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schichtldruckerei Werkstatt für praktische Utopie G Guten Morgen Abendland Flucht • Antimuslimischer Rassismus • Zivilcourage Ausgabe 3

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schichtldruckereiWerkstatt für praktische Utopie

G

Guten MorgenAbendland

Flucht • Antimuslimischer Rassismus • Zivilcourage

Ausgabe 3

Joeyempörte sich über Alltags-ängstlichkeit und verschickte unzählige Doodler.

Miasorgte dafür, dass beim vielen

Werken der künstlerische Anspruch

nicht unter die Räder kam. Kunst

eMpört eu

ch

aGnesverschönerte die grauen Wän-de Wiens mit Moosgraffiti und die Lücken der Gschichtldru-

ckerei mit Bildern.

sophiastellte Förderungsanträge und das Abendland auf den Kopf.

philippinterviewte Studienkollegin-

nen, macht Musik und be-geisterte uns mit den besten

Mohnstrudeln.

sche isst's e ich net an

expe

d it ion ins abendla

nd

Jonnyhatte neben dem Layouten

noch Zeit, Widerstand und

Pflanzen zu säen.

Fabianatrainierte uns, damit wir uns

nicht vor Zivilcourage drücken.

Kreaktiv

Ze iG' Ziv ilcouraGe

Manihat den Überblick über die Finanzen und machte sich in der Straßenbahn Gedanken über österreichisch-isla-

mische Identitäten.

Fabiantüftelte während seiner

Nachtschichten im Hostel an

der Werkstattrubrik.

utopie

pF lanZere i !Moos

GraF F it i

Johannaradelte auf der Suche nach

Utopien umher und interviewte interessante Menschen, die ihr

dabei begegneten.

GschichtldruckereiHeute

lukaswill verändern, nicht nur helfen, und ist so ins Layou-ten vertieft, dass er sich zur

Pizzapause verspätet.

beGriF F e werF en

schat t en

werkstatt

tobiasfuhr per Autostopp ins Mühlviertel, um empirisches Material für seine

Gedichte zu sammeln.

valentinahat eine Vorliebe für kriti-sche Veranstaltungen und

organisierte diese auch für die Gschichtldruckerei. klar

text

lillivermied schwammige Worthül-

sen, klärte stattdessen Begriffe

auf und schaffte Klartext über

die Rassismusproblematik.

ich t räuMe von...

daneben Gebl ieben

tipps F ür Ziv ilcouraGe

Guten Morgen Abendland!Unsere Antwort auf die unerfreuliche Angst vor dem Anderen

Die Angst vor dem Islam, die Angst vor flüchtenden Menschen, die Angst vor dem Fremden – sie scheint zur Zeit allgegenwärtig zu sein. Sogar gestandene Humanist_innen sind unter dem Druck der allgemeinen Debatte versucht, in die Defensive zu geraten, ihren Optimismus über Bord zu werfen und sich vor einem unklaren, düs-teren und bedrückenden Komplex aus Terrorismus, Unterdrückung der Frau und Barbarei zu fürchten. Damit

gehen sie unbelegten Klischees auf den Leim. Der eigene Identitätsverlust in unserer allgegen-wärtigen Orientierungslosigkeit gerinnt zur Angst vor dem Unbekannten und entlädt

sich im Stammtisch- und Mediendiskurs an allem, was als muslimisch iden-tifiziert werden kann.

Als Gschichtldruckerei haben wir uns vor einigen Monaten vorgenommen, uns dieser aktuellen gesellschaftlichen Tendenz zu widmen, sie zu verstehen, uns

wach damit auseinanderzusetzen, den Dialog mit Menschen zu suchen und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Unter anderem haben wir einen Work-shop zum Thema „antimuslimischen Rassismus“ organisiert, bei dem wir uns Handlungsstrategien für den Alltag zurechtgelegt haben – weil das Leben nicht nur im Kopf passiert.

Diese Ausgabe ist das Ergebnis dieses Prozesses und von der Erkenntnis getragen, dass uns starre und überkommene Begriffshülsen wie Abend- und

Morgenland nicht weiter bringen. Wir lassen auf den kommenden Seiten ver-schiedene Menschen zu Wort kommen und greifen verschiedene Perspektiven

auf. Gleichzeitig wollen wir unsere Gedanken und Ideen mit euch teilen, zur Dis-kussion anregen und Lust auf ein freudiges und offenes Miteinander machen –

weil es kaum Grund zur Angst und viel Anlass zur Freude gibt.

Eure Gschichtldruckerei

Impressum gemäß §24 MediengesetzMedieninhaber und Herausgeber: Verein Sale für Alle – das offene Kinder und JugendzentrumPostadresse: Hagenmüllergasse 31, 1030 WienEmail: [email protected]: www.salefueralle.at/gschichtldruckereiFacebook: www.facebook.com/Gschichtldruckerei

Redaktion: Valentina Duelli, Fabian Dworak, Fabiana Ellmerer, Maria Essl, Elisabeth Graf, Jonathan Mayer, Manuel Mayr, Johanna Rachbauer, Lukas Rachbauer, Philipp Rampetsreiter, Agnes Reininger, Johannes Ruppacher, Tobias Schlagitweit, Sophia StangerLayout: Jonathan Mayer, Lukas RachbauerIllustrationen: Johanna Rachbauer, Agnes ReiningerKontakt: [email protected]: Wien, Mai 2015Druck: klimaneutral auf Recyclingpapier: onlineprinters.at

Die Artikel sind Eigenmeinungen der Autor_innen und spiegeln nicht die Linie des Vereins „Sale für Alle“ wider.

Offenlegung gemäß §25 MediengesetzMedieninhaber:Verein Sale für Alle – das offene Kinder- und Jugendzentrum, Hagenmüllergasse 31, 1030 Wien Geschäftsführer: Emanuel Huemer Vorstand: Johannes Blaimschein, Cornelia Faunie, Emanuel Huemer, Andreas Kühne, Sarah Kusché, Keîl Lingnau, Tobias Schlagitweit

Grundliegende Richtung der Zeitschrift (Blattlinie):Die Gschichtldruckerei versteht sich als eine Plattform für Gesellschaftskritik, Utopie und politischen Aktionismus. Produziert von einer Reihe junger Menschen mit entwicklungspolitischem Hintergrund und/oder Interesse dafür intendiert die Zeitschrift, ihre Leser zum Nachdenken anzuregen, aber ihnen auch praktische Tipps und konkrete Verbesserungsvorschläge zu geben, sie einerseits zu schockieren und ihnen andererseits Mut zu machen, sie auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen, um ihnen gleich danach wieder das Fliegen zu lernen. Umhüllt wird das als politisches Gesamtkunstwerk gedachte Projekt von einem Mantel der Kreativität und künstlerischer Freiheit.Das Projekt ist aus dem Dunstkreis des Vereins „Sale für Alle“ entstanden und besteht heute neben der vorliegenden Zeitschrift aus der halbjährlichen Diskussionsreihe „Gespräche im Grätzl“ und mehreren politischen Aktionen, die allesamt darauf abzielen, Menschen aufzurütteln und nicht nur von einer gleicheren, gerechteren Gesellschaft zu träumen, sondern diese auch selbst vorzuleben und Beispiele dafür zu präsentieren.Zusätzlich sieht sich die Gschichtldruckerei als kein geschlossener Kreis. Jede/Jeder, die/der sich mit der Idee des Projekts identifizieren kann, ist herzlich willkommen, selbst teilzunehmen, mitzuschreiben und mitzudenken.

Empört EuchRaum zum Aufschreien und Motzen – manchmal muss es einfach raus. Die hier veröffentlichten Texte sind Privatmeinungen und spiegeln nicht die der Redaktion wieder – trotzdem sind sie meist vernünftig.

Befreiung beginnt mit EmpörungElse Pannek

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Waldzell/Innviertel 65 Flüchtlinge in einem 2300 Einwohnerdorf? Nur Männer? „Na, da werdet ihr euch anschauen!“ - „Das kann ja nicht gut gehen!“ So oder so ähnlich lauteten die Aussagen der Menschen in Wald-zell, Bezirk Ried im Innkreis. Inzwischen sind knapp sieben Monate vergangen – und zuerst die gute Nach-richt: Nix ist passiert, aber es ist einiges geschehen. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist beeindruckend. Spenden werden regelmäßig abgeliefert. Einige Leu-te kommen und kochen mit den Männern aus Syrien. Andere machen den einen oder anderen Ausflug, orga-nisieren ein Fußballspiel oder motivieren die jungen Männer zu anderen Aktivitäten. Drei Lehrer_innen un-terrichten seit sieben Monaten Deutsch, und sie wissen, wovon sie sprechen. „Alles, was in Waldzell passiert, fußt auf privaten Initiativen, alles wird ehrenamtlich und unbezahlt erledigt, die offiziellen Stellen versagen total!“ Die Lage ist ruhig, „die Polizei war bisher ein ein-ziges Mal hier, weil ein Flüchtling seinen Ausweis ver-loren hat“, erklärt Sonja K., die gute Seele des Quartiers im ehemaligen Drei-Sterne-Hotel Georgshof. So weit, so gut. Aber die Medaille hat auch eine Kehrseite.

„WIR STERBEN LANGSAM“Die Situation der Flüchtlinge ist bedrückend. „War-um, sie haben eh alles“, so die Aussagen mancher. Die Flüchtlinge haben es warm, sie haben Kleidung, Handys, sie sind satt. Und was zermürbt sie? „Wir warten seit knapp sieben Monaten auf unsere Einvernahme beim Asylamt, wo wir hoffentlich die Aufenthaltsgenehmi-gung bekommen, wir wollen arbeiten, eine Ausbildung machen, wir wollen keine Bittsteller sein“, sagen sie – in Englisch und gebrochenem Deutsch. Sie warten, warten und warten. Seit Monaten kennen die Männer ihre_n Sacharbeiter_in beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. „Wann bekommt Herr X oder Y seinen Termin zur Einvernahme?“ Antwort aus dem Amt: „Das kann ich Ihnen nicht sagen!“ „Warum?“ „Weil ich das nicht genau weiß!“ „Und ungefähr?“ „Vielleicht in zwei Mo-naten. Wie gesagt, vielleicht!“ „Aber sie haben die Leu-

te doch auf Ihrer Liste!“ Amt ist Amt und es gibt keine Auskunft! Persönliche Vorsprachen mit Dekreten und Zeugnissen machen beim Amt keinen Eindruck. „Wir wurden unhöflich abgewiesen und sollen warten“, er-zählen mehrere Flüchtlinge.Paradox: Im Amt für Asylwesen muss pures Chaos herrschen. Wie ist es sonst zu erklären, dass manche Flüchtlinge nach wenigen Wochen ihre Aufenthaltsge-nehmigung bekommen und andere ewig warten müs-sen? Wie ist es zu erklären, dass manche per Mail die Vorladung für den übernächsten Tag bekommen, ande-re per eingeschriebenen Brief informiert werden? Wa-rum gibt es keine Reihung? Warum kann das Amt nicht sagen: „Ich habe noch 100 oder 300 auf der Liste, Ihren Termin werden Sie dann und dann bekommen.“? Sind die Behörden nur für sich da oder werden sie von der/dem Steuerzahler_in als Service- und Dienstleister_in finanziert?Unter den Flüchtlingen sind zwei Ärzte, zwei Juristen, ein Computeringenieur, ein Agrarexperte, Elektriker, Taxifahrer, Maurer und auch ungelernte Kräfte. Sie sprechen neben ihrer Muttersprache Kurdisch, Ara-bisch, Englisch, manche eine kurdische oder arabi-sche Varietät und sie haben große Probleme, Deutsch zu lernen. Wie sie sich in Österreich je zurecht finden werden, ist sehr fraglich. „Wir essen, trinken, schlafen – und sterben langsam“, sagen sie. Was fehlt ihnen? Für die Betreuung ist die Caritas zuständig. Sie schaut so aus, dass für die inzwischen nur mehr 28 Männer – die anderen wurden, wie mit dem Bürgermeister ab-gesprochen, schon verlegt – pro Woche eine Dame für ein paar Stunden da ist. In der Zeit kann wenig erledigt werden und von einer Betreuung zu sprechen wäre arg übertrieben. Die Flüchtlinge bräuchten eine Ta-gesstruktur. Sie müssten arbeiten dürfen, sie müssten beschäftigt sein – und sie müssten zum Deutschunter-richt verpflichtet werden, wenn Integration nicht nur auf dem Papier stehen soll. Sie sollten am Abend mit sich und ihrer Leistung zufrieden sein können. Derzeit

Wer Verantwortet diese Flüchtlingspolitik?Ein Lokalaugenschein

sind sie Almosenempfänger, deren Selbstwertgefühl von Tag zu Tag sinkt. Sie kommen sich nutzlos vor. Sie

sind nach wie vor traumatisiert. Von den Erleb-nissen zu Hause, von der Flucht, die im Schnitt zwei bis drei Monate gedauert und rund 10 000 Dollar gekostet hat. Sie bräuchten psychologische Betreuung.

Österreich lässt Flüchtlinge ins Land – und hat kein Konzept, was dann passiert. Man lässt die Leute weitgehend alleine, ohne ihnen

eine Perspektive zu bieten.

PARADIES ÖSTERREICH?Die meisten Flüchtlinge haben ein völlig falsches Bild von Österreich. Viele sind enttäuscht und sagen: „Wenn ich das vorher gewusst hätte, wäre ich nicht geflüch-tet!“ Die Informationen über das vermeintliche Para-dies haben die meisten vom Hörensagen bekommen. „Uns wurde viel versprochen, jetzt ist alles anders“, sa-gen sie. Von wem versprochen? „Ich habe einen Freund, der hat einen Freund und der hat erzählt...“; so die Ant-wort.

WO SIND FRAUEN UND KINDER?„Wie kann man Frauen und Kinder daheim zurücklas-sen, das ist doch unverantwortlich!“, sagen jene, die keine Ahnung haben. Die meisten Familien haben die 10 000 Dollar zusammengekratzt, um den „Robustes-ten, Stärksten“ auf die gefährliche Flucht zu schicken. Wer würde zwei bis drei Monate Flucht Frauen mit Kin-dern zumuten? „Wir schliefen im Wald, gingen zu Fuß in der Nacht, fuhren mit Lastwagen, fuhren mit Autos mit verdunkelten Scheiben, wir wussten nie genau, wo wir waren“, erzählen sie. „Ich sah drei Freunde, wie sie ertrunken sind, weil unser Boot kenterte und sie nicht gerettet wurden“, sagt einer mit Tränen in den Augen. Und auch er hofft wie viele andere, endlich seine Auf-enthaltsgenehmigung zu bekommen, denn der größte Wunsch ist, seine Familie nach Österreich zu holen. Vo-raussetzungen sind wohl ausreichende Deutschkennt-nisse und ein Job. Was tun die offiziellen Stellen, die Politik? Natürlich ist mit Flüchtlingen keine Wahl zu gewinnen... Und 2015 sind in vielen Bundesländern Gemeinderats- und Land-tagswahlen...

Gerd Rabe

Dieser Artikel ermört sich über vieles, worüber sich die Gschichtldruckerei auch empört. Er stellt jedoch eine Privatmeinung dar und spiegelt nicht die der Redaktion wieder.

Es ist unsere Aufgabe, daran zu erinnern, dass der Mensch

nicht nur existiert, um verwaltet zu werden, und dass die

Zerstörungen in unserer Welt nicht nur äußerer Art sind

Heinrich Böll

Scheisst‘s eich net an!Ein Plädoyer gegen die Alltagsängstlichkeit

Die Wiener Lieder-macher Christoph und Lollo haben in ihrem „Islamlied“ die Paranoia vor dem Unbekannten auf den Punkt ge-bracht: Es ist genau das gleiche, heißt aber anders.

Freitag, 10.4.2015 gegen 20.00 Uhr in einer Wiener U-Bahn. Zwei Burschen überkleben den Netzplan über einer Tür mit einem Sticker. Ein Mann spricht sie an und bemerkt, dass er das nicht in Ordnung findet. Zuerst er-gibt sich ein kurzes Gespräch, dann wird einer der Ju-gendlichen ausfällig. Der Erwachsene steigt aus. Der Bur-sche zu seinem Kollegen: „Scheiß Schwuchtel, oh Mann!“ Nachdem die Burschen noch einen Sticker angebracht haben, steigen auch sie aus. Was in der U-Bahngarnitur zurückbleibt ist der Slogan: „Wehr dich, es ist dein Land!“ und das Logo der Identitären Bewegung.

Das ist nur eine der vielen Anekdoten, die über Frem-denfeindlichkeit im Alltag und antimuslimischen Ras-sismus erzählt werden können. Ich habe in dieser Si-tuation kurz überlegt, wie ich eingreifen hätte können, was meine Argumente gewesen wären, was ich den Heimattümlern und Heimatmädeln entgegen halten kann. Die Antwort ist leider kurz und knapp: gar nichts.Fremdenfeindlichkeit und Alltagsrassismus sind kom-plexe Phänomene, die viel mit unserer Vergangenheit und in der aktuellen Ausformung auch viel mit dem überkommenen Konzept der Nationalstaatlichkeit zu

tun haben. Im Kern sind sie aber recht klar auf eine destruktive Lebensphilosophie zurückzuführen, die ich nicht teilen kann, weil sie Grenzen zieht und die Lebensweise anderer bewertet. Und das ist es auch, was mich immer wieder zutiefst erschüttert, wenn ich über „Ausländer-raus-Postings“ stolpere oder Hasstira-den in den öffentlichen Verkehrsmitteln überhöre: Die grundsätzliche und radikale Entgegengesetztheit zu einer positiven und lebensbejahenden Grundhaltung. Wer seine Sätze mit: „Ich hab‘ ja nichts gegen Ausländer, aber ...“ beginnt, hat eigentlich schon verloren, weil das „aber“ tückisch und verräterisch ist. Es spricht von der eigenen Angst, Unsicherheit, Hoffnungslosigkeit, von Neid und Scham. Ich kann oft nicht anders, als betrübt zu sein, über die Ängstlichkeit, die sich bis in die letz-ten Winkel unserer Gesellschaft schleicht und uns vor den Anderen, dem Unbekannten zurückschrecken lässt. Wer keine Utopie hat, hat immer noch die Anderen um ang‘fressen zu sein.

In diesem Sinne: Scheißt‘s eich net an!

Johannes Ruppacher

Es gibt keine Grenzen. Nicht für den Gedanken, nicht für Gefühle. Die Angst setzt die Grenzen.

Ingmar Bergman

IslamlIedFrüher hatt‘ ich Angst vor Ausländern ich geb‘ es ungern zu.Meine damalige Haltung lässt mir heute keine Ruh‘.Auch die Schwulen und die Juden haben mir viel Angst gemacht,doch jetzt hab ich meine Vorurteile überdacht.Weil man muss ja schließlich mit der Zeit gehenund man passt sich gern einschen an,und mit der Zeit hab auch ich es eingesehenwovor man sich heut fürchten kann.

Ich hab jetzt Angst vor dem Islam,ich hab so Angst vor dem Islam,ich sag es völlig frei von Reue oder Scham.Weil ich bin kein Rassist,nein, nein, das darf mir niemand sagen.Ich hab nur furchtbar Angst vor dem Islam.(Ja, er hat nur furchtbar Angst vor dem Islam)

Weil man hört die unterdrücken ihre Frauenund fangen manchmal Kriege an.Sowas würden wir Christen uns nie trauenwir aus dem Westen haben sowas nie getan.Ein paar von denen haben voll die Härteund glauben echt an ihre Religion.Und sie tragen dazu seltsame Bärte

wenn ich dran denke dann fürchte ich mich schon.Weil ich hab Angst vor dem Islam,ich hab so Angst vor dem Islam,vor den Moscheen und dem ganzen Kram.Vor Minaretten, Ramadan und dem Gejodel vom ImamJa, ich hab ganz schrecklich Angst vor dem Islam(Ja, er hat ganz schrecklich Angst vor dem Islam)

Ich kenn auch selbst ein paar Mohammedaner,die wohnen neben mir im selben Haus.Da trägt der Mann den ganzen Tag Pyjamaund die Frau schaut wie ein Ninja aus.Weil diese bösen muslimischen Despotenwollen dass Verhüllung für die Frauen verpflichtend ist.Wenn‘s nach mir ging wär‘ den Weibern das verboten,weil ich bin schließlich Feminist.

Und ich hab Angst vor dem Islam,ich hab so Angst vor dem Islam,und i zitter und i bibber und i waan.Wenn ich a Frau mit einem Kopftuch seh‘dann wird mir angst und bang.Weil ich hab ganz schrecklich Angst vor dem IslamJa, ich hab Angst vor dem Islam(Er hat so Angst vor dem Islam und er scheißt sich zum Kragen an)Vor lauter Furcht zaht‘s mir das Oaschloch auseinand und wieder zammWeil ich hab so furchtbar Angst vor dem Islam(Ja, er hat so furchtbar Angst vor dem Islam)Oh ja, ich hab so schrecklich Angstvor dem Isla-a-a-am

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Handeln und HelfenÜber Zivilcourage und zivile Arschlöcher

Wettbewerbsfähig bleiben, um nicht an den Rand ab-zurutschen. Angst, überlaufen zu werden. Feindbil-der. Wahlkampfslogans: Wir beschützen die Unseren vor den Anderen. Rassismus überall. Asyldebatten da und dort. Die europäischen Staaten schieben sich die Flüchtlingsströme gegenseitig zu, aber eigentlich will ‚sie‘ niemand haben.

Vor lauter Wohltäterschaft verlieren sie das Ganze aus dem Blick, vor lauter Almosen

den Klassenkampf.

Zum Glück gibt es mutige Menschen, die handeln. Es gibt aber auch die ‚guten‘ Menschen, die sich der ‚ar-men‘ Menschen erbarmen. Ihnen - ohne es böse zu meinen - mit ihrer herablassenden Weise die Würde nehmen und dabei besonders auf politisch korrekte Sprache achten. Menschen geilen sich am Helfen auf – helper´s high - und interessieren sich gleichzeitig nicht dafür, wie aus Menschen Opfer werden. Naive Gutmen-schen. Oberflächliches Pflasterkleben. Einzelschicksale. Ich hab sie satt. Sie ekeln mich an!

Vor lauter Wohltäter_innenschaft verlieren sie das Gan-ze aus dem Blick, vor lauter Almosen den Klassenkampf.

Bitte versteh mich jetzt nicht falsch. Ich möchte nie-mandem unterstellen, ein naiver Gutmensch zu sein. Zi-vilcourage ist absolut notwendig. Zivilcourage allein ist aber zu wenig. Die notwendige Auseinandersetzung mit den strukturellen Ursachen der Probleme ist nicht blu-mig. Plötzlich wird es politisch. Es geht um Themen wie neokoloniale Ausbeutung, Wirtschafts- und Geldpolitik, basisdemokratische Partizipationsformen, internatio-nale Solidaritätsbewegungen, Verteilungskämpfe und zivilen Ungehorsam. Mitunter führt der Weg von der etablierten politischen Mitte weg, das kann unbequem sein. Diesen Weg aus Bequemlichkeit nicht zu gehen, den ‚Kopf in den Sand‘ zu stecken, ist fatal.

Ich wünsche mir gemeinsam gegen die strukturellen Ursachen von Rassismus, Flucht, Not und Ausgrenzung zu kämpfen, damit eines Tages Zivilcourage nicht mehr notwendig ist. Damit kein Mensch mehr auf herablas-sende, samaritanische Gesten angewiesen ist. Damit alle Menschen Menschen sind.

Lukas Rachbauer

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Teil der Berliner Mauer

KreaktivRaum zum Zündeln und Umsetzen - Protest ist der erste Schritt zur Veränderung. Deswegen sollen hier Protestformen und öffentliche Aktionen vorgestellt werden, die besonders krea(k)tiv sind.

Wandel durch HandelnElse Pannek

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In einem Klassenzimmer im Gymnasium in der Rahl-gasse läutet ein Handy. Nur kurz. Dann wird es abgedreht. Das ist so im Schulvertrag vorgeschrieben: keine Han-dys im Unterricht, so wie in jeder anderen Klasse eben auch. Aber anders als in den übrigen Klassen des Gym-nasiums beginnt hier der Unterricht meist erst um zwei Uhr nachmittags. Und anders als die restlichen Schü-ler_innen, kommen die meisten Jugendlichen aus die-ser Klasse aus Afghanistan oder Somalia. Sie alle haben eine Gemeinsamkeit. Denn Österreich wurde nur durch einen ganz bestimmten Umstand zu ihrem neuen Le-bensraum: ihrer Flucht.

