heuler – das studentenmagazin #94
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Der heuler ist das Studentenmagazin der Universität Rostock. Dies ist die zweite Ausgabe des Sommersemesters 2011. Titelthema: Rostock bei Nacht.TRANSCRIPT
Verkauft?Im Rückblick: Der Streitfall novus Marketing
Verwählt?Landtagswahlen inMV stehen an
Verantwortlich?Neues Gesetz zur Lehrerbildung
03 2011#
ROSTOCKBEI NACHT
www.heulermagazin.de
Das Studentenmagazin der Uni Rostock
07 27 32
Web Heft 94 | kostenlos
EDItoRIaL
Es gehen merkwürdige Dinge vor sich – nachts im Grü-nen Ungeheuer. Das Beobachten der heuler-Redakteure während des Layouts wäre wahrlich ein Fest für jeden Soziologen: Roller-Rennen, Melonen-Fußball und spon-
tane Tanzeinlagen zu Hanson-Songs bilden die Eckpunkte unserer nächtlichen Aktivitäten. Als beinahe ebenso skurril entpuppten sich die Recherche-Ergebnisse zu unserem Titelthema »Rostock bei Nacht«, die ihr im Ressort Studentenleben nachlesen könnt.Im Dunkeln tappen an der Philosophischen Fakultät nicht nur die meisten Studenten, sondern auch einige Mitarbeiter der Chefetage bezüglich der Rechtsgrundlagen des Studiums, wie Karo und Änne im Uni-Ressort berichten. Dort erhellt Jule außerdem einige Miss-verständnisse um den umstrittenen Vertrag zwischen der Uni und der Agentur novus Marketing.In ebensolchen Nacht- und Nebelaktionen ist angesichts einiger Neuregelungen offenbar auch das neue Lehrerbildungsgesetz ent-standen, das im Politik-Ressort von Gesa beleuchtet wird. Elisabeth bringt Licht ins Dunkel der Landtagswahlen und erklärt, was die Landespolitiker so treiben und wie sie derzeit um unsere Stimmen werben. Im Kulturressort ruht der Spot auf dem nicht ganz unpo-litischen Lebenswerk von Bud Spencer und Terence Hill. Darüber hinaus erklärt Alfonso den kometenhaften Abstieg der regionalen Aristokratie, Yvonne dagegen erzählt von ihrem persönlichen High-light und Leuchtfeuer ihrer großen Liebe zur LOMO-Fotografie.
GesaÄnne
RSPGEL
RÜCKSPIEGEL
Das ist seit dem letzten Heft passiert
Bestanden: Mit Erscheinen der vergangenen Ausgabe nahm unsere neue heuler-online-Redaktion erfolgreich ihre Arbeit auf. Seit Mitte Mai kann nun auf heulermagazin.de eine Vielzahl von Artikeln gelesen werden. Neben Veröffentlichungen aus dem Heft und Ergänzungen zu diesen bietet heuler-online zahlreiche neue und aktuelle Themen. So schnellte die Seite innerhalb kürzester Zeit bei mehreren Internetrankings vergleichsweise weit nach oben. Die meisten Besuche verzeichnet bisher der Artikel »Elite ohne Ordnung« (siehe heuler Nr. 93), der von fehlenden Prü-fungsordnungen für Human- und Zahnmediziner und der daraus resultierenden Willkür der Prüfer berichtet: Fast 3.400 Besuche und 63 Kommentare haben wir bis zum 15. Juni gezählt. Damit mauserte sich der Text in kürzester Zeit zum meistkommentierten Artikel in der Geschichte des heulers. Was sich seit seiner Veröf-fentlichung alles verändert hat und welche Klischees nun endgül-tig als bewiesen gelten können, lest ihr auf den Seiten 10 und 11 in dieser Ausgabe.
Beschlossen: Anfang des Jahres sollte das Große Haus des Volkstheaters Rostock noch wegen mangelhafter Brandschutz-vorkehrungen dichtgemacht werden. Nach den Protesten um die Schließung finanziert die Stadt nun doch eine Sanierung des Hauses. Mit rund 2,7 Millionen Euro soll das Große Haus innerhalb eines Jahres so weit ausgebessert werden, dass der normale Spielbetrieb bis zur Fertigstellung des Neubaus ga-rantiert ist.
Beworben: 39 Kandidaten haben sich in diesem Jahr für den StudentINNenrat (StuRa) aufgestellt. Nun hoffen sie, in das Hochschulgremium gewählt zu werden, um in Zukunft die Mei-nung der gesamten Studierendenschaft zu vertreten und mitzuent-scheiden, wofür der Semesterbeitrag im kommenden Jahr verwen-det wird. Vom 1. bis zum 15. Juni konnte nun jeder Student seine Stimmen für den StuRa abgeben. Wie hoch die Wahlbeteiligung in diesem Jahr lag, war bei Drucklegung des heulers noch nicht be-kannt, im vergangenen Jahr erreichte die Wahlkommission jedoch eine Partizipation von mageren 8,33 Prozent. Die diesjährige Wahlbeteiligung an der Fachhochschule Stralsund setzt dagegen hohe Maßstäbe: Geschickte Werbung erreichte sagenhafte 28,3 Prozent der Studierenden. Davon können die Verantwortlichen an der Uni Rostock wohl nur träumen. Weitere Informationen erhaltet ihr zeitnah auf heulermagazin.de.
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Licht aus!Nachts in der Uni
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Busfahrer-StorysLive aus der Fledermaus
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Analphabetismusim PISA-Schlusslicht MV
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Kind und KegelFamiliengründung im Studium
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Novus räumt aufWerbung an der Uni
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UniveRSitÄt StUDentenLeBen POLitiSCHeS KULtUR
Mallorca-Bibo 08
Unter BeschussPhilosophische Fakultät
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BeruferatenUni-Glasapparatebauer
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Jobben bei NachtSpätschicht für Studenten
17Landtagswahlen2011 in MV
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KomplimentLOMO-Liebeserklärung
Ellbogen-Medis 10
Serie WissenschaftSoziologie der Liebe
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Pro/Contra 13
In HerrgottsfrüheMüllsammler am Strand
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Achilles Verse 24
Fachschafts-GeldWohin mit dem Reichtum?
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Politische Bildung 29
FZS-PläneTeures Netzwerk?
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LehrerbildungNovellen aus Schwerin
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PSA-News 33
Q-Tipps
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Royale NewsLand vs. Krone
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KindheitsheldenBud Spencer & Terence Hill
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RezensionenBücher/TV/CDs/Theater ...
GeSCHMACKSPOLiZei
Postskriptum
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Comic
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Rätselseite 43
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42Lerndoping 24
Impressum 42
INHaLtSVERZEICHNIS4
Foto: Maximilian Berthold
Foto: Michael Schultz
UniveRSitÄt
Gefühlschaos
I mmer wieder widmet sich unser StudentINNenrat in hochemotionalen und teils unsachlichen Debatten der Agentur novus Marketing. Während die einen munter über Werbung an der Uni diskutieren, befassen sich die Medizinstudenten in leidenschaftlicher Manier vorrangig mit sich
selbst – und die Zuständigen leider viel zu wenig mit der fehlenden Prüfungsordnung. Doch am Ende wird alles gut: Die Dozentin Yvonne Niekrenz schreibt über die Soziologie der Liebe. Gesa, Ressortleiterin
Illustration: Änne Cordeswww.heulermagazin.de/universitaetWeb
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Text JULIANE MEIßNER
Die Uni verkauft Werbeflächen auf dem Campus. Einige Vertreter der Studierendenschaft fühlen sich übergangen und fürchten den ausverkauf der alma Mater. Der Pressesprecher der Uni räumt Fehler in der Kommunikation ein.
Sag doch was
D er Vertrag zur »Vermarktung von Werbeflä-chen an der Universität Rostock« zwischen
Hochschule und der Agentur novus Marketing trat schon im Oktober 2010 in Kraft, doch nach wie vor stößt die Zusammenarbeit auf viel Kritik. Initiator der Vereinbarung ist Dr. Ulrich Vetter, Leiter der Presse- und Kommunikationsstelle der Uni Rostock. »Wir haben keine Ressourcen, selbst kommerzielle Werbung zu akquirieren und zu verwalten«, erklärt Vetter. »Die Uni war vor der Kooperation auch kein werbefreier Raum. Mit der Beauftragung von novus Marketing soll die Campus-Werbung strukturiert und professionell gehandhabt werden.« Er sehe nichts Verwerfliches daran, wenn die Uni daraus finanziellen Nutzen ziehe, ohne selbst investieren zu müssen.Nach einer Ausschreibung vom Februar 2010 erhielt novus Marketing als einer von mehreren Bewerbern den Zuschlag. Laut Geschäftsführer Stefko Kruse seien die Aufgaben der Agentur die Akquise von Werbekunden sowie die Betreu-ung von Plakatflächen auf dem Campus. Die Uni Rostock bekomme dafür eine Mindestvergütung und Anteile der Werbeeinnahmen: »Die Uni erhält von novus Marketing jährlich 4.500 Euro. Dazu kommen, je nach Werbeform, weitere Anteile: 20 Prozent aus der Vermietung von Plakatflächen, 30 Prozent von Promotion-Ständen und 40 Pro-zent bei Sonderwerbeformen«, erklärt Kruse. Die Anbringung von Sonderwerbeformen müsse mit der Uni-Leitung abgesprochen werden. Außerdem werde keine kommerzielle Werbung in Hörsälen platziert. »Je nach Auftragslage verdient die Uni auf diese Weise 10.000 bis 20.000 Euro im Jahr«, schätzt er. Pressesprecher Vetter klärt auf, dass mit den Einnahmen eigene Werbemaßnahmen der Uni finanziert würden.Doch brachte die Neuerung auch Ärger mit sich. »Im November vergangenen Jahres erhielt die Fachschaft der Sportwissenschaftler eine Rech-
nung von novus Marketing, weil sie ihre Feier mit Aushängen beworben hatte«, erinnert sich And-reas Heinrich, Mitglied des StudentINNenrates (StuRa). Auch anderen Universitätsangehörigen sei eine Rechnung zugestellt worden. Heinrich habe daraufhin einen Antrag auf Prüfung des Vertrags bei der Studierendenvertretung eingereicht. StuRa-Präsident Johannes Krause blickt zurück: »Die Studierenden waren verwundert über die plötzlich zu entrichtenden Rechnungen. Das Missverständ-nis konnten wir aufklären: Die Feier der Sportwis-senschaftler fand in Kooperation mit dem LT statt. Die Mitarbeiter der Agentur dachten deshalb, es sei kommerzielle Werbung.« Die Folge dieses Vor-falls: So mancher befürchtete nun, keine Hinweise mehr kostenfrei aushängen zu dürfen. Stefko Kruse stellt dagegen klar, dass seine Agen-tur nur kommerzielle Werbung verwalte. Alle Uni-
Angehörigen dürften nach wie vor ihr Info-Material und Ähnliches kostenfrei verteilen. Es seien extra Info-Boards in den Fakultäten angebracht wor-den, um für Übersichtlichkeit zu sorgen. Er weist aber noch auf einen weiteren Umstand hin: »Es ist natürlich nicht rechtens, wenn offizielle Werbeflä-chen, für die unsere Kunden bezahlt haben, über-klebt oder übersteckt werden. Sollte dies passieren, wird das von unseren Mitarbeitern entfernt.«Doch damit beruhigte sich die Lage nicht. Es folg-ten mehrere StuRa-Zusammenkünfte, während derer man über die Rechtmäßigkeit des Vertrags und dessen Einfluss auf die Studierenden disku-tierte. Aus den Protokollen der Sitzungen ist zu entnehmen, dass einige Mitglieder die kommer-zielle Nutzung kritisieren. Sind die Werbeflächen nicht doch ein erster Schritt zur Coca-Cola-Uni?
Herr Vetter widerspricht: »Durch die neue Rege-lung steuern wir den Werbeprozess, was vorher nicht möglich war. Aber wir nehmen die Beden-ken der Studierenden sehr ernst. So etwas wie eine Campus-Umbenennung wird nicht passieren. Ein so gewaltiger Schritt bedürfte der Zustimmung mehrerer universitärer Gremien. Außerdem denkt niemand daran, so etwas zu tun.« Doch gerade die Einbeziehung mehrerer Instanzen vermissten die Studierendenvertreter bisher. »Wir haben uns mit dem StuRa-Beschluss vom 24. April dieses Jahres nicht nur gegen die Kommerzialisierung der Uni ausgesprochen, sondern auch gegen den Allein-gang von Herrn Vetter«, kommentiert Christian Berntsen, Vorsitzender des Allgemeinen Studie-rendenausschusses (AStA). Im Februar hatte Ulrich Vetter auch wirklich Feh-ler eingeräumt: »Ein früherer Kontakt zu AStA und StuRa hätte uns wahrscheinlich viele Miss-verständnisse erspart. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, dass das Thema solch hohe Wellen schlägt. Inzwischen hat es einige klärende Ge-spräche gegeben.« StuRa-Präsident Krause erklärt, dass Vetter seinem Gremium versprochen habe, die Vertreter der Studierendenschaft bei Neu-verhandlungen zum Vertrag miteinzubeziehen. Dieser sei im Nachhinein dann tatsächlich noch präzisiert und Anregungen von AStA und StuRa angenommen worden. Dies sei jedoch wiederum nicht an die Studierendenvertretung kommuni-ziert worden. Der Pressesprecher erklärt: »Das war nur ein Telefonat von knapp zwei Minuten und keine lang andauernde Nachverhandlung.« Trotz-dem hätte sich Krause eine bessere Einbeziehung gewünscht: »Für Herrn Vetter war die Verände-rung vielleicht nicht der Rede wert. Aber schon bei Inkrafttreten des Vertrags war die Kommunika-tion sehr schlecht. Die Möglichkeit, uns über die Änderungen zu informieren, hat Herr Vetter leider wieder nicht genutzt.« <
ein erster Schritt zur Coca-Cola-Uni?
