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Aufklärung und Kritik 1/2006 7 Prof. Dr. Hans Albert (Heidelberg) Hans Küngs Rettung des christlichen Glaubens. Ein Mißbrauch der Vernunft im Dienste menschlicher Wünsche I. Hans Küng und der kritische Ratio- nalismus Der Tübinger Reformtheologe und Kir- chenkritiker Hans Küng hat sich in sei- nem Buch „Der Anfang der Dinge“ 1 mit dem Verhältnis zwischen der wissen- schaftlichen und der religiösen Weltauf- fassung beschäftigt und für ein Komple- mentaritätsmodell plädiert, in dem die le- gitimen Ansprüche der beiden Auffassun- gen als miteinander vereinbar erwiesen werden sollen. Er hatte schon früher die Ansprüche der religiösen Auffassung ge- gen die moderne Religionskritik vertei- digt 2 und knüpft in diesem neuen Buch an die Resultate seiner früheren Argumen- tation an, und zwar in einer Weise, die den Eindruck erweckt, diese Argumentation sei ihm gelungen und sie sei mit dem ver- einbar, was er dem Leser in diesem Bu- che bietet. Wer sich Klarheit darüber verschaffen will, ob diese Vermutung zutrifft, tut al- lerdings gut daran, sich durch eine Lektü- re der erwähnten früheren Bücher selbst darüber zu informieren, welche Problem- lösungen der Autor damals angeboten hat und auf welche Weise er versucht hat, sei- ne Leser von ihrer Adäquatheit zu über- zeugen. Was ihm dann auffallen wird, ist die Tatsache, dass Küng damals mit dem kritischen Rationalismus, der philosophi- schen Auffassung, die auf Karl Popper zurückgeht, ganz anders verfahren ist als in seinem neuen Buch. Früher hatte er die- se Auffassung als einen ideologischen Ra- tionalismus dargestellt, der überwunden werden müsse, und er hatte sich bemüht, zu zeigen, dass ihm die von ihm selbst ver- teidigte religiöse Wirklichkeitsauffassung vorzuziehen sei. In seinem neuen Buch verwendet er dagegen Poppersche Thesen, die von ihm offenbar akzeptiert werden, um andere Auffassungen einer Kritik zu unterwerfen. Dagegen wäre natürlich nichts einzuwen- den, wenn mit dieser Art des Vorgehens eine entsprechende Revision der von ihm früher vertretenen Auffassungen verbun- den wäre. Dann wäre allerdings zumin- dest ein Hinweis darauf in seinem neuen Buch angebracht gewesen. Aber von ei- ner solchen Revision kann keine Rede sein, denn der Autor weist in seinem neu- en Buch wiederholt darauf hin, daß er in vollem Umfange auf seine früheren Er- gebnisse zurückgreifen möchte. Er hat also gute Gründe, seine Leser im Unkla- ren über seine frühere Kontroverse mit dem kritischen Rationalismus zu lassen. Das ist vor allem deshalb der Fall, weil seine damalige Argumentation gerade un- ter Gesichtspunkten analysiert wurde, die dieser philosophischen Auffassung ent- stammen. Ich habe nämlich damals zu zei- gen versucht, daß diese Argumentation un- haltbar ist 3 . Küng hat dann meine Kritik in einer längeren Anmerkung im dritten Band seiner Trilogie zurückgewiesen 4 . In der zweiten Auflage meines Buches, die ein weiteres Kapitel über Küng als Escha- tologen enthält, bin ich auf diese Anmer- kung eingegangen. Ich werde darauf zu- rückkommen. Gleichgültig, ob man meine Auffassungen zu den betreffenden Problemen nun teilt

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Aufklärung und Kritik 1/2006 7

Prof. Dr. Hans Albert (Heidelberg)

Hans Küngs Rettung des christlichen Glaubens.Ein Mißbrauch der Vernunft im Dienste menschlicher Wünsche

I. Hans Küng und der kritische Ratio-nalismusDer Tübinger Reformtheologe und Kir-chenkritiker Hans Küng hat sich in sei-nem Buch „Der Anfang der Dinge“1 mitdem Verhältnis zwischen der wissen-schaftlichen und der religiösen Weltauf-fassung beschäftigt und für ein Komple-mentaritätsmodell plädiert, in dem die le-gitimen Ansprüche der beiden Auffassun-gen als miteinander vereinbar erwiesenwerden sollen. Er hatte schon früher dieAnsprüche der religiösen Auffassung ge-gen die moderne Religionskritik vertei-digt2 und knüpft in diesem neuen Buchan die Resultate seiner früheren Argumen-tation an, und zwar in einer Weise, die denEindruck erweckt, diese Argumentationsei ihm gelungen und sie sei mit dem ver-einbar, was er dem Leser in diesem Bu-che bietet.Wer sich Klarheit darüber verschaffenwill, ob diese Vermutung zutrifft, tut al-lerdings gut daran, sich durch eine Lektü-re der erwähnten früheren Bücher selbstdarüber zu informieren, welche Problem-lösungen der Autor damals angeboten hatund auf welche Weise er versucht hat, sei-ne Leser von ihrer Adäquatheit zu über-zeugen. Was ihm dann auffallen wird, istdie Tatsache, dass Küng damals mit demkritischen Rationalismus, der philosophi-schen Auffassung, die auf Karl Popperzurückgeht, ganz anders verfahren ist alsin seinem neuen Buch. Früher hatte er die-se Auffassung als einen ideologischen Ra-tionalismus dargestellt, der überwundenwerden müsse, und er hatte sich bemüht,

zu zeigen, dass ihm die von ihm selbst ver-teidigte religiöse Wirklichkeitsauffassungvorzuziehen sei. In seinem neuen Buchverwendet er dagegen Poppersche Thesen,die von ihm offenbar akzeptiert werden,um andere Auffassungen einer Kritik zuunterwerfen.Dagegen wäre natürlich nichts einzuwen-den, wenn mit dieser Art des Vorgehenseine entsprechende Revision der von ihmfrüher vertretenen Auffassungen verbun-den wäre. Dann wäre allerdings zumin-dest ein Hinweis darauf in seinem neuenBuch angebracht gewesen. Aber von ei-ner solchen Revision kann keine Redesein, denn der Autor weist in seinem neu-en Buch wiederholt darauf hin, daß er invollem Umfange auf seine früheren Er-gebnisse zurückgreifen möchte. Er hatalso gute Gründe, seine Leser im Unkla-ren über seine frühere Kontroverse mitdem kritischen Rationalismus zu lassen.Das ist vor allem deshalb der Fall, weilseine damalige Argumentation gerade un-ter Gesichtspunkten analysiert wurde, diedieser philosophischen Auffassung ent-stammen. Ich habe nämlich damals zu zei-gen versucht, daß diese Argumentation un-haltbar ist3 . Küng hat dann meine Kritikin einer längeren Anmerkung im drittenBand seiner Trilogie zurückgewiesen4 . Inder zweiten Auflage meines Buches, dieein weiteres Kapitel über Küng als Escha-tologen enthält, bin ich auf diese Anmer-kung eingegangen. Ich werde darauf zu-rückkommen.Gleichgültig, ob man meine Auffassungenzu den betreffenden Problemen nun teilt

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oder nicht, hinsichtlich des KüngschenVorgehens scheint mir jedenfalls folgen-de Feststellung unausweichlich zu sein:Entweder dieser Autor akzeptiert die fürseine Probleme relevanten AuffassungenKarl Poppers, die er ja in seinem neuenBuch zur Kritik anderer verwendet. Dannkommt er nicht daran vorbei, seine in denfrüheren Büchern vertretenen Auffassun-gen zu revidieren, es sei denn, er wäre im-stande zu zeigen, dass meine damaligeArgumentation nicht im Einklang wäremit Poppers Auffassungen 5 . Revidiert erdie früheren Auffassungen, dann kann ersich nicht mehr in der Weise darauf beru-fen, wie er das in seinem neuen Buch ge-tan hat. Oder aber er müsste einräumen,dass er sich in seinem neuen Buch teil-weise auf philosophische Auffassungenstützt, die unvereinbar sind mit seinen frü-heren Auffassungen, ohne die er nichtauszukommen scheint. Es ist daher nur zuverständlich, dass er seinen Lesern die frü-here Kontroverse verschweigt.

II. Zur Kritik der Küngschen Trilogieüber den christlichen GlaubenZum Verständnis der Küngschen Einstel-lung zum kritischen Rationalismus ist esvielleicht nützlich, darauf einzugehen, wiees zu seiner Auseinandersetzung mit die-ser philosophischen Auffassung gekom-men ist. Schon im ersten Band seiner obenerwähnten Trilogie, in dem er zwar dieGottesproblematik behandelt, vor allemaber die Besonderheiten des Christentumsakzentuiert, geht Küng auf den kritischenRationalismus ein und schreibt ihm aller-lei Schwächen zu, die ihn zu dem Urteilführen, dieser vertrete „trotz aller Beto-nung von Fehlbarkeit und Revidierbarkeitbezüglich einzelner Problemlösungen ins-gesamt eine dogmatische Totaldeutung mit

kritischem Anspruch“, „die er gern derTheologie vorwerfe“ und die „ihrerseitswahrhaftig nicht weniger unter Ideologie-verdacht“ stehe6 .Die Untersuchung der Gottesproblematikin erkenntnistheoretischer und ontologi-scher Hinsicht, die er in diesem Buche an-stellt, erfolgt schon in der gleichen Weisewie später im zweiten Bande seiner Trilo-gie. In diesem Band führt er uns densel-ben Gedankengang vor und reichert ihnmit historisch-biographischen Hinweisenund Exkursen an, ohne ihn – etwa alsResultat der Auseinandersetzung mit an-deren Auffassungen – abzuändern. Dabeibringt er einige Argumente vor, die im er-sten Buch nicht zu finden sind, Argumen-te, die er für geeignet hält, mit modernenphilosophischen Auffassungen, vor allemmit dem kritischen Rationalismus, fertigzu werden.Inzwischen hatte er sich über diese philo-sophischen Richtung besser informiert, alsdas vorher der Fall war. Unter anderemhatte er mir brieflich eine Frage gestellt,die ihn, wie er sagte „im Interesse einerfairen Auseinandersetzung mit dem kriti-schen Rationalismus“ interessiere. Es gingihm darum zu erfahren, wie in dieser Auf-fassung die Vernünftigkeit der Vernunftund darüber hinaus die Wirklichkeit derWirklichkeit begründet werde. In meinerAntwort wies ich ihn darauf hin, daß nachPoppers und meiner Auffassung das Be-gründungsdenken des klassischen Ratio-nalismus scheitern müsse, da es entwederzum Dogmatismus oder zum Skeptizis-mus führe, und daß der kritische Rationa-lismus trotzdem keineswegs auf eine irra-tionale Entscheidung zurückgreifen müs-se. Außerdem machte ich ihn auf weitereLiteratur aufmerksam, auf die er hättezurückgreifen können7 .

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Die Lektüre seines Buches zur Gottes-problematik zeigte mir dann, daß Küngsich trotz weiterer Lektüre in der Lagegesehen hatte, an seiner früheren Vorge-hensweise und dem damit erreichten Re-sultat festzuhalten. Er attackierte meineAuffassungen weiter als ideologischenRationalismus und präsentierte darüberhinaus seine eigene Version des christli-chen Glaubens als „einzige in Frage kom-mende rational verantwortbare Auffas-sung“. Seine Verfahrensweise in diesemund auch im dritten Band seiner Trilogiemacht deutlich, dass er der Meinung ist,die von ihm attackierte Auffassung sei fürseine Sicht der Problemsituation unerheb-lich.Ich habe in der ersten Auflage meines obenerwähnten Buches den Küngschen Gedan-kengang auf der Grundlage seiner Äuße-rungen in den beiden ersten Bänden sei-ner Trilogie sorgfältig rekonstruiert undgezeigt, dass er sich wegen gravierenderMängel nicht halten lässt. Einer der zen-tralen Mängel ist sein Rückgriff auf eine„innere Rationalität“, die dafür sorgen soll,daß man die grundsätzliche Begründetheitdes Vertrauens, das Küng für seine Argu-mentation benötigt, im Vollzuge erfährt.Diese Art der Rationalität soll es ihm er-lauben, die Konsequenzen des Münchhau-sen-Trilemmas zu umgehen8 . Dieses Ver-fahren involviert aber einen Rückfall inden klassischen Rationalismus. Eine Poin-te des kritischen Rationalismus bestehtnämlich gerade darin, dass er die Kritik-immunität letzter Voraussetzungen ad ab-surdum führt, die Küng mit seinem Hin-weis auf die innere Rationalität wieder zurehabilitieren sucht.

In dem Kapitel, in dem es ihm um dasProblem eines Grundvertrauens zur Wirk-

lichkeit geht, arbeitet er mit einem Ver-fahren, das Leszek Kolakowski seinerzeittreffend eine Erpressung mit der einzigenAlternative genannt hat, einem Alternativ-Radikalismus, in dem eine bei differen-zierter Betrachtung erkennbare Fülle vonMöglichkeiten auf ein dichotomes Sche-ma reduziert wird. Diese Art des Denkenskommt auch in den anderen Büchern die-ses Autors immer wieder vor. In seinerAuseinandersetzung mit dem Atheismus,die dann folgt, schiebt er dem Atheisten –nämlich Feuerbach – die Beweislast zu,obwohl für Existenzbehauptungen – auchdie der Existenz Gottes – eigentlich der-jenige die Beweislast tragen müßte, dersie vertritt.Seine Behandlung der Gottesbeweise en-det damit, dass er sich anheischig macht,weiter auszuholen und tiefer anzusetzenals Kant, und zu diesem Zweck auf demvon ihm postulierten Grundvertrauen indie Wirklichkeit aufbauen möchte. Dazuschlägt er ein induktives Verfahren und einindirektes Verifikationskriterium vor. Ge-radezu verblüffend ist aber dann sein Um-gang mit dem Gottesbegriff und dem Po-stulat der Existenz Gottes. Was er sich dortleistet, zeigt, dass er mit der Logik aufKriegsfuß steht. Er konstruiert mit Hilfeeines Gottesbegriffs, der die vom ihm ge-wünschten Eigenschaften enthält, eineKonditionalaussage, die er als „Hypothe-se“ charakterisiert, die aber de facto ana-lytischen Charakter hat und daher völliggehaltlos ist. Bei der Frage nach der Wirk-lichkeit Gottes geht es nun darum, ob derGott auch existiert, den er vorher per defi-nitionem mit Eigenschaften ausgestattethat, die seinen Wünschen entsprechen. Dazu diesen Eigenschaften auch die gehört,die Wirklichkeit als Ganze „begründen“zu können, kann er sich nun damit begnü-

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gen, eine solche Wesenheit zu postulieren.Dieses völlig willkürliche Verfahren stehtnatürlich jedem anderen für beliebigeNachweise zur Verfügung. So kann jeder,der die weniger angenehmen Aspekte derWirklichkeit betont, einen Gott postulie-ren, der zornig und unbarmherzig ist undder bereit ist, die meisten Menschen derewigen Verdammnis preiszugeben, alsoeinen calvinistischen Gott, wie er in derchristlichen Tradition ebenfalls zu findenist. Dann wäre es allerdings bedeutendschwieriger, das „Grundvertrauen“ zurechtfertigen, das im Küngschen Unter-nehmen eine so große Rolle spielt. Dasvon Küng praktizierte Verfahren darf manwohl mit einigem Recht als einen Miß-brauch der Vernunft im Dienste seinesGottesglaubens und der mit ihm verbun-denen menschlichen Bedürfnisse charak-terisieren. Für die genaue Untersuchungdieses Verfahrens, das noch mit weiterenMängeln behaftet ist, verweise ich aufmein oben erwähntes Buch.Ganz abgesehen von der Frage, ob es ei-nen Gott gibt, gibt es aber Eigenheiten deschristlichen Glaubens, die besondereSchwierigkeiten bereiten, insoweit ihreVereinbarkeit mit dem modernen Weltbildzur Debatte steht. Es ist verständlich, daßKüng nun auch die Entscheidung für denspezifisch christlichen Gott als „rationalverantwortbar“ erweisen möchte. Erspricht in diesem Zusammenhang von„gegenseitiger Herausforderung“ zwi-schen den Gottesauffassungen des We-stens und des Ostens, und meint, dass manauch die Anliegen des Ostens bedenkensollte. Um diesen Anliegen entgegenzu-kommen, räumt er ein, daß Gott durchkeinen Begriff zu begreifen und durchkeine Definition zu definieren sei. Dabeihatte er vorher doch selbst den Versuch

gemacht, den Gottesbegriff, den er gebrau-chen möchte, zu definieren. Wenn mandas, was er nun hier und an anderen Stel-len seiner Arbeiten zu solchen Problemensagt, ernst nehmen müßte, dann müßteman darauf verzichten, mit ihm über Gottzu reden, und von Begründungs- oder Er-klärungsleistungen mit Hilfe des Gottes-begriffs, um die es ihm geht, könnte kei-ne Rede mehr sein.Was nun den Gott der Bibel angeht, so hater in starkem Maße anthropomorphe Züge,während der Küngschen Entscheidung inder Existenzfrage ein abstrakter Gottesbe-griff zugrundegelegen hatte. Und Küngmöchte verständlicherweise auch die Ent-scheidung für den Gott der Bibel vor derVernunft verantworten. Wie macht er das?Er stellt fest, daß der biblische Gottesglau-be „in sich stimmig“ und „… zugleichrational verantwortbar“ ist und daß er sich„in einer mehrtausendjährigen Geschich-te bewährt“ hat. Was er zur Bewährungdieses Glaubens in der Geschichte sagt,einer Geschichte voller Verbrechen undKatastrophen, die er an anderer Stelleselbst immer wieder erwähnt hat, sei demLeser zur Lektüre empfohlen. Soweit ichsehe, hat er für die rationale Verantwor-tung seiner Entscheidung nicht einmal dieSpur eines plausiblen Grundes angegeben.Und was die kosmische Religiosität Ein-steins angeht, die er nun ins Spiel bringt,so hätte er die Frage zu beantworten, wieman im Rahmen des modernen Weltbil-des sinnvoll von einer Komplementaritätzwischen dem „Gott“ Einsteins – nämlichder Harmonie der Naturgesetzlichkeit, diekeinerlei personale Züge trägt – und demGott der Bibel sprechen kann, der ohneanthropomorphe Züge nicht denkbar istund daher in ein überholtes Weltbild ge-hört.

