbwertszeit von wenigen Minuten. Ausnahme istmit rund zwei Stunden Faktor VIIa. Gerinnungs -faktoren, die am Anfang der Gerinnungskaskade ste-hen (VII, XII) haben kürzere Halbwertszeiten (Tab. 1),deutlich niedrigerere Plasmakonzentrationen unddeshalb relativ höhere Syntheseraten als die dergemeinsamen Endstrecke von intrinsischem undextrinsischem System (Prothrombin, Fibrinogen).Die plasmatische Gerinnung führt zunächst zurFibrinbildung. Dieses polymerisiert und wird durchFaktor XIII quervernetzt. Die Ausbildung dieser fili-granen Struktur kann nur bei niedrigem Blutflussoder Stase erfolgen.

Plasmatische Gerinnungsstörungen imponieren nachVerletzung als schwer stillbare Blutung, spontan alsEinblutung in große Gelenke und flächige Hautein -blutung (Sugilationen). Eine therapeutische Hem -mung der plasmatischen Gerinnung ist sinnvoll beivenöser Stase: zur Thromboseprophylaxe immobilerPatienten und bei Vorhofflimmern.

Inhibitoren der plasmatischen Gerinnung Inhibitoren (D; Abb. 1) verhindern den unkontrollier-ten Ablauf der plasmatischen Gerinnung auf allenEbenen. Im Wesentlichen handelt es sich um dieProteine C und S, die den Faktor V inhibieren, sowieAT III, das unter anderem als Thrombininhibitoragiert, aber auch als Kofaktor zur Heparinwirkungnotwendig ist.

Gerinnselbildung Bei der Stabilisierung des Gerinnsels (E) wird Fibrinquervernetzt und Thrombozyten ziehen es zusam-men (Thrombus-Retraktion). Erythrozyten lagern sichin die Maschen ein und tragen zur Gerinnselfestigkeitbei. Auch das Thrombozytenaggregat im Rahmender primären Hämostase wird durch Fibrinan lage -rung zum Gerinnsel.

Fibrinolyse Die Fibrinolyse (F) löst Fibrin und damit das Gerinnselwieder auf. Bei der Lyse bereits quervernetztenFibrins entstehen sogenannte "D-Dimere". Bei derbloßen Aktivierung des fibrinolytischen Systemsohne vorangehende Gerinnselbildung kommt es zurFibrinogenolyse. D-Dimere sind bei letzterer nichtnachweisbar.

Gerinnungstests

Stets ist die Basisdiagnostik von Gerinnungs stö -rungen sinnvoller, aber auch erheblich kostengünsti-ger als die blinde Therapie mit Blutkomponenten. Fürdas präoperative Screening gilt, dass eine leere,gründlich und systematisch erhobene Gerinnungs -anamnese der Labordiagnostik überlegen ist [2]. Ent -sprechende Empfehlungen sprechen auch bereitsnationale Fachgesellschaften aus [3]. Insbesondereim Kindesalter ist die Familienanamnese zwingend[4]. In der Praxis ergeben sich dabei jedoch häufigSchwierigkeiten in der Interpretation von häufigennicht krankhaften Ereignissen, wie Nasenbluten undHämatomen bei nicht mehr erinnerlichem Trauma.

Thrombelastographie Die Thrombelastographie wurde 1948 von Hartertentwickelt und ist damit der älteste Gerinnungstest(Abb. 2).

Die plasmatische Gerinnungskaskade führt insbe-sondere in venösen Gefäßen zur Ausbildung einesFibrinnetzes.

Abb. 1: Schematisch vereinfachtes Gerinnungsmodell. A: Throm bozyten; plasmatische Gerinnung: B: extrinsi-sches System; C: intrinsisches System; D: Inhibitoren; E: Gerinnsel bildung; F: Fibrinolyse.

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Ein Mangel an Inhibitoren kann nicht nachgewiesenwerden. Besonders gut werden hingegen Ober -flächen aktivierung (C), Gerinnselstabilisierung (E) undFibrinolyse (F) erfasst. Die Schwäche des Systems,Gerinnungsstörungen nicht differenzieren zu können,wird in den modernen Varianten (Rotem® [5], TEG5000) durch Zusatz unterschiedlicher Gerinnungs -aktivatoren und -inhibitoren kompensiert.

Thromboplastinzeit (TPZ) Zitratplasma wird Kalzium-Thromboplastin zugesetztund aktiviert das extrinsische System. Endpunkt istdie Fibrin-Bildung. Je nach verwendetem Testsy stemsind 10 bis 13 s normal. Dies entspricht einem„Quick“-Wert von 70-100 %. Die Eichkurve für dieProzentwerte wird durch Verdün nung eines Normal -plasmas mit Kochsalzlösung erstellt, was demModell einer Verlustkoagulopathie entspricht. Daherwird diese Skalierung vom Anästhesisten häufig ver-wendet. Da unterschiedliche Reagenzien jedochunter schiedliche Resultate liefern, wird die entspre-chend korrigierte „international normal ratio“ (INR)allgemein bevorzugt, in der der Quotient aus Pati -enten wert [s] durch Normalwert [s] gebildet wird.Normal ist daher 1, der therapeutische Bereich jenach Indikation der Antikoagulation 2 bis 4. DieVitamin-K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II und X,insbesondere aber VII gehen in das Test system ein,so dass die TPZ im präoperativen Screening einguter Indikator für eine verminderte Syntheseleistungder Leber wie auch einen nutritiven Vitamin-K-Mangel ist. Orale Vitamin-K-Antagonisten werdenanhand der TPZ eingestellt.