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Text PAUL FLEISCHER
Die Südstadtbibliothek der Universität Rostock hat nicht genügend Kapazitäten: In der Prüfungs- und Hausarbeitenzeit sind vor allem die arbeitsplätze rar. Ein ausbau ist zwar angedacht, doch was passiert in der Zwischenzeit?
Ein Platz an der Sonne
D ie Südstadtbibliothek hat ein Problem: Sie ist das Mallorca Rostocks. Ein großer Teil der Studenten verbringt dort die Semesterferien. Und
ähnlich dem Prozedere in den ausländischen Bettenburgen gibt es auch in der Albert-Einstein-Straße einen Run auf die besten Plätze. Für den Pauschaltouristen ist es die Liege am Swimmingpool, für den hiesigen Studenten der Arbeitsplatz in den Bibliotheksräumlichkeiten. Da stehen sonst schlafsüchtige, junge Menschen schon 30 Minuten vor der ei-gentlichen Öffnungszeit an den Pforten und bilden Warteschlangen. Um Punkt neun ergießen sich die Massen in das Gebäude, als gäbe es einen Ausverkauf. In kürzester Zeit sind nahezu alle Plätze belegt. Langschlä-fer müssen im Zweifel mit der Kinderabteilung Vorlieb nehmen – oder wieder nach Hause gehen. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern raubt vor allem Zeit. Doch gerade diese ist für Studenten selten so kostbar wie in den vorlesungsfreien Wochen.Ist das »Revier« erst einmal mit Büchern, Laptop und Tasche markiert, gibt es keiner mehr so leicht her. So ist während der Mittagszeit eine Vielzahl der Plätze zwar unbenutzt – aber durch die Arbeitsmaterialien für Nachzügler blockiert. Die Berliner Humboldt-Universität hat sich etwas gegen solche notorischen Sitzplatzverteidiger einfallen lassen: Wer
den Platz verlässt, muss eine Eieruhr auf 60 Minuten stellen. Kommt derjenige erst nach Ablauf der Zeit zurück, findet er seine Habseligkei-ten abgeräumt. Ist das vielleicht auch eine Lösung für Rostock? Gewiss ist: Die Südstadtbibliothek ist für den Grad der Auslastung, welcher in den Prüfungszeiten vorherrscht, schlicht nicht ausgelegt. Im Grunde be-nötigt die gesamte Uni-Bibliothek dringend eine Frischzellenkur in Form von Aus- oder Neubauten. Dafür prädestiniert und auch angedacht sind unter anderem die Flächen auf dem Universitätsplatz und dem Campus Ulmenstraße. Doch das wird noch dauern. Wie wäre es bis dahin mit einem digitalen Auslastungsplan? Ein ähnliches Zählsystem wie in einem Parkhaus zum Beispiel: Mit einem Blick auf die Website der Bibliothek oder auf eine App fürs Smartphone könnte man sehen, ob überhaupt noch Platz ist. Oder man führt die Quadratmeter-effiziente Großraumbüro-Atmosphäre wieder ein. Damit ließe sich die Zahl der Arbeitsplätze deutlich erhöhen. Also Parkuhr, Parkhaus oder Käfig-Feeling? Wie lange die Auslastungs-probleme noch vorherrschen werden und wie die jetzigen Probleme tat-sächlich zu lösen wären, erklärt uns Bibliotheksdirektor Robert Zepf in einem Interview auf heulermagazin.de. <
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»Wir wissen schon, was gut für euch ist!«
K eine andere Fakultät nutzt die Rechts-unsicherheit der Studenten so sehr aus wie
die Philosophische Fakultät: ein Dekan, der im rechtsleeren Raum Beschlüsse des Fakultäts-rats herbeiführt; eine Mitarbeiterin im Prü-fungsamt, die unreflektiert die Pseudo-Fakten ihres Vorgesetzten zur Wahrheit erhebt; eine potenzielle Studiendekanin, welche die nicht- existente Anwesenheitspflicht per Personalaus-weis kontrolliert, obwohl sie die Interessen der Studenten vertreten sollte. Die Zustände an der Philosophischen Fakultät bieten jede Menge Zündstoff. Dennoch ist die Studierendenschaft weit davon entfernt, sich zur Wehr zu setzen. Die Wahl des Studiendekans erfolgt auf Vor-schlag der Studenten. Dass sie jedoch keinen geeigneten Kandidaten für den Posten finden konnten, scheint nicht von ungefähr zu kom-men. Hinter vorgehaltener Hand wird gemun-kelt, dass niemand scharf darauf sei, sich mit Dekan Prof. Hans-Jürgen von Wensierski aus-einanderzusetzen. Dieser ließ angesichts man-gelnder Bewerber kurzerhand seine Favoritin für das Amt, Dr. Stephanie Wodianka vom Institut für Romanistik, zur Prodekanin wäh-len und übertrug ihr die Aufgaben der Stu-diendekanin kommissarisch gleich mit. Dass die Ordnung der Philosophischen Fakultät außer einem Prodekan für Forschung und ei-ner Studien dekanin keine weiteren Prodekane zulässt, scheint von Wensierski nicht zu inter-essieren. Die Wahl Wodiankas könnte mit dem heiß diskutierten Thema der Anwesenheits-pflicht zu tun haben: Obwohl sie gegenüber der Romanistik-Fachschaft erklärt hatte, dass sie in Sachen Anwesenheitspflicht auf der Seite der Studenten stehe, stellte Frau Wodianka in
ihren eigenen Lehrveranstaltungen die Anwe-senheit mittels Personalausweiskontrolle fest.Das Zauberwort für geplagte Studenten heißt »Rechtsgrundlage«. Die Uni muss als Behörde, als Bildungsdienstleister verstanden werden und die rechtlichen Grundlagen ihrer Arbeit liefern können. Kann sie das nicht, ist Widerspruch rat-sam. Dass Rechtssicherheit oft Wunschdenken ist, lässt sich anhand vieler Vorkommnisse ablesen: Mündliche Prüfungen (dazu zählen auch benotete Referate!) werden ohne Zweitprüfer oder Proto-koll abgenommen; die Geschäftsführerin des Dekanats der Philosophischen Fakultät erklärt, dass es keine Verordnung für den Fakultätsrat und dessen Beschlüsse gebe; und der Dekan ver-wirrt seine Lehrkräfte mit nicht-rechtskonfor-men Beschlüssen zur Anwesenheitspflicht. Diese steht nach wie vor in keiner Prüfungsordnung und kann somit nicht zum Ausschluss von einer Prüfung führen. Dies bestätigen der Prüfungs-ausschuss der Philosophischen Fakultät sowie der Widerspruchsausschuss der Uni. Dass die Meinung der Studenten und Fachschaf-ten an der Philosophischen Fakultät nicht zählt, zeigt auch die Reformierung der übergeordneten Bachelor-Studienordnung, die zurzeit im Allein-gang von Lehrkräften und Mitarbeitern durch-gedrückt wird. Ursprünglich wollte Dekan von Wensierski in der neuen Verordnung sogar die Anwesenheitspflicht in Vorlesungen festschrei-ben. Dass das Grundgesetz ein freies Studium garantiert, bedeutet damit im Philosophischen Fakultätsrat nichts. Die Professoren wüssten schließlich am besten, was gut für die Stu-dierenden sei.
Text ÄNNE CORDES UND KAROLIN BUCHHOLZ
Bevor Studenten anfangen, sich intensiv mit ihren Studien- und Prüfungsordnungen auseinanderzusetzen, müssen schon schwerwiegende Probleme mit dem BaföG-amt, Dozenten oder dem Prüfungsamt im Raum stehen. Die traurige Wahrheit ist, dass Studenten ihre Rechte gegenüber der Universität selten geltend machen, weil sie diese einfach nicht kennen.
Die Dozenten, die ihre Studenten behandeln wie unmündige Schüler, pflegen die Argumente der Studierendenschaft in Senat, Konzil und Fakul-tätsrat überheblich vom Tisch zu wischen. Das Gegeneinander von Lernenden und Lehrenden wird in manchen Fällen zum Nahkampf, in dem es um nichts Geringeres als den Studienabschluss oder dessen finanzielle Absicherung durch das BAföG geht. Jüngst rieten Mitarbeiter der Philosophischen Fakultät den Magisterstudenten mit zwei Fächern dazu, in den hochgelobten Mono-Master zu wech-seln. Was man ihnen nicht sagte: Das Umschreiben in den Mono-Master gilt als Studiengangwechsel. Infolgedessen verloren die betroffenen Magister-studenten ihren BAföG-Anspruch und könnten die Uni nun auf Schadensersatz wegen mangelnder oder falscher Informationen verklagen.Unser Fazit: Bessere Lehrveranstaltungen bräuch-ten keine Anwesenheitspflicht und durch bessere Beratung und die Beachtung der Rechtsgrundla-gen könnten viele Probleme ausgeräumt werden. Uns bleibt dazu nur zu sagen: Lasst euch nichts gefallen und lest eure Prüfungs- und Studien-ordnungen! <
Gestatten, Phil Fak. Gra
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Text MICHAEL SCHULtZ
Mangelhafte Prüfungsbedingungen und Dozenten-Willkür an der Medizinischen Fakultät waren themen der vergangenen heuler-ausgabe. auch online wurde berichtet – und viel Kritik geerntet. Die Diskussion um das thema macht deutlich: Mediziner kämpfen vor allem für sich selbst. trotzdem gibt es positive Veränderungen.
Badesalz im Haifischbecken
Unfaire Prüfungen – Fehler im System? Ei-nige Medizinstudenten sahen Handlungs-
bedarf und informierten den Allgemeinen Stu-dierendenausschuss sowie den heuler über die zweifelhaften Umstände an der Medizinischen Fakultät (MEF). Doch offenbar teilen viele ihrer Kommilitonen die Ansicht nicht, dass tiefgrei-fende Änderungen am Prüfungssystem ihrer Fa-kultät notwendig wären. Stattdessen schießen sie gegen die Protestierenden: Wer sich nicht dumm anstelle, schaffe auch die Prüfungen. Eigentlich sei die Sache nämlich ganz einfach, folgt man dem Kommentar zum Artikel »Elite ohne Ord-nung« (siehe heuler Nr. 93) des Nutzers medi auf der heuler-Website: »Wenn man vernünftig lernt, besteht man jede Prüfung.« Erschreckend deutlich zeichnet die Diskussion um die Prüfun-gen an der Medizinischen Fakultät das Bild einer Ellbogengesellschaft im Studiengang Medizin. Die Studierenden der MEF erweisen sich in der Angelegenheit der Prüfungsordnung nicht als Gemeinschaft, die für ein sinnvolles und wich-tiges Ziel zusammenhält. Vielmehr werden be-nachteiligte Kommilitonen als Lügner oder als unfähig herabgewürdigt. Solche Umstände kön-nen mitunter zu psychischen Problemen führen (siehe Kommentar).Natürlich zählt der Medizinstudiengang nicht ohne Grund zu den härteren Studienfächern. Der Lernstoff ist äußert umfangreich, die Ver-antwortung im späteren Job gigantisch. Es kann daher nicht Sinn und Zweck der Diskussion sein, das Medizinstudium aufweichen zu wol-len. Auch Pia*, die Protagonistin des Artikels im letzten Heft, möchte nicht, dass ihr Studium leichter wird: »Es geht mir um Fairness.« Genau dieser Aspekt ist vielen Medizinern – so stellt es sich zumindest in den meisten Kommentaren auf
heulermagazin.de dar – offenbar fremd. Warum aber zahlreiche Medizinstudenten bereit sind, auf ihre Rechte bei Prüfungen zu verzichten, ist für Außenstehende nicht nachvollziehbar. Dabei wäre es für alle Beteiligten dringend nötig, rechtliche Sicherheit im Zusammenhang mit den Prüfungen zu schaffen. Nur so werden Verbes-serungen nicht nur von kurzer Dauer sein. Denn die gibt es immerhin. So durften Prüfungsfra-gen in den letzten Wochen teilweise schriftlich beantwortet werden, was den Kritikpunkt der fehlenden Protokolle aufgreift. Auch sei der persönliche Umgang mit den Prüflingen anders, insbesondere Professor Ulfig sei nach Aussage mehrerer Medizinstudenten im Umgang mit den Studenten in seinen Testaten deutlich angeneh-mer und freundlicher. Das ist freilich nur ein bisschen Badesalz im Haifischbecken.Das grundsätzliche Problem der fehlenden Prüfungsordnung aber bleibt weiter bestehen. Hier wäre speziell der Fachschaftsrat gefor-dert, am Ball zu bleiben und Änderungen im System durchzusetzen. Doch daran zweifeln bereits die eigenen Kommi-litonen: »Der Fachschaftsrat der Me-diziner ist inkompetent«, schreibt Theo auf der heuler-Website. Sand-ra ergänzt: »Der Fachschaftsrat ist wirkungslos, die Mitglieder nutzen mehr den eigenen Vorteil als etwas zu verändern oder umzusetzen.« Bereits in der vergangenen Ausgabe wurde erörtert, dass die Problematik den Ver-tretern seit Jahren bekannt ist. Die direk-te Konfrontation mit den Dozenten und dem Dekanat war bereits bei der Diskus-sion um die Anwesenheitspflicht im Stu-diengang Biomedizinische Technik wenig
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Burn-out ist eine Reaktion auf anhaltenden Stress. Dies betrifft vor allem das berufliche
Umfeld, doch viele Lehrbücher beziehen es auch auf andere Lebensbereiche wie Familie, Freizeit und Partnerschaft. Einig ist sich die Wissen-schaft in den Konsequenzen, die das »Ausge-branntsein« für die betroffene Person haben kann: Burn-out kann zu Verhaltensänderungen – von Unruhe bis hin zu vermehrtem Alkohol-konsum –, zur persönlichen Isolierung und zu Einstellungen wie Zynismus, Negativismus oder Gleichgültigkeit führen. Erste körperliche Symp-tome von Burn-out werden häufig missgedeutet, da sie auch bei vielen anderen Krankheiten auftreten können. Hierzu gehören beispielsweise Verdauungsprobleme, Kopfschmerzen und vor allem Schlafstörungen und Erschöpfungsgefüh-le. Zudem fühlen sich Betroffene häufig hoff-nungs- und hilflos und haben Schuldgefühle, weil sie beispielsweise im Beruf nicht mehr so perfekt funktionieren wie zuvor. So unterschied-lich die Symptome, so individuell ist auch der Beginn und Verlauf der Krankheit. Um Burn-out vorzubeugen oder einer beginnen-den Krankheit entgegenzuwirken, empfehlen Buser et al. in ihrem »Kurzlehrbuch für medi-zinische Psychologie« vor allem, den Stressherd ausfindig zu machen und zu entschärfen. Aber auch am eigenen Zeitmanagement zu arbei-ten, um den Alltag zu entlasten, sei hilfreich. Besonders wichtig sei laut dem »Leitfaden zur Burn-out-Prävention« einer privaten Fachklinik für Psychosomatische Medizin, der Gezeiten Haus Klinik, dass der Betroffene sich Zeit für sich selbst nehmen könne, um zu entspannen, Sport zu treiben oder seinen Interessen nach-zugehen. Hierbei sei es demnach nützlich, auch einfach mal das Handy abzuschalten, Arbeit zu delegieren oder in Gemeinschaft zu lachen.
