herman wirth: leben und werk - die schaffung neuer arbeitsgrundlagen 1945-1960
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Wiwjorra, I. (1988). Herman Wirth: Leben und Werk. Berlin: Freien Universität Berlin, p. 90-99.TRANSCRIPT
I
I I .6) Die Schaffung neuer Arbeitsgrundlagen 1945 - 1960
Gege~ Herman Wirth wurden im Rahmen der ublichen Entnazi
fizier~ng~ma~nahmen Untersuchungen eingeleitet, die seine
Rolle J ahrend der NS-Zeit erhellen sollten. Besonderen
Verdac t erregte seine ehemalige Mitgliedschaft in der SS
und de ihm in diesem Zusammenhang verliehene "Ehrenfuh-
rer-Ti
Herman Wirth Roeper Hosch - er--fiil!rte sei t Kriegsende zu
satzlich den Namen seiner niederlandischen Mutter 2 - war '
der Ansicht, da~ -die Vorwurfe gegen ihn vollig zu Unrecht
erhoben wurden und bemuhte sich darum, unter Mithilfe
seiner Frau, Belege herbeizuschaffen, die seine opposi-
tionelle Haltung gegenuber · den nationalsozialistischen
Machthabern unter Beweis stellen sollten. Was den "Ehren
fuhrer-Titel" anbelangte, behauptete · er, da~ ihm die Aus
zeichnung ohne seine Zustimmung verliehen worden sei. 3
Daruber hinaus habe _er seine SS-Mitgliedschaft sowie den
Titel sogar widerrufen, als er erkannt hatte, daB der
Konflikt mit dem "Ahnenerbe" nicht zu uberwinden sei. 4
Wirth konnte eine ganze Reihe von Personen benennen, die
~ Siehe: NW: 1948l2a-f (D) , 3 Wirth schreibt, er habe breits im Marz 1945 den Namen
seiner Mutter an den seinen angehangt und auch die deutschen Behorden davon in Kenntnis gesetzt, urn eine Verwechslung mit einem mit ihm nicht verwandten Namensvetter, der ein Mitarbeiter A.Rosenbergs gewesen sei, zu vermeiden. Au~erdem wollte er, und dies klingt glaubwurdiger, seine niederlandische Herkunft betonen, urn damit eine Distanz zu seiner (moglicherweise hinderlichen) "deutschen" Vergangenheit zu schaffen. Siehe: Brief Wirths an Konigin Juliana von Niederlande vom 1.6.1950, NW: 195011a-c {D) .
3 Brief Wirths an R.Adriaansen vom 26.3.1949 ', NW : 19 4 9 I 1 a- c (D) ; V g 1 . NW: 19 4 8 I 2 a -- f (D) .
4 Betraff der Zurucksendung seines SS - Titels fuhrt Wirth eine eidesstattliche Erklarung des ehemaligen Abteilungsleiters im Personalhauptamt des RFSS, Knuth Petri vom 30.9.1946 an. AuBerdem behauptet Wirth sogar "Ik ben nooit Lid der SS geweest" (d.h.: "Ich bin niemals Mitglied der SS gewesen."), NW: 194812a-f {D).
