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Arbeit mit Textquellen im Geschichtsunterricht Vorzüge der Quellenarbeit: Quellen ermöglichen einen vergleichsweise unmittelbaren, authentischen Zugang zur Geschichte Im Umgang mit Quellen kann der Anfänger erfahren, wie historisches Wissen entsteht Hilfe zur Einsicht darin, dass die Geschichte keine „für sich“ existierende Realität, sondern ein Konstrukt ist, das die jeweils lebenden Generationen schaffen Quellenarbeit lehrt, dass die alten Texte nicht per se richtiger, „objektiver“ sind als die Ergebnisse der späteren Geschichtsschreibung, sondern ebenso standpunkt- uns irrtumsbehaftet sind und einer kritischen Überprüfung bedürfen Vermittlung einer Methodenkompetenz (Handhabung des geschichtswissenschaftlichen „Werkzeugs“) Leichterer Übergang zu produktivem Arbeiten und entdeckendem Lernen (im Vergleich zu Darstellungen) Schulung der „Kunst des richtigen Fragens“ (unerlässlich für kreatives Denken)

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Arbeit mit Textquellen im Geschichtsunterricht

Vorzüge der Quellenarbeit:

• Quellen ermöglichen einen vergleichsweise unmittelbaren,

authentischen Zugang zur Geschichte

• Im Umgang mit Quellen kann der Anfänger erfahren, wie

historisches Wissen entsteht

• Hilfe zur Einsicht darin, dass die Geschichte keine „für sich“

existierende Realität, sondern ein Konstrukt ist, das die jeweils

lebenden Generationen schaffen

• Quellenarbeit lehrt, dass die alten Texte nicht per se richtiger,

„objektiver“ sind als die Ergebnisse der späteren

Geschichtsschreibung, sondern ebenso standpunkt- uns

irrtumsbehaftet sind und einer kritischen Überprüfung bedürfen

• Vermittlung einer Methodenkompetenz (Handhabung des

geschichtswissenschaftlichen „Werkzeugs“)

• Leichterer Übergang zu produktivem Arbeiten und entdeckendem

Lernen (im Vergleich zu Darstellungen)

• Schulung der „Kunst des richtigen Fragens“ (unerlässlich für

kreatives Denken)

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Die „sieben Todsünden“ der Quellenarbeit

• Tilgung der Differenz zwischen Quellen und

Sachtexten

• Streichen von Fremd- und Andersartigem

• Kürzen auf eine Aussage

• Keine Quellengattung nennen

• Keine verschiedenen Interpretationsmöglich-

keiten

• Vermeiden von Methodenlernen

• Keine Heuristik

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Die Auswahl der Quellentexte

• Texte müssen eine angemessene Länge und Ausführlichkeit

besitzen

• Die Aussagen sollten nicht offensichtlich sein, sondern eine

Mehrdeutigkeit und Komplexität als intellektuellen Anreiz

beinhalten

• Texte bevorzugen, die Emotionen und Sympathie / Antipathie

hervorrufen und die Phantasie anregen

• Zurückhaltung bei Texten, die „Betroffenheit“ auslösen (Stichwort:

Abwehrreaktionen)

• (für die Sek. I): Vorgänge sind eindrucksvoller als Zustände,

Personen interessanter als Ideen und Programme,

Entscheidungssituationen näher als Verfassungsordnungen oder

Wirtschaftssysteme

• Multiperspektivische, kontrapunktische Anordnung der Quellen

(wenn möglich)

• Mut zur Langsamkeit bei der Interpretation und Auswahl

(Schneider, 1994, S. 75)

• Methodenvielfalt im Umgang mit Textquellen

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Fragen zur Texterschließung

Mögliche Stufenfolge - flexible Handhabung! (nach Sauer, 2001, 90 – 92

und Darwich /Pandel 1995, 35f.):

1. Sinnerschließung und Verständnissicherung

2. Problematisierung

3. Stellungnahme und Bewertung

4. Zusammenfassung und Übertragung

Literaturauswahl:

El Darwich, Renate / Pandel, Hans-Jürgen, Wer, was, wo warum? Oder nenne, beschreibe,

zähle, begründe. Arbeitsfragen für die Quellenerschließung, in: Geschichte lernen

Sammelband, Geschichte lehren und lernen, Seelze 1997, 31-35

Geschichte lernen H. 46 (1995), Arbeit mit Textquellen

Geschichte lernen, Sammelband Geschichte lehren und lernen, Seelze 1997

Pandel, Hans-Jürgen, Quellenarbeit, Quelleninterpretation, in: K. Bergmann u.a. (Hg.),

Handbuch der Geschichtsdidaktik, Düsseldorf 1985ff., 475 - 480

Ders., Quelleninterpretation. Die schriftliche Quelle im Geschichtsunterricht, Schwalbach/Ts.