„Flucht ist ein massiver Einschnitt in die Biografie ei-nes Menschen“, sagt Benjamin Herr. Der Soziologie-student arbeitet bei der Organisation PROSA – Projekt Schule für alle – eine Initiative, die junge Flüchtlinge, denen oft der reguläre Schulzugang erschwert wird, extern auf den Pflichtschulabschluss vorbereitet. Denn in zahlreichen Fällen herrscht ein sogenannter „Bil-dungsadministrativer Ausschluss“: Asylbewerber_in-nen werden aufgrund ihres Alters vom Pflichtschul-betrieb ausgeschlossen. Das sind alle Menschen über 15 Jahre. Deutschkurse gäbe es zwar immer wieder, aber diese würden keine Basisbildungskurse ersetzen, sagt Benjamin Herr. Und Basisbildung, also neun Jahre Schulpflicht und vor allem ein dementsprechender Ab-

schluss, ist Voraussetzung für jede Lehre und auch jede andere Ausbildung.

Enorm viele Schulen stehen am Nachmittag leer. Raum, der problemlos genutzt werden könnte.

PROSA gibt es seit Oktober 2012. Nur zehn Prozent al-ler jungen Menschen, die sich ursprünglich beworben haben, können die Schule im Augenblick in Anspruch nehmen: 85 Schüler_innen. „Da sieht man wieder, wie groß der Bedarf eigentlich wäre“, sagt Benjamin Herr. Deshalb gibt es auch Aufnahmetests, wie Lese- und Hörverständnis. Neben der Altersgrenze von etwa 25 Jahren, stellt auch die Alphabetisierung eine Anforder- ung für die Aufnahme in den Schulbetrieb von PRO-SA dar. Leider müsse es hier Beschränkungen geben, schlicht aufgrund von Ressourcenmangel. Gäbe es hier-für eine staatliche Lösung, müssten nicht so viele jun-ge Menschen abgewiesen werden, sagt Benjamin Herr. Platz gäbe es nämlich genügend: Enorm viele Schulen stehen an den Nachmittagen beinahe leer - Raum, der problemlos weiterverwendet werden könnte. PROSA nutzt diese Klassenräume in zwei Wiener Schulen: in der Rahlgasse und in der Brunnerstraße. Fo

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Schule für (fast) alleWo der Staat zu kurz greift, werden soziale Initiativen heute oft privat organisiert.

Doch vor allem an finanziellen Mitteln fehlt es dem Projekt am meisten. „Wie das bei so vielen sozialen Einrichtungen eben ist“, sagt der 23-Jähige. Ein großes finanzielles Problem sind etwa die Anfahrtswege der Schüler_innen. Mit einer Mindestsicherung von 40 Euro im Monat bedeutet der Erwerb eines Einzelfahrtickets für Asylbewerber_innen einen enorm großen Kosten-aufwand und ist quasi nicht finanzierbar. PROSA über-nimmt zwar die Fahrtkosten für ihre Schüler_innen mit einer geringen Vergünstigung der Tickets, eine ausrei-chende Lösung, wie etwa die Jugendtickets für Schüler_innen und Lehrlinge, ist bis heute aber nicht gefunden. Das ist ein Kostenpunkt, der in der Initiative jeden Mo-nat erneut enorme Summen verschlingt. Jede_r kann PROSA dabei etwa durch monatliche Beiträge helfen. Auch sogenannte Mikro-Spenden ab einem Euro sind erwünscht. Aber auch direkt gibt es die Möglichkeit bei PROSA mitzuhelfen, etwa durch Nachhilfetätigkeiten.

Was PROSA auch von regulären Klassen unterscheidet: ihr Bewusstsein für die

Situation der Schüler_innen.

Am Mittwoch nach den Osterferien sitzen im Klassen-zimmer der Rahlgasse an die 30 Schüler_innen. Weniger als zehn davon sind Frauen. „Das ist leider ein Problem bei PROSA“, sagt Benjamin Herr, „dass es einen eindeu-tigen Männerüberschuss gibt. Wir nehmen daher auch während dem Semester Bewerberinnen auf.“ Im Unter-richtsplan gibt es dafür sogar den sogenannten Gender-raum: Ein Bereich, in dem sich die Schüler_innen nach Geschlecht zusammenfinden. Diskutiert werden dann Themen wie Homosexualität und Selbstbewusstsein. Was PROSA auch von regulären Klassen unterscheidet, ist ihr Bewusstsein für die aktuelle und vergangene Si-tuation ihrer Schüler_innen. Junge Flüchtlinge, die noch ins schulpflichtige Alter fallen und damit eine staatliche Klasse besuchen dürfen, haben neben dem Monolingu-alismus an Österreichs Schulen auch mit den persön-lichen Traumata ihrer Flucht zu kämpfen. Psychologi-sche Betreuung fehlt meistens. Bei PROSA gibt es zwei Sozialarbeiterinnen, die versuchen, sich genau um die-se Thematik zu kümmern, aber auch um jene Probleme, die im Alltag der Geflüchteten entstehen können. Zwei Sozialarbeiterinnen für über 80 junge Asylbeweber_in-nen. „Ein ziemlich tougher Job“, findet Benjamin Herr.

Die Organisation PROSA ist eines von vielen Projekten der Bildungsinitiative Österreichs. Ein anderes Projekt etwa ist „Flüchtlinge Willkommen“, der österreichische Ableger der gleichnamigen deutschen Initiative, der

mit Anfang dieses Jahres gegründet wurde. Die Initia-tive soll helfen, die prekäre Wohnungslage geflüchteter Menschen zu verbessern und diese damit gleichzeitig als Teil der österreichischen Gesellschaft verstanden zu wissen. Das funktioniert so: Gibt es ein leeres Zimmer

in einer WG oder einer anderen Wohnsituation, besteht die Möglichkeit, diese auf der Plattform „Willkommen Flüchtlinge“ registrieren zu lassen. Die Initiative ver-mittelt dann geflüchtete Menschen, die als Mitbewoh-ner_innen in die WG einziehen können. Nebenbei hilft das Projekt auch bei finanziellen Fördermöglichkeiten, die wie bei PROSA oft auf Mikro-Spenden durch Crowd-funding basieren, und bei der rechtlichen Umsetzung. Bisher wurden fünf geflüchtete Menschen in Wien, Salzburg und Eisenstadt vermittelt.

Im Klassenzimmer am Mittwoch nach den Ferien wer-den gerade die Unterrichtsfächer besprochen und er-klärt: Deutsch, Mathematik, Englisch, Politik und Recht, Natur und Technik, aber auch Farsi, Darsi oder Arabisch als Erstsprachen können gewählt werden. Außerdem ist Berufsorientierung ein Gegenstand der PROSA-Klas-sen. Manchmal gibt es noch Verständigungsschwierig-keiten, deshalb fragt die zuständige Lehrerin besser nach: „Wissen alle was Beruf bedeutet?“ „Ja klar, Scho-kolade“, lautet die Antwort eines Schülers. Alle lachen. Wie in jeder anderen Klasse eben auch.

Anne Schinko

Als sich die Autorin am Nachmittag in einem Café mit ihrem Gesprächspartner Benjamin Herr von PROSA traf, stellten die beiden fest, dass der Konsum ihrer Getränke bereits über 1/8 der Mindestsicherung von Asylbewer-ber_innen in Anspruch genommen hat.

Im PROSA Klassenzimmer

„Für jede Seele sind einander folgende [Engel] vor und hinter ihr, um sie auf Allahs Geheiß zu beschützen. Allah ändert nicht den Zustand eines Volkes, bis sie das ändern, was in ihnen selbst ist. Und wenn Allah einem Volk Böses will, so kann es nicht zurückgewiesen werden. Und sie ha-ben außer Ihm keinen Schutzherrn.“Qur‘an, Sure Al-anfal, Vers 53

Verantwortung zu übernehmen für die Gesellschaft, in der sie leben, ist für Muslim_innen elementar. Die Ver-abschiedung des Islamgesetzes mag zwar auf den ers-ten Blick lediglich die Gemeinschaft der Muslim_innen betreffen, bei genauerem Hinschauen offenbart sich jedoch die demokratiepolitische Bedrohung für die ge-samte Gesellschaft: das Überstülpen einer von der mus-limischen Basis nicht gewollten „Staatskirche“ und die Zerstörung der Selbstorganisation der muslimischen Gemeinde in Vereinen ist ein Problem, das, wenn ihm nicht von Anfang an begegnet wird, Schule machen kann und sich in andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens auszubreiten droht.

Die Verabschiedung des Islamgesetzes offenbart sich als demokratiepolitische Bedrohung für die

gesamte Gesellschaft

Der Protest gegen das Islamgesetz ist ein vielschichti-ger, mit verschiedenen Facetten und Stoßrichtungen. Entsprechend bedienen wir uns verschiedener Mög-lichkeiten, um diesen Anforderungen gerecht zu wer-den. Es erscheint uns wichtig, nicht nur die muslimische Community aufzuklären und zu mobilisieren, sondern

auch die Gesamtgesellschaft einzubinden, denn im Zeit-alter der Totalisierung des Staates werden Grundrechte schleichend ausgehöhlt, was anscheinend am besten mit einer prototypischen Beschneidung der Rechte ei-ner Minderheit umgesetzt werden kann. Und die Ge-samtgesellschaft kann nur sensibilisiert werden, wenn der Deckmantel des antimuslimischen Rassismus, un-ter dessen Schutz die Politik ihre Pläne vorantreibt, he-runtergerissen und durch ein anderes, positives Narra-tiv ersetzt wird: denn der Islam bezweckt die Befreiung des Menschen vom Dienst an falschen Göttern.

(...) denn im Zeitalter der Totalisierung des Staates werden Grundrechte schleichend ausgehöhlt, was anscheinend am besten mit einer prototypischen

Beschneidung der Rechte einer Minderheit umgesetzt werden kann.

Konkret haben wir seit Oktober 2014 alle demokrati-schen Mittel des Widerstands genutzt, von der Veröf-fentlichung einer Stellungnahme zum Gesetz auf der Parlamentsseite, über die Unterstützung einer Bürge-rinitiative gegen das Gesetz, ein Hearing, Kontakte zu Parlamentarier_innen und Vertreter_innen der musli-mischen Gemeinde bis hin zu Pressekonferenzen und einer Kundgebung.Im Dezember haben wir ein öffentliches Hearing ver-anstaltet, zu dem wir die Minister für Integrations- und Kultusangelegenheiten eingeladen haben. Nicht nur ha-ben wir damit die Regierung unter Zugzwang gebracht – sie entsandte immerhin wichtige Vertreter aus den

Widerstand gegen Bevormundung Der Dschihad des Netzwerks Muslimische Zivilgesellschaft gegen das Islamgesetz

Ministerien, die öffentlich in die Mangel genommen wurden – wir haben auch bewirkt, dass die muslimi-sche Öffentlichkeit, die bis dato uninformiert war, einen Zugang zum Thema Islamgesetz bekommen hat.

Der Islam bezweckt die Befreiung des Menschen vom Dienst an falschen Göttern.

In weiterer Folge haben wir am 24. Februar eine Pres-sekonferenz mit nachfolgender Kundgebung vor dem Parlament veranstaltet. Wiewohl wir auf verlorenem Posten standen, haben wir im Rahmen dieser Protest-aktion insbesondere einen wichtigen Punkt als Teil un-serer weiteren Strategie herausgearbeitet: Wir haben die Problematik der Einschränkung der Organisations-freiheit hervorgehoben und angekündigt, dass wir das auch juristisch thematisieren werden. Hier erhoffen wir uns Zuspruch und Unterstützung von verschiede-nen Teilen der Gesellschaft. Denn wie kann ein Staat vorschreiben, dass sich Vereine mit einem bestimmten Inhalt anderen Organisationen unterzuordnen haben – mit Eingriffsmöglichkeiten für die Regierung?

Wir sind dabei, uns weiter zu vernetzen, sowohl innermuslimisch als auch gesamtgesellschaftlich.

Vor dem Hintergrund der Diskussion um Auslandsfi-nanzierung ist dieses eminent wichtige Thema immer noch viel zu wenig angesprochen worden: Wir sind aber dabei, uns weiter zu vernetzen, sowohl innermus-limisch als auch gesamtgesellschaftlich.Deswegen beteiligen wir uns an der Organisation ei-nes Nachbarschaftsfests zusammen mit der Initiative Anticapitalista, welches die Grenzen in den Köpfen der Menschen überwinden helfen soll. Weiteren Aktionen stehen wir offen gegenüber. Denn wenn dies auch oft nicht klar ist: Muslim_innen sind für soziale Gerechtig-keit, aber gegen jede Ausbeutung, Muslim_innen sind für das Bleiberecht für alle, aber gegen jede Form von Rassismus, Muslim_innen stehen für die Würde des Menschen ein, sie erheben sich jedoch gegen jede Form der Entmündigung.

Murat Gürol

Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft(1) http://www.dieanderen.net(2) https://www.facebook.com/NetzwerkMZ(3) twitter: @dieanderen.net(4) https://www.youtube.com/user/dieanderenNet

Bildlizenz: dieanderen.net

Fotos

: diea

ndere

n.net

Kundgebung des Netzwerk Muslimische Zivilgesellschaft am 24. Februar 2015

11. Oktober 2013: Mehrfach rufen Flüchtlinge auf ei-nem sinkenden Boot per Satellitentelefon die italieni-sche Küstenwache an und bitten um dringende Hilfe. Doch ihr SOS wird nicht ernst genommen. Über 400 Menschen befinden sich auf dem Boot, das in der Nacht zuvor von einem libyschen Schiff beschossen wurde. Obwohl zunächst die italienischen und später auch die maltesischen Behörden von der unmittelbaren Gefähr-dung der Passagiere informiert sind, verzögern sich die Rettungsmaßnahmen um mehrere Stunden. Patrouil-lenschiffe erreichen die Unglücksstelle, nachdem das Boot bereits eine Stunde gesunken war. Mehr als 200 Menschen sterben, nur 212 werden gerettet.Was wäre passiert, wenn die Boatpeople einen zwei-ten Notruf an eine unabhängige Hotline hätten richten können? Wenn ein Team von zivilgesellschaftlichen Akteur_innen sofort Alarm geschlagen und Druck zur Rettung auf die Behörden ausgeübt hätte?

DIE GRÜNDUNG DES ALARM PHONESAm 10. Oktober 2014 gelang es nun tatsächlich, in en-ger Kooperation mit dem Monitoring-Projekt Watch The Med ein alternatives Alarmtelefon zu gründen. Das ambitionierte Projekt startete mit einem öffentlichen Aufruf, der von vielen Netzwerken und Gruppen sowie zum Teil auch prominenten Einzelpersonen unterstützt wurde. In mittlerweile über 20 Fällen hat das Alarm-phone in Fällen von Seenot interveniert und in mehre-ren Situationen dazu beigetragen, dass Rettungseinsät-ze veranlasst wurden (1). Es wurden zudem Kontakte und Kooperationen mit Gruppen und Einzelpersonen entwickelt, die schon seit vielen Jahren eine ähnliche Arbeit mittels Notrufnummern leisten und sich für Recht, Schutz und Bewegungsfreiheit der Flüchtlinge und Migrant_innen auf See einsetzen.Das Alarm Phone ist rund um die Uhr besetzt, mit ei-nem multilingualen Team in Bereitschaft, getragen von Menschenrechtsaktivist_innen von beiderseits des Mittelmeeres. Rufen Migrant_innen in Seenot die-se Nummer, verständigen die Aktivist_innen die Küs-tenwachen, verfolgen ihre Handlungen und machen deutlich, dass sie informiert sind und sie beobachten. Sollten die Küstenwachen nicht reagieren, bauen sie allen erdenklichen politischen und öffentlichen Druck

auf, um sie dazu zu zwingen, zu handeln. Die Aktivist_innen alarmieren Schiffskapitäne in der Nähe des Un-glücksortes wie auch internationale Journalist_innen. Sie informieren engagierte Würdenträger_innen aller Konfessionen und prominente Unterstützer_innen. Das WatchTheMed-Alarm Phone nützt die kritische Netzöf-fentlichkeit für Just-in-Time-Kampagnen und ruft alle auf, sich an der Entwicklung weiterer kreativer Inter-ventionsformen zu beteiligen.

KONKRETES BEISPIEL FÜR DAS WATCHTHEMED-ALARM PHONEAm Vormittag des 8. Jänner 2015 erreichte ein Anruf des Sattelitentelefons aus dem zentralen Mittelmeer die WatchTheMed-Hotline: 107 Bootsflüchtlinge, die in einem Schlauchboot aus Libyen Richtung Italien gestar-tet waren, baten um Hilfe aus Seenot und konnten ihre GPS-Koordinaten durchgeben. Sie befanden sich noch in der libyschen Search- and Rescue Zone, also dort, wo in den vergangenen Monaten immer wieder Boatpeo-ple ertrunken waren. Das Schichtteam rief sofort die Rettungsleitstelle in Rom an, gab die Daten durch und bat um einen zügigen Rettungseinsatz. Der dortige Ver-antwortliche verwies zunächst auf die libysche Küsten-wache und verweigerte weitere Informationen. Es dau-erte bis in den späten Abend und es bedurfte mehrerer nachhakender Anrufe sowie dutzender Protestemails an die italienische Küstenwache, bis die Rettung des Bootes schließlich bestätigt wurde. Einige Tage später stellte sich heraus, dass ein eritreischer Flüchtling auf dem Boot die Alarmnummer von WatchTheMed zuvor in Libyen von einem Verwandten in Deutschland erhal-ten und mitgenommen hatte. Er hatte auf dem Boot ver-anlasst, diese Nummer anzurufen.Der Fall des 08.01.2015 (2) ist hochaktuell und exem-plarisch in mehrfacher Hinsicht. Denn zur Zeit gibt es einen internen Machtkampf um die Reichweite der Rettungsoperationen im zentralen Mittelmeer. Auf der einen Seite drängt die Grenzschutzagentur Frontex mit Nachdruck darauf, die Einsätze auf die 30 Meilen-zone entlang der italienischen Küste zu beschränken. Angesichts der bestehenden Situation ist dies faktisch ein Aufruf zum Sterbenlassen. Hätte sich die Leitstelle in Rom im obengenannten Fall an die Frontex-Vorga-

Seit sieben Monaten rund um die Uhr erreichbar: WatchTheMedDas Alarm Phone gegen das Sterbenlassen auf See

be gehalten, wären die 107 Flüchtlinge mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr am Leben. Doch innerhalb der italienischen Küstenwache sowie des Militärs gibt es auch Kräfte, die aus den Dramen der vergangenen Mo-nate und Jahre gelernt haben und im gesamten Mittel-meerbereich der Straße von Sizilien Rettungseinsätze durchführen wollen. In diesem Machtkampf ist es umso wichtiger, dass eine potentiell öffentliche Stimme wie das WatchTheMed-Alarm Phone zugunsten der betrof-fenen Bootsflüchtlinge intervenieren kann, und zwar in Echtzeit wie am 8.1.2015.Als alltägliche Unterstützungsstruktur soll das Alarm Phone in den nächsten Jahren weiter etabliert und in den Migrant_innencommunities in den Transitländern besser bekannt gemacht werden. So reiste beispiels-weise der in Holland lebende Aktivist und Autor Em-manuel Mbolela (4), der bei seiner Migration vom Kon-go nach Europa vier Jahre in Marokko blockiert war und dort eine Organisation der Sans Papiers gründete, mehrmals zurück nach Marokko, um die migrantischen Communities über die Existenz des Alarm Phones zu informieren.

MIT DEM ALARM PHONE GEGEN DAS EUROPÄISCHE GRENZREGIME Symbolischer Protest und alltäglicher Widerstand atta-ckieren auf unterschiedlichen Ebenen die herrschende Flüchtlings- und Migrationspolitik. Sie spiegeln wieder, was das gesamte Jahr 2014 geprägt hat: die inneren wie äußeren Grenzen der EU sind umkämpfter denn je, die sozialen und politischen Kämpfe der Migrationsbewe-gungen haben sich enorm verdichtet. Das Projekt des Alarm Phone versteht sich als ein kleiner weiterer Bau-stein in diesem vielfältigen Widerstand für das Recht auf globale Bewegungsfreiheit. Kontakt für Beteiligung und Spenden: Dieter Alexander Behr – [email protected]

Dieter Behr

Anmerkungen(1) siehe Zwischenbericht: http://www.watchthemed.net/media/uploads/page/12/WTM-Inte-rim-Report-AlarmPhone.pdf(2) siehe http://watchthemed.net/reports/view/93(3) siehe http://watchthemed.net/reports/view/32(4) Emmanuel Mbolela „Mein Weg vom Kongo nach Europa – zwischen Widerstand, Flucht und Exil“ Mandelbaum Verlag, 2014

Verkehrte Welt: Von der sicheren Burg Afrika blicken sie auf Europas Politiker in Seenot herab.

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Liebe: Links außen. Liebe zur Kunst ist für alle da. Am queeren Rand braut sich was zsamm. Unsere Waffe heißt Subversion. Die Revolution findet zwischen die-sen Schenkeln, zwischen den Sternchen und in den Gaps statt.

Wem gehört die Stadt?

Unser Kollektiv ist eine offene Gruppe, welche Raum bietet, sich mit anderen Menschen unterschiedliche Praxen rund um Street Art anzueignen – neben Stencils, Siebdrucken, Paste up, Comics und Zines ganz beson-ders Graffiti! Intern ist das Kollektiv offen für FLIT*, dh. Frauen, Lesben, Intersexuelle, Transfrauen-weiblich-keiten und Transmänner-männlichkeiten, sowie Gen-der-Queer identifizierte Personen. Das Kollektiv hat den Anspruch, einen möglichst solidarischen, respekt-vollen und antihierarchischen Raum zu schaffen.Wem gehört die Stadt? Wer entscheidet, wie unsere alltägliche Welt aussieht? Wir möchten unsere Stimme auf den Straßen sichtbar machen, öffentliche Räume zurückerobern, uns einen Platz im Alltagsbewusstsein der Stadt und ihren Mauern schaffen. Wir finden: Unse-re Umgebung soll von den Menschen gestaltet werden, für die sie ein Zuhause ist. Wir arbeiten ausschließlich an legalen Wänden.Raumaneignung bedeutet linke/ queere/ feministische Sichtbarmachung und Empowerment von Marginali-

sierten. Raumaneignung ist insofern nötig, als dass die Street Art Szene ein vor allem von Cis-Männern (Män-ner, deren bei der Geburt zugewiesenes Geschlecht ih-rem gewünschten Identitätsgeschlecht entspricht) do-minierter Raum ist.

Wir schaffen Zugänge und Ressourcen, sich in einer vertrauensvollen Atmosphäre Skillz anzueignen und

sich mit anderen zu vernetzen.

Niederschwelligkeit ist geboten. Wir schaffen Zugänge und Ressourcen, sich in einer vertrauensvollen Atmo-sphäre Skillz anzueignen und sich mit anderen zu ver-netzen. Wir haben genderspezifische und unbeschränk-te Veranstaltungen. Unsere Zielgruppe sind besonders Jugendliche, FLIT*s, Betroffene von Mehrfachdiskrimi-nierungen und Ausschlussmechanismen entlang der Achsen gender, sexual orientation, class, race. Wir sind bemüht Handlungsstrategien gegenüber Diskriminie-rung in Gestalt von Sexismus, Homophobie, Transpho-bie, Rassismus und damit zusammenhängender Gewalt mit unserem Publikum zu erarbeiten. Unsere Work-shops sollen weiters dazu dienen, Normalzustände zu hinterfragen: Heteronormativität, Rollenzuschreibun-gen, sexuelle Belästigung und deren kapitalismuslogi-sche Depolitisierung. Der Plan ist, kritische Diskurse zu eröffnen.

Feministisches Street Art Kollektiv Wien Utopisch heterotopischer Feminist*innenbund gä*ndert eine Stadt mit Farbenfrohheit

Wir spannen ein Netzwerk zwischen politischen Or-ganisationen, Kunst-Kultur-Vereinen, Kost-Nix-Läden, sozialen Einrichtungen und diverse Kooperationen, die Potential haben, die Lebensrealitäten Marginalisierter kreativ zu kommunizieren und zu politisieren.