bereit waren, fUr ihn zu sprechen. 6 ZusAtzliche Unter-
stlitzu g erhiel t er von der 1"Netherland war crimes comis-
sion". f · ·
Das Apl ellationsgericht Marburg fa~te auf Grund des vor
gelegtin ''Entlastungsmaterials" im Februar 1946 einstim
mig de BeschluB. Wirth freizusprechen. 7 Ihm wurde an
geblic~ sogar der Status eines "political victim of the
Third f eich -and displaced person" zuerkannt. • Jedoch zog
sich seine Freilassung, angeblich wegen verwaltungstech-
. h I M'A t"" d . h '"b . J h h' s n1sc er 1~vers an n1sse, noc u er e1n a r 1n. o wur-.,
de Herman . Wirth aufgrund seines erneuten Ersuches vom
21.3.1947 erst am 17.4 . 1947 aus seiner Haft, zuletzt in
Dachau, entlassen. 8
Bei seiner RUckkehr in sein Marburger Haus fand er zu
nAchst chaotische Zustande vor. In das Gebaude, das sein
gesamtes Arbeitsmaterial, bes~ehend aus einer umfangrei-
chen Bibliothek, einem Fotoarchiv und diversen Kartothe-
ken und Registern sowie einigen Kunstgegenstanden, aufge
nommen hatte, waren vom 14.11.1945 bis zum 7.3.1946 Teile
··-- ·------------- ---·------6 Wirth spricht von "antifaschistischen K1·eisen" aus
"Kirche, Universitiit und offentlichem Leben", darunter Personen wie: Prof.Heinrich Frick, Dekan der Theologischen Fakultat und Prof.Friedrich Heiler, Dekan der Philosophischen Fakultat, beide UniversitAt Marburg . Siebe: Brief Wirths vom 24.4.1948 an Mr.J.Zaayer, "Departement Buitenlandse Zaken" in Den Haag, NW: 1948/ la,b (D); vgl., NW: 1948/2a-f (D); Noch 1954 bestatigte Friedrich Heiler: "I ch .sel bs t babe sei t 1945 sowohl bei amerikanischen wie auch bei deutschen Dienststellen immer wieder darauf hingewiesen, daD Prof.Wirth zu denen gehort, die gegen den Nationalsozialismus Widerstand geleistet und aus diesem Grunde zu leiden gehabt haben." Siehe: Hake, R., S.92.
0 . Uber die Tatigkeit dieser Orga~isation habe ich nichts Naheres in Erfahrung bringen konnen. Moglicherweise war die "Netherlands War Crimes Comission" eine Unterabteilung der "United Nations War Crim,es Comission", die die Fahndung nach Kriegsverbrechern sowie ihre Verurteilu~g auf internationaler Ebene koordinieren sollte. Siehe: De Jong, L., Het Koninkrijk der Xederlanqen in de Tweede Wereldoorlog 1939-1945, D~el 12 , eerste helf. 's-Gravenhage, 1988, S.549 f ..
7 NW : 1948/2a-f (D); vgl., NW : 1948/la.b (D) . 8 Brief Wirths vom 19.5.1947 an den Oberblirgermeister
der Stadt Marburg/Lahn, NW: 1947/3a,b (D); vgl.: Hake, R . , S.41 und Drees, W. , S.4.
8 NW: 1948/2a-f (D) : · vgl .. NW: 1948/1a. b (D) .
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der amerikanischen Besatzungsmacht einquartiert worden.
Dabei 6uP es wahl zu argen V~rwilstungen gekommen sein. 10
November 1946 filr mehrere Monate erfolgte Ein-
weisung von Zwangsmietern in seine Arbeitsriiume trug
ebenfa ls dazu bei, claP sein Arbeitsmaterial zu einem be-
triichtlichen Teil zerst8rt wurde bzw. verlorenging. 1 1
Unter nderem vermi~-te er .,.. .vier "gro/3ere, druckfertige
ipte", die er filr die "Publikation nach dem Welt-,,
krieg" vorgesehen haben woll t-e~ Trotz dieser erhebli-
chen . V~rluste, bemilhte er sich sofort daru~. Vorausset-
zungen 1 filr eine Wiederaufnahme seiner Forschungen zu
schaffen.
Im Juni 1947 richtete der "niederlandische S!aatsangeho
rige und (das) politische Opfer des Dritten Reiches" an
das zustiindige ·"Claims Office Team 7722" seinen erste:h
Antrag auf Schadensersatz. 13 In diesem Antrag wiihlte er
zum Teil Formulierungen, die ihm geeignet erschienen, di-
versen antinazistischen Erwartungen zu entsprechen: So
war er jetzt darum bemilht, die "humanitare T~ndenz" sei-
ner Arbeit zu betonen, "die keine Konzessionen an das
Dritte Reich gemacht" habe, und "sich gegen die national-
10 Z.B. sollen Teile seines wissenschaftlichen Arcbivs zum "Ofenanmachen" benutzt und Bilcherregale ''verheizt" worden sein. Au~erdem seien betriichtliche Teile seiner Musikbibliothek gestohlen sowie Bilcher seiner Bibliothek verkauft worden. Sfehe: Antrag Wirths auf Schadensersatz vom Juni 1947, NW: 1947/6a-f (D); vgl.: Erkliirungen verschiedener Zeugen, NW: 1947/7a-c (D) . .