GESA RÖMER
BIS ZUR ERSCHÖPFUNGimmer mehr Menschen leiden am Burn-out-Syndrom, darunter viele Studenten. Was verbirgt sich dahinter?
Text
Web http://tinyurl.com/6gz7qd8
ich bin selbst Medizinstudentin des 8. Semesters und habe dieses »Ich-bewerte-der-Nase-nach« Gott sei Dank schon durch. Viele meiner Kommilitonen beschreiben den Präparierkurs als das Härteste, was
sie bis dahin in ihrem jungen Leben miterleben mussten. Oftmals fällt der Begriff »unmenschlich«. Viele zerbrechen an dem Druck und haben eindeutige Symptome eines beginnenden Burn-outs. Ich selbst habe in der Vorklinik unter Burn-out gelitten und war bei einem Psychologen. Das damalige Prüfungssystem im Präparierkurs: vier Testate alle zwei Wochen. Fällst du durch eines durch, hast du die Woche darauf die Nachprüfung und wieder weniger Zeit für den neuen Stoff. Es war ein Teufelskreis. Ich probierte schon gar nicht mehr, in den Anatomiesaal zu gehen, fing ich doch schon vorher an zu heulen. Unterstützung kannst du dann von deinen Mitstudenten keine erwarten. Wie auch, jeder hat mit sich zu tun, keiner blickt nach links oder rechts. Andere freuen sich, dass einer weniger am Tisch steht. In dieser Zeit fragst du dich echt, was aus deiner anfänglichen Motivation, »Leuten zu helfen«, geworden ist. Du veränderst dich in dieser Zeit so stark, bist nur noch traurig, lustlos und ein vollkommen anderer Mensch. Viele meiner damaligen Kommilitonen haben nach dem zweiten Präparierkurs aufgehört. Wortlos. Klanglos. Fassungslos. Ich bin aus diesem Erschöpfungszustand zum Glück wieder rausgekommen. Mit einer
Auszeit, meiner lieben Familie, meinem geduldigen Freund. Alleine hätte ich es nie geschafft und ich brauchte eine gewisse Zeit, um mich aus diesem Loch
rauszuziehen. Was ich erst hinterher für mich an Erkenntnis gewinnen konnte, ist, dass man sich schon in der Vorklinik Ressourcen schaffen muss: Sport treiben, auch wenn wenig Zeit ist, sich mit anderen zum Kaffeetrinken treffen oder sich mal einen Abend in der Woche auf die Couch hauen und ‘nen Film schauen. Irgendwie abschalten.Um das Ganze zum Abschluss zu bringen, möchte ich allen nur sagen:
Haltet durch, sucht euch Hilfe, wenn ihr merkt, ihr kommt alleine nicht mehr klar, und gesteht euch Schwächen ein, die sind keine Schande. Wie würde meine Oma jetzt abschließend so
treffend sagen: »Nach dieser Zeit kommt eine andere« und »Die anderen kochen auch nur mit Wasser«.
Text ANONYM, 8. Semester Medizin
LIEBE KoMMILItoNEN!
erfolgreich. Es ist an der Zeit, das ramponierte Image aufzupolieren. Angesichts der unbesetz-ten Stellen im Vorsitz und der Öffentlichkeits-arbeit dürfte das schwierig werden.Auch wenn ein Großteil der Mediziner mit dem bisherigen System gut klargekommen ist, dür-fen die Prüfungsumstände nicht zum Nachteil für diejenigen werden, die damit Probleme ha-ben. Gleichzeitig muss auch für die Dozenten die Sicherheit bestehen, ihre eigenen Prüfungen als zweifelsfrei rechtmäßig nachweisen zu kön-nen. So ließe sich von beiden Seiten belegen,
dass eine Prüfung ordnungsgemäß abgelaufen ist – auch ein Student könnte dann nicht mehr behaupten, der Prüfer sei unfair gewesen. Sor-gen machen müssten sich nur diejenigen, die aufgrund persönlicher Bevorzugung bislang ein einfacheres Studium hatten. Dafür, dass es derartige Fälle gegeben hat, gibt es bislang allerdings keine Anzeichen. Für die Zukunft sollten sich die Medizinstudenten zumindest auf eine gemeinsame Linie einigen – vielleicht frei nach dem Motto eines Frank Plasberg: hart, aber fair. <
Illus
tratio
n: B
jörn
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*Name von der Redaktion geändert
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Serie
Liebe in Zeitenmaximaler Ungewissheit
Wissenschaft an der Uni
Die Liebe gehört zum Erfahrungshorizont des Menschen: Jeder liebt irgendwann einmal irgendwen oder irgendwas. aber die Liebe scheint kompliziert geworden zu sein. So beschäftigen die großen Fragen des L(i)ebens auch die Soziologie.
D er Buchhandel füllt ganze Regalreihen mit Büchern wie »So verlieben Sie sich richtig«
oder »Wie Partnerschaft gelingt – Spielregeln der Liebe«. Die Ratgeberliteratur kreist um das immer gleiche Thema »Liebe und Partnerschaft«. Liebe ist ein allgegenwärtiges Phänomen und begegnet uns medial in Musik, Literatur, Film, Fernsehen und auch ganz persönlich im Alltagsleben und unseren sozialen Beziehungen. Liebe liegt uns am Herzen, kann aber auch Bauchschmerzen bereiten. Nicht von ungefähr gibt es Ratgeber, Coachs und Paar-beratungen, die in Liebesdingen Nachhilfe leisten. »Liebe wird nötig wie nie zuvor und unmöglich gleichermaßen«, schreiben Ulrich Beck und Eli-sabeth Beck-Gernsheim 1990 in ihrem über die Grenzen der Soziologie hinaus bekannten Buch »Das ganz normale Chaos der Liebe«. Während wir uns also einerseits mehr denn je nach der Lie-be sehnen und ihr symbolischer Wert gestiegen ist, so wird es gleichzeitig immer schwieriger, in dauerhaften und stabilen Beziehungen zu leben. Das Chaos in Liebesdingen scheint Normalität zu sein. Woran liegt das?Die Soziologie diskutiert die veränderten Be-dingungen des Liebens vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Gegenwartsdiagnosen. Die fort-schreitende Modernisierung nämlich beeinflusst die Art und Weise, in der sich Liebe heute re-alisieren lässt. Als folgenreich bezeichnen Beck und Beck-Gernsheim unter anderem die zuneh-mende Auflösung des dominanten bürgerlichen Familien ideals, die durch die Ausbruchsversuche
INtIMBEZIEHUNGEN aUS SoZIoLoGISCHER PERSPEKtIVEWas ist Liebe? Jeder liebt irgendwen oder irgendwas. Liebe ist eine primäre Kategorie menschlichen Lebens. Deshalb müssen soziologische theorien dafür geeignet sein, diese konkret in der alltagswelt erfahrbare soziale tatsa-che zu beschreiben und zu erklären. ausgewählte soziologische theorien wer-den nach »LiebesErklärungen« befragt. So werden Funktionalität und Erklärungs-kraft theoretischer Konstrukte am Beispiel Liebe demonstriert. Eine Vielzahl an Perspektiven auf die Liebe zeigt nicht nur deren farbenfrohes Spektrum, sondern auch die konkret fassbaren Möglichkei-ten soziologischer theorien.
> Yvonne Niekrenz u. Dirk Villányi (Hrsg.) LiebesErklärungen – Intimbeziehungen aus soziologischer Sicht VS-Verlag (2008) ISBN-13: 9783531154763
Text YVoNNE NIEKRENZ
vor allem der Frauen seit den 1960er-Jahren vo-rangetrieben wird. Freiheit und Gleichheit – dies soll nun für Männer wie Frauen und auch für Liebesbeziehungen gelten. Alternative Modelle zur »Versorger-Ehe« werden denk- und lebbar. Ein Individualisierungsschub setzt ein, der zu Freiheiten und Zwängen gleichermaßen führt. Die Menschen werden zu Gestaltern ihrer eige-nen Biografien: Sie dürfen und müssen entschei-den über Ausbildung, Beruf, Mobilität und ihre Lieben. Weil Frauen zunehmend am Arbeits-markt beteiligt sind, verändert sich nicht nur die weibliche Normalbiografie, sondern auch traditi-onelle Rollenbilder von Frauen wie Männern ver-lieren ihre Gültigkeit. Das Verhältnis zwischen den Geschlechtern wandelt sich, und das roman-tische Ideal von »freier Liebe« – also Freiheit und Gleichheit in der Partnerschaft – scheint Realität zu werden.Mit der Gestaltungsvielfalt in Partnerschafts-modellen entstehen aber auch Uneindeutigkei-ten und Ungewissheiten; es beginnt die Suche nach lebbaren Vorbildern. Liebe wird riskanter und prekärer. Je unsicherer sie wird, umso mehr wird sie ersehnt und romantisch erhöht: Liebe zu erfahren, scheint den modernen Menschen erst zu vervollständigen. Für Dating-Plattformen und Single-Börsen ergibt sich aus diesem kulturellen Skript ein lukratives Geschäft – und für den Partne rsuchenden ergibt sich daraus die »Qual der Wahl«. Die freie Liebe nämlich ist gar nicht so frei, sondern folgt einem spezifischen Wahlver-
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Foto: Michael Schultz
Liebe in Zeitenmaximaler Ungewissheit
INtIMBEZIEHUNGEN aUS SoZIoLoGISCHER PERSPEKtIVE
Dr. Yvonne Niekrenz ist seit 2004 wissen-schaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologische theorien und theoriege-schichte des Instituts für Soziologie und Demographie an der Universität Rostock. Sie studierte Soziologie und Germanistik und beschäftigt sich mit themen aus Kultur-, Körper- und Jugendsoziologie.
Knapp 40 Prozent der Männer betrügen ihre Partnerin. Dabei könnte es viel einfacher sein – ist das Konzept der Monogamie überholt?
Polygamie
Dass der Mann evolutionstechnisch betrachtet nicht zur Monogamie taugt,
sei hier mal als Argument außen vor gelassen. Nach 200.000 Jahren sollte der Homo sapiens seine Libido im Zaum halten können. Bei der Betrachtung der Vor-teile von Polygamie muss Sex strikt von Liebe getrennt werden. Laut einer Umfrage des Hamburger GEWIS-Instituts gehen 51 Prozent der Männer und 42 Prozent der Frauen sowieso mindestens einmal fremd. Warum also nicht das schlechte Gewissen und den folgenden Streit mit guten Trennungsaussichten vermeiden und ein Austoben mit anderen Partnern erlauben? Der positive Effekt auf Selbstbewusstsein und Ausgegli-chenheit ist sicher nicht zu unterschätzen. Außerdem könnte man so Anregungen für neuen Schwung im heimischen Bett sammeln und die Marotten neuer Bekanntschaften würden den eigenen Partner an Wertschätzung gewinnen lassen. Kein menschliches Wesen würde je wieder genötigt, in unmenschlichen Verkleidungen hirnrissige Aufgaben für »Freunde« – mit selbstgemachten Shirt-Offenbarungen wie »Ab morgen lebenslänglich!« – zu erfüllen, weil keiner mehr seinen letzten Tag in Freiheit begießen müsste.