2000

Ders., Quelleninterpretation, in: Ders. / U Mayer / G. Schneider (Hg.), Handbuch Methoden

im Geschichtsunterricht, Schwalbach / Ts. 2004, 152-171

Rohlfes, Joachim, Arbeit mit Textquellen, in: GWU46, 1995, Heft 10, 583 – 590

Rusinek, Bernd- A. u.a. (Hg.), Die Interpretation historischer Quellen. Schwerpunkt: Neuzeit,

Paderborn 1992

Sauer, Michael, Geschichte unterrichten. Eine Einführung in die Didaktik und Methodik,

Seelze 2001, 85 – 94 und 147-153

Schneider, Gerhard, Die Arbeit mit schriftlichen Quellen, in: H. J. Pandel / G. Schneider

(Hg.), Handbuch Medien im Geschichtsunterricht, 2. Aufl., Schalbach / Ts. 2002, 15-45

Ders., Über den Umgang mit Quellen im Geschichtsunterricht, in: GWU 45, 1994, Heft 2, 73

– 90

Zurwehme, Martin, Möglichkeiten und Grenzen der Bearbeitung von Quellen für den

Geschichtsunterricht, in: GWU 47, 1996, Heft 3, 189 - 197

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Didaktische Positionen

(Joachim Rohlfes, Umrisse einer Didaktik der Geschichte, Göttingen 1971 (ff.)

Ders., Geschichte und ihre Didaktik, Göttingen 1986 (ff.))

I. Kategoriale Qualifikationen

(= „grundlegende Einsichten in den Charakter des Historischen“)

1) Die fundamentale Ordnungskategorie der Geschichte ist die Zeit

(„lange Dauer“ / Zeitalter - Epochen / Zeitspanne - Generation)

2) Die Zeitlichkeit der Geschichte stellt sich immer auch als

Veränderung, Wandel, Entwicklung dar („Wer mit Historischem zu

tun hat, muß genetisch denken können“) = Prozesscharakter der

Geschichte

3) Strukturhaftigkeit der Geschichte (ergänzt den Prozesscharakter

der Geschichte)

4) Geschichte besteht aus einer Kette von Situationen, die die

betreffenden Menschen zu Entscheidungen herausfordern („in der

Rekonstruktion dieser Aspekte besteht ein Großteil der

historischen Arbeit“).

5) Historisches Geschehen gehorcht dem Kausalitätsprinzip

6) Diskrepanz zwischen Intentionen und Ergebnissen

= Mehrdimensionalität der Geschichte –

Multiperspektivische Geschichtsbetrachtung

(Erkennen der Perspektivität aller historischen Aussagen. Daraus

ergibt sich die Aufgabe, verschiedene Perspektiven „so miteinander

in Beziehung zu setzen, daß sie sich wechselseitig erhellen.“

= eigenen Standpunkt offen legen und auch probeweise andere

Standpunkte einnehmen)

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II. Methodisch – instrumentale Qualifikationen

(= Kenntnis der Methoden: hermeneutisches, analytisches,

strukturierendes, vergleichendes Verfahren)

III. Inhaltliche Qualifikationen

(„Inhaltliche Lernziele in die Form von Problemen, offenen Fragen,

Alternativen, kontroversen Deutungen kleiden“)

IV. Soziale Qualifikationen

1) Imitations-, Identifikations- und Rollenlernen =

Bewusstseinsbildung

Personalisierung / Personifizierung

2) GU soll zeigen, dass die Gesellschaft ohne die freiwillige

Respektierung sozialer Regeln nicht existieren kann

3) rationale Aufklärung der Triebe und Affekte

4) Herausarbeiten der Sozialität des menschlichen Daseins

(Individuum / Kollektiv)

V. Einstellungs- und handlungsbezogene Qualifikationen

1) Das Vergangene im Gegenwärtigen wahrnehmen

2) Historisches Bewusstsein ist nicht ohne ein reflektiertes

Verhältnis zur Tradition denkbar

3) Standpunktbezogenheit und Perspektivität

4) Wer historisch denkt, ist in der Lage, die eigene zeitliche und

soziokulturelle Umwelt aus der Distanz zu betrachten

5) Historie erzieht zu „konkretem Denken“

6) Historie zur Vermeidung eines affirmativen Denkens

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Multiperspektivität /Kontroversität

1. Multiperspektivität

Perspektivität der geschichtlichen Ereignisse (und damit auch der

Quellen) den Schülern dadurch transparent machen, dass

möglichst häufig Quellen (Text- und Bildquellen) mit

unterschiedlichen Sichtweisen präsentiert werden. Hierzu

benötigen die SchülerInnen aber das nötige Hintergrundwissen, um

die unterschiedlichen Urteile adäquat bewerten zu können!!!

