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Gepäckverlust REISE & FREIZEIT 90 Guter Rat • Nr. 8/2008 Fehlgeleitet Die Koffer sind in der Luft und Sie am Boden: Wie sich solche Pannen vermeiden lassen, was jetzt zu tun ist und wie entschädigt wird E ndlich am Ziel, nur leider ohne Koffer – ein nervenaufreibender Start in die Ferien, der gar nicht mal so selten vor- kommt: Weltweit gingen im vergangenen Jahr mehr als 42 Millionen Gepäckstücke im Luftverkehr verloren oder kamen verspätet an. Bezogen auf 1 000 Passagiere zählte die Association of European Airlines knapp 17 zeitweilig verschwundene Gepäckstücke. In 95 Prozent der Fälle taucht das Gepäck nach spätestens fünf Tagen wieder auf. Bei ei- ner siebentägigen Reise ist der Urlaub dann trotzdem gelaufen. Einfach hinnehmen muss das niemand. Grundsätzlich haftet der Ver- tragspartner für den Verlust. Bei einer Pau- schalreise ist dies der Reiseveranstalter, bei einem Linienflug die Fluggesellschaft, die da- bei an das Montrealer Übereinkommen von 2004 gebunden ist: Haftung Egal, ob das aufgegebene Gepäck verspätet, beschädigt, zerstört oder gar nicht eintrifft: Schadenersatz in Höhe von bis zu 1 000 Sonderziehungsrechten steht jedem Fluggast zu. Diese künstli- che Währungseinheit entspricht unge- fähr 1 200 Euro. Nachweis Die Fluggesellschaft muss nur zahlen, wenn der Passagier glaubhaft be- weisen kann, wie hoch der entstandene Schaden ist. Das heißt: Sämtliche Quit- tungen für Ersatzkäufe, Telefonate und alle weiteren Ausgaben aufbewahren. Wichtig außerdem: Boarding-Ticket, Ge- päck-Kontrollabschnitt (Aufkleber mit Re- gistriernummer) und Property Irregularity Report. Den sollte der Fluggast möglichst umgehend beim »Lost &Found«-Schalter ausfüllen und quittieren lassen. Fristen Wer nicht sofort den ver- schollenen Koffer am Flughafen meldet, dem bleiben hinterher noch 21 Tage, Entschädigung zu fordern. Bei erst später er- kannten Beschädigungen am oder im Gepäck läuft die Frist nach sieben Tagen ab – jeweils ab dem Datum gerechnet, an dem der Passagier das Gepäck erhalten hat. Pauschalurlaub Erster Ansprech- partner ist der Reiseveranstalter. Von ihm holt man sich das Geld für Ersatzkäufe und die damit verbundenen Aufwendungen wieder. »Pauschalurlauber haben aber noch mehr Rechte«, sagt Jan Bartholl, Rechtsanwalt mit dem Spezial- gebiet Reiserecht. »Steht dem Reisenden sein aufgegebenes Gepäck während des Urlaubs nicht zur Verfügung, stellt dies ei- nen erheblichen Reisemangel dar.« Inner- halb eines Monats nach Reiseende kön- nen Pauschalurlauber dafür eine Reise- preisminderung verlangen. Diese richtet sich nach den Umständen der Reise: Wer bei einer Städtereise mit Opernbesuch auf seine Abendgarderobe verzichten muss, bekommt nach der gängigen Rechtspre- chung 30 Prozent des Reisepreises zurück. Für eine Rundreise ohne Gepäck muss der Veranstalter mindestens die Hälfte des Rei- sepreises zurückerstatten. Kommt das Ge- päck im Rahmen eines einwöchigen Ba- deurlaubs erst nach drei Tagen an, können 25 Prozent vom Reisepreis zurückgefordert werden. Konservativ: Die meisten Koffer sind dunkelgrau Gründe für den Kofferschwund gibt es viele: veraltete Abfertigungs- und Förderanlagen auf den Flughäfen, unleserliche Registriernum- mern auf den Etiketten oder aber verspätete Zubringerflieger: »Das Risiko des Kofferver- lusts steigt, je öfter die Maschine gewechselt wird«, sagt Anke Lobmeyer von der Schlich- tungsstelle Mobilität des Verbraucher- ministeriums (Tel.: 030/469 97 00, www.schlichtungsstelle- mobilitaet.org). Karten-Code Mit dem Gepäck- abschnitt auf der Bordkarte weist sich der Passagier als Eigentümer seines Koffers aus. Die Nummer unten wird nur einmal vergeben und er- laubt die weltweite Suche. Die Angabe 1/20 nennt Anzahl und Gewicht der Gepäckstücke. Die grünen Randstreifen weisen auf ein Ziel innerhalb der EU hin FOTOS: GETTY IMAGES, AIR BERLIN

