handlungsleitlinie schmerztherapie

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Handlungsleitlinie Schmerztherapie 1. Einleitung 1.1. Präambel Die Vermeidung und Therapie von Schmerzen ist eine gemeinsame Aufgabe aller an der Krankenversorgung beteiligter Mitarbeiter unseres Klinikums, daher soll diese Arbeitsanweisung den allgemeinen Ablauf und die regelhafte Arbeitsteilung inklusive der entsprechenden Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten regeln, um im Arbeitsalltag eine Entlastung und Klärung zu schaffen. Unterschieden werden zunächst drei Patientengruppen: perioperativ zu versorgende Patienten mit Schmerzen durch ein Trauma, die Operation oder die zugrunde liegende Erkrankung. konservativ behandelte Patienten mit akuten und chronischen Schmerzen somatischer Genese z.B. Tumorpatienten. Patienten mit einer chronischen oder chronifizierten Schmerzerkrankung, die unabhängig von dieser Erkrankung zur stationären Behandlung kommen. Für alle Patienten gilt: Der Patient befindet über den Schmerz und sein Ausmaß. Um gemeinsam auf die Zielvorstellung eines schmerzarmen Krankenhauses zuzusteuern, sollten von allen Berufsgruppen und Disziplinen Anstrengungen unternommen werden, den Schmerz leidenden Patienten zufrieden stellend zu helfen. Hierzu bedarf es Absprachen und Regelungen, die mit diesem Dokument getroffen oder vorbereitet werden sollen. Dabei soll das Vorgehen soweit sinnvoll vereinheitlich, vereinfacht und qualitativ verbessert werden. Weiterhin dient dies auch der möglichst effizienten Verwendung von Ressourcen und somit der Wirtschaftlichkeit unseres gemeinsamen Handelns. Gemeinsame Anstrengungen zur Schmerzbekämpfung im gesamten Krankenhaus sind dabei kein Selbstzweck, sondern ein Erfordernis der Menschlichkeit, ein juristisch einforderbarer Bestandteil der Krankenbehandlung, nicht zuletzt ein erheblicher Beitrag zum wirtschaftlichen Prosperieren des Klinikums, da zufriedene Patienten für unsere Behandlung die beste Werbung darstellen. Vielen Dank für Ihre Beteiligung an unseren gemeinsamen Bemühungen.

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schmetzetherapie

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Page 1: Handlungsleitlinie Schmerztherapie

Handlungsleitlinie Schmerztherapie 1. Einleitung 1.1. Präambel Die Vermeidung und Therapie von Schmerzen ist eine gemeinsame Aufgabe aller an der Krankenversorgung beteiligter Mitarbeiter unseres Klinikums, daher soll diese Arbeitsanweisung den allgemeinen Ablauf und die regelhafte Arbeitsteilung inklusive der entsprechenden Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten regeln, um im Arbeitsalltag eine Entlastung und Klärung zu schaffen. Unterschieden werden zunächst drei Patientengruppen:

• perioperativ zu versorgende Patienten mit Schmerzen durch ein Trauma, die Operation oder die zugrunde liegende Erkrankung.

• konservativ behandelte Patienten mit akuten und chronischen Schmerzen

somatischer Genese z.B. Tumorpatienten.

• Patienten mit einer chronischen oder chronifizierten Schmerzerkrankung, die unabhängig von dieser Erkrankung zur stationären Behandlung kommen.

Für alle Patienten gilt: Der Patient befindet über den Schmerz und sein Ausmaß. Um gemeinsam auf die Zielvorstellung eines schmerzarmen Krankenhauses zuzusteuern, sollten von allen Berufsgruppen und Disziplinen Anstrengungen unternommen werden, den Schmerz leidenden Patienten zufrieden stellend zu helfen. Hierzu bedarf es Absprachen und Regelungen, die mit diesem Dokument getroffen oder vorbereitet werden sollen. Dabei soll das Vorgehen soweit sinnvoll vereinheitlich, vereinfacht und qualitativ verbessert werden. Weiterhin dient dies auch der möglichst effizienten Verwendung von Ressourcen und somit der Wirtschaftlichkeit unseres gemeinsamen Handelns. Gemeinsame Anstrengungen zur Schmerzbekämpfung im gesamten Krankenhaus sind dabei kein Selbstzweck, sondern

• ein Erfordernis der Menschlichkeit, • ein juristisch einforderbarer Bestandteil der

Krankenbehandlung, • nicht zuletzt ein erheblicher Beitrag zum wirtschaftlichen

Prosperieren des Klinikums, da zufriedene Patienten für unsere Behandlung die beste Werbung darstellen.