PROJEKTE, DIE WIR SEIT UNSERER BESTEHUNG BEREITS VERWIRKLICHEN KONNTEN:• Street Art Workshops für FLIT* 08.09.2014• Stencil Art Workshop mit Romano Centro im Kon-

text der Jugendkonferenz für Roma/Sinti Akti-vist*innen Dezember 2014

• Feministische Comic Aktionstage 17 - 18.01.2015 ‘open to all genders’

• Vortrag für die Sozialistische Jugend „Graffiti und Street Art“, 16.02.2015

• Stencil Art Workshop in Zusammenarbeit mit Kost-Nix-Laden „Wir sind Nebenan“, 14.0.2015

UPCOMING:• Zine Projekttag: open to all genders, 12. Juni: In ei-

nem kollektiven Prozess wird ein Zine zum Thema (Mehrfach-)Diskriminierung im öffentlichen Raum erarbeitet

• Wasserweltfest: interkulturelles Fest für Toleranz im 15. Bezirk, Workshop: 12. Juni 2015, 15-18 Uhr

IN PLANUNG:• mit Jugendarbeitsträger JUVIVO, u.a. Gestaltung

vom Dingelstedtpark und Unterführungsgestal-tung in Workshops mit Schüler*innen

• Workshop mit Mädchencafé „peppa“• Lauf für „Freiraum Initiative Schmelz“, September• Workshops am Donaukanal

Annabell Dettmer

KontaktPrinzipiell ist es jederzeit möglich zum Kollektiv zu stoßen, eigene Projektideen einzubringen, sich zu vernetzen, skills zu teilen oder anzueignen. Unsere Plena und ein monatlicher Stamm-tisch werden über unsere facebook Seite bekannt gegeben.Facebook: Feministisches Street Art Kollektiv : WienE-Mail: femstreetart%[email protected]

Die Bilder sind beim allerersten Workshop im Arne-Carlsson Park entstanden

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Einer der spezifisch ausgeprägten und in unserer Ge-sellschaft immer stärker verbreiteten Rassismen ist der antimuslimische Rassismus. „Antimuslimischer Rassis-mus ist eine Form von Rassismus, die sich gegen Per-sonen richtet, denen aufgrund bestimmter äußerlicher Merkmale die muslimische Religionszugehörigkeit zu-geschrieben wird.“ (ZARA - Beratungsstelle für Opfer und Zeug_innen von Rassismus Report 2014). ZARA hält im Jahresbericht 2014 fest, dass sich die an-timuslimischen Übergriffe im zweiten Halbjahr vergli-chen mit den Vorjahren sogar verdoppelt haben.

DOKUMENTATIONSSTELLE FÜR MUSLIMEIn der muslimischen Community wissen die Personen, dass diese offiziellen Zahlen nur ein Bruchteil der rea-len Zahlen sind. Dokumentiert werden nur wenige Fäl-le. Gründe hierfür sind verschieden: „Es bringt nichts“ bis zu „das ist ja eh noch nicht sooo schlimm“. Das Be-wusstsein der Relevanz der Dokumentierung für zu-künftige gesellschaftliche und politische Maßnahmen fehlt einigen noch. Deshalb wurde im Dezember 2014 die Dokumentationsstelle für Muslime etabliert. Dies ist ein Projekt der Initiative Muslimischer Österreicher_in-nen, in Kooperation mit der Islamischen Glaubensge-meinschaft. Neben Dokumentierung von islamfeindli-chen Phänomenen bietet es Seminare und Workshops an, bei denen Menschen aufgeklärt, sensibilisiert und „empowert“ werden sollen.

RASSISTISCHE PAROLEN UND PFEFFERSPRAYTrotz der relativ kurzen Anlaufzeit der Dokumentati-onsstelle wurden islamfeindliche Erlebnisse verschie-dener Ausmaße gemeldet. Auffällig ist dabei, dass vor allem äußerlich als Muslime ersichtliche kopftuchtra-gende Frauen am meisten betroffen sind. Aussagen wie „Terroristin!“, „Islam ist Scheiße, alles Terroristen“ und „Der Hitler gehört wieder her“ sind einige Beispiele hierfür. Dass verbale Äußerungen nicht harmlos sind, bestätigen die folgenden körperlichen Angriffe. An mehreren Ereignissen wurden die betroffenen Perso-nen angespuckt oder sogar mit einem Spray attackiert. Dabei richteten sich die Angriffe auch auf neben den Frauen stehende Kinder. Auf die Frage, warum das ge-tan wurde, wurde mit einem Nachahmen von Maschi-nengewehr geantwortet. Beschmierte Hauswände mit einem Hakenkreuz und einem Pfeil zum Wort Islam und beschmierte Telefonzellen sind nur einige der Schmierereien an öffentlichen Plätzen. Aus den gemel-deten Berichten ist ersichtlich, dass globale Ereignisse und die mediale Berichterstattung darüber islamfeind-liche Vorfälle auslösen. Die institutionelle Diskriminie-rung an Schulen oder am Arbeitsplatz gehört zu den Ereignissen, die von kopftuchtragenden Frauen und Mädchen immer wieder berichtet, aber aufgrund von schwieriger Beweisbarkeit selten angeklagt wird.

Wie bei anderen Rassismen auch: Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dem antimuslimischen Rassismus entgegenzuwirken. Jegliche Art von Rassismus stört den Frieden in unserer österreichischen Gesellschaft und jede Person trägt die Verantwortung, ein Stück zum Frieden beizutragen. Sei aufmerksam, erwidere jede rassistische Äußerung, greife ein, stoppe die institutionelle Diskriminierung und zeige ZIVILCOURAGE.

Elif Öztürk

Kultur- und Sozialanthropologin, Mitinitiatorin Doku-mentationsstelle für Muslime

Zeig‘ Zivilcourage!Dokumentationsstelle gegen antimuslimischen Rassismus

Antimuslimische Beschmierung

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Dieser umstrittenen Frage haben wir uns bei der letz-ten Podiumsdiskussion gestellt. Gefangen zwischen einem motivationsträchtigen Wunsch und einem einschlägigen Zweifel: Dem Wunsch, die Welt positiv mitzugestalten, zumindest für einige benachteiligte Kinder und Jugendliche. Dem Zweifel daran, dass die Struktur „Volontariat“ dafür überhaupt geeignet ist.

Gefangen zwischen einem motivationsträchtigen Wunsch und einem einschlägigen Zweifel

Der Fokus lag dabei auf einjährigen Freiwilligendiens-ten für benachteiligte Kinder und Jugendliche im Glo-balen Süden. Wir waren sehr froh, folgende Gäste auf dem Podium begrüßen zu dürfen: Reinhard Heiserer, Gründer und Geschäftsführer von Jugend Eine Welt; Simplice Tchoungang, ein Mitbruder der Salesianer Don Boscos und Missionar in Österreich; Jana Herbst und Aljoscha Bökle, beide freiberufliche Trainer_in-nen in der machtkritischen, entwicklungspolitischen Jugend- und Erwachsenenbildung in Freiwilligen-dienstkontexten.Am Beginn des Abends wurde reichhaltig Kritik ge-übt: Aljoscha und Jana kritisierten vor allem den ih-rer Meinung nach zu unreflektierten Umgang vieler Vereine mit der Öffentlichkeitsarbeit und mit der ko-lonialen Vergangenheit Europas. Reinhard antwortete mit einem starken Pragmatismus und forderte mehr praxisorientierte Verbesserungsvorschläge. Simplice betonte immer wieder die wertvolle Arbeit der Vo-lontär_innen selbst. Im Diskussionsverlauf kristalli-

sierten sich am Podiumsherd einige schöne Diaman-ten aus der Asche des Feuers: Ein Volontariat sei in erster Linie ein Lerneinsatz für die Freiwilligen selbst. Die Zusammenarbeit, die eine gemeinsame Weiterent-wicklung anstrebt, komme oft zu kurz. Umso wichti-ger sei es also zu verstehen, dass Freiwillige nicht die Welt ändern, sondern dass es darum geht, gemeinsam einen Weg zu gehen, wie Simplice schön formulierte. Freiwillige können in ihren Herkunftsländern nach dem Einsatz viel bewegen.

Ein Volontariat ist in erster Linie ein Lerneinsatz für die Freiwilligen selbst

Dieser Idee folgend, kam bald die Forderung nach Re-verse Programmen auf, also dass es auch Menschen aus dem Globalen Süden ermöglicht werden sollte, Lerneinsätze in Europa zu machen. Reinhard beton-te allerdings, dass die Politik in Österreich derartig schwierige Rahmenbedingungen setze, welche solche Programme momentan nicht zuließen. Viele Besu-cher_innen verließen die Veranstaltung mit gemisch-ten Gefühlen: da waren einerseits viele betrübende Ungleichheiten, Stolpersteine, ein Hauch von Hand-lungsunfähigkeit – und andererseits Pfade, die ge-meinsam beschritten zu einer Welt mit mehr Gerech-tigkeit und Solidarität führen könnten.Fruchtbare Diskussionen wie diese können Wegwei-ser dafür sein.

Tobias Schlagitweit

Volontariat Bewegt... Aber was?

SINNLICHKEIT UND DEKADENZIn Wien ist viel von der traditionellen, abendländischen Kultur zu spüren. Ein Hauch von okzidentalem Prunk und Dekadenz umweht die prächtigen Paläste, die in Wien zu finden sind. Ihre verspielten Lustgärten zeigen die natürliche Sinnlichkeit der einheimischen Bevölke-rung, die seit vielen Jahren deren Kultur prägt. Auch die Friedhöfe zeugen von diesem Hang zur Dekadenz so-gar in der Bestattungskultur: Verzierte Grabsteine und geschmückte Gräber auf groß angelegten Friedhöfen bestätigen die besonderen Verbindung der Eingebo-renen zu ihren Ahnen. Auch die Verehrung verstorbe-

ner Herrschenden nimmt einen wichtigen Stellenwert in der Kultur dieses Volkes ein. Dies wird besonders deutlich an der pompösen Grabstätte ehemaliger Kai-ser_innen. Interessant ist außerdem, dass es noch heu-te unweit des Stadtzentrums spezielle Orte zur reinen Vergnügung gibt. Das Volk der Wiener_innen entwi-ckelte unterschiedliche technische Konstrukte, die ei-gens dem heiteren Vergnügen (hauptsächlich für die wohlhabendere Bevölkerung) dienen. Das scheinbar bekannteste wird von den Eingeborenen „Riesenrad“ genannt. Ihr Hang zum Genuss zeigt sich auch an der großen Dichte an Gaststätten, die es in der gesamten Stadt gibt. Kaffeehauszeremonien, bei denen auch exo-tische Süßspeisen verspeist werden, finden nicht nur zu festlichen Anlässen statt, sondern werden von gro-ßen Teilen der Bevölkerung regelmäßig inszeniert oder besucht. In wärmeren Saisonen finden Feste auch unter freiem Himmel, z.B. in Weingärten, statt.

Foto Hintergrund: Thomas Lieser flickr.com

/photos/onkel_wart/3379856598 (CC BY-NC-SA 2.0)Foto Kaffeehaus: pfatter flickr.com

/photos/augustsieben/15346667749 (CC BY 2.0)

ABENDLÄNDISCHE MUSIK UND EINE NATÜRLICHE VERBINDUNG ZU TIERENKennzeichnend für die wienerische Kultur ist zudem die Wichtigkeit der abendländischen Musikkunst. Be-sonders faszinierend ist die abendliche Inszenierung von Schauspielen in Verbindung mit traditionellen Ge-sängen. Markant ist auch hier der abendländische Hang zur Übertreibung, in Musik wie bei Requisiten und Räumlichkeiten der Spielstätten. Obwohl diese kultu-rellen Gepflogenheiten eine Abkoppelung zur Natur vermuten lassen, haben einige Bevölkerungsgruppen ihren Bezug zum Natürlichen noch nicht vollends ver-loren. Einige der Eingeborenen scheinen eine besonde-re Beziehung zu Hunden zu pflegen. Sie können auf be-sondere Art und Weise mit ihnen kommunizieren und leben auf engsten Raum gemeinsam.

Abschließend sei gesagt, dass diese Stadt im Abendland viele typisch okzidentale Merkmale aufweist: Sinn-lichkeit, Dekadenz, Genuss und ein Hauch von Mystik. Die Eingeborenen pflegen nach wie vor traditionelle Rituale, die sich mit anderen Bräuchen des Abendlan-des vermischen. Weitere Expeditionen sind geplant, um die Entwicklungen zu verfolgen. Durch gehäuften Kontakt mit dem Osten sind weitere Modernisierungs-schritte zu erwarten, die dem östlichen Vorbild folgen.

Sophia Stanger Typische Stätten des Genusses

Vergnügungsstätte für Eingeborene

Foto: ConstiAB flickr.com/photos/constantingross/15140584512 (CC BY-ND 2.0)

Dreh‘s um! Mach aus Nord Süd, aus Weiß Schwarz, aus Reich Arm und aus Mann Frau. Stell die Welt auf den Kopf und wunde-re dich. Wundere dich, wie das, was „normal“ ist, doch eigentlich ziemlich absurd ist. Denn das Verkehrte zeigt, wie verdreht un-sere Welt ist. Hier wird nichts erklärt, sondern einfach alles um 180° gedreht. Schmunzeln erlaubt, Augenbrauen runzeln auch. Los geht‘s- dreh‘s um - damit wir‘s dann zurechtrücken können.

Sophia Stanger

Exotische Düfte aus traditionellen Kaffeehäusern, prunkvolle Bauten, vibrierende Basarszenen auf Ein-kaufsstraßen und okzidentale Klänge – Das waren un-sere ersten Impressionen, als wir in einer abendländi-schen Stadt, die von den Eingeborenen Wien genannt wird, ankamen. Wir, eine Gruppe Ethnolog_innen, be-reisten die abendländische Stadt, um urbane Organi-sations- und Lebensformen fernwestlicher Völker zu erforschen.

TRADITIONELLE ABER KOMPLEXE POLITISCHE ORGANISATIONWien ist eine über 41.000 ha große Stadt, in der etwa 1,8 Millionen Menschen leben. Schon sehr früh entwi-ckelten die Eingeborenen eine sehr stratifizierte Ge-sellschaftsform, die vermutlich von Einflüssen anderer abendländischer Kulturen geprägt wurde. Noch heute organisiert sich die Stadt äußerst komplex. Sie ist in 23 Stadtteile eingeteilt, die von unterschiedlichen Herr-schern regiert werden, hauptsächlich Männern, was auf eine patriarchal-organisierte Gesellschaft hinweist. Diese Stadtteile sind untereinander vernetzt und unter-stehen einem mächtigeren Gremium, das von einem Pa-triarchen regiert wird, der seit über zwanzig Jahren an der Macht ist. Außerdem ist die Stadt bereits teilweise demokratisiert und alle fünf Jahre haben Eingeborene die Möglichkeit, ihre Vertreter_innen zu wählen. Jedoch dürfen nur bestimmte Bevölkerungsgruppen wählen,

andere werden von den Herr-schern gezielt ausgeschlossen. Das zeigt, dass die Stadt Wien noch mitten in einem Entwicklungs-prozess steckt, traditionelle und primitive politi-sche Organisa-tionsformen zu überwinden. Während der Expedition wurde auch deutlich, dass sich viele Stadtbewohner_in-nen unterschiedlichen Ethnien zugehörig fühlen. Diese besiedeln unterschiedliche Stadtteile und sind auch an ihren jeweiligen Dialekten erkennbar. Durch Land-flucht, ein auch im Abendland verstärkt auftretendes Phänomen, vermischen sich allerdings unterschiedli-che Ethnien zunehmend. Ethnische Grenzen sind den-noch nach wie vor erkennbar. Obwohl sich die Stadt langsam aber doch modernisiert, sind die Unterschiede der einzelnen Stämme nach wie vor deutlich erkennbar. Besonders spürbar ist die Abgrenzung von bestimmten Indigenen zur restlichen Bevölkerung, die erst seit we-nigen Generationen diese Stadt besiedeln. Die Eingebo-renen äußern die Abneigung zu ihnen fremden Stäm-men oft durch Drohgebärden oder primitiv klingende, furchterregende Laute.

Expedition ins Abendland Wien: Eine Stadt voll Dekadenz und Sinnlichkeit, exotischen Klängen und westlichen Düften

Patriarchaler Häuptling

Foto: SPÖ Presse und Komm

unikation flickr.com

/photos/sozialdemokratie/15905696025 (CC BY-SA 2.0)

Mindestens 45 Tote und unzählige Ver-letzte in einer öffent-lichen Einrichtung sind das grausame Ergebnis des Terro-ranschlags, der heu-te früh unser ganzes Land erschüttert hat. Die Regierung hat eine zweitägige Staatstrauer ver-hängt. Überall gibt es

Trauerkundgebungen, vor allem in den Moscheen, wo die Menschen für die Opfer und für Frieden im Land beten, der durch Andersgläubige bedroht wird. Nach aktuellen Meldungen konnte die Poli-zei bereits drei von sechs der Täterinnen fassen. Eine beging noch vor Ort Selbstmord, zwei weitere sind auf der Flucht. Die Motive der Täterinnen sind höchstwahrscheinlich religiös begründet: die ge-fassten Terroristeninnen hatten sowohl Kreuz als auch Bibel bei sich. Eine hatte außerdem auch das buddhistische Dharmachakra-Symbol tätowiert. Es werden Kontakte zu radikalen Terror-Bud-dhisteninnen vermutet. An eine der Hausmauern wurde zudem fol-gender Bibelpsalm gesprüht: „Ach Gott, wolltest du doch die Gottlosen töten! Dass doch die Blutgierigen von mir wichen! „ - Psalm 139,19. Im ganzen Land fürchten die Men-schen nun weitere Anschläge radika-

ler (buddhistischer) Christeninnen. Von vielen wer-den härtere Sicherheitsmaßnahmen gefordert wie auch eine stärkere politische und wirtschaftliche Abkopplung von den christlichen Ländern, speziell dem Abendland. Dieses versuche schon seit Jahr-hunderten unsere islamische Hochkultur zu unter-wandern und durch Missionierende den Glauben an Allah, den Allerbarmer, den Barmherzigen, zu schwächen und an seine Stelle einen dreifaltigen Gott zu setzen. Welch fataler Rückschritt in den Po-lytheismus! Durch moderne Sklaverei und neokolo-niale Ausbeutung seien wir noch immer mit großen Schwierigkeiten konfrontiert. Viele fordern nun ein abruptes Ende dieser Buddhistisierung und Chris-tianisierung unseres islamischen Kulturraumes. Jene, die diesen Standpunkt kritisieren, fürchten durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen und Abschottung eine Entfremdung von islamischen Werten. Sie betonen zudem den Unterschied zwi-schen Angehörigen des Christentums, des Bud-dhismus und radikaler Gruppierungen derselben. Wenn sie in den vergangenen Jahrhunderten auch sehr grausame Kriege geführt hätten, so seien sie doch im Kern sehr friedlich und tolerant. Trotzdem sind sie eine große Gefahr. Menschen muslimi-schen Glaubens sollten sich aber an den Koran

halten: „Wer recht-geleitet ist, der ist es zu seinem ei-genen Besten; und wer irregeht, der geht irre zu seinem Schaden. Und du bist nicht Wächter über sie.“ - Sure 39, 41v

Tobias Schlagitweit

ANMERKUNG:Es ist nicht in der Absicht des Autors religiöse Gefühle zu beleidigen oder der-artige Gräueltaten ins Lächerliche zu ziehen. Die Satire stellt in erster Linie eine Medienkritik dar. Wohl jeder (nicht-)Glaube kann zu Terrorzwecken missbraucht werden, wie es durch Angehörige des Christentums in Uganda, des Buddhismus in Myanmar, des Islams in Syrien und durch Bekenntnislose tatsächlich geschieht.

Meldung in einer Qualitätszeitung

Terroranschlag durch buddhisTische und chrisTliche TerrorisTinnen

Foto 1: look into my eyes von Hagbard_ https://www.flickr.com

/photos/hagbard/15073662553/ (CC BY-NC-SA 2.0)Foto 2: Nonnen in der Altstadt von intouch80 https://www.flickr.com

/photos/manniwiese/8509647845/ (CC BY-NC-SA 2.0)

KlartextRaum zum Erzählen und Erk lären – hier soll versucht werden, Komplexes unter die Lupe zu nehmen. Damit k lar wird, wogegen wir anschwimmen, was geändert werden muss und was schon gut läuft.

Klartext: Durchsicht bis auf den Grund der WörterGeorg Skrypzak

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„Rassen gibt es nicht und doch töten sie“ Colette Guillaumin

Was antimuslimischer Rassismus ist, lässt sich viel-leicht am besten dadurch eingrenzen, was er nicht ist: Er ist keine Kritik an einer Religion, er ist keine Reak-tion auf ein (tatsächliches oder auch nur angenomme-nes) Verhalten von von Muslim_innen, keine Angst vor dem angeblich Fremden und keine Folge islamistischer Terroranschläge; er ist nicht bloß ein Vorurteil über den Islam, nicht nur eine Wahlkampfstrategie rechter und rechtsextremer Parteien und auch kein bloßer Vorwand für globale Macht- und nationale Überwa-chungspolitiken. All diese Dinge können mit antimusli-mischem Rassismus zu tun haben, ihn verstärken oder ihn sich zu Nutze machen, doch ist mit dem Begriff zu-nächst anderes gemeint.

RASSISMUS UND RESSENTIMENTIn einer abstrakten Definition lässt sich Rassismus (in seinen verschiedenen Formen) als ein Verhältnis ver-stehen, in dem eine gesellschaftlich mächtigere Gruppe diese Macht verwendet um – erstens – sozial Schwä-chere zu definieren und sie damit zu einer einheitli-chen Gruppe zu erklären. Das geschieht auf Basis von zugeschriebenen Charakteristika wie einer angeblich einheitlichen Kultur, Religion, Ethnizität oder vermeint-lichen biologischen Merkmalen. Das oben stehende Zi-tat der feministischen Soziologin Colette Guillaumin bringt es auf den Punkt: Diese einheitlichen Gruppen – ob nun auf vermeintlich biologischer, kultureller oder religiöser Grundlage – existieren nicht als ‚wirkliche‘ Einheiten, doch ändert das nichts daran, dass die Kons-truktion selbst sehr real wirkmächtig ist und zu Diskri-minierung und Gewalt bis hin zum Mord führt. Im anti-muslimischen Rassismus wird die Wirksamkeit dieser sozialen Konstruktion zum Beispiel dann sichtbar, wenn nach islamistischen Terroranschlägen „die Musli-me“ aufgefordert werden, „Verantwortung zu überneh-men“ und „sich zu distanzieren“. An der Einseitigkeit solcher Aufforderungen wird auch deutlich, dass es im Rassismus – zweitens – immer auch um (Definitions-)

Macht geht; Mehrheitsösterreicher_innen nach jedem rassistischen Angriff zu Distanzierungen aufzurufen, erschiene zum Beispiel ziemlich absurd.Zum Rassismus gehört – drittens – dass den ‚erfunde-nen‘ Gruppen bestimmte, meist negative, Eigenschaften zugeschrieben werden. Diese Zuschreibungen kenn-zeichnen Mitglieder dieser Gruppe als ‚Andere‘, die nicht ‚wie wir‘ sind und die als ‚uns‘ unterlegen und/oder als bedrohlich (häufig beides) vorgestellt werden. Es ist das, was man selbst nicht haben kann und nicht einmal wünschen darf, was dem ‚Anderen‘ zugeschrieben und in diesem gehasst wird. Wird so alles Verbotene nach außen projiziert, erstrahlt das ‚Eigene‘ umso heller. Aus dieser Perspektive lassen sich viele Elemente des an-timuslimischen Rassismus entschlüsseln: Wird etwa Sexismus, Traditionalismus, fehlende Toleranz und

Antimuslimischer RassismusEine Religion als Projektionsfläche

Rassismus schafft Grenzen, wo keine sein müssten

Meinungsfreiheit auf ‚den Islam‘ projiziert, erscheinen die europäischen Gesellschaften als Hort der Emanzi-pation, Gleichberechtigung und Aufklärung. Wird ‚der Islam‘ als gewalttätig gezeichnet, als undemokratisch und nicht in der Lage andere Lebensweisen, Religionen oder Kulturen zu tolerieren, rechtfertigt das scheinbar die Diskriminierung von Muslim_innen und die eigene Intoleranz. In solchen Zuschreibungen spielen eigene verleugnete Wünsche – nach unumstrittener Domi-nanz, nach einfachen, einheitlichen Lebenswelten, nach der Sicherheit traditioneller Ordnungen, nach unbe-dingter Anerkennung als Mitglied einer Gemeinschaft usw. – eine wesentliche Rolle.

ABER ES GIBT DOCH WIRKLICH...Wer so argumentiert wie ich gerade, bekommt häufig Belege dafür vorgelegt, dass ‚im Islam‘ doch wirklich Schlimmes geschieht, dass – zum Beispiel – Frauen unterdrückt und zwangsverheiratet werden, Antise-mitismus weit verbreitet und Gewalt gegen LGBT an der Tagesordnung ist; dass islamische Regime bruta-le Körperstrafen durchführen und Dschihadist_innen zum Mord an (in ihren Augen) Ungläubigen aufrufen. Alle diese und noch viel mehr abscheuliche Dinge ge-schehen – und manchmal werden sie im Namen ‚des Is-

lam‘ durchgeführt und gerechtfertigt. Grund genug, nun auch ‚den Islam‘ dafür verantwortlich zu machen und Muslim_innen als Bedrohung anzusehen? Wer dieser allzu einfachen Logik folgt, vergisst zwei entscheiden-de Dinge: Zum ersten, dass weitaus der überwiegende Teil der Opfer fundamentalistisch-islamistischer Ge-walt, aber auch derjenigen, die sich gegen diese Gewalt zur Wehr setzen, Muslim_innen sind. Zum anderen, dass wer die reaktionärsten Auslegungen der Religion oder gar fundamentalistische politische Ideologie mit ‚dem Islam‘ gleichsetzt, das Geschäft eben dieser Ideo-logie betreibt. Vergleichbar wäre es, die Neonazis des NSU, den Mörder Breivik oder die Folterer_innen von Abu Ghraib und anderswo als die Repräsentant_innen ‚‘westlicher Werte‘, der ‚Freiheit‘ und des ‚Fortschritts‘ anzuerkennen. Wer so denkt, anerkennt die Positionen einer kleinen Minderheit als repräsentativ für eine in sich vielfach gespaltene und differenzierte Weltreligi-on. Wer glaubt, dass „der Islam dem Westen den Krieg erklärt hat“, übernimmt die Parolen extremistischer, dschihadistischer Strömungen (lediglich mit umge-kehrter Wertung), anstatt sie zu widerlegen. Damit werden deren Weltbild und letztlich auch ihre Werbe-strategie bestätigt, da sie sich in Europa ja gerade die Ausgrenzung von Muslim_innen zu Nutze machen.