PTT (aktivierte partielle Thromboplastinzeit) Der nicht Kalzium-abhängige Faktor XII wird zu -nächst durch Kontakt mit einer Fremdoberfläche(z.B. Kaolin) vollständig aktiviert. In einer zweiten

Stufe wird Kalzium zugesetzt; die Gerinnungs kaska -de startet dann zu diesem Zeitpunkt mit der Aktivie -rung von Faktor XI. Der Normalbereich ist sehr Rea -genzien-abhängig und beträgt 25-42 s. Eine Ver -gleich barkeit unterschiedlicher Reagenzien be stehtnicht. Dies gilt gleichermaßen für die Heparin-Emp -findlichkeit. F XII geht wesentlich in das Ergebnis derPTT ein. Andererseits wird er aber für die Hämo stasein vivo nicht benötigt. Eine Oberflächen aktivierungdurch große Wundflächen oder extrakorporale Kreis -läufe, wie die Hämofiltration, kann also die PTT ver-längern, ohne dass dem klinische Bedeu tung zu -kommt. Kritisch wäre die Fehlinterpretation als aus-reichende "PTT-wirksame" oder gar übermäßigeHeparin wirkung.

Thrombinzeit (TZ)Thrombin (F IIa) wird der Plasmaprobe zugesetzt unddie Gerinnungszeit gemessen. Der Normalwertbeträgt je nach Testreagenz 15 bis 25 s. Die Heparin-Empfindlichkeit ist sehr unterschiedlich. Je nach denGewohnheiten einer Klinik muss entweder die PTToder die TZ Heparin-empfindlich sein, um entspre-chend zur Therapiesteuerung eingesetzt zu werden.Neben Heparin hemmen Fibrinspaltprodukte dasThrombin, so dass sie als Screeningtest auf fibrinoly-tische Aktivität eingesetzt werden können.

Die Thrombelastographie überprüft global dasgesamte Gerinnungssystem, indem die Gerinnsel-Elastizität gemessen wird.

Tab. 1: Plasmakonzentrationen der Gerinnungsfaktoren, die für die intraoperative Blutstillung erforderlich sind. Voraussetzung sindNormalwerte der übrigen Gerinnung (nach Edmunds und Salzman [36]).

Faktor Halbwertszeit erforderliche PlasmakonzentrationI (Fibrinogen) 3-4 Tage 100 mg/dlII (Prothrombin) 2-5 Tage 20-40 %V 15-36 Stunden <25 %VII 4-7 Stunden 10-20 %VIII 9-18 Stunden 30 %IX 20-24 Stunden 25-30 %XII 2 Tage Mangel führt nicht zu BlutungsneigungXIII 12 Tage <5 %von-Willebrand wenige Stunden 25-50 %

Abb. 2: Thrombelastographie: Reaktionszeit (r) bis zum Erreichenvon 1 mm Amplitude entspricht plasmatischer Gerinnung;Koagulationszeit (k) bis zur Amplitude 20 mm; maximaleAmplitude als Ausdruck der Thrombus elastizität.

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Fibrinogen Fibrinogen kann als Gerinnungszeit nach Claus oderauch optisch als Trübungszunahme erfasst werden.

Rumpel-Leede-Test und Blutungszeit Mit einer Blutdruckmanschette wird bei 40 mm Hgam Arm gestaut und nach 3 min auf Petechien beur-teilt. Die thrombozytäre Hämostase wird so einfachbeurteilt.

Zusätzlich kann die Blutungszeit ermittelt werden.Nach Duke wird nach Lanzettenstich in die Finger -kuppe das Blut abgesaugt, ohne den Einstich selbstzu berühren und die Zeit bis zum Sistieren derBlutung gemessen. Nach Marx erfolgt die Beurtei -lung unter 37 °C warmem Wasser. Gestoppt wird dieZeit bis zum Abriss des Blutfadens. Blutungszeitenüber 3-5 min sind verdächtig, über 8-10 min sicherpathologisch zu beurteilen. Die Blutungszeit ist nurbei immer gleichem, erfahrenem Untersucher gutreproduzierbar.

ProC®globalDer ProC®global-Test wurde als Screening-Test fürden Inhibitoren-Mangel entwickelt. Während dieResistenz des Faktor V (Leiden) gegen aktiviertesProtein C hinreichend erfasst wird, gehen Protein–C-oder –S-Mangelzustände kaum in das Testergebnisein [6].

Point-of-care-Diagnostik TPZ, PTT und TEG [7] sind als bettseitige Tests ver-fügbar. Die PTT unterscheidet sich dabei, wie obenbeschrieben, hinsichtlich Normalwert und Heparin-Empfindlichkeit mitunter erheblich von der üblichenLabordiagnostik [8].

Ohne Point-of-care-Diagnostik muss häufig unterdem Aspekt der Patientensicherheit eine Überthera-pie erfolgen.

Übersicht über Gerinnungstherapeutika

Indikationen und Wirkung von Blutkomponenten undPlasmaderivaten ist in den Querschnitts-Leitliniender Bundesärztekammer detailliert beschrieben [9].Die Tabelle 2 stellt sie weiteren gerinnungsaktivenArzneimitteln gegenüber und ordnet sie nach aktuel-len Listenpreisen.

Faktorenkonzentrate werden gentechnisch oder häu-figer chromatographisch aus Humanplasma gewon-nen. Ein Plasma-Pool wird stets Virus-inaktiviert, daer aus mindestens 5.000 Spenden gewonnen wird.Der Gehalt wird in "Einheiten" (E) angegeben, wobeieine Einheit der Gerinnungsaktivität von einemMilliliter Normalplasma entspricht. Die Gabe von 1E/kg KG (Körpergewicht) hebt beim Patienten dieAktivität des entsprechenden Gerinnungsfaktors um1-2 %.

Gerinnungsstörungen und derenTherapie

Angeborene Erkrankungen

Hinsichtlich der vollständigen präoperativen Erfas -sung von Blutungsrisiken ist sie allen Screening -verfahren der Labordiagnostik überlegen und könnteletztere damit weitgehend ersetzen. Allerdings ist esin der Praxis oft schwierig, auf alle Fragen (Abb. 4)zuverlässige Antworten zu erhalten. Bei Kindern(Abb. 5) scheitert dieses Vorgehen oft am Fehlen derFamilien anam nese beider leiblicher Elternteile.