Faktoren, die diese unterschiedlichen Perspektiven prägen:

kulturelle, religiöse, nationale Zugehörigkeit;

soziale Position;

Geschlecht;

politisches oder wirtschaftliches Interesse.

Problem: Oft fehlen Originalquellen unterschiedlicher Position

2. Kontroversität

Geschichte wird von den Nachgeborenen unterschiedlich gedeutet.

Diese Multiperspektivität auf Ebene der Betrachter von Geschichte

wird als KONTROVERSITÄT bezeichnet (Ursachen siehe 1.).

Klaus Bergmann, Multiperspektivität. Geschichte selber denken, Schwalbach /

Ts. 2000

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Der Beutelsbacher Konsens (1977)

Der Beutelsbacher Konsens gilt als ein informeller Minimalkonsens für

politische Bildungsarbeit, benannt nach einer Tagung von Fachdidaktikern.

Eine Übertragung auf den GU ist nirgends festgeschrieben, aber sinnvoll.

Drei Grundsätze politischer Bildung

1. Überwältigungsverbot: Es ist nicht erlaubt, den Schüler im Sinne

erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der

Gewinnung eines selbständigen Urteils zu hindern.

2. Kontroversitätsgebot: Was in Wissenschaft und Politik

kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.

3. Der Schüler muss in die Lage versetzt werden, eine politische

Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren sowie

nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische

Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen.

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Zum Begriff Geschichtsbewusstsein (aus: Richtlinien NRW)

Jedes Mitglied der Gesellschaft hat spezifische Vorstellungen von der

Vergangenheit. Gesellschaft ist durch vergangenes Geschehen geprägt und

bestimmt, ohne dass sie sich dessen bewusst ist (somit auch Schüler).

Häufig Geschichte als Bündel von Geschichten kennen gelernt und bringen

dementsprechend Erwartungen an den GU mit. Hieraus in Schule

Interdependenz zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erstellen.

Gb ist somit das Ergebnis der menschlichen Reflexionen, die Vergangenheit

deuten, um Gegenwart zu bewältigen und Zukunft zu gestalten.

GB entsteht in einem komplexen Prozess historischen Lernens (auch

Veränderung von Einstellungen und Werthaltungen beinhaltend).

Deutungsmuster von Geschichte, die nicht mehr den demokratischen

Prinzipien unserer Gesellschaft entsprechen. GU Angebote zur positiven

Identifikation mit Gemeinwesen machen.

Didaktische Entwürfe zum GU dürfen ihn nicht auf eine dogmatisch verkündete

Inhaltlichkeit der Darstellung und der Urteile festlegen.

Kein Element des GB ist für Unterricht legitimiert, das nicht der Forderung

nach wissenschaftlicher Überprüfbarkeit unter Rückbezug auf die Erarbeitung,

Erschließung und Deutung der Quellen genügt.

Ziel:

Sich kritisch mit unterschiedl. Historischen Angeboten, Vorstellungen und

Deutungsmustern auseinander zu setzen, eigene Wertmaßstäbe und

Denkgewohnheiten und Gefühlshaltungen als geschichtlich bedingt zu

erkennen und nicht unbedacht auf andere Epochen und Gesellschaften

anzuwenden, sich mit deren Lebensformen , Denkgewohnheiten und

Wertmaßstäben vertraut zu machen und eine rational begründete eigene

Position zu gewinnen und zu vertreten.

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Methodenkonzeption nach Franz E. Weinert

Allgemeine Prinzipien von gutem Unterricht

• Guter Unterricht kann auf verschiedenen, aber nicht beliebigen Weisen

verwirklicht werden.

• Guter Unterricht verbessert Lernfreude, Lernqualität und Lerneffektivität

• Guter Unterricht berücksichtigt Prinzipien der Differenzierung und

Individualisierung

• Unterricht wird von den Rahmenbedingungen fast genauso bestimmt wie

vom Lehrer

Lehrer brauchen 4 Kompetenzen

Sachkompetenz / Klassenführungskompetenz / Diagnostische Kompetenz

(z. B. Feststellen von Lerndefiziten) / Didaktische Kompetenz

6 Bildungsziele nach Franz Weinert

Erwerb:

A. von intelligentem Wissen

B. von anwendungsfähigem Wissen

C. des Lernen Lernens

D. von Schlüsselqualifikationen

E. von sozialen Kompetenzen

F. von Wertorientierungen

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Methodentraining nach Klippert

Kernaussagen

• Die Methodenkompetenz der Schüler ist über weite Strecken

unbefriedigend.

• In der Schule wird zu viel Unterricht mit direktiven, lehrerzentrierten

Verfahren ausgefüllt, die fast ausschließlich der (rezeptiven)

Wissensvermittlung dienen.

• Methodentraining fördert Mündigkeit und Lernerfolg, daher

• müssen den Schülern möglichst oft Lernsituationen und –aufgaben

angeboten werden, die ihnen Gelegenheit geben, sich in puncto

Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz und persönliche

Kompetenz zu üben und weiterzuentwickeln.