PRo
StEPHAN HOLtZText
Zugegeben: Der Gedanke, eine Vielzahl williger Schönheiten
zur Frau zu haben, erscheint auf den ersten Blick erstre-benswert. Man(n) müsste sich nicht auf blond, brünett oder rothaarig festlegen, die Entscheidung zwischen kurvenreich und sportlich schlank wäre hinfällig und überhaupt würde sich die Wahrscheinlichkeit, dass man(n) jederzeit bekommt, wonach einem ist, drastisch erhöhen. Auch der Harem hätte gegenüber der monoga-men Ehe Vorteile: Die Aufgabenteilung in Haushalt und Kindererziehung würde mehr Freizeit und Raum zur Selbstverwirklichung für die einzelnen Damen bedeuten. Doch Obacht, liebe Herren, denkt nochmal genau darüber nach! Was zunächst wie der Himmel auf Erden erscheint, kann schnell zum Albtraum mutieren, sobald sich die holde Weiblichkeit gegen euch verbündet und die Macht übernimmt. Oder noch schlimmer: sich im Prozess der Machtübernahme uneinig wird und einen sagenhaften Zickenkrieg vom Zaun bricht. Man(n) stelle sich zudem vor: den ganzen Tag umgeben zu sein von einer schnatternden, gackernden Frauenschar, die nach hübschen Kleidern, Schuhen und Weight Watchers- Salaten verlangt. Das kann teuer werden!
CoNtRa
Text ÄNNE CORDES
PRO&CONTRA
Grafik: http://tavhid.de
halten, das marktförmig organisiert ist. Auf dem »Partnerschaftsmarkt« werden die Qualitäten des Einzelnen zur Bewertung und zum Tausch ange-boten – stets begleitet von der Hoffnung auf »die beste« aller möglichen Entscheidungen und auf ideales Aushandlungsgeschick.Romantisch klingt das nicht. Soziologische Ana-lysen tun das auch sehr selten, weil sie sich in ihrer Erklärung vom Phänomen selbst distan-zieren müssen, um es klarer sehen zu können. Am Lehrstuhl für Soziologische Theorien und Theoriegeschichte wird seit einigen Jahren an Gegenwartsdiagnosen sozialer Beziehungen gearbeitet. Dabei geht es nicht nur um Liebes-beziehungen, sondern auch um relativ flüchtige Vergemeinschaftungsformen, wie sie etwa bei großen Festen und Events oder bei Protestver-anstaltungen und Demonstrationen zustande
kommen. Die Forschungsergebnisse zeigen, dass sich Modernisierungs prozesse auch in einem Wandel sozialer Beziehungen abbilden. Die para-doxe Sehnsucht nach Freiheit und zugleich nach Zugehörigkeit führt in ein Spannungsfeld, das moderne Individuen schwer aushalten können – und sie begünstigt neuen Formen von Gemein-schaften ebenso wie starke Verkaufszahlen bei Beziehungsratgebern. Wie sich Liebe in Zukunft gestalten wird, kann nur der Versuch selbst zei-gen – zu diesem Schluss kommt auch Elisabeth Beck-Gernsheim. Liebe ist in Zeiten maximaler Wahlfreiheiten ein Experiment mit Chancen und Risiken. Und Liebe bleibt – trotz wissenschaftli-cher Betrachtung – ein schillerndes, komplexes, rätselhaftes wie magisches Phänomen, das nicht nur theoretischer, sondern selbstverständlich auch ganz praktischer Zuwendung bedarf. <
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Foto: Michael Schultz
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Text ANNA HERMANN
Viele Chemiker begegnen ihm fast täglich, die meisten Studenten aus anderen Studiengängen wissen dagegen nicht einmal, dass es ihn gibt: den Glasapparatebauer Roland Weihs.
Zwischen Glas und Brenner
D enkt man an Mitarbeiter der Universität Rostock, fallen einem auf Anhieb Dozen-
ten, Bibliothekare und studentische Hilfskräfte ein, vielleicht dann noch Verwaltungsfachange-stellte und Hausmeister. Es gibt allerdings auch Berufsgruppen, die seit langer Zeit zur Hoch-schule gehören, ohne dass die meisten Studenten Kenntnis von ihnen nehmen. Ein solcher Bereich ist der Glasapparatebau des Instituts für Chemie. Fälschlicherweise oft als Glasbläser bezeichnet, fertigen die Angestellten hier jeden Tag Einzel-stücke für Forschung und Lehre an und reparie-ren verschiedenste Apparaturen.Dies sind auch die tagtäglichen Aufgaben von Leiter Roland Weihs, der sich über mangelnde Beschäftigung nicht beklagen kann: »Zu DDR-Zeiten gab es an der Universität mehrere Glas-apparatebau-Abteilungen. So hatten die Biologie und die Physik beispielweise jeweils einen eige-nen Bereich, die Chemie sogar zwei. Heute gibt es nur noch diese eine Abteilung am Institut für Chemie, was aber nicht heißt, dass die anderen Institute diese Dienste nicht mehr brauchen.« So kommen nicht nur Studenten und Forscher der Chemie regelmäßig zu Herrn Weihs, sondern auch Physiker, Biologen, Mediziner und Maschi-nenbauer, um nur die häufigsten Besucher zu nennen. Bei diesem Stress geht natürlich auch ab und zu mal etwas zu Bruch – ein teures Vergnügen! Alleine der normale Glassatz, der jedem Chemie-Studenten für die einzelnen Praktika zur Ver-fügung gestellt wird, verfügt über Apparaturen im Wert von 1.150 Euro. Bedenkt man den Preis dieser industriell gefertigten Teile, bekommt man schon eine leise Ahnung davon, wie teuer die zahlreichen Einzelanfertigungen für die un-terschiedlichen Forschungsprojekte sind. »Über-legte Bewegungen und eine ruhige Hand sind
daher natürlich von größter Wichtigkeit bei meiner Arbeit«, so Weihs, unter dessen Leitung auch das Glaslager fällt. Trotz des großen Risikos hat er den Spaß an der Arbeit nie verloren: »Als Glas-apparatebauer an einer Universität muss man sich ständig mit neuen Aufgaben auseinandersetzen. Oft kommen Forscher zu mir und verlangen spezielle Apparaturen, die ich in dieser Form noch nie gebaut habe und die es auch nirgendwo zu kaufen gibt. Dieser abwechslungsreiche Alltag ist es, der mich jeden Tag aufs Neue begeistert.« Weihs stellt nämlich keine einfachen Glasappara-turen wie etwa Reagenzgläser her – diese werden ausschließlich industriell gefertigt –, sondern lediglich Einzelstücke. Diese Vielseitigkeit ist auch einer der Hauptgründe dafür, dass er sich einst überhaupt für diesen eher ungewöhnlichen Beruf entschied: »Ich arbeitete damals in den Schulferien bei einer Rostocker Glasapparatebau-Firma. Dies gefiel mir so gut, dass ich schnell den Entschluss fasste, diesen Beruf zu erlernen.« Daraufhin begann er seine Ausbildung 1975 bei dem selben Betrieb. Nach zweieinhalb Jahren schloss Weihs dann seine Lehre als erster Rostocker Lehrling dieses Faches überhaupt ab. Nur für seine Meisterprüfung verließ er seine Heimatstadt und ging von 1985 bis 1988 nach Ilmenau, die Glasapparatebau-Hauptstadt der ehemaligen DDR. Als Meister machte er sich dann 1989 mit einem Kunsthandwerksladen in Rostock selbstständig, der allerdings nur zwei Jahre Bestand hatte. »Als die Wende kam, war die Situation in Deutschland allgemein ja eher schwierig. Dies führte schließlich dazu, dass mein Geschäft irgendwann nicht mehr tragbar war«, erzählt er. Nach anderweitigen Anstellungen kam Weihs schließlich 2001 an die Universität Rostock und übernahm ein Jahr später die Leitung des Glasapparatebaus, wo er seither tagtäglich die Wünsche von unzähligen Forschern und Studenten erfüllt. Von seinem Geschick am Brenner können sich Schaulustige außerdem jährlich bei der »Langen Nacht der Wissenschaften« überzeugen, bei der auch schon einmal Weihnachtskugeln zum Mitnehmen hergestellt werden. <
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Foto
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Individuelle Glasarbeiten: Meister Roland Weihs bei der arbeit
Wir tappen im Dunkeln
D ass im Dunstkreis der Rostocker Studenten nachts mehr passiert als der Konsum von Shots an der Bar oder das Tanzen bis zur Besinnungslosigkeit, beweist unser Titelthema »Rostock bei Nacht«. Unter diesem Motto schlichen sich unsere Autoren in Unigebäude und schlugen
sich wie andere arbeitende Kommilitonen die Nächte und Morgenstunden um die Ohren. Ebenso ergeht es bekanntlich den (werdenden) Eltern unter uns, die hier ebenfalls zu Wort kommen.Änne, Ressortleiterin
Foto: Maximilian Bertholdwww.heulermagazin.de/studentenlebenWeb
16 StUDentenLeBen
H abt ihr schon einmal morgens gegen 7:15 Uhr im Seminar den Ge-
ruch von Grillwurst wahrgenommen und euch gefragt, ob ihr noch träumt? Ver-mutlich war ich das, die da so duftete, weil ich direkt von meiner zehnstündigen Nachtschicht im Studentenkeller gekom-men war. Den Wachzustand erreiche ich an solchen Tagen mit etlichen Tassen Kaffee und Koffeintabletten – zumindest für die Zeit einer Vorlesung.Seit einigen Jahren schlage ich mir die Nacht um die Ohren, auf Kosten meines Schlafrhythmus und mit bisher nur mäßigen studentischen Erfolgen. Doch was bleibt einem übrig, wenn man kein BAföG bekommt und die Eltern nicht mit einem Bildungssparbuch vorgesorgt haben? In der Woche können die wenigs-ten aufgrund ihres engen Studienplanes jobben gehen. Also wann, wenn nicht nachts arbeiten? Aber ich gebe gerne zu, dass es auch Spaß macht, den Kom-militonen beim Trinken zuzuschauen und mich zumindest innerlich über ihre mitunter kümmerlichen Artikulations-versuche im Laufe eines Abends zu amüsieren. Gerade mittwochs arbeiten meine Mitstudenten zur budgetfreund-lichen Happy Hour dem morgendlichen Kater erfolgreich entgegen. Dank der langjährigen Massenabfertigung kann ich mir Gesichter übrigens beson-ders gut merken. Also benehmt euch in Zukunft gefälligst!
Text StEFFIE KRAUß, Studentenkeller
SCHLäFSt DU SCHoN oDER aRBEItESt DU NoCH?
Text KRIStINA ABERLE UND ERIC WIEDEMANN
Was schon die Beatles vertonten, können Pascal und Marco nur bestätigen. Während viele Studenten ihr Geld mit konventionellen Nebenjobs verdie-nen, gingen diese Jungs nachts tätigkeiten nach, von denen man sonst nur selten hört. auch Pauls Quasi-Erfahrung sollen nicht unerwähnt bleiben.
»It’s been a hard day’s night«
Seelsorge im Dunkeln»Da sein, wenn der Rest der Welt schläft.« – Von 22 Uhr bis 7:30 Uhr arbeitete Pascal früher als Nachtwache in der betreuten Wohnstätte einer pädagogischen Einrichtung für Kinder und Jugend-liche mit psychischen Störungen. Wach bleiben, die Kinder bei Albträumen beruhigen, bei aufkom-menden Problemen zuhören, regelmäßig Kontrollgänge durchführen und morgens noch fix Brötchen schmieren, das waren seine Aufgaben. Was klingt wie der chilligste Job unter der Sonne, geht mit viel Verantwortung einher, denn im Notfall müssen wichtige Entscheidungen getroffen werden: Hat sich einer der Jugendlichen »nur« geritzt oder war er tatsächlich dabei, sich das Leben zu nehmen? Das zehre nicht nur an den Nerven, sondern könne auch sehr nachdenklich stimmen, so Pascal. Allein ge-lassen wurde er dabei aber nicht; konnte er eine Situation nicht alleine bewältigen, war zur Unterstüt-zung ein Erzieher im Notdienst jederzeit erreichbar. Im Prinzip wie eine Telefonseelsorge, nur eben in echt. Empfehlen könne Pascal den Job nicht jedem, er sei nur für ein paar wenige geeignet – und für den Rest wohl eher ein programmierter Albtraum.
In Luxuskarossen durch die NachtFür »Sarturi&Berger«, die ein- und auslaufende Schiffe sowie Frachter und vor allem AIDA im Über-seehafen betreuen, fuhr Marco einst des Nachts Autos von A nach B. Wenn Leute eine Kreuzschifffahrt machen, wollen sie ihr Gefährt in Sicherheit wissen. Also werden ihre Fahrzeuge entgegengenommen, in einer bewachten Halle untergestellt und am Ende der Reise wieder übergeben – das war Marcos Job. Von 23 bis 7 Uhr sei die Zeit schnell vergangen, in eineinhalb Stunden seien zwei Autos zu schaffen, darunter auch mal ein Porsche oder ein anderes schönes Gefährt. Die Saison dauert immer von Mai bis September und man sollte, so Marco, früh anfragen, um dort einen Job zu bekommen. Die einzigen Nachteile sieht er darin, sich wach halten zu müssen, den langen Weg zum Überseehafen anzutreten, dann erst mit seiner Schicht zu beginnen – und das alles eben nachts. Mit einem Bierfass auf dem Rücken zu GrönemeyerEinen der unterhaltsamsten nächtlichen Jobs zog Paul, nebenbei auch noch heuler-Geschäftsführer, an Land: Mit einem Zehn-Liter-Bierfass auf dem Rücken sollte er von 16 bis 24 Uhr beim Grönemeyer-Konzert im IGA-Park den mobilen Barkeeper spielen. Eine Kölner Agentur hatte ihn und einige andere Studenten dafür engagiert und eine Bezahlung von 85 Cent pro verkauftem Liter in Aussicht gestellt. Ob die Jungs selbst ihre besten Kunden gewesen wären, konnten wir leider nicht in Erfah-rung bringen, da Paul den Job wegen eines Unwetters nicht antrat – so ‘ne Memme.