Hämophilien Bei der häufigeren Hämophilie A liegt ein Mangel anGerinnungsfaktor VIII, bei Hämophilie B ein Mangelan Faktor IX vor. Der Erbgang ist X-chromosomalrezessiv. Bei schwerer Hämophilie beträgt dieRestaktivität des Faktors VIII beziehungsweise IXweniger als 1 %. Die Patienten leiden nach gering-sten Verletzungen und spontan unter Blutungen.Mittelschwere Hämophilien (Aktivität 1-5 %) falleninsbesondere durch Muskel- und Gelenkblutungenauf, die über Jahre zu Versteifungen führen. Daherwird die Erkrankung meist im frühen Kindesalter diag nostiziert. Wegweisend ist die erheblich verlän-gerte PTT. Lediglich milde Hämophilien mit Rest -aktivitäten von Faktor VIII oder IX über 5-40 % [10]werden teilweise erst im Erwachsenenalter erkanntund sind eine Herausforderung für die präoperativeDiag nostik, um operative Blutungskomplikationen zuvermeiden.

Hämophile Kinder, selten auch Erwachsene, erhalteneine Dauersubstitution des entsprechenden Gerin -nungsfaktors von 20-30 E/kg KG dreimal wöchent-lich. Für kleinste Eingriffe ist eine Plasmaaktivität von5 % ausreichend. Gegebenenfalls können lokal zu -sätz lich Hämostyptika und Fibrinkleber verwendetwerden [11]. Bei blutungsgefährdeten Operationen

In der Diagnostik angeborener Gerinnungs stö -rungen ist die strukturierte Eigen- und Familien -anamnese wegweisend.

Der Rumpel-Leede-Test ist bei Thrombozytopathie,Thrombozytopenie, aber auch Vasopathie positiv.

Point-of-care-Diagnostik ist für die Hämotherapienach Maß essentiell, weil nur zeitnahe Ergebnisseeine präzise Steuerung der Therapie ermöglichen.

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einschließlich Tonsillektomien ist ein Faktoren -spiegel von 30-50 % wünschenswert. Die Appli -kation von Faktorenkonzentraten erbringt die größteWirkung, wenn sie unmittelbar vor dem Eingrifferfolgt [12]. 1 E/kg KG steigert die Plasmakon zen -tration um 1-2 %. Jedoch können Antikörper gegen

den fehlenden Gerinnungsfaktor erheblich höhereDosen erfordern [13]. Für den Anästhesisten ist imVorfeld die Infor mation wichtig, ob Antikörper gegenden Gerin nungs faktor vorliegen, da dann erheblichhöhere Dosen erforderlich sind. Erworbene Hämo -philien sind immer durch einen entsprechenden

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Tab. 2: Übersicht über die gängigen Gerinnungstherapeutika geordnet nach Listenpreisen. Bezeichnung Markenname Kommentar Preis* [€]GerinnungsfaktorenkonzentrateFaktor VIIa Novoseven 1.200aktiviertes Protein C XigrisProtein C CeprotinPPSB Beriplex, Octaplex Faktoren II VII IX XFEIBA (Factor eight bypassing activity) FEIBA Nf 1000 IE aktiviertes PPSB für die Therapie von

HämophilienFaktor VIII/vWF Haemate HS, Haemoctin vWF nur bei Haemate HS als wirksamer

Immunate, Octanate Bestandteil deklariert: 1000E F VIII-Konzentrat enthalten 2400 IE VWF

neue FibrinolytikaTenecteplase MetalyseAlteplase ActilyseThrombozyten, Fibrinogen AT IIIThrombozytenkonzentrat (Apherese) --- Thrombozytopenie/ -pathie 500Thrombozytenkonzentrat (gepoolt) --- Thrombozytopenie/ -pathie. virale

Infektionsrisiken erhöht, TRALI vermindertFibrinogen HaemocomplettanAT III ATIIIThermoina1000immuno

KyberninAntikoagulatien bei HITHirudin Refludan 0,4 IE/kg Bolus weiter mit 0,15 IE/kg/hArgatroban Argatra Initialdosis 2µg/kg/min“alte” Fibrinolytika, DesmopressinUrokinase UrokinaseDesmopressin Minirin Parenteral 0,3-0,4µg/kg, d.h. 24µg=6Amp. Bei 70 kgBlutkomponentenErythrozytenkonzentrat Bei Thrombozytopenie/ -pathie verbessert Anhebung auf

normale Erythrozytenzahl die Hämostase:• Viskositätserhöhung• Fahrraeus-Effekt (Erythrozyten drängen Thrombozyten in den Randstrom)• Thrombusfestigkeit

Gefrorenes Frischplasma --- 1 ml enthält 1 IE jedes Gerinnungsfaktors 50AntifibrinolytikaTranexamsäure Cyclokapron Antifibrinolytikum, Beginn mit 1 g (2 Amp.)4-Aminomethylbenzoesäure Pamba Antifibrinolytikum, Beginn mit 100 mg (2 Amp.)HeparineFondaparinux ArixtraDeltaparin intravenös Fragmin P 5Deltaparin subcutan FragminEnoxiparin ClexaneHeparin, unfraktioniert s.c.Heparin, unfraktioniert i.v.Vitamin K und AntagonistenVitamin K Konakion 10-20 mg (1-2 Amp.)Phenprocoumon Marcumar 0,2

*Therapeutische Dosis bzw. Tagestherapiekosten, Apothekenverkaufspreise.