Vielen Dank für Ihre Beteiligung an unseren gemeinsamen Bemühungen.

Page 2: Handlungsleitlinie Schmerztherapie

Klinikum Hanau GmbH Handlungsleitlinie akute Schmerztherapie V. 2.0 Seite 2

1.2. Leitsätze der Schmerztherapie

Der Patient beurteilt den Schmerz, die Schmerzstärke ist im Tagesverlauf mit einem geeigneten Messverfahren (NRS, NAS, VAS) dreimal zu erheben und zu dokumentieren. Therapie erfolgt individuell für den Patienten, angelehnt an die hier dargestellten Leitlinien. Schmerzvermeidung steht vor Schmerztherapie, sollte deren Beginn aber nicht verzögern. Ziel ist soweit möglich die Schmerzfreiheit, anderenfalls ein NAS unter 3 für möglichst den ganzen Tagesverlauf. Therapie erfolgt immer so einfach, sicher und preiswert, wie zur Erreichung von Schmerzfreiheit möglich, also überwiegend oral oder durch die Weiterverwendung von Regionalanästhesiemethoden, die z.B. intraoperativ bereits begonnen wurden. Der Patient soll bevorzugt in die Lage versetzt werden den Schmerz selbst zu kontrollieren (orale Therapie, i.v.-PCA, PCRA, PCEA). Schmerztherapie erfolgt regelhaft nach Zeitplan und nicht nur nach Bedarf. Für jeden Patienten mit bestehenden oder z.B. post-operativ zu erwartenden Schmerzen ist eine Regelmedikation zusammen mit einer Bedarfsmedikation gegen Schmerzen unter Berücksichtigung seiner Grunderkrankung und bekannter Begleiterkrankungen zu verordnen. Für jeden Patienten ist, von Beginn der Schmerztherapie an, eine angemessene Begleitmedikation zur Kontrolle der Nebenwirkungen zu verordnen (Laxantien, Antiemetika, Magenschutz) Die allgemeine Schmerzbehandlung ist Aufgabe jedes Mitarbeiters im Krankenhaus, die Vorhaltung eines speziellen Schmerzdienstes kann entlasten und soll Patienten mit speziellen Schmerzproblemen eine angemessene Behandlung mit Spezialmethoden ermöglichen.

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Klinikum Hanau GmbH Handlungsleitlinie akute Schmerztherapie V. 2.0 Seite 3

2. Zuständigkeiten für die Schmerztherapie Ärztliche Verantwortlichkeiten: Bei Anwendung von rückenmarknahen Verfahren (z.B. Periduralkathetern), peripheren Schmerzkathetern (z.B. Plexus brachialis o. sog. 3-in-1) und der i.v.-PCA liegt die Verantwortung für die gesamte Schmerztherapie beim Akutschmerzdienst der Anästhesie und erfolgt nach speziellen Arbeitsanweisungen der Anästhesie. Ohne Rücksprache mit der Anästhesie darf bei diesen Patienten keine weitere Schmerzintervention durch andere Ärzte erfolgen. Die Anästhesisten sind weiterhin zuständig für die intraoperative Schmerztherapie sowie die Schmerztherapie im Aufwachraum und auf der Intensivstation H1. Für alle sonstigen Schmerztherapien liegt die Verantwortung bei der ärztlichen Dienst der zuständigen Fachabteilungen. Bei Notfallpatienten erfolgt die Schmerztherapie unter Hinzuziehen und in Absprache mit der zuständigen Fachabteilung (Diagnosestellung !). Alle Anordnungen zur Schmerzmedikation sind schriftlich im dafür vorgesehenen Anordnungsbogen und mit Unterschrift versehen zu dokumentieren. Pflegerische Verantwortlichkeiten:

• Regelmäßige Erfassung und Dokumentation der Schmerzstärke • Verabreichung der Medikamente nach ärztliche Anordnung • Schriftliche Dokumentation jeder Schmerzmittelgabe • Überwachung der Vitalparameter incl. Atemfrequenz • Alarmierung des Arztes bei Auffälligkeiten • Weitere Aufgaben können nach entsprechender Qualifikation dem

Pflegedienst ausdrücklich übertragen werden Akutschmerzdienst: Der Akutschmerzdienst wird durch den diensthabenden Anästhesisten besetzt. Erreichbarkeit: In der Regelarbeitszeit: über die Prämedikationsambulanz, Tel.(int.): 2430 Außerhalb der Dienstzeit: Tel.(int.): 1322 3. Patientenaufklärung Jeder Patient muß über die Möglichkeiten, Vorteile, Nebenwirkungen sowie den Wert einer Schmerztherapie für den Heilungserfolg von ärztlicher Seite aufgeklärt werden. Die entsprechenden Methoden zur Schmerzerfassung (z.B. NRS, NAS, VAS) sind vorzustellen.

Page 4: Handlungsleitlinie Schmerztherapie

Klinikum Hanau GmbH Handlungsleitlinie akute Schmerztherapie V. 2.0 Seite 4

4. Feststellung und Dokumentation der Schmerzstärke Die Messung der Schmerzstärke erfolgt mittels „Numerischer Rating Skala“ (NRS), „Numerischer Analog-Skala“ oder „Visueller Analog Skala“ (VAS). Hierbei ist 0=kein Schmerz und 10=größter vorstellbarer Schmerz. Im Weiteren wird der Einfachheit halber nur noch der Begriff „VAS“, der angestrebten Goldstandard, verwendet werden. Numerische Rating Skala (NRS) / Numerische Analog-Skala (NAS) zur Schweregrad-Beurteilung von Symptomen

I I I I I I I I I I

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

kein Schmerz

mäßiger Schmerz

mittelstarker Schmerz

starker Schmerz

stärkster vorstellbarer Schmerz

Der Begriff NRS beschreibt die Anwendung der Schmerzskala von 0-10 ohne sichtbare Hilfsmittel: der Patient wird aufgefordert, seinen aktuell empfundenen Schmerz auf der Skala zwischen den Werten 0= kein Schmerz und 10=stärkster vorstellbarer Schmerz ohne optisches Hilfsmittel einzuordnen. Das gleiche Verfahren unter Zuhilfenahme der oben dargestellten Skala zum visualisieren und evtl. Deuten durch den Patienten wird als NAS bezeichnet. Die zuverlässigste Form der Messung mit einem Messschieber als visuellen Hilfsmittel ist die Bestimmung des Wertes nach der Visuellen Analog Skala (VAS), hier wird auf der einen Patientenseite des Schiebers zwischen den beiden Maximalwerten (keine Schmerzen / stärkste vorstellbare Schmerzen) ohne orientierende Sakal die Schmerzstärke vom Patienten eingestellt, auf der Rückseite ist vom Therapeuten der analoge Messwert zwischen 0 und 10 abzulesen. Der therapeutisch durchgängig angestrebte Wert sollte ≤ 3 sein, eine Schmerzstärke ≥ 7 gilt als Notfall und erfordert die Akutintervention durch einen Arzt. Bei einer über mehr als 24 Stunden gemessenen Schmerzstärke unter 2 kann die Schmerztherapie beendet werden. Die Messung der VAS reicht nicht immer als alleiniges Instrument zur Schmerzbeurteilung. Ihre Aussagekraft muss gegebenenfalls ergänzt werden durch die Beurteilung der Vigilanz, Messung der Atemfrequenz, der Herzfrequenz sowie des Blutdrucks und ggf. der pulsoxymetrischen Messung der Sauerstoffsättigung. Die Feststellung der Schmerzstärke erfolgt erstmalig bei Aufnahme des Patienten durch den aufnehmenden Arzt. Bei Verlegung von operierten Patienten aus dem Aufwachraum wird eine Schmerzstärke ≤ 3 angestrebt. Auf den Bettenstationen wird bei Patienten mit Schmerzen die Schmerzstärke bei jeder Visite durch den Arzt erhoben. Es wird der Ruhe- und Belastungsschmerz bestimmt. Darüber hinaus wird der VAS wird 2 x täglich durch das Pflegepersonal bestimmt und dokumentiert.