Nachts zu arbeiten ist kein Zuckerschlecken und bringt einige Entbehrungen mit sich: Wenig Schlaf und ein verdrehter Tagesrhythmus sind nur zwei Nebenwirkungen. Insgesamt ist das Jobben bei Nacht wohl eher etwas für Individualisten. Wie uns bei der Recherche aufgefallen ist, bevorzugen weibliche Nachtaktive offenbar eher gesellige Jobs am Tresen statt allein durch die Nacht zu düsen. <
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Text KAROLIN BUCHHOLZ UND MAREIKE GÖtZ
Dass Studenten nachtaktive Geschöpfe sind, ist allseits bekannt. Was bisher jedoch niemand vermutete: Sie zappeln nicht nur unzurechnungsfähig in einschlägigen Lokalitäten herum, sie belagern auch bis in die Nacht Bibliotheken und Fakultäten. Was genau sie dort zu unchristlichen Uhrzeiten treiben, erfahrt ihr hier.
In der Uni brennt noch Licht ...
Donnerstag, 22:00 Uhr. Tatort: Bebel-TowerWir suchen nach dem ultimativen akademischen Kick und schleichen uns nachts durch die Uni. Unser erstes Ziel: der August-Bebel-Tower. Wie zu den Öffnungszeiten üblich rechnen wir mit unterhaltsamen Gruppenar-beiten in den Lesesälen und munterem Schuhgetrappel am Gedenkort der philosophischen »Masterminds«. Doch bis auf drei leuchtende Büros und die beiden Reinigungsdamen, die wir beim Rauchen auf dem Jungsklo er-wischen, ist unser lieblicher Klotz in der August-Bebel-Straße wie ausge-brannt still. Und dennoch, mutig und stolz, wagen wir uns in die Höhle des qualmenden Löwen und schleichen durch die Flure. Auf der Suche nach Abenteuern, nach neuen Ideen, nach Action finden wir schließlich: nichts.Trotzdem fallen uns einige gar merkwürdige Dinge auf: Wusstet ihr zum Beispiel, dass sich auf jedem der stickigen Flure (außer in Etage vier) nur zwei Seminarräume befinden, während der Rest für Verwaltungsmenschen draufgeht? Wie kann es sein, dass ein solches Vielraumhaus so seminar-raumarm ist? Welche Organisation steckt womöglich hinter der Uni? Die INU, die »Internationale Nutzung von Universitätsräumen«?Der nächste Clou sind die Herrentoiletten. Während jene der holden Weib-lichkeit sauber, ordentlich und ohne Hinweisschilder sind, finden wir die berüchtigte Herrenwelt, naja, sagen wir mal, befleckt und beschmiert vor. Ganz zu schweigen von den Käfern und Fliegen in diversen Schüsseln.
Mittwoch, 00:30 Uhr. Tatort: UlmenstraßeDie Hochschulpolitik bringt die von euch gewählten und beauftragten Mit-glieder des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) und des Studen-tINNenrats (StuRa) um den Schlaf. Aber nicht so, wie ihr denkt: Sie wälzen sich mitnichten schlaflos im Bett herum, sie kommen dort gar nicht erst an! Weil sich die monatlichen StuRa-Sitzungen in der Vergangenheit regel-mäßig bis in die frühen Morgenstunden hinzogen und die Mandatsträger im Sommer auch ohne Party im Hellen nach Hause gingen, tagt der StuRa jetzt alle zwei Wochen und dafür nicht mehr ganz so lange.
Sonntag, 03:00 Uhr. Tatort: Grünes UngeheuerDie heuler-Redaktion belagert zwei Mal pro Semester für vier Tage das AStA-Büro im Grünen Ungeheuer – Tag und Nacht. Das geht mit reichlich ungesunder Ernährung, Wutausbrüchen, Platzangst und Schlafl osigkeit einher: Wenn es zeitlich eng wird, layouten, schreiben, illust rieren und lektorieren wir nämlich teilweise 36 Stunden am Stück. Um nicht völlig durchzudrehen – oder auch infolgedessen – erfinden wir unterhaltsame Sportarten, deren Austragung ihr bei Facebook verfolgen könnt, wie zum Beispiel »Touch the Melon!«. Dennoch bleibt es stets ein merkwürdiges Gefühl, morgens auf während der Fahrt nach Hause schon den ersten Komillitonen auf dem Weg zur Uni zu begegnen.
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Björnist Lehramtsstudent (Germanistik und anglistik). »Ich bin Mitglied des StudentINNenrates. Die Sitzungen dauern meist bis nach Mitternacht – deswegen bin ich heute noch hier.«
Annikastudiert Germanistik. Viermalim Jahr sitzt sie nachts im Grünen Ungeheuer, um als Lektorin den heuler-texten die Fehler auszutreiben.
Fotos: Mareike Götz
Dienstag, 23:45 Uhr. Tatort: Südstadt-BiboWas wir als hier Erstes sehen, ist ein grelles Licht, es kommt immer näher, unsere Räder quietschen im Takt zum entfernten Bass. Mozart klingt im Ohr und wir sind da. Vor dem riesigen, monumentalen, hell erleuchteten Bibliotheksgebäude finden wir gerade so einen Fahrrad-Parkplatz und bestaunen die gläserne Außenwand, die idealen Einblick auf die sich dahinter befindliche Denkfabrik bietet. Privatsphäre gibt‘s nur unter Einschränkungen: Minirock-Mädels, setzt euch nicht ans Fens-ter! Wir betreten den Saal des Leoparden – eine frische Brise spielt mit unserem Haar – und begegnen mehreren Horden fröhlicher Studenten. <
Maria und Christinasind Studentinnen der Zahnme-dizin. Beide haben sich kürzlich für ihre Examensvorbereitung angemeldet und sind zum Lernen in der Südstadt.
Odaiist Medizin-Student. Wie viele seiner Komillitonen lernt odai für eine seiner nächsten Klau-suren, diesmal in Biochemie.
Benjamin und Juliastudieren Lehramt Gymnasium (Geschichte und Englisch). Zur ausarbeitung ihres Prakti-kumsberichtes haben sie sich für 12 Stunden in der Südstadt verschanzt.
Marcostudiert Politikwissenschaften und Öffentliches Recht. Er arbeitet fleißig bis nachts um zwölf einen Vortrag aus. außer-dem nutzt er die Zeit für seine Bachelor-arbeit.
Der anspruchsvollste Teil einer durchfeierten Nacht ist zweifellos der Heimweg. Solange sie
sich noch aufrecht fortbewegen können, haben die Rostocker party animals die Wahl, zu Fuß zu gehen oder sich zwischen Nachtbus, Taxi und Fahrrad zu entscheiden. Dass der Gebrauch des Drahtesels im alkoholisierten Zustand jedoch schwerwie-gende Folgen haben kann, scheint den wenigsten bewusst zu sein. Der pflichtbewusste Student weiß natürlich, dass das Auto stehen zu bleiben hat, sobald die ersten hochprozentigen Drinks die Kehle heruntergeflossen sind. Wer sich dann allerdings auf
sein Fahrrad setzt, um schnell und vermeintlich sicher nach Hause zu kommen, der ist nicht
auf dem Heim-, sondern auf dem Holz-weg! Tatsächlich ist Fahrradfahren
in betrunkenem Zustand nicht nur gefährlich für die Schneidezähne, sondern auch für den Führerschein. Wer nämlich unterwegs in einen Un-
fall verwickelt wird und mehr als 0,3 Promille Alkohol im Blut hat, steht am Ende
unter Umständen mit einem dicken Schädel, müden Augen und einer riesen Rechnung alleine da, weil Versicherungen in diesem Fall die Zah-
lung verweigern können. Dabei ist es nicht wichtig, ob ihr den Unfall selbst verschuldet habt oder nicht. Außerdem drohen auch
ohne Zusammenstoß Geldstrafen und Punkte in Flensburg, wenn ihr auf dem Nachhauseweg ins Röhrchen pusten müsst. Ob dabei gleich der Führer-schein entzogen wird, kann mithilfe einer medizi-nisch-psychologischen Untersuchung entschieden werden, die ebenfalls viel Geld kostet. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob jemand, der besoffen am Straßenverkehr teilnimmt, überhaupt einen Führerschein besitzen und ein Kraftfahrzeug führen sollte. Allerspätestens ab 1,6 Promille ist ein Fahrverbot sicher.
Text CHRIStINA BEIER
A ls Besonderheit der nächtlichen Bus-fahrten fallen einem als Erstes voll-
trunkene »Heranwachsende« ein, die nach mehr oder weniger Bambule in der »Fle-dermaus« früher oder später einschla-fen – meistens gestützt von ihren Be-gleitern. Soviel zu Eindrücken, die man als Fahrgast sammelt. Doch was geht in den stillen Beobach-tern hinter dem Steuer vor, die für Unannehmlichkeiten jeder Art verantwortlich gemacht werden? Dass der Fahrer oft der Letzte ist, der etwa Verspätungen zu verant-worten hat, scheint nämlich vielen RSAG-Kunden unverständlich. Wenn zu einer Verspätung noch Miss-verständnisse hinzukommen, ist der Ärger vor-programmiert: Beispielsweise wünschen sich die Busfahrer, dass ihnen die draußen Wartenden genau anzeigen, dass sie mitfahren wollen. Mit dem Rücken zur Straße und dem Handy am Ohr wirken Leute an den Haltestellen nämlich reichlich desinteressiert an der Mitfahr-gelegenheit. Wer nicht wartend aussieht und den Fahrer nicht anschaut, kann deshalb nicht auf den Stopp des Busses hoffen. Das steht sogar im »Busfahrerhandbuch«. Der Mitfahrwunsch sollte demnach insbesondere an abgelegeneren Standpunkten signalisiert werden – sofern dieser überhaupt gefunden wurde. Daran scheitern offenbar nicht wenige nächtliche Heimfahrten. Wer weiß schon, wo die Nachtbushaltestelle am Steintor ist?Auch in anderen Punkten sehen manche Fahrgäste Verbesserungsbedarf des nächtlichen Transportservices. Einige wünschen sich zum Beispiel Erklärungen zu den vorbeiziehen-den Rostocker Sehenswürdigkeiten – denn welche andere Buslinie führt an jeder einzelnen vorbei? Auch ein integrierter »Dönerbauchladenverkauf” scheint dem ein oder anderen ein dringendes Bedürfnis zu sein. In Hamburg sind nachts übrigens tatsächlich Busse mit Mu-sik, Bar und Diskobeleuchtung für das Partyvolk unterwegs. In Rostock wird immerhin von einem Falco-Imitator samt Kofferradio und Mikrofon berichtet, der mangelnde Quali-tät durch Lautstärke wettzumachen versucht. <
I BELIEVE I CaN FLY
Text ANDREAS LUßKY UND SANDRA SCHRAMM
38 Kilometer in 96 Minuten. Einerseits traumwerte für jede Herrentags-tour, andererseits die durchschnittliche Geschwindigkeit des Nacht-busses, der euch nach der Party wahlweise nach Hause oder auch zur Frühschicht bringt. Was beschäftigt eigentlich die Busfahrer, die im Umland Rostocks zu immer späterer Stunde fast leere Busse bewegen?
Würden FledermäuseBus fahren?
Illus
tratio
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Text MAXIMILIAN BERtHOLD UND ÄNNE CORDES
Johanna Lauber, Politikstudentin der Uni Rostock, überbrückte im vergangenen Jahr die Zeit zwischen Bachelor- und Masterstudium mit einem ungewöhnlichen Studen-tenjob. Unkonventionell waren sowohl Einsatzort als auch Uhrzeit. auf der Suche nach ihren Spuren als Strand-aufräumerin begaben wir uns an den wohl weitläufigsten arbeitsplatz Rostocks.
Sisyphos‘ Kampf gegen die Möwen
M it dem schrillen Weckerklingeln erwache ich aus meinen Träumen. Es ist 4 Uhr. Und
das an einem Samstag. Die einzigen Gedanken, die irgendwie helfen, betreffen meinen Koautor und unseren Auftrag: Er erleidet das Gleiche und dies ist die einzige Möglichkeit, die Strand-Aufräumer von Warnemünde zu treffen. Wenig später kommt uns am S-Bahnhof partywütiges Volk von einer durchzechten Nacht entgegen, ihre Alkoholfahnen begleiten uns auf der Fahrt. Vor gut einem Jahr stand Johanna Lauber an sieben Tagen in der Woche um dieselbe Zeit auf – während der die meisten anderen Menschen noch selig im Bett liegen oder sich erst auf dem Weg dorthin befinden –, um von Sonnen-aufgang an vier Stunden lang Müll einzusammeln. Auch ihr Weg war derselbe wie unserer jetzt: zum Strand von Warnemünde.Gegen Ende der Fahrt wird es deutlich ruhiger in der Bahn, begleitet werden wir inzwischen nur noch von Angehörigen des arbeitenden Teils der Bevöl-kerung, die entweder von der Spätschicht kom-men oder ebenfalls zur Arbeit antreten müssen. Während wir am Alten Strom entlang schlurfen, geht die Sonne über dem Hafen auf. Mit Kamera und Schreibblock in der Hand erreichen wir den Strand. Am Horizont sind die ersten Schiffe im Morgendunst zu erkennen, es ist etwas bewölkt und die ersten Möwen flattern kreischend in der leichten Brise. »Die Sonnenaufgänge und die Tat-sache, dass man den Strand ganz für sich allein hat, waren wirklich große Pluspunkte«, erinnert sich Johanna an das vergangene Jahr zurück, »aber ganz so idyllisch, wie ich mir das vorgestellt hatte, war es nicht: Der Schlafmangel hat die vier Stunden ganz schön in die Länge gezogen.«Über eine Anzeige an der Pinnwand des Studen-tenwerks war Johanna auf den Job aufmerksam geworden. Der morgendliche Strandbesuch bei Sonnenaufgang und die Arbeit an der frischen Luft schienen ihr nach einem nervtötenden Pos-ten bei Galeria Kaufhof verlockend, » außerdem war der Job für Rostocker Verhältnisse mit knapp über 7 Euro die Stunde gut bezahlt.« die Annahme der Politikstudentin, dass sie nach der Arbeit am Strand noch den ganzen Tag zur Verfügung habe, hat sich allerdings nicht bestätigt. »Erst hab ich es mit Mittagsschlaf probiert und bin dann dazu übergegangen, so früh wie möglich ins Bett zu gehen. Trotzdem war ich den Rest des Tages völlig im Eimer. Wegen des frühen Arbeitsbeginns war es auch schwer, abends mit Freunden etwas zu unternehmen«, räumt sie ein.