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Um von der personalen Gottesvorstellung,die schon im Alten Testament auftritt, los-zukommen, spricht er dann von dem „alleKategorien sprengenden, völlig inkom-mensurablen Wesen Gottes“, zu dem esgehöre, „dass er weder personal, nochapersonal, weil beides zugleich und sotranspersonal“ sei. Es wäre da zu fragen,warum dieser Gott nicht auch den Begriffdes „Transpersonalen“ sprengen sollte.Nach dem, was Küng uns da erzählt, darfman wohl annehmen, daß es sich hiernicht mehr um einen Begriff handelt, son-dern nur um ein Wort, dem er keinen faß-baren Sinn zu geben in der Lage ist. Daßer damit dem Gott der Bibel gerecht wer-den kann, wird vermutlich auch anderenTheologen kaum einleuchten, jedenfalls,soweit sie bereit sind, die Bibel ernst zunehmen, und das semantische Problemsehen, das hier vorliegt.Küng sieht sich nun in der Lage, die „ir-rationalen Reaktionen“ einiger Naturwis-senschaftler zu kritisieren, die etwa dieFrage „Warum gibt es überhaupt etwasund nicht nichts?“ für unbeantwortbarhalten. Er selbst hatte diese Frage durchden Versuch beantwortet, nachzuweisen,daß Gott die Bedingung der fraglichenWirklichkeit sei. Er hatte allerdings nichtgesehen, daß diese Antwort die Frage nurum eine Stufe weiter verschiebt. DerSchluß von der Existenz der Welt auf eineUrsache, den Küng mit einem Hinweis aufeine entsprechende Aussage Heisenbergsbejaht, ist nämlich kein Schluß im Sinneder Logik, sondern er läuft, wie wir gese-hen haben, auf ein willkürliches Postulathinaus. Er ist ebensoviel wert wie derSchluß von der Existenz Gottes auf dieeiner Ursache Gottes.Wie dem auch sei, was von dem „aufge-klärten Vertrauen“ zu halten ist, mit dem

Küng hier als „einzige ernsthafte Alterna-tive“ seinen Glauben an den biblischenGott als schöpferischen Grund der Grün-de präsentiert, darüber brauche ich wohlkein Wort mehr zu verlieren. Weitere Fra-gen wie die nach der Möglichkeit einesEingreifens Gottes in das Weltgeschehen,nach der Möglichkeit von Wundern undnach den Verheißungen des Glaubens be-antwortet er mit Hilfe ähnlicher Verfah-rensweisen. Nicht einmal das ungelösteTheodizeeproblem, das anderen Theologengroße Schwierigkeiten bereitet9, nimmt erernst.Das Besondere des christlichen Glaubensist bekanntlich vor allem seine Fixierungauf eine bestimmte historische Figur, näm-lich auf Jesus. Es ist daher nicht uninter-essant, wie sich Küng zur Frage der Be-deutung von Ergebnissen der historisch-kritischen Jesusforschung für seinen Glau-ben stellt. Diese Forschung kann seinerAuffassung nach den Glauben nicht be-gründen, aber auch nicht zerstören. Siekann ihn nur reinigen und dabei helfen,Hindernisse für den Glauben auszuräumenund Bereitschaft zum Glauben zu wecken.Demnach scheint der Kern des christlichenGlaubens gegen jede möglich Kritik aufder Basis historischer Forschung immunzu sein.Man kann sich an Hand eines Gedanken-experiments leicht klar machen, welcheKonsequenzen Küng gegebenenfalls be-reit wäre, in Kauf zu nehmen, um dieseEinstellung durchhalten zu können10 . Eskönnten zum Beispiel Dokumente gefun-den werden, denen zufolge Jesus selbstden Kern seiner Botschaft als illusorisch,aber notwendig bezeichnet habe, um sei-ne Anhänger zu einem bestimmten Ver-halten zu bringen, also: als eine nützlicheLüge zur Stützung der Moral. Wohlge-

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merkt: es geht hier nicht um die Wahr-scheinlichkeit eines solchen Fundes. Aberdie Resultate künftiger Forschungen sindnicht vorhersehbar. Immerhin hat dieeschatologische Interpretation der Bot-schaft Jesu ausgereicht, andere Theologenzur Revision ihrer Glaubensvorstellungenzu bewegen11 .Wie stellt sich Küng nun zum Problem dersogenannten Parusieverzögerung und da-mit dazu, daß sich Jesus nach allem, waswir wissen, in einem wichtigen Punkt sei-ner Lehre geirrt hat? Wenn sich Jesus imZusammenhang mit der Naherwartunggeirrt habe, so meint er, könne man daszwar im Sinne des kosmischen Wissenseinen Irrtum nennen. Es handele sich aberweniger um einen Irrtum als um eine „zeit-bedingte, zeitgebundene Weltanschau-ung“, die Jesus mit seinen Zeitgenossengeteilt habe. Dazu ist Folgendes zu sagen:Wenn Jesus sich in einem so zentralenPunkt geirrt hat und dabei zeitgebunde-nen Vorstellungen zum Opfer gefallen ist,dann ist wohl mit der Möglichkeit zu rech-nen, dass ihm auch sonst in zentralen Fra-gen seines Glaubens Irrtümer unterlaufensind. Auch den zeitgebundenen Gottes-glauben seines Volkes hat er ja geteilt.Auch hier könnte „im kosmischen Sinne“ein erheblicher Irrtum vorliegen. Daß die-ser Gottesglaube ohne wesentliche Verlu-ste in das heutige Wirklichkeitsverständnis„übersetzt“ werden könne, ist eine eben-so merkwürdige Vorstellung wie die, daßdie Botschaft Jesu in dieser Weise über-setzbar sei. Albert Schweitzer hat aus sei-nen Resultaten, wie wir wissen, höchstunangenehme Konsequenzen für seinenGlauben gezogen, an denen sich unsere„modernen“ und „kritischen“ Theologen,zu denen sich nun auch Küng gesellt hat,meist vorbeizudrücken suchen.

Eine weitere Besonderheit des Christen-tums ist der Osterglaube und das „histori-sche Rätsel der Entstehung des Christen-tums“. Es geht da um die Frage, wie es zuerklären ist, daß die sich auf Jesus beru-fende Bewegung erst nach seinem Todeernsthaft angefangen hat, also nach einemso katastrophalen Ende ihres Meisters, daßdie Jünger, wie Küng meint, eigentlich hät-ten völlig entmutigt sein müssen. Alle mitden sonst üblichen Verfahren arbeitendenErklärungsversuche, so meint er, müßtenan der offensichtlichen Paradoxie der Ge-schehnisse scheitern. Nur eine Erklärung,die die eigene Deutung der Jünger über-nimmt, kommt daher für ihn in Betracht.Die einzig vertretbare Erklärung bestehtfür ihn demach darin, dass Jesus wirklichauferweckt wurde und seinen Jüngernbegegnet ist.Wenn man auch sonst in dieser Weise anhistorische Geschehnisse herangehen wür-de, dann müsste man laufend die eigeneWeltauffassung in Richtung auf frühereVorstellungen korrigieren. Offenbar kannKüng sich keinerlei Erklärungsmöglich-keiten vorstellen, die seine eigene Psycho-logie des gesunden Menschenverstandesüberschreiten. Es gibt aber in der moder-nen Psychologie längst Theorien, die eserlauben, Vorgänge ganz ähnlicher Art wiedie in der Bibel berichteten, nämlich sol-che, die dem gesunden Menschenverstandparadox erscheinen, zu erklären12 . Jeden-falls ist das vorschnelle Beseiteschiebenpsychologischer Erklärungsmöglichkeitenzugunsten des schlichten Glaubens besten-falls für Gläubige überzeugend.Mit der Tatsache, daß eine Auferweckungeines Verstorbenen nach unserem heuti-gen Wissensstand nicht möglich ist, wirdunser Autor dadurch fertig, daß er diesesEreignis in eine andere Dimension verlegt.

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Es handelt sich demnach dabei nicht umeine Rückkehr in das raumzeitliche Le-ben, sondern um eine Aufnahme in „jeneunfaßbare und umfassende letzte Wirk-lichkeit ..., die wir mit dem Namen ‚Gott’bezeichnen“. Eine solche „Erklärung“ istaber nicht besser als seine Erklärung derganzen Wirklichkeit, die wir schon ken-nen gelernt haben. Das Verfahren, eineandere Dimension zu bemühen, wennsonst nichts mehr weiterhilft, hatte er frü-her schon ins Auge gefasst. Und wir wer-den es auch in seinen späteren Arbeitenimmer wieder finden.Zu den Denkern, die Küng besondersschätzt, gehört Blaise Pascal. Wie Pascalweist er immer wieder auf die Tatsachehin, daß die Existenz Gottes im strengenSinne weder beweisbar noch widerlegbarsei, ebenso wie etwa der Atheismus. Den-noch glaubt er einen Weg gefunden zuhaben, den Glauben an den christlichenGott als einzige rational verantwortbareEntscheidung nachzuweisen. Pascal istoffenbar angesichts der gleichen Lageschon zu einem ähnlichen Ergebnis ge-kommen. Aber dieser Denker fühlte sichim Erkenntnisbereich offenbar an die For-derungen des klassischen Rationalismusgebunden, und er stellte fest, daß sie zu-mindest in bezug auf religiöse Fragenkaum eingehalten werden können. DasVerfahren, das er dann einschlug, die so-genannte Pascalsche Wette, erscheint zwarauf dem Hintergrund der klassischen Er-kenntnislehre verständlich, aber es enthülltsich dennoch bei genauerer Betrachtungals bedenklich, und zwar schon deshalb,weil auch bei ihm offenbar der Wunschzum Vater des Gedankens wurde13 .In mancher Hinsicht ging Pascal ganz ähn-lich vor wie Küng. Bei der Bestimmungder Voraussetzungen für seine Glaubens-

entscheidung reduzierte er die Zahl der inFrage kommenden Möglichkeiten im Hin-blick auf die Existenz Gottes auf zwei:Entweder der seinem Begriff entsprechen-de Gott existiert oder es gibt keinen Gott.Und auch mit der Bestimmung dieser bei-den Alternativen war die Vorstellung derBefriedigung oder Nichtbefriedigung ei-nes Bedürfnisses verbunden, nämlich desVerlangens nach der ewigen Seligkeit.Seine Wahl war ganz offen an den Ge-winn- und Verlustchancen und damit amNutzen des Menschen orientiert, der vorder betreffenden Entscheidung steht. Erentscheidet sich für den Glauben an dieExistenz Gottes, weil ihm sein Interessean der ewigen Seligkeit über alles geht.Daß schon bei der Reduktion der in Be-tracht kommenden Möglichkeiten offen-bar seine Wünsche in bedenklicher Weisezum Zuge gekommen waren, war ihmmerkwürdigerweise nicht bewußt.Im Falle Küngs liegt die Sache in dieserHinsicht ähnlich. Nur besteht für ihn, dersich der These der Fehlbarkeit der Ver-nunft angeschlossen hat, eigentlich keinAnlaß, auf dem Hintergrund der Vorstel-lungen des klassischen Rationalismus zuoperieren. Überdies scheint ihm die Be-deutung seiner Wünsche für seine Beweis-führung nicht deutlich geworden zu sein,obwohl er immer wieder die „existentiel-le Komponente“ seines Denkens betont.Er praktiziert wie Pascal einen Alterna-tiv-Radikalismus, und zwar an drei zen-tralen Stellen seiner Beweisführung: ein-mal, wenn es um das Grundvertrauen, zumzweiten Mal, wenn es um den Gottesglau-ben, und zum dritten Mal, wenn es umdie christliche Ausprägung dieses Glau-bens geht. Dabei kommt ihm die Fragwür-digkeit dieses Verfahrens überhaupt nichtzum Bewußtsein. Jedem Unbefangenen

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wird aber – ebenso wie im Falle Pascals –die Reduktion auf jeweils gerade diesebeiden Alternativen als äußerst problema-tisch erscheinen müssen. Im Gegensatz zuPascal gesteht er sich aber nicht ein, dassfür die Wahl zwischen diesen Alternati-ven seine „existentiellen“ Bedürfnisse eineRolle spielen. Er verschleiert diese Tatsa-che vielmehr durch die Erfindung derschon erwähnten „inneren Rationalität“,die es erlaubt, dem Gläubigen einen pri-vilegierten Zugang zur Wirklichkeit zuverschaffen. De facto kann man bei ihmeinen Rückfall in den klassischen Ratio-nalismus konstatieren.Man braucht aber heute nicht mehr aufdem Hintergrund der klassischen Rationa-litätsidee zu operieren, wie Küng das tut.Es ist seit langem bekannt, daß Beweiseund Widerlegungen im Sinne dieser Ideenicht gefordert werden können. Auch inden Realwissenschaften müssen zum Bei-spiel Entscheidungen über die Annahmeoder Ablehnung von Hypothesen getrof-fen werden, ohne daß man sich je einerso einfachen Alternative gegenübersähe.Die Forderung nach Gottesbeweisen istheute schon deshalb nicht mehr akzepta-bel, weil in ihr die illusionäre alte Rationa-litätsauffassung zum Ausdruck kommt.Andererseits war der Glaube an Gott inder klassischen Weltauffassung nicht etwadeshalb schon irrational, weil er den uto-pischen Begründungsforderungen nichtgenügte, die man damals stellen zu kön-nen glaubte. Soweit man zeigen konnte,dass die Verankerung des Glaubens in die-ser Weltauffassung darauf beruhte, dassdie Existenz Gottes für die Erklärung vonZusammenhängen in diesem Rahmen Be-deutung hatte, war dieser Glaube vielmehrkeineswegs ohne weiteres von der Handzu weisen. Die Küngsche These, man habe

die Annahme der Existenz Gottes mit ei-ner Wirklichkeitsauffassung in Beziehungzu setzen und ihre Erklärungsleistung inRechnung zu stellen, um sie angemessenbeurteilen zu können, ist daher durchausakzeptabel14 . Diese These entspricht ei-nem Vorschlag, den ich vor längerer Zeitgemacht habe15 , allerdings bis auf einennicht unwesentlichen Punkt. Die Art undWeise, in der Küng diese Erklärungslei-stung auffaßt, sieht so aus, dass man denBankrott dieses Unternehmens vorherse-hen kann. Die Forderung nach einer Er-klärung der Wirklichkeit überhaupt durchAufweis der Bedingung ihrer Möglichkeitist ebenso utopisch wie die Forderungnach einer Wahrheitsgarantie für irgend-welche Erkenntnisse.Die Theologie ist im Rahmen einer Welt-auffassung entstanden, innerhalb deren sieeinen sinnvollen Beitrag zur Weltdeutungleisten konnte, einer Auffassung, derzu-folge das gesamte Weltgeschehen in einemSinnzusammenhang steht, von dem herauch der Sinn des menschlichen Lebensbestimmbar erschien. Ihre Annahmen überdie Möglichkeiten des Wirkens göttlicherMächte und damit auch göttlicher Offen-barungen waren in dieser Wirklichkeits-auffassung verankert. Diese Kosmosmeta-physik ist aber durch die Entwicklung derneuzeitlichen Wissenschaften seit langemder Erosion ausgesetzt worden und ihrefür den Gottesglauben bedeutsamen Be-standteile sind nicht mehr Komponen-ten der heutigen Weltauffassung. Mankann sie daher nur noch aufrechterhalten,wenn man sie gegen unser übriges Wis-sen isoliert, so daß sie für Erklärungenkeine Rolle mehr spielen. Wir sind aberstets in der Lage, beliebige Komponentenunserer Auffassungen in dieser Weise zubehandeln, sie also gegen jede Kritik zu