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Autoanti körper bedingt [14]. Spricht ein Patientauch auf hohe Dosen von Faktorenkonzentratennicht mehr an, ist die Gabe von aktiviertem Faktor VIIoder aktiviertem Prothrombinkomplex, sogenannter„factor eight bypassing activity“ (FEIBA, Tab. 2),möglich. Die Gerinnungskaskade wird so unterhalbvon Faktor VIII und IX gestartet. Gegen Faktor VIIIgerichtete Auto antikörper können postoperativ oderposttraumatisch auch bei zuvor unauffälligenPatienten auftreten [15]. Unter hochdosierter peri-operativer Therapie der Hämophilie A mit gentech-nisch hergestelltem Faktor-VIII-Konzentrat wurde einerworbenes von-Wille brand-Syndrom beobachtet[16]. Aufgrund der unterschiedlichen Halbwertszeitenbeträgt das Dosie rungs intervall für Faktor VIII achtStunden, für Faktor IX zwölf Stunden. Um einengleichbleibenden Spiegel zu gewährleisten, reicht dieHälfte bis ein Drittel der initialen Dosis aus. DieGesamtdosis reduziert sich, wenn dieSubstitutionstherapie kontinuierlich überInfusionsspritzenpumpen erfolgt [17]. Bei erhebli-chem intraoperativem Blutverlust muss eine zusätzli-che Dosis gegeben werden, da die oben ge nanntePlasmakonzentration des einzelnen Gerin -nungsfaktors von 30-50 % nur dann ausreicht, wenndie übrige Gerinnung völlig normal ist. Die Akut -diagnostik kann mit Hilfe der PTT durchgeführt wer-den. Präoperativ, auch unter Therapie, ist die Bestim -mung des Einzelfaktors sinnvoll. Die Substitutions -therapie muss bis zum Abschluss der Wundheilung,also gewöhnlich ein bis zwei Wochen fortgesetztwerden. Mangelzustände anderer Gerinnungs fak -toren sind selten. Die erforderlichen Plasma spiegelund Halbwertszeiten sind in Tabelle 1 zusammenge-fasst.

Thrombophilie Häufiger als Hämophilien sind Thrombophilien; hierhandelt es sich um den kongenitalen Mangel einesInhibitors der plasmatischen Gerinnung. Auch ohneerkennbare Ursache treten hier Beinvenen throm -bosen und Lungenembolien auf. Perioperativ sinddie betroffenen Patienten extrem gefährdet. Protein Saktiviert Protein C, das seinerseits die Akti vierungvon Faktor V verhindert (Abb. 3).

Seltener sind die Verminderung von Protein C- oderS-Aktivität. Sie erhalten als Dauertherapie nachRisikoabwägung Cumarine. Präoperativ werdendiese abgesetzt, und zur Thromboseprophylaxe wirdHeparin in mittleren Dosen (ca. 300 I.E/kg KG/d) ver-

abreicht, da dessen Wirkung besser zu steuern undauch im Falle einer Blutungskomplikation sofort mitProtamin zu antagonisieren ist. Nach der Phase despostoperativ erhöhten Blutungsrisikos kann dieCumarintherapie - langsam und überlappend mitHeparin - erneut begonnen werden. Vor der erstenAntikoagulation muss eine Plasmaprobe entnommenund tiefgefroren werden, da unter Heparin und oralenAntikoagulantien keine Diagnostik mehr möglich ist.Antithrombin III (AT III) ist ein natürliches, langsamwirkendes Antikoagulanz, das zahlreiche Gerin -nungs faktoren, insbesondere aktivierten Faktor Xund Thrombin hemmt. Heparin potenziert dieWirkung von AT III. Umgekehrt ist Heparin bei AT III-Mangel unwirksam. Daher erhalten diese Patientenzur perioperativen Thromboseprophylaxe Heparinund AT III. Die gerinnungshemmende Wirkung dieserKombination ist schwer vorauszuberechnen, so dasszumindest einmal der AT-III-Spiegel und weiterhinengmaschig die PTT bestimmt wird.

von-Willebrand-Syndrom

Der Erbgang ist autosomal dominant mit unvollstän-diger Penetranz. Klinisch äußert es sich häufig durchNasen- und Zahnfleischbluten, Hämatomneigung,gastrointestinale Blutungen, Menorrhagien, Nach -blutungen nach Verletzungen, Operationen undZahnextraktionen. Ihm liegt eine Verminderung derAktivität eines plasmatischen Proteins, des von-Willebrand-Faktors (vWF), zugrunde. Der vWF be -

Das von-Willebrand-Syndrom ist mit einer Häufig -keit von 0,5-1 % in der Bevölkerung die häufigsteangeborene Blutgerinnungsstörung.7 % der Bevölkerung leiden heterozygot an herab-

gesetzter Empfindlichkeit des Faktors V für ProteinC („activated-protein-C-resistance“, „Faktor V-Leiden“).

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Abb. 3: Inhibitoren des Faktor V.In Anwesenheit seines Kofaktors Protein S hemmtProtein C den Gerinnungsfaktor V. Dieser ist seinerseitsnotwendiger Kofaktor des Gerinnungsfaktors X, der diezentrale Stellung in der Aktivierung der Endstrecke biszur Fibrinbildung besitzt.

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steht aus Polypeptideinheiten von 2.813 Amino -säuren, die sich durch Sulfidbrücken zu Multimerenverbinden. Der vWF wird im Endothel gebildet undassoziiert sich nach Freisetzung in das Plasma mitdem Gerinnungsfaktor VIII. Der vWF bindet an denGlykoproteid-Rezeptor Ib der Thrombozyten und istVoraussetzung für die durch Scherkräfte induzierteThrombozytenadhäsion und -aggregation. DieFunktion des vWF wird in einem Testansatz gemes-sen, bei dem die Thrombozytenaggregation mitRistocetin induziert wird. Die Funktion des vWFbezeichnet man daher als Ristocetin-Kofaktor. Nachder Art der Verminderung des vWF unterscheiden wirmehrere Typen des von-Willebrand-Syndroms [18],die sich auch im therapeutischen Ansatz unterschei-den (Tab. 3).