11 Brief Wirths vom 19.5.1947 an den Oberbilrgermeister der Stadt Marburg/Lahn, als "Anlage II", NW: 1947/ 2 a , b ( D ) ; v g 1 . : NW : 1 9 4 7 I 6 a- f ( D ) .
tz Wirth nennt folgende Werke (NW: 1947/1a-f (D)): "Die Kalenderscheibe von Fossum" und "Prolegomena zur Geschichte der indoeupaischen Urreligion" (drei Teile). Dublikate der Arbeiten sollen sich schon im Besitz der Verleger Hase & Koehler befunden haben, die Wirth aber verschollen glaubte. Spiiter hat Wirth die Manuskripte wiedergefunden und sie nach ihrer Uberarbeitung dem Niederliindischen Verlag E.J.Brill in Leiden zur Verfilgung gestellt. Dort sind sie jedoch nie erschienen. Siehe: Wirth, H., Ursinn, S.8.
13 NW 1947/6a-f (D) . .
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sozialistische Ideologie gekehrt" habe. 14 Er behauptete
weiter :
"Die sinnlose Zerstorung und Vernichtung einer Lebensarbeit vori dreiPig Jahren ist um so tragischer, als diese Arbei r nur dem Menschheitsgedanken diente, der menschlichen geistigen Gemeinschaft galt, im besonderen aber der Ersch ~ iej3ung der Urgeschichte des Geistes in Nordamerika als Gkmeinschaftsgrundlage der Al ten und Neuen Welt. " 1 6
Wirth ~ eabsichtigte nun, wieder in die Niederlande zu
ruckzuf ehren, um dart seine Forschungen wieder aufzuneh-1'_
men . 10 GewissermaBen als Star~ilfe hoffte er auf eine
Entschadigungszahlung von nicht . weniger als ,~ 5348 Gulden
(umgerechnet 126587 RM nach Vorkriegskurs !) und, was ihm
besonders am Herzen lag, einen Ersatz fur die ihm gestoh-
lene Leica-Fotoausrustung. 17 Nichts konnte _seine Welt-
fremdheit besser dokumentieren als der Plan, ausgestattet
mit oben genannten Geldmitteln, bereits am l.Juli 1947,
d.h . wenige Wochen nach Haftentlassung, eine Felsbilder
exkursion in die West- und Sildalpen zu beginnen, die er
ursprunglich fur den Sommer 1939 geplant hatte. 18 Natur~
lich erwies sich der Plan als vollig undurchfilhrbar.
Trotzdem zog Wirth im Frilhjahr 1948 nach Dieren (NL), ei
nem kleinen Ort in der Nahe von Arnheim. Er nahm sofort
Kontakt mit den niederlandischen Behorden auf, urn seine
"Repatriierung" zu erwirken . 18 Bei nie fehlendem Hinweis
auf seine oppositionelle Haltung gegenilber den NS ~Macht~
habern und auf seinen anerkannten Status als "political
victim" beantragte er auBerdem die tatkraftige Unterstut-
zung sowohl seines Entschadigungsantrages bei den ameri-
kanischen Stellen als auch fur seine "wissenschaftlichen"
Vorhaben.
14 NW: 1947/6a- f (D) . 16 Ebd. 16 Brief Wirths vom 19.5.1947 an denOberbilrgcrmeister der
Stadt Marburg/Lahn, NW : 1947/3a,b (D). 17 Ebd. 18 Ebd . , Wirth spricht davon , da~ er die Exkursion damals
nicht durchfilhren konnte, weil ilber ihn eine ''Grenzsperre" verhangt worden sei .
18 Wirth schreibt in seinem Brief vom 1 . 6.1950 an Konigin Juliana von einem am 13.2 . 1948 gestellten Antrag , NW : 1950/1a - c (D) .
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Im Mai 1948 erfuhr Wirth, da~ die Felsbildersammlung, die
er fur das "Ahnenerbe" angelegt hatte, in Berlin aufge--
funden 1 worden sei. 20 Diese Nachricht ermunterte ihn da-
zu, so I schnell wie mogl i ch wieder e ine wi ssenschaf t l iche
Arbeitsstitte aufzubauen. Er plante, die Felsbilder in
die Ni [J derlande schaffen zu lassen, um, aufbauend auf
dies em "Fundament", e ine "Europese Versaml ing voor Oer
godsgeschiedenis" (d.h.: "Eurpaische Sammlung fUr Urreli-
. I h. h' t ) . L b - .f', z 1 g1onsgesc 1c e 1ns e en zu ru~n.