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immunisieren, auch wenn sie problema-tisch geworden sind. Daher sind solcheVerfahrensweisen ohne jeden Wert für dieErkenntnis.Die Methoden, mit deren Hilfe moderneTheologen versuchen, den Gottesglaubenan das moderne Weltbild anzupassen, ha-ben, soweit ich sehe, durchweg den Cha-rakter solcher Immunisierungsverfahren.Das gilt jedenfalls für diejenigen Versu-che, mit denen ich mich bisher beschäf-tigt habe. Auch der Küngsche Versuchgehört dazu, wie ich mich zu zeigen be-müht habe. Man könnte die heutige Pro-blemsituation auch durch die These be-schreiben, dass es keine funktionierendenatürliche Theologie mehr geben kann.Aber gerade deshalb ist eine natürliche,und das heißt in diesem Falle eine natura-listische, Wissenschaft vom Glauben anGott um so wichtiger. Dazu haben geradeauch einige Denker, mit deren Auffassun-gen sich Küng in seinem Buch befasst hat,wie zum Beispiel Sigmund Freud, inter-essante Beiträge verfasst. Allerdings hatKüng von ihnen erwartet, dass sie eineBegründung des Atheismus liefern, undihnen damit ein Thema zugeschoben, dassie nicht behandeln wollten, weil sie esmit Recht für erledigt hielten.Die Erosion der Kosmosmetaphysik aufGrund des Erkenntnisfortschritts in denWissenschaften hat zwar die natürlicheTheologie unterminiert. Aber die Gottes-idee als archimedischer Punkt für die Be-gründung der Moral und eines letzten Sin-nes der Wirklichkeit ist teilweise bis in dieheutige Zeit erhalten geblieben, obwohlKant zu zeigen versucht hat, dass einetheonome Moralauffassung unhaltbar ist.Im Gegensatz dazu behauptet Küng, Theo-nomie sei die Bedingung der Möglichkeitder sittlichen Autonomie des Menschen in

der säkularen Gesellschaft, und versuchtdazu noch, Kant für diese Auffassung inAnspruch zu nehmen. Wie immer man dieKantsche Behandlung des Begründungs-problems beurteilen mag, jedenfalls müßteKüng den Nachweis erbringen, inwieferndie von ihm ins Auge gefaßte „Letztbe-gründung“ der Ethik auf der Basis desGottesglaubens möglich ist. Sein Hinweisauf die „Unbedingtheit“ Gottes hilft dajedenfalls nicht weiter, denn er müßte be-gründen, dass man Gottes Forderungen er-füllen sollte. Auch wenn es ihm als Theo-logen natürlich erscheint, den Begrün-dungsregreß gerade an dieser Stelle abzu-brechen, so kann er jedenfalls nicht erwar-ten, daß jemand, der seine Denkgewohn-heiten nicht teilt, solche Machtworte dertheonomen Vernunft ohne weiteres akzep-tiert. Wer das Begründungsdenken desklassischen Rationalismus durchschauthat, wird auch ethische Normen nichtmehr als Dogmen behandeln wollen. DerRückgriff auf die Autorität Gottes ver-schafft dem Theologen jedenfalls keineVorteile bei der Behandlung moralischerProbleme. Spätestens seit David Humedürfte klar sein, dass derartige Problemeauch im Rahmen des Naturalismus behan-delt werden können.Es ist aber nicht uninteressant, auf dieFrage einzugehen, wie es um die spezi-fisch christliche Ethik bestellt ist, die manim Neuen Testament findet. Nach Küngzielt die Bergpredigt auf das radikaleErnstnehmen des Willens Gottes und for-dert einen Gehorsam der Gesinnung undder Tat. Nur durch die Erfüllung dieserForderung wird der Mensch „der Verhei-ßungen des Reiches Gottes teilhaftig“.Gott appelliert also in sehr drastischerWeise an den Eigennutz der Menschen,um sie zum Gehorsam zu veranlassen. Auf

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den durchaus utilitaristischen Charakterdieser Ethik hatte schon Albert Schweit-zer hingewiesen. Wie Walter Kaufmannsagt, ist der entscheidende Punkt, daß „dieEthik Jesu, wie sie uns in den Evangelienvorliegt, auf dem unablässigen Appell andie Hoffnung auf Lohn beruht. Jesus pre-digt zu solchen, die ins Himmelreich ein-gehen möchten, und sagt ihnen, wie siees anstellen müssen“16 . Ich beschränkemich hier auf diesen Hinweis und verwei-se für eine Analyse weiterer Aspekte derjesuanischen Ethik, die man bei Küngnicht findet, auf die vorliegende Litera-tur17 .Es ist natürlich ein sehr wichtiges Pro-blem, in welcher Weise eine Moral tatsäch-lich in einer Gesellschaft und ihrem Kul-turmilieu verankert ist. Diese Frage ist aberkeineswegs identisch mit dem oben erör-terten Begründungsproblem. Es könntenatürlich der Fall sein, dass gewisse Illu-sionen über die Existenz Gottes und denInhalt seines Willens, sowie Drohungenund Verheißungen, die mit der Befolgungoder Nichtbefolgung seiner Gebote undVerbote verbunden sind, dabei eine erheb-liche Rolle spielen. Aber auch diese Ideeder Notwendigkeit einer religiösen Unter-mauerung der Moral scheint mir aufschwachen Füßen zu stehen. Zunächst gibtes eine ganze Reihe von Atheisten, denenman beim besten Willen nicht vorwerfenkann, daß ihre Moral wegen mangelnderreligiöser Untermauerung unzuverlässigsei. Und andererseits haben uns religiöseBegründungen in der Geschichte nie vorden perversesten Entwicklungen des mo-ralisch-politischen Lebens geschützt. Eshat im Gegenteil gerade die Idee, daß maneine unerschütterliche Begründung zurHand habe, nicht selten zur Intoleranz,zum Fanatismus und all den unangeneh-

men Konsequenzen geführt, die mit sol-chen Gesinnungen verbunden zu sein pfle-gen. Im übrigen haben wir Anlaß anzu-nehmen, daß es natürliche Grundlagen derMoral gibt, die den Glauben an transzen-dente Sanktionen überflüssig machen.

Den dritten Band der Küngschen Trilogie,der seine Eschatologie enthält18, hat Küngveröffentlicht, nachdem meine Kritik anden in den beiden ersten Bänden enthalte-nen Thesen und Argumenten erschienenwar. In diesem Band hat er, wie er sagt,auf die theologische Fundierung zurück-gegriffen,die er in diesen beiden Bücherngeliefert hatte. Daher tauchen darin auchzentrale Thesen wieder auf, die er in ih-nen formuliert hatte. Von dem, was er vor-her behauptet hatte, hat er offenbar nichtszurückgenommen.Küng hatte also die Möglichkeit, meineKritik an seinen Auffassungen zur Kennt-nis zu nehmen, ehe er sich mit der escha-tologischen Problematik beschäftigte. Under hat das, wie zu erwarten war, auch ge-tan. Von einer ernsthaften Auseinander-setzung mit dieser Kritik kann allerdingsnicht die Rede sein. Er widmet ihr in die-sem Buch nur eine längere Anmerkung,die dem Leser klar machen soll, warumer sich bei der Behandlung der speziellenFrage nach dem ewigen Leben um meineKritik nicht zu kümmern braucht19. Die„fällige Weiterführung der Diskussion mitAlberts kritischem Rationalismus“ könnein diesem Buch nicht geleistet werden.Wenn man sein neues Buch über Natur-wissenschaft und Religion liest, gewinntman den Eindruck, dass er mit seinemRückgriff auf Poppersche Ideen diese Auf-gabe erfüllt zu haben glaubt, obwohl er indiesem Buch mit keinem Wort auf meineKritik eingeht.

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Warum er glaubt, sich diesen Verfahrenleisten zu können, ist aus der erwähntenAnmerkung zu entnehmen20. Was er inmeinem Buch vermißt, ist nach seinen ei-genen Worten offenbar eine an „neuralgi-schen Punkten kritisch argumentierendeAuseinandersetzung“. Da ich glaube, ge-nau das geleistet zu haben, kann ich fürseine Charakterisierung meines Verfah-rens kein Verständnis aufbringen. Ich habeden ernsthaften Versuch unternommen,die Küngsche Sicht seiner Problemsitu-ation zu rekonstruieren, und bin auf allewesentlichen Thesen und Argumente, dieer zur Lösung seiner Probleme vorge-bracht hat, im Detail eingegangen. Dabeihabe ich unter anderem gezeigt, dass Küngan „neuralgischen Punkten“ seines Gedan-kengangs in einer Weise verfährt, die fürden klassischen Rationalismus charakte-ristisch ist. An keiner Stelle meiner Aus-einandersetzung mit Küng ist, wie er mirunterstellt, ein „Verdikt“ oder ein „Frage-verbot“ zu finden. Was er zu meinem Ver-fahren sagt, kann ich daher nur als eineKarikatur dessen betrachten, was in mei-nem Text zu finden ist.Wie in den beiden anderen Bänden seinerTrilogie macht uns Küng auch in seinemBuch zum ewigen Leben mit keineswegsuninteressanten Forschungsergebnissenaus verschiedenen Wissensgebieten be-kannt, die sich aber meist als wenig er-giebig für die Lösung seiner Probleme er-weisen. Das ist deshalb der Fall, weil erdarauf hinweisen kann, daß mit ihrer Hil-fe weder ein Beweis noch eine Widerle-gung der von ihm aufgezeigten Alternati-ven möglich ist. Wie schon früher, so kanner auch hier wieder eine Patt-Situation inbezug auf Feuerbachs atheistische Negie-rung eines ewigen Lebens und den Glau-ben an ein solches Leben konstruieren,

nachdem er zuvor festgestellt hat, dass miteiner psychologischen Erklärung desGlaubens an ein ewiges Leben noch kei-neswegs gezeigt sei, dass es kein realesObjekt dieses Glaubens geben könne. Daich auf diesen Punkt in meiner Analyseseines Buches zur Gottesproblematik ein-gegangen bin, hätte er Gelegenheit gehabt,meine Einwände zu berücksichtigen.Im Zusammenhang mit der Forderungnach „Bewahrheitung des Ewigkeitsglau-bens“ geht Küng auf Kant ein, dessen Leh-re schon bei seiner Behandlung des Gottes-glaubens eine Rolle gespielt hat. Wieschon vorher stellt er im Anschluß an sei-ne Kantinterpretation fest, dass offenbareine deduktive Ableitung der betreffendenThese aus der erfahrenen Wirklichkeit un-möglich zu sein scheint, nicht dagegeneine induktive Anleitung, „welche die ei-nem jeden zugängliche Erfahrung derfraglichen Wirklichkeit auszuleuchten“suche. Wieder spricht er hier von einemindirekten Verifikationskriterium. Aufmeine Analye seiner Argumentation zudieser Frage geht er nicht ein.In seinem Buch zur Gottesproblematikfolgt dann sein Versuch einer „Bewahr-heitung“ seiner These der Existenz Got-tes, der, wie ich gezeigt hatte, völlig ge-scheitert ist. Eine Antwort auf meine Kri-tik an diesem Versuch hat er sich durchseine Pauschalverurteilung meines Verfah-rens erspart. Wie er selbst feststellt, hängtseine Hoffnung auf ein ewiges Leben engmit dem Glauben an Gott zusammen.Meine Kritik an der Küngschen Existenz-these hat daher auch negative Konsequen-zen für seine Behandlung der eschatolo-gischen Problematik.Wie schon im ersten Band seiner Trilogiegeht er dann wieder auf den Glauben anJesus und auf die Resultate der historisch-

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kritischen Jesusforschung ein. Wie zu er-warten, erledigt er dieses Problem in der-selben Weise wie schon früher. Man siehthier, daß Küng es für angebracht hält, imInteresse der Bewahrung des religiösenGlaubens einen Wahrheitsrelativismus zu-zulassen, um zeitgebundene Weltauffas-sungen als irrtumsfrei hinstellen zu kön-nen. Da der Küngsche Versuch, einen ra-tional verantwortbaren Gottesglauben zurechtfertigen, gescheitert ist, wäre es wohlplausibel gewesen, auch mit dem Problemder Naherwartung anders umzugehen, alsdas in seiner Analyse geschieht. Seine Be-handlung des Problems ist jedenfalls einRückfall hinter das, was Weiss undSchweitzer dazu gesagt haben. Im Gegen-satz zu ihnen versucht er, das Scheiternder Eschatologie mit allen ihm zur Verfü-gung stehenden sprachlichen Mitteln zuverschleiern.Auch sein Umgang mit dem Osterglaubenist so zu beurteilen. Die Auferweckung,so meint er, sein kein historisches, wohlaber ein wirkliches Ereignis, und zwardeshalb, weil die historische Wissenschaftgerade jene Wirklichkeit methodisch aus-schließe, die für die Erklärung der betref-fenden Tatbestände allein in Frage kom-me, nämlich die Wirklichkeit Gottes21 . Esgehe hier um eine radikale Verwandlungin einen neuen Zustand, der völlig unan-schaulich und unvorstellbar sei. Da unse-re Sprache hier an Grenzen stoße, könneman hier nur zu Bildern, Metaphern undSymbolen greifen oder aber mit wider-sprüchlichen, paradoxen Begriffen arbei-ten. Indem die endliche Person ins Un-endliche eingehe, also wohl in Gott, ver-liere sie ihre Grenzen, so daß der Gegen-satz personal-apersonal ins Transperson-ale hinein überstiegen werde. Auf dieseArt des Vorgehens bin ich schon einge-

gangen. Wir haben sie schon bei der Küng-schen Behandlung des Gottesproblemskennen gelernt. Ebenso wie sein Gottes-begriff verliert auch sein Begriff des ewi-gen Lebens durch die Art, wie er damitumgeht, jede Bestimmtheit. Es handeltsich offenbar um ein Wort, dem er keinenfaßbaren Sinn zu geben vermag.Es geht mir hier nicht etwa darum, unse-rem Autor die Formulierung metaphysi-scher Thesen vorzuwerfen. Solche Aus-sagen können durchaus sinnvoll sein, undsie können rational diskutiert werden. Esgeht vielmehr darum, daß Küng nicht inder Lage ist, zentralen Bestandteilen sei-ner Aussagen überhaupt einen Sinn zugeben. Wer einem Gläubigen mitteilt, daßihm mit seinem Tode eine Einkehr in dasunaussprechliche Geheimnis unsererWirklichkeit ermöglicht wird, gibt ihm defacto zu verstehen, daß er nicht in der Lageist, ihm etwas über seinen zukünftigenZustand zu sagen. Da der Auferweckungs-glaube offenbar auf den Gottesglaubengegründet ist und die Küngsche Argumen-tation für diesen Glauben fehlgeschlagenist, hängt die Hoffnung auf das ewigeLeben gewissermaßen in der Luft.Nun kennt die christliche Tradition, wieunser Autor mit Recht feststellt, aber zweiMöglichkeiten menschlicher Existenz imJenseits, nämlich Himmel und Hölle. Wiedie Küngsche Darstellung der damit ver-bundenen Probleme zeigt, lässt sich dieHölle nicht ganz aus dem christlichenGlauben eliminieren, denn sonst würde derbiblische Gerichtsgedanke seine Pointeverlieren. Aber er gibt sich Mühe, die Aus-sagen des Neuen Testaments über dieEwigkeit der Höllenstrafe zu verharmlo-sen.In seinem Epilog spricht unser Autor dannvon der „großen, erhabenen und doch zu-

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gleich unendlich grausamen Geschichtedes Kosmos mit seinen Katastrophen, vondenen die Menschen so oft mitbetroffensind“22 . Aber auf die Idee, sich ernsthaftzu fragen, wie sich diese Tatsachen mitseinem Vertrauen auf Gott und das vonihm erwartete Heil vereinbaren lassen,scheint er nicht zu kommen. Das Theodi-zeeproblem spielt, wie wir gesehen haben,bei seiner Behandlung der Gottesproble-matik kaum eine Rolle. Daher kann erohne Skrupel davon sprechen, daß dasVertrauensvotum, das er fordert, nicht nurzumutbar, sondern „auch in ungeschmä-lerter intellektueller Redlichkeit zu verant-worten“ sei.Auch im letzten Buch seiner Trilogie hatsich unser Autor unbeirrt dieselben Denk-Kunststücke geleistet, die ich in meinerKritik an seiner Vorgehensweise in denbeiden ersten Büchern aufgedeckt undmoniert hatte. Seine Trilogie zur Proble-matik des christlichen Glaubens ist einMusterbeispiel für illusionäres Denken imDienste religiöser Vorstellungen, die mitdem modernen Weltbild unvereinbar sind.