RASSISMUS ALS WELTERKLÄRUNGEine Funktion von Rassismus ist, dass er einfache Er-klärungsmodelle für alle möglichen Probleme und Kon-flikte liefert. Antimuslimische Ressentiments finden sich aktuell als Deutungsmodelle auf allen Ebenen des politischen Lebens und werden von einer Reihe von politischen Gruppierungen nach Kräften geschürt. Das ist in mehrerer Hinsicht gefährlich: Zum einen werden damit an sich simple Konflikt (etwa Streit in der Nach-barschaft, weil Kinder zu laut oder Jugendliche „frech“ sind) und rational zu lösende Probleme (z.B. im Schul-system, wo es statt um Beziehungen zwischen Schu-le und Eltern plötzlich um „Integrationsunwilligkeit“ geht) zu einem unlösbaren ‚clash of cultures‘ stilisiert, der Verhandlungsprozessen und Kompromissen nicht mehr zugänglich ist. Zum anderen werden repressi-ve Politiken im Namen von Aufklärung, Emanzipation und Demokratie akzeptabel gemacht. Etwa, wenn dar-über diskutiert wird, durch ein gesetzliches Verbot für verschleierte muslimische Frauen sich im öffentlichen Raum aufzuhalten, von der Unterdrückung durch den Schleier zu ‚befreien‘. Damit werden bürgerliche Frei-heit, Emanzipation und Demokratie nicht vorangetrie-ben, sondern zerstört.

Stefanie Mayer

Rassismus schafft Grenzen, wo keine sein müssten

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Die furchtbaren Attentate von Paris, die jungen Erwach-senen, die aus den Ländern Europas in den Dschihad ziehen, und die Angst davor, dass dieser Krieg auch un-sere Haustüre erreichen könnte. All dies hat die europä-ische Öffentlichkeit in hysterische Ursachenforschung und dick aufgetragenen Pathos getrieben. Solidaritäts-bekundungen auf Facebook („Je suis Charlie“) und Mär-sche mit Millionenbeteiligung scheinen eines zeigen zu wollen: Wir lassen uns nicht provozieren. Wir werden unsere „westlichen Werte“ nicht opfern. Wer hinter die Kulissen blickt, dem/der könnte angesichts von Simpli-fizierung und Heuchelei schlecht werden.

Ob nun die Pegida-Bewegung oder doch die alltäglichen Mainstream-Medien, ob linke oder rechte Kommenta-tor_innen, überall scheint sich ein Tenor zu zeigen, der die „westlichen Werte“ oder die „Zivilgesellschaft“ be-droht sieht. Fragen wir nach, worin diese Werte denn bestehen, werden wir auf der einen Seite vielleicht Be-griffe wie „christliches Abendland“ oder „Aufklärung“, auf der anderen „Solidarität“ oder „Toleranz“, ganz si-cher aber „Freiheit“ um die Ohren gepfeffert bekom-men. Falls wir uns von solchen hochtrabenden Begrif-fen nicht abschrecken lassen und weiter fragen, was dahinter steckt, so werden wir wohl mit einem „das ist halt schwierig, aber du verstehst was ich meine“ abge-speist.

Es reicht aber nicht, die Schuld beim Islam oder im „Fremden“ zu suchen, wie es Pegida und Konsorten an den Tag legen. Und es reicht auch nicht, die Verbrechen der Dschihadist_innen als Folge der Kolonialzeit und damit als Schuld des Westens zu erklären, wie es man-che „linke“ Kommentator_innen versuchen. Es braucht eine vorurteils- und ideologiefreie, ja, eine philosophi-sche Analyse. Diesen Versuch wagt der Philosoph Sla-voj Zizek in einem viel beachteten Artikel. Dabei zitiert er Friedrich Nietzsche, der die Zukunft der westlichen Gesellschaft in der Vision der „letzten Menschen“ be-schreibt. Ein apathischer Mensch ohne Leidenschaft und Hingabe, der/die nur nach Bequemlichkeit und Sicherheit verlangt. Er/sie hat jegliche transzendente

Idee oder höheres Ideal aufgegeben, was sich in der ab-soluten Toleranz untereinander ausdrückt:

Seht, ich zeige euch den letzten Menschen.

„Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern?“ so fragt der letzte Mensch und blinzelt. Sie haben die Gegenden verlassen wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nächsten und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme. (…)

Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben. Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt, dass die Unterhaltung nicht angreife. (...)

Kein Hirt und Eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich. (…) Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit.

„Wir haben das Glück erfunden“ sagen die letzten Men-schen und blinzeln.

(Nietzsche, Also Sprach Zarathustra, S.15-16)

Dieser letzte Mensch mit seinem totalen, passiven Nihi-lismus ist für Nietzsche die Folge von „Gottes Tod“, den „wir, du und ich“ getötet haben. Für Nietzsche ist klar, dass mit der Aufgabe der Welterklärung und Moralbe-gründung durch Kirche und Schöpfergott eine unheim-lich große Verantwortung auf die Gesellschaft zuge-kommen ist: Von nun an können wir uns nicht mehr auf ein höheres Wesen ausreden, wir müssen unsere Werte und Normen vollkommen allein begründen. Die ein-fachste Reaktion darauf ist, so Nietzsche, alle beschwer-liche Begründung sein zu lassen und damit jede große Idee, jede Utopie, jeden Traum zu dekonstruieren und in einer umfangreichen Toleranz von allem aufzugehen. Das ist der letzte Mensch.

Leben wir nicht in einer solchen Gesellschaft? Leben wir nicht in einer solchen Zeit? Haben wir nicht längst alles

„Wir haben das Glück erfunden“sagen die letzten Menschen und blinzeln.Der IS und WIR - Mit Nietzsche gegen eine heuchlerische Debatte.

dekonstruiert? Althergebrachte Begriffe wie „Familie“, „Heimat“ und auch „Freiheit“ haben wir, teilweise aus sehr guten Gründen, dekonstruiert und aufgegeben. Überlebt haben nur die leeren Worthülsen. Politische Ideologien und Utopien sind im 21. Jahrhundert nur mehr Fußnoten der Geschichtsbücher, von Religionen ganz zu schweigen. Was sind also unsere Werte? Was bleibt noch übrig?

Erst vor diesem Hintergrund wird klar, was für eine An-ziehung der „Islamische Staat“ auf die jungen Erwachse-nen in unserer Gesellschaft ausüben muss. Der Dschihad ist genau die, ebenfalls von Nietzsche prophezeite, Ge-genreaktion auf den westlichen Nihilismus, die totale Selbstaufopferung für ein abstruses, transzendentes Ziel. Sind die jungen Erwachsenen, die in unserer Ge-sellschaft völlig säkular aufgewachsen sind, und plötz-lich sagen „Ich möchte in Syrien kämpfen für ein höhe-res Ziel. Das ist wahre Freiheit für mich!“ ein direktes Produkt der arabischen Gesellschaft oder des Islams? Nein! Sie sind zumindest in gewissem Maße ein Produkt des vorherrschenden Wertevakuums. Sonst würde eine lächerliche Karikatur in einem unwichtigen Satiremaga-zin niemals eine solche Reaktion hervorrufen.

Die unglaubliche Heuchelei der Führer_innen der west-

lichen Staaten, die nach Charlie Hebdo Hand in Hand mit Diktatoren und Menschenrechtsverletzenden aus aller Welt für Werte wie Meinungsfreiheit und Toleranz demonstrierten, zeigt nur, wie weit die Werte-Krise der liberalen westlichen Demokratie schon fortgeschritten ist.

Was braucht es also? Nach Zizek müssen wir den Teu-felskreis durchbrechen, in dem sich die liberale Demo-kratie und der IS-Islamismus gegenseitig bedingen. Es braucht eine radikale Kritik unserer Werte, die nicht als leere Worthülsen, sondern als Fundament unserer Ge-sellschaft fungieren müssen. Dazu braucht es eine phi-losophische Zusammenarbeit von linken und liberalen Kräften, die sich auf gemeinsame Grundlagen einigen müssen. Unsere Gesellschaft ist in Gefahr. Diese Gefahr ist aber nicht von außen über uns hereingebrochen, sondern wir haben sie zum guten Teil selbst beschwo-ren, und wir müssen sie auch selbst überwinden.

Max Wieländer

Zum Weiterlesen:(1) Nietzsche, Friedrich: Also Sprach Zarathustra. Reclam Leipzig, 2000(2) Zizek, Slavoj: Are the worst really full of passionate intensity? New Statesmen, 10.1.2015. URL: http://www.newstatesman.com/world-affairs/2015/01/slavoj-i-ek-charlie-hebdo-massac-re-are-worst-really-full-passionate-intensity

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Demonstration in Paris nach dem Attentat auf Charly Hebdo

DSCHIHADDschihad bedeutet übersetzt etwa „sich anstrengen“, wobei die innere Anstren-gung als Streben nach Selbstreflexion und Respekt gegenüber Anderen von dem Dschihad als Widerstandsform unter-schieden wird. Dieser soll sich dann ge-gen Unterdrückung, Rassismus und Dik-tatur richten, wenn Konflikte nicht mehr friedlich gelöst werden können. In diesem Sinne wurde der Begriff innerhalb unter-schiedlichster Bewegungen verwendet und hat sich je nach historischen Kontext in seiner Bedeutung erweitert.

ABENDLAND − MORGENLAND / OKZIDENT − ORIENT / THE WEST AND THE RESTHistorisch gewachsen, jedoch geografisch undefiniert, ist der Ori-ent „für das Abendland das, was es selbst nicht ist“ (Foucault). Die Vorstellung vom Westen impliziert zwar einen räumlichen Bezug, bezieht sich jedoch mehr auf einen bestimmten Gesellschaftstyp, der als modern, säkularisiert und kapitalistisch beschrieben wird. Der Westen produziert und definiert ein Bild von sich selbst, in-dem er gleichzeitig dem Orient negative Eigenschaften zuschreibt. Heute erfolgt oft eine Gleichstellung des Orients mit „dem“ Islam. Durch diese binäre Konstruktion wird sowohl eine westliche, als auch islamische Kultur in all ihrer Differenziertheit homogeni-siert und in einem hierarchischen Verhältnis gegenübergestellt.

ISLAM UND MUSLIMEEine Bedeutung des Wortes Islam ist „Gottergebenheit“. Au-ßerdem gehört das Wort Islam zur gleichen Wurzel wie salam, was so viel wie „Heil, Friede“ bedeutet. Das Wort Muslim leitet sich von „Ergebende“ ab, das in europäischen Wissenspro-duktionen und islamfeindlichen Gesellschaften jedoch häu-fig rein als „Unterwerfung“ verstanden wird. Wir verstehen „den“ Islam oft als eine statische, homogene Religion, die einer in sich geschlossenen Kultur gleichgesetzt wird. Dabei gehen die vielfältigen Sprachen, Glaubens- und Sozialstruk-turen verloren. Menschen aus vorwiegend muslimischen Ländern werden als Muslim_innen bezeichnet und dabei auf eine vorab angenommene Religionszugehörigkeit reduziert.

Im medialen und politischen Diskurs finden sich derzeit einige Begriffe rund um „den Islam“. Während Worthülsen sich einerseits mit neuen Bedeutungen füllen, werden andere bewusst politisch instrumentalisiert. Das hat reale Folgen. Die Begriffe produzieren Wissen. Dieses Wissen dient als Legitimation politischer Praktiken, ob es nun die österreichische Sicher-heits- und Asylpolitik oder Strafverfahren in Saudi-Arabien sind. Die folgenden Erklärun-gen sollen einen Einblick in die Komplexität einiger umstrittener Begriffe liefern.Elisabeth Graf und Sophia Stanger

Quellen:(1) Arndt, Susan. & Ofuatey-Alazard, Nadja (2011): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Münster: Unrast Verlag, S. 365 - 495(2) Zeynep (2015): Begriffe zurück erobern! In: Anticapitalista Nr. 3, 2. Jg.

Begriffe werfen SchattenWir beleuchten ihre Bedeutungen

SCHARIAAls „Weg, der zur Quelle führt“ beinhaltet die Scharia Gebote und Empfehlungen aus dem Koran und aus der Sunnah, den Über-lieferungen des Propheten. Diese dienen Rechtsgelehrten bis heute als Grundlage für die Erarbeitung einer islamischen Gesetzge-bung. Den Begriff Scharia auf das Recht zu reduzieren, verfehlt das eigentliche Wesen als „Weg zur Treue“.

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"Ein Begriff ist nicht bloß

ein helles, klares Zentrum, er ist vielmehr eine Wolke aus Bedeutung oder Einfluss von kleineren

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abnimmt, bis sie ganz

verschwindet.“

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Beim Thema Flucht und Asyl zeichnet sich vor dem ei-genen Auge ohne viel Überlegung leicht ein klassisches Bild von Krieg und Zerstörung. Menschen sehen sich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen, weil sich andere bekriegen. In den letzten Jahrzehnten haben sich Krie-ge, Konflikte und Verfolgungsstrukturen jedoch verän-dert: Während klassische zwischenstaatliche Konflik-te weniger geworden sind und mittlerweile mehr die Ausnahme als die Regel bilden, ist die Zahl ziviler Opfer gestiegen und die Verfolgung von Minderheiten bleibt ein alltägliches Phänomen. Nur sehr langsam passt sich das internationale Flüchtlingsrecht an diese neuen Gegebenheiten an. Ein Beispiel dafür, dass die Genfer Flüchtlingskonvention manchmal für Sachverhalte zu-rechtgebogen wird, für die sie nicht geschaffen wurde, sind Fälle von Verfolgung aufgrund der sexuellen Ori-entierung bzw. der Geschlechtsidentität von Asylwer-ber_innen.

Verfolgte aufgrund von sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität sind

also per se nicht inkludiert.

Seit die Genfer Flüchtlingskonvention 1951 geschaf-fen wurde, waren immer wieder interpretative Meis-terwerke vonnöten, um eine gerechte Anwendung des Asylrechts zu garantieren. Vereinfacht gesagt, ist gemäß

der GFK ein Flüchtling, wer (1) sich außerhalb seines/ihres Herkunftslandes aufhält, (2) begründete Furcht vor Verfolgung hat und zwar (3) aufgrund seiner/ihrer Nationalität, Religion, politischen Einstellung, Ethnizi-tät oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

Mit der Liberalisierung von Strafgesetzen und einem generellen Paradigmenwechsel in Bezug auf sexuelle

Minderheiten in vielen Teilen der Welt, stellte sich zunehmend die Frage, ob eine Anerkennung von

LGBTI-Flüchtlingen angebracht sei.

Verfolgte aufgrund von sexueller Orientierung und/oder Geschlechtsidentität sind also per se nicht in-kludiert. Auch gibt die Flüchtlingskonvention keinen weiteren Aufschluss darüber, welche Gruppen genau als Flüchtlinge gelten können, war es doch zur Zeit der Ausarbeitung des Konventionstextes kurz nach dem Zweiten Weltkrieg klar, wer auf der Flucht war. Mit der Liberalisierung von Strafgesetzen und einem generellen Paradigmenwechsel in Bezug auf sexuel-le Minderheiten in vielen Teilen der Welt, stellte sich zunehmend die Frage, ob eine Anerkennung von LGB-TI-Flüchtlingen angebracht sei. Als erstes Land boten die Niederlande im Jahr 1981 einem aufgrund sei-

Aktuelle Entwicklungen zum Thema Homosexualität und Asyl

ner Homosexualität verfolgten Mann internationalen Schutz. Das ist durchaus bemerkenswert, bedenkt man, dass erst 10 Jahre zuvor die Strafbestimmungen für einvernehmliche Sexualakte zwischen Erwachsenen desselben Geschlechtes in Österreich aufgehoben wur-den. In der ersten Hälfte der 1990er Jahre kam dann langsam mehr Bewegung in die Diskussion, als nord-amerikanische Jurisdiktionen nach und nach begannen, derartige Asylanträge positiv zu erledigen. Die meisten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlecht-sidentität Verfolgten wurden unter den Tatbestand der „bestimmten sozialen Gruppe“ subsumiert.

Die sexuelle Orientierung einer Person kann doch eigentlich gar nicht bewiesen werden.

Obwohl Europa den Startschuss für LGBTI-Asylge-währungen gegeben hatte, hinkte es danach lange Zeit hinterher. Mittlerweile sind Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidenti-tät in der EU offiziell als Fluchtgrund anerkannt. Jenni Millbank hat in ihrer Analyse von LGBTI-Asylanträgen jedoch treffend festgestellt, dass in Rechtssystemen, die für solche Fälle sensibilisiert sind, mehr und mehr Anträge abgewiesen werden, weil mangelnde Glaub-würdigkeit angenommen wird. Hier stellt sich eine ungemein wichtige Frage, vor allem in Bezug auf die sexuelle Orientierung von Asylwerber_innen: Wie sol-len Beweise in solchen Belangen geführt werden? Was ist zulässig, was dringt zu sehr in die Privatsphäre ein? Und wohl am wichtigsten: Die sexuelle Orientierung einer Person kann doch eigentlich gar nicht bewiesen werden. Die Studie Fleeing Homophobia hat festgestellt, dass innerhalb der EU zahlreiche Staaten darauf setzen, du-biose Fragestellungen oder gar „Tests“ als Beweismit-tel für die sexuelle Orientierung von Asylwerber_innen heranzuziehen. So wurden in Tschechien bis vor kur-

zem „phallometrische Tests“ durchgeführt, wo die phy-sische Reaktion von Flüchtlingen auf pornografisches Material gemessen wurde. In Österreich zum Beispiel wurden (bzw. werden) Fragen nach der „Schwulensze-ne“ in Wien gestellt. In Großbritannien setzt man dar-auf, zu überprüfen, wie sehr sich Antragssteller_innen mit „typisch homosexueller Literatur“ auskennen. Eine stereotypisierte Herangehensweise in den meisten Fäl-len, die von einer homogenen Gruppe der „Homosexu-ellen“ ausgeht, was wohl unter anderem auch auf die waghalsige Subsumption unter den Tatbestand der „be-stimmten sozialen Gruppe“ zurückzuführen ist. In einigen - nun richtungsweisenden - Fällen gegen die Niederlande hat der Europäische Gerichtshof vor ein paar Monaten entschieden, welche Beweismittel er in solchen Fällen als zulässig ansieht. Filme oder Fotos der Antragssteller_innen bei intimen Akten sind nun grundsätzlich ausgeschlossen, ebenso wie oben ge-nannte „Tests“ oder spezifische Fragen zu homosexu-ellem Geschlechtsverkehr. Es klingt grotesk, dass ein europäisches Gericht erst nach Jahren der Diskussion zum Thema zu so einem Schluss kommen muss. Generell ist die Frage der Glaubwürdigkeit von LGB-TI-Asylwerber_innen jedoch noch lange nicht restlos geklärt. Solange stereotypisierte Vorstellungen vor-herrschen, wird mensch sich mit dem Dilemma ausei-nandersetzen müssen. Vielleicht wäre es einfach bes-ser, das gesamte Asylverfahren nicht auf die Frage der „wirklichen“ sexuellen Orientierung der/des Antrags-steller_in zu konzentrieren, sondern sich damit ausei-nanderzusetzen, dass eine Person verfolgt wird, weil er oder sie nicht in die klassischen heteronormativen Vorstellungen einer Gesellschaft passt.

Raphael Ruppacher

Weiterführende Literatur: (1) Jansen, Sabine / Spijkerboer, Thomas (2011) Fleeing Homophobia: Asylum Claims Related to Sexual Orientation and Gender Identity in Europe. Amsterdam: COC Nederland / Vrije Universiteit Amsterdam.(2) Millbank, Jenni (2009) From Discretion to Disbelief: Recent Trends in Refugee Determina-tions on the Basis of Sexual Orientation in Australia and the United Kingdom. Pp. 391-414 in: International Journal of Human Rights, Vol. 13, No. 2/3.

Gschichtldruckerei: Wie ist euer Eindruck von der Einstellung der nicht-muslimischen Europäer_in-nen gegenüber dem Islam? War er vor Pegida und „Je suis Charlie“ anders?Tugba und Ilknur: Bereits seit dem 9/11-Attentat war der Eindruck negativ geprägt. Unseres Erachtens hat sich dieser durch Pegida und „Je suis Charlie“ nur ver-schlechtert. Das Problem ist die einseitige Bericht-erstattung seitens der Massenmedien. Die Medien bringen die Menschen dazu, den Islam nahezu aus-schließlich in Zusammenhang mit Terrorismus, Krieg und Gewalttaten wahrzunehmen. Dadurch entsteht ein verzerrtes Bild des Islam.

Wo seht ihr die Ursachen für antimuslimischen Rassismus?Tugba und Ilknur: Wir denken, er hat seine Wurzeln in der Angst der Menschen vor dem Unbekannten. Vie-le haben auch keinen unmittelbaren Kontakt zu Mus-lim_innen in ihrem Alltag und weil wenig Wissen über den Islam vorherrscht, wird ihr Bild vor allem durch die Medien geprägt.

Seid ihr im Alltag mit Rassismus konfrontiert?Tugba und Ilknur: Nein, kaum. Wir sind multikulturell aufgewachsen und mein Bekanntenkreis ist sehr tole-rant. Wenn etwas passiert, versuche ich (Tugba) es lo-cker und mit Humor zu nehmen.

Wie fühlt es sich für euch an, wenn im Namen des Islam Gewalt verübt wird?Tugba und Ilknur: Ich als Muslimin bin gegen jegliche Art der Gewalt; das ist auch, was der Islam uns lehrt. Religion wird von Fanatiker_innen missbraucht und das geht dann durch die ganze Welt. Ich kann nicht nachvollziehen, wieso wir Muslim_innen uns für Grup-pen wie den IS rechtfertigen müssen. „Wenn jemand einen Menschen tötet - es sei denn für Mord an einem andern oder für eine Gewalttat im Land -, so soll es sein, als hätte er die ganze Menschheit getötet; und wenn je-mand einem Menschen das Leben erhält, so soll es sein, als hätte er der ganzen Menschheit das Leben erhalten.“ (Koran 5:32)

Kann der Islam unabhängig von der Kultur ausge-übt werden?Ilknur und Tugba: Ja, der Islam ist sehr multikulturell angelegt. Mein ehemaliger Islamlehrer war ein Öster-reicher, der zum Islam konvertiert ist. Er behielt seinen ursprünglichen Namen und den Kontakt mit seiner christlichen Familie. Das Hauptziel im Islam ist, Frieden zu erzeugen, dabei spielt wie im Christentum die Her-kunft und das Geschlecht keine Rolle. Auch gegenüber anderen Religionen ist der Islam tolerant: „Euch euer Glaube, und mir mein Glaube.“ (Koran 109:6) Für uns ist Religion wichtig und wir respektieren die Religionen von Andersgläubigen. Im Islam sind zudem auch sehr viele Propheten anderer Religionen von großer Bedeu-tung, wie zum Beispiel Adam, Noah, Jesus, Moses.

„Islam ist integrierbar!“Zwei Studentinnen der PH Wien, Tugba und Ilknur, geben Einblick in ihre Ansichten zum Thema Antimuslimischer Rassismus

Grafik: Muslims Portrayed von Nayzak: http://nayzak.deviantart.com/art/Muslims-Portrayed-336256566

Was sagt ihr zum Thema Unterdrückung der Frau im Islam?Tugba und Ilknur: Frauen werden vielerorts sehr wohl unterdrückt, aber nicht wegen dem Islam, sondern we-gen der Kultur.

Wie kann Integration verbessert werden?Ilknur: Das Wichtigste bei der Integration ist es, einen Dialog zwischen den betroffenen Kulturen aufzubauen. Die lokale Bevölkerung fordert von Migrant_innen sich zu integrieren; Integration muss jedoch auf BEIDEN Seiten stattfinden.