Das für den Diabetes insipidus indizierte Nasensprayist zu hoch verdünnt und führt daher nicht zumgewünschten Anstieg des vWF. Desmopressin führtzu vermehrter Ausschüttung von vWF aus demEndothel. Die Desmopressin-Gabe wird postoperativin achtstündigen Intervallen wiederholt, solangenoch eine Blutungsgefährdung besteht. Die Behand -lung der übrigen Typen des von-Willebrand-Syn -droms erfolgt mit Faktor-VIII-Konzentraten, die aucheinen entsprechenden Anteil von vWF enthalten.Beim seltenen Plättchen-Typ binden die Thrombo -zyten den normalen vWF unzureichend. Bei Blu -tungen hilft hier nur die Thrombozytentransfusion. Andere angeborene Thrombozytopathien sind selten.Beim Bernard-Soulier-Syndrom fehlt der Glyko pro -teid rezeptor Ib, bei der Glanzmann’schen Thrombas -thenie der Glykoproteidrezeptor IIb/IIIa der Thrombo -zyten. Die „storage pool deficiency“ ist eine Vermin -derung der ADP-Reserven in Thrombozyten. DiePlättchenaggregation ist gestört. Bei perioperativerBlutung sind auch hier Thrombozytenkonzentrateindiziert.

Bei präoperativem Verdacht vor elektiven Eingriffenmuss erst eine umfassende Diagnostik erfolgen, dabeim Typ IIb durch Desmopressin zusätzlich eineThrombozytopenie aufträte und es bei Typen IIa undPlättchentyp wirkungslos bliebe [19].

Erworbene Störungen

Hyperfibrinolyse Als Hyperfibrinolyse bezeichnen wir eine gesteigertePlasminaktivität. Sie tritt paraneoplastisch, infolgegroßer Hämatome, bei Eingriffen am Urogenital sys -tem, nach Aborten, post partum, bei vorzeitiger Pla -zenta lösung, bei neurochirurgischen Operationen,nach Eingriffen an der Herz-Lungen-Maschine sowieinfolge Hypoperfusion bei Traumen [20] auf. Schwerstillbare Blutungen und postoperative beziehungs-weise postpartale Nachblutungen sind dann zubeobachten. Unter den Gerinnungstests steht dieVerlängerung der Thrombinzeit (TZ) infolge Hem -mung durch Fibrinspaltprodukte im Vordergrund.Dieser Test ist jedoch nicht standardisiert und häufigrecht unempfindlich. Zur Abgrenzung eines Heparin-Effektes eignen sich Reptilase- und Koagulasezeiten,die ausschließlich gegenüber Fibrinspaltprodukten,nicht jedoch Heparin empfindlich sind. Fibrinolyse iststets auch mit Fibrinogenolyse kombiniert, so dassdie Fibrinogenkonzentration abnimmt. Bei der reinenHyperfibrinolyse ist die Thrombozytenzahl normal.Sinkt sie, so ist an eine Verbrauchskoagulopathie zudenken. Die Therapie der Hyperfibrinolyse erfolgt mitAntifibrinolytika [21]. In Deutschland stehen derzeitzur intravenösen Anwendung nur Tranexamsäureund 4-Aminomethyl-benzoesäure (vgl. Tab. 2) zurVerfügung.

Beim häufigsten Typ I des von-Willebrand-Syn -droms werden eine Stunde präoperativ 0,3 bis 0,4µg/kg KG Desmopressin (1-Desamino-8-D-Arginin-Vaso pressin; DDAVP; Minirin®) intravenös verab-reicht.

Sind alle plasmatischen Gerinnungsunter su -chungen und die Thrombozytenzahl normal, ist beipostoperativer diffuser Blutung aus kleinstenBlutgefäßen ein Therapieversuch mit Desmo -pressin indiziert, da ein Typ I von-Willebrand-Syn -drom der häufigste Gerin nungsdefekt ist.

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Tab. 3: Varianten des von-Willebrand-Syndroms. Anteil Charakteristik Therapie

Typ I 70-80 % Verminderung des vWF ohne Veränderung der DesmopressinMolekülstruktur oder des Anteils der Multimere

Typ IIa 10-12 % Fehlen der Multimere des vWF F VIII-KonzentratTyp IIb 3-5 % Defekt des vWF, der zur vermehrten Bindung an F VIII-Konzentrate

Thrombozyten führt, hierdurch Thrombozytopenie, Desmopressin istFehlen der großen Multimere umstritten/kontraindiziert!

Plättchen-Typ <1 % normaler vWF. Defekt des GPIb-Rezeptors der ThrombozytenkonzentrateThrombozyten, somit verminderte Bindung des vWF.

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Heparininduzierte Thrombozytopenie Typ II (HIT) Bei der HIT führen fünf bis 14 Tage nach Beginn derHeparintherapie Antikörper zur Thrombozyten akti -vierung und damit gleichzeitig zu Thrombozytopenieund arteriellen Thrombosen. Bei vorangegangenemHeparinkontakt kann die Störung infolge Boosterungjedoch auch früher auftreten. Heparin wird sofortabgesetzt und die Antikoagulation mit dem Throm -bin antagonisten Arga troban, Hirudin oder einemHeparinoid fortgesetzt. Argatroban hat aufgrund sei-ner geringen Plasmahalbwertszeit den Vorteil derguten Steuer barkeit anhand der PTT.