III. Küngs Untersuchung des Verhält-nisses von Naturwissenschaft und Re-ligion.Damit komme ich zurück auf das neueBuch, in dem sich Küng mit dem Verhält-nis von Naturwissenschaft und Religionbefaßt. Wie er in der Einleitung diesesBuches sagt, möchte er in ihm „in beschei-denem Ausmaß Licht vermitteln – jenesLicht weitergeben, das die grandiosen Er-gebnisse vor allem der Physik und derBiologie auf den Anfang von Welt, Lebenund Mensch werfen, Licht, wie es in völ-lig anderer Weise nach wie vor das zeit-gemäß verstandene Zeugnis der Bibel aus-strahlt, Licht wie es in demütigem Selbst-

bewußtsein eine aufgeklärte Philosophieund Theologie heute den Menschen zuvermitteln vermag“23 . Und man findet indiesem Buch in der Tat eine populäre Dar-stellung wissenschaftlicher Resultate, eineDarstellung des Zeugnisses der Bibel undeine Darstellung philosophischer undtheologischer Auffassungen, die vom Au-tor für die Lösung seiner Probleme ver-wertet werden. Das zentrale Problem, umdessen Lösung es ihm geht, wird von ihmfolgendermaßen formuliert: Es gehe, sosagt er, „um nichts weniger als um Ur-sprung und Sinn des Weltalls als Ganzes,ja, der Wirklichkeit überhaupt“24 .Man sieht also, dass seine Problemstellungan das anknüpft, was er in seiner Trilogiebehandelt hatte, wo es, wie wir gesehenhaben, um die Begründung der als sinn-voll vorausgesetzten ganzen Wirklichkeitging und die Existenz des christlichenGottes für diese Begründung herangezo-gen wurde. An dieser Grundposition wirdsich, wie wir sehen werden, nichts ändern.Und wie er ausdrücklich betont, baut erauf den methodischen Grundlagen auf, dieer in seinem Buch zum Gottesproblementwickelt hatte25 . Die Thesen und Argu-mente, die an zentralen Stellen seines neu-en Buches vorkommen, stimmen zum Teilwörtlich mit denen überein, die in den dreiBänden seiner Trilogie zu finden sind. Nurbringt er sie in Zusammenhang mit Pro-blemen und Resultaten der Wissenschaf-ten, die er bisher nicht berücksichtigt hat-te, und sucht deren Stärken und Schwä-chen herauszuarbeiten.Da geht es zunächst um eine vereinheit-lichte Theorie für alles, wie sie von Phy-sikern ins Auge gefaßt wurde. Er bietet indiesem Teil eine kurze Geschichte derPhysik und der Reaktionen der Kirche aufneue Erkenntnisse, die ihm Gelegenheit

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gibt, die Fehlurteile der Kirche zu kriti-sieren. Er geht dabei auf Kopernikus, Kep-ler, Galilei, Einstein, Planck und anderePhysiker ein, auf den Urknall und das ex-pandierende Universum, auf Hawkingund den Grundlagenstreit in der Mathe-matik und schließt mit einer Mahnung zurBescheidenheit und Selbstbesinnung, diemit der Aufforderung endet, die Physikersollten die aus dem19.Jahrhundert stam-menden positivistischen Grundlagen ihreswissenschaftlichen Denkens überprüfen.Es folgt dann ein Abschnitt über das Un-genügen des Positivismus, der als einKernstück seines Buches anzusehen ist.Er geht darin auf Karl Poppers Positivis-muskritik ein und schließt sich dieser Kri-tik an. Wie schon erwähnt, sieht es so aus,als ob Küng in diesem Abschnitt die „fäl-lige Auseinandersetzung“ mit dem kriti-schen Rationalismus unterbringen möch-te. Aber diese Auseinandersetzung bestehteben im wesentlichen darin, daß er denPopperschen Fallibilismus und seine all-gemeine methodische Orientierung akzep-tiert, um sie zur Kritik anderer Auffassun-gen verwenden zu können. Darüber, daßauf dem Hintergrund dieser philosophi-schen Auffassung eine durchschlagendeKritik an den zentralen Thesen und Argu-menten seiner früheren Bücher möglichwar, wird der Leser an keiner Stelle sei-nes Buches informiert, obwohl er dieseThesen und Argumente in diesem Buchewiederholt.Was ihm für seine Argumentation wich-tig erscheint, ist vor allem die PopperscheZurückweisung der positivistischen The-se von der Sinnlosigkeit metaphysischerAussagen, Poppers These, daß eine ratio-nale Behandlung metaphysischer Fragengrundsätzlich möglich ist und daß sogarmetaphysiche Ideen für die Entwicklung

der Kosmologie von großer Bedeutungwaren, und sein Nachweis, dass die Aus-sagen der Naturwissenschaften sich zwarbewähren können, dass sich aber ihreWahrheit nicht mit objektiver Gewißheitzeigen läßt, so daß es kein absolut gesi-chertes Wissen gibt. Küng scheint alsowesentliche Einsichten des kritischen Ra-tionalismus übernommen zu haben. Sehenwir uns an, wie er sie verwendet.In einem Abschnitt über die Fraglichkeitder Wirklichkeit weist er auf die Vieldi-mensionalität und Vielschichtigkeit derWirklichkeit hin und warnt davor, einenbestimmten Aspekt der Wirklichkeit zuverabsolutieren. Andererseits, so meint er,müsse die Einheit und Wahrheit der Wirk-lichkeit immer wieder neu zur Sprachegebracht werden. Und neben dem metho-disch-rationalen Denken möchte er auchdem intuitiv-ganzheitlichen Erkennen einenPlatz einräumen. Schließlich lässt er unsim letzten Abschnitt dieses Kapitels wis-sen, daß Naturwissenschaft und Theolo-gie unterschiedliche aber gleichberechtigtePerspektiven eröffnen. Für beide Bereichescheint er den von Popper vertretenen me-thodologischen Revisionismus zu akzep-tieren. Nach einer kurzen, nicht sehr kla-ren Stellungnahme zur Kantschen Er-kenntnislehre, aus der nicht hervorgeht, ober im Gegensatz zu Kant eine realistischePosition vertreten möchte, stellt er dannfest, daß sich auch dem Naturwissen-schaftler auf einer tieferen Ebene die Fra-ge stellt, „was die Welt im Innersten zu-sammenhält, und damit auch die Fragenach Grund und Sinn des Ganzen derWirklichkeit“.Am Schluß des Kapitels charakterisiert erseine Methode. Er tritt nicht für ein Kon-frontationsmodell zwischen Naturwissen-schaft und Religion ein und auch nicht für

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ein Integrationsmodell harmonistischerPrägung, sondern für ein Komplementa-ritätsmodell kritisch-konstruktiver Interak-tion der beiden, „in dem die Eigensphärenbewahrt, alle illegitimen Übergänge ver-mieden und alle Verabsolutierungen ab-gelehnt werden, in dem man jedoch ingegenseitiger Befragung und Bereiche-rung der Wirklichkeit als ganzer in allenihren Dimensionen gerecht zu werdenversucht“26 .Im folgenden Kapitel, so sagt er dann,möchte er „tiefer bohren als nur bis zurmathematischen Struktur der physikali-schen Welt“, nämlich „nach einem zusam-menhaltenden Sinn-Grund aller Dinge un-serer Erscheinungswelt“. Dieses Kapitel27

enthält historische Berichte darüber, wiePhilosophen und Wissenschaftler Proble-me behandelt haben, die Küng mit seinerFrage nach dem absoluten Anfang in Zu-sammenhang bringen möchte. Dabeigeht er auch wieder auf die Gottesbeweiseein und schließt sich der Kantschen Auf-fassung an, dass diese Beweise zwar allegescheitert, aber auch Gegenbeweise nichtmöglich sind, so daß auch der Atheismushier in seine Schranken gewiesen sei.Nun hatte ich in meiner Untersuchung derKüngschen Behandlung der Gottespro-blematik schon darauf hingewiesen, dassfür Existenzbehauptungen eigentlich der-jenige die Beweislast trägt, der sie vertritt,ganz abgesehen davon, dass es hier ohne-hin nicht um Beweise oder Gegenbewei-se im klassischen Sinne gehen kann, wennman den konsequenten Fallibilismus ak-zeptiert. Wer mit der These der ExistenzGottes operiert, hätte zu zeigen, welcheErklärungsleistung er damit erreichenkann. An dieser Aufgabe war Küng in sei-nen früheren Bemühungen jedenfalls ge-scheitert. Auch seine Untersuchung der

Religionskritik des neunzehnten Jahrhun-derts, die nun folgt, leidet unter denSchwächen, die sich schon in seinemBuch zur Gottesproblematik gezeigt hat-ten..Die Naturwissenschaft, so stellt er dannfest, müsse Gott aus dem Spiel lassen.Aber auch das ist keineswegs selbstver-ständlich. Noch Newton hatte bekanntlichgute Gründe, Gott innerhalb seiner Wis-senschaft zu berücksichtigen28 , obwohldieser, wie Küng uns mitteilt, „nicht wieandere Objekte empirisch konstatiert undanalysiert werden kann“. Und erst Laplacekonnte auf diese Hypothese verzichten.Newtons Physik war in eine realistischeMetaphysik eingebettet, die sich auf dieganze Wirklichkeit bezog. Daß die Natur-wissenschaft, wie Küng sagt, wenn sieihrer Methode treu bleiben will, „ihr Ur-teil nicht über den Erfahrungshorizont hin-aus ausweiten darf“, ist daher eine äußerstmißverständliche These. Schon die reali-stische Interpretation physikalischer Theo-rien ist ein philosophisches Problem, dasfür die Diskussion innerhalb der Physikeine Rolle spielt. Und wie Popper gezeigthat, haben metaphysische Auffassungengroße Bedeutung für die Erkenntnispro-gramme der Realwissenschaften. Kompe-tenzzuweisungen an bestimmte Diszipli-nen, wie sie in diesem Küngschen Buchan vielen Stellen auftreten, sind geeignet,die Lösung der betreffenden Probleme zuerschweren. Die Forderung der „Offenheitgegenüber der gesamten Wirklichkeit“ istdamit jedenfalls nicht vereinbar.Anschließend an seine grundsätzlichenErörterungen macht uns Küng wieder mitErgebnissen der Naturwissenschaften be-kannt und mit der Tatsache, daß bisherigeLösungen der betreffenden Probleme auchnach Auffassung bedeutender Physiker

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nicht befriedigend sind. Das gibt ihm Ge-legenheit, diesen Physikern Pascals Wet-te vorzulegen, mit der dieser Philosoph an-geblich deutlich machen wollte, daß in be-zug auf die Frage der Existenz Gottes„nicht ein Urteil der reinen Vernunft, son-dern eine Entscheidung des ganzen Men-schen gefordert wird, die von der Vernunftnicht bewiesen, wohl aber vor der Ver-nunft verantwortet werden kann.“. Tat-sächlich handelte es sich bei dieser Wetteaber um die Anwendung eines Nutzenkal-küls auf der Basis des durchaus egoisti-schen Wunsches nach ewiger Seligkeitund einer unzulänglichen Analyse der vor-liegenden Problemsituation29 . Mir ist un-verständlich, inwiefern es angebrachtist, hier von einer Entscheidung des „gan-zen Menschen“ zu sprechen.Dann geht Küng auf das Problem der kos-mischen Feinabstimmung ein und be-schreibt zwei Reaktionen auf dieses Pro-blem, die er als„kosmologische Spekula-tion“ und als „kosmologische Demonstra-tion“ charakterisiert. Was die erste dieserReaktionen angeht, so wendet er sich ge-gen ein von der Empirie nicht gedecktesAusdenken bloßer Möglichkeiten, so dassman den Eindruck gewinnt, man müssein der wissenschaftlichen Forschung beider Entwicklung theoretischer Alternati-ven von vornherein alle Möglichkeitenempirischer Prüfung zu erkennen in derLage sein. Das kann aber schon deshalbnicht gefordert werden, weil solche Theo-rien unendlich viele Konsequenzen enthal-ten30 . Er bringt dann sein Bedauern dar-über zum Ausdruck, daß man sich nicht„mit dem modernen Schöpfungsverständ-nis“ auseinandersetzt, sondern den Schöp-fungsgedanken „diskussionslos“ übergeht.Man darf gespannt sein, was er selbst indieser Hinsicht anzubieten hat.

Dann geht es um das, was er „kosmologi-sche Demonstration“ nennt. Er meint da-mit den Tiplerschen Versuch, Gott in dieKosmologie einzubauen. Wenn man sichallerdings die Art der Argumentation an-sieht, die hier vorliegt, dann sieht man,daß der Ausdruck „kosmologische De-monstration“ irreführend ist, denn abge-sehen davon, dass dabei die Geltung be-stimmter Gesetze vorausgesetzt wird, folgtoffenbar die These der Existenz Gottesnicht aus diesen Voraussetzungen, undzwar schon deshalb, weil der jüdisch-christlich-muslimische Gott personalenCharakter hatte. Demnach handelt es sichhier wie in den vorher behandelten Fällenum eine reine Spekulation.Was Küng in diesem ganzen Abschnittdiskutiert, sind mögliche Motive von Phy-sikern, nämlich vor allem das Motiv „derHerausforderung des Buches Genesis aus-zuweichen und die Gottesfrage ignorierenzu können“. Aber ernsthafte Argumentezur Sache sind hier schon deshalb nichtzu finden, weil er sich als unzuständig fürdie Beurteilung der vorgeschlagenen Pro-blemlösungen erklärt. Einerseits will er dieSachargumentation den Physikern über-lassen und kann dazu auch nicht mehrsagen, als daß das Problem der empiri-schen Prüfbarkeit wichtig ist, also etwas,was, wie seine Analyse zeigt, die betref-fenden Fachleute selbst schon wissen. An-dererseits will er durch die Analyse desMotivationshintergrunds den Eindruck derVoreingenommenheit bei einigen Physi-kern erzeugen. In dieser Hinsicht hätte erallerdings Grund genug, sich an seine ei-gene Argumentation in seiner Trilogie zuerinnern.Im letzten Abschnitt dieses Kapitelskommt er nun auf die „Kernfrage“ zu spre-chen, nämlich die Frage der „Letztbegrün-