• Im Zentrum des Methodentrainings steht das eigenverantwortliche

Arbeiten.

• Methodenkompetenz meint zum einen das Vertraut-Sein mit

grundlegenden Makromethoden (Projektarbeit, Wochenplanarbeit,

Planspiel, Referat, Debatte...), zum anderen das Beherrschen

elementarer Mikromethoden (vom einfachen Markieren eines Textes über

das Strukturieren und Visualisieren von Lernergebnissen bis zum

Anfertigen von Mitschriften und Protokollen).

• Es ist illusorisch anzunehmen, dass sich die nötige

Methodenbeherrschung von selbst einstellt, wenn man die Schüler nur

selbständig arbeiten lässt: Methoden müssen im Wege des „Learning by

doing“ eingeübt werden!

• Das Methodentraining rückt phasenweise in das Zentrum der

Unterrichtsarbeit und hat dann Vorrang vor der Stoffvermittlung (z.B.

Methodentrainingswochen).

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Aufgabe der Methodik im GU

„Eine Methodik muss generalisieren, aber sie ist praxisnah und sollte den

Lehrenden befähigen, das aus Erfahrungen und empirischer Forschung

gewonnene Regelwerk der Methodik bei Entscheidungen vor, im und nach dem

Unterricht anzuwenden und zu reflektieren.“

„ Eine Methodik des Geschichtsunterrichts muss auf das Regelwerk und seine

Begrifflichkeiten zurückgreifen und es so anordnen, dass es historisches

Lernen ermöglicht.“

(Zitat nach Günther-Arndt, Geschichtsdidaktik..., Berlin 2003, 151, 156).

„Unterrichtsmethoden des Lehrers und Arbeitstechniken der Schüler/innen

stehen miteinander in Beziehung.

Richtig ist eine Methode u.a. dann eingesetzt, wenn sie

- die bisher erreichte Leistungsfähigkeit der Schüler/innen in Anspruch nimmt,

um sie zu entwickeln,

- die Leistungsbereitschaft der Schüler/innen steigert, indem sie ihnen zu

Erfolgserlebnissen verhilft.

-die historischen Inhalte strukturiert, damit sie in vertretbarem Zeitaufwand

lernwirksam werden. [...]

Es müssen Unterrichtsmethoden gewählt werden, die der Schülerin / dem

Schüler historische Vorgänge in Vergangenheit und Gegenwart anschaulich

und durchschaubar machen und ihm damit den Weg zur eigenen Erkenntnis

ermöglichen (Projektunterrichtsform, offene Unterrichtsformen, vielfältige

Kommunikationsformen, etc.).

(Zitat aus: Lehrplan Geschichte RP, Sek. I., 90)

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Strukturierungskonzepte des GU

Inhaltsbezogene Strukturierungskonzepte (genetische, diachrone,

synchrone Strukturierung, das exemplarische Prinzip, das biographische

Verfahren)

Historische Erkenntnisverfahren (die Historische Methode / der

historische Vergleich, das multiperspektivische Verfahren)

Unterrichtsmethodische Strukturierungskonzepte (Problemorientierter

GU, Handlungsorientierter GU)

Lehr-Lernkonzepte (= methodische Großformen nach Hilbert Meyer):

Allgemeine Feststellungen der empirischen Forschung:

• Offene Lernformen eignen sich besonders für leistungsstarke, motivierte

und selbstsichere Schüler.

• Für Lernschwache sind von der Lehrperson eng geführte und

kurzschrittige Methoden des Lernens wirksamer.

• „Schülerorientierung“ wirkt in der Regel als Leistungsbremse (aus Sicht

der Schüler: Zeitverschwendung oder nur das Erledigen des Nötigsten)

• Dagegen sind Klarheit und Strukturiertheit des Unterrichts, zügiges

Voranschreiten im „Stoff“ und anspruchsvolles Üben vergleichsweise

erfolgreich.

Vorschlag: Unterscheidung der Lehr-Lern-Konzepte des GU in

1. Erarbeitender GU

2. Aufgabenbasierter GU

3. Projektförmiger GU

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A. Erarbeitender GU

Das Grundmuster des erarbeitenden GU bietet viele Variationen an, auch wenn

eine eindeutige Konzentration des gesamten Unterrichtsgeschehens auf die

Lehrperson stattfindet!

