handelsblatt topic

9
Sponsored by Wie Strom, Wärme und Internet zusammenkommen Die Zukunft der Energie Topic Nr. 77 Donnerstag 22. April 2010 Total vernetzt

Upload: mike-boedger

Post on 25-Mar-2016

229 views

Category:

Documents


0 download

DESCRIPTION

Schwerpunktthema Energie

TRANSCRIPT

Page 1: Handelsblatt Topic

HANDELSBLATT: HB - XBEILAGE1 - 1 - 77 - 22.04.10 < 1 > - FARBE: Composite - Sendetermin: 21.04.10 15:18

HB: HB - XBEILAGE1 - 1 - 77 - 22.04.10 < 1 > FARBE: Composite - Sendetermin: 21.04.10 15:18

Sponsored by

Wie Strom, Wärmeund Internet zusammenkommen

Die Zukunft der Energie

TopicNr. 77 Donnerstag 22. April 2010

Total vernetzt

Page 2: Handelsblatt Topic

GRAFIK:Das Netz soll mitdenken.Damit das funktioniert,müssen die Energieversorgervor allem die Stromverteilungverbessern. Die Komponentendes Netzes. Seiten 8, 9

PERFEKTES TIMING:Moderne Haussteuerungenmachen das Leben nicht nurkomfortabler, sie reduzierenauch den Stromverbrauchund nutzen günstige Tarife –ganz von allein. Seite 12

ABENTEUER E-MOBIL:Politik und Industrie habensich festgelegt: DemElektroauto gehört dieZukunft. Aber Deutschlandist noch nicht überzeugtdavon. Seite 14

AUFBRUCH:Auf die Energiekonzernekommen große Heraus-forderungen zu. Sie müssendie Netze intelligent machen,um die Stromversorgung zusichern. Seite 4

KEIN ANSCHLUSS:Die Politik will dengrundlegenden Umbau derEnergieversorgung. Aber sieschafft es nicht, denerforderlichen rechtlichenRahmen zu setzen. Seite 7

SELBSTREGELND:Industrie und Forscherentwickeln Techniken fürdas intelligente Stromnetz.Experten sehen hiereinen milliardenschwerenMarkt. Seite 10

Inhalt

Arndt Neuhaus,VorstandsvorsitzenderRWE Rheinland Westfalen Netz

Netze fürdie Energievon morgen

ImpressumHandelsblatt GmbH (V. i. S. d. P); Kasernenstr. 67, 40213 Düsseldorf; Chefredakteure: Gabor Steingart, Bernd Ziesemer; Art Director: Nils Werner;Chefin vom Dienst: Susanne Wesch;Verantwortlicher Redakteur: Jürgen Flauger; Layout: Ute Doerenkamp; Bildredaktion: Hendrik Rauch; Titelfoto: pixsil.com/Visum; Bildbearbeitung: Holger Hopp;Grafik: Jean-Philippe Ili;Autoren: Markus Fassen, Jürgen Flauger, Hans Schürmann, Klaus Stratmann;Geschäftsführung: Dr. Tobias Schulz-Isenbeck, Dr. Michael Stollarz; Anzeigenverkauf: iq media marketing, Tel.: 0211/887-0; verantwortlich für Anzeigen: Ute Wellman

Bei der Energie sind Versor-gungssicherheit, Wirtschaftlich-keit und Umweltverträglichkeit

oberste Ziele. Sie gelten sowohl fürdie Erzeugung als auch für die Vertei-lung. Die deutschen Stromnetze sindleistungsfähig und zuverlässig, die iminternationalen Vergleich geringenAusfallzeiten belegen dies. Aber siemüssen für die Zukunft fit gemachtwerden. Denn die Marktbedingungenändern sich, die Technik wird innovati-ver und der Stromverbraucher flexib-ler – nicht zuletzt durch die demogra-fische Entwicklung.

Verantwortlich und vorausschau-end handeln heißt, die Stromnetzemit Milliardeninvestitionen intelligen-ter zu machen. Sie müssen in derLage sein, die Veränderung auf Ange-bots- und Nachfrageseite effizient zumanagen. Erforderlich ist dazu ein Zu-sammenwachsen der Stromverteil-technik mit neuester Informations-und Kommunikationstechnologie.

Die intelligenten Netze von mor-gen müssen für die schwankendenEinspeisungen aus erneuerbaren Ener-giequellen genauso gerüstet sein wiefür ganz neue Angebote, etwa dieElektromobilität. Es müssen Verbin-dungen von Windparks vor den Küs-ten bis zu den Verbrauchern gebautund Stromspeichermöglichkeiten ge-schaffen werden, denn der Windweht nicht immer dann, wenn Stromgebraucht wird. Und smarte Technolo-gien, etwa in der Haustechnik, müs-sen integriert werden. Die Stromver-braucher von heute werden die klei-nen Stromproduzenten von morgensein. Zudem wird die Stromnachfragedurch moderne Raumwärmetechni-ken wie die Wärmepumpe und durchneue zeitabhängige Tarife zuneh-mend flexibler.

RWE Rheinland Westfalen Netz alseiner der größten Verteilnetzbetreiberin Deutschland stellt sich diesen enor-men Herausforderungen und ist auf al-len Feldern intelligenter Techniken anvorderster Front aktiv. So führen wirdas vom Bundeswirtschaftsministe-rium geförderte Projekt „Netze der Zu-kunft“. Bei den Smart Metern hat RWEin Mülheim an der Ruhr das bundes-weit größte Pilotprojekt aufgelegt.

Im Ergebnis werden alle intelligen-ten Techniken einen wichtigen Beitragleisten für sparsameren Energiever-brauch und den verstärkten Einsatz er-neuerbarer Energien. Damit unterstüt-zen wir nachhaltig das Ziel einer klima-verträglichen, effizienten und langfris-tig sicheren Energieversorgung.

Muh

s/C

aro

KOMMENTARDES SPONSORS

TOPIC DONNERSTAG, 22. APRIL 2010www.handelsblatt.com 3

Page 3: Handelsblatt Topic

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Wenn morgens die Lichter ange-hen, die Kaffeemaschinen bro-deln und die Toaster rösten, gehtdas Gefrierfach vom Netz. Wie anjedem Morgen, wenn Deutsch-land aufwacht und der Stromver-

brauch rapide steigt, setzt die kleine Box im Keller denKühlschrank auf Schlummerbetrieb – vorübergehend,bis alle aus dem Haus sind.

Der elektronische Zähler leistet tagtäglich Schwerst-arbeit. Er übermittelt dem Netzbetreiber permanent,wie viel Strom der Haushalt gerade verbraucht und wieviel Strom die Solaranlage auf dem Dach in das Netz ein-speist. Er steuert einzelne Geräte, die nicht ständig aufStrom angewiesen sind, dann an, wenn der Verbrauchsonst gering und günstig ist. Nachts sorgt der Zähler da-für, dass das Elektrofahrzeug in der Garage genügendStrom bekommt, damit der Hausbesitzer am nächstenmorgen zur Arbeit fahren kann. Mit seinem Handykann der Hausbesitzer die Anlage von unterwegs steu-ern, ihr mitteilen, wann er nach Hause kommt und dieHeizung die gewünscht Temperatur erreicht habensoll. Der Versorger wiederum kann dank der Daten,die er aus Millionen Haushalten erhält, seine Kraft-werke punktgenau hoch- und runterfahren.

So in etwa soll die Energiewelt im Jahr 2020 ausse-hen. Sie ist intelligenter geworden, smarter. Intelli-gente Stromzähler – neudeutsch Smart Meter – hängenin den meisten Haushalten und sind die Schnittstellefür die Kommunikation der Verbraucher mit den Ver-sorgern; intelligente Netze – Smart Grids – sorgen dankder umfangreichen Daten, die die Zähler liefern, für ei-nen effizienten Ausgleich von Angebot und Nachfrage;und eine intelligente Haustechnik – Smart Home –nutzt die Zähler, um kostengünstig und komfortabeldie elektrischen Geräte in Privathaushalten zu steuern.

Das intelligente Trio wird unverzichtbar sein: Nurmit der intelligenten Steuerung wird das Netz über-haupt stabil Strom liefern. Denn 2020 wird der Ver-brauch viel stärker schwanken, als er das jetzt schontut – aber genauso wird das Angebot schwanken. Dannsollen mehr als eine Million Elektrofahrzeuge auf deut-schen Straßen fahren, die unregelmäßig an öffentli-

chen Säulen und in privaten Garagen geladen werden.Und dank der Förderung durch Bundesregierung undEU-Kommission wird Strom immer mehr aus schwerzu prognostizierenden erneuerbaren Quellen produ-ziert. Vor allem aber wird er zunehmend dezentral ein-gespeist: Mit Solaranlagen auf Dächern und Mini-Block-heizkraftwerken werden Privathaushalte zu Stromer-zeugern.

„Wenn man das mit dem Straßenverkehr vergleicht,wird in verkehrsberuhigten Wohnstraßen ein regerVersandhandel aufgebaut, der durch intelligente Am-peln geregelt werden muss“, beschreibt Arndt Neu-haus – Chef der RWE Rheinland Westfalen Netz AG, diedie Verteilnetze des Konzerns managt – die Herausfor-derungen, die auf die Netzbetreiber zukommen.

Natürlich könnten diese auch gelöst werden, wenn dieVersorger einfach stärkere Leitungen verlegen. Abervor allem in Städten, in denen dafür Straßen aufgeris-sen werden müssten, wäre das schlicht zu teuer. Undineffizient. Eine intelligentere Steuerung des Stromflus-ses spart daher Strom und senkt die Kosten.

Daher wird sie von der Bundesregierung gefördert.Im Koalitionsvertrag haben Union und FDP eigens fest-gehalten, dass sie „die rechtlichen Rahmenbedingun-gen für eine flächendeckende Modernisierung derEnergienetze zu intelligenten Netzen weiterentwickelnund die Verbindung der Stromnetze mit Informations-und Kommunikationstechnik zu einem Element des ef-fizienten Netzbetriebs machen“. Und für die Bundes-netzagentur sind Smart Grids „eine Lebensader derWirtschaft“.