Wie sehr fühlt ihr euch mit Österreich verbunden und warum?Tugba und Ilknur: Wir fühlen uns mit Österreich sehr eng verbunden. Wir sind hier geboren, aufgewachsen

und haben die österreichische Staatsbürgerschaft. Ös-terreich ist unser Heimatland und ein Ort, wo wir uns wohlfühlen. Sowohl meine (Ilknur) Gedanken als auch meine Einstellungen sind sehr österreichisch geprägt, sodass es für mich schwer wäre, woanders zu leben.

Könnt ihr eure Interpretation der Lehre des Islam in Österreich leben? Gibt es Einschränkungen?Tugba und Ilknur: Ja, Österreich toleriert Vieles, wie zum Beispiel Feste, Feiertage oder die islamischen Ver-eine. Einschränkungen gibt es für uns nur bei der Es-senswahl.

Welche Ambitionen verfolgt ihr hinsichtlich eures zukünftigen Berufs? Wo seht ihr die Chance, dass Schule Veränderung herbeiführen kann?Tugba und Ilknur: Als angehende Lehrpersonen ist es für uns am wichtigsten, den Schüler_innen Toleranz zu vermitteln und Vorurteile abzubauen. Ein Austausch zwischen Kulturen kann jemanden bereichern; deshalb ist es wichtig, dass die Schüler_innen ihre Kultur in den Unterricht einbringen können.

Ist im Schulalltag antimuslimischer Rassismus fest-zumachen? Wenn ja: Inwiefern würdest du ihn um-gestalten? Tugba: Ich glaube, dass es heute noch Ausgrenzungen und rassistisches Verhalten in den Klassen gibt. Ein adäquater Workshop in allen Klassen würde viel dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und mehr Toleranz ge-genüber anderen Kulturen aufzubringen.

Wenn ihr jetzt schon Lehrpersonen wärt, könntet ihr euch eher einen mehrsprachigen Unterricht oder Deutsch als einzige Unterrichtssprache vor-stellen?Tugba und Ilknur: Wir als angehende Deutschlehre-rinnen können uns die Unterrichtssprache nur auf Deutsch vorstellen. In den Pausen und bei zusätzlichen Angeboten haben wir aber nichts dagegen, wenn es mehrsprachig wird.

Philipp Rampetsreiter

„Islam ist integrierbar!“Zwei Studentinnen der PH Wien, Tugba und Ilknur, geben Einblick in ihre Ansichten zum Thema Antimuslimischer Rassismus

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Gehört der Islam zu Österreich? Eigentlich ja eine durchaus simple Frage. Im österreichischen poli-tisch-medialen Diskurs wird sie aber zur Millionenfra-ge, die der heimische Bundeskanzler nicht einmal nach Zuhilfenahme aller drei Joker beantworten kann.

„Na no na ned“ – auf die Frage ob der Islam zu Österreich gehört.

Zumindest eine tut sich hier nicht ganz so schwer: „Na no na ned. Wir haben ein Islamgesetz in Österreich. Wir haben eine islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, die staatlich anerkannt ist und nur durch österreichisches Recht existiert. Aber keine Ahnung. Vielleicht hat er das kurz vergessen. Also ich kann es mir nicht anders erklären.“Dudu Kücükgöl ist Vorstandsmitglied der Muslimischen Jugend Österreich, kurz MJÖ, der mit 30.000 Mitglie-dern nicht nur größten muslimischen Jugendorganisa-tion des Landes, sondern auch der einzigen, die sowohl multiethnisch organisiert, als auch deutschsprachig ist, wie sie stolz präsentiert.Gegründet wurde die MJÖ 1996 als Organisation von jungen Muslim_innen in Oberösterreich. Seitdem ist sie stark gewachsen und hat heute laut Kücükgol eine Vor-reiter_innen-Rolle innerhalb der muslimischen Com-munity. „Wenn man sich anschaut, welche Akzente wir gesetzt haben, dann sind das schon einmalige Sachen. Als wir gegründet wurden, hat unter den muslimischen Verbänden niemand Deutsch gesprochen. Außerdem gibt es heute keine andere muslimische Organisation, die multiethnisch ist. Und während die muslimischen Verbände stark männlich geprägt sind, sind in der MJÖ zwei von drei Vorsitzenden Frauen.“ Die studierte Wirt-schaftspädagogin möchte junge Muslim_innen, aber

auch generell junge Österreicher_innen lehren, nicht immer auf Obrigkeiten zu hören, kritisch und aufmüp-fig zu sein. Nun habe die MJÖ im Integrationsdiskurs sogar das Wording geprägt. „Das ist interessant, weil Sebastian Kurz (Anm.: Integrationsminister) letztlich gesagt hat, es sei kein Widerspruch, gläubige_r Mus-lim_in und Österreicher_in zu sein. Das sagen wir seit fast zwanzig Jahren. Leider hat er da auf den Quellen-verweis vergessen.“

ÖSTERREICHISCH-ISLAMISCHE IDENTITÄTDas Zitat von Sebastian Kurz spielt auf den Grundsatz der österreichisch-islamischen Identität an, ein Motto, das die Arbeit der Muslimischen Jugend seit ihrem Be-stehen begleitet. Diese sei keine feste oder fixe Identi-tät. Was jedoch damit klargestellt werden soll, ist, dass Muslim_in und Österreicher_in keine sich ausschlie-ßenden Identitäten kennzeichnen.

„Unsere Heimat ist Österreich.“

Es gäbe österreichische Muslim_innen und sie seien selbstverständlich ein Teil Österreichs. „Wer stellt sich eine/n Muslim_in vor, wenn von einem/r Österreicher_in gesprochen wird? Niemand. Und das wollen wir auf-brechen. Österreichisch-islamisch, wie wir uns das vor-stellen, bedeutet, dass wir einerseits Deutsch sprechen und uns als Teil Österreichs verstehen und andererseits selbstverständlich auch Muslim_innen sind und sagen, wir können unsere Religion in unserer Heimat leben. Unsere Heimat ist Österreich. Wir denken, leben und arbeiten für Österreich. Ob man dann noch türkische, bosnische, afghanische oder tschetschenische Wurzeln hat, das gehört alles zur Identität dazu.“

„Wir denken, leben und arbeiten für Österreich“Dudu Kücükgöl, Vorstandsmitglied der Muslimischen Jugend Österreichs, sprach mit der Gschichtldruckerei über Muslim_innen und ihre österreichisch-islamische Identität

„Es kann sein, dass sich meine Eltern und ihre Generation als Gäste fühlten, weil sie Gäste waren.

Aber wir sind keine Gäste.“

Was Dudu Kücükgöl stört, ist die Gastmentalität bzw. die Gastdankbarkeit, die manche Muslim_innen an den Tag legen. „Das ist der Hauptunterschied zwischen den alteingesessenen Verbänden der Islamischen Glau-bensgemeinschaft (IGGiÖ), die leider immer noch von der Einwander_innen-Generation dominiert werden, und uns. Man kann den Islam in Österreich ja nicht ewig als Gastmentalität verstehen. Es kann sein, dass sich meine Eltern und ihre Generation als Gäste fühlten, weil sie Gäste waren. Aber wir sind keine Gäste. Und ich sehe auch nicht ein, dass die Politik so gestaltet werden soll, als wären wir Gäste. Ich bin ganz selbstverständ-lich ein Teil Österreichs, bin in einer Demokratie aufge-wachsen. Ich kenne meine Rechte und Pflichten und als ganz bewusste Staatsbürgerin trete ich auch gegenüber meiner Regierung auf. Diese Einstellung möchte ich ös-

terreichischen, jungen Muslim_innen geben.“ Dankbar sei die 32-Jährige, die in der Türkei geboren wurde und seit ihrem siebten Lebensjahr in Österreich lebt, der älteren Generation aber sehr wohl, vor allem für den Aufbau von Moscheen und islamischen Schulen.

ZIVILGESELLSCHAFTLICHE KOOPERATION UND ZUSAMMENARBEITAktuell fühlt sich Dudu Kücükgöl an die Stimmung nach 9/11 erinnert. Die Diskriminierung nehme wieder zu und man werde als Muslim_in für die Taten anderer, die man selber auch schrecklich findet, verantwortlich ge-macht. Auf die Frage hin, wie die MJÖ auf die steigende Hetze gegenüber Muslim_innen reagiert und was sie aktiv dagegen tun, spricht sie von einem schweren Un-terfangen.Die MJÖ arbeite in zwei Richtungen. Einerseits ver-sucht sie, die Herausforderungen innerhalb der mus-limischen Community anzugehen. „Die muslimische Community hat ein Problem mit Rassismus und Dis-kriminierung und sie hat ein ganz massives Bildungs-problem. Frauen werden nicht ausreichend gefördert und bekommen nicht die gleichen Chancen. Junge Men-schen sollen ein Teil der Gesellschaft werden.“

„Wir sind alle gemeinsam nur junge Menschen, die für ein besseres Zusammenleben arbeiten.“

Andererseits ist die externe Arbeit für die MJÖ von großer Bedeutung. Hier geht es um interreligiöse Ko-operation und Zusammenarbeit mit anderen zivilge-sellschaftlichen Akteur_innen. „Zum Beispiel haben wir kurz nach Charlie Hebdo gemeinsam mit der Ka-tholischen und der Evangelischen Jugend und anderen Organisationen die Aktion „Schenk ein Lächeln“ ge-startet, um gerade in einer Zeit, wo die Stimmung so angespannt ist, und bei dieser großen Angst vor Mus-lim_innen ein Zeichen zu setzen und zur Entspannung beizutragen. Zivilgesellschaftliche Kooperationen sind besonders wichtig. Durch Zusammenarbeit freundet man sich an und während man gemeinsam Projekte ab-zieht, gerät alles andere in den Hintergrund. Wir sind alle gemeinsam nur junge Menschen, die für ein besse-res Zusammenleben arbeiten.“

Manuel Mayr

Dudu Kücükgöl (32) kam im Alter von sieben Jahren von der Türkei nach Österreich. Gesell-schaftspolitisch aktiv wurde sie schon sehr früh, da sie großes Unwissen in der Bevölkerung über den Islam ausmachte. Als Vorstandsmitglied der Muslimischen Jugend Österreichs setzt sie sich unter anderem für ein besseres Verständnis und gegen herrschende Klischees ein.

Dudu Kücükgöl ist ein Sprachrohr für junge Muslim_innen in Österreich

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Politische Konflikte, Kriege, Radikalisierung, Ausbeu-tung und Verfolgung füllen derzeit jede Tageszeitung. Viele Menschen verlieren auf grausamste Weise Ver-wandte, Freunde, Nachbarn und jegliche materielle Le-bensgrundlage. Diejenigen, die über genügend finanzi-elle Mittel verfügen, begeben sich auf den gefährlichen Weg in Richtung Europa. Dort erhoffen sie sich ein Le-ben in Wohlstand und ohne Probleme, doch die Realität ist eine andere. Viele Asylsuchende werden bereits auf ihrem Weg auf-gegriffen, Fingerabdrücke werden abgegeben und so-mit Asylanträge gestellt. Bei jeder Weiterreise in ein anderes EU-Land werden sie aufgrund der Dublin III Verordnung wieder in das Land rücküberstellt, in dem sie ihre Fingerabdrücke abgegeben haben. Hier stehen sie oft vor der Situation, in einem Land ohne Bezugs-personen und mit nur geringer Chance auf Anerken-nung ihres Asyls gestrandet zu sein.

Der traumatisierte Mensch rückt rasch in den Hintergrund und wird zur Nummer im System

Die Dublin III Verordnung geht sowohl von einer ein-heitlichen Gemeinsamen Asyl- und Sicherheitspolitik (GASP), als auch von der Solidarität der Unionsstaaten untereinander aus. In der Praxis führen jedoch Ver-fahren mit demselben Inhalt oft in einem EU-Land zur Anerkennung und in einem anderen zur Abschiebung. Asylsuchende werden zum Spielball der Unionsstaaten. Der traumatisierte Mensch rückt bei diesem Spiel rasch in den Hintergrund und wird zur Nummer im System. Selbst nach einem positiven Zulassungsverfahren, bei welchem sich Österreich als zuständig erklärt, kann nicht von einem raschen, unproblematischen Verfah-ren ausgegangen werden. Erfahrungsgemäß dauert ein Verfahren drei Jahre und länger. Die komplexe Rechts-lage, Personalmangel und ein sich stetig änderndes Sys-tem sind die Hauptursachen. Bei der letzten Gesetzes-novelle vom 01.01.2014 wurden etwa zwei Drittel des Fremdenrechts verändert. Diese Veränderung sorgte neben einer Verschlechterung der rechtlichen Grund-lage für Asylwerber_innen für viel Unsicherheit in der Gesetzesauslegung. Seit April 2014 arbeitet das System nun. Die Novelle 2015 ist allerdings bereits in Arbeit. Bei ersten Gesetzesentwürfen zeichnet sich eine weite-re Verkomplizierung des Fremdenrechts ab.

Neben der Verfahrensdauer ist der fehlende Arbeits-marktzugang eine große Belastung für Asylwerber_in-nen. Viele würden lieber selbst Geld verdienen, als auf die Unterstützung des Staates angewiesen zu sein. Be-strebungen, eine Beschäftigungsbewilligung zu erhal-ten, stellen sich immer wieder als erfolglos heraus. Bei der Ersatzkräfteprüfung durch das AMS muss bewiesen werden, dass den angestrebten Job keine sich am öster-reichischen Arbeitsmarkt befindliche Person machen kann. Dies endet jedoch selten mit einer positiven Er-ledigung. Nostrifikationsansuchen, das sind Ansuchen zur Anerkennung von akademischen Titlen, werden zwar beantwortet, die Ausübung des jeweiligen Berufs jedoch nicht ermöglicht. Dabei wären viele Asylwerber_innen für den österreichischen Arbeitsmarkt bezüglich eines Fachkräftezuwachses eine große Bereicherung.Trotz eines konfusen, menschenunwürdigen Systems steigen die Antragszahlen stetig, weshalb man sich etwas Zukunftsfähigeres und allgemein Schlüssigeres einfallen lassen wird müssen. Es wäre wünschenswert, Asylwerber_innen als Bereicherung für die Gesellschaft und nicht als Gefahr wahrzunehmen, und ihnen mit In-teresse und Offenheit zu begegnen. Erst wenn sie ein Teil unserer Gesellschaft werden dürfen, haben sie eine reale Chance, in der österreichischen Gesellschaft ihren Platz zu finden. Eben diese gesellschaftliche Inklusion ist die wirkungsvollste Prävention gegen Radikalisie-rung und ihre Folgen.

Magdalena Söberl

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Die Grafik zeigt die Anzahl der Asylanträge im ersten Halbjahr 2014.

WerkstattRaum zum Aufstehen und Anpacken - hier werden Tipps zur wild-lustig-freudigen Lebensgestaltung gesammelt. Krempeln wir unseren Alltag um!

Auf dieser Welt gibt es in irgendeiner Werkstatt (...) eine Lösung zu fast jedem Problem auf dieser Welt

Reiner W. Schwerdtfeger

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Gschichtldruckerei: Wo fängt Rassismus überhaupt an? Das Anpöbeln in der Öffentlichkeit ist ein trau-riges Paradebeispiel, aber gibt es nicht auch andere Formen der Ausgrenzung, die weniger offensicht-lich sind?Christina Bauer: Natürlich gibt es auch andere Berei-che, in denen Rassismus stattfindet. Übergriffe passie-ren zwar häufig im öffentlichen Raum, zum Beispiel in Parks oder in der Straßenbahn, aber es kann eben auch am Arbeitsplatz, in der Familie oder im Freundeskreis zu rassistisch motivierter Diskriminierung kommen. Ein weiteres Thema ist Mobbing in Schulen. Natürlich ist auch in diesen Bereichen Zivilcourage gefragt, des-wegen spielen wir in unseren Trainings solche Situatio-nen durch und üben, wie man eingreifen kann.

Wenn ich solche Übergriffe bemerke, wie kann ich selbst reagieren?Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man einschrei-ten und helfen kann. Welche die beste ist, hängt vor allem von der jeweiligen Situation ab und davon, wie man sich selbst einschätzt. Die Angreifenden direkt zu konfrontieren kann durchaus der richtige Weg sein, wenn man sich das zutraut. Man kann aber auch ande-re Menschen um Unterstützung bitten oder versuchen,

die Täter_innen abzulenken und die Aufmerksamkeit anderer Leute auf sie zu ziehen. Im besten Fall sind die Personen dann so verunsichert, dass sie ihr Opfer in Ruhe lassen. Dazu fällt mir gerade eine Geschichte ein, die mir eine ältere Dame einmal erzählt hat. Sie war in der Straßenbahn unterwegs und ihr gegenüber saß ein Mann, der über eine ausländische Frau schimpf-te. Niemand hat reagiert, alle haben irgendwo anders hingeschaut. Irgendwann hat die Frau zu dem Mann gesagt: Jetzt halten Sie doch einmal den Mund, sie kön-nen sich ja nicht einmal die Schuhe putzen!“ Daraufhin haben plötzlich alle Leute auf die Schuhe des Mannes geschaut. Der war offenbar verunsichert und hat aufge-hört. In heiklen Situationen, wenn man sich selbst nicht zutraut einzuschreiten, kann man natürlich auch die Polizei verständigen. Es gibt viele Möglichkeiten, die geübt und trainiert werden können. Wichtig ist es, die eigenen Grenzen kennenzulernen und sich darüber im Klaren zu sein, wie man am besten helfen kann. Es gibt zum Beispiel Übungen um auszuprobieren wie es sich anfühlt, in ei-ner Gruppe die eigene Meinung zu sagen. So können die Kursteilnehmenden herausfinden, ob die eigene Stim-me überhaupt ein geeignetes Mittel ist, um anderen Menschen zu helfen.

Aufstehen gegen Rassismus im AlltagInterview mit Christa Bauer vom Mauthausen-Komitee Österreich

Die Zivilcourage-Trainings richten sich vor allem an Jugendliche in Schulen und Lehrwerkstätten

Sie haben jetzt schon ein paar Vorgehensweisen an-gesprochen, mit denen man dem/der Täter_in ohne eine direkte Konfrontation den „Wind aus den Se-geln“ nehmen kann. Könnten Sie darauf noch ein bisschen genauer eingehen?Eine Möglichkeit ist, Fragen zu stellen, anstatt mit Fak-ten gegen Angriffe zu argumentieren. Den Täter_innen geht es vor allem darum, Publikum zu haben und Zu-stimmung zu bekommen, sie haben aber meist kaum Argumente, auf die sie ihre Behauptungen stützen können. Wenn man kontinuierlich fragt, kann der/die Täter_in irgendwann meist keine Antworten mehr ge-ben und wird vor allen anderen Leuten bloßgestellt. Es wird auch für die zuhörenden Leute klar, dass die An-schuldigungen keine sachliche Grundlage haben.

Inwiefern kann das Einschreiten in so einer Situa-tion auch zur Stärkung eines öffentlichen Bewusst-seins beitragen und zum Nachdenken anregen?Ich glaube man kann damit einen sehr großen Beitrag leisten, deswegen ist Zivilcourage auch wich-tig. Die Menschen, die das mitbekom-men, denken dann auch darüber nach.

Sie haben es in ihrem Beispiel vorhin bereits an-gesprochen: viele Menschen tun in solchen Situa-tionen nichts, oft auch, weil sie nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Das muss aber nicht heißen, dass ihnen Rassismus egal ist oder sie mit den An-greifenden übereinstimmen. Was kann ich tun, um diese Personen einzubinden, damit sie sich mit der betroffenen Person solidarisieren?Am besten ist es, Personen direkt anzusprechen. Es hat nicht viel Sinn, in die Gruppe zu rufen, ob irgendjemand helfen kann. Das kennt jede_r ja auch von sich selbst: Als Teil einer Gruppe fühlt sich niemand angesprochen. Natürlich kennt man die Namen der Personen um ei-nen herum meistens nicht, aber man kann sich statt-dessen anhand von äußeren Merkmalen ansprechen, zum Beispiel: „Sie mit dem roten Pullover!“ oder „Sie mit der Brille!“

Welchen Gefahren setze ich mich aus, wenn ich für ein Opfer eintrete? Gibt es Situationen, in denen es zur eigenen Sicherheit besser ist, nicht direkt ein-zugreifen?Es ist wie gesagt wichtig, die Situation und sich selbst einschätzen zu können. Deswegen ist es auch gut, so etwas zu trainieren und zu lernen, wie man reagiert. Wenn man das Gefühl hat, einer Konfrontation nicht gewachsen zu sein, ist es besser, einen anderen Weg zu finden, um zu helfen. Zum Beispiel, indem man andere Leute um Hilfe bittet oder im Notfall die Polizei ruft. Zivilcourage zu zeigen und sich dabei selbst in Gefahr zu bringen hilft weder dem Opfer noch einem selbst.

Fabian Dworak

Christa Bauer vom Mauthausen-Komitee Österreich

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6. Darf's auch mal was Lustiges sein?Ein guter Tipp für Kreative, Mutige und Ge-übte ist die "Paradoxe Intervention“. Auch hier sind deinen Ideen keine Grenzen ge-setzt. Ziel ist es, etwas völlig Unerwartetes zu machen, zu überraschen, zu verwundern und die "Täter_innen“ aus der Bahn zu brin-gen. Frag sie nach dem Weg oder nach der Uhrzeit. Trau dich auch bei absurden, dis-kriminierenden Aussagen mit Humor zu re-agieren: "Ich habe mir schon mal ein Kopf-tuch besorgt, falls die Moslems an die Macht kommen“.

7. Empör dichPassiert etwas, womit du dich unwohl fühlst, wird jemand angepöbelt, beleidigt oder an-gegriffen - empör dich und sprich das Pro-blem an. Dabei ist es hilfreich, das auszu-sprechen, was du wahrgenommen hast und Ich-Botschaften zu senden: "Ich habe gehört, wie du über einen anderen Fahrgast gespro-chen hast. Warum?“

8. Suche VerbündeteOft ist es hilfreich, eine Situation gemeinsam aufzulösen. Das gibt mehr Sicherheit, Mut und somit Einschüchterung für das Gegen-über. Bist du alleine unterwegs, sprich Pas-sant_innen, Fahrgäste oder Zuseher_innen an und bitte um Beteiligung. Wichtig ist da-bei, eine gemeinsame Strategie zu verfolgen.

9. Würdige das KleineErwarte nicht, gleich die Meinung oder Ein-stellung deines Gegenübers zu ändern. In einer brenzligen Situation ist die Hauptsa-che die Betroffenen in Sicherheit zu bringen, dazu können schon kleine Dinge etwas bei-tragen.

10. Übung macht meisterhaft!Zivilcourage ist keine Tugend oder persön-liche Eigenschaft. Zivilcourage ist eine Ver-haltensweise, die man sich im Laufe des Le-bens aneignet. Maßgeblich für erfolgreiches zivilcouragiertes Handeln sind einerseits die individuellen Moral- und Wertvorstellungen, als Grundlage und andererseits die Übung, Übung, Übung.

Fabiana Ellmerer

1. Schau nicht wegDer erste wichtige Schritt klingt einfach. Je-doch scheitern viele potentielle Helfer_innen schon allein daran, dass sie Notsituationen nicht wahrnehmen oder als solche erken-nen. Viel zu abgelenkt sind wir im Alltag von Kopfhörern, Handy oder Internet, darum versuche deine Umgebung aktiv wahrzuneh-men und Augen und Ohren offen zu halten.

2. Nur MutZivilcourage zu zeigen braucht eine gehörige Portion Mut. Gerne orientieren wir uns am Verhalten von Anderen oder schieben die Verantwortung für das Eingreifen, den ande-ren Beobachter_innen in die Schuhe. Vertrau auf dein Gefühl und deinen Mut, dann bist du am richtigen Weg.

3. Sei SelbstsicherSelbstsicher rüberzukommen, ist das A und O. Beobachte die Situation, analysiere sie und die Beteiligten, überleg dir eine passen-de Strategie, bleib ruhig und gelassen, dann wirkst du souverän und selbstsicher.

4. Betroffene_n fokussieren, Täter_in ig-norierenIn heiklen Situationen ist es oft hilfreich, nicht direkt die Täter_innen anzusprechen, sondern diese gekonnt zu ignorieren. Kon-zentriere dich auf das „Opfer“, erkundige dich, ob alles in Ordnung ist oder gib dich als ein_e Bekannte_r aus.

5. Lenk vom Geschehen abEine weitere Strategie ist vom Geschehen und dem „Opfer“ abzulenken. Hier kannst du deiner Fantasie freien Lauf lassen: Täusche einen Anfall vor, beginne laut zu streiten, la-chen, singen oder zu telefonieren.

Zivilcourage ist Widerstand aus Überzeugung. Dabei geht es um alltägliche Meinungsfreiheit, die Achtung der Menschenwürde und das Engage-ment gegen Diskriminierung, Verletzung und Ungerechtigkeit. Leider kann dafür keine Patentlösung verschrieben werden. Dennoch gibt es ein paar wichtige Punkte die es wert sind, beachtet zu werden.