Typische Realisationsform: der Frontalunterricht

Dieser bietet sich in der Regel im GU in folgenden Situationen an:

• Strukturierte Aneignung von historischen Sachverhalten (historisches

Orientierungswissen)

• Einübung von „Denkmustern“ (Metakognition)

• Forderung von Hilbert Meyer: So wenig Frontalunterricht wie möglich –

aber wenn schon, dann bitte ohne schlechtes Gewissen und mit

didaktisch-methodischer Phantasie). Folgerung: Schaffung einer

entspannten Unterrichtsatmosphäre, interessante Themengestaltung,

angemessenes Niveau der verbalen Darbietung, altersgemäße Aufgaben

(Berücksichtigung der Lernprogression), freundliches Agieren der

Lehrperson

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B. Aufgabenbasierter GU

- Vorläufer ist das Konzept des gelenkten entdeckenden Lernens nach Heinz-

Dieter Schmid, das vier Phasen umfasst: Problemstellung durch den Lehrer /

Fragenbildung durch den Lehrer / Untersuchung mithilfe von Medien und

Arbeitsaufträgen / Bewertung der Arbeitsergebnisse ( Diskussion)

- Im Zentrum dieses GU stehen Materialien oder Arbeitsanordnungen.

Merkmale des aufgabenbasierten GU sind:

• Individualisierung des Lernens (Berücksichtigung des unterschiedlichen

Lerntempos und des unterschiedlichen Leistungsvermögens,

Verantwortung für das eigene Lernen)

• Die Lehrperson steuert den Lernprozess über die Materialien und

Arbeitsaufträge

• Dieser GU fördert multiperspektivische Verfahren

• Dieser GU ist überwiegend kognitives Lernen

• Fördert die Kooperation der Lehrenden (Austausch und gemeinsame

Nutzung von Materialien)

Drei Grundmuster des aufgabenbasierten GU:

• Das Stationenlernen (Lernzone, Lernstraße, Lernladen, Lernzirkel):

Problem: Anordnung der Inhalte

• Die Planarbeit

• Das Leitprogramm (vor allem in der Schweiz praktiziert): Das

Leitprogramm ist im Grunde ein Lernbuch, das jeder Lernende mit

begleitenden Informationsträgern (z.B. CD-Rom) individuell bearbeitet.

• Ablaufmuster: Kurze Zusammenfassung als Einführung in das

Kapitelthema (advance organizer) / Angabe der Lernziele (Transparenz) /

Darstellung des Lerninhalts / Aufgaben und Übungen zum Lerninhalt

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C. Projektförmiger GU

Das Hauptmerkmal des projektförmigen GU ist das kooperative Lernen. Das

Ziel ist mit B identisch: die Steigerung des selbständigen und

eigenverantwortlichen Lernens

Die Hauptformen:

Gruppenarbeit / Gruppenpuzzle / historische Projektarbeit / Zukunftswerkstatt

zur Geschichte

Zum Einsatz von Gruppenarbeit:

• Der historische Sachverhalt muss von der Lehrkraft in der Vorbereitung

in sinnvolle Probleme und Aufgaben eingeteilt werden.

• Die Materialien müssen schüler- und aufgabenangemessen sein. Fragen:

Ist das Thema geeignet, wenn ja: themengleiche oder

themendifferenzierte Bearbeitung? Haben die Schüler die nötigen

Lernvoraussetzungen? Wie soll der Arbeitsauftrag gestaltet werden:

offen / geschlossen? Sind die Teilthemen in der zur Verfügung

stehenden Zeit zu bearbeiten?

• Bedeutsam ist die Qualität der integrierenden Fragestellung in der

Auswertungsphase. Die Schüler müssen die Ergebnisse sinnvoll

darstellen können, die Teilergebnisse müssen in ein entsprechendes

Gesamtergebnis fließen.

• Schüler müssen die Spielregeln für die Gruppenarbeit erlernen.

• Die institutionellen, organisatorischen und personellen

Rahmenbedingungen müssen geschaffen sein.

Der entscheidende Unterschied zwischen GA und Gruppenpuzzle liegt in der

Präsentationsphase: Beim Gruppenpuzzle werden die Lernenden teilweise zu

Lehrenden, da das Puzzle in der Reihenfolge Erarbeitungsgruppe und

Austauschgruppe abläuft (4xAAAABBBBCCCCDDDD) zu 4X ABCD

Schüler müssen also ihr Wissen strukturieren.

Besondere Förderung des kommunikativen Aushandelns

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Arbeit mit (stehenden) Bildern im Geschichtsunterricht

• Bilder sind Quellen eigener Art und bedürfen hinsichtlich ihres

Einsatzes besonderer didaktischer Überlegungen und

methodischer Anstrengungen (auch hinsichtlich des nötigen

Fachvokabulars)

• Sie werden im GU noch zu oft zur Illustration verwendet, die eine

Abbildung der Realität suggerieren (Stichwort: Quellenkritik)

Leitfrage: Welche Lernziele lassen sich mit einem Bild besser als mit

anderen Quellen, Medien oder Methoden erreichen?