Verlustkoagulopathie Die reine Verlustkoagulopathie ist die häufigsteGerinnungsstörung bei massivem intraoperativemBlutverlust und Polytrauma. Bei akutem Blutverlustohne vorbestehende Gerinnungsstörung ist dieSituation übersichtlich, da alle Gerinnungs kompo -nenten in gleichem Maße verloren gehen [22].Lediglich die Thrombozytenzahlen können höher alserwartet sein, da nicht alle frei zirkulieren, sondernam Endothel insbesondere von Leber und Milz adhä-rent sind. Der Verlust an Gerinnungsaktivität istjedoch nicht proportional zum Blutverlust. Vielmehrverläuft die Konzentration von Gerinnungsfaktorenentsprechend der aus der Pharmakokinetik geläufi-gen Exponen tial kurve. Damit ist bei isovolämemUmsatz des zirkulierenden Blutvolumens einesPatienten ohne Substi tution von Plasma noch rundein Drittel der Gerin nungsaktivität nachweisbar. Werden gängige, jedoch nicht evidenz-basierteInterventionsgrenzen zugrunde gelegt, so sind diesebei normalen Ausgangswerten gleichzeitig fürGerinnung (Quick 50 %) einschließlich Fibrinogen(100 mg/dl) und Erythrozyten (Hb 6 g/dl) erst beieinem Blutverlust von ca. 2/3 des zirkulierenden Blut -volumens erreicht.Substituiert wird mit Erythrozytenkonzentraten (EK)und gefrorenen Frischplasmen (GFP) [23]. Der Gehaltan Gerinnungsfaktoren ist von der Herstellungs -methode abhängig [24]. Ein festes Verhältnis GFP zuEK ist nicht vernünftig. Auf hohem Hämoglobin-Niveau sind mehr EK, also relativ weniger GFP not-wendig. Dauert die Blutung postoperativ an, wird dieSituation unübersichtlicher: Für das Andauern derBlutung wird häufig die Gerinnung verantwortlichgemacht. Die Resynthese der Gerinnungsfaktorenentspricht zunächst ihrer Halbwertszeit (Tab. 1); dasheißt, es tritt ein Mangel an Prothrombin undFibrinogen auf, während F VII und damit die TPZ fastnormal sein können. Hier muss neben GFP im Einzel -fall ggf. auch Fibrinogenkonzentrat appliziert werden.Der Verteilungsraum von Fibrinogenkonzen tratenliegt mit 89 ml/kg leicht über dem Blutvolumen [25],

so dass die Gabe von 1g zum Anstieg der Plasma -konzentration von 20 bis 30mg/dl führt.

Verbrauchskoagulopathie

Thrombozyten aggregieren intravasal und führen zuMikroembolien. Als frühes diagnostisches Zeichensinkt die Thrombozytenzahl. Gerinnungsfaktorenwerden enzymatisch in die aktive Form umgewandeltund somit bis zur Ungerinnbarkeit verbraucht [26].

Die Verbrauchskoagulopathie kann von zahlreichenUrsachen ausgehen: • Trauma und massive Gewebsnekrosen (Rhabdo -

myolyse, Schädel-Hirn-Trauma, Hitzschlag) setzenThromboblastine frei. Zudem können ausgedehn-te Hämatome eine Hyperfibrinolyse auslösen. EinSchockzustand verstärkt durch die kapilläre Stasedie Gefahr von Mikroembolien und -thrombosen.Das ARDS (adult respiratory distress syndrom),selbst Folge von Trauma und Schock, kann sei-nerseits auch eine Verbrauchskoagulopathie aus-lösen [27].

• Bei der Sepsis aktivieren bakterielle Toxine oderaber die folgende Immunreaktion die Gerinnung.Im Vordergrund stehen Mikroembolien (Water -house-Friedrichsen-Syndrom) und fulminanterVerbrauch von Thrombozyten und Gerinnungs -faktoren [28].

• Geburtshilfliche Komplikationen wie septischerAbort, vorzeitige Plazentalösung, intrauterinerKinds tod oder Fruchtwasserembolie könnensowohl mit der Einschwemmung von Plasmino -gen aktivatoren wie auch Gerinnungsaktivatoreneinhergehen [29].

• Fortgeschrittene Lebererkrankungen führen nichtallein zur Verminderung der Synthese von Gerin -nungsfaktoren, sondern aktivieren auch chronischThrombozyten und Gerinnungsfaktoren. Dies isteine Ursache der Thrombozytopenie bei Leberzir -rhose [30]. Insbesondere nach Anlage von porto-kavalen Shunts führt auch der Einstrom vonAszites in die Blutbahn zur Verbrauchs koagu -lopathie. Eine Sonderform ist das HELLP-Syn -drom (Hypertonia, elevated liver enzymes, low pla-telets) in der Spätschwangerschaft [31].

• Hämolyse durch Transfusion inkompatiblen Bluteskann infolge der Aktivierung des Komple ment -systems ebenfalls eine Verbrauchskoagulopathieauslösen. Die versehentliche Transfusion einerbereits hämolytischen Blutkonserve ohne Inkom -pa tibilität zeigt keine derartige Wirkung.

Die Verbrauchskoagulopathie (engl.: disseminatedintravascular coagulation, DIC) ist eine generalisier-te Aktivierung der gesamten Hämostase.

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Abb. 4: Gerinnungsanamnese für Erwachsene.

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In der Frühphase können TZ und PTT extrem kurzsein. Im weiteren Verlauf können zunächst dieSymptome der Gerinnungsaktivierung im Vorder -grund stehen: Mikroembolien lösen multifokale neu-rologische Symptome, fokale Hautischämien mitoberflächlicher Nekrose, Oligurie und Nieren rinden -nekrose, ARDS und akute gastrointestinale Ulzerati -onen aus. Häufig steht jedoch frühzeitig die hämor-rhagische Diathese im Vordergrund, insbesonderewenn ein Blutverlust vorangegangen ist: intrazere-brale Blutung, Petechien, Ekchymosen, Blutungenaus Einstichstellen, Hämaturie, Nasen- und Zahn -fleischbluten und massive gastrointestinale Blutung.Die Gerinnungszeiten (TZ, PTT, TPZ) sind verlängert,bei fulminantem Verlauf fehlt jegliche Gerinnungs -aktivität. Fibrinspaltprodukte als Zeichen einerFibrinolyse oder Fibrinogenolyse können in den mei-sten Fällen nachgewiesen werden. Im Rahmen post-traumatischer und operativ bedingter Blutungen istdie Abgrenzung zur reinen Verlustkoagulopathie oftschwer zu treffen. Als Therapie der Verbrauchs -koagulopathie steht die Beseitigung der Ursache imVordergrund. Sodann wird versucht, das Gerin -nungs gleichgewicht wiederherzustellen. Zur Unter -brechung der Gerinnungsaktivierung kann Heparinverwandt werden [32]. Der Heparintherapie steht häufig zunächst die deso-lat niedrige Gerinnungsaktivität entgegen. Für diePraxis empfiehlt sich daher folgendes Vorgehen:Zunächst transfundiert man gefrorene Frisch -plasmen, um ein minimales hämostatisches Potential(z.B. TPZ 40 %, PTT 55 s) aufzubauen. Sodann wird– im Einzelfall, falls erforderlich – durch Gabe von AT-III-Konzentraten ein für die Heparinwirkung ausrei-chender Spiegel (ca. 50 %) geschaffen. AT III ist auf-grund seiner langen Halbwertszeit und entsprechendniedrigen Syntheserate oft überproportional ernie-drigt. Die Heparingabe wird kontinuierlich intravenösin sehr niedrigen Dosen (2 I.E./kg KG/h) begonnenund sukzessive bis auf 15 I.E./kg KG/h erhöht, umdie PTT unter fortlaufender Substitution mit Frisch -plasmen geringfügig oberhalb des Normalbereicheszu halten.