10 Schritte für mehr Zivilcourage im Alltag

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PflanzereiSät mit uns den Widerstand!Die April-Stammtischlerei hat sich mit zweierlei „Pflanzereien“ beschäftigt. Die großen Saatgutunternehmen, die oft gleichzei-tig Chemiekonzerne sind, wollen um jeden Preis ihr gentech-nisch verändertes und patentiertes Saatgut auf den Äckern die-ser Welt durchsetzen. Sie streben die Monopolisierung unserer tagtäglichen Ernährung an!Wir wollen uns nicht von ihnen pflanzen lassen! Deswegen gehen wir in die Werkstatt und in den Garten, wo wir selber Hand anlegen. Wie ihr dabei mitmachen könnt, haben wir dokumentiert.

Pflegen!Kaffee ist leicht sauer und enthält die Nährstof-fe Kalium, Stickstoff und Phosphor. Somit ist er perfekt um kalkhaltiges Wasser zu neutrali-sieren und eure Pflanzen zu stärken! Ameisen mögen den Kaffeegeruch nicht, Regenwürmer lieben ihn dafür! Tee enthält Tein, der einen desinfizierenden Ef-fekt haben soll und sogar Schädlinge vertreibt. Deswegen den nächsten kalt gewordenen Tee den grünen Freund_innen einschenken!

Pflanzen!Hartschalige Samen vor dem Säen in Wasser einweichen. Dann keimen sie sogar schneller, als auf der Pa-ckung angegeben. Das Gefäß sollte immer gleichmäßig feucht und warm gehalten werden. Bewährt hat sich eine Frischhalte-folie über dem Gefäß, die dann den Treibhauseffekt bewirkt.

Topfen!Einfach alte Milch- und Saftpackungen auf ei-ner Seite aufschneiden, mit Erde füllen und Samen säen. Große und kleine Joghurtbecher eignen sich gut, um einzelne Pflanzen großzuziehen. Wichtig ist es, ein paar Löcher zu stechen, da-mit keine Staunässe am Boden eurer neuen Töpfe entsteht.Eierkartons eignen sich gut, um Pflanzen zu ziehen. Sobald es draußen warm genug ist, einfach zerschneiden und mit Karton in den Garten setzen. Der Karton zersetzt sich von selbst in der Erde.

Tauschen!Am schönsten ist es noch immer, selbst ge-wonnenes Saatgut unter Freund_innen zu tauschen! Wenn ihr erst am Beginn eurer Gar-tenkarriere seid, oder neue Sorten ausprobie-ren wollt, bieten sich Pflanzentauschbörsen an, wo es oft seltene Pflanzen zu bestaunen gibt. Ein Vorreiter in Sachen Saatguterhaltung ist der Verein Arche Noah. Seit 25 Jahren er-hält und verbreitet der Verein die Vielfalt an Kulturpflanzen. Erwerben könnt ihr dort so spannende Pflanzen wie „Sweet Chocolate“, „Schönbrunner Gold“ und ca. 500 andere!

Ernten und Geniessen!Jonathan Mayer und Johanna Rachbauer

Der Mixer hat vor kurzem seinen Dienst quittiert? Auch die Kaffeemaschine hat den Geist aufgegeben, der Luft-entfeuchter entfeuchtet nicht mehr und der Toaster hat seine besten Tage ohnehin schon lange hinter sich? Für die meisten Haushaltsgeräte bedeutet ein Defekt das Aus. Aber muss das sein?

Damit wird ein klares Zeichen gegen Ressourcenverschwendung gesetzt

Das Reparatur- und Servicezentrum in der Lützowgas-se im 14. Wiener Gemeindebezirk hat es sich zur Auf-gabe gemacht, kaputten Geräten eine zweite Chance zu

geben. Nach dem Motto „Länger nutzen statt öfter kau-fen“ können hier eigene Geräte zur Reparatur gebracht und überholte Second Hand Geräte mit Gewährleistung erstanden werden. Damit wird einerseits ein klares Zeichen gegen Ressourcenverschwendung gesetzt und gleichzeitig ein Angebot für jene Menschen geschaf-fen, die es sich nicht leisten können oder wollen, alle paar Jahre etwa eine neue Waschmaschine zu kaufen. Doch das ist noch nicht alles. Im Keller der Werkstatt findet jeden Donnerstag das „Reparaturcafé Schraube 14“ statt und bietet eine Möglichkeit, Geräte kostenlos selbst zu reparieren. Neben fachkundiger Unterstüt-zung und Anleitung stellt das Reparaturcafé auch sämt-liche Werkzeuge zur Verfügung. Die Reparatur erfolgt aber auf eigene Verantwortung und muss grundsätzlich von jeder und jedem selbst durchgeführt werden.

Länger nutzen statt öfter kaufenEin Besuch im Reparatur- und Servicezentrum

An der Rezeption werden überholte Second-Hand-Geräte zum Verkauf angeboten

Als ich die Werkstatt betrete, werde ich von einer freundlichen Dame an der Rezeption begrüßt, die mir den Weg zum Reparaturcafé erklärt. Dort wird bereits eifrig gearbeitet, zwei Mitarbeiter vom Reparaturzent-rum kümmern sich um die „Patienten“, die heute einge-liefert wurden. Meistens läuft das so ab: Jemand kommt mit einem kaputten Gerät, erklärt, was nicht funktio-niert. Dann nimmt sich einer der beiden Mitarbeiter die Maschine vor, zerlegt sie gemeinsam mit dem/der Be-sitzer_in und versucht, eine Fehlerdiagnose zu erstel-len. Ist der Fehler gefunden, bekommt der/die Besit-zer_in eine Anleitung was zu tun ist und versucht, sein/ihr Gerät zu reparieren. Je nach technischen Kenntnis-sen und handwerklichen Fähigkeiten der Person helfen die beiden freundlichen Herren vom Reparaturzentrum aber auch selbst bei der Fehlerbehebung mit.

In den meisten Fällen ist die Reparatur ein Erfolg.

Einige Besucher_innen kennen sich selbst gut mit Tech-nik aus und kommen hauptsächlich wegen der Werk-zeuge und um die Meinung von Fachleuten einzuholen. Sie können die Reparatur alleine durchführen und hel-fen dann anderen. So kann an diesem Nachmittag allen Besucher_innen schnell weitergeholfen werden und in

den meisten Fällen ist die Reparatur ein Erfolg.Natürlich können nicht alle Geräte repariert werden, entweder stehen die notwendigen Ersatzteile nicht zur Verfügung oder die Reparatur macht wirtschaftlich ein-fach keinen Sinn. Doch warum eigentlich dieser ganze Aufwand? Das Reparieren von kaputten Geräten ist kein besonders rentables Geschäft im Zeitalter der Wegwerf-gesellschaft. Sepp Eisenriegler, der Gründer des Re-

paraturzentrums, erklärt, dass auch hier Reparaturen nur dann durchgeführt werden, wenn sie wirtschaftlich sinnvoll sind. Er spricht von geplanter Obsoleszenz, also von Schwachstellen, die von den Hersteller_innen bewusst in Geräte eingebaut werden, und erklärt, dass

die Reparatur bei modernen Geräten zunehmend kom-plizierter werde. Trotz schwieriger Bedingungen hält sich sein Betrieb seit mittlerweile mehr als 17 Jahren und wurde in dieser Zeit für seine Initiativen mehrfach ausgezeichnet, etwa 2007 mit dem Energy Globe Award für das Projekt „Waschmaschinen Tuning“, bei dem die Energieeffizienz alter Geräte gesteigert werden konnte. Auch die Ö3 Wundertüte, mit der jedes Jahr alte Handys eingesammelt werden, wurde in Zusammenarbeit mit dem R.U.S.Z. entwickelt. Der Erlös der Aktion kommt der Caritas zugute.

Viele der Beschäftigten sind Menschen mit Behinderung oder ehemals Langzeitarbeitslose

Als ich mit den Mitarbeiter_innen ins Gespräch kom-me, wird mir schnell klar, dass es hier nicht nur ums Reparieren an sich geht. Viele der Beschäftigten sind Menschen mit Behinderung oder ehemals Langzeitar-beitslose und haben selbst schwere Zeiten erlebt. Hier bekommen sie nicht nur eine feste Anstellung, sondern gleichzeitig auch die Möglichkeit, etwas Sinnvolles für andere Menschen zu leisten und jenen zu helfen, die sich eben nicht einfach ein neues Gerät kaufen können, wenn das alte einmal streikt. Sie wollen mit ihrer Arbeit etwas verändern und eine Alternative zum Wegwerfen schaffen.

Fabian Dworak

Ein Luftentfeuchter wird zur Reparatur eingeliefert

Zwei Mitarbeiter des R.U.S.Z. leiten die Reparatur an und helfen tatkräftig mit

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Begrünen wir das Graue!

Header: Michael Coghlan https://www.flickr.com/photos/mikecogh/14339335737/ (CC BY-SA 2.0)llustrationen: Agnes Reininger

Wer eine einfache, günstige und umweltfreundliche Methode sucht, um Hauswände, Gehwege und dunkle Ecken zu verschönern, kann’s mit die-sem lebenden Graffiti versuchen.

DU BRAUCHST DAFÜR:• Eine Hand voll gleichartiges Moos, von so viel Erde wie möglich befreit• Etwa 200 ml Buttermilch, nicht zu kalt• Einen Teelöffel Zucker• Wasser, wenn notwendig

Alle Zutaten in einen Mixer geben und auf niedriger Stufe mixen, bis eine verstreichbare Masse entsteht. Mit einem Pinsel auf unverputzte, idealer-weise feuchte Untergründe malen und immer wieder kontrollieren, dass die Mischung nicht vertrocknet.

Moos braucht Schatten und Feuchtigkeit um gut zu wachsen. Das solltest du also berücksichtigen, wenn du ein schönes Ergebnis haben möchtest. Die ganze Sache braucht außerdem ein bisschen Geduld – es wird einige Wochen dauern, bis wirklich etwas zu sehen ist. Du solltest daher auch ei-nen Ort wählen, an dem du oft vorbeikommst, eben um das Gemalte immer wieder zu befeuchten.Falls es nicht gleich klappt, nicht entmutigen lassen! Wie erwähnt, kann es an der Platzwahl des Graffitis liegen, dass nichts wächst. Zusätzlich sind einige Moosarten um einiges wucherfreudiger als andere. Wer ein bisschen herumexperimentiert – du kannst zum Beispiel einen Teil der Butter-milch mit Bier ersetzen – findet sicher irgendwann das Rezept, das ideal passt.

Viel Erfolg und Spaß dabei!

Agnes Reiniger

Moos Graffiti

UtopieRaum zum Träumen und Visionieren – wir sind davon überzeugt, dass es zum Umgestalten auch Ideen und Visionen braucht – damit wir wissen, wohin wir gehen und wofür wir kämpfen. Also her mit den Ideen!

Utopie bleibt Utopie wenn alle sagen es sei›nur‹UtopieGerald Dunkl

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„Hier wird Deutsch gesprochen!“Wenn nicht? – Wohin dann?

„Hier wird Deutsch gesprochen“, schimpft er vehe-ment. „Deutsch! Und nichts anderes! Vielleicht ein bisschen Englisch in der Schule. Aber sonst reden wir hier Deutsch! Wir sind in Österreich und Deutsch ist unsere Sprache. Das ganze Ausländisch versteht ja keiner!“ Um ihn herum sind viele Menschen, viele mit Migrationshinter – oder vordergrund, je nach Ansicht. Auch er hat einen Migrationshintergrund: seine Groß-eltern mütterlicherseits kommen aus dem heutigen Tschechien. Bei ihm ist es tatsächlich ein Hintergrund. Diese Herkunft spielt kaum mehr eine Rolle. Immerhin schimpft er auf Deutsch. Einige verstehen ihn nicht. Sie sprechen Ausländisch.

Österreich ist nicht deutschsprachig

Die Einstellung, die er vertritt, ist in Österreich im All-gemeinen und an unseren Schulen im Speziellen gang und gäbe. Sie bedeutet: Hier wird Deutsch gesprochen. Sonst nichts. Deutsch als Muss. Deutsch als einzige Unterrichtssprache. Deutsch als einzige Sprache, in der Informationsblätter, Elternabende, Tests, etc. aus-geschrieben und gehandhabt werden - freilich ohne Übersetzung, egal wie viele oder wenige sie verstehen. Sprachliche Mischformen gelten als eine Fehlleistung. Im Fachbegriff wird diese Art der Wahrnehmung als „monolingualer Habitus“ bezeichnet. Dieser dient in erster Linie zur gedanklichen Strukturierung der Welt. Als Menschen suchen wir nach Halt und Orientierung. Eine klare Richtlinie wie „Hier wird Deutsch gespro-chen“ lässt sich gut in unser Denken einfügen und hilft uns, unsere Wahrnehmungen zu ordnen und zu bewer-ten. Der Maßstab dafür sind die Normen unserer Ge-sellschaft. Ein Verstoß gegen diese erdachten Regeln führt zu einer negativen Bewertung. Diese wiederum ist der Nährboden für Strafen und für verschiedene Formen der Ausgrenzung. Was wir hier also vorfinden, ist eine Form des sprachlichen Rassismus („Linguizis-mus“): Menschen werden aufgrund ihrer Sprache, Ak-zente und Dialekte strukturell benachteiligt. Auf diese Weise können Rangordnungen und Machtverhältnisse

aufrecht erhalten werden. So werden verschiedene so-ziale Klassen und Ungleichheit geschaffen und erhal-ten. Das Bild, das in Österreich über die Normen von Sprache, Bildung und Migration herrscht, ist ein stark verzerrtes. Wie aber sehen Realität und Normalität tatsächlich aus?

Die „Normalität“ sieht dort so aus: das durchschnittliche Volksschulkind ist mehrsprachig.

Österreich ist nicht deutschsprachig. Österreich spricht nicht Österreichisch. Jedenfalls nicht nur: Österreich ist lebensweltlich und real mehrsprachig. Österreich ist amtlich deutschsprachig, aber besitzt auch andere regionale Amtssprachen. Österreich ist geprägt von ei-ner Vielfalt an Sprachen. Kein Wunder: Jeder 7. Mensch lebt woanders, als er geboren wurde. Alles Migrant_in-nen. Rund ein Fünftel der Österreicher_innen haben einen Migrationshintergrund. In Wien sind es derzeit ca. 38%. Migration ist ein wichtiges Thema und geht jede_n etwas an. Denn: Alle gesellschaftlichen Bereiche sind von Migration geprägt. In einer Zahl: 100% der österreichischen Kinder leben im Migrationskontext.

Über Migration und Sprache wird heute viel gestritten und viele Menschen fordern harte Einschränkungen. Würde Österreich die Zuwanderung stoppen wollen, so wären großteils Deutsche betroffen. Bei der Zu-wanderung nach Österreich stehen nämlich deutsche Staatsbürger_innen an der Spitze, gefolgt von Migrant_innen aus den Staaten Serbien, Montenegro, Kosovo et cetera. Warum aber wird aus manchen Herkunftslän-dern (z.B. Türkei) ein Problem gemacht, aus anderen (z.B. Deutschland) aber nicht? Aufgrund des Sprachun-terschiedes? Was ist dann mit Frankreich, England? Sind diese denn keine Gefahr für die „rein-deutsche“ Sprachnormalität, die uns offenbar so viel bedeutet? Was bedeutet sie überhaupt? Ist sie so, wie wir sie uns vorstellen?Ein Blick auf die „Sprachnormalität“: In Österreich be-sitzt jede_r fünfte Schüler_in eine andere Erstsprache

als Deutsch. In Wien sind es sogar 55%. Die „Norma-lität“ sieht dort so aus: Das durchschnittliche Volks-schulkind ist mehrsprachig. Und: Dies ist wunderbar. Darin steckt ein riesiges Potenzial. Nicht nur für diese Kinder, auch für Kinder, die mit ihnen zur Schule gehen dürfen. Somit auch für ganz Österreich. Besonders für die Zukunft Österreichs. All diese Kinder könnten eine beneidenswerte Möglichkeit haben: Schon in jungem Alter mehrere Sprachen gut zu lernen und damit die vielen Chancen, die dadurch eröffnet werden, zu nut-zen. Leider scheitert dies aber noch am Willen unserer Regierenden und Bildungsbeauftragten. Denn: Das Ge-bot „Hier wird Deutsch gesprochen“ ignoriert all die-se Fakten und jegliches Potenzial, welches darin liegt. Eine Folge davon: In Österreich gehört etwa ein Drittel aller Schüler_innen der 4. Schulstufe zu mindestens ei-ner der drei sozialen Gruppen, die Ausschlüsse durch das Bildungssystem erfahren: nicht deutsche Alltags-sprache, bildungsferner Haushalt und/oder schlech-ter Berufsstatus der Eltern. In urbanen Zentren sind dies sogar knapp die Hälfte der Kinder. Dies ist wider-sprüchlich und irrsinnig, wenn mensch bedenkt, dass nur 12% der Kinder von sogenannten Einheimischen auch noch andere Sprachen beherrschen als Deutsch,

während es aber bei Kindern von Migrant_innen 68% sind. Diese Kinder sind also mit Mehrsprachigkeit be-gabt – fallen aber trotzdem, oder gerade deswegen, in unserem Bildungssystem durch. Dies ist fatal für den Österreichischen Staat: Vielen Menschen wird dadurch eine Lebensperspektive zerstört. Schlechte Bildung, schlechter oder gar kein Job und die nächste Genera-tion ist wieder gefährdet. Das Teufelsrad dreht seinen Kreis. Die staatlichen Kosten für diesen Makel sind enorm. Profitieren tun davon nur sehr, sehr wenige. Auch sozial, wirtschaftlich und politisch ziehen wir mit so einer Einstellung den schwarzen Peter.

Was also tun? Es gibt eine EU-Richtlinie, die besagt, dass jede_r Bürger_in der EU mindestens drei verschie-dene Sprachen beherrschen soll: seine/ihre Erstspra-che, eine überregionale Verkehrssprache (z.B. Englisch) und eine Migrationssprache, welche gerade keine der dominierenden europäischen Sprachen sein soll. Dies ist keine naive Utopie. Es ist eine Idee, die in anderen Ländern seit langem ohnehin Standard ist. In vielen Ländern des Globalen Südens herrscht eine große Spra-chenvielfalt. Viele Menschen sprechen dort weit mehr Sprachen, als es die Richtlinie erzielen will. Die Realität Illu

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im unterentwickelten Österreich ist aber, dass jene, die diesem Ziel am nächsten kommen, deswegen systema-tisch ausgegrenzt werden. Dies gehört mit verschiede-nen Maßnahmen geändert. Es folgen drei Beispiele.

100% der österreichischen Kinder leben im Migrationskontext.

1. Erwartungen und Einstellungen: Sie müssen sich wandeln. Einsprachigkeit darf nicht länger bevorzugt werden, während Mehrsprachigkeit sanktioniert wird. Die Erwartung, dass Menschen, die hier (schon lange) leben, unsere Sprache lernen müssen, wir aber nicht ihre, ist absurd und gehört hinterfragt. Integration bedeutet offensichtlich für viele: Andere müssen sich an uns anpassen. Wir aber nicht an sie. Wir dürfen sie ausgrenzen und wir dürfen „integrationsunwillig“ sein. Dies ist nicht gerecht. Eine Gesellschaft funktioniert, wenn Menschen aufeinander zugehen. Das erfordert Engagement von beiden Seiten. Darunter fällt auch, die Sprachen der Mitmenschen anzuerkennen und sie bes-tenfalls zu lernen. Um diese Einstellungen zu ändern, benötigen wir viel Bildungsarbeit.

Schlagzeile aus „Heute 17.3.2015“

2. Sprachbildung: Eine (Erst-)Sprache, die weit entwi-ckelt ist, kann als Ressource genutzt werden. Folglich braucht es Räume, wo diese Sprachen gepflegt wer-den können. Dabei ist allerdings zu beachten, dass in den Familien in der Regel nicht Bildungs- sondern All-tagssprache verwendet wird, so dass die Erstsprache eventuell auch nur auf alltagssprachlichem Niveau vor-handen ist. Um dem entgegenzuwirken, ist es sinnvoll, die Erstsprache (z.B. in der Schule) weiter zu fördern, damit sie als Ressource zugänglich wird. Bei Kindern, die bereits in anderen Ländern beschult worden sind, können Lexika und Fachbücher in den Erstsprachen weiterhelfen. Auch gibt es viele Unterrichtsmethoden, welche hier nützlich sind. Beispielsweise können sich Kinder allein oder in Gruppen zuerst in ihrer Erstspra-che mit einem Thema auseinandersetzen, bevor dann gemeinsam eine Übertragung in die Unterrichtsspra-che stattfindet. Außerdem muss die Bildungssprache

(Sprache der Schule, Wissenschaft, etc.) explizit für alle Schüler_innen vermittelt werden. Denn das Niveau der Bildungssprache muss jede_r erlernen und dies ge-schieht nicht einfach nebenbei, wie lange angenommen wurde. Sie ist der Zugang zu den Inhalten, die gelernt werden sollen, und darum unentbehrlich für schuli-schen Erfolg.

3. Forschung und Fortschritt: Forschung und Schulver-suche können uns zeigen, welche Modelle erfolgreich sind. Sich daran zu orientieren sichert Fortschritt. Beispielsweise haben Schulversuche im Rahmen des FörMig Programms gezeigt, dass Unterricht, der auch in anderen Sprachen als Deutsch stattfindet, sehr er-folgreich sein kann. An einer Hamburger Schule wurde neben Deutsch auch auf Türkisch unterrichtet. Sowohl Zweit- als auch Erstsprachler_innen des Deutschen ka-men dadurch zu besseren Ergebnissen. Auch Konzepte wie das der „durchgängigen Sprachbildung“ haben sich dabei bewährt. (Ein Aspekt davon ist die Vermittlung der Bildungssprache in allen Fächern.) Obwohl diese Schule einen sehr großen Anteil an Kindern mit nicht deutscher Erstsprache hat, ist sie sehr beliebt und völ-lig überlaufen, denn die Erfolge dieser Konzepte sind überzeugend. Nicht aber in Österreich: Hier werden derartige Schulversuche und somit auch „Ausländer-schulen“ weiterhin gemieden.

Mehrsprachigkeit als Lösung, statt als Problem.

All diese Zahlen, Theorien und Versuche weisen in eine deutliche Richtung. Der Weg führt in eine Gesell-schaft, die auf Vielfalt nicht mit Repressionen antwor-tet, sondern sie akzeptiert und nützt. Diese nimmt die Herausforderung und Chance einer Mehrsprachigkeits-gesellschaft an, welche möglich ist, welche eine Gleich-stellung der Sprachen und Menschen anstrebt.

Mehrsprachigkeit als Lösung, statt als Problem. Die ers-ten Trampelpfade gibt es bereits – beschreiten wir sie!

Tobias Schlagitweit

Quellen- und Literaturangaben:(1) http://www.statistik.at/(2) Vorlesung von inci Dirim und Alisha Heinemann: Deutsch in der Migrationsgesellschaft (WS 2014)(3) Ingrid Gogolin u.a. (Hg.) (2013): Herausforderung Bildungssprach – und wie man sie meistert. Münster: Waxmann.(4) Mecheril, Paul & Quehl, Thomas (2006): Sprache und Macht. Theoretische Facetten eines (migrations)pädagogischen Zusammenhangs. In dies. (Hrsg.). Die Macht der Sprachen. Engli-sche Perspektiven auf die mehrsprachige Schule (S. 355-381). Münster: Waxmann.(5) Mecheril, Paul u.a. (Hg.) (2010): Spannungsverhältnisse. Assimilationsdiskurse und interkul-turell-pädagogische Forschung. Münster: Waxmann. Fo

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Achte gut auf diesen Tag, denn er ist das Leben –das Leben allen Lebens. In seinem kurzen Ablauf liegt alle seineWirklichkeit und Wahrheit des Daseins, die Wonne des Wachsens, die Größe der Tat, die Herrlichkeit der Kraft. Denn das Gestern ist nichts als ein Traumund das Morgen nur eine Vision.

Das Heute jedoch, recht gelebt, macht jedes Gesternzu einem Traum voller Glückund jedes Morgenzu einer Vision voller Hoffnung.

Darum achte gut auf diesen Tag.