Dafür habe sie sich in den vier Monaten eine Men-ge Hörbücher zu Gemüte geführt und jede Menge Zeit gehabt, sich Gedanken zu machen. Von Me-ditation und innerem Frieden war Johanna trotz-dem noch einige Schritte entfernt: »Ich habe mit der Zeit einen richtigen Hass auf Raucher bekom-men, weil ich deren Kippen aus dem Sand pulen musste. Und auf Möwen. Selbst wenn die Leute ihren Müll vorbildlich in die Mülleimer schmei-ßen, zerren die Viecher das alles wieder raus.«Nach den guten Seiten des Jobs gefragt, erzählt sie von ihrer beeindruckenden Sonnenbrillen-Kollektion, die sie zwischen Juni und Septem-ber zusammensammeln konnte. Auch Schmuck, Geldmünzen und Parfum gehören zu den Fund-stücken, teurere Gegenstände wie Kameras oder vollständige Brieftaschen wurden dagegen im Fundbüro abgegeben. Außerdem machen nicht nur Möwen den Müllsammlern Konkurrenz, sondern auch »Hobby-Archäologen«, die mit ihren Metalldetektoren am Strand professionell auf die Suche nach Schmuck, Geld und anderen Wertgegenständen gehen.»Letztes Jahr habe ich die Tage gezählt, bis ich endlich wieder studieren konnte, jetzt denke ich gerade etwas wehmütig an den Job zurück. Das war schon schön«, erzählt Johanna. »Trotz-dem würde ich das keinem als Job neben dem Studium empfehlen, auch wenn die Arbeitszeiten es nahelegen.« Das scheint sich rumgesprochen zu haben, denn in der diesjährigen Truppe ist kein Student vertreten. Auch für uns ist die Uhr-zeit nicht das Wahre und wir fahren zurück nach Hause, um endlich die vier verlorenen Stunden Schlaf nachzuholen. <
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I BELIEVE I CaN FLY
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Text StEFFIE KRAUß
Mecklenburg-Vorpommern verteidigt bekanntermaßen hartnäckig die »rote Laterne« der PISa-Studie. Dass in unserem Land etwa 80.000 analphabeten leben sollen, ist dennoch schockierend und belegt die Dring-lichkeit, allen Kindern – vor allem in sogenannten bildungsfernen Haushalten – den Zugang zu Bildung und Förderung zu ermöglichen.
Vom Luxus des Lesens und Schreibens
nach Angabe des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbil-dung e. V. ist die Zahl von circa 80.000 Analphabeten in Mecklen-
burg-Vorpommern korrekt. Rund 9.500 Rostocker können demnach weder ausreichend schreiben, lesen noch rechnen und gelten somit als funktionale Analphabeten. Eine hohe Zahl, wenn man bedenkt, dass die Schulpflicht – je nach Bundesland etwas abweichend – mindestens neun Schuljahre vorschreibt. Peter Hubertus, Gründungsmitglied und Geschäftsführer des Bundesverbandes Alphabetisierung und Grundbildung, unterscheidet in seinem Buch »Alphabetisierung und Analphabetismus« drei verschiedene Grade: Wer gar nicht lesen und schreiben kann, zählt zu den primären beziehungsweise natürlichen Analphabeten. In Deutschland kommt diese Form – im Gegensatz zu Ländern wie Indien, in denen ein Schulbesuch nicht allen möglich ist – kaum vor. Als sekundäre Analphabeten werden diejenigen bezeichnet, die nach Schulabgang (oftmals ohne Hauptschul-abschluss) die erlernten Schreib- und Lesefähigkeiten aufgrund man-gelnder Verwendung schlichtweg vergessen. Funktionale An-alphabeten
hingegen werden Personen benannt, die nur auf äußerst niedrigem Niveau lesen und schreiben können. Letzteres ist die häufigste Ausprägung. Die Einordnung in diese drei Kategorien erfolgt auf Grundlage des erwarte-ten Bildungsstandes im jeweiligen Land: Beispielsweise gelten Menschen mit einem geringen sprachlichen Kenntnisstand in Entwicklungsländern möglicherweise als alphabetisiert, während sie in Deutschland, wo höhere Anforderungen an diese Fertigkeiten gestellt werden, als Analphabeten ein-gestuft werden können.Wie es dazu kommen kann, dass aktuell etwa ein Fünftel der Schulabgän-ger Schwierigkeiten mit den Sprachfertigkeiten hat und somit Gefahr läuft, zu funktionalen oder sekundären Analphabeten zu werden, erzählt Katrin Philipp, Dozentin für Deutschdidaktik an der Uni Rostock, die sich mit dem Erwerb der elementaren Bildung in der Grundschule beschäftigt. So sollten die grundlegenden Fertigkeiten im Lesen und Schreiben, vor allem
das gesamte Buchstabeninventar, eigentlich bis zum Ende der ersten Klasse erlernt werden. Aus eigener Erfahrung weiß Frau Philipp allerdings, dass es zwar einige frühe Tests gibt, um die Rechtschreibfähigkeit von Schülern zu ermit-
teln, dass die Lehrer diese jedoch nicht ohne die Zustimmung eines Psychologen und der Eltern durchführen dürfen. So hätten die Eltern einer ihrer Schülerinnen die Erlaubnis zu einem Test verwei-gert, der die Verhaltensauffälligkeit in Hinsicht auf eine Lese- und Schreibschwäche ihrer Tochter beurteilen sollte. Damit beeinflusse neben der Schule vor allem das Elternhaus diese Entwicklung.Wie und ob die Kinder Schriftkultur erleben, habe großen Einfluss auf die Weiterentwicklung der in der Schule erlernten Kenntnis-se. Dass die Förderung zu Hause jedoch oft mangelhaft aussieht, zeigt ein weiteres Beispiel aus der Praxis: So habe in Katrin Philipps Unterricht ein Junge der sechsten Klasse bei einer Buch-
vorstellung gestehen müssen, dass es bei ihm zu Hause gar keine Bücher gebe. An dieser Stelle sei vor allem das Engagement der Lehrer gefragt, erläutert die Dozentin. Sie sei dann
mit dem Jungen in die Stadtbibliothek gegangen, um ihm auf anderem Weg den Zugriff auf Bü-cher zu ermöglichen. Allerdings könne man von
den Lehrkräften nicht erwarten, dass sie sich auf
Illustration: Caroline Heinzel
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Das Rostocker Fraunhofer-institut war bei
der Mitentwicklung des Lernspiels »alphabit« für
Erwachsene beteiligt. als Mittelalter-abenteuer
mit Rätseln und Minispielen bietet es eine inter-
aktive Lernhilfe zur Verbesserung der Lese-,
Schreib- und Rechenfertigkeiten an.
Im Februar 2003 riefen die vereinten
nationen die Weltalphabetisierungsdekade
aus. Deren Ziel ist die weltweite Minimierung der
Zahl der analphabeten um die Hälfte in einem
Zeitraum von zehn Jahren.
einige Germanistik-Studenten an der Uni
Rostock erhalten aufgrund ihrer Lese- und Recht-
schreibschwäche Vorteile bei Klausuren, zum
Beispiel eine längere Bearbeitungszeit.
21 MILLIoNEN SCHREIBENFEHLERHaFt
allen Ebenen um die Belange der Schüler küm-mern. Oftmals sei dies in Großstädten aufgrund vieler »Baustellen« und hoher Schüleranzahl je Klasse nicht möglich, so Frau Philipp.Einen ebenso fatalen Einfluss wie der Mangel an Büchern könne eine überdurchschnittliche und vor allem unbeaufsichtigte Nutzung von Fern-seher und Internet haben. Mit beiden kämen die Schüler inzwischen von klein auf intensiv in Berührung. Die fehlende Standardsprache in Internet-Chats oder die bloße Verlautlichung im Fernsehen könnten so zur Unterentwicklung bei-tragen. Weitere Ursachen sieht Katrin Philipp in bildungsfernen Elternhäusern oder auch im Des-interesse oder sogar dem Unvermögen der Eltern, sprachliche oder grammatikalische Fehler im frühen Kindesalter zu korrigieren. Seien Schrift- und Lesekompetenzen erst einmal vernachlässigt worden, werde es im Laufe der Schulzeit schwie-riger, diese zu verbessern. Lediglich bei der von Psychologen attestierten Lese- und Rechtschreib-schwäche (LRS) gebe es gute Fördermöglichkei-ten. Jedoch steht diese nicht in direktem Zusam-menhang mit dem Analphabetismus.Vielen Schulabgängern wird aufgrund ihrer schlechten Lese- und Schreibfertigkeiten der Ein-
stieg ins Berufsleben versperrt, was im Laufe der Jahre oftmals zum regelrechten Verlernen führt. In Rostock gibt es für Jugendliche ab 16 Jahren und Erwachsene die Möglichkeit, das Schreiben und Lesen durch spezielle Kurse mit ausgebil-deten Pädagogen in der Volkshochschule neu zu erlernen. Frau Philipp zeigt sich davon über-zeugt, dass Erwachsene genauso schnell oder sogar einfacher als Kinder die nötigen Grund-kenntnisse wiedererlangen könnten, wenn ihre Motivation stimme. Wer erst einmal den Schritt gewagt habe, aus der Isolation herauszutre-ten, die mit der Geheimhaltung der dürftigen Fertigkeiten einhergehe, sei dem großen Ziel, richtig schreiben und lesen zu können, schon ein Stück näher. Der Partner oder eine mögli-
che Berufsausbildung könnten den Lernerfolg außerdem enorm vorantreiben. Zudem sei es für Erwachsene einfacher, die erforderliche Moto-rik zum Schreiben zu bewältigen, die Kinder erst noch mühselig erlernen müssen. Doch laut Katrin Philipp seien gut ausgebildete Pädago-gen ebenso wichtig. Vor allem die Eigeninitiati-ve des aufmerksamen Lehrers, der seinen Blick bei Lese- oder Schreibproblemen gerade auf den nicht-schulischen Bereich erweitert, sei auch in Zukunft gefragt. <
Web http://tinyurl.com/3lkpxpx
7,5 Mio. Erwerbstätigegelten als funktionale
Analphabeten –
deutlich mehr als bislang angenommen.
40 % der Erwerbstätigenkönnen nur fehlerhaft
schreiben.
Das sind 21 Millionen Menschen.
2,3 Mio. Erwerbstätigekönnen nur einzelne Wörterverstehen oder schreiben.
Sie verstehen keine ganzen Sätze.
Hokuspokus: neuer Lokus
Liebe Klosetts im Bebel-Tower,Denk ich an euch, erfasst mich ein Schauer.Euch zu besuchen, ist gar nicht lustig,Seid schließlich alt, vermieft und schmutzig.
Ihr seid wohl schon vierzig Jahre alt,Das macht auch euer Flair so kalt.Jedem Studenten ist es bekannt:Diese Toiletten sind nicht amüsant.
Rohre lugen aus der Wand, Brühe läuft entlang am Rand.Rar ist stets das Klopapier,An Hygiene mangelt‘s hier.
Türen wie Wände sind gelb und keimig,Das Abflusswasser ist längst schleimig.Niemand will euch renovieren,Wir wollen dies nicht akzeptieren.
So kann es doch nicht weitergehen,Irgendwas muss bald geschehen.Neue Töpfe müssen her,Ist das Konto noch so leer.
Liebe Uni, auf ein Wörtchen,Schenk uns doch ein neues Örtchen! Traditio hatten wir genug,Innovatio ist jetzt mal am Zug!
– Antonia Wolschon
Die achilles Verse müssen nicht die Meinung der Redaktion widerspiegeln. Schildert uns euer Problem und wir veröffentlichen es – auch anonym.
ACHILLES VERSE
Text MAXIMILIAN BERtHOLD
Wie lässt es sich in Ruhe arbeiten, wenn nanosekündlich tausende von Reizen das menschliche Gehirn bombardieren? Sei es durch die Untiefen des Internets, Mitbewohner, Stadtlärm, einlullende Fernsehsendungen oder die ständige Verfügbarkeit durch Mobiltelefone. Was hilft also gegen die nervenaufreibenden trommelschläge des Großstadtdschungels?
Lerndoping – wider den Schweinehund
A lle Semester wieder kommt die Prüfungszeit. Allerdings stehen nicht nur Examen und münd-liche Tests an, sondern zwischendurch auch immer wieder Hausarbeiten, Vorträge, wichtige
Kursarbeiten. An sich alles kein Problem, wäre da nicht die verflixte Sache mit der Konzentration. Nachfolgend vier von womöglich unendlich vielen Ansätzen zum Thema Lernen und Fokussierung.
PRoGRaMME ZUR SELBStDISZIPLINIERUNG
Besonders wenn die Unendlichkeit des WWW ruft, ist es für Studenten hilfreich, Programme zu haben, die sie daran hindern, »mal eben schnell« Facebook, E-Mail und Nachrichten zu konsumieren. Die Namen von zwei von ihnen, »Concentrate« und »Rescuetime«, sprechen für sich. Sie blockieren bestimmte Internetseiten oder schreiben Statistiken, um die unschöne Wahrheit des Surf-Verhaltens aufzuzeigen. Da dabei jedoch auch persönliche Daten preisge-geben werden, sollte sich jeder gründlich überlegen, ob er sie nutzen will.