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dung der Wirklichkeit“, mit der die Phy-sik möglicherweise überfordert sei. Trotzphantastischer Erkennntisfortschritte, someint er, sei die Rätselhaftigkeit der Weltkeineswegs verschwunden. In der Tat tau-chen mit dem Fortschritt der Erkenntnis,wie schon Popper festgestellt hatte, im-mer neue Probleme auf. Nach Küng hatdie wissenschaftstheoretische Diskussionfolgendes gezeigt: „Während die Argu-mente der Physik, auf Beobachtung, Ex-periment und Mathematik aufgebaut, ei-nen logisch zwingenden Charakter haben,können die philosophisch-theologischenArgumente für die Annahme einer meta-empirschen Wirklichkeit bestenfalls eineHinführung und Einladung sein. Das heißt:In diesen letzten Fragen herrscht kein in-tellektueller Zwang, sondern Freiheit“.Das ist eine seltsame Feststellung. Tatsäch-lich werden ja in beiden Bereichen Argu-mente verwendet, so daß die Logik undinsofern auch der von ihm so genannte„Zwang“ in beiden eine Rolle spielt. Au-ßerdem werden in beiden Bereichen al-ternative Problemlösungen diskutiert, sodass auch in der Physik und in den ande-ren Realwissenschaften die „Freiheit“ daist, die er für Philosophie und Theologiebeansprucht. Auch er selbst formuliertimmer wieder Argumente, wenn auchnicht gerade mit großem Erfolg.Zugleich habe sich deutlich gezeigt, someint er dann, daß das naturwissenschaft-liche Instrumentarium angesichts der Fra-ge nach dem letzten Woher dieser rätsel-haften Wirklichkeit versage. Wir haben ge-sehen, dass diese Beurteilung der Sachla-ge keineswegs unproblematisch ist. Aberes kann durchaus zugestanden werden,daß es irgendwelche unüberwindlicheSchranken für unsere Erkenntnis gebenkann, die dann allerdings auch der Theo-

loge kaum zu überwinden in der Lage ist.Jedenfalls zieht Küng die Konsequenz,daß man hier zu der Frage nach der Wirk-lichkeit überhaupt komme, für deren Be-antwortung er sich bekanntlich zuständigfühlt: Warum gibt es überhaupt etwas undnicht vielmehr nichts.? Das sei die Ur-Fra-ge des Menschen, die der Naturwissen-schaftler, der jenseits des Erfahrungshori-zonts nicht mehr zuständig sei, nicht be-antworten könne. Hier stoße der Mensch aufdas Urgeheimnis der Wirklichkeit. Es seidie Frage nach einem möglichen Urgrund,Urhalt, Urziel dieser Wirklichkeit, die sichnicht nur für den Naturwissenschaftler,sondern für den Menschen als Menschenstelle.Man sieht also, daß Küng hier bei der Fra-ge angekommen ist, die er schon in sei-nem Buch zur Gottesproblematik gestelltund zu seiner eigenen Zufriedenheit be-antwortet hatte. Was er bisher zeigen woll-te, ist nur, daß die Naturwissenschaftendiese Frage nicht beantworten können.Wenn man, wie Küng das in diesem Bu-che offenbar einräumt, vom kritischen Ra-tionalismus ausgehen kann, dann habenwir es also mit einer metaphysischen Fra-ge zu tun, die durchaus rational diskutier-bar ist. Gerade der Naturwissenschaftler,so meint Küng nun, stehe vor der Alter-native, angesichts dieser Fragen zu kapi-tulieren und Fragen nach Ursachen auf-zugeben, oder aber sich auf die Frage nachGott einzulassen. Er möchte ihm empfeh-len, Gott zumindest als Hypothese in Be-tracht zu ziehen.Nun wird uns Küng in den beiden Ab-schnitten über Gott als Hypothese und Gottals Wirklichkeit mit einer Argumentationkonfrontieren, die wir schon aus seinemfrüheren Buch kennen. Und wir bekom-men als erstes eine Passage aus einem Text

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von Werner Heisenberg serviert, die wirebenfalls schon kennen, nämlich die Aus-sage, der Schluß von der Existenz der Weltauf eine Ursache dieser Existenz sei mitunserer wissenschaftlichen Erkenntnisvöllig vereinbar. Ich habe mich zu dieserAussage in meiner Kritik der KüngschenTheologie ausführlich geäußert31. An die-ser Stelle hätte unser Autor, der in seinenfrüheren Büchern gezeigt hat, dass er mitder Logik auf Kriegsfuß steht, und der indiesem Buch immer wieder die Physikerzu mehr Demut auffordert, besser darangetan, einen Logiker zu Rate zu ziehen.Von ihm hätte er erfahren können, daß essich hier nicht um einen Schluß handelt,und daß die Anwendung des Kausal-prinzips, wenn man es als zusätzliche Prä-misse einführen würde, sofort die Fragenach der Ursache dieser Ursache, also hierwohl nach der Ursache Gottes, nach sichziehen würde. Um die Kausalkette abzu-schließen, könnte er zwar auf den BegriffGottes als einer „causa sui“ zurückgrei-fen, müsste aber dann mit einer Kritikrechnen, die schon bei Schopenhauer zufinden ist.Der Gottesglaube ist in der Tat, wie er dannfeststellt, mit verschiedenen Weltmodellenvereinbar. Wer wollte das bestreiten. Aberdasselbe gilt natürlich für den Glauben,daß es keinen Gott gibt. Es müßte also et-was hinzukommen, wenn man ihn, wieKüng das vorhat, begründen möchte. Undmit diesem Argument rückt er nun her-aus: „In der Tat, wenn Gott existierte, dannwäre die Kernfrage nach dem Anfang al-ler Dinge beantwortet, warum überhauptetwas ist und nicht nichts. Beantwortetwäre auch die Rahmenfrage nach den kos-mischen Grundkonstanten, die von allemAnfang an die Entwicklung des Univer-sums bestimmen“.

Diese These wird möglicherweise einemGläubigen einleuchten, aber der Skepti-ker wird sich fragen müssen, wieso sieakzeptabel ist. Man müsste genauer wis-sen, welche Eigenschaften Gottes zu derAnnahme berechtigen, dass damit dieseKernfrage beantwortet ist. Mit dieser Fra-ge hatte sich Küng schon in seinem Buchzur Gottesproblematik beschäftigt und wirhatten gesehen, dass seine Bemühungen,sie zu beantworten, keinen Erfolg hatten.In diesem Buch scheint er vorauszusetzen,er habe uns dort eine zufriedenstellendeAntwort angeboten. Das geht auch dar-aus hervor, wie er die Frage beantwortet,wie man Gewißheit darüber erlangen kön-ne, dass Gott nicht nur eine Hypothese,eine Idee, sondern Wirklichkeit sei. Ermacht uns hier in aller Kürze damit be-kannt, wie die Antwort auf diese Frageaussieht, die er in seinem früheren Buchschon gegeben hat. Da ist von einer ver-trauenden, rational verantwortbarenGrundentscheidung und Grundeinstellungdie Rede, einer Vertrauenshaltung, in derman trotz aller Zweifel das Wirklichseinder Wirklichkeit im Ganzen erfahren kön-ne, also die grundlegende Identität,Werthaftigkeit und Sinnhaftigkeit dessen,was ist, bejahen könne. In einer solchenVertrauenshaltung könne man auch dasWirklich-Sein Gottes, eines Urgrunds vonallem, was ist, annehmen, was sich aufdas ganze Erleben, Verhalten und Handelnauswirke.Wer an der wissenschaftstheoretischenDiskussion interessiert sei, so sagt er dann,werde jetzt präzisieren können: Unmög-lich sei sowohl ein induktiver Beweis alsauch eine deduktive Ableitung Gottes ausdieser erfahrbaren Wirklichkeit von Weltund Mensch durch eine theoretische Ver-nunft, die Gottes Wirklichkeit in logischen

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Schlußfolgerungen demonstrieren möch-te. Doch nicht unmöglich erscheine einehinführende Anleitung, welche die einemjeden zugängliche Erfahrung der so sehrfraglichen Wirklichkeit auszuleuchten ver-suche, um den denkenden und handeln-den Menschen vor eine freie, jedoch ra-tional verantwortbare Entscheidung zustellen. Dabei komme nur ein indirektesVerifikationskriterium in Frage, das Gottan der erfahrenen Wirklichkeit von Weltund Mensch zu verifizieren suche.Man sieht, daß Küng hier in abgekürzterForm die Vorgehensweise reproduziert, dieer früher schon ausführlicher vorgeführtund der ich eine gründliche Analyse ge-widmet hatte. Allerdings hat er eine klei-ne Änderung vorgenommen, die wohl demUmstand zu verdanken ist, dass er inzwi-schen die Poppersche Kritik der Indukti-on zur Kenntnis genommen hat. Währender früher nur die „deduktive Ableitung“Gottes abgelehnt und eine „induktive An-leitung“ für möglich erklärt hatte, lehnt ernun auch einen „induktiven Beweis“ abund spricht von einer „hinführenden“ undnicht mehr wie früher von einer „indukti-ven Anleitung“. Diese größere Vorsicht inder Wortwahl ist aber ohne Bedeutung fürdas von ihm vorgeschlagene Verfahren.Meine Kritik an diesem Verfahren hat erzur Kenntnis genommen. Es mag ja sein,dass er sie nicht akzeptieren kann. Aberer geht auf keines meiner Argumente einund verschweigt seinen Lesern, daß eseine solche Kritik gibt. Dabei hat er indiesem Buch ausdrücklich die auf Pop-per zurückgehende philosophische Auf-fassung akzeptiert, die die Grundlage die-ser Kritik ist. Und er benutzt diese Auf-fassung, um andere Leute in die Schran-ken zu weisen.. Angesichts dieser Sach-lage darf man wohl von einer beachtlichen

Dreistigkeit sprechen, die Küng hier imUmgang mit seinen Diskussionspartnernan den Tag legt.Das Kapitel schließt mit einem Abschnittüber den archimedischen Punkt, in demer feststellt, daß ein Ja zu Gott ein radikalbegründetes Grundvertrauen zur Wirklich-keit ermögliche und daß das Gott-Vertrau-en die Bedingung der Möglichkeit derfraglichen Wirklichkeit anzugeben vermö-ge. Insofern, so meint Küng, zeige es eineradikale Rationalität, die sich vom ideo-logischen Rationalismus, der die Ratioverabsolutiere, klar unterscheide. Man er-innere sich daran, dass er in den beidenersten Büchern seiner Trilogie gerade denkritischen Rationalismus als ideologischenRationalismus denunziert hatte, also diephilosophische Auffassung, deren er sichin diesem Buche teilweise bedient.Die letzten Abschnitte dieses Kapitels ha-ben zentrale Bedeutung für die KüngscheAuseinandersetzung mit den Naturwissen-schaften, der dieses Buch gewidmet ist.Sie enthalten, wie er selbst sagt, die Ant-wort auf die Kernfrage, um die es ihm dortgeht. Diese Antwort ist dieselbe, die er inden früheren Büchern schon gegeben hat-te. Die Darstellung naturwissenschaftli-cher Probleme und Resultate hat in dieserBeziehung nichts Neues ergeben. Künghat sie nur benutzt, um den Vertretern die-ser Wissenschaften Zensuren zu erteilenund ihnen Ratschläge zu geben. Einer die-ser Ratschläge ist der, dass sie sich stär-ker mit Ergebnissen der modernen Theo-logie befassen sollten, um ihre Grundpro-bleme besser lösen zu können. Was ihnendiese Theologie zu bieten in der Lage ist,haben wir nun gesehen.In den weiteren Kapiteln seines Buchesbeschäftigt sich Küng mit den Themen„Weltschöpfung oder Evolution?“, „Leben

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im Kosmos?“ und „Der Anfang der Mensch-heit“. Dem schließt sich ein Epilog überdas Ende aller Dinge an. Im Kapitel über„Weltschöpfung oder Evolution?“ wirdder Leser wie in den vorherigen Kapitelnmit den für dieses Thema relevanten Re-sultaten der modernen Naturwissenschaft,also mit der Darwinschen Lehre, bekanntgemacht, mit Reaktionen auf diese Lehreund mit philosophischen Konzeptionen,die er in diesem Zusammenhang für dis-kussionswürdig hält. Die DarwinscheLehre wird von ihm akzeptiert und dienegativen theologischen Reaktionen aufsie werden verurteilt. Er stellt dann fest,daß sich die Theologie inzwischen in die-ser Frage von der unmittelbaren Erschaf-fung der ganzen Welt zurückgezogen undschließlich überhaupt auf einen unmittel-baren Eingriff Gottes in die Entwicklungvon Welt und Mensch verzichtet habe.Und er gibt der bekannten Flewschen The-se recht, dass die Hypothese Gott den Todvon tausend Einschränkungen sterbe. Mankönne fragen, so meint er dann, ob einesolche Haltung glaubwürdiger Gottesglau-be sei.Dann geht er der Reihe nach auf die Auf-fassungen von August Comte, der einenFortschritt ohne Gott ins Auge gefaßt habe,von Pierre Teilhard de Chardin, bei demes um eine Evolution zu Gott gehe, undvon Alfred North Whitehead ein, der voneinem Gott im Prozeß, von einem Wer-den Gottes, spreche, um sich dann „un-voreingenommen der Sachfrage zu stel-len“, wie man heutzutage Gott denkensolle. Man solle sich, so meint er, nichtdavon abhalten lassen, neue Redeweisenvon Gott zu erproben, damit der Kinder-glaube erwachsen werde. Den von ihm er-wähnten Autoren ist es allerdings, soweitich sehe, nicht um die Erprobung von

„Redeweisen“ gegangen, sondern um ei-nen akzeptablen Gottesbegriff und umseine Bedeutung für das wirkliche Gesche-hen.Unser Autor stellt dann in aller Kürze fest,daß Gott weder ein innerirdisches, nochein überirdisches, noch ein außerirdischesWesen sei. Grundlegend sei, daß Gott indiesem Universum und dieses Universumin Gott und zugleich Gott größer als dieWelt sei. Er sei zugleich weltimmanentund welttranszendent, eine allumfassen-de transempirische Beziehungswirklich-keit, seine Ewigkeit umgreife die Zeit, ersei die Dynamik selbst, schaffe die Weltin sich selbst, halte und bewege sie un-sichtbar von innen. Er sei die nicht greif-bare „Realdimension Unendlich“ in allenDingen. Man könne das Verhältnis Gott-Welt, Gott-Mensch nur dialektisch formu-lieren. Man fragt sich, warum er dem Be-griffssalat, den er mit seinen Formulierun-gen geschaffen hat, nicht noch die Thesehinzugefügt hat, dass Gott zugleich gutund böse sei. Auf diese Weise hätte er sichjedenfalls die Lösung des Theodizeepro-blems etwas erleichtern können.Auf die Frage, ob Gott Person ist, antwor-tet er, ganz ähnlich wie schon in seinemBuch zur Gottesproblematik, da Gott we-der personal noch apersonal sei, könne derTheologe davon reden, dass er transperso-nal sei. Aber er setzt gleich hinzu, daß mitdiesem Begriff keineswegs Gott begriffen,mit dieser Definition keineswegs Gottdefiniert werden könne. Denn hätte manihn begriffen oder definiert, so wäre ernicht Gott, der nun einmal der Unsichtba-re, Unbegreifliche, Undefinierbare sei undbleibe32.Ich bin in meinem oben erwähnten Buchschon ausführlich auf den KüngschenVersuch eingegangen, dem Wort „Gott“,

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das er für unersetzlich hält, einen einiger-maßen verständlichen Sinn zu verleihen33 ,und begnüge mich hier damit, auf meineKritik hinzuweisen, auf die Küng bishernicht eingegangen ist. Ich stelle nur fest,daß dieser Theologe den Anspruch macht,es könne ihm gelingen, mit Hilfe einesWortes, dem er nicht in der Lage ist, ei-nen Sinn zu verleihen, das „Ganze derWirklichkeit“ zu erklären, etwas, was derPhysiker aufgrund seiner beschränktenMethode nicht leisten könne. Nun machenPhysiker im allgemeinen überhaupt kei-nen Anspruch dieser Art, und Theologenoder Philosophen, die diesen Anspruchmachen, scheitern meist schon deshalb andieser Aufgabe, weil sie weder Klarheitdarüber zu schaffen in der Lage sind, umwas für ein Problem es sich dabei han-delt, noch wie sie es zu lösen gedenken.Genau das zeigt sich auch in den Bemü-hungen Küngs in dieser Sache.Es folgt nun ein Bericht über die Schöp-fungsmythen der Weltreligionen und einAbschnitt, in dem er manchen Physikernbescheinigt, daß es ihnen schlicht an derfür ein rationales Urteil notwendigen Ba-sisinformation auf dem Gebiete der Reli-gion fehle, wobei Carl Friedrich von Weiz-säcker als hervorragendes Gegenbeispielhingestellt wird, und zwar nicht, weil erein Problem gelöst, sondern weil er eineFrage gestellt hat, die dem Theologen insKonzept passt. Um die erwähnte Basisin-formation zu bieten, geht er dann auf diebiblischen Schöpfungsberichte ein, undzwar im Lichte der „höchst komplexenmodernen Bibelforschung“, um ein ver-nünftiges, gut begründetes Urteil in derGottesfrage zu erleichtern.Das Eigentümliche des ersten biblischenSchöpfungsberichts sei, so hören wir, dieTranszendenz Gottes, der die Welt allein

durch das Wort erschaffen habe, die Wür-de des Menschen, der als Ebenbild Gottescharakterisiert werde und die Ordnungund Einheit der Schöpfung, die ein wohl-geordnetes, strukturiertes, harmonischesGanzes sei. Der um Jahrhunderte älterezweite Schöpfungsbericht konzentrieresich auf die Erschaffung des ersten Men-schenpaares. In einem zentralen Punktgebe es in der Bibel keine Veränderung:Gott sei ein anredbares Gegenüber, ein Du.Das sei eine unaufgebbare, wenn auch im-mer wieder neu zu interpretierende Grund-konstante des biblischen Gottesglaubens.Die Bibel sei aber, so meint er, nicht ein-fach Gottes Offenbarung, sondern mensch-liches Zeugnis von ihr in einer Sprachevon Bildern und Gleichnissen. Küng nenntdie Sprache der Bibel eine metaphorischeBildsprache und stellt die Frage, wie dervorwissenschaftliche Mensch gerade Got-tes Schöpfertätigkeit anders hätte be-schreiben sollen als durch Metaphern undAnalogien, die dem Bereich menschlicherTätigkeiten entnommen sind. Die wirk-mächtigen Bilder und Metaphern der Bi-bel seien, so meint er, kein Beweis für ei-nen „kosmischen Designer oder Architek-ten“, sondern eine Einladung zum glau-benden Vertrauen auf den einen, nicht di-rekt konstatierbaren und beschreibbarenunsichtbaren Gott.Es läßt sich meines Erachtens aber kaumleugnen, daß dieser Gott, mag er auchunsichtbar und schwer faßbar sein, den-noch personalen Charakter hat. Er hat ei-nen Willen, er gibt Anweisungen, er drohtund greift lenkend in das irdische Gesche-hen ein, man kann zu ihm beten und erkann Hilfe gewähren. Und ein solcher Gottpaßt sehr gut in das vorwissenschaftlicheWeltbild. Ein erheblicher Teil des in derBibel berichteten Geschehens wird keines-