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Klinikum Hanau GmbH Handlungsleitlinie akute Schmerztherapie V. 2.0 Seite 5

5. Medikamente zur allgemeinen Schmerztherapie: Die im Klinikum Hanau verfügbaren Medikamente der einzelnen Therapiestufen nach WHO sind nachfolgend aufgelistet:

5.1.1 Stufe 1:

NSAR: Standardmedikamente der Stufe 1 immer nur eine Substanz, Kombination innerhalb der Stufe 1 nur in begründeten Ausnahmefällen durch den besonders Erfahrenen. Bedarfs für Magenschutz beachten. Die Einzel- und Tagesmaximaldosen sind unbedingt einzuhalten.

Diclofenac [Voltaren resinat ®] 75 mg Kapseln (2 x tgl), [Voltaren ®] 50 mg Drg (2-3 x tgl) Für Erwachsene gilt: Einzelmaximaldosis: 75 mg

Tagesmaximaldosis: 150 mg Ibuprofen bevorzugt als [Ibuprofen ret.]-800 mg Ret.-Tabl. (2-3 x tgl), [Ibuprofen]-Tabl 400 mg unretardiert (3 x tgl) Für Erwachsene gilt: Einzelmaximaldosis: 800 mg

Tagesmaximaldosis: 2.400 mg Acetylsalicylsäure [ASS]-Tabl. 500 mg Für Erwachsene gilt: Einzelmaximaldosis: 1.000 mg

Tagesmaximaldosis: 3.000 mg

Sonstige Nichtopioidanalgetika der Stufe 1:

Metamizol [Novaminsulfon ®]: bevorzugt als 500mg Tablette (4 x tgl) als Alternative zu NSAR insbesondere bei intestinalen Schmerzen mit Kolik-Charakter oder bei Kontraindikation von NSAR alternativ auch Tropfen bei Schluckschwierigkeiten oder langsame Kurzinfusion Für Erwachsene gilt: Einzelmaximaldosis: 1.000 mg (i.v. 2.500 mg) Tagesmaximaldosis: 4.000 mg

Paracetamol – bevorzugt als Supp. mit 250, 500 mg, 1g (3-4 x tgl) alternativ Tabl. a 500 mg oder 1g i.v. schwächstes Analgetikum dieser Gruppe und geringe therapeutische Breite (Cave: Intoxikation, vorbestehende Leberinsuffizienz und intestinale Minderperfusion z.B. postoperativ und bei Schocksymptomatik) beim 70 kg Erwachsenen: Einzelmaximaldosis 1g

Tagesmaximaldosis 4g

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Klinikum Hanau GmbH Handlungsleitlinie akute Schmerztherapie V. 2.0 Seite 6

5.1.2. Komedikation der Stufe 1:

Bei NSAR im Krankenhaus immer Magenschutz, bevorzugt mit PPI, z.B. Omeprazol abends 20 mg, bei entsprechender Anamnese und Corticoiddauerapplikation immer weiterführen, dann Dosis 1x 40 mg.

5.1.3. Bewertung der NSAR durch das BfArM

Alle NSAR haben ein erhöhtes Risiko für eine Blutdruckerhöhung und möglicherweise auch andere Herz-Kreislaufkomplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall. Daher ist die individuelle Krankheits-situation des Patienten zu berücksichtigen. Sie sollen in der niedrigst möglichen Dosierung und nur solange wie nötig eingenommen werden.

5.2.1. Stufe 2:

Tramadol [Tramadol®] Retard-Tabl. 100 mg nur orale retardierte Anwendung (keine Tropfen, keine parenterale Applikation) (2 x tgl) Für Erwachsene gilt: Tagesregeldosis: 400 mg

5.2.2. Komedikation ab Stufe 2: Antiemetika:

Metoclopramid [Paspertin®] Tabletten à 10 mg als 1. Wahl: initial regelhaft zu jeder Regeldosis Opiat, Reduktionsversuch nach frühestens 3 Tagen bei fehlender Übelkeit unter gleich bleibender Opiatdosierung

Paspertin®-Tropfen, Paspertin i.v. à 10 mg nur bei Schluckstörungen.