Dschelal ed-Din Rumi

Ich fühle mich sehr sicher und friedlich in Wien. Die Menschen sind nett. Ich bin seit ungefähr zwei Jahren hier und habe kein Problem mit den Menschen und auch nicht mit der Kultur. Ich wünsche mir friedliebende Menschen und eine Politik, die Frie-den schafft, keinen Krieg und keinen Rassismus.In meiner eigenen Zukunft möchte ich eine Ausbildung machen und dann arbeiten.Abdullah

Ich glaube, Wien ist besser als andere Orte. In meinem Land ist seit 39 Jahren Krieg, obwohl die Menschen keinen Krieg haben wollen. Es gibt überall Menschen die guten, und Men-schen die schlechten Willens sind, aber in Österreich und in anderen Ländern denken die Leute, alle Afghan_innen seien gleich. Ich hatte letzten Monat einen Termin beim Arzt und konnte die Adresse nicht finden. Darum habe ich eine Frau nach der Adresse gefragt, aber sie hat vor mir Angst gehabt und ist sofort weg gelaufen, nachdem sie gesagt hat, dass ich ein „Schwarzkopf“ sei. So etwas finde ich schlecht hier in Österreich und ich wünsche mir, dass die Leute nicht alle Menschen verglei-chen. Ich will von den Menschen vor allem, dass sie mit Asylwerber_innen gut umgehen.Ich will von den Behörden, dass sie den Asylwerber_innen helfen, weil Sicherheit sehr, sehr schwer zu erlangen ist. Ich zum Beispiel habe – wie viele andere Jugendlichen - viele Wün-sche aber keine österreichischen Dokumente. Darum können wir in anderen Ländern nichts machen, nur wegen der fehlenden Dokumente. Und das kann Jugendliche verrückt machen. Hier ist es sehr gut, wenn mensch Dokumente hat. Dann lässt sich alles machen, was mensch will. Beispielsweise ist es dann möglich, zu studieren oder zu arbeiten..Ich will gerne in Österreich leben, weil mensch hier eine gute Zukunft hat. Ich will zuerst mein Deutsch verbessern und dann zur Uni gehen. Meine Lieblingsfächer sind Elektrotech-nik und Ingenieurwesen. Danach möchte ich sofort arbeiten. So kann ich meiner Familie, meinen Leuten und meinem Land helfen – und auch Österreich. Ich will meiner Familie und

meinem Land Ehre machen.Hamed

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öst erre ichischen dokuMent e.“

Wünsche und Gedanken junger Migranten in Wien

Ich bin seit 2009 in Wien. Ich finde, dass es für mich hier sehr gut ist. Ich wünsche allen Menschen viel Glück und Gesundheit im Leben und dass sie mir dasselbe wünschen. Ich wünsche mir ein Ende der Politik, weil ich denke, dass Politik nicht gut ist. Politik kann Familien zerstören und bringt nur Krieg.Von der Polizei kann ich nicht sagen, ob sie gut oder schlecht ist, denn die Polizist_innen machen nur ihre Arbeit. Ich möchte, dass sich die Menschen einfach normal gegenüber Asylwerber_innen verhalten. Niemand ist perfekt und mensch kann nicht verlangen, dass alle Leute sich immer richtig verhalten.Später in meinem Leben möchte ich arbeiten, um meiner Familie, meinen Freun-den und armen Leuten zu helfen und um auch Urlaub machen zu können. Ich will später in einem Dorf leben, weil es dort ruhig und stressfrei ist.Bakary

Ich heiße Tahir und ich komme aus Afghanistan. Ich bin 22 Jahre alt und ledig. Als ich in Österreich ankam, bin ich als Erstes nach Traiskir-chen gekommen, dann wurde ich transferiert nach Edliz Grimmenstein in Niederösterreich. Ich habe dort eineinhalb Jahre in einer Pension gelebt. Dort gab es immer schlechtes Essen und auch immer das gleiche. So etwas habe ich noch nie gegessen. Die Chefin hat immer mit uns gestritten und ich hatte dort ein schweres Leben.Dann habe ich eine Wohnung in Wiener Neustadt gefunden und ein Jahr dort gewohnt. Ich habe auch einen Deutschkurs gefunden, den ich vier Monate lang zwei Stunden pro Woche besuchte. Später habe ich einen Deutschkurs in Wien gesucht und gefunden. Ich wohne seit drei Monaten in Wien, weil ich einen po-sitiven Asylbescheid bekommen habe und zur Zeit besuche ich einen Deutsch-

kurs und bereite meinen Hauptschulabschluss vor.Die Stadt Wien gefällt mir. Ich habe in Österreich und Afghanistan verschie-dene Leute getroffen. Aber in Österreich denken viele Leute, dass alle Af-ghan_innen schlecht sind. Ich glaube jedoch, dass es überall gute und schlechte Leute gibt.Tahir

Das Bildungsprojekt AMOS startete im März 2014 im Rahmen des Don Bosco Flüchtlingswerk Austria. Die Idee des Projekts ist es, jungen Flüchtlingen zwi-schen 16 und 23 Jahren, die keinen Anspruch auf kostenlose Kursplätze haben, ebenfalls Zugang zu Bildung zu ermöglichen. Derzeit sind im Projekt neben einer hauptamtlichen Mitarbeiterin noch sieben ehrenamtliche tätig, die von immenser Wichtigkeit für AMOS sind. Im Kurs lernen die jungen Leute neben Deutsch auch Mathematik, Englisch und den Umgang mit Informationstechno-logien. Außerdem wird gemeinsam gekocht und gegessen. Das Projekt AMOS ist bemüht, eine Atmosphäre der Geborgenheit zu schaffen, in der das gemeinsame Lernen Spaß macht. Die Lernenden zeichnen sich so-wohl durch ihren Humor, ihr respektvolles Verhalten untereinander und ihren Lehrenden gegenüber, sowie durch ihre große Motivation aus.Barbara

Meine Utopie, mein Wunschtraum für ein angenehmes Miteinander aller Menschen in Wien, aus muslimischer Perspektive besteht aus der Abwesenheit verschiedens-ter Situationen, in denen sich viele Muslim_innen tagtäg-lich eingeschränkt fühlen.

Ich wünsche mir ein Wien, das mehr Plätze wie den Brunnenmarkt oder Naschmarkt hat, an dem die Poten-tiale der Diversität genutzt und positiv gesehen werden. Ich träume von Plätzen für junge Künstler_innen, an de-nen sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen können, von Stadtteilen die offen sind und vor allem für junge Leute eine angenehme Alternative in der Freizeit bieten. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der wir nicht mehr über Verbote von Kopftüchern diskutieren, oder darü-ber sprechen müssen, ab wann sexuelle Belästigung ein Straftatbestand sein soll.

In der ich als Muslima die Freiheit habe, in Bildungsein-richtungen mein Gebet zu verrichten, meine Spiritualität zu entwickeln und sie unkompliziert mit meinem Alltag in der Schule oder an der Uni verbinden zu können. Ich wünsche mir Respekt vor meiner Entscheidung, nicht mit fremden Männern in Körperkontakt treten zu wol-len und meinen Körper nur bestimmten Personen zur Schau zu stellen. Dass es nicht als beleidigend oder ein-geschränkt aufgefasst wird, sondern als meine persönli-che Entscheidung wahrgenommen und respektiert wird, ohne dass ich mich rechtfertigen muss für Entscheidun-gen, die im Grunde niemanden außer mich selber betref-fen und etwas angehen.

Dass es niemanden mehr interessiert, woher ich kom-me bzw. Menschen nicht ungläubig weiterbohren, wenn ihnen meine Antwort „Deutschland, aus ‘nem Dorf in der Nähe von Köln“ nicht gefällt. Erst wenn sie meinen Familienstammbaum abfragen und „Ghana“ hören, ver-schwindet der ungläubige Gesichtsausdruck: „Das hab ich ja gemeint“ – „Ja, da komme ich aber nicht her.“ Es wäre schön als die Person akzeptiert zu werden, als die mensch sich vorstellt. Nein, fremde Menschen wussten

noch nie besser, woher ich denn „wirklich“ komme und womit ich mich identifiziere.

Ich erwarte mir eine Beurtei-lung meiner Person aufgrund meines Charakters und mei-ner Kompetenzen, anstatt aufgrund meines äußeren Er-scheinungsbildes. Daraus folgt dann, dass ich mir für Wien einen Arbeitsmarkt wünsche, der niemanden dazu zwingt, nach einem abgeschlossenen Studium auszuwandern, da aufgrund des Namens oder der Herkunft eine Ableh-nung nach der anderen erfolgt, während im Ausland die besten Jobangebote warten.

Auch Debatten über die vermeintlich fehlende Integra-tion von gut ausgebildeten Musliminnen, die aber bitte das Tuch runter geben sollen, wenn sie in gewisse Po-sitionen möchten, können gerne in Zukunft auf Eis ge-legt werden. Ich hoffe, die Generation nach mir sieht PoC und Frauen mit Kopftuch nicht mehr nur als Putzfrauen, sondern selbstverständlich in allen Berufsbranchen und allen Positionen.

Für die folgende Generation hätte ich gerne ein Stra-ßenbild und eine Werbebrache, in der Frauen nicht zum Objekt gemacht werden und gewisse Idealmaße für alle Produkte herhalten müssen. Ob es um Shampoo oder Autos geht, halbnackte Frauen, egal wie sinnfrei in Be-zug auf das Produkt, sind allgegenwärtig und vermitteln ein sehr eingeschränktes, oberflächliches Frauenbild. Zudem wäre es auch schön, wenn rassistische Firmenlo-gos oder Straßennamen sowie Namen von Speisen nicht mehr der Diskussionen bedürften, wieso sich denn Men-schen durch sie angegriffen fühlen, sondern es selbstver-ständlich ist, solche Symboliken zu ändern. Dass Plakate gewisser Parteien irgendwann nicht mehr zum Stadtbild im Wahlkampf gehören, weil eh kein Mensch mehr emp-

Ich träume von einem uneingeschränkten Leben!Freiheiten nach denen sich eine Muslima in Wien sehnt

Die Autorin Naomi Afya

im Gemeindebau“ nie wieder vorkommen. Die Journalist_innen und Redakteur_innen sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein, die sie mit der Hetze und Stimmungsmache der Medien gegen bestimmte Minderheiten tragen.

Gesamtgesellschaftlich wünsche ich mir mehr Bewusst-sein, von muslimischer ebenso wie nicht-muslimischer Seite, weniger Konsumgier, Sensationslust und Angst vor Konsequenzen und Prinzipien. Dass wir mehr dar-auf schauen, wie der Wohlstand in dem wir leben über-haupt geschaffen wird. Dass wir darauf achten, was wir essen, woher die Nahrungsmittel kommen, wie und wo sie angebaut, die Tiere gehalten und unsere Kleidungs-stücke gefertigt wurden. Dass wir darüber nachden-ken, wieso wir uns so schwer tun, die Menschen, die eben aufgrund der Kriegstreiberei und Ausbeutung im globalen Süden durch den globalen Norden fliehen mussten, aufzunehmen. Unsere Geschwister, die Hab und Gut und vor allem Familie zurücklassen mussten, brauchen alles andere als brennende Unterkünfte oder Faschist_innen im Parlament.

Was mir Hoffnung gibt und die Stadt Wien für mich im-mer schmackhafter macht, sind verschiedenste Zusam-menkünfte mit anderen Aktivist_innen. Die Gründung des Netzwerk muslimische Zivilgesellschaft Ende des letzten Jahres rund um die Debatte zum Islamgesetz hat trotz des unschönen Anlasses wesentlich dazu beigetra-gen, dass ich mich in Wien heimisch fühle.

Vor allem Kooperationen mit anderen Aktivist_innen wie die der Initiative Anticapitalista, mit der wir gerade unse-re zweite Veranstaltung zum Thema „antimuslimischer Rassismus“ organisieren, motivieren mich. Genau solche gemeinsamen Aktivitäten um Missstände zu benennen, Lösungen zu finden und diese umzusetzen, braucht es langfristige Kooperationen.

Wir müssen füreinander Verantwortung übernehmen, um ein vollkommeneres Miteinander zu ermöglichen. Das wünsche ich mir, als Bewohnerin Wiens. Als Frau, Afrodeutsche und Muslima. Naomi Afya

fänglich ist für Rassismus und intolerante Hetze. Dass Gratisblätter wie „Heute“ und „Österreich“ vergeblich gedruckt werden, weil sich niemand mehr seine/ihre Gedanken vergiften lassen möchte.

Noch etwas zum Stadtbild: Es wäre schön, neben Kir-chen auch andere Gotteshäuser als Wahrzeichen Wiens zu haben. Stadtrundfahrten, bei denen Tourist_innen die Moschee an der Donau als „die Perle Wiens“ kennenler-nen, so wie z.B. in Hamburg die „blaue Moschee“ an der Alster stets als Hamburgs Perle und als Wahrzeichen vom Großteil der Bürger_innen bezeichnet wird. Eine Moschee mit Minarett sollte genauso wenig ein Ärgernis sein, wie eine Kirche mit Glockenturm.

„Die Menschen sind zweierlei. Entweder sind sie deine Geschwister im Glauben, oder sie sind

deine Geschwister in der Menschlichkeit.“

Imam Ali (as.)

Ich wünsche mir ein freundliches, weniger anonymes Verhältnis zu meinen Nachbar_innen, um die gute Nach-barschaft nach dem Vorbild des Propheten Muhammad (sas.) auch hier und heute pflegen zu können. Weniger Misstrauen, Vorurteile und Berührungsängste in der Ge-samtgesellschaft, stattdessen mehr Dialog, mehr natür-liche Akzeptanz und Offenheit – ein Leben miteinander. Einen Umgang auf der Basis von Menschlichkeit und Toleranz, weniger Urteile aufgrund vermeintlichen Wis-sens über Mitmenschen, die mensch nicht kennt, aber in verschiedenste Schubladen steckt. Ich wünsche mir vor allem für die folgenden Generationen einen selbstver-ständlicheren Umgang mit Menschen verschiedenster Überzeugungen und deutlichere Absagen an Rassismen, Stereotypsierungen und Dinge, die diese fördern.

Als angehende Medienmacherin erhoffe ich mir mehr Differenzierung und weniger Stereotypisierung: Dass es auch hier unüblich wird, den Namen, das Herkunftsland oder die Religionszugehörigkeit von Täter_innen zu nennen und dass Stories wie die der „Dschihadisten

Das Netzwerk muslimische Zivilgesellschaft bei der Anti-Pegida Demo in Januar

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GschichtldruckereiHeuteBaschir Ihsan stellt neuen Ratgeber vorImam verrät Lebens- tricks des Korans

Wende in der Asylpolitik

Innenministerin für Öffnung der europäischen Grenzen

Migrant_innen be-reichern Österreich

Haben sich noch vor eini-gen Jahren viele Leute über „die Ausländer“ beschwert, so ist das Meinungsbild heute beinahe durchwegs erfreulich. Die Gschichtl-druckerei befragte 15 000 Frauen und Männer auf Österreichs Straßen. Die Ergebnisse: Nur 5% denken, dass es zu viele Migrant_in-nen in Ö. gibt, die negativ auffallen und das Sozialsys-tem ausnützen. 11% sagen,

dass viele Migrant_innen sich mehr anstrengen sollten, sich in Österreich einzubringen. Die große Mehrheit von 84% hinge-gen findet, dass Migrant_innen sich großteils posi-tiv verhalten und dass sie nach ihren Möglichkeiten zu einem lebenswertem Ös-terreich beitragen. Sehr er-freulich ist, dass Ältere wie Jüngere, Frauen wie Män-ner diese Meinung teilen.

Laut Gschichtldruckerei hat sich dieses Stimmungsbild schon bei den letzten Natio-nalratswahlen abgezeichnet, bei denen die rechte FPÖ mit ihren ausländerfeind-lichen Werbeparolen eine schwere Niederlage einste-cken musste

Laut einer bundesweiten Gschichtldruckerei Umfra-ge nehmen Österreicher_innen aller Altersstufen

Migrant_innen sehr positiv wahr und schätzen ihren Beitrag zu einem vielfältigen, offenen Österreich.

Miss Austria bezaubert das LandDie Wienerin Alara Elmas über-zeugte vergangenes Wochenende die Jury beim diesjährigen Miss Austria Wettbewerb mit ihrer schlichten Schönheit und ihren klugen Antworten. Die 21-jährige Maschinenbau-Studentin dank-te in einer ersten Stellungnahme vor der Presse mit Freudentränen in den Augen ihren Eltern, Ge-schwister, Freund_innen und vor allem Allah. Die Wahl von Alara Elmas zur schönsten Frau Öster-reichs setzt ein Zeichen für Res-pekt den österreichischen Mus-lim_innen gegenüber und soll alle junge Menschen dazu ermu-

tigen, ihren Glauben bewusst zu leben, meint ein Jurymitglied.

Bei der Konferenz der europ. Innen-minister_innen zur Regelung der Außengrenzen Europas am 25.2. in Brüssel sprach sich die österreichi-sche Innenministerin „im Sinne der Menschenrechte“ für ein Ende der FRONTEX Aktivitäten aus und erntete dafür breite Zustimmung seitens der anderen Mitgliedsstaaten

Damit andere daraus lernen können: Auf 163 Seiten präsentiert der is-

lamische Gelehrte Baschir Ihsan in seiner Neuerscheinung „Die Weisheiten des Ko-ran im Alltag“, wie wir ein glückliches und gelungenes Leben in Einklang mit uns und unserer Umwelt führen können. - Leseempfehlung

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>> DAS NEUESTE KURZ:

>>Gesenkte Arbeitslosen-quote – weniger Burn Out:Laut Statistik Arbeit & Ge-sundheit konnten durch verringerte Arbeitszeiten deutlich niedrigere Quoten verzeichnet werden

>>Kein Smog in Österreich: Auf Österreichs Straßen zir-kulierten dank vermehrten Fahrgemeinschaften, öffent-lichen Verkehrsmitteln und Radfahrboom 2019 20% we-niger PKWs als im Vorjahr

>>Absage an Freihandels-abkommen: Die vernetzten europäischen Bewegungen konnten durch ihre zahlreichen und enga-gierten Protestaktionen den Abschluss des Handelsab-kommens TFCAP (Trade For Companies Against People) zwischen den USA, der EU und der AU stoppen

KunstRaum zum Gestalten und Färben – weil Farbe der Schlüssel zum Leben ist und damit uns nicht fad wird, soll Kunst auch Raum finden. Bunt oder Schwarz-Weiss, Text oder Sk izze ist dabei ganz egal.

Die Kunst ist eine Vermittlerin des UnaussprechlichenJohann Wolfgang von Goethe

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Ich versuchte, ihn zu finden am Kreuz der Christen, aber er war nicht dort. Ich ging zu den Tempeln der Hindus und zu den alten Pagoden, aber ich konnte nirgendwo eine Spur von ihm finden. Ich suchte ihn in den Bergen und Tälern, aber weder in der Höhe noch in der Tiefe sah ich mich imstande, ihn zu finden. Ich ging zur Kaaba in Mekka, aber dort war er auch nicht. Ich befragte die Gelehrten und Philosophen, aber er war jenseits ihres Verstehens. Ich prüfte mein Herz, und dort verweilte er, als ich ihn sah. Er ist nirgends sonst zu finden.

Dschelal ed-Din Rumi (1207 - 1273), auch Mevlana Dschelaluddin Rumi, persischer Mystiker und Dichter, Begründer des Sufismus, stiftete den Derwischorden der Mewlewije. Für viele Menschen ist er heute ein Vorbild für religiöse Toleranz.

Was, wenn du Angst vor der Zukunft hast? Was, wenn die Träume, die dich vorantreiben, zerplatzen? Worin findest du Halt? Wie weit kannst du gehen? Und wann musst du zugeben, dass du die Kontrolle verloren hast? All das sind Fragen, die der Film „Risse im Beton“ (Umut Dağ, 2014) stellt, aber auf die es wohl keine klaren Ant-worten gibt.

Ertan kommt nach Jahren aus dem Gefängnis frei. Er versucht, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen, aber leidet darunter, dass ihm der Kontakt zu seinem fünfzehnjährigen Sohn Mika verboten wird. Mika will Rapper werden, investiert in seinen Traum und gerät immer mehr in einen Teufelskreis aus dem es kein Ent-kommen gibt. Er macht Fehler, geht Risiken ein und muss die Konsequenzen tragen. Sein Traum geht nicht auf. Ertan sieht die Probleme seines Sohnes aus der Ferne und will ihm helfen. Dadurch wird er wieder in diesel-ben Situationen gezogen aus denen er geflohen ist und die er hinter sich lassen wollte. Dennoch ist er bereit, alles für Mika aufzugeben, aber letztendlich kämpft er gegen Kräfte an, die stärker als er zu sein scheinen.

Nach „Kuma“ (2012) versucht auch „Risse im Beton“ (2014) einen authentischen Blick auf das Leben in Wien zu werfen. Abseits der Touristenpfade zeigt der Film mit fast gleichgültiger Selbstverständlichkeit die Wettlokale am Praterstern, ein Jugendzentrum, nächt-liche Straßen, die Aussicht über den Donaukanal. Und Gewalt. Gewalt aus Frustration, Gewalt aus Wut, Gewalt aus Angst. Auch um die Authentizität der Sprache und Bewegungen bemüht, engagierte Umut Dağ hauptsäch-

lich Laienschauspieler_innen für die Rollen der Jugend-lichen. Das Ergebnis sind ehrliche, ungekünstelte, und tief bewegende Szenen – Momente, die einem den Atem stocken lassen.

Das Ergebnis sind ehrliche, ungekünstelte, und tief bewegende Szenen –

Momente, die einem den Atem stocken lassen.

Dass der Film im fünfzehnten Wiener Gemeindebezirk spielt und hauptsächlich von Jugendlichen mit Migrati-onshintergrund handelt, war für Umut Dağ zweitrangig. Vor allem kam es ihm darauf an, die Geschichte einer Vater-Sohn Beziehung zu erzählen – der eine musste für seine Vergangenheit gerade stehen, der andere läuft Gefahr in dieselben Fallen zu tappen wie sein Vater. Die Figuren stellen sich die Frage, wie sie gegen alte Mus-ter ankämpfen sollen. Wie können sie das scheinbar Unvermeidbare verhindern? Letztlich gelingt es „Risse im Beton“ wie kaum einem anderen Film zu erzählen, wie es kommt, dass Jugendliche in Abhängigkeitsver-hältnisse geraten, die sich um Macht, Geld und Loyali-tät drehen. Und dass selbst der stärkste Wille besser zu sein oft nicht ausreicht, um sich aus jenen Verhältnis-sen zu lösen.

Julia Ritter

Umut Dağ. 2014. „Risse im Beton“. Wega Film & Österreichischer Rundfunk. www. risseimbeton.com

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Murathan Murslu (Ertan), Alechan Tagaev (Mikail)

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„Emmanuel Mbolela schreibt in seiner autobiogra-phischen Erzählung über seine politische Aktivität im Kongo und die brutale Repression staatlicher Sicher-heitsorgane, die ihn in die Emigration zwingen. Er be-richtet auf eindrückliche Weise von der Gewalt und Ausbeutung während der Flucht. Quer durch die Saha-ra gelangt er bis nach Marokko, wo er eine Organisa-tion kongolesischer Flüchtlinge mitbegründet. Nach vier Jahren kann er in die Niederlande ausreisen (...). Im Zentrum der Demokratischen Republik Kongo gebo-ren, studierte Emmanuel Mbolela in seiner Heimatstadt Ökonomie, musste jedoch nach kurzer Haft aus politi-schen Gründen 2002 das Land verlassen. Seit 2008 lebt er in den Niederlanden. Er ist Vortragender und antiras-sistischer Aktivist.“1

Im Gespräch mit der Gschichtldruckerei sprach Emma-nuel Mbolela über die Flüchtlingspolitik Europas und sein politisches Engagement.

G*: Vielen Dank Emmanuel, dass Sie sich heute für dieses Interview Zeit genommen haben. Sie sind einer von vielen tausenden Flüchtlingen. Warum haben ge-rade Sie ein Buch über ihre Erfahrungen geschrieben und welche Ziele verfolgen Sie damit?Mbolela: Ich habe dieses Buch hauptsächlich zur Be-wusstseinsbildung in Europa geschrieben, betreffend der Situation der Flüchtlinge und vor allem der Durch-querung der Wüste. Denn in Europa weiß man viel mehr darüber, was sich im Mittelmeer abspielt, weil es dort

Journalist_innen gibt, die Fotos machen und darüber schreiben. In der Wüste hingegen gibt es das nicht, ob-wohl dort auch Menschen sterben, weil sie ihr Land ver-lassen müssen. Sie fliehen vor politischer Verfolgung, vor Leid und Armut. Sie wollen nach Europa und wenn sie in die Wüste kommen, erleiden sie schwierige Situationen. In Europa ist man darüber nicht informiert. Man weiß nicht, wie die Menschen nach Europa kommen und wie lange und beschwerlich dieser Weg ist. Ich habe selbst diese Situation mit meinen Weggefährten erlebt und ich habe mir gesagt, dass niemand darüber schreiben wird, wenn ich es nicht mache. Es war ganz und gar nicht ein-fach für mich, denn oft sind mir beim Schreiben die Trä-nen gekommen, aber aufgrund meiner engagierten Hal-tung war es mir wichtig, die Menschen darüber, was sich in der Sahara abspielt, zu sensibilisieren.