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wegs in metaphorischer Sprache beschrie-ben, sondern in einer alltäglichen „Fakten-sprache“, die für uns gut zu verstehen ist.Wenn zum Beispiel Gott das Volk Israeldazu auffordert, ein anderes Volk zu ver-nichten, dann wüßte ich nicht, was daranmetaphorisch ist. Der Gottesbegriff, derda verwendet wird, ist gut zu verstehen.Er hat allerdings wenig zu tun mit demKüngschen Gottesbegriff, der alle Begrif-fe sprengt, so daß man eigentlich nichtmehr von einem Begriff sprechen kann.Die Bibel, so sagt er, beschreibe keine na-turwissenschaftlichen Fakten, sonderndeute sie, auch für unser gegenwärtigesmenschliches Leben und Handeln. BeideSprach- und Denkebenen seien immersauber zu trennen, wenn man fatale Miß-verständnisse vermeiden wolle. Wissen-schaftliche und religiöse Sprache seien sowenig vergleichbar wie wissenschaftlicheund poetische.Nun kann sicher nicht die Rede davonsein, dass in der Bibel eine naturwissen-schaftliche Sprache verwendet wird. Aberes kommen dennoch laufend Tatsachenoder vermeintliche Tatsachen vor, über diezwar in der Alltagssprache berichtet wird,die aber grundsätzlich wissenschaftlicherBeschreibung und Erklärung zugänglichsind. Die Rede von den beiden „ Sprach-und Denkebenen“, die darauf abzielt, dieInkommensurabilität von Urknalltheorieund Schöpfungsglaube, Evolutionstheorieund Erschaffung des Menschen zu be-gründen, um mögliche Widersprüche aus-zuschalten, ist nur ein Mittel, um den bi-blischen Glauben gegen jede möglicheKritik auf Grund wissenschaftlicher Er-kenntnisse zu immunisieren. Auf die glei-che Weise könnte man ohne weiteres dasWeltbild jeder anderen Kultur dieser Erdesowie die in unserer Alltagssprache ent-

haltene Steinzeitmetaphysik vor einer sol-chen Kritik retten34 .Nicht einen Kern des naturwissenschaft-lich Beweisbaren habe unsere Bibelinter-pretation herauszuarbeiten, so hören wirnun, sondern das für Glauben und LebenUnverzichtbare. Nicht die Existenz oderÜberflüssigkeit Gottes habe die Naturwis-senschaft zu „beweisen“. Sie habe viel-mehr die physikalische Erklärbarkeit un-seres Universums so weit wie möglichvoranzutreiben und zugleich Raum zu las-sen für das physikalisch prinzipiell Uner-klärbare. Davon rede die Bibel. Man sieht,wie sich durch eine einfache Kompetenz-regelung die Probleme lösen lassen.Für eine solche Regelung kann Küng wie-der einmal Werner Heisenberg bemühen,der sich, wie wir gesehen haben, schoneinmal als hilfreich erwiesen hatte, als esum Gott als Ursache ging. Die Heisenberg-sche Zwei-Sprachen-These, die er da her-anzieht, ist aber schon deshalb äußerst pro-blematisch, weil es andere Realwissen-schaften gibt als die Physik, in denen voneiner Spaltung der Welt in eine objektiveund subjektive Seite, wie sie von Heisen-berg erwähnt wird, nicht die Rede seinkann. Subjektive Erlebnisse und Erfahrun-gen sind nämlich ohne weiteres einer wis-senschaftlichen Analyse zugänglich, ohnedass sich der Physiker darum kümmernmüsste. Das gilt sogar für religiöse Erfah-rungen35 . Georg Simmel hat sich seiner-zeit mit dieser Frage beschäftigt und istkritisch auf die Objektivierung solcher Er-fahrungen und auf das Problem der Sub-jekt-Objektspaltung eingegangen36. Auchder normale religiöse Mensch pflegt reli-giöser Realist zu sein, über Gott zu spre-chen und ihn damit zum Objekt seinerRede zu machen, auch gerade dann, wenner ihn als Person anspricht. Wenn der Dar-

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stellungssinn seiner religiösen Spracheverloren gehen würde, würde er zum reli-giösen Expressionisten37.Es geht hier natürlich nicht um physikali-sche Probleme, sondern um die Darstel-lungsleistung der Sprache, und vielfachauch nicht um Erklärungen, sondern nurum Beschreibungen. Ob irgendwelcheTatsachen prinzipiell unerklärlich sind,kann man nicht a priori wissen. FrüherePersonen glaubten an die Erklärungen derBibel, in denen Gott eine Rolle spielt.Wenn wir diese Erklärungen heute nichtmehr akzeptieren können, sollten wir nichtso tun, als ob sie nicht ernst gemeint sei-en, und sie einer „Sprachebene“ zuordnen,die sie immun macht gegen jede Kritik.Wir sollten jedenfalls den Zweifel daranzulassen, dass die Wesenheiten, auf derenExistenz für solche Erklärungen zurück-gegriffen wird, überhaupt existieren, zu-mal solche Zweifel bekanntlich auchschon bei Personen aufgetreten sind, diedamals gelebt haben. Jedenfalls könnteman nach alternativen Erklärungsmöglich-keiten suchen. Wenn die Annahme, daßes einen Gott gibt, nichts erklärt, sondernnur bestimmte Bedürfnisse befriedigt, soll-te man überlegen, ob sie nicht reinemWunschdenken entspringen könnte38 .Nun bekommen wir zu hören, dass derSchöpfungsakt ein zeitloser Akt sei, mitdem Gott Welt und Mensch samt Raumund Zeit aus dem absoluten Nichts ge-schaffen habe, so daß dies alles Gott zuverdanken sei und keiner anderen Ursa-che. Gott selbst aber verdanke sich keinerUrsache, so daß er nicht einmal causa sui,Ursache seiner selbst, sei. Er sei per defini-tionem die unverursachte, weil ewige undvollkommene Wirklichkeit. Auf diesenVersuch, den möglichen kausalen Regreßper definitionem abzuschneiden, bin ich

in meiner Küng-Kritik schon eingegan-gen39. Eine Antwort auf diese Kritik istwieder bei ihm nicht zu finden. Er läßtsie, wie er das in seinem Buch immer wie-der getan hat, gewissermaßen links liegen,ohne seine Leser darüber zu informieren.Nun macht Küng uns mit dem heutigenSinn des Schöpfungsglaubens bekannt.Dieser Glaube, so sagt er, füge dem Verfü-gungswissen, das die Naturwissenschaftso unendlich bereichert habe, nichts hin-zu, schenke dem Menschen aber ein Orien-tierungswissen. Er lasse den Menscheneinen Sinn im Leben und im Evolutions-prozeß entdecken und vermöge ihm letz-te Geborgenheit in diesem unübersehba-ren Weltall zu vermitteln. Die einzigeernsthafte Alternative, welche die reineVernunft freilich nicht beweisen könne,weil sie ihren Erfahrungshorizont überstei-ge, wofür sie aber gute Gründe habe, seidie Auffassung, daß das Ganze nicht nuraus einem Urknall stamme, sondern auseinem Ursprung, aus jenem schöpferi-schen Grund der Gründe, den wir Gott,eben den Schöpfergott nennen. Wie schonin seinem Buch zur Gottesproblematikgreift Küng hier auf sein „vernünftiges,geprüftes, aufgeklärtes Vertrauen“ zurück,mit dem er schon Gott bejaht habe. In die-sem ganzen Abschnitt ist wieder die Struk-tur seiner früheren Argumentation erhal-ten geblieben und kein neues Argumentaufgetaucht. Das kann er sich leisten, weiler dem Leser die vorliegende Kritik anseiner Weise des Vorgehens unterschlägt.Im nächsten Kapitel zum Thema „Lebenim Kosmos?“ stellt Küng wieder Ergeb-nisse der Naturwissenschaften dar, in de-nen man eine Antwort auf die Fragen fin-det, was Leben ist, seit wann es Lebengibt, ob es im Universum außerhalb un-seres Planeten Leben gibt und wie Leben

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entstanden ist. Dann widmet er sich derFrage, inwieweit Zufall und Notwendig-keit für die Erklärung des Lebens eineRolle spielen. Schließlich erörtert er dieFrage, ob Gott in diesem Zusammenhangüberflüssig sei und weist darauf hin, dassman auf Grund der betreffenden For-schungsergebnisse weder die ExistenzGottes postulieren noch sie ausschließenkönne. Dazu wäre es allerdings kaum nö-tig gewesen, auf diese Forschungen ein-zugehen, denn dieses Resultat ergibt sichschon daraus, dass die Hypothese der Exi-stenz Gottes, wie wir schon vorher erfah-ren haben, im strengen Sinne weder be-weisbar noch widerlegbar ist, ganz abge-sehen davon, daß Küng seinen Gottesbe-griff in einer Weise vorgeführt hat, die ihnfür Erklärungen jeder Art unbrauchbarmacht.Wie zu erwarten, konfrontiert er uns dannmit der „existentiellen“ Alternative, die erin seinem Buch zur Gottesproblematikkonstruiert hatte. Entweder der Menschsage Nein zu einem Urgrund, Urhalt undUrziel des Evolutionsprozesses, dannmüsse er die Sinnlosigkeit dieses Prozes-ses und die totale Verlassenheit des Men-schen in Kauf nehmen. Oder er sage ja zueinem Urgrund, Urhalt und Urziel, danndürfe er die grundlegende Sinnhaftigkeitdieses Prozesses und der eigenen Existenzzwar nicht aus dem Prozeß begründen,wohl aber sie vertrauend voraussetzen.Wir bekommen hier also zum wiederhol-ten Male das vorgesetzt, was er in demerwähnten Buch schon gesagt hatte. Erbedient die Vertreter der Naturwissen-schaften, auf die er eingeht, mit Argumen-ten, von denen von vornherein feststeht,dass sie von den Resultaten dieser Wis-senschaften nicht beeinflußt werden kön-nen, gleichgültig, wie diese Resultate aus-

fallen. Und er findet unter den Vertreterndieser Wissenschaften natürlich stets sol-che, die bereit sind, ihm zuzustimmen, wiezum Beispiel Rupert Riedl, der erklärt hat,der Glaube sei der unersetzliche Rahmenfür das Unerklärliche.Nachdem er uns mit dieser These bekanntgemacht hat, möchte Küng nun „noch tie-fer bohren“. Er stellt die Frage, warum eseinen lebensfreundlichen Kosmos gebe,und kommt dabei natürlich auf die Fein-abstimmung des Universums und auf dasanthropische Prinzip zu sprechen. Es gehtdabei um die Frage, ob in dieser Feinab-stimmung ein Plan Gottes zu erkennen sei.Küng möchte hier auf jeden Fall „theolo-gische Kurzschlüsse“ vermeiden. AufGrund seiner erkenntnistheoretischen Aus-führungen, die wir schon kennen gelernthaben, kommt er zu dem Urteil, daß dieWissenschaft in dieser alle Empirie über-steigenden Frage wohl grundsätzlich kei-ne „Letztbegründung“ bieten könne. Da-für, so hören wir dann, sei die Philoso-phie und noch mehr die Religion zustän-dig. Und er zitiert zwei Physiker, die derAuffassung sind, daß wir hier kein sinn-loses Schauspiel vor uns haben, sonderndaß ein Zweck dahintersteckt. Aber derKüngschen Kompetenzregelung entspre-chend haben sie natürlich da nicht mitzu-reden und gestehen das auch zu. Wozudann diese Zitate?40

Das Fazit unseres Autors läuft wie zu er-warten darauf hinaus, was er in seinem„Komplementaritätsmodell“ vorgesehenhat: Naturwissenschaft und Religion kön-nen sich im Rahmen einer holistischen Ge-samtsicht aller Dinge ergänzen: „Religi-on kann die Evolution als Schöpfung in-terpretieren, naturwissenschaftliche Er-kenntnis kann Schöpfung als evolutivenProzeß konkretisieren und so kann Reli-

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gion also dem Ganzen der Evolution ei-nen Sinn zuschreiben, den die Naturwis-senschaft von der Evolution nicht ablesen,bestenfalls vermuten kann“. Warum dasso ist, erfährt der Leser, wenn er KüngsBuch zur Gottesproblematik zur Kennt-nis nimmt.Aber Küng möchte hier statt von Religi-on präziser vom Glauben im Sinne derbiblischen Tradition sprechen, und stelltdie Frage, ob man dann nicht auch die dorterzählten Wunder akzeptieren müsse unddas unmittelbare Eingreifen Gottes in dieMenschheitsgeschichte. Gott scheine dochzumindest in die Geschichte Israels ein-gegriffen zu haben, so daß seine Wundereine Durchbrechung der Naturgesetze in-volvierten. Zur Klärung dieser Frage ziehter die Ergebnisse der Bibelkritik heran, dieernst zu nehmen seien.Die historische Bibelkritik zeige, daß vie-le verwunderliche Ereignisse, über die inder Bibel berichtet wird, auf damals inPalästina oder den Nachbarländern übli-che Naturereignisse zurückgeführt werdenkönnen, so daß hier die Naturkausalitätin keiner Weise aufgehoben sei. Und dieliterarische Kritik habe gezeigt, dass manes bei den Wunderberichten nicht mit Pro-tokollen von historischen Ereignissen zutun habe. Es gebe da verschiedene Über-lieferungen vom selben Ereignis. Und esgebe erhebliche Unterschiede zwischenverschiedenen literarischen Gattungen,und viele Erzählungen hätten offensicht-lich Legendencharakter. Das alles machedeutlich, daß Wunder als Durchbrechun-gen von Naturgesetzen sich in der Bibelhistorisch nicht nachweisen ließen..Was ist dazu zu sagen? Zunächst kommtes offenbar hier nicht darauf an, wie heu-tige Theologen über die Wunder denken,sondern darum, wie frühere Gläubige da-

mit umgegangen sind. Vermutlich habendiese keinen Unterschied zwischen lite-rarischen Gattungen gemacht, sonderndiese Wunder als das genommen, als wassie sogar heute noch von Bibelgläubigenangesehen werden, die nicht so aufgeklärtsind wie Hans Küng. Für viele Gläubigeund auch für zahlreiche Theologen ist esauch heute noch eine Tatsache, dass Gottin die Geschichte Israels eingegriffen hat.Und vollends Ereignisse wie die Aufer-stehung Jesu werden von vielen noch alsTatsache betrachtet.Man braucht nur die Geschichte des Bult-mannschen Versuchs der Entmythologisie-rung des Neuen Testaments heranzuziehen,um zu sehen, welche Schwierigkeiten die-ser Versuch vielen Theologen bereitet hat.Ich habe diesen Versuch und die Reaktio-nen einer ganzen Reihe von Theologen aufdiesen Versuch seinerzeit analysiert, undHans Küng kennt das Buch, in dem dieseAnalyse enthalten ist41. Bultmann war of-fenbar der Ansicht, daß viele im NeuenTestament berichtete Ereignisse nicht mitErgebnissen der Naturwissenschaften ver-einbar sind, und war daher bereit, die be-treffenden Erzählungen der Bibel als un-glaubwürdig zurückzuweisen. Dazu ge-hörte interessanterweise auch die Aufer-stehung Jesu in der Deutung, die wir demApostel Paulus verdanken. An die Stelledieser Deutung trat beim ihm die These,daß Jesus auferstanden sei „in die Verkün-digung“, eine These, die deshalb innerhalbder protestantischen Theologie auf Kritikstieß, weil sie offensichtlich mit dem bi-blischen Glauben unvereinbar ist42. Mei-ne Kritik an dem Bultmannschen Versuchzielte nicht darauf, daß er viele Passagender Bibel für unglaubwürdig hielt, sonderndaß er seine Kritik im Interesse des Glau-bens willkürlich eingeschränkt hat.