Der Aufbau des Smart Grid wird zwar günstiger sein,als die Kapazitäten einfach zu vergrößern, aber auch erwird teuer – auch wenn sich der konkrete Bedarf nochschwer abschätzen lässt. Nach den Worten von Eon-Chef Wulf Bernotat sind bis 2020 allein in Deutschland20 Milliarden Euro nötig, um das intelligente Netz auf-zubauen. Das Marktforschungsunternehmen Trendre-search prognostiziert für denselben Zeitraum einMarktvolumen für Smart-Grid-relevante Technologienvon insgesamt 27 Milliarden Euro – vor allem für Endge-räte sowie Informations- und Kommunikationstechno-logie.

Zähler und Netzsteuerung werden bereits fleißig er-probt. Die Billigtochter von Energie Baden-Württem-berg (EnBW), Yello, bietet ihren Kunden auf Wunschund gegen Bezahlung die sogenannten Sparzähler an,mit denen sie ihren Stromverbrauch am Computer ver-folgen können. Im Gegensatz zum bisherigen Stan-dard, bei dem der Zählerstand in der Regel einmal imJahr abgelesen wird, haben die Kunden eine perma-nente Kontrolle und können große Stromfresser erken-nen und entsprechend reagieren.

RWE hat 2008 begonnen, erstmals eine große Stadt –Mühlheim an der Ruhr – mit Zählern auszustatten, dieelektronisch und aus der Ferne ausgelesen werden. BisEnde 2011 erhalten über 100 000 Haushalte neueStromzähler, mit denen sie ihren Energieverbrauchmonatlich im Internet kontrollieren können – aufWunsch auch häufiger. Etwa ein Viertel davon sind be-reits installiert. RWE investiert dafür 30 MillionenEuro, für die Haushalte ist der Austausch kostenlos.

Noch profitiert von der Installation vor allem der Ver-sorger, der sich das mühsame Ablesen durch einen Ser-vicemitarbeiter spart und umfangreiche Daten sam-melt. Die Kunden müssen mühevoll ihren Verbrauchbeobachten und testen, wie sie ihn beeinflussen kön-nen. Erst wenn die Zähler mit einer ausgeklügeltenHausautomatisierung verbunden sind, wird das Ener-giesparen komfortabel.

Doch zuvor gibt es zahlreiche Probleme zu lösen. Somuss der Datenschutz gewährleistet sein. Vor allemaber steht der Preis einer flächendeckenden Einfüh-rung entgegen. Heute kostet ein intelligenter Zähler

Aufbruch in die intelligenteDie Stromversorger stehen vor großen Herausforderungen. Durch den Boom der erneuerbarenEnergien und die Einführung des Elektroautos werden Angebot und Verbrauch immerschwieriger zu prognostizieren. Intelligente Netze sollen den Stromfluss effizient steuern.

Martin

Mox

ter/Bild

stelle

„Das Energienetz wird interaktiverund wesentlich intelligenter –an diversen Stellen verschmelzenInternet und Energienetz sogar.“Zukunftsforscher, Future MattersLars Thomsen

TOPIC DONNERSTAG, 22. APRIL 2010www.handelsblatt.com 5

150 bis 200 Euro. Damit die Technik sich durchsetzenkann, müsse der Preis auf ein Viertel sinken, schätzenBranchenexperten. Dafür sind wiederum hohe Stück-zahlen nötig. Die Versorger müssen auf jeden Fallschrittweise vorgehen und das intelligente Netz zu-erst in Ballungszentren aufbauen.

Zukunftsforscher Lars Thomsen von der SchweizerUnternehmensberatung Future Matters ist aber zuver-sichtlich, dass sich die Energiewelt tatsächlich verän-dern wird. Nach seinen Worten folgt das Energienetzeiner ähnlichen Entwicklung wie einst das Internet:„Es wird interaktiver und wesentlich intelligenter – andiversen Stellen verschmelzen Internet und Energie-netz sogar.“Für die Energieversorger ergeben sich Chancen undHerausforderungen gleichermaßen. Wer frühzeitig insmarte Technologien investiert, kann seine Kostensenken und sich Wettbewerbsvorteile verschaffen.Mit Zählern und Hausautomatisierung lassen sichneue Tarife entwickeln, und es können die Kunden be-lohnt werden, die ihre Geräte entsprechend demStromangebot steuern lassen. Eine Gefriertruhe mussschließlich nicht permanent am Netz hängen.

Mit Smart-Home-Produkten kann der Versorger so-gar am Energiesparen Geld verdienen. Er hilft demKunden, seinen Verbrauch zu senken, und lässt sichdie Dienstleistung bezahlen. Und die Elektromobilitätbirgt ohnehin ein hohes Umsatzpotenzial. Zukunfts-forscher Thomsen schätzt, dass Versorger, die dieneuen Möglichkeiten nützen, im Privatkundenseg-ment ihren Umsatz pro Haushalt verdoppeln können– vornehmlich durch elektrische Mobilitätsangebote,

Finanzierungsdienste, Datendienste und zielgruppen-spezifische Service-Pakete.

Allerdings ist der Innovationsdruck auf die Branchehoch. Die neuen Möglichkeiten locken schließlich auchUnternehmen aus Branchen an, die im Geschäft mit Da-tentransfer und Netzsteuerung Erfahrung haben: Netz-ausrüster und Telekommunikationskonzerne etwa.Die könnten sich vor allem kleinen kommunalen Netz-betreibern als Partner anbieten, denn die stoßen beider Modernisierung der Energieversorgung an ihre fi-nanziellen Grenzen.

Beispiel Friedrichshafen am Bodensee: Hier koope-riert der lokale Versorger, die Technischen WerkeFriedrichshafen, mit der Deutschen Telekom. In denStadtteilen Oberhof und Windhag testet die Telekomin der T-City praktisch nutzbare Telekommunikations-anwendungen, darunter auch intelligente Strom- undGaszähler. Im Herbst haben die Partner in 1 400 Haus-halten Minicomputer installiert, die viertelstündlichüber das Mobilfunknetz die Stromverbrauchsdaten anden Kommunalversorger übermitteln. Der Kundekann diese jederzeit über das Internet einsehen undspart, wenn er Geräte am Abend und am Wochenendenutzt. Dann ist der Strom um bis zu 20 Prozent günsti-ger.

Der Kommunalversorger wiederum kann die Datennutzen, um seine Kraftwerke optimal zu steuern undletztlich sogar aktiv den Stromverbrauch zu beeinflus-sen. Im Testgebiet stehen mehrere alternative Energie-quellen – ein Blockheizkraftwerk, eine Brennstoffzel-len- und eine Photovoltaikanlage sowie drei kleineFlusskraftwerke. Die Solaranlage und die Wasserkraft-werke liefern wetterabhängig unregelmäßig Strom. Mitden Mini-Computern kann der Versorger den Ver-brauch der Kunden an das Angebot angleichen. EinRechner ist beispielsweise an die Waschmaschine einesFriseursalons angeschlossen und schaltet diese nurnoch an, wenn nachts besonders viel Strom zur Verfü-gung steht.

Den Datentransfer, das Managen der enormen Men-gen an Information übernimmt die Telekom mit ih-ren Servern. Das Geschäftsmodell des Konzerns be-steht dabei in einer Grundgebühr für den Einbau derMini-Computer und einem monatlichen Entgelt, dasdavon abhängt, wie oft der Versorger die Daten erfas-sen will.

Noch ist die neue Energiewelt auf wenige Testregio-nen beschränkt. Aber spätestens 2020 – da sind sichdie Experten einig – werden fast alle Bürger an das intel-ligente Stromnetz angeschlossen sein. Jürgen Flauger

EnergieweltEin wichtiger Bestandteil des Stromnetzesder Zukunft werden Speicher sein, denn dieEnergie wird immer unregelmäßiger produ-ziert, und auch die Stromabnahmeschwankt immer stärker.

FunktionSchon heute wird mit Hilfe von Pumpspei-cherkraftwerken im HöchstspannungsnetzStrom gespeichert. Ist ein Stromüberschussim Netz vorhanden – etwa in der Nacht –,wirdWasser mit dieser Energie bergauf inein Haltebecken gepumpt. Herrscht Strom-mangel, schießt dasWasser durch dieRohre wieder ins Tal und treibt dabei Turbi-nen an, die Energie produzieren.

KapazitätWeltweit dominiert diese Art der Energie-speicherung. In Deutschland gibt es derzeit33 Anlagen. Damit ist die Kapazität fast aus-geschöpft.

VorteileEin Pumpspeicherkraftwerk hat eine sehrhohe Leistung und erreicht seine Höchstleis-tung innerhalb weniger Minuten, brauchtalso keine langen Anlaufzeiten. Pumpspei-cherkraftwerke sind daher „schwarzstartfä-hig“, das heißt, sie können genutzt werden,um andere Kraftwerke nach einem Totalaus-fall wieder hochzufahren. Der Preis der pro-duzierten Energie pro Kilowattstunde istniedrig.

NachteilePumpspeicherkraftwerke produzieren weni-ger Energie, als sie beim Hochpumpen ver-brauchen. Umweltschützer kritisieren zu-dem den schweren Eingriff in die Land-schaft: Es müssen zwei große Speicherbe-cken in Hanglage gebaut undmit Rohrenverbunden werden.

Strom speichern:Pump-speicherkraftwerk

31,1

27,7 19,025,6 5,0

3,6 47,0

6,5

5,5

17,0

1,0

11,0

BraunkohleKernenergie

SteinkohleErdgas

Erneuerbare EnergieSonstige

Erzeugung1990

Prognose2020

Die Zukunft wird ökoStruktur der Bruttostromerzeugung, Anteile in %

Quellen:AG Energiebilanzen, BundesverbandWindenergie (Prognose)Handelsblatt

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Page 4: Handelsblatt Topic

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

TOPIC DONNERSTAG, 22. APRIL 2010www.handelsblatt.com 7

Wo immer man Manager der Energiebran-che trifft, wird ein Problem zum zentra-len Gesprächgegenstand: Man wollemassiv in den Ausbau der Stromnetzeinvestieren, stoße aber in den Genehmi-

gungsverfahren oft an schier unüberwindbare Hürden,klagen die Unternehmensvertreter. Der dringend erfor-derliche Aus- und Umbau der Netze, eine der zentralenVoraussetzungen für den Umbau der Energieversorgung,kommt daher nicht voran. Dabei ist Eile geboten. Schonjetzt stoßen die Netze oft an ihre Grenzen.