Die niederlindischen Beh5rden, namentlich da~ "Ministeri
um fUr ~Unterricht, Kunst und Wissenschaft", waren aber
nicht dazu bereit, auf Wirths vollig Uberzogene Anspruche
einzugehen. 22 So entschlo~ sich Wirth dazu, ohne die
Plane fUr ein eigenes Museum in den Niederlanden vollig
aufzugeben, zum Oktober 1948 nach Schweden uberzusiedeln,
wohl in der Hoffnung, dort bes~ere Voraussetzungen fUr
seine Arbeit zu finden. 23 Sein neuer Plan sah jetzt vor,
in den Jahren 1949 - 1951 weitere AbgUsse von skandinavi-
schen Felsbildern anzuferti~en, um diese spiter zusammen
mit den Felsbildermodellen seiner "Ahnenerbe"-Expeditio-
nen in den Niede~landen in einem eigenen Museum auszu-
stellen. 34 · Jedoch mu~te auch dieses Vbrhaben s~heitern,
weil es nicht fin~nzierbar war . .
Wirth muBte es deshalb als einen graBen Erfolg werten,
daP er 1951 an der Universitit Lund eine Anstellung am
geographischen Institut erhielt und ein Jahr spater damit
betraut wurde, das Institut fur Farbfotographie (Institu
tet for Fargfoto) aufzubauen. 36
Nachdem er zu der Einsicht gelangt war, daP seine Muse
umsplane in den Niederlanden nicht durchflihrbar sein wur
den, faPte er den EntschluP, nach Marburg zuruckzukeh-
z o NW: 19 4 8 I 2 a- f (D) . Zl Ebd. 32 Brief Wirths vom 25.9.1948 ~n C.Adriaansen. Ministcrie
van ' Buitenlandse Zaken, NW: 1948/4 (D). 23 Ebd. 2 4 NW : 1949/1a-c (D). 26 Brief Margarethe Wirths vom 7.11.1952 an den Gesandten
der Bundesrepublik Deutschland in Stockholm. NW: 1952/4 (D), vgl . : Wer ist wer ?, Berlin, 1955, ~.1276.
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Im Mai l 1948 erfuhr Wirth, da~ die Felsbildersammlung, die
er fur l das "Ahnenerbe" angelegt hatte. in Berlin aufge
funden worden sei. 20 Diese Nachricht ermunterte ihn da
zu, so schnell wie m6glich wieder eine wissenschaftliche
Arbeitsstat~e aufzubauen. Er plante, die Felsbilder in
die Niederlande schaffen zu lassen, um, aufbauend auf
diesem "Fundament", eine "Europese Versamling voor Oer-
godsgeschiedenis" {d.h.: "Eurpaische Sammlung fUr Urreli-1'
gionsg1
eschichte) ins Leben zu -ru-:f_~n. 21
Die ni~derlandischen Beh5rden, namentlich da~ "Ministeri
um fur -Unterricht, Kunst und Wissenschaft", waren aber
nicht dazu bereit, auf Wirths v5llig Uberzogen~ Anspruche
einzugehen. 32 So entschlo~ sich Wirth dazu, ohne die
Plane fUr ein eigenes Museum in den Niederlanden v51lig
aufzugeben, zum Oktober 1948 nach Schweden Uberzusiedeln,
wohl in der Hoffnung, dort bessere Voraussetzungen fUr
seine Arbeit zu finden. 23 Sein neuer Plan sah jetzt vor,
in den Jahren 1949 - 1951 weitere AbgUsse von skandinavi-
schen Felsbildern anzufertigen, um diese spater zusammen
mit den Felsbildermodellen seiner "Ahnenerbe''-Expeditio-
nen in den Niede~landen in einem eigenen Muse~m auszu-
stellen. 34 Jedoch mu~te auch dieses Vorhaben scheitern,
weil es nicht finanzierbar war.