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Page 1: GURA GU08 90 91 20080707141753 3878 - ra-janbartholl.de · Bartholl, Rechtsanwalt mit dem Spezial-gebiet Reiserecht. »Steht dem Reisenden sein aufgegebenes Gepäck während des Urlaubs

Gepäckverlust

REISE & FREIZEIT

90 Guter Rat • Nr. 8/2008

Fehlgeleitet Die Koffer sind in der Luft und Sie am Boden: Wie sich solche Pannen vermeiden lassen, was

jetzt zu tun ist und wie entschädigt wird

E ndlich am Ziel, nur leider ohne Koffer – ein nervenaufreibender Start in die Ferien, der gar nicht mal so selten vor-

kommt: Weltweit gingen im vergangenen Jahr mehr als 42 Millionen Gepäckstücke im Luftverkehr verloren oder kamen verspätet an. Bezogen auf 1 000 Passagiere zählte die Association of European Airlines knapp 17 zeitweilig verschwundene Gepäckstücke.

In 95 Prozent der Fälle taucht das Gepäck nach spätestens fünf Tagen wieder auf. Bei ei-ner siebentägigen Reise ist der Urlaub dann trotzdem gelaufen. Einfach hinnehmen muss das niemand. Grundsätzlich haftet der Ver-tragspartner für den Verlust. Bei einer Pau-schalreise ist dies der Reiseveranstalter, bei einem Linienfl ug die Fluggesellschaft, die da-bei an das Montrealer Übereinkommen von 2004 gebunden ist:

Haftung Egal, ob das aufgegebene Gepäck verspätet, beschädigt, zerstört oder gar nicht eintrifft: Schadenersatz in Höhe von bis zu 1 000 Sonderziehungsrechten steht jedem Fluggast zu. Diese künstli-che Währungseinheit entspricht unge-fähr 1 200 Euro. Nachweis Die Fluggesellschaft muss nur zahlen, wenn der Passagier glaubhaft be-weisen kann, wie hoch der entstandene Schaden ist. Das heißt: Sämtliche Quit-tungen für Ersatzkäufe, Telefonate und alle weiteren Ausgaben aufbewahren. Wichtig außerdem: Boarding-Ticket, Ge-päck-Kontrollabschnitt (Aufkleber mit Re-gistriernummer) und Property Irregularity Report. Den sollte der Fluggast möglichst umgehend beim »Lost &Found«-Schalter ausfüllen und quittieren lassen. Fristen Wer nicht sofort den ver-schollenen Koffer am Flughafen meldet, dem bleiben hinterher noch 21 Tage, Entschädigung zu fordern. Bei erst später er-kannten Beschädigungen am oder im Gepäck läuft die Frist nach sieben Tagen ab – jeweils ab dem Datum gerechnet, an dem der Passagier das Gepäck erhalten hat. Pauschalurlaub Erster Ansprech-partner ist der Reiseveranstalter. Von ihm holt man sich das Geld für Ersatzkäufe und die damit verbundenen Aufwendungen wieder. »Pauschalurlauber haben aber noch mehr Rechte«, sagt Jan Bartholl, Rechtsanwalt mit dem Spezial-