„Bis 2020 will die Energiewirtschaft ohne staatliche Hil-fen rund 40 Mrd. Euro in das gesamte deutsche Strom-netz investieren. Die Unternehmen wollen handeln undinvestieren, aber man muss sie lassen“, sagt HildegardMüller, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandesder Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Bislang müs-sen die Unternehmen oft sehr lange warten, ehe sie han-deln dürfen. Ein Beispiel: Der Netzbetreiber Transpowerbekam 2009 die Genehmigung für den Bau einer Stromlei-tung in Hessen – 15 Jahre nach Einreichen der Anträge.

Der Netzausbau ist das Nadelöhr. Nur wenn die Netzesich verändern, kann der Ausbau der erneuerbaren Ener-gien voranschreiten, können die europäischen Strom-märkte stärker zusammenwachsen, kann die Stromver-sorgung dezentraler werden.

Immerhin hat sich die Situation in der vergangenen Le-gislaturperiode leicht verbessert: Die große Koalition hatim Sommer 2009 das Energieleitungsausbaugesetz (En-LAG) verabschiedet. Es schafft die Möglichkeit, auf vierTrassen Höchstspannungsleitungen teilweise unterir-disch zu verlegen. Das ist zwar wesentlich teuerer als derBau einer herkömmlichen Freileitung, soll aber die Akzep-tanz der Projekte erhöhen. Denn die stoßen vor Ort oft

auf erbitterten Widerstand; langwierige Rechtsstreitigkei-ten verzögern die Umsetzung dann weiter. Die Mehrkos-ten für die Erdkabel werden auf alle Netzbetreiber umge-legt und landen damit letztlich bei den Stromkunden.Auch aus der vergangenen Legislaturperiode stammt dasInfrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz. Es hatRechtssicherheit für die Netzanbindung von Offshore-Windparks gebracht und den Verwaltungsrechtsweg fürbestimmte Infrastrukturprojekte verkürzt.

Der Ausbau der Netze ist die Voraussetzung dafür, dassder rasant wachsende Windstromanteil in Nord- undNordostdeutschland in die Verbrauchszentren im Westenund Süden der Republik gelangen kann. Wenn der Aus-bau der Windkraft in Nord- und Ostsee richtig begonnenhat, steigen die Anforderungen an die Netze weiter.

Die Deutsche Energie-Agentur (Dena) – zur einen Hälfteim Eigentum des Bundes, zur anderen im Eigentum vonKfW, DZ Bank, Deutscher Bank und Allianz – hatte vorfünf Jahren eine Netzstudie vorgestellt, die zum Ergebniskommt, dass in den nächsten Jahren neue Verbundnetzlei-tungen mit einer Länge von 850 Kilometern gebaut wer-den müssen. Bislang sind davon nach Angaben von Dena-Chef Stephan Kohler gerade 200 Kilometer realisiert. Al-lerdings sind das laut Kohler alles Teilstücke bestimmter

Leitungen, es gibt noch keine durchgehende neue Verbin-dung. Die Situation sei sehr unbefriedigend. Noch in die-sem Jahr will die Dena ihre Netzstudie II präsentieren. Dader Zubau der erneuerbaren Energien rascher voran-schreitet als 2005 angenommen, dürften deren Ergeb-nisse noch alarmierender ausfallen. „Schon jetzt ist klar,dass wir erheblich mehr neue Leitungen brauchen, als inder ersten Studie prognostiziert“, sagt Kohler.

Auch die schwarz-gelbe Koalition sieht die Problemebeim Neubau von Leitungen. Im Koalitionsvertrag habenCDU, CSU und FDP dem Thema einen kurzen Passus ge-widmet: Der Investitionsstau im Ausbau der Energienetzemüsse aufgelöst werden, heißt es dort. Und weiter: „Wirwerden eine weitere Beschleunigung der Planungsverfah-ren im Leitungsbau angehen.“ Taten folgten nicht.

Dass die Netze immer häufiger an den Rand ihrer Kapa-zitäten kommen, wurde Ende 2009 deutlich: Am zweitenWeihnachtsfeiertag liefen fast alle deutschen Windräderrund um die Uhr auf Hochtouren und produzierten mehrals erforderlich. Der Preis für Windstrom fiel ins Boden-lose, der Netzzustand war kritisch. Auch Tage, an denendie Windräder deutschlandweit so gut wie keinen Stromliefern, sind nicht selten. Die Netzbetreiber stellt diese ex-treme Volatilität vor große Probleme. Sie müssen in je-dem Fall dafür sorgen, dass die Spannung erhalten bleibt.

Kann die Politik etwas gegen die schwankende Wind-stromproduktion tun? Ja, indirekt zumindest. Sie kannAnreize schaffen, das Öko-Strom-Aufkommen zu versteti-gen. Das Thema wurde in der vergangenen Legislaturperi-ode diskutiert – und auf unbestimmte Zeit vertagt. Grund-sätzlich kann man beispielsweise verschiedene erneuer-bare Energieträger intelligent verknüpfen. „Wenn sichdie Betreiber von Windkraft-, Photovoltaik-, Biogas-, Was-serkraft- oder Geothermieanlagen mit Speichern zusam-menschließen und sich verpflichten, den Strombedarfverlässlich und stetiger zu decken, so muss das für die In-vestoren im Markt finanzierbar sein. Dafür ist eine rechtli-che und wirtschaftliche Grundlage notwendig“, heißt esbeim Bundesverband Windenergie. Aber im Momentfasst niemand das Thema an.

Auch die Stromspeicherung wird von der Politik eherstiefmütterlich behandelt. Experten gehen davon aus,dass die Energiebranche in den kommenden Jahren zwei-stellige Milliardenbeträge in den Bau von Stromspeicherninvestieren muss, die als Puffer für das volatile Öko-strom–Aufkommen dienen. Neben bewährten Technolo-gien wie Pumpspeicherkraftwerken wird an Druckluft-und großen Batteriespeichern gearbeitet. Die Bundesre-gierung unterstützt solche Aktivitäten mit Forschungsgel-dern. Ein schlüssiges politisches Gesamtkonzept für dieSpeicherung fehlt jedoch. Klaus Stratmann

Kein AnschlussDie Politik will dengrundlegenden Umbauder Energieversorgung.Die Bundesregierung tutsich allerdings schwer, denerforderlichen rechtlichenRahmen zu schaffen.

FunktionDruckluftspeicherkraftwerke nutzen dieEnergie, die in verdichteter Luft steckt. Kom-pressoren drücken Luft in dichte Salzstöcke.Bei hohem Strombedarf wird diese Luft aufTurbinen geleitet, die Energie produzieren.Allerdingsmuss die Luft dabei erwärmt wer-den, sonst vereisen die Turbinen.

KapazitätBisher gibt es nur ein solches Kraftwerk inDeutschland und eines in den USA. Dortwird ein zweites geplant. Das Kraftwerk inElsfleth bei Bremen ist seit 1978 in Betriebund speichert die überschüssige Energiedes Kernkraftwerks Unterweser. Das in McIn-tosh/Alabama arbeitet seit 1991.

VorteileDruckluftspeicherkraftwerke erreichen einehohe Leistung, und es erreicht seine Höchst-leistung schon nach etwa zehn Minuten.

NachteileDerWirkungsgrad dieser Kraftwerke istsehr niedrig, die Energieproduktion extremteuer. Daher werden sie nur in Notsituatio-nen gestartet. Zudem hängt ihr Bau an geo-logischen Gegebenheiten, sie können nichtüberall gebaut werden.

Strom speichern:Druckluft-speicherkraftwerk

vario

imag

es/M

arcu

sVetter

„Bis 2020 will die Energiewirtschaftohne staatliche Hilfen rund 40 Mrd.Euro in das Stromnetz investieren.“

Hildegard MüllerBundesverbandes der Energie- undWasserwirtschaft (BDEW)

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Page 5: Handelsblatt Topic

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

PRODUKTION VERTEILUNG

700

650

600

550

500

450

400

350

300

250

20020201970

StromproduktionBruttostromproduktion in Mrd. kWh

BruttostromerzeugungAnteile in Prozent

Prognose*

20092020*

Großkraftwerke

Liefern Strom vor allem für die Grundlast. EinzelneKraftwerke können flexibel hoch- oder runtergefahrenwerden, um Angebot und Nachfrage im Netz auszugleichen.

Übertragungsnetz

Höchstspannungsleitungen transportieren den Strom überweite Strecken überregional. Dieses Netz ist in Deutschlandgut 35700 Kilometer lang; das gesamte Stromnetz ist rund1,78 Mio. Kilometer lang – viereinhalb Mal so lang wie dieStrecke von der Erde zumMond.

Dezentrale Energiequellen

Vor allem Kraftwerke, die mit erneuerbaren Energien wieWind und Sonne betrieben werden, speisen – abhängig vomWetter - unregelmäßig Strom ein. Je mehr solche Kraftwerkeentstehen, umso größer sind die Anforderungen ans Netz.

Netzleitzentren

Schon jetzt regeln die Betreiber Transpower (Tennet),Amprion (RWE), EnBW und 50Hertz (Elia) den Fluss in denHöchstspannungsleitungen.

Privathaushalte

Haushalte produzieren Strom zunehmend auch selbst – etwaüber Solardächer oder in Blockheizkraftwerken – und speisendiesen ins Netz.

Braunkohle

Kernenergie

Steinkohle

Erdgas

Erneuerbare Energie

Sonstige

24,5

22,6

18,3

12,9

15,6

17,0

1,0

19,0

11,0

47,0

6,15,0

Wasserkraft: 5,0

Photovoltaik: 7,0 Geothermie: 1,0

Windkraft: 25,0 Biomasse: 9,0

davon:

Braunkohlekraftwerk Jänschwalde:Das Kraftwerk des VersorgersVattenfall Europe kommt auf eineinstallierte Leistung von 3000MW.

Stromfluss

Datenfluss

Handelsblatt | Grafik: Jean-Philippe ILI | Quellen: HB-Research: Heike Nabert de Lobo, AG Energiebilanzen, Destatis, CAR Uni Duisburg-Essen, Prognosen: *BundesverbandWindenergie, **Prognos/EWI | Foto:Micha

Das Netz, das mitdenktDie Anforderungen an die Stromverteilung nehmen zu.Wie die Produzenten und die Konsumentenmiteinander verbunden sind.