Wirth mu~te es deshalb als einen gro~en Erfolg werten,
da~ er 1951 an der Universitat Lund eine Anstellung am
geographischen Institut erhielt und ein Jahr spater damit
betraut wurde, das Institut fur Farbfotographie (Institu
tet f5r Fargfoto) au£zubauen. 35
Nachdem er zu der Einsicht gelangt war, da~ seine Muse
umsplane in den Niederlanden nicht durchfUhrbar sein wilr
den, fa~te er den Entschlu~. nach Marburg zuruckzukeh-
2-o·-·-Nw ·;··r·i"9·4··a··7·2~·-:·r-·····ri)··;- . 21 Ebd. 32 Brief Wirths vom 25.9.1948 ~n C.Adriaansen, Ministcrie
van Buitenlandse Zaken, NW: 1948/4 (D). 28 Ebd. Z4 NW: 1949/la-c (D). 26 Brief Margarethe Wirths vom 7.11.1952 an den Gesandten
der Bundesrepublik' Deutschland in Stockholm. NW: 1952/4 (cD), vgl.: Wer ist wer ?, Berlin, 1955, 8.1276.
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ren . a 0
1954.ll7
Er wohnte dort wieder seit Beginn des Jahres
Inzwischen hatte Wirth, der seinen Lebensunter-
halt mit Hilfe einer Rente bestritt, die ihm fur seine
nie tatsachlich angetretene Kustodenstelle an der Univer
sitat ottingen zugesprochen worden war 38 , neben dem seit
1947 gestellten Entschadigungsantrag einen Antrag auf
Wiedergtutmachung fur ~seine ihm 1938 aberkannte ao. Pro
fessur zu laufen. 28 Die standige Erwartung auf Auszah
lung ei er gro~eren Geldsumme ve~~nla~te ihn immer wieder
dazu, Plane auszuarbeiten, die so umfassend \ waren, da~ . '
sie wahrscheinlich nur von einem mit ausreichenden Geld-
mitteln ausgestatteten staatlich geforderten Institut in
die Tat batten umgesetzt werden konnen. So behelligte er
das Bundesinnenministerium mit seinem Vorhaben, im Juli
1954 ein "Dreimonatsprogramm" in Angriff zu nehmen, in
dessen Rahmen er Abgu~arbeiten von Felsbildern in Skandi-
navien, England, Frankreich, der Schweiz, Italien und auf
der Pyrenaenhalbinsel durchfuhren wollte. 30 Bereits im
Januar 1955 sollte dann die "erst im Aufbau befindliche
"Europ~ische Sammlung fiir UrreliKionsgeschicbte"
(E.S.U.) ihre offentliche Tatigkeit aufnehmen, in dar das
zusammengetragene Material unter dem Titel "Di~ Mutter
nacht" in Marburg ausgestellt werden sollte. Anschlie~end
sollte die Ausstellung in Stockholm, Rom und weiteren
"Hauptst~dten des Abendlandes" fur die "E.S.U." und die
"europ~ische Idee in ihren .geistesgeschichtlichen Grund-
ao Brief Wirths vom 20 . 6.1952 an die Zentral - Spruch- und Berufungskammer Frankfurt/M., NW: 1952/2a,b (D).
27 Ebd. ze Laut R. Hake wurde He rman Wirth . am 6.5 . 1950 offiziell
in den Ruhestand versetzt . Siehe: Hake. R., S.41. zo Brief Wirths vom 20.2.1954 an Oberregierungsrat
Frohlich, Hessisches Ministerium fur Erziehung und Volksbildung (D), NW : 1954/1 (D) .
30 Brief Wirths vom 4 . . 6.1954 an Ministerialrat Dr.Schaar, Bundesministerium des Innern, NW: 1954/Sa,b (D),
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lagen" \ werben. 31 Wirth gestand ein, da~ er ' fur "die Vor
b~reit~ng und Durchfuhrung der Arbeit zum Teil auf eigenc
Mi~tel j a~gewiesen" sei, was in Wahrheit sicherlich weit
untert·ieben war. Anscheinend wollte er das Bundesinnen-. .
minist j rium fur seine Plane gewinnen, urn damit die Bear-
beitung seiner laufenden Antrage zu beschleunigen. Uber
haupt ~ehSrte es zu den Angewohnheiten Wirths, in seinen
At .. i d G h f n ragen un esuc en au Entschadigung bzw. Unterstut-' . I zung ~n
I zum Teil penetranter ·we-~. e auf die Dringlichkei t
und Tragik gerade seines Falles aufmerksam zu machen.az
Seine Formulierungen verrieten nicht selten eine gewisse
Verbitterung daruber, da~ den in seinen Augen legitimen
Anspruchen nicht stattgegeben wurde und er deshalb seine
Arbeitsplane nicht verwirklichen konnte. Seine Versuche,
auf diese Weise einen gewissen moralischen Druck auf die
BehSrden auszuuben, hatten aber keinen Erfolg.