gebiet Reiserecht. »Steht dem Reisenden sein aufgegebenes Gepäck während des Urlaubs nicht zur Verfügung, stellt dies ei-nen erheblichen Reisemangel dar.« Inner-halb eines Monats nach Reiseende kön-nen Pauschalurlauber dafür eine Reise-preisminderung verlangen. Diese richtet sich nach den Umständen der Reise: Wer bei einer Städtereise mit Opernbesuch auf seine Abendgarderobe verzichten muss, bekommt nach der gängigen Rechtspre-chung 30 Prozent des Reisepreises zurück. Für eine Rundreise ohne Gepäck muss der Veranstalter mindestens die Hälfte des Rei-sepreises zurückerstatten. Kommt das Ge-päck im Rahmen eines einwöchigen Ba-deurlaubs erst nach drei Tagen an, können 25 Prozent vom Reisepreis zurückgefordert werden.

Konservativ: Die meisten Koffer sind dunkelgrau Gründe für den Kofferschwund gibt es viele:

veraltete Abfertigungs- und Förderanlagen auf den Flughäfen, unleserliche Registriernum-mern auf den Etiketten oder aber verspätete Zubringerfl ieger: »Das Risiko des Kofferver-lusts steigt, je öfter die Maschine gewechselt wird«, sagt Anke Lobmeyer von der Schlich-tungsstelle Mobilität des Verbraucher-ministeriums (Tel.: 030/469 97 00, www.schlichtungsstelle-mobilitaet.org).

Karten-Code Mit dem Gepäck-abschnitt auf der Bordkarte weist sich der Passagier als Eigentümer seines Koffers aus. Die Nummer unten wird nur einmal vergeben und er-laubt die weltweite Suche. Die Angabe 1/20 nennt Anzahl und Gewicht der Gepäckstücke. Die grünen Randstreifen weisen auf ein Ziel innerhalb der EU hin

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Page 2: GURA GU08 90 91 20080707141753 3878 - ra-janbartholl.de · Bartholl, Rechtsanwalt mit dem Spezial-gebiet Reiserecht. »Steht dem Reisenden sein aufgegebenes Gepäck während des Urlaubs

Guter Rat • Nr. 8/2008 91

Chaos am Flughafen:Unpünktlich und Koffer weg

Verspätungen Mit fast 70 Millionen Flug-reisenden im Jahr ist London-Heathrow der größte Flughafen Europas, aber auch Spitzenreiter in Sachen Unpünktlichkeit: Knapp 36 Prozent aller Flüge waren 2007 zu spät, gefolgt von London Gat-wick und Rom mit einer Verspätungs-quote von jeweils 30 Prozent.

Gepäckschwund Auch hier schlechte Noten für London: Allein British Air-ways verschlampte 27 Gepäck-stücke auf 1 000 Passagiere im vergangenen Jahr. Übertroffen wird das nur von der portugie-sischen TAP: Sie verlor 28 Stücke bezogen auf 1 000 Passagiere.

Schon vorm Reiseantritt lässt sich aber viel Ärger vermeiden:

Nonstop Beim Buchen – wenn möglich – große Umsteige-Flughäfen meiden. 60 Minuten zum Umsteigen einplanen Wiedererkennung Über die Hälfte der Ge-päckstücke ist dunkelgrau. Wer keine Knallfarben mag, kann seinen Koffer zu-mindest mit Bändchen oder Aufkleber von der Masse abheben Adresse Auf den verdeckten Kofferanhän-ger gehören Heimat- und Urlaubsadres-se. Zur Sicherheit die Kontaktdaten auch zuoberst auf die gepackten Sachen in den Koffer legen Handgepäck Laptop, Handy, Dokumen-