PPSB und andere Faktorenkonzentrate als AT III sindkontraindiziert, da sie aktivierte Gerinnungsfaktorenenthalten können. Mit der gleichen Begründung dür-fen Thrombozytenkonzentrate nur als Ultima ratio bei

anhaltender Blutung und Thrombozytenwerten unter50.000/µl transfundiert werden.

Fibrinolysetherapie Bei Beinvenenthrombosen, Lungenembolien, akutenMyokardinfarkten und Hirninfarkten kann eineFibrino lysetherapie indiziert sein. Die neuenFibrinolytika (Alteplase, Reteplase, Tenecteplase)unterscheiden sich von Urokinase und Streptokinasedurch eine spezifische Bindung an Fibrin, so dassder lokale Effekt am Thrombus die systemische Wir -kung übertrifft. Eine Fibrinolysetherapie kann nichtvollständig antagonisiert, sondern durch Zufuhr vonTranexamsäure lediglich attenuiert werden. In ihrerFolge können jedoch Blutungskomplikationen sowiepulmonale oder arterielle Embolien auftreten, dieauch bei strengster Indikationsstellung eine Notfall -operation erfordern.

Regionalanästhesie und Antikoagulation

Da bei Spinal- und Periduralanästhesien eine Verlet -zung von periduralen Venen häufig auftritt [35], darfinsbesondere die plasmatische Gerinnung nichtdurch Heparintherapie inhibiert sein. Eine mildeModulation der arteriellen primären Hämostasedurch Acetylsalicylsäure ist hingegen unbedeutend.In Bezug auf die Antikoagulantientherapie hat derArbeitskreis der DGAI die in Tabelle 4 dargestelltenEmpfehlungen gegeben. Je nach Eingriff und vorhandener Zeit ist das peri-operative Management von oralen Antikoagulantienunterschiedlich. Die Möglichkeiten sind in Tabelle 5dargestellt. Auf die erhebliche Thrombosegefahr derVitamin-K-Gabe sei ausdrücklich hingewiesen: DieSynthese der Inhibitoren "Protein C" und „Protein S“erfolgt langsamer als die von Faktor VII.

Schlussbemerkungen

Die Therapie von Koagulopathien und Thrombo -philien setzt die entsprechende Diagnostik voraus.Art und Umfang der Therapie können so individuelladaptiert werden. Aufgrund von Risiken und Kostender Blutpräparate bleiben diese speziellen Indika -tionen vorbehalten. Gefrorenes Frischplasma enthältalle Gerinnungskomponenten in physiologischer

Frühsymptom der Verbrauchskoagulopathie ist derAbfall der Thrombozytenzahl im Blut.

Für Allgemeinanästhesien und periphere Nerven -blockaden reicht eine Hämostase, wie sie für denentsprechenden Eingriff nötig ist, völlig aus. Wegendes Risikos von spinalen Hämatomen undSubarach noidalblutungen dürfen jedoch rücken-marksnahe Regionalanästhesien nur bei völligintakter Gerin nung durchgeführt werden.

Die Wirksamkeit dieses Vorgehens ist weder fürHeparin [33], AT III [34], Protein C, aktiviertesProtein C noch Frischplasmen statistisch ausrei-chend belegt.

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Abb. 5: Gerinnungsanamnese für Kinder.

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Zusammensetzung und besitzt deshalb in der peri-operativen Therapie eine zentrale Bedeutung.

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Tab. 4: Empfohlene Zeitintervalle zwischen Thromboseprophylaxe oder Therapie mit Antikoagulantien und rückenmarknaherLeitungsanästhesie bzw. Katheterentfernung [38].

Vor Punktion / nach Punktion / LaborkontrolleKatheterentfernung* Katheterentfernung*

Unfraktionierte Heparine 4 h 1 h Thrombozyten bei(Prophylaxe, ≤15 000IE/d)) Therapie > 5 TagenUnfraktionierte Heparine 4-6 h 1 h aPTT, (ACT),(Therapie) (keine i.v. Bolusgabe) ThrombozytenNiedermolekulare Heparine 12 h 2-4 h Thrombozyten bei(Prophylaxe**) Therapie > 5 TageNiedermolekulare Heparine 24 h 2-4 h Thrombozyten,(Therapie) (anti-Xa)Fondaparinux 36-42 h 6-12 h (anti-Xa)(Prophylaxe, ≤ 2,5mg/d))Vitamin-K-Antagonisten INR < 1,4 nach Katheterentfernung INRHirudine (Lepirudin, Desirudin) 8-10 h 2-4 h aPTT, ECTArgatroban*** 4 h 2 h aPTT, ECT, ACTAcetylsalicylsäure (100 mg)**** keine keineClopidogrel 7 Tage nach KatheterentfernungTiclopidin 10 Tage nach KatheterentfernungNSAR keine keine

* alle Zeitangaben beziehen sich auf Patienten mit einer normalen Nierenfunktion** prophylaktische Dosierungen für NMH bei Hochrisikopatienten sind in Tab. 2 aufgeführt*** verlängertes Zeitintervall bei Leberinsuffizienz**** NMH einmalig pausieren, kein NMH 36-42 h vor der Punktion oder der geplanten Katheterentfernung.