Wichtige Voraussetzung: Bildvorlagen guter Qualität

Bilder können vor allem für die folgenden Bereiche als Quellen dienen:

Sachkultur, Mentalitätsgeschichte; „Propaganda“

Vorgehensweise bei der Interpretation von Bildern (nach Erwin

Panowsky)

1. Bildbeschreibung (ikonografische Bildbetrachtung)

= Beschreibung dessen, was auf dem Bild zu sehen ist, Äußerung von

Eindrücken

2. Bildanalyse (ikonografische Bildanalyse)

= Erschließen von Thema und Inhalt, Identifikation der Personen,

Untersuchung der Darstellungsmittel)

3. Bildinterpretation (ikonologische Bildinterpretation)

= Zusammenfassende Deutung der Bildaussage im historischen

Kontext

Ziel: Den Blick der Schülerinnen und Schüler für das jeweils

Zeittypische zu schärfen und ihnen langfristig ein elementares

Verständnis der „visuellen Handschrift“ verschiedener historischer

Zeiten zu vermitteln.

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Arbeit mit Karikaturen im Geschichtsunterricht

Wichtigstes formales Element: Überzeichnung und klare Aussageabsicht

Analytisches Ziel: Rekonstruktion der Aussageabsicht, dazu

Untersuchung der künstlerischen Gestaltung (Bildformen wie Metaphern,

Symbole und Allegorien)

Besonderheit: Benutzung kultureller Traditionen (Bildwelten früherer

Zeiten, die für die Analyse bekannt sein müssen)

Die Aussageabsicht lässt sich nach Pandel wie folgt differenzieren:

• deskriptive Karikaturen, die eine Situation eher beschreiben

• kommentierende K., die Ereignisse zusammenfassend (und

objektiver) bewerten

• analytische K., die Ursachen nennen, Zusammenhänge klären

• agitatorische K., die einen eindeutig ideologischen Charakter

besitzen

Vorzunehmende Unterscheidungen, die sich auf den Zeitaufwand mit

Karikaturen im GU auswirken:

„Pointierte Karikaturen: Begrenzen den Inhalt, den Situationsbezug

und sind meistens eindeutig in der Aussage (daher besonders für

Einstiege geeignet)

„Komplexe Karikaturen: Umfassender, Vielfältiger in den Details und

schwieriger in ihrem ideellen Standpunkt zu erkennen

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Kartenarbeit im Geschichtsunterricht

Geschichtskarten sind heutige Darstellungen der Verhältnisse in

vergangener Zeit (die auch selbst zu Quellen werden können)

Wichtige Einsicht für Schüler: Geschichtskarten zeigen historische

Sachverhalte nicht einfach „objektiv“, sondern sie sind zugleich auch zu

deuten.

Es gilt vier verschiedene Präsentationsformen zu unterscheiden:

Atlaskarte / Schulbuchkarte / Wandkarte / Folienkarte (Overlayverfahren

etc.)

Grundlegende Unterscheidungen: Statische Karte / dynamische Karte /

eindeutige / komplexe Karte

Grundlegende Probleme:

• Dimension der zeitlichen Veränderung (dynamische Karte)

• Farbgestaltung und deren psychologische Wirkung

• Komplexität vieler Karten (Überforderung der Schüler) –

didaktische Reduktion

Schüler müssen in die Lage versetzt werden, die Funktion der einzelnen

Kartenteile (Titel, Legende, Maßstab, Signaturen, Zeichensystem) und

die Darstellungsabsicht (Karten als abstrakte und schematische

Darstellungen, die komplexe Realitäten auf ein bestimmtes

Darstellungsinteresse hin reduzieren oder vereinheitlichen) zu

entschlüsseln.

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Literaturübersicht:

Bergmann, Klaus / Schneider, Gerhard, Das Bild, in: Handbuch Medien im

Geschichtsunterricht, Schwalbach / Ts. 1999

Geschichte lernen, Heft 5, 1988: Bilder im Unterricht

Geschichte lernen, Heft 18, 1990, Politische Karikaturen

Geschichte lernen, Heft 59, 1997, Arbeit mit Geschichtskarten

Hüttermann, Armin, Kartenlesen –(k)eine Kunst. Einführung in die Didaktik der

Schulkartografie, München 1998

Kaufmann, Günter, Neue Bücher – alte Fehler. Zur Bildpräsentation in

Schulgeschichtsbüchern, in: GWU 51 (2000), Heft 2, 68 - 87

Pandel, Hans-Jürgen, Karikaturen. Gezeichnete Kommentare und visuelle Leitartikel,

in: Ders. / Schneider, Handbuch Medien im GU, Schwalbach / Ts. 1999, 255-276

Praxis Geschichte, Heft 4, 1999, Kartenarbeit

Sauer, Michael, Bilder im Geschichtsunterricht. Typen – Interpretationsmethoden –

Unterrichtsverfahren, Seelze 2000

Ders., Karten und Kartenarbeit im Geschichtsunterricht, in: GWU 51 (2000), Heft 1,

37 - 46

Wilharm, Irmgard (Hg.), Geschichte in Bildern. Von der Miniatur zum Film als

historische Quelle, Pfaffenweiler 1995

Wunderer, Hartmann, Abbildungen der Welt? Zur Problematik von Fotografien im

Geschichtsunterricht, in: Geschichte, Politik und ihre Didaktik 28 (2000), Heft 1 / 2, 47

– 56.

