"getting-up" - brett magazin (2002)

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TIME TU GEl UP tri pie action (layout/pies/text) by randdom.knowledge.net. freisliil Es war wohl einer der letzten trockenen Tage in Hamburg. Kurz bevor es richtig los ging und man in den Strassen fast ertrinkt. Haben wir uns auf's Rad geschwungen und sind runter zu den Elbbrücken gefahren um mit den Machern vom Getting Up·Atelier zu sprechen. Das Atelier konzipiert und realisiert Projekte im Graffiti·Bereich, sowie freie Arbeiten. Das Atelier von Getting Up liegt an den Elbbrücken, irgendwo im dritten Stock. Hohe Decken, grosse Räume, tricky Podeste und eine wirklich nette Ecke mit Blick auf die City. Eve und ich sind derbe gestoked. In der Chill·Ecke machen wir es uns mit den Jungs gemütlich, rauchen eine Sportzigarette und steigen ganz unverkrampft in einen informations- freudigen Abend ein. Und hier die Essenz ... 01

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Artikel über die Hamburger Ateliergemeinschaft "getting-up" im Brett Magazin | 2002 | Language: German

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Page 1: "getting-up" - Brett Magazin (2002)

TIME TU GEl UP tri pie action (layout/pies/text) by randdom.knowledge.net.

freisliil

Es war wohl einer der letzten trockenen Tage in Hamburg. Kurz bevor es richtig los ging und man in den Strassen fast ertrinkt. Haben wir uns auf's Rad geschwungen und sind runter zu den Elbbrücken gefahren um mit den Machern vom Getting Up·Atelier zu sprechen. Das Atelier konzipiert und realisiert Projekte im Graffiti·Bereich,

sowie freie Arbeiten.

Das Atelier von Getting Up liegt an den Elbbrücken, irgendwo im dritten Stock. Hohe Decken, grosse Räume, tricky Podeste und eine wirklich nette Ecke mit Blick auf die City. Eve und ich sind derbe gestoked. In der Chill·Ecke machen wir es uns mit den Jungs gemütlich, rauchen eine Sportzigarette und steigen ganz unverkrampft in einen informations­

freudigen Abend ein.

Und hier die Essenz ...

01

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Namen sind Schall und Rauch? Die Zeiten scheinen vorbei , als die Jungs noch mit ih ren Pseudonymen gea rbeitet haben. Jetzt arbeiten sie auf Lei nwä nden und unterschreiben mit ihren bürgerl ichen Na men. Denn die Pseudonym -Geschi chte is t ja auch eher in der ill ega len Ecke übli ch u nd erschwert nur di e Zuordn u ng der Werke zu ihren Malern. Doch das e in e is t für di e

offizie lle Identifika tio n und das andere für di e Wurzeln. Denn in der Graffiti-Subkultur gibt es eine klare und recht tiefe Verbundenheit zu Pseudon ymen. Ein Vergleich: Christoph Hässler klingt etwas hart ,

rustika l und so gar ni cht nach e inem derben Graffiti-Artist. Da s Pseudon ym STOH EA D rockt da schon um e iniges meh r! Trotzdem

stellt auch er bei Ausstellungen seine Werke unter seinem bürgerlichen Namen aus. Schließlich so llen di e Leute ru hi g wissen, wer da s se ine

Bilder im Kopf auf die Le inwand verewigt hat. Allerdin gs könn en nicht wenige Leute nur schwer nachvoll ziehen , was für ein finan zieller

u nd organ isator isc her Krafta kt es überhaupt is t , große Graffiti ­Ausstellungen erst ein mal auf di e Beine zu s tellen . So geschehen im

Sommer 2000 und 2001 in Hamburg.

Passend pl'äsenbiel'en Doch TASEK ist es ga r nicht wichtig , a u f Auss te llu ngen de n

Erwartungen gerecht z u we rd en. Li eber lässt er sic h unvoreingenommen von se ine r Um we lt st imuli e ren. Nic ht s is t lan gwe il iger, als imm e r nur in be kann ten Gewässe rn heru m zuschippern . Der Geis t will geöffnet, der Horizont erweite rt werden ! Man so ll te kei ne Angst davor haben , m it se inem e ige nen