MEDItatIoN
Sicher eine der ungewöhnlicheren Methoden, aber schon nach wenigen Grundlagen-Seminaren ist fast jeder in der Lage, mit ein wenig Übung die Um-welt auszublenden und sich von selbst auf seine aufgabe zu konzentrieren. Ist aber nichts für kurzfristige Lerner.
aUFPUtSCHMIttEL
Mittel wie Gingkoextrakte, Energy-Drinks, Kaffee und diverse Schokoriegel verspre-chen Energie für das Gehirn und eine leistungssteigernde Wirkung. Doch allzu oft geht der Effekt nicht über jene eines Pla-cebos hinaus. Es ist also Vorsicht vor allzu teuren »Wundermitteln« geboten.
SPRICHWÖRtLICH »aRSCH aUF GRUNDEIS«
Die wahrscheinlich beste Motivation für effizientes und konzentriertes Lernen ist immer noch der Zeitmangel. allerdings sollte trotzdem nicht immer alles auf den letzten Drücker erledigt werden. Effektives Zeitmanagement sowie ein Ziel vor augen helfen, sich ausreichend zu motivieren. Immer daran denken: »Non universitati, sed vitae discimus.«
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ACHILLES VERSE
Text ÄNNE CORDES UND EVA VON HOLt
Der trend zur Familiengründung im Studium ist eher rückläufig. Die Uni Rostock bemüht sich trotzdem um bessere Bedingungen für Studierende mit Kind.
Mit Kind und Kegel in die Uni?
D ieser Artikel erreicht die Büroräume des heulers eineinhalb Wochen nach Redaktions-
schluss. Der Grund für diese und viele andere unerwartete Wendungen ist mein Sohn. Er wurde vor gut 15 Monaten geboren. Am Termin des Umzugs in eine größere Wohnung entschied sich der Kleine, die Geburt von sich aus einzuleiten und durchkreuzte damit die Pläne für diesen und viele weitere Tage. Obwohl das Eltern-Dasein einige negative Auswirkungen hat – wie die Auseinander-setzung mit mehr Anträgen und Formularen denn je sowie veränderten Schlafgewohnheiten – bringt es umso mehr schöne Dinge mit sich. Zum Beispiel das Milchzahngrinsen, das mich erwartet, wenn ich meinen Sprössling aus der Krippe abhole und er sich freut, mich zu sehen. Nach einem ätzen-den Tag in der Uni ist das Balsam für die Seele. Außerdem nehme ich jeden seiner Fortschritte mit Begeisterung wahr: greifen, lachen, sitzen – mein persönlicher Favorit, da er nun mehr von der Welt sehen kann als nur die Wohnzimmer decke –, krabbeln oder mit einem Löffel essen. Momentan steht er in seiner Entwicklung an der Schwelle zum Freistehen und dem Durchsetzen seines eigenen Willens. Es ist mir aber allemal lieber, ihn bockig schreiend auf dem Boden liegen zu sehen als lustlos und jammernd, wenn er krank ist. Mittler-weile besucht der Knirps tagsüber die Krippe und das Studium ist wieder zu schaffen, da wir uns in Seminaren und beim Babysitting nicht mehr ab-wechseln müssen. Alles, was im Haushalt anfällt, ist bei uns in die Abendstunden gerückt, wenn unser Sohn im Bett ist. Zwischen schmutzigen Tel-lern und sauberen Socken finden wir dann die Zeit, um uns um Hausarbeiten oder Skripte zu küm-mern. Mika hat mein Leben vollkommen verändert, sodass ich diesen Artikel gerade erst zum Layout des neuen heulers fertig bekomme. Und das auch nur, weil er und meine Freundin Mittagsschlaf halten und ich die nötige Zeit und Ruhe habe.
Text HANNES FALKE, 8. Semester Lehramt Gymnasium
MILCHZaHNGRINSEN!
Wenn man sich in Vorlesungen umsieht und -hört, kommt es einem beinahe so vor, als gäbe es dort mehr (werdende) El-tern als an einem Sonntag im Rostocker Zoo. Einer Erhebung des Deutschen Stu-dentenwerks aus dem Jahr 2009 zufolge ist der bundesweite Anteil der Studieren-den mit Kind zwischen 2006 und 2009 jedoch von 7 auf 5 Prozent gesunken. Zwar bekommen in Ostdeutschland mehr Studierende ihr erstes Kind vor dem Ab-schluss, das Durchschnittsalter der stu-dentischen Eltern liegt dennoch bei 30,7 Jahren. Knapp mehr als die Hälfte von ihnen, nämlich 51 Prozent, ist verheira-tet. Die Auswirkungen des Eltern-Daseins sind ebenfalls in Zahlen messbar: 40 Pro-
zent der Studierenden mit Kind unterbre-chen ihr Studium, dagegen nur 9 Prozent der kinderlosen Studierenden. Die Uni Rostock bemüht sich seit Jahren um das Image der familienfreundlichen Hochschule und hat dafür einige Projek-te angestoßen. So stellte Rektor Schareck seinen Gewinn für die Auszeichnung als »Rektor des Jahres 2010« der Einrichtung der beiden Kinder-, Eltern-, Spiel- und Stu-dierzimmer (KESS) zur Verfügung, in de-nen Studierende mit ihren Kindern arbeiten und spielen können. Zudem garantiert der Kooperationsvertrag der Uni mit der »Ge-sellschaft für Gesundheit und Pädagogik« eine bestimmte Anzahl von Kita-Plätzen für die Kinder von Studierenden. <
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POLitiSCHeS
Eligo ergo sum
Überall die Qual der Wahl. Eben erst die Stimme für den StudentINNenrat abgegeben, steht die Entscheidung für den Landtag vor der Tür, während wir uns im Fachschaftsrat noch immer die Köpfe darüber zerbrechen, wofür wir unser Geld ausgeben wollen, und Lehrer und Schüler sich
fragen, was sie mit diesem ominösen Lehrerbildungsgesetz anfangen sollen. Für mich steht jedenfalls fest, dass ich ganz tief drinstecke im Tierreich des Zoon politikon. Ich wähle, also bin ich?elisabeth, Ressortleiterin
Grafik: Michael Schultz
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www.heulermagazin.de/politischesWeb
Neue Politiker braucht das Land. am 4. September wird in Mecklenburg-Vorpommern ge-wählt. Es ist die vorletzte landespolitische Entscheidung im Superwahljahr 2011, das bereits so manche Überraschungen für die Regierungsparteien bescherte. ändert sich nun auch bei uns alles oder bleibt‘s, wie es ist? Der heuler begab sich in politische Spekulationsgefilde.
Bunte Wahlparty
Text ELISABEtH WOLDt
D ie Sonne scheint, im Barnstorfer Weg tummeln sich die Menschen, die Kröpeliner-Tor-Vorstadt (KTV) macht zu ihrem traditionel-
len Stadtteilfest mal wieder blau. Zwischen Kinderschminken, Fress-buden, Verkaufsständen und Kleinkunstangeboten dürfen natürlich auch die Parteien nicht fehlen. Denn am 4. September ist Wahltag in Mecklenburg-Vorpommern. Die Sitze im Schweriner Landtag werden neu verteilt. In vielen Kreisen stehen außerdem Kommunalwahlen sowie die Abstimmungen für die neuen Namen der Landkreise nach der Kreisgebietsreform an.Kein Wunder also, dass sich die Direktkandidaten vom Wahlkreis 6 – der die Ortsteile KTV, Hansaviertel, Gartenstadt, Südstadt, Komponis-tenviertel und Biestow umfasst – entsprechend präsentieren möchten. Da kann man beispielsweise, umgeben von Storch-Heinar-Accessoires, SPD-Mitglied Mathias Brodkorb entdecken, der 2011 wahrschein-lich zum dritten Mal in den Landtag einziehen wird. Für die CDU tritt erstmalig der Polizeibeamte Michael Silkeit an. Die FDP schickt den Rechtsanwalt Jan Hendrik Hammer ins Rennen und auch Lars Kulesch, bereits Mitarbeiter der Linksfraktion im Landtag, ist beim Stimmenfang für das Rostocker Mandat mit dabei. Ebenfalls zum ers-ten Mal auf der Liste vertreten ist Grünenkandidat Johannes Saalfeld, der noch so manchem Student als derjenige in Erinnerung geblieben ist, der 2006 als erster Prorektor für Studentische Angelegenheiten ins Rektorat der Rostocker Universität eingezogen war. Und auch das eine oder andere Mitglied der Piratenpartei ist natürlich im Getümmel um den Margaretenplatz anzutreffen. Zum Zeitpunkt des Redaktions-schlusses stand jedoch noch nicht fest, ob diese ebenfalls mit ihrer Liste zur Landtagswahl antreten darf. Es sind vor allem die zahllosen Kinder mit Partei-Fähnchen und Luft-ballons und keine aufbrausenden Debatten, die die politische Stimmung am 21. Mai in der KTV dominieren. Nicht umsonst bezeichnete der Tagespiegel den rücksichtsvollen Schlagabtausch der Parteien in MV als »Kuschelwahlkampf«. Eigentlich scheint man sich insgesamt relativ einig zu sein und zufrieden auf die vergangene Legislaturperiode zurückzubli-cken. Die heiße Wahlkampfphase hat jedenfalls noch nicht begonnen und wahrscheinlich wird diese durch den Sommertermin ohnehin eher kurz ausfallen. Selbst der durchaus polarisierende Vorstoß der CDU im Wahl-
programm, bis 2012 das Tragen von Kopftüchern in Bildungseinrichtungen per Landesgesetz verbie-ten zu wollen, schlug kei-ne außerordentlich hohen Wellen der Zustimmung oder Entrüstung. Einige wichtige Themen zeichnen sich natürlich dennoch ab, wie auch Martin Koschkar, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für vergleichende Regierungslehre des Rostocker Instituts für Politik- und Verwal-tungswissenschaften, näher ausführt. So werde die »Bildungspolitik als Landeskompetenz« sicherlich eine Rolle spielen sowie der Ausbau erneuerbarer Energien und die Idee eines »Energie-Ministeriums«. Wiederholt sei zudem die Schaffung neuer Arbeits-plätze in der Bevölkerung als zentrales landespoliti-sches Thema identifiziert worden. Auch bundespolitische Tendenzen spiegeln sich natürlich in den Prognosen wider.Laut Infratest-dimap-Umfrage vom 13. April liegt die SPD wieder klar mit 34 Prozent vorne, gefolgt vom Regierungspartner CDU, der in der Progno-se 27 Prozent erreichte. Die Koalition könnte also fortgesetzt werden, wofür sich auch mehr als die Hälfte der Befragten ausspricht. Die Linke läge zurzeit bei 20 Prozent Stimmenanteil. Das be-rühmte Otto von Bismarck zugeschriebene Zitat, demzufolge in Mecklenburg alles 50 Jahre später geschehe, wird sich zumindest in Bezug auf die
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6 NPD-Mitgliederhielten 2006 einzug ins
Schweriner Schloss.
Mehr sind es auf Landesebene nur in Sachsen.
1.230 Petitionengingen 2009 beim Land ein.
Für alle Wähler, die Landespolitik öfter als nur alle fünf Jahre beeinflussen wollen:
https://www.petition.landtag-mv.de
F inanzordnung (FiO) »bis zum Erbrechen«: Der amtierende Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) hat es sich zum Ziel gesetzt, einem Miss-
brauch von Fachschaftsmitteln mit aller Macht entgegenzuwirken. Dabei stützt er sich auf die vom StudentINNenrat (StuRa) im Februar 2009 be-schlossene FiO, die ausgehend vom Bericht des Landesrechnungshofes weiter präzisiert wurde. Das Verschenken von Lebensmitteln und Getränken sowie die Bezahlung von Studenten als Tutoren sind seitdem verboten. Traditionelle Grillfeste mit kostenlosen Würstchen und Bier oder freie Knabbereien bei Kinoabenden fallen damit weg, da Verpflegung mindestens zum Einkaufs-preis weitergegeben werden muss. Und so bleibt das Geld bei den Fachschafts-räten (FSR) oft liegen, während es an anderer Stelle fehlt. Per-Arno Plötz, vertraut mit den Geldern der Physikfachschaft, hält die Beschränkungen für übertrieben: »Die Finanzentscheidungen sind demokratisch durch die FSR legitimiert. Ich habe den Eindruck, dass unsere Kommilitonen die Grillfeste wollen. Warum soll ihrem Willen nicht entsprochen werden?«, fragt er sich.Doch nicht nur Partys, auch anderen Fachschaftsaktivitäten wird der FiO-Riegel vorgeschoben. So durfte etwa ein Tutorium, das vom Poldi, dem Rat
der Politikwissenschaftler, zur Einführung in das wissenschaftliche Arbei-ten angeboten wurde, nicht finanziert werden. Poldi-Mitglied Robert Wolter sieht generell nur wenig Spielraum bei der Nutzung der Mittel: »Wir schaf-fen es nicht, die Gelder auszugeben, da sich die meisten unserer Veranstal-tungen refinanzieren.« Er wünscht sich mehr Kulanz, damit die zahlenden Studenten auch etwas für ihr Geld bekommen könnten. Dass sich einige FSR gedrängt fühlen, Schwarzkonten zu unterhalten, wundere ihn nicht. Und auch Sarah Grote, AStA-Referentin für Finanzen, gibt zu, dass die FiO »sehr starr« sei.Wofür also darf das Geld überhaupt ausgegeben werden? Für Sachmittel zum Beispiel. Um dabei möglichst viel kreative Energie zu nutzen, hat der Fachschaftsrat der Physik einen Ideenwettbewerb unter seinen Studenten ausgerufen. 500 Euro stehen für Vorschläge zur Verfügung. Neben einer kleinen Bibliothek wurden bereits die Sanierung des Fachschaftsraums und ein eigener Physikserver für Altklausuren und Protokolle in Erwä-gung gezogen.Übrigens: Jene FSR, die eher mit zu kleinen Budgets zu kämpfen haben, nehmen sich vielleicht ein Beispiel an den Medizinern. Diese betreiben erfolgreiches Sponsoring und lassen sich die Stadt-Rallye der Erstis und den Medizinerfasching von einer Kliniken-Kette sowie einem priva-ten Finanzberater bezahlen – als Gegenleistung für Werbung. »Auf das Fachschaftsgeld selbst müssen wir kaum zurückgreifen«, stellt Thomas Mittag, Finanzer der Mediziner, fest. Mittlerweile beläuft sich dieses auf gute 5.000 Euro und entspricht damit dem Subventionsvolumen der Kul-turwoche, für dessen Erhalt der StuRa unter anderem besagte Beitrags-erhöhung beschlossen hat.So oder so, Strafen brauchen reiche Fachschaften nicht zu befürchten. Ob die ungenutzten Mittel zukünftig auf die gesamte Studierendenschaft umgeschichtet werden können, muss unter Berücksichtigung rechtlicher Möglichkeiten im StuRa diskutiert werden. <
Text JOHANNES KRAUSE
trotz vieler Investitionsmöglichkeiten häufen einige Fachschaftsräte kleine Reichtümer an, während der StudentINNenrat sparen und Beiträge erhöhen musste.