Am 18.10.1954 · erhielt Wirth vom Bundesinnenministeiium
den Bescheid, da~ seinem Antrag auf Wiedergutmachung be-
zuglich seiner ao. Professur nicht stattgegeben werden
k5nne. 83 Da~ Herman Wirth unter dem NS-Regime wirklich
gelitten hatte, konnte das Bundesinnenministerium offen-
bar nicht bestatigen. 34 Wirth nahm den Bescheid mit
"tiefstem Befremden" entgegen und strengte eine Anfech-
tungsklage an. In der 1956 vor .dem Landesverwaltungsge-
31 Wirth teilte mit, da~ ihm fur den Februar 1955 bereits ein Ausstellungssaal des Stockholmer "Statens Historiska museum" zur Verfugung gestellt worden sci. In Rom hoffte er seine Ausstellung in Verbindung mit dem 8. Religionswissenschaftlichen Kongress, wo er auch ein Referat ubernommen habe, prasentieren zu kSnnen. Siehe: NW: 1954/5a,b (D).
32 Besonders: Brief Wirths vom 21.6.1954 an Ministerrat Dr.Schaar (D), NW: 1954/6a,b (D): Brief Wirths vom 21 . 6.1954 an das Hcssische Ministerium des Innern, Abt. Wiedergutmachung, NW: 1954/7a , b (D): Brief Wirths vom 13.7.1954 an das Hessische Ministerium des Innern, Abt . Wiedergutmachung, NW: 1954/10a,b (D).
33 Brief Wirths vom 27 . 10 . 1954 an das Bundesministerium des Innern, NW: 1954/13 (D).
84 Ebd. Der genannte Brief Wirths war eine Antwort nuf den ablehnenden Bescheid vom 18.10.1954. Angeblich erinnerte man ihn darin auch an seine nationalis t ischen Aktivi Uiten im "Landsbond der Dietsche Trehvoge1s".
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I I
I I I
richt in KBln geflihrten Verhandlung konnte er sich dann
offenbl r nicht zurlickhalten, seine Sympathien, die er flir
den Na l ionalsozialismus immer noch versplirte, auszudrlick-
en. 36 Die Fo~ge war, da~ er nicht nur seine Wiedergutma
chungs lage, sondern auch seine staatliche Pension ver-
lor. 30
Durch iesen Gerichtsentscheid flihlte er sich . in seiner
negati 1·en Einstellung , zur Bundesrepublik bestiitigt, FUr
ihn wal klargeworden, da~ eirie _-W-.!_ederholung eines "deut
schen inneren Aufbruches" verhindert worden sei. Dem sich
anbahnenden "Wirtschaftswunder" konnte Wirth keine Bewun-
derung abgewinnnen dnd beklagte sich liber das ''erbirmli
che Behagen" nach der "Dollarhilfe" des amerikanischen
Marshallplanes. 87 Da Wirth nur einer Kultur eine Berech
tigung zugestehen wollte, die sich auf einer ''arteigenen,
bodenstindigen Daueriiberlieferung" stlitzt, brachte er li
beraleren Auffassungen von Kultur nur tiefste Abscheu
entgegen. Seine Abneigung richtete sich gegen den
"Auflosungs- und Zersetzungsvorgang, der von selbst- und sonstbetriigerischen bis vollig krankhaften, pathologischen Elementen erzeugt und propagiert wird, in ursachlichem Zusammenhang mit Begleiterscheinungnen wie Jazz, Rock'n roll, Gangster- und Sexfilm und -lite~atur, als westliche cloaca maxima, die nach 1945 bei vollig aufgedrehten Schleusen ihre Schlammfluten iiber das deutsche Volk und seine Jugend ungehemmt ergi e/3en konn te". 3 8
Unt~rdessen arbeitete Wirth ~eiter am Aufba~ der E.S.U ..