TOPIC DONNERSTAG, 22. APRIL 2010www.handelsblatt.com 9

VERBRAUCH

600

550

500

450

400

350

300

250

20020201970

StromverbrauchNettostromverbrauch in Mrd. kWh

Prognose*

Ab 2010: Prognosen**

Verkehr

EnergieverbrauchAnteile in Prozent

Haushalte Gewerbe

29,0 30,2

40,8

Verkehr Haushalte Gewerbe

29,6 29,6

40,6

Verkehr Haushalte Gewerbe

25,1 25,1

49,8

Verkehr Haushalte Gewerbe

29,8 28,0

42,2

Speicher

Energieüberschüsse, die während Zeiten geringeren Strom-verbrauchs erzeugt werden, könnten künftig gespeichertwerden. Verschiedene Speichermedien sind im Test.

Industrie

Die Industrie ist der größte Stromabnehmer. EinigeUnternehmen betreiben auch eigene Kraftwerke.

Privatkunden

Haushalte treiben vor allem tagsüber und in den Abendstun-den den Stromverbrauch in die Höhe. Der Verbrauchmussüber intelligente Stromzähler besser erfasst werden.

Elektromobilität

Verteilnetz

In den Regionen wird der Strommit niedrigerer Spannungverteilt. Bislang war der Aufwand zum Regeln desStromflusses gering, das wird sich durch neue Stromlieferan-ten und Speichermöglichkeiten ändern. 1,16 Mio. Kilometer istdas Netz lang, das die lokale Stromversorgung vonHaushalten, kleinen Betrieben und der Landwirtschaftsicherstellt, weitere 580 000 Kilometer versorgen lokaleVersorger, die Industrie und größere Betriebe mit Strom.

Bis 2020 sollen eine Million Elektroautos allein in Deutschlandauf die Straße und dafür Ladesäulen installiert werden. Dieseziehen unregelmäßig Strom aus demNetz.

Netzkontrollstellen

Künftig müssen auch in Verteilnetzen Verbrauch undEinspeisung von Strom genauer gemessen und der Flussgeregelt werden.

Verkäufe von Hybrid- und Elektroautos

’08 ’10 ’15 ’20 ’25

in Europa, in Mio. (Schätzung)

3,3

16,2

1990 2000

2010 2020

hael Helbig/dpa

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Page 6: Handelsblatt Topic

Stromnetze werden intelligent. Wenn an derNordsee eine steife Brise weht und sich dieWindräder ununterbrochen drehen, springenin Cuxhaven die Aggregate eines Kühlhausesan und kühlen es herunter – bis auf minus 25

Grad. Die Energie wird in Form von Kälte gespeichert, dieerst dann wieder abgegeben wird, wenn der Wind nach-lässt.

Erneuerbare Energien stellen die Versorger vor ein Pro-blem: Wind- und Solarkraftwerke erzeugen nur dann vielStrom, wenn es kräftig weht oder die Sonne scheint. UmStrom aus solchen Anlagen besser managen zu können,sollen Photovoltaikanlagen, kleine Wasserkraftwerke,Windkraft- und Biogasanlagen zu virtuellen Kraftwerkenzusammengeschlossen werden, die als zentrale Kraft-werke im Gesamtnetz agieren.

Auch das Cuxhavener Kühlhaus ist Teil eines solchenvirtuellen Kraftwerks. Es wirkt als Puffer, nimmt über-schüssige Energie im Regelkreis auf und sorgt dafür, dassdas virtuelle Kraftwerk Energie konstant in das Stromnetzeinspeisen kann. Der Energieversorger EWE und derFraunhofer-Verbund Energie testen das Konzept zusam-men mit weiteren Projektpartner im Rahmen des bundes-weiten E-Energy-Forschungsprojektes.

In insgesamt sechs Regionen laufen derzeit ähnlicheTests, die den Aufbau eines bundesweiten intelligentenStromnetzes zum Ziel haben. Viele der Projekte gingen imHerbst vergangenen Jahres in die heiße Phase. Zigtau-sende Haushalte und Hunderte Unternehmen arbeiten anden Feldversuchen mit, die bis 2011 laufen und mit ihrenErgebnissen den Aufbau eines sogenannten Smart Grids

Es regeltIndustrie und Forscherentwickeln Techniken für dasintelligente Stromnetz.Experten sehen hier einenmilliardenschweren Markt.

„Das Stromnetzwird interaktiv“Künftig entscheidet der Zähler, ob der Strompreis geradeniedrig genug ist, um das Auto zu laden. Und Versorgersenken den Preis, wenn sie mal zu viel produzieren.

Spätestens in zehn Jahren wird das Stromnetzintelligent sein – und mit dem Internet ver-knüpft. Wenn die Versorger nicht schnell rea-gieren, werden aber Konkurrenten aus ande-ren Branchen das große Geschäft machen,

meint der Trend- und Zukunftsforscher Lars Thomsen,Inhaber der Unternehmensberatung Future Matters inZürich. Im Gespräch mit Handelsblatt-Redakteur JürgenFlauger erläutert er seine Prognose.

Handelsblatt: Herr Thomsen, steht der Energiemarktvor einer Zeitenwende?Lars Thomsen: Auf jeden Fall. Das Stromnetz wird sichin den kommenden 500 Wochen, also bis 2020, radikalverändern.

HB: Inwiefern?Thomsen: Es wird mit dem Internet verschmelzen. Bis-lang ist die Struktur des Stromnetzes doch simpel, esdient nur der Verteilung des produzierten Stroms. Inden vergangenen Jahrzehnten hat sich daran – trotz derLiberalisierung des Marktes – nichts getan. Jetzt muss esinteraktiv werden.

HB: Was heißt das konkret?Thomsen: Das Internet bietet die Möglichkeit jedes ein-zelne Gerät, das einen Stromanschluss hat, anzusteuern– und man wird die Möglichkeiten auch nutzen. In zehnJahren wird man von unterwegs per iPhone kontrollie-ren können, ob im Kühlschrank noch Milch ist. Manwird über das Internet aber auch den Stromverbrauchsteuern können.

HB: Können Sie das mit einem Beispiel erläutern?Thomsen: Das Elektroauto in der Garage wird selbststän-dig mit dem Zähler im Keller kommunizieren, der wie-derum über das Internet die aktuellen Stromtarife er-hält. Gibt es am Markt ein Überangebot an Strom, weilsich beispielsweise besonders viele Windräder drehen,

wird der Versorger den Preis senken. Das Programm imZähler wird selbstständig entscheiden, dass es jetzt güns-tig ist, das Auto zu laden. Bisher muss der Mensch ent-scheiden, wie er Strom und Geld sparen kann. Künftigübernimmt das das Netz. Es wird eben intelligent.

HB: Braucht der Verbraucher denn intelligente Kühl-schränke?Thomsen: Das ist eine Altersfrage. Es wächst eine Genera-tion zu Konsumenten heran, die in der digitalen Weltgroßgeworden ist. Für meine Tochter wird es ganz nor-mal sein, in zehn Jahren per iPhone ihren Kühlschrankzu kontrollieren. Außerdem wird die Hemmschwelle sin-ken, weil sich die Mehrkosten für intelligente Gerätedeutlich verringern werden.

HB: Ist Smart Energy denn ein großer Markt?Thomsen: Ja, wir glauben, dass der weltweite Markt fürSmart-Energy-Produkte – beispielsweise die Zähler unddie Abrechnungssoftware – fünf Mal so groß sein wirdwie der Umsatz der deutschen Autoindustrie. Allein dasPotenzial der Elektromobilität wird noch unterschätzt.Wenn sich die Versorger hier engagieren, können sie ih-ren Umsatz pro Haushalt verdoppeln.

HB: Vor welche Herausforderungen stellt die Entwick-lung die Energieversorger?Thomsen: Vor große. Hier prallen zwei Branchen aufei-nander, die eine völlig unterschiedliche Innovationsge-schwindigkeit haben. Stromkonzerne planen in Zeiträu-men von zehn, 20 oder sogar 30 Jahren. Internetfirmendenken in einem, zwei, maximal drei Jahren. Die Versor-ger müssen also schneller werden.

HB: Werden sich die Marktverhältnisse verschieben?Thomsen: Ja, wer sich schnell auf die neue Welt einstellt,kann sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. DieKunden werden zu Anbietern wechseln, die die neuenDienste im Programm haben. Die Versorger müssenaber ganz neu denken – vielen wird das schwer fallen.

HB: Konkurrieren sie denn auch mit Internetanbietern?Thomsen: Natürlich werden die Energieunternehmenauch weiterhin den Strom bereitstellen und daran ver-dienen. Aber das Geschäft mit den Diensten, etwa dieSteuerung intelligenter Kühlschränke, können auch an-dere übernehmen. Ich bin sicher, dass wir in zehn Jah-ren Weltunternehmen haben werden, die ein Riesenge-schäft mit Smart Energy machen. Ich kann Ihnen nurnoch nicht sagen, wie die heißen. Das sind jetzt nochjunge Start-ups – genauso wie vor zehn Jahren, als sichdas Internet verbreitete.

HB: Unterschätzen die Versorger die Konkurrenz?Thomsen: Vor zehn Jahren haben die Telekomkonzerneauch gelassen auf die Entwicklung des Internets ge-schaut. Schließlich hatten sie ja die Infrastruktur. Siekonzentrierten sich darauf, die Einwahl bereitzustellenund daran zu verdienen. Das große Geld haben aber diegemacht, die Dienste anbieten, wie Amazon und Google.

HB: Droht Deutschland, den Anschluss zu verlieren?Thomsen: Ja, es wird zwar hier zu Lande immer mehrüber Smart Energy geredet, aber richtig in Schwungkommt das Thema nicht. Hier wird die Geschwindigkeit,mit der das intelligente Netz kommen wird, unterschätzt.Das war beim Internet ja auch schon so. In Asien und den

USA ist das ganz anders. Wenn die Deutschen inden nächsten zwei, drei Jahren nicht Gas geben,werden sie den Anschluss verlieren.