Wie bewerten Sie die europäische Flüchtlingspolitik?Ich habe immer gesagt, dass die Asyl- und Migrationspo-litik Europas eine zynische Politik ist. Sie ist sehr negativ, denn sie erzeugt Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Diese Politik respektiert nicht die Menschenrechte. Die Flüchtlinge kommen hier in Europa an, nachdem sie viele Grausamkeiten während ihrer Route erlitten ha-ben und werden in Abschiebehaftanstalten eingesperrt. Menschen in Europa verweigern ihnen Asyl und lassen sie einfach so auf der Straße stehen. Und dann werden sie festgenommen und abgeschoben. Ich habe immer gefordert, dass Europa seine Politik überdenkt. Denn es

„Die Grenzpolitik der EU tötet und erzeugt Rassismus“Emmanuel Mbolela spricht über seine Flucht und sein politisches Engagement

Die Idylle trügt: Flüchtlinge sind auf dem Weg durch die Wüste Überfällen, Hitze, der Polizei und der Willkür ihrer Transporteure ausgesetzt. Viele verlieren ihr Leben schon auf diesem Abschnitt ihrer Route.

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Syrien, stellt sich die Frage, wer diese Situation herbei-geführt hat. Anfangs wollte Europa, dass der ehemalige Präsident Assad seine Macht verliert und hat die Rebel-lengruppen unterstützt. Jetzt, wo der IS auftritt, zeigt sich, dass sie die Situation nicht mehr unter Kontrolle ha-

ben. Die Leute verlassen also Syrien, um einen sicheren Fleck Erde zu suchen und bitten um Asyl. Doch Europa will diese Menschen nicht aufnehmen, sondern lässt sie außerhalb von Europa, in den Ländern des Nahen Ostens wie Libanon, in schwierigen Situationen leben. Ich ver-lange, dass Europa seine Grenzen öffnet und die schutz-suchenden Menschen aufnimmt und ihnen hilft, sich in der europäischen Gesellschaft zu integrieren, denn diese Situation wurde von Europa verschuldet.

Welche Rolle spielen Organisationen wie die UNHCR, NGOs und kirchliche Initiativen im Bereich der Flüchtlingspolitik?Die UNHCR hat vorrangig eine humanitäre Mission. Zu diesem Zweck wurde die Organisation gegründet: um bedürftigen Menschen Schutz zukommen zu lassen. Was ist aber jetzt das Problem? Weil vor allem die UNHCR in Nordafrika von den Mitgliedsstaaten der EU finanziert wird, üben diese Druck aus, damit die UNHCR ihr hu-manitäres Programm ändere und das repressive Sicher-heitsprogramm der EU übernehme. Meiner Meinung nach muss diese Organisation ihr Programm revidieren.Bezüglich der Kirchen: Ja, es gibt Kirchen, die eine vor-bildhafte Arbeit leisten. Nicht zuletzt in Marokko habe ich evangelische und katholische Kirchen erlebt, die Migrant_innen und Asylsuchende, die zum Beispiel Sei-fe oder Medikamente brauchen, versorgen. Ich schätze diese Rolle der Kirchen und ich bitte, dass die Kirchen

ist nicht ohne Grund, dass die Leute ihr Land verlassen. Sie tun das nur, weil es dort ernste Probleme gibt, die sie zur Flucht drängen. Europa muss also verstehen, dass die Menschen vor Problemen fliehen. Es ist notwendig, dass Europa diese Grundprobleme attackiert, anstatt die Menschenrechte zu verhöhnen und Spannungen zu er-zeugen, die zu Rassismus führen.

Eine Folge dieser Politik sind die vielen Toten vor der Festung Europa. Können Sie etwas über das Ausmaß dieses Sterbens sagen und wer dafür zur Verantwor-tung zu ziehen ist?Ich kann keine Zahlen nennen, denn es sterben viele Menschen bei dem Versuch, die Sahara zu durchqueren und es ist ungewiss, wie viele es jeden Tag sind. Aber auch von den Menschen, die von Marokko, Tunesien, Libyen, usw. in kleinen Booten nach Europa aufbrechen, kennen wir nicht die Anzahl der Umgekommenen. Von den beispielsweise 100 Menschen, die in ein Boot stei-gen, kommen nur ganz wenige in Europa an. Wo sind die anderen hingekommen? Sie sind im Mittelmeer ertrun-ken. Wer ist dafür verantwortlich? Das ist Europa, denn Europa hat diese Barrieren geschaffen. Wenn jemand von einem afrikanischen Land aus ein Visum für ein eu-ropäisches Land beantragen will, dann ist das schwierig. Das bewirkt, dass Menschen gezwungen sind, gefährli-che Wege einzuschlagen, auf denen viele sterben. Europa ist also, aufgrund seiner Politik der Grenzauslagerung, verantwortlich für die vielen Toten im Mittelmeer und in der Wüste.

Wer ist das konkret?Wenn ich von Europa spreche, dann meine ich die Füh-rung der Europäischen Union. Die EU praktiziert eine Grenzpolitik, die durch die „Sicherheitsvorrichtungen“ der FRONTEX dazu führt, dass die Menschen im Mittel-meer und in der Wüste sterben.

Welche Auswirkungen hat diese europäische Politik außerhalb Europas in den Ländern des Maghreb und im Nahen Osten?Diese Politik der Grenzauslagerung kooperiert mit den Ländern des Maghreb. Europa finanziert diese Länder, um ihre Grenzen zu kontrollieren. Nun ist aber bekannt, dass es in diesen Ländern Menschenrechtsverletzungen gibt. Das selbe Europa, das sich immer als Garant für humanitäre Rechte und Freiheiten gibt, verhandelt also mit Ländern, die die Menschenrechte nicht respektie-ren, damit diese ihre Grenzen verwalten. So kommt es, dass in den Ländern Nordafrikas die subsaharischen Migrant_innen festgenommen und in die Wüste abge-schoben werden, wo sie tagtäglich sterben. Die Politik der EU zieht in Nordafrika Konsequenzen nach sich.Bezüglich der aktuellen Situation im Nahen Osten und

Emmanuel Mbolela bei der Präsentation seiner autobiographi-schen Erzählung gemeinsam mit Dieter Behr.

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damit fortfahren.Es gibt auch andere NGOs, die eine wichtige Rolle spie-len, zum Beispiel Afrique Europe Interact, bei welcher ich auch aktiv bin. Diese Organisation kämpft für und unterstützt Migrant_innen und Sans-Papiers. Ich selbst habe auch eine Organisation in Marokko gegründet, die ARCOM (Association des Réfugiés et Démandeurs d´A-sile Congolais au Maroc). Diese setzt sich für die Rechte und Freiheiten der Flüchtlinge ein und vernetzt sie mit Organisationen, die ihnen bei der Lösung ihrer Probleme helfen können.

Die Flüchtlinge, die in Europa ankommen, erleben oft erneut Fremdenfeindlichkeit und Erniedrigung. Wie spüren Sie Rassismus in den Niederlanden? Gibt es auch Unterstützung?Das habe ich beides erlebt, als ich angekommen bin, und davon ist auch in meinem Buch zu lesen. Im Bereich Ar-beit wurde ich von meinem Arbeitgeber ausgebeutet. In seiner Firma, in der ich unter inhumanen Zuständen arbeitete und mir ein Hungerlohn bezahlt wurde, war die Mehrheit der Arbeitenden Immigrant_innen. Wir wurden aufgrund unseres Status als Immigrant_innen so schlecht behandelt.Es muss aber auch gesagt werden, dass ich nach meiner Ankunft nette Familien getroffen habe, die mich unter-stützt und mir geholfen haben, mich in die holländische Gesellschaft zu integrieren. Es gibt in Holland auch Or-ganisationen, die Immigrant_innen mit den Formalitäten helfen und dabei, Anschluss zu finden.

Sie haben schon Afrique-Europe Interact angespro-chen, in der Sie aktiv sind. Was sind die Forderungen dieser Organisation bezüglich der Flüchtlingspolitik in Europa?Wir fordern ganz einfach eine humanitäre Politik Euro-pas, statt einer Politik, die Rassismus und Hass schürt, statt einer Politik, die täglich Leid und Tod für Flüchtlin-ge und Migrant_innen bringt.

Eine der Hauptforderungen von Afrique-Europe Inter-act ist die globale Bewegungsfreiheit. Reicht das tat-sächlich aus? Wäre es nicht erstrebenswert, die Reich-tümer unseres Planeten so zu verteilen und solche Bedingungen zu schaffen, dass niemand mehr dazu gezwungen ist, sein Leben durch Flucht zu retten?Das stimmt, die Bewegungsfreiheit allein genügt nicht, denn sie löst nicht die Wurzel des Problems. Das eigent-liche, fundamentale Problem ist nämlich die Situation in den Ländern, aus denen die Menschen in Massen fliehen. Diese Situation gilt es zu ändern, damit die Menschen ein Leben unter humanen Zuständen führen können und nicht mehr dazu gezwungen sind, ihr Land zu verlassen. Momentan besteht eine ungleiche und ungerechte Ver-

teilung der Güter: Viele afrikanische Länder haben ei-nen großen Rohstoffreichtum, der im Interesse Europas ausgebeutet wird, sodass die Bevölkerung nicht mehr von ihrem Land leben kann. Damit das möglich ist, un-terstützt Europa diktatorische und korrupte Länder, in denen Menschenrechte nicht respektiert und Menschen, die sich gegen ihr ungerechtes Regime auflehnen, ver-folgt werden. Die Bevölkerung solcher Länder muss also fliehen, entweder um akuter politischer Verfolgung zu entkommen oder um ihr Überleben und das ihrer Fami-lien zu sichern.Darum fordert Afrique-Europe-Interact auch eine ge-rechte Entwicklung der Beziehung zwischen Europa und Afrika. Diese Missstände, welche die Gründe der mas-senhaften Flucht von Afrika nach Europa sind, müssen behoben werden!

Sie haben als Student begonnen, sich in der Opposi-tionspartei UPDS in der Demokratischen Republik Kongo politisch zu engagieren. Warum haben Sie sich unter so gefährlichen Umständen dazu entschieden?Ich habe die ungerechte Situation im Kongo selbst er-lebt. Das Land ist sehr reich an Bodenschätzen, doch die

Bevölkerung ist arm. Mbuji Maji, die Stadt, aus der ich komme, fördert weltweit die meisten Diamanten, und trotzdem mangelt es an Infrastruktur und viele Kinder können nicht zur Schule gehen, weil ihre Eltern eine Aus-bildung nicht bezahlen können. Der jahrelange Krieg um die Rohstoffe hat inzwischen 6 Mio. Menschen das Le-ben gekostet. Der Präsident Joseph Kabila tritt die Men-schenrechte mit Füßen, doch er wird von den westlichen Mächten unterstützt. Diese Umstände haben mich em-pört und ich wollte mich dagegen einsetzen. Mein politi-sches Engagement hat dazu geführt, dass ich festgenom-men wurde und fliehen musste. Auch während meiner Flucht habe ich Ungerechtigkeiten erlebt und deshalb mein Engagement fortgeführt.

Haben Sie auf dem Weg vom Kongo nach Marokko Strukturen angetroffen, die Flüchtlinge unterstüt-zen oder Formen des Zusammenhalts zwischen den Flüchtlingen erfahren?Während meiner Route nach Marokko gab es keine Strukturen zum Schutz und zur Hilfe der Flüchtlinge. Was es aber sehr wohl gab und gibt, ist eine Solidarität der Flüchtlinge untereinander. Wenn wir in Gruppen einen Wegabschnitt gemeinsam bewältigten, halfen wir einander, indem wir beispielsweise Wasser und Nahrung teilten oder uns beim Tragen derjenigen, die nicht mehr weitergehen konnten, abwechselten.

Sie waren dann mehrere Jahre in Marokko, wo Sie die ARCOM gegründet haben. Wie kam es dazu und wie war diese Organisation aktiv?Der Auslöser für die Gründung von ARCOM war die Festnahme und Abschiebung einer Frau mit ihrem neu-geborenen Baby in die Wüste. Als ich davon erfuhr, war ich sehr empört und kontaktierte meine kongolesischen Freunde, die ich schon von der Reise kannte. Wir grün-deten also diese Vereinigung der kongolesischen Flücht-linge und Migrant_innen in Marokko, um die Gewalt an uns Flüchtlingen öffentlich zu machen und um zu zeigen, dass wir existierten. Wir waren dazu in Kontakt mit ma-rokkanischen und internationalen Menschenrechtsorga-

nisationen. Wir organisierten Protestaktionen, Demons-trationen und versuchten, Abschiebungen in die Wüste zu verhindern, beziehungsweise bekanntzumachen und die UNHCR zum Eingreifen zu zwingen. Denn die marok-kanischen Behörden ignorierten die offiziellen Asylpa-piere, die die UNHCR vielen Flüchtlingen ausstellte.Heute gibt es auch ein Frauenhaus in Rabat, das wir mit Afrique-Europe-Interact aufgebaut haben. Ziel ist, die Frauen, die in Marokko ankommen, vor der sexuellen Ge-walt, der sie seitens der Polizei aber auch in den überfüll-ten Wohnungen ausgesetzt sind, zu schützen. Wir konn-ten dieses Projekt durch Spenden finanzieren, die ich bei meinen Buchpräsentationen bekommen habe und wir suchen natürlich immer noch nach Spenden, damit wir das Haus erweitern können, um mehr Frauen Platz zu geben. (Kontaktdaten siehe Kästchen)

Mittlerweile haben Sie in Holland Asyl bekommen. Trotzdem haben Sie ihr Engagement nicht beendet und sind jetzt Mitglied von Afrique-Europe-Interact (siehe Artikel Watch the Med in der Rubrik Kreak-tiv). Wofür setzt sich diese Organisation ein?Wir kämpfen für den Status der Sans-Papiers, für eine Änderung der europäischen Migrationspolitik im Sin-ne der globalen Bewegungsfreiheit und für mehr Be-wusstsein in der Bevölkerung bezüglich der Situation von Flüchtlingen. Wir engagieren uns aber auch für eine gerechte Entwicklung der Beziehungen zwischen Euro-pa und Afrika. Ein konkretes Projekt dazu ist momentan eine Kampagne zum Thema Landraub in Mali. Durch die-sen groß angelegten Landraub verlieren die Menschen ihre Existenzgrundlage, wandern in die Städte, wo sie großes Elend und mangelnde Arbeit antreffen,.Viele sind gezwungen, die Flucht nach Europa anzutreten.

Wie kann die Zivilbevölkerung in Österreich diesbe-züglich aktiv werden? Können Sie zum Abschluss ei-nen Appell an unsere Leser_innen richten?Ich denke, dass Bürger_innen sich dafür engagieren können, dass die Situation der Flüchtlinge und die Hin-tergründe von Flucht bekannt werden und dass die mo-mentane Flüchtlingspolitik Europas dadurch nicht län-ger aufrecht erhalten werden kann. Die Flüchtlinge, die in Europa angekommen sind, brauchen Unterstützung, um sich in einem neuen Land zurechtzufinden. Auch auf dieser Ebene ist Engagement möglich und nötig. Vor al-lem Student_innen sind im Laufe der Geschichte immer wieder Katalysatoren der Veränderung gewesen. Eure Rolle als Beschleunigende und Auslösende von Wandel ist sehr wichtig!

Johanna Rachbauer1 Baiculescu, Michael (2014): Umschlag. In: Mbolela, Emmanuel: Mein Weg vom Kongo nach Europa. Wien: Mandelbaum Verlag

Kontaktdaten Email Adresse Emmanuel Mbolela: [email protected] für das Frauenhaus in Rabat:Name: Globale Gerechtigkeit e.V Bank: GLS Gemeinschaftsbank IBAN: DE67 430609672032237300 BIC:GENODEM1GLSSpenden steuerlich absetzbarInformation zum Frauenhaus: http://afrique-europe-interact.net/1318-0-Das-Projekt.html

Illustration: Madame Ska

Dramatisierte Fassung des Fluchthilfeprozesses.

Im Gerichtssaal Wr. Neustadt findet kurz vor Mitternacht nach stundenlangem Warten die Schuldsprechung statt. Anwesend sind die Richterin, Staatsanwältin, Verteidigung, die Angeklagten, Polizei, Medien und zusehende Personen.

Dramatisierte Fassung von Franz Kafkas „In der Strafkolonie“.

Um den Exekutionsapparat stehen bei sengender Hitze der Offizier, der Reisende, der Soldat und der Angeklagte.

Der Offizier ist bemüht, seiner Begeisterung angesichts der ausgefeilten Maschine Ausdruck zu verleihen; der Reisende versucht zu verstehen.

Der Reisende sieht flüchtig auf den Angeklagten hin; dieser hält den Kopf

gesenkt und spannt alle Kraft seines Gehörs an, um etwas zu erfahren. Die Bewegungen

seiner wulstig aneinandergedrückten Lippen zeigen, dass er

nichts verstehen kann. Der Reisende will mehrmals eine Frage formulieren.

Der Reisende: Kennt er sein Urteil?

Der Offizier: Nein. Er will in seinen Erklärungen fortfahren, wird aber vom Reisenden unterbrochen.

Der Reisende: Er kennt sein eigenes Urteil nicht?

Der Offizier: Nein.

Er stockt einen Augenblick, als verlange er eine nähere Begründung vom

Reisenden, antwortet dann aber: Es wäre nutzlos,

es ihm zu verkünden. Er erfährt es ja auf seinem Leib.

Der Reisende wollte schon verstummen, als er vom fragenden Blick des Verurteilten getroffen wird.

Der Reisende: Aber dass er überhaupt verurteilt wurde, das weiß er doch?

Der Offizier: Auch nicht. Er lächelt den Reisenden an, als erwarte

er nun von ihm noch einige sonderbare Eröffnungen.

Der Reisende streicht sich über die Stirn: Nein? Dann weiß also der Mann auch

jetzt noch nicht, wie seine Verteidigung aufgenommen wurde?

Der Offizier spricht ins Abseits, als rede er zu sich selbst und wolle

den Reisenden durch Erzählung dieser ihm selbstverständlichen Dinge nicht beschämen:

Er hat keine Gelegenheit gehabt, sich zu verteidigen.

Der Reisende: Er muss doch Gelegenheit

gehabt haben, sich zu verteidigen.

Der Reisende steht von seinem Sessel auf.

Die Richterin tritt ein, es kommt zur Urteilsverkündung. Nur wenige stehen auf.

Die Richterin: Vernehmen Sie das Urteil, im Namen der Republik. Der

Erst-, der Zweit-, der Dritt-, der Fünft-, der Sechst-, der Siebt- sowie der Achtangeklagte sind schuldig.

Die Verteidigung wirft ein: Aber Euer Ehren, die Angeklagten verstehen Eure Urteilsverkündigung nicht.

Sie sprechen eine andere Sprache.

Die Richterin ignoriert den Einwurf und fährt fort: Sie haben in Traiskirchen und

Wien die rechtswidrige Ein- und Durchreise in und durch Mitgliedsstaaten der EU,

insbesondere von Ungarn, nach insbesondere Deutschland und Italien gefördert, um sich und Dritte zu bereichern.

Die Angeklagten sehen sie mit erwartungsvollen Blicken an; einige von ihnen lächeln von Zuversicht gequält.

Die Richterin: Dabei ist die Anzahl der Personen in den meisten

Fällen nicht mehr feststellbar, zumindest aber in zwei Fällen und das Zielland

nicht selten ein unbekanntes Land der Europäischen Union.

Beim Wort „Europäische Union“ heben die Angeklagten ihre Köpfe und blicken abwechselnd zur

Richterin und zur Verteidigung, die zwar zu Einwürfen anheben will,

doch aufgrund der unbeirrten Rede der Richterin davon abgehalten wird. Anerkennendes Nicken der Staatsanwältin.

Die Richterin: Die Erst-, Fünft- und Siebtangeklagten haben die Tat gewerbsmäßig,

die Erst-, Zweit-, Dritt-, Fünft-, Sechst- und Siebtangeklagten diese hinsichtlich einer

größeren Anzahl von Personen und die Erst-, Zweit-, Dritt-, Fünft-, Sechst- und Siebtangeklagten

die Tat als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung begangen…

Die Verteidigung unterbricht: … eine kriminelle Vereinigung, die an ihrem Geschäft verliert, Euer Ehren.

Die Richterin scheint die Verteidigung nicht gehört zu haben und fährt fort:

…beim Achtangeklagten liegt nur der Grundtatbestand, ohne weitere Qualifikationen vor.

Dem Zweitangeklagten wird zusätzlich zu §114 FPG noch die Sachbeschädigung einer Krawatte vorgeworfen.

Eine dem Prozess beiwohnende Zuseherin von den Rängen ruft: Übersetzen Sie doch!

Sätze über übersetzte Gerechtigkeit

Die Richterin fährt unbeeindruckt weiter, daraufhin erhebt sich die Reisende.

Der Offizier scheint angesichts des Aufstandes der Reisenden etwas irritiert zu sein, kratzt sich am Hinterkopf und murmelt in seine Krawatte: Es ist immer bedenklich, in fremde Verhältnisse entscheidend einzugreifen. Sie sind weder Bürgerin der Strafkolonie, noch Bürger des Staates, dem sie angehört. Auch wenn Ihnen die Un-gerechtigkeit des Verfahrens und die Unmenschlichkeit der Exekution zweifellos erscheint, sind sie doch eine Fremde und haben still zu sein.

Die Zuseherin schüttelt ungläubig den Kopf und zeigt auf den Exekutionsapparat: Sie betreiben ein unlauteres Verfahren. Die Angeklagten können nicht schul-dig gesprochen werden, sie haben sich bereits entschuldigt. Jeder einzeln. Der Offizier fasst sich, geht im Gerichtsaal ein paar Mal auf und ab, hält inne und sagt: Der Grundsatz nach dem ich entscheide, ist: Die Schuld ist immer zweifellos. Sie wollen diesen Fall erklärt haben? Es ist ein ganz einfacher Fall.

Die Richterin, weiterhin unberührt von den Zwischenfällen: Die Angeklag-ten werden schuldig gesprochen, Menschen begleitet, verpflegt, beher-bergt und ihnen Übernachtungsmöglichkeiten verschafft zu haben.

Es kommt zu Tumulten; Menschen verlassen den Gerichtssaal, Türen knallen, von außerhalb des Gerichtssaals drängen Rufe nach innen.

Der Zweit-, Viert-, Fünft-, Sechst-, Siebt-, und Achtangeklagte bleiben still. Der Erst- und Drittangeklagte protestieren lautstark: Wir ak-zeptieren dieses Urteil nicht.

Daraufhin werden die Angeklagten vom Offizier auf den Exeku-tionsapparat gezerrt und mit den Riemen befestigt. Die Nadeln der Maschine beginnen auf ihre Rücken das Urteil zu schreiben. Daraufhin starren die zusehenden Personen sprachlos auf den Apparat. Die Richterin fühlt sich das erste Mal in ihrer Rolle be-drängt und sieht sich in Erklärungsnot. Etwas zögernd sucht sie Kontakt zu den anwesenden Personen und deutet auf die Maschine.

Die Richterin (stammelnd): Ihr alle wisst, hier geschieht Gerechtigkeit.

Cristina Yurena, Jakob Frühmann

Die Zitate basieren zu einem Gutteil auf persönlichen Erinnerungen und Gerichtsprotokollen von Blogeinträgen.

Erstveröffentlicht bei engagée | politisch-philosophische Einmischungen www.engagee.orgFoto: Cristina Yurena

DiskussionenZwei Mal im Semester reden wir

mit Expert_innen und jedermensch Klartext über ein Thema, das uns unter den Fingernägeln brennt.

StammtischlereiImmer am zweiten Donnerstag im Monat treffen wir uns, um zu utopisieren, uns zu empören, Kunst zu produzieren und zu genießen - oder einfach nur, um einen gemütlichen Abend zu verbringen. Komm doch mal vorbei!

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KreaktivismusUnsere gedruckten Gschichtln

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"Pegida-Anhänger verteidigen religiöse Werte, an die sie selbst nicht glauben, gegen Menschen, die es bei ihnen nicht gibt, von denen aber in den Medien berichtet wird, die sie für Lügner halten." Der deut-sche Kabarettist Christian Ehring bringt mit dieser Aussage nicht nur die Irrationalität der berühmt-be-rüchtigten Anti-Islam-Bewegung, sondern die einer ganzen Problematik auf den Punkt. Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen, werden noch wei-ter an den Rand gedrängt. Integrationsunwillig seien

sie. Nicht einmal Deutsch sprächen sie. Noch bevor ein/e Zuwander_in das Land betritt, sind die Urteile gefällt. Augen und Ohren werden verschlossen, die Schublade geöffnet. Aber wer ist hier wirklich inte-grationsunwillig? Sind es diejenigen, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um in einer völlig neuen Umgebung ihr Glück zu versuchen? Oder sind es diejenigen, die zur so genannten "Mehrheitsgesellschaft" gehören, und vor jeder neuen Entwicklung, die ihnen fremd ist, die Augen verschließen?

Straßenbahngedanken