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Der Gegenwarts- und Zukunftsbezug im Geschichtsunterricht

„Wir wollen aus der Vergangenheit das Feuer retten, nicht die Asche bewahren“

Ausgangsthese: Gegenwarts- und Zukunftsbezogenheit von Geschichte ist eine

wesentliche Kategorie historischen Denkens. Die Geschichtswissenschaft ist eine

Gegenwartswissenschaft, die auf ihre besondere Weise an den großen

Herausforderungen der Gegenwart und absehbaren Zukunft „herumdenkt“.

Ausgangspunkt: Gegenwärtige Schwierigkeiten, die im GU über historische Fragen

„umgeleitet werden.

„Große Fragen“ (epochale Schlüsselprobleme):

Gerechtigkeit und gutes Leben / Glauben und Hoffnungen / Partizipation und

Mitbestimmung / Gewalt, Krieg und Frieden / Gleichberechtigung der Geschlechter /

Solidarität / Arbeit und Arbeitslosigkeit / Armut und Ausbeutung / „Heimat“, Flucht,

Vertreibung, Migrationen / Umgang mit Minderheiten / Nationalismus, Rassismus und

Fundamentalismus / Gesundheit und Krankheit / Protest und Widerstand / Umwelt /

Freiheit...

Die Anfragen an das Wissenschaftswissen können auf einen

URSACHENZUSAMMENHANG oder auf einen SINNZUSAMMENHANG gerichtet

sein:

Ursachenzusammenhang: Frage richtet sich auf historische Entwicklungen, die als

Ursachen der gegenwärtig und künftig anstehenden Probleme gelten können =

NAHERINNERUNG (Neueste Geschichte / Zeitgeschichte)

Sinnzusammenhang: Frage richtet sich darauf, ob es in der Vergangenheit

Situationen und Entwicklungen gegeben hat, die mit der gegenwärtigen Situation

bedingt vergleichbar ist. Es handelt sich um „FERNERINNERUNG“ (Längsschnitt,

Fallstudie)

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Interkulturelles Lernen

Prämisse: Jedes historische Lernen ist interkulturelles Lernen im Sinne

eines Lernens über andere Kulturen (= „Fremdverstehen“).

Schüler tragen alle sehr unterschiedliche Geschichten in sich, die in

hohem Maße kulturabhängig sind!

Interkulturelles Lernen ist ein Unterrichtsprinzip , das alle Schulformen

und Schulfächer umfasst.

Veränderte gesellschaftliche Ausgangssituation in D. im 21. Jh.:

Migration, Zuwanderung

Kulturbegriff: Keine Hochkultur, sondern Kultur als

„ein einer Gesellschaft gemeinsames System von Kenntnissen, Werten

und Haltungen, das die Lebensweise einer Gesellschaft ausmacht“.

Damit meint interkulturelles Lernen vor dem Hintergrund dieses

Kulturbegriffs,

„dass Menschen verschiedener kultureller Zugehörigkeit gleichberechtigt

mit- und voneinander etwas über ihre kulturellen Bezugssysteme und

Bedingtheiten lernen, sei es nun direkt über persönlichen Kontakt, sei es

vermittelt über Medien.“

Konsequenzen für den GU:

1. Geschichtsunterricht als Geschichte der „neuen Heimat“ zur

verbesserten Integration (=Anpassung der Methoden, nicht aber der

Zielsetzungen und Inhalte)

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2. Ethnisch-kulturell getrennter GU (s. Religionsunterricht) (=kein

anderes Konzept des GU, sondern nur Erweiterung um zusätzliche

Konzepte, etwa türkischer GU)

3. Konzeptionelle Veränderung des GU zur Förderung der

„interkulturellen historischen Kompetenz“

Ziele:

1. Fremdverstehen

2. Durch Fremdverstehen ein verändertes Selbstverstehen erreichen

(Reflexion der eigenen kulturellen Prägung historischen Denkens) –

Förderung des Identitätsbildungsprozesses

Folgen für GU:

Keine völlige Umgestaltung, sondern andere Akzentuierungen und

Umstellung auf andere geschichtsdidaktische Konzepte

(Multiperspektivität, Exemplarität)