Trendsuche Lars Thomsen ist Gründer und Chief Fu-turist von Future Matters. Das in Zürich beheimateteBüro für Innovation und Zukunftsforschung ver-sucht, die Megatrends der nächsten fünf bis zehnJahre aufzuspüren. Future Matters berät Unterneh-men und Institutionen über Trends, Veränderungenin der Arbeitswelt und die Entwicklung von Zukunfts-märkten. Thomsen arbeitet für alle Branchen vonder Energieversorgung über Pharma und Dienstleis-tungen bis zur Automobilindustrie.

Zukunftsforscher Der 41-Jährige hat Informations-wissenschaften studiert und ist neben seiner unter-nehmerischen Tätigkeit unter anderem Dozent für di-gitales Marketing an der BayerischenAkademie für Werbung und Marke-ting sowie Mitglied der wissen-schaftlichen Gesellschaft World Fu-ture Society in Washington. Thom-sen beschäftigt sich neben der Zu-kunft der Energieversorgung unteranderem auch mit der Entwicklungder Unternehmenskultur, Medienund Marketing im 21. Jahr-hundert und der Mobi-lität im Umbruch.

Lars Thomsen

Paul

Lang

rock

/lai

f

TOPIC

voranbringen sollen. Erforscht werden dabei Häuser, dieden eigenen Stromhaushalt weitgehend automatisch mana-gen, sowie Energiebörsen, an denen Verbraucher selbst-produzierten Ökostrom möglichst gewinnbringend verkau-fen können.

Die intelligenten Stromnetze sollen den Stromverbrauchkünftig so steuern, dass extreme Spitzenlasten vermiedenwerden können, etwa am Morgen gegen acht Uhr, mittags,wenn Essen gekocht wird, oder abends ab 17 Uhr, wenn diemeisten Berufstätigen nach Hause kommen. Verteilt sichder Verbrauch gleichmäßig über 24 Stunden, sind auch dieKraftwerke der Versorger gleichmäßiger ausgelastet. Lauteiner Studie des Wissenschaftlichen Instituts für Infrastruk-tur und Kommunikationsdienste und des Fraunhofer-Ver-bunds Energie lassen sich allein durch eine Verschiebungdes Stromverbrauchs in privaten Haushalten während derSpitzenzeiten rund zehn Terawattstunden pro Jahr einspa-ren – was der Kapazität von zehn bis 15 großen Kohlekraft-werken entspricht.

Es werden Testumgebungen installiert, in denen die Teil-nehmer alle Ebenen der komplexen Energiesysteme model-lieren und in der Praxis in alle Richtungen untersuchen kön-nen. „Bisher floss der Strom immer nur in eine Richtung –vom Kraftwerk zum Verbraucher –, in Zukunft muss dasNetz einen bidirektionalen Stromfluss gewährleisten kön-nen“, sagt Peter Bretschneider vom Fraunhofer-Anwen-dungszentrum AST in Ilmenau. Und das sei für alle Projekt-teilnehmer Neuland.

Das Stromnetz müsse eine möglichst flexible Plattformfür den freien Energiehandel bieten – für alle Marktteilneh-mer. Es müsse stark fluktuierende und nur schlecht prog-

nostizierbare regenerative Einspeisungen aufnehmen undauch bei großen Belastungen zuverlässig arbeiten, be-schreibt Bretschneider die Herausforderungen.

Diese gestiegenen Anforderungen lassen sich nur mitdem Einsatz moderner Informations- und Kommunikati-onssysteme meistern. Experten sind sich sicher: Die intelli-genten Stromnetze werden die Stromversorgung ebensostark verändern, wie das Internet die Kommunikation um-gekrempelt hat.

Der Aufbau solch intelligenter Netze ist Bestandteil vie-ler Konjunkturprogramme weltweit. Allein die US-Regie-rung will hier in den nächsten Jahren rund drei MilliardenEuro investieren. Die Welt braucht intelligente Strom-netze, um den wachsenden Energiebedarf auf umwelt-schonende und zuverlässige Art zu decken. Schätzungender Europäischen Kommission zufolge werden bis 2030 In-vestitionen in Höhe von rund 400 Milliarden Euro fürneue, intelligente Stromnetze in Europa notwendig.

Laut IT-Experten hat sich die Technik, mit der das Ener-gienetz der Zukunft gesteuert werden kann, längst in derPraxis bewährt, etwa im Mobilfunk. Zahlreiche Unterneh-men der Branche stehen in den Startlöchern, um ihre Soft-ware und Geräte in die neue Umgebung zu übertragen.Viele von ihnen arbeiten bereits bei den E-Energy-Projek-ten mit Stromriesen wie EnBW, RWE und Vattenfall zusam-men: Konzerne wie Cisco, Google, Hewlett-Packard (HP),Siemens, SAP und IBM.

Während Deutschlands größter Softwarekonzern SAPund die IT-Riesen IBM und HP die Stromversorger bei derSpeicherung und Auswertung der riesigen Datenmengenunterstützen, die künftig regelmäßig von den digitalenStromzählern beim Verbraucher an den Energielieferan-ten geschickt werden, bietet der Siemens-Konzern dieTechnik für die Steuerung der Netze. Im Vergleich zu denWettbewerbern haben die Münchener das breiteste Tech-nikangebot – von digitalen Stromzählern über Softwarefür das Datenmanagement (Smart Metering), die Netz-steuerung bis zur Informationstechnik für die Stromver-sorger bieten sie das ganze Programm. Der Konzern rech-net bis 2014 mit Aufträgen für die intelligenten Stromnetzevon insgesamt über sechs Milliarden Euro. Hans Schürmann

sich selbstFunktionWasser wird durch Elektrolyse in Sauerstoffund Wasserstoff gespalten. Dies geschiehtmit billigem Strom. Der Wasserstoff wirddann in Drucktanks gesammelt und beiBedarf in der Brennstoffzelle in Elektrizitätumgewandelt. Dies kann auch in Fahrzeu-gen geschehen. Bis jetzt gibt es erste Flot-tenversuche und stationäre Testanlagen;kommerziell wird die Technik noch kaumgenutzt.

VorteileEs wird eine sehr hohe Energiedichteerreicht, das heißt, in Bezug auf ihr Gewichtkann die Brennstoffzelle sehr viel Energiespeichern.

NachteileDie Technik ist sehr teuer und durchausgefährlich. Außerdem geht bei der Umwand-lung viel Energie verloren.

FunktionAkkumulatoren – oder Batterien – spei-chern elektrische Energie durch Umwand-lung in chemische. Sie enthalten in derRegel Metallverbindungen mit Blei, Nickel,Zunk, Cadmium oder Lithium. Die Akkussind in elektrischen Geräten schon heuteüberall im Einsatz, auch in einigen stationä-ren Anlagen werden sie genutzt, etwa zurErzeugung von Notstrom.

VorteileAkkus sind gut mobil einsetzbar.

NachteileDie Zahl der Ladezyklen ist stark begrenzt.Ihr Preis ist noch sehr hoch, und in größe-rem Ausmaß sind sie nach wie vor zuschwer. Je höher die Energiedichte desAkkus, um so teurer ist er. Er entlädt sichmit der Zeit selbst.

Brennstoffzelle

Strom speichern:Akkumulator

„In Zukunft muss das Netzeinen bidirektionalen Stromfluss

gewährleisten können.“Peter Bretschneider

Fraunhofer-Anwendungszentrum AST

DONNERSTAG, 22. APRIL 2010www.handelsblatt.com 11

Page 7: Handelsblatt Topic

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Beim Thema „intelligente Stromnetze“ betre-ten nicht nur die Stromversorger Neuland.Auch deren Kunden müssen dazu lernen. Siewerden künftig nicht Strom verbrauchen,sondern selbst Energie erzeugen und diese

in ihrem Haus oder gar im Auto zwischenspeichern.Wie diese neue Rollenverteilung zwischen Stromliefe-

rant und Kunde aussehen könnte, demonstrierte derZentralverband der Deutschen Elektro- und Informati-onstechnischen Handwerke (ZVEH) auf der diesjähri-gen Fachmesse „Light+Building“ in Frankfurt. Das soge-nannte „E-Haus“ ist ein 100 Quadratmeter großes Mo-dellwohnhaus mit Küche, Bad, Büro, Technikraum, Ga-

PerfektesModerne Haussteuerungenmachen das Leben nicht nurkomfortabler, sie reduzierenauch den Stromverbrauchund nutzen günstige Tarife.

Verbrauchunter KontrolleMit neuartigen Stromzählern sollen die Kunden Energiesparen – bis zu 30 Prozent. Spätestens 2022 sollenalle alten Geräte durch solche Smart Meter ersetzt sein.

Jürgen Rösel blickt auf sein iPhone. Auf dem Dis-play hat er nicht nur den Energieverbrauch sei-ner Küchengeräte im Blick; er sieht auch, wieder Stromverbrauch in die Höhe schnellt,wenn er den Computer an seinem Arbeitsplatz

oder den Plasmabildschirm im Wohnzimmer einschal-tet. Rösel wohnt in einem Vorort von Stuttgart undnimmt am Smart-Metering-Projekt des Energieversor-gers EnBW teil. Seit Mitte vergangenen Jahres hängt imKeller seines Wohnhauses ein digitaler Stromzähler. Die-ser misst sekundengenau den Verbrauch und überträgtdie Daten über das W-Lan-Netz im Haus an dasSmartphone.

Rösel kann den Energiehunger der Geräte aber nichtnur in Echtzeit ermitteln, die Software präsentiert ihmam Ende des Tages zusätzlich eine Kurve, die anzeigtwie hoch der Stromverbrauch über den Tag verteilt war.Für den Schwaben ist das nicht nur eine nette Spielerei,er sucht nach Möglichkeiten, seine Stromrechnung zudrücken. Nachdem EnBW in der Testregion zwei Tarifeeingeführt hat – der Nachtstrom ist drei Cent billiger alsdie über Tag verbrauchten Kilowatt –,kann er Geld sparen, indem er beispiels-weise die Wasch- oder Spülmaschineerst am späten Abend einschaltet,wenn der Strom billiger ist.

So wie der badenwürttembergischeEnergieversorger versuchen inzwi-schen fast alle Stromversorger imLand, in Feldtests zusammen mit ihrenKunden Erfahrungen im Umgang mitder neuen digitalen Erfassungstechnikzu sammeln.