Tab. 5: Orale Antikoagulantien vor Operationen. Nr. Therapie Eingriff1 Unveränderte Dosis oraler Antikoagulantien Minimaleingriff mit Möglichkeit lokaler Blutstillung. Z.B. Zahnextraktion2 Absetzen oraler Antikoagulantien Mittlere, nicht blutungsgefährdete Operationen.

bei INR < 1,8 Heparin s.c. Z.B. Schrittmacherimplantationbei INR = 1,4 operieren

3 Absetzen oraler Antikoagulantien Größere oder blutungsgefährdete Operationen. bei INR < 1,8 Heparin s.c. Z.B. Hüft- und Knieendoprothetikbei normaler INR = 1,2 operieren

4 Absetzen oraler Antikoagulantien Dringliche Eingriffe.Konakion 20 mg i.v.; Heparin s.c.Nach 12 bis 24 h normale INR, OP

5 PPSB, sofort OP; postop. Heparin, Notfalloperationen.ggf. Konakion

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Korrespondenzadresse:Priv.-Doz. Dr. med. Gerald V. DietrichAbteilung Anästhesiologie - Intensivmedizin -Schmerztherapie - TransfusionsmedizinKreiskrankenhäuser Rottal-InnSimonsöder Allee 2084307 Eggenfelden, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Frage 1: b Frage 6: eFrage 2: c Frage 7: dFrage 3: e Frage 8: dFrage 4: a Frage 9: cFrage 5: d Frage 10: b

ANTWORTEN CME11 I 08 HEFT 11/2008

Teilnahmebedingungen an der zertifizierten Fortbildung (CME)Zur kostenfreien Teilnahme müssen Sie den o.a. Kurs mit der folgenden PIN-Nummer buchen: 030985

Je Fortbildungsbeitrag ist ein Satz von Multiple-choice-Fragen zu beantworten. Entsprechend den Bewer tungs kriteriender Bayerischen Landesärztekammer erhalten Sie zwei Fortbildungspunkte, wenn Sie mindestens 70% der Fragen zutref-fend beantwortet haben. Bei 100% richtiger Antworten erhalten Sie drei Fort bildungspunkte. Die richtigen Antworten wer-den unmittelbar nach Einsendeschluss in dieser Zeitschrift bekanntgegeben. Die Fort bildungspunkte werden auch vonden anderen Ärztekammern, gemäß den jeweiligen Bestimmungen, anerkannt. Einsendeschluss: 31.05.2009

Weitere Informationen: Stephanie Peinlich, Tel.: 0911 9337823, E-Mail: [email protected]

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MULTIPLE-CHOICE-FRAGEN (CME 3/2009)1. Wie können die meisten angeborenen Gerinnungs -

störungen erfasst werden?a) Eigen- und Familienanamneseb) Thromboplastinzeit nach Quick zusammen

mit partieller Thromboplastinzeitc) Thrombelastographied) Rumpel-Leede-Teste) von-Willebrand-Faktor.

2. Als Ursache einer Thrombophilie kommt infrage dieverminderte Empfindlichkeit des Gerinnungsfaktors Vgegena) Antithrombin IIIb) aktiviertes Protein Cc) aktiviertes Protein Sd) Thrombin (IIa)e) Plasmin.

3. Tausend Einheiten Prothrombinkomplex (PPSB)kosten ungefähra) 5 €b) 50 €c) 500 €d) 5.000 €e) 50.000 €.

4. Tausend Einheiten Prothrombinkomplex (PPSB)heben die Thromboplastinzeit (Quick in %) bei einemPati enten mit 70 kg KG voraussichtlich uma) 5 %b) 25 %c) 50 %d) 100 %e) Haben keine Wirkung auf den Quick-Wert.

5. Die primäre Therapie des von-Willebrand-SyndromsTyp I erfolgt mita) Desmopressin (Minirin®)b) Rekombinantem Faktor-VIII-Konzentratc) Faktor-VIII-Konzentrat aus Humanplasmad) von-Willebrand-Faktor-Konzentrate) Thrombozytenkonzentrat.

6. Welche Aussage trifft nicht zu? Nach den aktuellen Empfehlungen ist eine Peridural -anästhesie kontraindiziert a) nach Clopidogrel-Pause von 5 Tagenb) vor geplantem Heparin-Bolus von 5.000 Einheiten

intra operativc) unter Dauermedikation mit Acetylsalicylsäure

100 mg/dd) bei Anamnese von ungeklärten Nachblutungen

nach Operationene) während Thromboseprophylaxe mit Enoxiparin

60 mg/Tag s.c.

7. Welche Aussage trifft nicht zu? Folgende Komponenten sind für die Bildung einesstabilen Gerinnsels notwendiga) Thrombozytenb) Fibrinc) Erythrozytend) Faktor XIIIe) Antithrombin III.

8. Welche Aussage trifft nicht zu? Hyperfibrinolyse entsteht häufig beia) Schädel-Hirn-Traumab) TUR-Syndromc) Atonischer Nachblutung post partumd) Kardiopulmonalem Bypasse) Herzkontusion.

9. Welche Aussage trifft nicht zu?Thrombozytenkonzentrate sind sinnvoll zur Therapieder Blutunga) unter Clopidogrel-Therapieb) beim von-Willebrand-Syndrom vom Plättchen-Typc) bei Thrombozytopenie unter 50.000/µld) nach 5.000 ml intraoperativem Blutverluste) bei dringendem Verdacht auf Thrombozytopathie

(diffuse oder petechiale Blutung) bei intakter plasma-tischer Gerinnung und normaler Thrombozytenzahl.

10. Die kostengünstigste Behandlung der Dilutions-koa gu lo pathie durch Blutverlust erfolgt mit a) Tranexamsäureb) Prothrombinkomplexc) Fibrinogenkonzentratd) Gefrorenem Frischplasmae) Hydroxyethylstärke.