Probleme und Grenzen

Interkulturelles Lernen löst keine gesellschaftlichen oder politischen

Probleme: Wenn in der Gesellschaft / Politik kein Klima der Akzeptanz

herrscht, kann es auch diese Form des GU nicht erreichen

Anteil des Schulsystems an der Diskriminierung von Migrantenkindern

Interkulturelles Lernen ist in der deutschen Gesellschaft nur bedingt

konsensfähig (s. Diskussion über Leitkultur, Ausländersprachtests), auch

unter Schülern können Schwierigkeiten auftreten

(Identitätsfindungsprozess)

Erhöhter Arbeitsaufwand für Lehrende aufgrund mangelnder Materialien

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Themen für den Geschichtsunterricht sind besonders geeignet, wenn sie

• Erfahrungen von historischer und / oder kultureller Andersartigkeit und damit Fremdverstehen ermöglichen,

[Lehnswesen, Familie als Längsschnitt, fremde Kulturen] • die Einsicht vermitteln, dass das Denken und Handeln von

Menschen immer zeit-, standort- und interessengebunden sind, [Kreuzzüge, Soziale Frage] • anthropologische Einsichten über mögliche Verhaltensweisen von

Menschen zulassen, [Sklaverei, Holocaust]

• die Fähigkeit schärfen, langfristige Entwicklungstrends

wahrzunehmen, die von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft reichen,

[Industrialisierung, Globalisierung, Automatisierung, Mentalitätsgeschichte]

• der Erklärung, Einordnung und Relativierung von

Gegenwartsphänomenen dienen, [Migration, Armut, Verkehr]

• Sch. helfen, mit dem öffentlichen Gebrauch von Geschichte umzugehen,

[Nationalismus, Rassismus, Migration, Vernichtung]

• An historischen Beispielen Kategorien politischen und sozialen Handelns und Urteilens vermitteln und gegenwärtiges Engagement historisch begründen.

[Herrschaft / politische Teilnahme – Parteien]

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„Kampf der Kulturen“? Das Entdeckungszeitalter und seine Folgen am

Beispiel der Landung von Columbus auf Guanahani

„Kriegsverherrlichung und Kriegswirklichkeit“: Unterschiedliche

Wahrnehmungen des „Fronterlebnisses“ im Ersten Weltkrieg an

Beispielen aus der ersten Flandernschlacht im Oktober / November 1914

„Auferstanden aus Ruinen“? Gesellschaftlicher und politischer Protest in

der DDR Ende der 1980er Jahre

„Ein Reich, ein Volk, ein Führer“? Zum Herrschaftsverständnis des Adolf

Hitler

„Republik ohne Demokraten“? Ursachen des Untergangs der Weimarer

Republik

Die Krise der römischen Republik – Lösungsmodelle am Beispiel ...

Die Schrift – Kunst oder notwendiges Hilfsmittel in Ägypten?

„Nicht sich, sondern dem Vaterland gehören!“ Zur Erziehung in Sparta

„Gebt mir fünf Jahre Zeit“! Nationalsozialistische Wirtschaftspolitik am

Beispiel ...

„Ein Gespenst geht um in Europa“ – das Kommunistische Manifest und

seine zeitgenössische Wirkung

„Nur Schafe zur Schlachtbank?“ – Aspekte des jüdischen Widerstands im Warschauer Ghetto

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Untersuchungsverfahren helfen, Themen sinnvoll

miteinander zu strukturieren!

Jedes Untersuchungsverfahren ermöglicht besondere

Erkenntnismöglichkeiten!

Chronologisches Verfahren – genetisches Prinzip

Längsschnitt – diachrones Verfahren Querschnitt – synchrones Verfahren Schwerpunktbildung und Fallanalyse Vergleichendes Verfahren

Perspektivisch – ideologiekritisches Verfahren

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Möglichkeiten des Stundeneinstiegs A. Einstieg zur Festigung des Gelernten (z. B. Frage- / Wissensspiele) B. Einstieg als Reflexion des Unterrichtsgeschehens

• kontroverse Quellen zur Bewertung eines Ereignisses • diachroner Vergleich (Oberhausen 1800 1850 1900 /

Landkartenvergleich (Versailler Vertrag) • Einstieg mit synchronen Vergleichen (Wohnen im Kaiserreich /

Zahlenvergleich (Kriegsopfer) • Einstieg als Provokation (Äußerung / Erzählung / Karikaturen /

Propaganda) • Weckung der Neugier (Geschichte fortschreiben / erzählende

Quelle als Einstieg – Landung Columbus / Spekulationen) • Einstieg mit Gegenwartsbezug (israelisch-palästinensischer

Konflikt)/ • Einstieg mit aktuellen Kontroversen in der Gesellschaft

(Arbeitslosigkeit) • Einstieg mit Verweis auf Alltagsphänomene (Rassismus) • Nachwirkungen geschichtlicher Ereignisse (Erinnerungssteine) • Einstieg als Brainstorming • Einstieg in spielerischer Form (Rätsel) • Interview / Befragung als Einstieg • Einstieg durch Vorführen / Experiment • Internetrecherche