Das ist auch dringend nötig, denn die alten Zähler mitder drehenden Metallscheibe sollen in den nächsten Jah-ren nach und nach aus den Kellern verschwinden. Siewerden durch die sogenannten Smart Meter ersetzt. SeitAnfang dieses Jahres können Häuslebauer nicht mehrzwischen alter und neuer Technik wählen – sie müssenden digitalen Zähler einbauen. Das gilt auch bei umfang-reicheren Modernisierungen in Altbauten.

Die digitalen Stromzähler sind ein wichtiger Bausteinder Stromnetze der Zukunft, der sogenannten SmartGrids. Sie erfassen kontinuierlich die Verbrauchsdatenund schicken diese in regelmäßigen Abständen an denStromversorger. Dieser kann mit den Informationennicht nur den Verbrauch minutengenau abrechnen,sondern auch die Energieverteilung in seinem Netz bes-ser steuern. Darüber hinaus machen die kleinen, farbi-gen Kästen den Stromverbrauch transparenter und hel-fen Stromkunden wie Jürgen Rösel, durch geschickteSteuerung ihrer elektrischen Geräte bares Geld zu spa-ren.

Die EnBW-Tochter Yello war einer der ersten Strom-versorger in Deutschland, der seinen Kunden den Ein-bau eines digitalen Stromzählers und die Nutzung einesTag-/Nachtstromtarifs angeboten hat. Bereits seit De-zember 2008 können Yello-Kunden ihren alten Zählerdurch die neue Erfassungstechnik ersetzen lassen. Vo-raussetzung ist allerdings, dass der Kunde einen Inter-netanschluss mit Flatrate hat, denn der Smart Meter be-nötigt die Datenleitung, um die Zählerinformationen anden Zentralrechner des Stromversorgers zu übertragen.

Die Verknüpfung des Zählers mit dem Internet ist einKinderspiel. Die Daten werden über die hausinterneStromleitung mit Hilfe eines Powerlinemodems, das ein-fach in die Steckdose neben dem Zähler gesteckt wird,zum Router übertragen. Über diesen Datenverteiler imKeller kann der Kunde dann auch die Daten mit seinemPC oder per W-Lan auf seinem Smartphone abrufen. Um

die Daten zu analysieren, bietet Yello eine Software, dieder Kunde auf seinem Windows-PC installieren kann. In-zwischen gibt es aber auch von anderen Anbietern ent-sprechende Programme, so dass auch Apple-Nutzer ih-ren Energieverbrauch analysieren können. Die Pro-gramme können nicht nur den Stromverbrauch einzel-ner Geräte darstellen, sie zeigen auch, wie lange bei-spielsweise am Tag der PC angeschaltet war oder wie oftdie Kühltruhe im Keller angesprungen ist.

Erste Studien darüber, wie sehr der Einbau der digita-len Stromzähler das Energiesparen unterstützen kann,klingen vielversprechend: Viele Kunden hätten ihrenVerbrauch um fünf bis zehn Prozent – einige sogar bis zu30 Prozent – gesenkt, sagt Yello-Chef Martin Vesper.Laut dem Verband der Elektrotechnik und Elektronik(VDE) ist das nicht übertrieben. Ein Haushalt könnedurch eine bewusstere Nutzung elektronischer Gerätebis zu 300 Euro pro Jahr einsparen, haben Experten desVerbandes ausgerechnet.

Trotz dieser Vorteile sind Smart Meter bislang nochwenig verbreitet. 100 bis 200 Yello-Kunden pro Tag ha-

ben laut Vesper den digitalen Strom-zähler in ihr Haus einbauen lassen. In-teressiert waren vor allem Technikfre-aks, sogenannte Early-Adopter, diegerne neue Technologien als erste aus-probieren.

Das könnte sich schnell ändern. DasThema „Smart Meter“ gewinnt in die-sem Jahr deutlich an Bedeutung. Nichtnur die Versorger und Elektrover-bände rühren auf Messen bundesweit

die Werbetrommel für die Zukunftstech-nik, auch die Medien sorgen dafür, dass die Vision vomintelligenten Stromnetz bekannter wird. Experten ge-hen zudem davon aus, dass durch die Neubauten dieZahl der Smart Meter in den nächsten Jahren deutlichsteigen wird: Der Bundesverband der Energie- und Was-serwirtschaft (BDEW) rechnet mit 400 000 digitalenZählern, die bis 2010 in Neubauten installiert werden.Spätestens 2022 sollen alle analogen Modelle aus denKellern verschwunden sein.

Bis dahin müssen allerdings noch einige technischeProbleme gelöst werden. Noch fehlen Standards für dieSmart Meter und die Weiterleitung der Daten. Zudemmahnen Datenschützer einen sicheren Umgang mit denVerbrauchsdaten an. „Über die Pilotprojekte hinaus gibtes dafür bislang keine Lösung“, sagt Heike Kerber vomForum Netztechnik/Netzbetrieb im Elektrotechnik-Ver-band VDE. So sei noch nicht klar wie die vom Smart Me-ter an die Versorger weitergeleitet werden. Die VDE-Ex-pertin leitet einen Arbeitskreis, der eine internationalgültige Kommunikationsschnittstelle für digitale Strom-zähler entwickeln will, über die die Daten an die Strom-lieferanten übertragen werden können.

Nicht jeder Stromkunde hat heute einen Internetan-schluss. Da müssen dann andere Übertragungstechni-ken genutzt werden. Technische Alternativen gibt eszur Genüge: Mobilfunkverbindungen, Kabel- undStromleitungen oder W-Lan-Netze, über die Informatio-nen übertragen werden können. „Um die Technikennutzen zu können, gibt es aber bislang noch keineSchnittstellen an den Zählern“, sagt Kerber. Die Interes-sen der Stromversorger, Telekommunikationsfirmenund Zählerhersteller unter einen Hut zu bringen, seirecht schwierig.

Bis diese Details geklärt sind, machen die Stromversor-ger weiter wie bisher. Einmal im Jahr schicken sie einenMitarbeiter zum Ablesen der Zählerstände zum Kunden.

Hans Schürmann

400000Smart Meter sollenbis Ende 2010 in

deutschen Neubauteninstalliert sein.

Quelle: BDEW

TOPIC

rage und einem Wohnzimmer, in dem die neuen ener-gieeffizienten Systeme in einer intelligenten Verknüp-fung erlebbar werden: neue energiesparende Beleuch-tungen, „grüne“ Fernseher und PCs, digitale Stromzäh-ler (Smart Meter), Hausgeräte, Photovoltaikanlagenund eine Home-Tankstelle für das Elektroauto. AlleElektronikkomponenten sind auf der Basis des weltwei-ten Standards für Gebäudeautomation KNX miteinan-der vernetzt.

Das Smart-Meter überträgt nicht nur den individuel-len Verbrauch jedes einzelnen Geräts auf einen Bild-schirm, es informiert auch darüber, wie viel Strom diePhotovoltaikanlage gerade produziert. Die Ladestationfür das Elektromobil – ein amerikanischer SportwagenTesla Roadster – ist zudem mit einer Tarifwahlfunktionausgestattet, so dass der Kunde, wenn er sich mit einerChipkarte authentifiziert hat, den günstigsten Tarif wäh-len kann.

Verknüpft mit dem Smart Grid der Zukunft, könnendie Geräte im Haus nicht nur vom Computer des Bewoh-ners, sondern auch von außen – vom Stromversorger –gesteuert werden. Beispielsweise dann, wenn durch star-ken Wind so viel Energie produziert wird, dass derStrom zwischengespeichert werden muss. Dann könn-

ten Steuerimpulse, die über die Stromleitung übertra-gen werden, dafür sorgen, dass die Tiefkühltruhe imKeller anspringt und mit besonders billigem Stromnoch auf ein paar zusätzliche Minusgrade abgekühltwird.

Hausgeräte-Hersteller wie Miele haben in ihre neus-ten Wasch- und Spülmaschinen, Trockner und Kühlge-räte bereits Schnittstellen eingebaut, über die Geräte so-wohl innerhalb des Hauses als auch von außen kostenef-fizient gesteuert werden können.

Bis die Vision vom intelligenten Stromnetz und derSteuerung der Haushaltsgeräte durch den Stromanbie-ter Realität wird, werden sicher noch einige Jahre insLand gehen. „Im Keller hängt zwar schon ein intelligen-tes Messgerät, der Smart Meter wird aber nicht intelli-gent genutzt“, sagt Walter Tschischka, Präsident desZentralverbands der Deutschen Elektro- und Informati-onstechnischen Handwerke (ZVEH).

Die Interessensvertretung des Elektrohandwerks hatdie intelligente Hausvernetzung als Zukunftsmarkt ent-deckt. Deren Mitglieder würden lieber heute als mor-gen ihre Kunden mit der neuen Technik beglücken.Tschischka wünscht sich daher mehr Engagement vonden Stromlieferanten. Sie müssten Schnittstellen schaf-fen, die einen reibungslosen Datenaustausch in alleRichtungen des Netzes ermöglichen, fordert der Ver-bandspräsident. „Wir brauchen die Information desStromversorgers, um ein Haus energieeffizient steuernzu können“, sagt Tschischka. Die Datenverarbeitungnach innen sei kein Problem, hier gebe es seit langemSchnittstellen, über die die Verbrauchsdaten im Hausweiterverarbeitet werden könnten, sagt der ZVEH-Präsi-dent.

Bis dahin muss der Kunde den Stromverbrauch selbststeuern. Mit Hilfe der Smart Meter, die den Verbrauchsekundengenau messen, kann er die großen Stromfres-ser ausmachen. Wenn er die kennt, kann er kostenbe-wusst den Strom einkaufen – und die Geräte starten,wenn der Tarif am niedrigsten ist. Unterstützung be-kommt er von Software, die nicht nur auf dem PC lau-fen, sondern als sogenannte Apps auch auf mobilenRechnern wie dem iPhone. Solche Programme helfenden Hausbesitzern, auch die Technik intelligenter undkomfortabler zu nutzen.