Dimenhydrinat [Vomex A®] als 2.Wahl: Drg. mit 50 mg, retard Kaps. mit 150 mg, alternativ: Supp. mit 150 mg oder Vomex i.v. à 62 mg Granisetron [Kevatril®] als parenterale Alternative Anwendung nur durch Erfahrenen wie 5.3.3, siehe hierzu Therapierichtlinie Antiemetika. Dexamethason [Fortecortin®] 4 mg i.v., siehe hierzu Therapierichtlinien Antiemetika Haloperidol [Haldol®]- Tropfen 3-5 Tropfen unverdünnt sublingual

Laxantien:

1. Wahl: Lactulose-Sirup [Bifiteral®] als Standardsubstanz, mit

individuell angepasster Tagesdosis nach Stuhlfrequenz und Konsistenz, Beginn mit 2 x 2 Messbecher. Nicht bei Patienten mit

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Klinikum Hanau GmbH Handlungsleitlinie akute Schmerztherapie V. 2.0 Seite 7

Kontraindikationen wie beispielweise: Diabetes mellitus, Lactoseintoleranz, massiver Flatulenz unter Lactulose

2. Wahl: Macrogol [Movicol®] Btl. Bei entsprechenden KI,

Startdosierung: 2 x 1 Btl., anschließende Dosisanpassung nach Stuhlfrequenz und Konsistenz Auf ausreichende Zufuhr von oraler Flüssigkeit ist zu achten !

Ergänzend auch: Natriumpicosulfat, Bisacodyl, Paraffin sowie weitere Maßnahmen nach einem zu erstellenden Stufenkonzept.

5.3.1. Stufe 3:

Oxycodon/Naloxon [Targin®] Tabl., oral retardiert (10/5 & 20/10 mg) Anwendung als orale perioperative Regelmedikation 2 mal täglich 20/10 mg, bei Patienten über 70 Jahre oder unter 40 kg KG: halbe Einzeldosis. Immer anzuwenden, wenn orale Applikation möglich und sinnvoll, sowie Regionalanästhesieverfahren nicht anwendbar. Maximale Tagesdosis: 40/20 mg Weitere Dosissteigerung darf nur mit Oxycodon ret. erfolgen. Oxycodon, oral retardiert [Oxygesic® ret. Tabl.] (10 & 20 mg). Reservepräparat in Ausnahmenfällen zur weiteren Dosissteigerung, wenn die Targin-Höchstdosis von 2 x 20/10 mg nicht ausreichend ist. Oxycodon, nicht retardiertes Oxycodon [Oxygesic® akut] mit 5 mg einzusetzen als Bedarfsmedikation zusätzlich zur Basismedikation mit Targin®-Retardtabl. bei Schmerzspitzen (als sog. Rescue-Medikation). Einsatz nicht ohne Regelmedikation, Einzeldosis ca. 20-30% der Tagesgesamtdosis an oralem Oxycodonäquivalent (max 40 mg/Tag), minimales Einnahmeintervall 1 h. Wenn nach 3-maliger zusätzlicher Oxygesic akut-Gabe in Folge keine ausreichende Schmerzkontrolle erreichbar ist, ist der zuständige AvD zu informieren. Ärztliche Bedarfsanordnung mit Dosierungsintervall und Einzelapplikationsdosis sowie notwendigerweise weiteren Maßnahmen bei Schmerzexazerbation bei allen Patienten mit Stufe-3-Therapie durch Stationsarzt ist Pflicht! Dokumentation der Applikation von Rescue-Medikation ist mit Uhrzeit, Dosis und NRS-Wert vor Applikation für die Pflegeperson verpflichtend.