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Ich habe seinen Versuch als ein herme-neutisches Unternehmen in apologetischerAbsicht bezeichnet, ein Unternehmen, dasdarauf abzielt, den Kern des christlichenGlaubens durch eine mit dem heutigenWeltbild harmonierende Interpretation zuretten. Genau in dieser Weise kann manauch den hier vorliegenden KüngschenVersuch charakterisieren, uns den Bibel-glauben wieder nahe zu bringen. Nur daßsich die Immunisierungsstrategie, dieKüng verwendet, von der Bultmannschendadurch unterscheidet, dass Küng fälsch-licherweise glaubt, sich dabei auf den kri-tischen Rationalismus Karl Poppers stüt-zen zu können, daß das von ihm gewählteVerfahren dreister und aggressiver ist alsdas Bultmannsche und daß er den Glau-benskern, den er retten möchte, etwas an-ders abgrenzt als Bultmann.Außerdem zeigt sich hier wieder, daß dieoben erwähnte Küngsche Zwei-Sprachen-these schon deshalb nicht brauchbar ist,weil die angebliche Vermischung der bei-den Denk- und Sprachebenen, vor der erwarnt, nach seiner eigenen Darstellungoffenbar schon innerhalb der Bibel selbststattgefunden haben muß. Wunder, so sagter nun, sollen Zeichen der Macht Gottessein. Nicht der wunderbare Durchzugdurch das Meer sei bedeutsam, sonderndie Botschaft von Gott, den das Volk alsBefreiung erfahre. Demnach stünden dieWunder in der Bibel als Metaphern, so wiein der Poesie Metaphern auch nicht Na-turgesetze aushebeln wollten.Das ist aber wieder nur die Deutung des„aufgeklärten Theologen“, die man nichtden Gläubigen von damals unterschiebensollte, die das betreffende Ereignis nurdeshalb als Fingerzeig für die Macht Got-tes deuten konnten, weil sie darauf ver-trauten, daß es wirklich so geschehen ist.

Soweit ist der ebenfalls aufgeklärte Theo-loge Bultmann nicht gegangen, oder deut-licher ausgedrückt, so dreist ist er nichtgewesen, dass er seine existentiale Deu-tung den Gläubigen von damals als ihreeigene Auffassung hätte unterschiebenwollen. Wie Küng dann selbst sagt, sinddie Wundererzählungen als Hinweise aufGottes Handeln in der Welt aufzufassen.Sie künden von einem Gott, der sich indie Geschicke der Welt einmischt. Nurpflegt der Gläubige das wörtlich zu ver-stehen und hat keinen Grund, sich diesesVerständnis dadurch nehmen zu lassen,daß er den Küngschen Verweis auf denmetaphorischen Charakter der biblischenSprache akzeptiert.In einem Abschnitt darüber, wie GottesWirken zu denken ist, wirbt Küng dannfür ein aufgeklärtes Gottesverständnis undspricht sich gegen eine allzu äußerliche,anthropomorphe Vorstellung aus wie die,Gott kontrolliere oder steuere die Ereig-nisse, also eine Vorstellung, die sich ausdem Bibelglauben, wie wir gesehen ha-ben, nicht eliminieren lässt, ohne ihn zuverfälschen. „Wie stünde es dann“, sofragt Küng mit Recht, „um all die Ver-schwendungen und Sackgassen der Evo-lution, wie um die ausgestorbenen Artenund die elend umgekommenen Tiere undMenschen? Und wie um die unendlichenLeiden und all das Böse in dieser Welt undWeltgeschichte?“ Auf solche für den Got-tesglauben unangenehme Tatsachen hatteich ihn in meiner Kritik aufmerksam ge-macht und hatte ihn in diesem Zusammen-hang auf das ungelöste Theodizeeproblemhingewiesen. Statt uns hier nun einen Ver-such zur Lösung dieses Problems anzu-bieten, weist er uns zum wiederholten Malauf seinen dialektisch konstruierten Got-tesbegriff hin, auf Gott als den alles durch-

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waltenden Sinn-Grund des Weltprozessesund darauf, daß die meisten Theologenerkannt haben, daß es hier um das uner-gründliche Geheimnis des Wirkens Got-tes geht.Im nächsten Kapitel geht es um den An-fang der Menschheit. Wieder werden wirmit den für diese Frage relevanten Ergeb-nissen der Realwissenschaften und mitProblemen der Philosophie, wie dem Leib-Seele-Problem und dem Problem der Wil-lensfreiheit, und Versuchen der Lösungsolcher Probleme bekannt gemacht. Na-türlich ist für ihn die Frage besonderswichtig, ob die Willensfreiheit eine Illusi-on ist, eine Frage, die gerade wieder dieAufmerksamkeit der Öffentlichkeit aufsich gezogen hat. Bei Küng findet manzwar keine gründliche Untersuchung die-ser Probleme43 , aber Hinweise auf einigeForschungsresultate und unterschiedlicheStellungnahmen dazu sowie auf proble-matische Konsequenzen, die von einigenForschern gezogen wurden und auf die ermit Entrüstung über ihre Leichtfertigkeitreagiert. Es ist nicht zu leugnen, dass derUmgang mit den betreffenden Forschungs-ergebnissen oft zu wünschen übrig lässt.Aber die Leichtfertigkeit, mit der da oftargumentiert wird, ist sicher nicht größerals die Leichtfertigkeit, die Küng geradebei der Behandlung theologischer Proble-me an den Tag gelegt hat.Wie dem auch sei, der Theologe hat einenGrund, auf die Grenzen der Hirnforschungeinzugehen. Er bemüht dabei ein Gedan-kenexperiment von Kant, das er ebensowie Otfried Höffe für überzeugend hält.Ich bin nicht in der Lage zu erkennen,wieso dieses Gedankenexperiment irgend-etwas dazu beitragen kann, das Problemzu lösen. Denn die Haltung der Ehrlich-keit, die man unter dem Einfluß der Er-

ziehung erworben hat, kann ohne weite-res als eine Disposition gedeutet werden,die zur Determination der betreffendenHandlungen beiträgt. Das betreffende Ge-dankenexperiment leistet überhaupt nichtszur Entscheidung des Problems, denn, wasdarin beschrieben wird, ist ohne weitereseiner kausalen Deutung zugänglich, ganzabgesehen von den unbewältigten Schwie-rigkeiten, die sich ergeben, wenn manKants transzendentalen Idealismus in Be-tracht zieht. Was die Habermassche Un-terscheidung von Gründen und Ursachenangeht, auf die Küng hinweist, so ist schonvor längerer Zeit darauf hingewiesen wor-den, dass Gründe nur dann zur Erklärunggeeignet sind, wenn sie als Ursachen auf-gefasst werden können. Und die „Erfah-rung der Freiheit“ hat man, wie schonHans Driesch in den 30er Jahren des vo-rigen Jahrhunderts festgestellt hat, auch,wenn man in Experimenten, in denen mitposthypnotischer Suggestion gearbeitetwird, genau das tut, was einem in der Hyp-nose befohlen wurde. Experimente dieserArt wurden nicht von Hirnphysiologen an-gestellt sondern von Psychologen.Küng hat uns wieder Meinungen vorge-führt, denen er zustimmt oder die er fürfragwürdig hält, und er hat Fragen gestellt.Eine genaue Untersuchung der Problemeund der vorgeschlagenen Lösungen ist eruns wieder schuldig geblieben. Aber war-um sollte er auch eine solche Untersu-chung liefern. Schließlich sind die Resul-tate einer solche Untersuchung ohnehinfür die Lösung theologischer Problemenicht relevant, wenn man seine Komple-mentaritätsthese akzeptiert.Auch hinsichtlich der ethischen Proble-matik verfährt er in der gewohnten Wei-se. Er räumt zunächst ein, dass das ethi-sche Verhalten des Menschen in seiner

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biologischen Natur verankert ist und be-richtet dann über relevante Resultate derbiologischen, der sozialwissenschaftlichenund der historischen Forschung. Die fun-damentalen Minimalforderungen für einmenschliches Zusammenleben liegen, wieer sagt, dem Jahweglauben voraus undsind nicht spezifisch israelitisch. Das Ei-gentümliche der biblischen Sittlichkeit be-stehe nicht darin, daß man neue ethischeNormen gefunden habe, sondern darin,daß die überlieferten Weisungen unter dielegitimierende und schützende Autoritätdes einen wahren Gottes und seines Bun-des gestellt wurden. Diese Normen seiendaher für Israel kategorische Forderungendieses Gottes. Auf den Inhalt dieser Nor-men geht Küng nicht ein, auch nicht aufdie Tatsache, daß Gott in ihnen mit dra-stischen Strafen droht. Daß alle diese Nor-men fundamentale Minimalforderungen ent-halten, kann man durchaus bezweifeln.Wie dem auch sei, Küng stellt nun die Fra-ge nach dem unterscheidend Christlichenin der Ethik. Es sei, so meint er, der kon-krete gekreuzigte Jesus als der lebendigeChristus, als der Maßgebende. Er könnefür die glaubenden Menschen ein in vie-len Weisen zu realisierendes Grundmodelleiner Lebensschau und Lebenspraxis dar-stellen. Es ist auffallend, daß Küng hiersehr viel vager bleibt als in seinem Buchzur Gottesproblematik, in dem er noch aufdie Bergpredigt hingewiesen hatte. Ichhatte ihn darauf aufmerksam gemacht, daßschon Albert Schweitzer und nach ihmandere Theologen und Philosophen denutlilitaristischen Charakter der Ethik auf-gewiesen haben, der in der Bergpredigtzum Ausdruck kommt. Hat er nun seinefrühere Auffassung in diesem Punkte re-vidiert? Das hätte er uns zumindest mit-teilen können.

Auch die anderen Äußerungen und Hand-lungen Jesu kommen bei ihm nicht vor,die sein Vorbild als problematisch erschei-nen lassen. Wie Gerhard Streminger fest-stellt, hat Jesus nicht nur einmal, sondernetwa zwanzigmal von der Hölle gespro-chen und er hat mit ewiger Verdammnisgedroht, mit Höllenfeuer „wo der Wurmnicht stirbt und das Feuer nicht erlischt“,mit Feueröfen, wo es „ Heulen und Zäh-neklappern“ geben wird, und auch dieBergpredigt sei mit Höllendrohungendurchsetzt. „Jemand“, so meint dieser Au-tor, „der in Aussicht stellte, daß endlicheVergehen mit ewig währenden Qualen be-straft werden“, könne wohl nicht als dervorbildlichste Morallehrer aller Zeiten be-trachtet werden44 .Es ist durchaus verständlich, dass Küngsich nicht die Mühe macht, die jesuanischeEthik auf Grund der in Betracht kommen-den Bibelstellen im Detail zu rekonstruie-ren, sondern sich auf Appelle beschränkt,in denen Jesus als Vorbild hingestellt wird.Dabei hatte er zuvor gerade darauf hinge-wiesen, dass Jesus als konkrete geschicht-liche Person eine Anschaulichkeit, Ver-nehmbarkeit und Realisierbarkeit besitze,die einer ewigen Idee, einem abstraktenPrinzip, einer allgemeinen Norm, einemgedanklichen System abgehen. Aber ge-rade auf diese konkrete, geschichtlichePerson und ihre in der Bibel verzeichne-ten Äußerungen und Handlungen geht ermit keinem Wort ein. Nicht einmal dieAusrede, daß man es auch hier mit einermetaphorischen Sprache zu tun habe, istbei ihm zu finden.Auf diese Ausrede greift er aber in demnun folgenden Epilog zum Ende aller Din-ge zurück, mit dem das Buch endet. AlsEschatologe hatte er sich ja früher schoneinmal versucht45. Hier geht es ihm dar-

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um, die verständlichen Vorurteile vonNaturwissenschaftlern zu überwinden, diedurch theologische Kurzschlüsse über dasWeltende hervorgerufen wurden. Er be-richtet zunächst wieder über die hier inBetracht kommenden kosmologischenHypothesen und geht dann auf apokalyp-tische Visionen vom Ende der Mensch-heit ein, die Wirklichkeit werden könn-ten, wenn man sich nicht energisch zumehr Abwehr- und Reformmaßnahmenauf allen Gebieten aufraffe. Anschließendwendet er sich der christlichen Endzeit-Literatur zu, die zahlreiche Leser hat, undden apokalyptischen Visionen, die man inder Bibel findet und die bei konservati-ven Christen heute großen Anklang fin-den. Diese bedürften, so meint er, drin-gend der Aufklärung über das, was dieapokalyptischen Passagen der Bibel wirk-lich meinen.Nach allem, was wir von Küng in diesemBuch gehört haben, läßt sich vorhersehen,wie er dieses Problem bewältigen wird.Die biblischen Erzählungen von GottesEndwerk seien, so hören wir nun, der„zeitgenössischen Apokalyptik“ entnom-men worden, „einer von Endzeiterwartun-gen geprägten Zeitströmung um die Zei-tenwende in Judentum und Christentum“.Es handele sich dabei, so meint er, um „ei-ne eindringliche Mahnung an die Mensch-heit und den einzelnen Menschen, denErnst der Lage zu erkennen“, aber „keinePrognose von End-Ereignissen“. Die Bi-bel spreche deshalb auch hier „keine na-turwissenschaftliche Faktensprache, son-dern eine metaphorische Bildsprache“.Auch hier seien die betreffenden Bildernicht wörtlich zu nehmen, aber auch nichtabzulehnen, sondern sie müßten richtigverstanden werden. Sie wollten die „Tie-fendimension, den Sinnzusammenhang

der Wirklichkeit aufschließen“. Es geltealso, „die von ihnen gemeinte Sache neuaus dem Verstehens- und Vorstellungsrah-men von damals in den von heute zu über-setzen“. In den betreffenden biblischenAussagen gehe es um „ein Glaubenszeug-nis für die Vollendung des Wirkens Got-tes an seiner Schöpfung“. Nach der Bot-schaft der Bibel gehe „die Geschichte derWelt und das Leben des Menschen hin aufjenes letzte Ziel der Ziele, dass wir Gott,eben den Vollender-Gott heißen“, den man„mit gutem Grund bejahen“ könne, in je-nem „aufgeklärten Vertrauen“, in demman „schon Gottes Existenz bejaht“ habe.Wieder bedient sich Küng hier also seinerZwei-Sprachen-These, die ich hinreichendanalysiert habe. Daß frühere Gläubigeund, wie er selbst feststellt, auch zahlrei-che heutige Christen, die apokalyptischenVisionen so verstehen, wie sie vermutlichgemeint waren, weil sie im Rahmen desdamals herrschenden Weltbildes durchausals Voraussagen wirklicher Ereignissesinnvoll waren, zieht er nicht in Betracht.Sein Übersetzungsversuch gründet sichauch in diesem Falle auf seine Lösung derGottesproblematik, deren Fragwürdigkeitich gezeigt zu haben glaube.Das Buch schließt mit einem persönlichenBekenntnis des Autors. Er glaube nicht,so sagt er, „an die späteren legendarischenAusgestaltungen der neutestamentlichenAuferstehungsbotschaft, wohl aber an ih-ren ursprünglichen Kern“, nämlich, daß„Jesus von Nazareth nicht ins Nichts, son-dern in Gott hinein gestorben“ sei. Aucher hoffe auf „ein Sterben in die allererste-allerletzte Wirklichkeit, in Gott hinein“,was alle menschliche Vernunft und Vor-stellung übersteige. Auch seine Behand-lung der eschatologischen Problematiksteht, soweit ich sehe, im Einklang mit

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dem, was er ausführlicher in seinem frü-heren Buch zu diesem Thema gesagt hat-te. Ich verzichte darauf, nochmals auf die-se Argumentation einzugehen.