Stil zu brechen. Das Einnehmen neuer Betrach tun gs -Positionen , das ist es, was di e Gett in g Up Mannen fördern. Keine Mac h t de m Kon ven tionellen, her mit den neuen Ideen! Auch auf die Gefahr hi n,

ers t ei nmal ga r ni ch t von den anderen vers tanden zu werden. Die

vier netten ju nge n Herren von Get ting Up möchten durch se lbst organ is ie rte Ausstel lungen e ine adäquate Präsentat ionsebene auch für an dere Kün s tl er scha ffe n. Und dafür muß e iniges getan we rd en. Sch ließ li ch si nd das Ku nst- und Kulturere ignisse und nicht HipHop

Jams, bei denen quasi als schmückendes Beiwerk ein paar Le inwän de ge malt werden, di e nach zwe i Stu nden sowieso wiede r weggekarrt

werden. Getting u p Ausstellungen s ind meh r als nur di e Mögli chkeit für Sponsoren, ihre Banner und Logos all ü bera ll anzubringen. Auch wen n man de ren Koh le braucht, um sich Location und Mate ri al ie n

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leisten zu kön nen . Dabe i legt man locker den Gegenwert von ein bis zwei Kle in wagen auf den Tisch. Doch mehrere hun dert Quadratmeter Holzp latten und e ine gee ignete Location sind kein Luxus , sondern schli ch tweg e in Mu ss für eine angemessene und professionelle

Ausste ll ung. Das nötige Geld dafür m öch te man aber n icht durch di e Auftrags-A nnahme vo n Firme n rein ho len. Firmen , die sich den ken , dass e in paar bunte Bilde r be i der Betriebsfeie r ganz nett

s ind. Auf so Deko-Style -Jobs geht man erst gar n ich t weiter ein , sondern ble ib t s ich lieber treu und verfolgt seine ga nz e igenen Ziele

blei bt man s ich li eber treu und verfolgt se ine eige nen Ziele. Und die möchte m an so professionell wie möglich erreichen. Dazu gehört leider auch die ganze Palette an Busi ness-Scheiss, den man als sein eigene r Manager checken muss, bevor man s ich an die Leinwand

hängt und malt . Das ga nze geh t be i de r Visite nkarte los , we iter mit Websites und endet m it dem ga nzen trockenen, todes langwe iligem Bürokram . Der ganze Stress ha t den Vorteil, dass man relativ unbefange n und auf di e e ige ne Ar t und Weise an neue Sachen

rangehen kann. Und zwar stra ight, focussiert und ohne irgendwelche

Um wege. Gan z nac h dem MiniMax- Pr inzip: Minim ie ren, um das Maximale rauszuh ole n. Dass so etwas ga nz unabhäng ig und autark funktionieren ka n n, lässt s ich am Beispie l der vier Ate li e r-B es itzer gut beweisen .

Go SUPPOl'b Durch seine Connections hat Getting Up fä hi ge Kün s tler supporten können. Keramik und Di sco m aus Österreich konnten schon davon

profiti e ren . Di e be id e n n ah ez u Unbeka nn ten bekamen die Möglichkeit, ih r Könn en unter Beweis und in e in e Exh ibi tion zu

s tell en. Fü r di e Hamburger is t damit der ers te Kontakt ins Donau­

Nach barland entstanden. Ähnlich verhie lt es s ich vor drei Jahren mit OSGEMOS aus Bras ilien. Die kan nte e ige ntli ch auch kei n Schwein. Doch with a Iittl e he lp from their fri ends si nd s ie mittle rwe il e Stars.

Wer jetzt meint,Getting Up würden irgendwelche künstlichen Hypes initii eren , is t voll au f de r Geisterfah re r-Spur un te rwegs. Es werden

e in fac h echte Tal en te e ntd ec kt und bestmögli ch s t gefö rd ert , be ispie lsweise durch Präsen tation en. Diese setzten Zeitzeichen und di e s ich in ei ne r konsequenten Entwi cklun g befind ende Kun stfo rm wird für e inige Tage in Ausstellungs räum e eingefangen. Dad urch

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wird s ie für alle offene n und nicht offenen Leu te da draussen festgehalten und erlebbar gemacht. Doch bei all er Förderung und Aktivität ist Getting Up eines bestimmt nicht: eine Event-Agentur oder ein Graffitikünstler-Management.