Damit auch ältere Geräte in die Haussteuerung ein-fach integriert werden können, hat Digitalstrom.org,eine Non-Profit-Organisation, die 2007 an der ETH Zü-rich (Eidgenössisch Technische Hochschule) gegründetwurde, eine Technik entwickelt, die schnell und einfachnachgerüstet werden kann. Einmal installiert, könntemit ihr beispielsweise mit einem einfachen Taster ne-ben der Tür beim Verlassen der Wohnung mit einemSchlag Herd, Kaffeemaschine, Fernseher und andereStandby-Geräte ausgeschaltet werden, während Kühlge-räte, das Telefon oder die Alarmanlage in Betrieb blei-ben.

Möglich macht dies ein ameisengroßer Chip. Nach-träglich in die Geräte eingebaut oder in einem Zwischen-stecker untergebracht, sorgt er dafür, dass die Kaffee-maschine, der Toaster oder die Mikrowelle mit derHaussteuerung kommunizieren können. Das funktio-niert über das bestehende 230-V-Stromnetz. Die Installa-tion erfolgt mit wenigen Handgriffen. Als zentrale Steu-ereinheit dient ein im Sicherungskasten neben demSmart Meter angebrachter Netzknoten, der die Steuer-signale über das Stromnetz im Haus zu den einzelnenGeräten leitet.

Die Technik der Schweizer hilft sogar beim Energie-sparen. Der Chip sorgt dafür, dass die Geräte nur dannmit Strom versorgt werden, wenn es wirklich notwen-dig ist. Er senkt so den Standby-Verbrauch elektrischerGeräte automatisch von herkömmlichen drei bis fünfauf unter 0,3 Watt. Gleichzeitig wird der Stromver-brauch der einzelnen Geräte sichtbar. Ein einfaches Am-pelsystem am Sicherungskasten weist auf einen unge-wöhnlich hohen Stromverbrauch hin. Leuchtet daskleine rote Lämpchen auf, ist das ein Hinweis auf einenDefekt bei einem der Geräte – etwa eine abgenutzteKühlschrankdichtung, die man ohne diese Anzeige soschnell nicht erkannt hätte. Hans Schürmann

Timing

FunktionDie Energie wird in einem elektrischen Feldgespeichert, das sich wie in einemAkkuzwischen einer Elektrode und einem Elektro-lyten bildet. Als Kurzzeitspeicher werdensie bereits genutzt. Sie eignen sich alsErsatz für Akkumulatoren, wenn eine hoheZuverlässigkeit und ein häufiges Laden undEntladen gefordert wird.

VorteileDer Kondensator ist sehr schnell ladbar undentladbar. Der Speicher hat eine hoheKapazität und einen hohenWirkungsgrad,das heißt, es geht wenig Energie verloren.Außerdem nutzt er sich nicht ab.

NachteileDie Elektronik ist sehr aufwendig, dieKosten sind hoch.

FunktionIn einer tiefgekühlten supraleitenden Spulewirdmit Hilfe von Gleichstrom ein sehrstarkes Magnetfeld erzeugt. Das bewirkt,dass die Spannung in der geladenen Spuleüber längere Zeit bestehen bleibt. Bisherfunktioniert die Technik nur in Laborexperi-menten.

VorteileDer gespeicherte Strom ist sofort verfüg-bar, während etwa Pumpspeicherkraft-werke mehrere Minuten brauchen, bis sielaufen. Die supraleitende Spule hat einesehr hohe Leistungsdichte. Wenn sie ein-mal geladen ist, nimmt der Strom nicht ab.Nur zwei bis drei Prozent der Energie gehtbei Ladung und Entladung alsWärme verlo-ren.

NachteileDie Kosten sind noch sehr hoch. Das Sys-temmuss sehr weit heruntergekühlt wer-den und ist unter anderem dadurch sehrwartungsintensiv. Die Kühlung verbrauchtEnergie.

Supraleitende Spule

Strom speichern:Doppelschicht-kondensator

„Im Keller hängt zwar einintelligentes Messgerät, es wird aber

nicht intelligent genutzt.“Walter TschischkaPräsident des ZVEH

Siem

ensProg

ram

DONNERSTAG, 22. APRIL 2010www.handelsblatt.com 13

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Page 8: Handelsblatt Topic

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Es fährt sauber, es wirkt grün und es ist beschlos-sen: Wenn Anfang Mai die Spitze der Deut-schen Wirtschaft zum „Autogipfel“ ins Kanzler-amt kommt, steht das Ergebnis eigentlichschon fest. Das E-Mobil kommt. Mit Milliarden

wird die Einführung der stromgetriebenen Autos inDeutschland vorangetrieben. Die Industrie wird üppigeFördergelder erhalten, die Käufer hoffen auf mehreretausend Euro Kaufprämie. Das Ziel: Deutschland will ein„Leitmarkt für Elektromobilität“ werden, sagt die Bun-desregierung. Nicht weniger als eine Million Elektroau-tos sollen bis 2020 auf deutschen Straßen fahren.

Industrie und Politik üben einen engen Schulter-schluss beim Thema Elektroauto. Denn die Einsätze sindhoch, die Erträge ungewiss. Die Autohersteller müssenviel Geld investieren, sie drohen ihre herkömmlicheTechnik für Verbrennungsmotoren schrittweise zu ent-werten. Die Energieversorger müssenein enges Netz von Ladestationen schaf-fen und möglichst viel grünen Strom vor-halten. Die Politik muss nachweisbareErfolge im Klimaschutz erzielen, darfaber nicht einen Subventionswettlaufmit anderen Volkswirtschaften anhei-zen.

Dabei ist der schon längst im Gange:Frankreich zahlt Käufern von Elektroau-tos 5 000 Euro Zuschuss, in China sindes bis zu 7 000. Noch mauert die Bundes-regierung offiziell. Während WinfriedHerrmann, Verkehrsexperte der Grünen, ebenfalls5 000 Euro fordert, will Verkehrsminister Peter Rams-auer erst einmal abwarten. Es sei gar nicht klar, welcheTechnik sich durchsetzen werde, begründet Ramsauerseine zögerliche Haltung.

Das Dilemma liegt auf der Hand: Während Mitsubishi,Peugeot und Citroën bereits Ende 2010 mit ersten Ange-boten auf den deutschen Markt kommen, werden Daim-ler, BMW und Volkswagen nicht vor 2013 serienreifeElektroautos anbieten. Spät sind die Deutschen auf denZug aufgesprungen. Jetzt werden Milliarden in Stuttgart,Wolfsburg und München mobilisiert, um das Feld nichtFranzosen, Amerikanern und Chinesen zu überlassen.Kein Weg führt am Elektroauto mehr vorbei, sagen mitt-lerweile VW-Chef Martin Winterkorn, BMW-Chef Nor-bert Reithofer und Daimler-Chef Dieter Zetsche. Allmäh-lich kommt auch in Deutschland Begeisterung auf, auchwenn die Kalkulationen ernüchternd sind: Vielleichtzehn Prozent des Absatzes im Jahr 2020 könnten Elektro-autos sein, heißt es etwa bei BMW.

Warum aber dieser Hype? Die Antwort steckt in einemsich abzeichnenden Ressourcenmangel, der Klimade-batte, einer neuen Batterietechnik und der beispiellosenWirtschaftskrise. Es ist diese einmalige Konstellation ausUmweltschutz, technischem Fortschritt und wirtschaftli-chem Umbruch, der die Einführung des Elektroautosschon fast zwingend erscheinen lässt.

Das Ende des Ölzeitalters ist oft beschrieben worden,auch wenn die derzeitigen Preissteigerungen für Benzinmehr spekulativen Charakter haben, als dass ein wirklicherMangel an den Weltmärkten vorliegt. Doch tendenziellwird Sprit in Zukunft knapp und damit teurer, vor allem,wenn das Wirtschaftswachstum in China weiter anhält.

Noch gravierender wirken die verschärften Emissions-anforderungen. Mitte des kommenden Jahrzehnts dür-

fen die meisten Autos, so wie sie heute gebaut werden, invielen Regionen der Welt nur noch unter Auflagen ver-kauft werden. In Europa beispielsweise soll der Ausstoßder Neuwagenflotte bis 2020 auf 95 Gramm pro gefahre-nen Kilometer sinken, das schaffen heute nur die sau-bersten Kleinwagen. Wer dann trotzdem noch größereAutos verkaufen will, braucht zum Ausgleich Fahrzeuge,die am besten gar nichts mehr ausstoßen. Das Elektro-auto scheint die Lösung.

Der Stand der Technik sind Lithium-Ionen-Batte-rien, die vor wenigen Jahren Laptops und Handies er-obert haben. Es ist diese Speichertechnik, die es erst-mals seit 130 Jahren geschafft hat, Benzin als Energie-träger für Autos Konkurrenz zu machen. Noch magman von einem Durchbruch kaum sprechen: Die ers-ten Elektroautos fahren immer noch mit Batterie-packs, die mehrere hundert Kilo schwer sind. So hat

beispielsweise der Mini E, von demzur Zeit mehrere hundert Exemplareim Testbetrieb fahren, statt einerRückbank Batterien auf der Hinter-achse. 1,5 Tonnen wiegt der Kleinwa-gen, die Reichweite ist auf 200 Kilome-ter begrenzt. Auch die Kosten spre-chen gegen eine schnelle Einführung:Ein Elektrokleinwagen ist noch dop-pelt so teuer wie sein benzinbetriebe-nes Pendant.

Dass ein wirtschaftlich so waghalsigesProjekt dennoch eine gute Chance zum

Durchbruch hat, liegt ausgerechnet an der Wirtschafts-flaute. Die Absatzkrise 2008/2009 hat die US-Autoindus-trie faktisch in die Pleite fahren lassen. General Motorsbekommt einen Neustart von der Regierung in Washing-ton finanziert. Doch die Regierung von Barack Obamahat längst erkannt, dass ein echter Neuanfang her muss.Da GM mit herkömmlichen Autos auch nach einem Neu-start weiter hoffnungslos der Konkurrenz hinterherfah-ren würde, spendiert Washington seine Milliarden fürdas Elektroauto.