Grundlage hierzu bildeten die Ende 1953 mit Untersilitzung
des Hessischen Ministeriums flir Erziehung unci Volksbil-
36 Wirth, H., Ursinn, S.50. 30 Ebd.: Unterdessen schien sein Entschadigungsantrag
endlich Erfolg zu haben. Der Fall wurde im Juli 1956 abgeschlossen. Insgesamt scheint Wirth einen Betrag von 17310 DM erhalten zu haben. In welchem Umfang er das Geld flir die Verwirklichung seiner Forschungspl~ne einsetzen konnte - er sprach des ofteren von notigen Instandsetzungsarbeiten an seinem Marburger Haus - war nicht zu kliren. Siehe: Brief des Reg.Rat MUller, Amt flir Verteidigungslasten, Gie~en an Wirth, 12.7.1956, NW : 1 9 56 I 9 ( D ) .
3 7 W i r t h , H . , U r s i nn , S . 2 9 . a 8 Ebd. , S 0 3 9 o
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dung von Berlin nach Marburg OberfOhrten "Ahnenerbe"
Felsbilder.39
Seine offnungen auf eine universitare Laufbahn wurden
trotz einiger zunachst erfolgvcrsprechender Entwicklungen
zerstreut. Anfang ' der fOnfziger Jahre war es nam
Kontakten mit der katholischen theologischen Fa
kultat der Universitat MOnster gekommen. 40 Verhandlungen
Qber eine m8gliche Erteilung einer "venia legendi" sollen I'
aber abgebrochen worden sein; a-ngeblich weil sich Herman
Wirth nicht entschlie~en konnte, in die katnolische Kir-
che einzutreten. 41 Immerhin gelangte {m April 1955 ein
dreizehnseitiger Aufsatz Ober "Die symbolhistorische Me
thode" in der "Zeitschrift fOr Missioris- und Religions
wissenschaft" zur Ver8ffentlichung.
Im Juni 1957 grQndete ~irth eine neue "Herman-Wirth-Ge-
sellschaft". 42 Der eingetragene Verein sollte durchaus
in der Kontinuitat der alten Gesellschaft von 1929 ste-
hen, die 1933 "wegen Einschr~nkung ihrer Wirkungsm8glich
keit" ihre Arbeit eingestellt hatte. Mit der neuen Ge
sellschaft beabsichtigte er, "der heutigen Zerissenheit
des deutschen Volkes und Landes. wi e de1• abendl Ei.ndi schen . Menschheit" entgegenzuwirken und Voraussetzungen fOr eine
"Erneuerung der europ~ischen Humanitat" zu schaffen. Si
eber war ihm mit der NeugrGndung der Gesellschaft auch
daran gelegen, an diverse Geldspenden und Mitgliedsbei-
trage zu gelangen, urn wenigstens auf diese Wei~e seine
finanziellen M8glichkeiten aufzubessern.
Von der Herausgabe einer "urreligionsgeschichtlichen
Volksbiicherei", die er zusammen mit dem in Wien ansassi-
30 Werbeblatt der Ausstellung "Die MOtter von Ost und West", S.4: IfZ: ZS/A-25/5, S.107 f ..
40 Wirth nennt K~men wic Prof.Steffcs und Pralat Schreibel· . Beide sollen dem ''vorbercitenden AusschuP dcr E.S.U. angegehort haben. Siehe: NW: 1954/6a,b (D); vgl.: Wirth, H .. Ursinn, S.14. Hier spricht er auBer dem von diversen Kontakten zur Universitat Nymcgen
I
( NL) . 41 Brief von J.Weitzsacker (ehemals zweiter Vorsitzender
der E.S.U.) an die Rheinland-pfalzische Kultusministerin H.R.Laurien vom 19.10.1980. Abgedruckt bei: Hake . R. . s . 16 9 .
42 Informationsblatt der GerschaftsfOhrung, NW: 1957/1
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gen. d b r rechtsextremen Szene zuzurechnenden, "Volkstum-
Verlag' plante, versprach er sich flir die Zukunft eine
gewisse positive Wirkung in der Offentlichkeit. 43
•'
43 Bereits 1956 hatte der Verlag Wirths Buch "Was ist deutsch ?'', offenbar eine Neuauflage seines "Was heiBt deutsch ?", herausgegeben. Siehe: Poliakov, L./Wulf, J . . 5 . 244.
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