te, Kamera, Aufl adegeräte, Schmuck und Geld grundsätzlich ins Handgepäck. Wich-

tig auch: Medikamente (mit Attest) und Zahnbürste

Versteigerungen Bleibt der Koffer verschollen, sind

Versteigerungen die letz-te Hoffnung: Hier verstei-gern die großen Airlines alle Koffer, die nach drei Monaten keinen Fin-der gefunden haben. Bis zu 200 Euro zahlen manche für solch her-renlose Koffer – ohne vorher reinzuschau-en. Maren Wendt vom gleichnamigen Aukti-

onshaus konnte einmal einem Gast sein eigenes

Gepäckstück überrei-chen: einen Rucksack mit

Bergsteigerausrüstung. �

Ulrike Pape

[email protected]

WAS DEM FLUGGAST ZUSTEHT�

KOFFER-KATASTROPHEN ENTSCHÄDIGUNG

Koffer verspätet Lässt der Koffer auf sich war-ten, sofort beim »Lost and Found«-Schal-ter oder bei der Fluggesellschaft direkt den »Property Irregularity Report« aus-füllen und Referenznummer entgegen-nehmen. »Wer diese Gelegenheit verpasst, hat verloren«, sagt Anke Lobmeyer von der Schlichtungsstelle Mobilität. Die Adresse parat halten, an die das Gepäck später geliefert werden soll. Nach Erhalt des Gepäckstücks hat der Fluggast 21 Tage Zeit, Schadenersatzansprüche schriftlich geltend zu machen

Soforthilfe Wer jetzt ohne Ersatzkleidung dasteht, sollte das unbedingt angeben. TUIfl y zahlt 50 Euro pro Tag ohne Koffer, die Lufthansa verteilt »Notfall-Kits« für Damen und Herren mit Zahn-bürste, T-Shirt und Co., außerdem Barvorschüsse bis zu 200 Euro. Toilettenartikel ersetzt sie voll, Kleidungsstücke zu 50 Prozent. Um die Ersatz-käufe nachträglich erstattet zu bekommen, alle Quittungen sammeln. Bis zu 1 200 Euro stehen jedem Fluggast zu, auch wenn der Koffer nach kurzer Zeit wieder auftaucht

Koffer kaputt Wenn das Gepäck beschädigt ist, dies möglichst sofort noch am Flug-hafen melden. Fällt das erst später beim Auspacken auf, binnen sieben Tagen die Fluggesellschaft (auch) schriftlich über den Schaden informieren und eine schrift-liche Bestätigung verlangen

Soforthilfe Manche Fluglinien haben mit Koffer-Läden direkt am Flughafen Rahmen-verträge: Hier gibt‘s dann sofort einen neuen Koffer. Sonst gilt: Bis zu 1 200 Euro müssen die Airlines erstatten

Koffer unvollständig Fehlt etwas im Gepäck, ist wie im Falle einer Beschädigung die Sieben-Tage-Frist einzuhalten: Innerhalb dieser Zeit die Airline informieren, am besten per Einschreiben mit Rückschein

Soforthilfe Auch für diesen Fall liegt die Haftungshöchst-grenze laut Montrealer Übereinkommen bei max.1 200 Euro (siehe Infos zu verspätetem Gepäck)

Koffer weg Nach drei Monaten geben die Fluggesellschaften in der Regel die Suche auf. Den Total-Verlust gibt es aber offen-bar sehr selten: weniger als ein Gepäck-stück pro 2 000 Passagiere. Wenn Sie selbst recherchieren wollen, klicken Sie sich im Internet in das weltweite Gepäck-suchsystem www.worldtracer.aero ein

Soforthilfe Mehr als 1 200 Euro Schadenersatz sind laut Montrealer Übereinkommen auch bei Total-Verlust nicht drin. Immerhin sind hier aber keine Anzeige-Fristen einzuhalten