Das Beispiel macht Schule: Frankreichs Autoindustrie,ebenfalls in einer schwierigen Situation, bekommt üp-pige Förderungen aus Paris für die Elektromobilität;Staatspräsident Nicolas Sarkozy will Post und Verwal-tung in Frankreich dazu verdonnern, die Elektroautosvon Peugeot, Citroën und Renault bevorzugt in die Flot-ten aufzunehmen. Und in China sollen in den Metropo-len von Peking bis Shanghai bald massenhaft Stromfahr-zeuge zum Einsatz kommen; Peking will seinen strategi-schen Vorsprung in der Batterietechnik nutzen, um dietraditionellen Machtverhältnisse in der Autoindustrie zubrechen.

Vor diesem Hintergrund wird der „Autogipfel“ imKanzleramt wegweisend. BMW, Daimler und VW kön-nen den Einstieg in die neue Technologie allein kaumstemmen, sie brauchen Kooperationspartner und staatli-che Hilfen. Daimler verbündet sich mit Renault, und holtsich frisches Kapital aus Abu Dhabi. VW sucht die Nähezu „Build Your Dreams“, dem chinesischen Batteriespe-zialisten. Und die BMW-Großaktionärin Susanne Klattensteigt beim Chemiekonzern SGL Carbon ein, um Zugriffauf Leichtbau-Materialien und Kohlefaserfertiung zu be-kommen – eine Schlüsseltechnik für Elektroautos.

Jetzt muss die Bundesregierung entscheiden, wie vielihr das Abenteuer Elektroauto wert ist. Markus Fasse

AbenteuerElektroautoPolitik und Industrie haben sich festgelegt: Dem E-Mobilgehört die Zukunft. Wirklich überzeugt ist Deutschlandaber noch nicht von den schnurrenden Autos.

Das EndeImmer mehr Kundenproduzieren Strom selbst.Um im Markt mitzuspielen,sind sie aber zu klein.Deshalb schließen sie sich zuvirtuellen Kraftwerkenzusammen.

Zwei Kinder spielen am Küchentisch Karten.Plötzlich fällt das Licht aus. In der Wohnung.Im gesamten Häuserblock. In der ganzenStadt. Ein blauer Lastwagen des technischenHilfswerks rückt mit Sirenengeheul aus, um

die Notversorgung mit Strom sicherzustellen. Geht beiuns bald das Licht aus?

Mit dieser düsteren Szene startet ein Werbefilm von En-ercon, Solarworld und Schmack Biogas. Die drei Unter-nehmen beschwören den Atomausstieg und das Endeder Kohleförderung. Gleichzeitig setzen sie ihr Netzwerkaus Wind-, Solar-, Biogas- und Wasserkraftanlagen als Al-ternative dagegen.

Dieses Pilotprojekt ist eines von vielen, die für denneuen Trend zu virtuellen Kraftwerken stehen. Virtuell,weil viele kleine Einzelkraftwerke an verschiedenen Or-ten sich zusammenschließen und ihren Strom gemein-sam anbieten. An solchen Projekten arbeiten große Ener-giekonzerne wie RWE und Eon, aber auch alternative An-bieter wie die Hamburger Unternehmen Lichtblick undEnversum.

Was treibt sie an? „Wir müssen zum Beispiel die vielenneuen Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland intel-ligent ins Stromnetz integrieren“, sagt Martin Kramer,Projektmanager für dezentrale Energiesysteme derRWE-Tochter Rheinland Westfalen Netz AG. Die einzel-nen dezentralen Anlagen seien oft zu klein, um ihre Leis-tung an die großen Netzbetreiber als Regelenergie oderan der Strombörse zu verkaufen. Außerdem fördert die

1,5Tonnen wiegt der Mini Ewegen der schwerenBatterien, die an Stelleeiner Rückbank auf derHinterachse liegen.

Quelle: BMW

Dav

ids/Jaku

baszek

TOPIC

FunktionStromwird benutzt, um zwei Salzlösungen– sogenannte Elektrolyte – zu einer chemi-schen Reaktion zu bringen. So wird Energiechemisch gespeichert und kann durch Um-kehrung der Reaktion wieder abgegebenwerden. Entscheidend ist die Zahl der Lade-und Entlade-Zyklen, die das System ohnenennenswerten Leistungsverlust übersteht.Am geeignetsten erscheinen derzeit Vana-dium-Redox-Batterien, deren Umweltrisi-kenmoderat sind und für die die Rohstofferelativ gut verfügbar sind.

KapazitätDie Leistung hängt von der Größe der Reak-tionskammern und der Größe der Speicher-behälter ab. An dem Systemwird intensivgeforscht, derzeit gibt es weltweit nur einenHersteller.

VorteileDie Selbstentladung dieser Systeme ist sehrgering, die Energie kann also über längereZeiträume gespeichert werden. Seine Eigen-schaften können aber durch Verwendungunterschiedlicher Chemikalien flexibel ge-staltet werden.

NachteileDie Batterie ist nur stationär einsetzbar undsehr teuer.

der EinbahnstraßeStrom speichern:Redox-Flow-Batterie

Bundesregierung die dezentrale Energieerzeugung, umdie CO2-Bilanz zu verbessern.

Eine große Herausforderung für die gesamte Branche,die ein Eon-Sprecher in München so beschreibt: „Bisherwird Strom von größeren Kraftwerken erzeugt und anVerbraucher verteilt, eine klassische Einbahnstraße.“Doch immer mehr werde „aus den Einbahnstraßen einkomplexes Autobahnsystem mit mehrspurigem Verkehrin beide Richtungen“. Denn die Kunden, Privathaushalteund Unternehmen, nutzen zwar den Strom der Energie-versorger, werden aber mit eigenen Solaranlagen gleich-zeitig zu Stromanbietern.

Damit die neue Vielfalt auch praktisch funktioniert,schließen verschiedene Energiekonzerne die Minikraft-werke zu virtuellen größeren Einheiten zusammen. Dafürmüssen zahlreiche Probleme gelöst werden. „Sie müssendie kleinen Kraftwerke über eine Zentrale so steuern,dass sie zusammen rund um die Uhr Strom in der geplan-ten Menge liefern können“, sagt Heinrich Bartelt, Ge-schäftsführer der Regenerativkraftwerke Harz. Das Unter-nehmen ist einer von 19 Partnern des großen Modellver-suchs im Harz, wo verschiedene Energieerzeuger derzeitdas Zusammenspiel von Solar-, Wind-, Biogas- und Was-serkraftwerken testen. Wenn zum Beispiel die Windräder

bei einem lauen Lüftchen stillstehen, die Solaranlagen we-gen einer Wolkendecke keinen Strom produzieren, dannfüllen Biogas- und Wasserkraftwerke die Lücke.

Und was geschieht, wenn die Windräder zu schnell lau-fen und mehr Strom produzieren als erforderlich? „Dannspeichern wir ihn in Pumpspeicherkraftwerken“, sagtBartelt. Das geht so: Mit der überschüssigen Energie wirdWasser über Rohrleitungen in ein hochgelegenes Spei-cherbecken gepumpt. Bei Bedarf lässt man das Wasserwieder ins untere Becken laufen und treibt damit Turbi-

nen an, die Strom erzeugen. Außerdem setzt er auf neueBatterien, um Strom zu speichern. 2013 soll das virtuelleKraftwerk im Harz nach einem Testlauf ans Netz gehen.

RWE ist da schon weiter – zumindest in den Niederlan-den. Die Tochter Essent hat dort sogenannte Blockheiz-kraftwerke von Hunderten Gewächshäusern zusammen-geschaltet und verkauft den überschüssigen Strom an ex-terne Kunden. Blockheizkraftwerke erzeugen, meist an-getrieben durch Gasmotoren, Strom und nutzen die da-bei entstehende Wärme zum Heizen.

Auch in Deutschland bereiten verschiedene Unterneh-men solche Projekte vor. „Wir wollen ab September die-ses Jahres Energie anbieten, das aus mehr als 100 Block-heizkraftwerken kommt“, kündigt Erich Ogilvie, Ge-schäftsführer des Hamburger Energiehändlers Enver-sum an. Sein Ziel ist es, insgesamt eine Leistung von min-destens 15 Megawatt zu bündeln, denn dann wird er zumHandel an der Strombörse zugelassen.

Noch ehrgeizigere Ziele hat der Hamburger Ökostrom-anbieter Lichtblick zusammen mit VW. Er testet derzeitMini-Kraftwerke des Wolfsburger Autokonzerns, dieebenfalls die sogenannte Kraftwärmekopplung nutzen,also Heizen und gleichzeitig Strom erzeugen. Lichtblickplant, ab Sommer die ersten Kunden anzuschließen. Ins-gesamt wollen die Hamburger 100 000 Anlagen verkau-fen und zu einem Kraftwerk mit einer Leistung von2 000 Megawatt vernetzen. Das entspricht in etwa der Ka-pazität von zwei Atomkraftwerken.

Doch das Vernetzen bleibt nicht die einzige Herausfor-derung für virtuelle Kraftwerke. „Es ist sehr wichtig, dassauch der Energieverbrauch intelligent gesteuert wird“,merkt Kramer von RWE an. Es geht darum, dass der Pri-vatkunde zum Beispiel dann seine Wasch- oder Spülma-schine einschaltet, wenn der Wind stark weht – also vielStrom zur Verfügung steht.

Beim Modellprojekt im Harz soll das „Bemi – Bidirektio-nales Energiemanagement-Interface“ beim Kunden da-für sorgen, dass er solche günstigen Zeiten nutzt. Das Ge-rät schaltet dann die Waschmaschine ein. Ein Schritt indiese Richtung ist auch das Smart Meter, das Eon heuteschon als intelligenten Stromzähler nutzt.

Ob Smart Meter, Bemi, ob Solar- oder Windenergie –virtuelle Kraftwerke werden in Zukunft immer mehr zumgesamten Stromverbrauch beitragen.

„Es ist sehr wichtig, dass auchder Energieverbrauch intelligent

gesteuert wird.“Martin Kramer

Projektmanager für dezentrale Energiesysteme, Rhl.-Westfalen Netz AG

DONNERSTAG, 22. APRIL 2010www.handelsblatt.com 15

© Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected]. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Zum Erwerb weitergehender Rechte wenden Sie sich bitte an [email protected].

Page 9: Handelsblatt Topic

Sponsored by

Wie Strom, Wärmeund Internet zusammenkommen

Die Zukunft der Energie

TopicNr. 77 Donnerstag 22. April 2010

Total vernetzt