Morphin, Standardmedikament für die Bekämpfung von starken Schmerzen aller Art und Ursache, außer isolierten perioperativen akuten Schmerzen. Im Klinikum Hanau verfügbare Präparate:

Morphinsulfat®-Ampullen mit 10mg & 100mg:

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zur Anwendung z.B. als i.v.- oder s.c.-Injektion bei akuter Schmerzexazerbation, sowie für i.v.-PCA-Pumpen z.B. perioperativ, darüber hinaus für spezielle Schmerztherapie. Morphin®-Retardkapseln mit 10,30,60,100 mg : Orale Standardtherapie aller starken Schmerzzustände mit einer regelmäßigen 2mal täglichen Einnahme nach Zeitplan. Therapiebeginn z.B. mit 3 x 30 mg; bei Bedarf: tägliche Dosisanpassung nach Titration mit schnellwirksamem Morphin.

Oramorph®-Trinkampullen (nicht retardiertes Morphin) mit 10 mg einzusetzen nur als Bedarfsmedikation zusätzlich zur Basismedikation mit Morphin®-Retardkapseln oder auch anderen Stufe-3-Opiaten bei der Dosisfindung und Schmerzspitzen (als sog. Rescue-Medikation). Einsatz nicht ohne Regelmedikation, Einzeldosis ca. 20-30% der Tagesgesamtdosis an oralem Morphinäquivalent, minimales Einnahmeintervall 30 min. Ärztliche Bedarfsanordnung mit Dosierungsintervall und Einzelapplikationsdosis sowie notwendigerweise weiteren Maßnahmen bei Schmerzexazerbation bei allen Patienten mit Stufe-3-Therapie durch Stationsarzt Pflicht! Dokumentation der Applikation von Rescue-Medikation ist mit Uhrzeit, Dosis und NAS vor Applikation für die Pflegeperson verpflichtend. Fentanyl transdermal [Durogesic®] mit 12, 25, 50, 100 µg/h Abgabemenge: nicht zur perioperativen Schmerztherapie geeignet! Anwendung nur bei Patienten mit entsprechender Vormedikation, oder nach vorheriger oraler bzw. parenteraler Dosisfindung mit Morphin und Indikation für transdermale Therapie. Wechsel des Pflasters alle 3 Tage.

5.3.2. Komedikation

Mit Antiemetika und Laxantien immer wie unter 5.2.2. beschrieben.

5.3.3. Reservepräparate der Stufe 3:

nur in besonderen Arbeitsbereichen oder durch OA und speziellen Schmerzdienst einzusetzen: Bei Tumorschmerzen: Hydromorphon [Palladon®] Ret.-Kapseln mit 4, 8, 16, 24 mg Zur Opiatrotation oder Substitutionstherapie: l-Polamidon [Methadon®]- Amp. Nur zur Anwendung in der Anästhesie und Intensivmedizin: Sufentanil, Remifentanil und Alfentanil

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Pethidin [Dolantin®] Amp. à 50 und 100 mg nur zur Sedierung in der Endoskopie Oxycodon [Oxygesic® ] Retard-Tabl. : siehe 5.3.1.

5.4 Adjuvantien:

nur nach Entscheidung durch erfahrenen FA/OA oder speziellen Schmerzdienst, z.B. Antidepressiva, Corticoide, Bisphosphonate und Antikonvulsiva.

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6. Vorgehen bei perioperativen Patienten 6.1. Regionalanästhesieverfahren sind zu bevorzugen Für alle perioperativ zu betreuenden Patienten ist durch Anästhesist und Operateur präoperative grundsätzlich die Möglichkeit und Verhältnismäßigkeit der Anwendung Regionalanästhesieverfahren (RA) zu prüfen. Dabei ist diesen Verfahren nach Möglichkeit der Vorzug zu geben:

• Spinalanästhesie (SpA) ggf. mit Opioiden • Epiduralanästhesie (PDA) mit anschließender Nutzung der Katheter mittels

Patienten kontrollierter Epiduralanästhesie (PCEA) • Katheter-Regionalanästhesien der Arm- und Bein-Plexen und peripherer

Nerven mit anschließender Patienten kontrollierter Regionalanästhesie (PCRA).