Makin' a Living Auf der anderen Seite stehen die Auftragsa rbeiten, welche immer noch einen grossen Teil des Lebens der vier Künstler bei Getti ng Up bestimmen. Die Zeiten der unbequemen Aufträge ist for god's sake vorbe i. Auftra ggeber in spe treten meist mit Ahnung und Achtung an die Atelier-Gemeinschaft heran. Das war nicht immer so. Früher ga b es Auftragsarbeiten mit Limitationen. Diese Jobs hat man dann als echte Challenge angesehen. Es wurde versucht, ein redu ziertes, aber für beide Seiten angenehmes Ergebnis zu erzielen. Manche Leute wollten einfach nur' ne New York Skyline haben. Ist ja auch gut so. Denn während man so e in paar hundert Fenster auf die Wolkenkratzer malen muss , kann man fett ans einer Technik fei len . Doch auc h damit ist nach dem x-ten mal schluss. Irgendwann mal hat man einfach keinen Bock mehr auf NY Skylines. Als es dann soweit wa r, dass die vier Getting Upper sich ihre Aufträge aussuchen konnten, wussten sie, dass sich verdammtnochmal alle Anstrengungen bis eben dahin gelohnt haben. Wobei noch gesagt werden muss , dass man durch Auftragsarbeiten von Leuten, die ga r keinen Plan von Gra ffiti ha tte n, komplett neue Ideen, Intentionen und Sichtweisen bekam. Denn die „Unwissenden“ wussten über ganz andere Dinge bescheid - each one teach one!

Know your RoobS Ist es noch Graffit i oder nicht ? Ist es e in e Ausstellung oder Kommerzieller Sellout? Gute Frage, se tzen. Eins ist sicher, di e vier Herren wissen welcheRoots s ie haben. Christoph, Gerr it, Heiko und Mirko haben einfach nach eine r Möglichkeit gesucht, in Ruhe ihrer wirk lichen Leidenschaft nachgehen zu können , um so ihr Leben bestreiten zu können Was Gett ing Up praktiziert, ist eine logische Entwi cklun g auf dem Fundament Graffiti. Di e su bkulture ll e Kunstformwird auf neue Ebenen und Wege gebracht.

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Collaborazione Der Zusammenschluss de r vie r Künst ler eröffn e t viele neue Perspektiven, welche im einzelnen wahrscheinlich gar nicht checkbar wären. Projekte, von denen man alleine noch nichtmals träumt. Träumen tut man eh meist von ganz anderen Zeugs. First of all geht es um die Bündelung der vorhanden Kräfte. May the force be with you ... Gemeinsam arbeitet man an grossen Projekten, welche ihrer Professionalität wegen clean über die Bühne gehen. Dabei bleibt der Focus aber immer auf dem Malen. Und trotz aller Kooperation hat aber jeder der vieren immer noch seine eigenen Projekte laufen. Für deren Realisierung zieht man sich dann auch schneckenhausmässig zurück. Erreicht einer der vier einen neuen Punkt, so dient dieser neue Level allen und vvird mit neuen Komponenten weiter und zurück

gegeben. So pusht man sich gegenseitig zu neuen Styles und hält so den Energie- und Ideenaustausch im flow, was sich auf alle Arbeiten,

ob Auftrag oder Frei, auswirkt. Diese Dynamik ermöglicht es erst, von so etwas zu Leben und einen eigenen Weg zu beschreiten . Erst dann, wenn man alles selber in der Hand hat, kann man frei agieren.

Work in Progress Diese r Frieden und die Freiheit bringen auch logischerweise den Fortschritt, welcher nötig ist, um neue Wege zu betreten. Sicher gibt es genug Hardliner und Headz, die mit Graffiti in der bekannten

Form zufrieden sind und Graffiti auch so mit ins Grab nehmen. Es gibt auch Leute, die konkret etwas gegen eine neue Form haben, wie Getting Up sie vormacht und lebt. Aber nach wie vor kann man hier den Fortschritt und die Entwicklung nicht aufhalten. Checkt man Graffiti in Deutschland über die letzten r8 Jahre, sieht man, dass bestimmte Trends und Moden sich die Klinke in die. Hand drücken. Genauso erkennt man auch die Entwicklung, welche die Subkultur

durchgemacht hat. Mit all den schönen und beschissenen Aspekten. Sollte es in zehn oder zwanzig Jahren auch so sein , dass man auf die 90er und 2000 zurückblickt und die Arbeiten ihrer Zeit zuordnen kann - und sie alt aussehen? Ja, und wir freuen uns auf die Sachen die kommen. Man soll sich nicht damit aufhalten, das Leben zu kritisieren, sondern es leben!

For the love of art.

www.gebbing-up.org