IV. Der Charakter der Küngschen Be-mühungen um die Rettung des Glau-bensWir haben nun die Küngschen Bemühun-gen um die Rettung des christlichen Glau-bens im Detail kennen gelernt. Es ist inder Tat so, dass er in seinem neuen Buchdie Auffassungen, die er in seiner Trilo-gie vertreten hatte, im Kern aufrechterhält.Seine Argumentation in seinem neuenBuch stützt sich im wesentlichen auf dieResultate, die er in dieser Trilogie erreichtzu haben glaubt. Allerdings hat er in sei-nem neuen Buch ein Zugeständnis ge-macht, das früher nicht bei ihm zu findenwar. Er hat nämlich eingeräumt, daß esnatürliche Grundlagen der Moral gibt, eineTatsache, auf die ich in meiner Kritik hin-gewiesen hatte. Außerdem hat er versucht,die biblische Botschaft mit Hilfe einerZwei-Sprachen-These abzuschirmen.Aber abgesehen davon, dass diese Theseunhaltbar ist, könnte sie nur brauchbarsein, wenn seine Analyse der Gottespro-blematik erfolgreich gewesen wäre.Er hat jedenfalls ausdrücklich nichts zu-rückgenommen, was er damals gesagthatte, auch nicht sein Verdikt gegen denideologischen Rationalismus, den ich an-geblich vertrete. Andererseits hat er in die-sem Buch auf den von Popper vertrete-nen kritischen Rationalismus zur Vertei-digung seiner Auffassungen zurückgegrif-fen. Nun unterscheiden sich die Auffas-sungen, von denen ich in meiner Kritikdes Küngschen Denkens ausgegangen bin,in keinem Punkte, der für diese Diskussi-on in Betracht kommt, von der Popper-

schen Auffassung46 . Küng hätte also An-laß gehabt, auf die Frage einzugehen, obich in meiner Kritik zu Unrecht auf dieseAuffassung zurückgegriffen habe, zumaler eine Auseinandersetzung mit dem kri-tischen Rationalismus in Aussicht gestellthatte. Er ist aber in seinem neuen Buchmit keinem einzigen Wort auf diese Frageeingegangen und hat seine Leser nicht ein-mal darüber informiert, daß die Grundla-ge, auf der er in diesem Buche argumen-tiert, einer kritischen Analyse unterzogenwurde, die von eben der philosophischenAuffassung ausgeht, die er nun akzeptiertzu haben scheint. Auch ist er auf keinesder Argumente eingegangen, die ich ihmseinerzeit entgegengehalten habe. Er hatnicht darauf geantwortet, sondern er hatsich gewissermaßen daran vorbeigeschli-chen. Man wird verstehen, dass mir dieseArt des Vorgehens als gleichzeitig unred-lich und dreist erscheinen muß. Daß die-ses Buch mit Demutsbekundungen, mitAufforderungen zur Demut und Beschei-denheit an andere und mit Bekundungender eigenen Redlichkeit gespickt ist unddass sein Autor wie schon früher unent-wegt mit dem Anspruch auftritt, „tiefer zubohren“ als andere, wird man angesichtsder von mir beschriebenen KüngschenVerfahrensweise nur mit Verwunderungzur Kenntnis nehmen können.In der Sache sind die Küngschen Bemü-hungen zur Rettung des christlichen Glau-bens eine Fortsetzung dessen, was wirauch sonst in der modernen Theologienach Albert Schweitzer gewohnt sind. Siekönnen als ein hermeneutisches Unterneh-men in apologetischer Absicht charakte-risiert werden, so wie ich vor einiger Zeitdie Bemühungen Bultmanns und seinerAnhänger, den Kern des Glaubens zu ret-ten, charakterisiert hatte. Was das Küng-

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sche Verfahren von dem Rudolf Bult-manns unterscheidet, ist nur die Tatsache,daß Küng in seiner Argumentation eineLeichtfertigkeit an den Tag legt, die in die-sem Maße nicht bei Bultmann zu findenwar. Überdies hatte er die Möglichkeit,sich vor Augen zu führen, warum die Bult-mannschen Bemühungen damals geschei-tert sind.Was den kritischen Rationalismus angeht,so darf man unserem modernen Theolo-gen jedenfalls raten, sich wie früher da-von zu distanzieren. Die von ihm prakti-zierte Verfahrensweise ist mit dieser phi-losophischen Auffassung unvereinbar.Seine Auffassungen sind dagegen, soweitich sehe, sehr gut vereinbar mit der uni-versalen Hermeneutik Gadamers47 , die ge-rade seinem Bedürfnis, einen Sinn derWirklichkeit zu finden, so weit entgegen-kommt, daß man sich wundert, bei ihmkeinen Hinweis auf diese philosophischeRichtung zu finden. Ich nehme an, daß ersich mit seinem Anliegen in der universa-len Hermeneutik oder auch im „nachmeta-physischen Denken“ von Jürgen Haber-mas48 besser aufgehoben fühlen würde alsim kritischen Rationalismus und daß erseinen Rückgriff auf diese Auffassungnach eingehender Prüfung als ein Mißver-ständnis erkennen würde.Interessanterweise hat übrigens inzwi-schen auch Josef Ratzinger, Küngs alterWidersacher im Vatikan, der PopperschenPhilosophie sein Wohlwollen bekundet,ohne ihr allerdings soweit entgegenkom-men zu wollen, wie das Küng getan hat.Die „Spannweite annehmbarer Theorien“reicht, wie er meint, „von Maritain bisPopper“, wobei „Maritain ein Maximuman Vertrauen zur vernünftigen Evidenz dermoralischen Wahrheit des Christlichenund seines Menschenbildes vertritt, wäh-

rend wir bei Popper vor dem wohl geradenoch ausreichenden Minimum stehen, umden Sturz in den Positivismus abzufan-gen“49.Im übrigen gibt es in vieler Hinsicht Ähn-lichkeiten zwischen der Küngschen undder Ratzingerschen Gedankenführung.Beide vertreten jedenfalls eine ganz ähn-liche spiritualistische Metaphysik undauch in methodischer Hinsicht haben diebeiden Denker vieles gemeinsam50 . Da dieKüngsche Kritik an der Kirche sich stetsweniger auf den Glauben als auf institu-tionelle Tatbestände bezog, ist das nichtweiter erstaunlich. Es wäre daher nichtverwunderlich, wenn die beiden Theolo-gen in Zukunft der modernen Religions-kritik gemeinsam die Stirn bieten würden.Jedenfalls könnte Küng von seinem altenWidersacher lernen, dem kritischen Ra-tionalismus vorsichtiger zu begegnen.

Anmerkungen:1 Vgl. Hans Küng, Der Anfang aller Dinge. Na-turwissenschaft und Religion, München/Zürich2005.2 vgl. dazu Hans Küng,. Christ Sein, München/Zürich 1974, Existiert Gott? Antwort auf die Got-tesfrage der Neuzeit, München/Zürich 1978,Ewiges Leben? München/Zürich 1982.3 Vgl. dazu mein Buch: Das Elend der Theolo-gie. Kritische Auseinandersetzung mit HansKüng, Hamburg 1979.4 vgl. dazu Küng, Ewiges Leben? a.a.O. S., 306f.,Anm.4.5 vgl. dazu aber Martin Morgenstern/RobertZimmer (Hg.), Hans Albert/Karl Popper. Brief-wechsel, Frankfurt 2005, S. 109f. und S. 248.6 Vgl. dazu Hans Küng, Christ sein, a.a.O., S. 77.7 Vgl. dazu mein Buch: Das Elend der Theolo-gie (1979), 2. Auflage, Aschaffenburg 2005, S. 12ff.8 Dieses Trilemma entsteht, wenn man absoluteBegründungen für irgendwelche Thesen sucht,vgl. dazu mein Buch: Traktat über kritische Ver-nunft (1968), 5. Auflage, Tübingen 1991, S. 14-18.

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9 Vgl. dazu Gerhard Streminger, Gottes Güte unddie Übel der Welt. Das Theodizeeproblem, Tü-bingen 1992, und Norbert Hoerster, Die Fragenach Gott, München 2005.10 Vgl. dazu mein Buch, Das Elend der Theolo-gie, a.a.O.,S. 144.11 Vgl. Johannes Weiss, Die Predigt Jesu vomReiche Gottes, 3. Auflage, Göttingen 1964, Al-bert Schweitzer, Geschichte der Leben-Jesu-For-schung (1906), 6. Auflage, Tübingen 1951, undHelmut Groos, Albert Schweitzer-Größe undGrenzen. Eine kritische Würdigung des For-schers und Denkers, München/Basel 1974.12 Vgl. dazu Leon Festinger, Theorie der kogni-tiven Dissonanz (1957), Bern/Stuttgart/Wien1978, und Leon Festinger/Henry W.Riecken/Stanley Schachter, When Prophecy Fails, Min-neapolis 1956, wo es um die Problematik desquasi-paradoxen Verhaltens von Gläubigen inReaktion auf den Fehlschlag einer exakten Pro-phetie geht.13 Vgl. dazu mein Buch: Das Elend der Theolo-gie, a.a.O., S. 199-202.14 Vgl. dazu Küng, Existiert Gott? a.a.O.,S.621.15 Vgl. mein Buch: Traktat über kritische Ver-nunft, a.a.O., S 115ff., sowie: Theologische Holz-wege: Gerhard Ebeling und der rechte Gebrauchder Vernunft, Tübingen 1973, S. 84-91.16 Vgl., dazu Walter Kaufmann, Religion undPhilosophie, München 1966, S.334.17 Vgl. dazu zum Beispiel Gerhard Streminger,Die Jesuanische Ethik, in: Edgar Dahl (Hg.) DieLehre des Unheils. Fundamentalkritik am Chri-stentum, Hamburg 1993, S. 120-14318 Vgl. dazu Hans Küng, Ewiges Leben? Mün-chen/Zürich 1982.19 Für eine Kritik, die dem Küngschen Versuch,eine positive Lösung der Gottesproblematik zuliefern, dieselben Mängel bescheinigt wie mei-ne Kritik, vgl. J.L. Mackie, Das Wunder des The-ismus. Argumente für und gegen die ExistenzGottes, Stuttgart 1985, S.380-397.20 Vgl. Hans Küng, Ewiges Leben?, a.a.O., S.305f. Anm. 4, sowie mein Buch: Das Elend derTheologie, 2. Auflage, S. 185-188.21 Das entspricht übrigens dem, was schon Jo-seph Ratzinger zu dieser Frage gesagt hatte, vgl.dazu sein Buch: Einführung in das Christentum.Vorlesungen über das Apostolische Glaubensbe-kenntnis München 1968, S. 226ff. und passim.

22 Vgl. Hans Küng. Ewiges Leben?, a.a.O.,S.286ff.23 Vgl. Hans Küng, Der Anfang aller Dinge,a.a.O., S. 13.24 Vgl. Küng, a.a.O. S. 16.25 Vgl. dazu z.B. Küng, a.a.O., S. 231 Anm.56,wo er sagt, daß er auf den schon früh entwickel-ten methodischen Grundlagen in seinem Buch„Existiert Gott?“ aufbaut.26 Vgl. Küng, Der Anfang aller Dinge, a.a.O., S.57.27 Vgl. B. Gott als Anfang? in: Küng, a.a.O., S.59-101.28 Vgl. dazu zum Beispiel Harro Heuser, DerPhysiker Gottes. Isaak Newton oder Die Revo-lution des Denkens, Freiburg/Basel/Wien 2005.29 Vgl. dazu meine Analyse in meinem Buch,Das Elend der Theologie, a.a.O., S. 199ff., dieKüng zugänglich war.30 Vgl. dazu mein Buch: Kritik der reinen Er-kenntnislehre. Das Erkenntnisproblem in reali-stischer Perspektive, Tübingen 1987, S.81ff.31 Vgl. dazu: Das Elend der Theologie, S. 140f.und S. 127f.32 Vgl. dazu Ratzinger, a.a.O., S. 117, wo ähn-lich verfahren wird.33 Vgl. dazu mein Buch: Das Elend der Theolo-gie, a.a.O., S. 102-113, u S. 133-140.34 Vgl. dazu Robin Horton, Tradition andModernity Revisited, in: Martin Hollis/StevenLukes (eds), Rationality and Relativism, Oxford1982, S.201-260.35 Vgl. dazu Wayne Proudfoot, Religious Ex-perience, Berkeley/Los Angeles/London 1985.36 Vgl. dazu Georg Simmel, Gesammelte Schrif-ten zur Religionssoziologie, herausgegeben vonHorst Helle, Berlin 1989, S. 103f. und passim.37 Vgl. dazu meine Analyse der AuffassungenSimmels in meinem Buch: Kritischer Rationa-lismus. Vier Kapitel zur Kritik illusionären Den-kens, Tübingen 2000, S.148-154.38 Vgl. dazu meine Kritik an den Thesen undArgumenten in Küngs früheren Büchern, die denKern der Auffassungen bilden, die er auch indiesem Buch wieder vertritt.39 Vgl. dazu mein Buch: Das Elend der Theolo-gie, a.a.O., S. 127ff., wo ich auch auf die Scho-penhauersche Kritik eines solchen Versuchs mitHilfe der causa sui hingewiesen habe. Ob mannun auf die causa sui zurückgreift oder nicht,

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ein solcher Versuch, das Problem durch einegeeignete Definition zu lösen, macht, was dieWillkür dieses Verfahrens angeht, keinen Unter-schied.40 Zu dieser Problematik vgl, Bernulf Kanit-scheider, Die Feinabstimmung des Universums,in Edgar Dahl (Hg.) Brauchen wir Gott? Moder-ne Texte zur Religionskritik, Stuttgart 2005, S.31-42, eine Analyse, die mit der Feststellungendet: „Das schwache anthropische Prinzip isteine sterile logische Selbstverständlichkeit unddie stärkeren Versionen davon sind metaphysi-sche Spekulationen, für die nach dem gegenwär-tigen Stande des Wissens nicht das Geringstespricht. Wenn jemand den seit langen toten An-thropozentrismus wieder zum Leben erweckenmöchte, muß er sich etwas neues einfallen las-sen“. Küng hat sich dazu das einfallen lassen,was er schon in seinem Buch zur Gottesproble-matik gesagt hatte.41 Vgl. mein Buch: Traktat über kritische Ver-nunft, a.a.O., Kap. V. Glaube und Wissen, S. 124-155.42 Dazu ist zum Beispiel auf die Diskussion zwi-schen dem Bultmannanhänger Ernst Fuchs unddem orthodoxen Theologen Walter Künneth inSittensen hinzuweisen, vgl. Ernst Fuchs/WalterKünneth (Hg), Die Aufweckung Jesu Christi vonden Toten. Dokumentation eines Streitgesprächs,Neukirchen-Vluyn 1973, wo Künneth, dessenmetaphysische Annahmen ich allerdings nichtakzeptabel finde, mit Recht auf diese Unverein-barkeit hingewiesen hat.43 Eine gründliche Untersuchung dieser Proble-matik und anderer Probleme enthält das Buchvon Volker Gadenne: Philosophie der Psycholo-gie, Bern 2004.44 Vgl. dazu Gerhard Streminger, Die jesuanischeEthik, a.a.O.45 Vgl. Hans Küng, Ewiges Leben? a.a.O., undmeine Kritik in meinem Buch: Das Elend derTheologie, a.a.O., Kap.12.: Die Hoffnung auf dasHeil. Hans Küng als Eschatologe,, S184-198.46 Möglicherweise glaubt Küng, es gebe da ei-nen wesentlichen Unterschied, aber das hätte erzumindest deutlich machen können. Karl Pop-per selbst hat meiner Kritik in der ersten Aufla-ge meines Buches „Das Elend der Theologie“ausdrücklich zugestimmt, vgl. dazu Martin Mor-genstern/Robert Zimmer (Hg),a.a.O., S. 248.

47 Vgl. dazu Hans Georg Gadamer, Wahrheit undMethode. Grundzüge einer philosophischen Her-meneutik, 2. Auflage, Tübingen 1965. Gadamerwar bekanntlich ein Lieblingsphilosoph des frü-heren Papstes.48 Vgl. dazu etwa Jürgen Habermas, Religion inder Öffentlichkeit. Kognitive Voraussetzungenfür den „öffentlichen Vernunftgebrauch“ religiö-ser und säkularer Bürger, in seinem Buch: Zwi-schen Naturalismus und Religion. Philosophi-sche Aufsätze, Frankfurt am Main 2005, S. 146-150 und passim, wo unter anderem zu lesen ist,das nachmetaphysische Denken enthalte sich derrationalistischen Anmaßung, selber zu entschei-den, was in der religiösen Lehre vernünftig undwas unvernünftig ist“. Man vergleiche das mitder Auffassung Albert Schweitzers zu dieser Fra-ge.49 Vgl. Joseph Ratzinger, Werte in Zeiten desUmbruchs. Die Herausforderungen der Zukunftbestehen, Freiburg/Basel/Wien 2005, S. 62f. Esgeht dabei allerdings nur um sozialphilophischeProbleme.50 Vgl. dazu: Joseph Ratzinger, Einführung indas Christentum, a.a.O., und meinen Aufsatz:Joseph Ratzingers Apologie des Christentums.Bibeldeutung auf der Basis einer spiritualisti-schen Metaphysik, Zeitschrift für Religions- undGeistesgeschichte, erscheint demnächst, sowiedie Ratzingersche Behandlung der Evolutions-lehre in seinem Buch: Glaube-Wahrheit-Tole-ranz. Das Christentum und die Weltreligionen,2. Auflage, Freiburg/Basel/Wien 2003, S.144-147.