Hierbei erfolgt die PCEA mit einer durch die Apotheke fertig bereit gestellten epiduralen Infusionslösung aus Lokalanästhetikum (Ropivacain) und Opiat (Sufentanil), die PCRA mit Lokalanästhetikum (Ropivacain) ohne Opiatzusatz jeweils mittels einer elektronisch gesteuerten motorisch betriebenen PCA-Pumpe. Postoperativ-Schema 1: Schmerztherapie nach rückenmarknaher Regionalanästhesie z.B. bei großen Laparotomien (z.B. colorektale Eingriffe, Oberbaucheingriffe, Thorakotomie, Aortenersatz, Wertheim-OP) Durchführung nach speziellen Handlungsanweisungen (PCEA-SOP, Fast-Track-Rehabilitations-SOP) PDK PDK bei Patienten

> 70 Jahre Basismedikation Naropin-Sufenta-Mischbeutel

440 ml* Laufzeit: 3-5 Tage

Naropin-Beutel 0,2 % 400 ml**

Intervention, wenn VAS > 3

Information des Akutschmerzdienst

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Klinikum Hanau GmbH Handlungsleitlinie akute Schmerztherapie V. 2.0 Seite 11

Postoperativ-Schema 2: Schmerztherapie nach peripherer Regionalanästhesie z.B. nach Frakturen der oberen Extremitäten

Periphere Katheter

Basismedikation Naropin-NaCl-Beutel 400 ml***

Intervention, wenn VAS > 3

Information des Akutschmerzdienst

*Naropin-Sufenta-Mischbeutel 440 ml enthalten Naropin 0,2 % 400 ml (entsprechend 800 mg Ropivacain-HCl 1H20) und 40 ml Sufenta mite (entsprechend 200 µg Sufentanil). ** Naropin-Beutel 400 ml enthalten 800 mg Ropivacain-HCl 1H2O ***Naropin-NaCl-Beutel 400ml enthalten 400 mg Ropivacain-HCl 1H2O Alle Mischungen werden in der Apotheke aseptisch hergestellt. Bei Anwendung von rückenmarknahen Verfahren (Periduralkathetern), peripheren Schmerzkathetern und der i.v.-PCA liegt die Verantwortung für die gesamte Schmerztherapie beim Akutschmerzdienst der Anästhesie. Ohne Rücksprache mit der Anästhesie darf keine weitere Schmerzintervention durch andere Ärzte erfolgen.

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Klinikum Hanau GmbH Handlungsleitlinie akute Schmerztherapie V. 2.0 Seite 12

6.2. orale Analgesie als Standard der systemischen Therapie Alle Patienten ohne entsprechende Regionalanästhesieverfahren erhalten postoperativ eine auf den Eingriff und die Komorbidität abgestimmte möglichst präoperativ zu verordnende orale Analgesie, sofern keine Kontraindikation für enterale Medikamenteneinnahme besteht. Diese Analgesie erfolgt in 2 Varianten mit oder ohne Opioid (Schema 3+4, siehe unten). Die Zuordnung erfolgt durch den behandelnden Arzt nach dem erwarteten postoperativen Schmerzerleben in Anlehnung an einen durch die jeweilige Klinik zu erstellenden Katalog. Grundsätzlich erfolgt diese Therapie mit einem NSAR, z.B. 2-3 x 800 mg Ibuprofen ret. plus PPI (1x 20 mg Omeprazol) evtl. auch Metamizol z.B. 4x 1 Tabl. (bei viszeralen Schmerzen oder Kontraindikation für NSAR) und bei Opioidbedarf mit Targin, initiale Standarddosis: 2x 20/10 mg; bei Patienten mit red. AZ, Lebensalter >70 Jahre oder einem Körpergewicht von < 40 kg : 2x 10 mg. Die Applikation erfolgt grundsätzlich immer nach Zeitplan, bei Schmerzspitzen wird oral nicht retardiertes Oxygesic akut 5 mg (Oxycodon) zusätzlich als Bedarfsmedikation bei Basistherapie mit Targin appliziert. Bei Basistherapie mit Morphin erfolgt die Bedafsmedikation mit Oramorph (Morphin) 10 mg Trinkampullen. Es gilt gilt die unter 5.3.1. beschriebene Dokumentationspflicht. Postoperativ- Schema 3 – Orale Medikation Opioid-frei z.B. bei Abszessen, Proktologie, laparoskopischer Cholecytektomie, Schilddrüsen OP, Varizen-OP, Karotis, periphere Bypässe, Metallentfernung, lap. Appendektomie, lap. Hernienversorgung

Standard Bei Schwangerschaft oder Kontraindikation von Ibuprofen

Basismedikation 3 x 800 mg Ibuprofen ret + 1 x 20 mg Omeprazol + 3 x 500 mg Metamizol

Paracetamol 3 x 1000 mg bevorzugt als Suppositorien

Intervention, wenn VAS > 3

zusätzlich 3 x 500 mg Metamizol

Bei nicht ausreichender Schmerzkontrolle erfolgt Wechsel durch den zuständigen Arzt in Post-OP-Schema 4

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Klinikum Hanau GmbH Handlungsleitlinie akute Schmerztherapie V. 2.0 Seite 13

Postoperativ- Schema 4 – Orale Medikation mit Opioiden (nur, wenn regionale Anästhesie nicht möglich) z.B. bei konventioneller Appendektomie, konventioneller Cholecystektomie, Struma, konventioneller Hernienversorgung, Osteosynthesen, retroperitonealer OP, Thoraktomie

Standard

bei kolikartigen Schmerzen oder Kontraindikation für NRSA

Pat. mit red AZ oder > 70 J. oder KG < 40 kg

Basismedikation 2-3 x 800 mg Ibuprofen ret +1x 20 mg Omeprazol +2x Targin 20/10 mg

4 x 500 mg Metamizol +2x Targin 20/10 mg

2-3 x 800 mg Ibuprofen ret +1x 20 mg Omeprazol + 2 x Targin 10/5 mg

Intervention, wenn VAS > 3

5 mg Oxycodon akut

Bei Nichtansprechen

Information des Stationsarztes: Steigerung der Targin-Dosis bis max. 40/20 mg/Tag Sollte eine weitere Erhöhung der Opioid-Dosis erforderlich sein, dann Gabe von Oxygesic ret. Tabl.

Ab 2.Post-OP-Tag kann die Targin-Dosis reduziert werden, wenn VAS < 3 6.3. i.v.-PCA als Alternative zu RA und oraler Therapie Nur bei Patienten ohne RA und ohne Möglichkeit der oralen Schmerztherapie kommt die Anwendung einer i.v.-PCA zum Einsatz. Diese soll mit Morphin mittels einer elektronisch gesteuerten motorisch betriebenen PCA-Pumpe erfolgen und erfordert stets einen sicheren venösen Zugang und darf ausschließlich unter Verwendung von Infusionssystemen mit patientennahen Rückschlagventilen erfolgen. Dosisschemata hierzu sind hauseinheitlich in Abhängigkeit von zu beschaffenden Pumpen durch die AG Schmerztherapie zu erstellen. Postoperativ- Schema 5 - PCA bis 3. postop. Tag Tag 4 -5

Basismedikation Morphin-Pumpe 200 mg auf 100 ml NaCl 0,9% keine Basalrate! Bolus: 3-5 mg, Sperrzeit 10 min.

Intervention,wenn VAS > 3

Alarmierung Schmerzdienst, ggf. Dosisanpassung

Anwendung von Postoperativ- Schema 4

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Literatur: Empfehlungen zur Therapie von Tumorschmerzen; Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (3. Auflage), Arzneiverordnung in der Praxis, Band 34, Sonderheft 1, Januar 2007 Therapie Tumorbedingter Schmerzen; Weltgesundheitsorganisation, Kilian, Marburg, 2. Auflage 1999

S3-Leitlinie „Behandlung akuter perioperativer und posttraumatischer Schmerzen“ der DIVS (AWMF, Nr. 041/001) vom 21.05.2007

Autoren: Priv.-Doz. Dr. med. Jörg Brederlau, Chefarzt der Klinik für Anästhesie und operative Intensivmedizin, Klinikum Hanau GmbH Dr. med. Ingmar Hornke, Leiter Palliativteam Hanau, Klinikum Hanau GmbH Beate Junk, stellvertretende Leiterin des Geschäftsbereichs 1 - Pflege- und Stationsmanagement Dr. Viola Schneider, Fachapothekerin für klinische Pharmazie, Leiterin der Apotheke, Klinikum Hanau GmbH Prof. Dr. med. Martin Wolff, Chefarzt der Chirurgie I, Klinikum Hanau GmbH Version: 2 Stand: 24.03.09