Finanzordnung bis zum Erbrechen
Grünen wohl nicht bewahrheiten. Bei Umfrage-werten von rund 10 Prozent sieht es im Moment so aus, als könne die Partei sicher ins Schweriner Schloss einziehen und damit auch den letzten noch fehlenden Landtag der Bundesrepublik er-obern. »Wichtig ist: Nicht nur der Bundestrend spricht für die Grünen«, analysiert Martin Koschkar die Werte. Schon die Wahlen 2009 hät-ten gezeigt, »dass die Grünen auch vor der neuen Atomdebatte das Potenzial hatten, erstmals die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen«.Fast schon gewohnt entgegengesetzt ist dage-gen der Trend bei der FDP. Mit nur 3 Prozent Zustimmungsanteil bei der Sonntagsfrage muss sie spätestens, seitdem die enormen internen Streitigkeiten bei den Nominierungen für die Landesliste offenbar wurden, um den Einzug
ins Parlament bangen. Auch bei der NPD ist der Stand ungewiss. Zwar gaben ihr »nur« 3 Pro-zent der an der Umfrage Beteiligten ihre Stim-me, doch erfahrungsgemäß entscheiden sich an der Urne mehr Personen für das Kreuz bei der Partei am rechten Rand als im Vorhinein zuge-geben. In Sachsen-Anhalt habe sich in diesem Jahr gezeigt, dass eine gestiegene Wahlbeteili-
gung dazu beitragen könne, der NPD den Ein-zug in den Landtag zu verwehren. »Das wird auch in MV entscheidend sein«, so die Meinung von Politologe Koschkar. Und wer macht in der KTV das Rennen, dem Stadtteil Rostocks, in dem die meisten Studenten wohnen? Seit 1994 war es immer die SPD, die in diesem Wahlkreis das Direktmandat holte. Doch insgesamt ist das Thema Landtagswahl an der Universität wenig präsent – abgesehen von der umstrittenen Fachtagung der SPD im April (siehe heuler Nr. 93). Mit Ausnahme von kleineren und größeren Projekten am Institut für Politikwissen-schaften scheinen die großen Veranstaltungen zur politischen Bildung auszubleiben. Mögen die Spe-kulationen weitergehen! <
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1,574 Mrd. Euroenthielt der Haushalt 2010für Bildung, Wissenschaft,
Forschung und Kultur.
Davon 478,5 Millionen Euro für Hochschulen.
Text ELISABEtH WOLDt
Politische Bildung
Transparenz ist das A und O demokratischer Arbeit. Das macht sich im Falle des Deutschen Bundestags nicht nur durch Norman Fosters beeindruckende Kuppelkonstruktion bemerkbar – Protokolle, Geset-zesentwürfe, Tagesordnungen und vieles mehr wer-den zeitnah online veröffentlicht, per Parlaments-fernsehen hat jeder die Chance, Diskussionen live mitzuverfolgen, und auf Antrag erhält der interes-sierte Bürger sogar persönlichen Zutritt zu den Or-ten, an denen Entscheidungen nationaler Tragweite getroffen werden. All dies erfordert Kapazitäten, die hochschulpolitische Gremien natürlich nicht unbe-dingt zur Verfügung haben. Doch statt wenigstens die zu nutzen, die sie haben, versteckt sich in Ros-tock so mancher Vertreter hinter dem ominösen Status der »Hochschulöffentlichkeit«. Dieser legt dann selbst den studentischen (!) Medien allzu häu-fig Steine in den Weg, beispielsweise um den bereits vielfach gewünschten Entscheidungs-Liveticker von Sitzungen des StudentINNenrats zu blockieren. Was das in einem öffentlichen Raum soll, wenn es um die selbst gezahlten Gebühren, um die eigene studenti-sche Zukunft und um die selbst gewählten Vertreter geht, bleibt vielen Studierenden dabei häufig unklar. Ungenaues Wissen und fehlende Anerkennung der dortigen Arbeit verwundern unter diesen Umstän-den jedoch kaum. Man stelle sich so etwas einmal beim bundesdeutschen Parlament vor …
UND täGLICH GRÜSSt DIE
»HoCHSCHULÖFFENtLICHKEIt«
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Lesung: Hauke thoroe – »Herrschaftskritik: analysen. aktionen. alternativen.«
Ein Buch über Herrschaftssysteme, deren Mechanismen und die daraus resultierenden Handlungs-spielräume. Und das alles auf 170 Seiten, inklusive persönlicher Erfahrungen und umfangreiche weiterführende Literaturangaben. Das Rostocker Friedensbündnis veranstaltet im Rahmen der Politischen Donnerstage des Vereins Soziale Bildung eine Lesung mit dem autor Hauke thoroe.
23. Juni 2011, 20:00 Uhr, Peter-Weiss-HausTermin
26. Juni, 16:00 Uhr, Freigarten Peter-Weiss-Haus Auftakt
Veranstaltungsreihe: Frauenfußball
am 26. Juni beginnt die sechste Fußballweltmeisterschaft der Frauen. Grund genug für die Heinrich-Böll-Stiftung, sich zusammen mit zahlreichen anderen Vereinen des Landes und der Stadt Rostock mit der Geschichte des Sports und seinen gesellschaftpolitischen Dimensionen in einer Veranstaltungsreihe auseinanderzusetzen. Den auftakt dazu bildet natürlich das gemeinsame Schauen des Eröffnungsspiels. Doch auch viele Vorträge und Diskussionsrunden sind geplant.
tagung: »Perspektiven des Fortschritts«
Die Zeit des bedingungslosen Wachstumsglaubens scheint endgültig vorbei zu sein. Doch wo genau liegen sie, die Wege zum Fortschritt jenseits rein materieller Definitionen und ohne dabei Gerechtigkeit, Glück, Ökologie, Lebensqualität, Bildung und Integration zu vernachlässigen? In Kooperation mit dem Verein der Hochschulinitiative Demokratischer Sozialismus veranstaltet die Friedrich-Ebert-Stiftung eine tagung, auf der solche Fragen ausführlich diskutiert werden sollen.
Termin 1. bis 3. Juli, Schwerin Web www.fes-mv.de
Termine
Web www.boell-mv.de
Web www.soziale-bildung.de
Preis 50 euro tagungsgebühr
Servicenummer
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2011 + 2012
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D er fzs wirbt um den Beitritt unserer Studierendenschaft und stellt dafür bundesweiten politischen Einfluss in Aussicht. Der vorgegebene Einfluss
dieses Zusammenschlusses ließ sich aber weder bei der unausgegorenen Präsentation vor dem StudentINNenrat feststellen, noch erschließt er sich bei der Recherche im Netz. Parteipolitikern, die sich auf Bundes- oder Landesebene für hochschulpoliti-sche Belange einsetzen, ist dieser Verband zudem häufig unbekannt. Viel dichter am Ort der wichtigen Entscheidungen befinden sich die hochschulpolitischen Verbände, die den bekannten Parteien nahe stehen, so der RCDS, die LHG, die Juso-Hochschul-gruppe oder Campusgrün. Diese Interessenvertreter bieten ihren Service zum Null-tarif an und lassen sich ihre Arbeit nicht jährlich 12.000 Euro kosten, die im Falle einer Mitgliedschaft von allen Studenten der Uni Rostock getragen würden – nicht zuletzt mit dem Hintergrund einer erst kürzlich vorgenommenen Erhöhung des Bei-trags für die Studierendenschaft um 40 Prozent eine untragbare Summe. Problema-tisch gestaltet sich zudem die inhaltliche Ausrichtung des fzs. Trotz des vermeintlich überparteilichen Anspruchs werden beispielsweise mit der Forde-rung nach einem zulassungsfreien Zugang zu Masterstudienplät-zen und der Ablehnung der Exzellenzinitiative mehrheitlich linke Positionen vertreten, die nicht dem Willen aller Studenten der Uni Rostock gerecht werden können. Demzufolge ist die Ablehnung des Beitritts die einzig logische Konsequenz.
Text MARtIN LAU, Vorsitzender des Rings Christlich-Demokratischer Studenten
LINKE aUSRICHtUNG PRoBLEMatISCH
S ollte sich die Rostocker Studierendenschaft die Mitgliedschaft im fzs leisten? Oder anders gefragt, wie lange können es sich die Studierenden in Rostock
noch leisten, kein Mitglied zu sein? Der Wert eines Netzwerks ist schwer messbar. In Mecklenburg-Vorpommern ist die Landeskonferenz der Studierendenschaften die legitime Vertretung der 38.000 Studierenden im Land. Ihre Bedeutung hängt davon ab, wie sehr sich die einzelnen Studierendenvertretungen einig sind und ihre Lobbyarbeit ernst nehmen. Der Zusammenhalt ist gerade dann hoch, wenn Gefahr droht. Doch Hochschulrektoren und Professoren haben ihre Bundesvertretung, die Mitarbeiter ihre Gewerkschaft, und auch die Studierenden sollten eine gewichtige Vertretung haben, wenn das nächste Mal Einsparungen anstehen und der Ruf nach Gebühren wieder lauter wird. Zu den Kosten des fzs: Solange es keine Fernleihgebühren in Rostock gibt, wirken der Beitrag von 40 Cent pro Semester als »Solidaritätszuschlag« für jene, die unter Gebühren leiden und selbst über keine ver-fasste Studierendenschaft verfügen, also Studierendenschaften in Bayern und Baden-Württemberg.
FALKO tESCH, Sprecher der Juso-Hochschulgruppe Rostock
NEtZWERKE SIND UNBEZaHLBaR
Text
als Dachverband zahlreicher deutscher Stu-dierendenvertretungen kämpft der »freie zu-sammenschluss von studentInnenschaften« auf Bundesebene für bessere Hochschulbedin-gungen. Zurzeit diskutiert auch der Rostocker StudentINNen rat über einen Beitritt.
Der fzs – Die Vertretung auf Bundesebene
Text ANDRÉ OLBRICH
e twa 80 Studierendenparlamente und Allgemeine Studie-rendenausschüsse sind gegenwärtig im »freien zusammen-
schluss von studentInnenschaften« (fzs) organisiert. Damit repräsentiert der derzeit einzige überparteiliche deutschland-weite Studierendenverband rund eine Million Menschen. Die vorrangigen Ziele des fzs sind unter anderem die Vernetzung der Studierendenvertreter und die Beteiligung der Studieren-denschaften an hochschulpolitischen Entscheidungen auch auf Bundesebene. Damit stößt der Dachverband in ein Feld, das wenig Beachtung findet, denn Bildungspolitik ist zum größten Teil Ländersache. Dennoch werden wichtige Entscheidungen wie zum BAföG oder dem neuen »Deutschlandstipendium« (siehe heuler Nr. 93) in Berlin getroffen. Aus dem Einwirken auf diese Entscheidungen leitet der fzs im Wesentlichen seine Existenzberechtigung ab. Darüber hinaus organisiert er Work-shops, startet Kampagnen, leistet Pressearbeit und unterstützt seine Mitglieder vor Ort. Für seine Arbeit verlangt der fzs von den angeschlossenen Studierendenvertretungen eine finanzielle Unterstützung. So zahlt jedes Mitglied jährlich einen Beitrag von 80 Cent für jeden an seiner Hochschule eingeschriebenen Studierenden. Der StudentINNenrat der Universität Rostock erhält derzeit 7 Euro pro Semester von seinen Studierenden, sodass die Summe einen nicht unwesentlichen Teil seines Haushalts ausmachen würde. Dementsprechend herrscht Skep-sis darüber, ob ein Beitritt zum Dachverband für die Rostocker Studierendenschaft sinnvoll ist.In Anbetracht der schlechten Haushaltslage muss eine Mit-gliedschaft sorgsam überdacht werden. Eine bundesweite Ver-netzung erscheint durchaus erstrebenswert, allerdings muss dies mit den Kosten der Mitgliedschaft abgewogen werden, um im fzs nicht nur eine weitere finanzielle Belastung, son-dern auch eine echte Chance sehen zu können. <
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Illustration: Hannes Falke
2006 gab die frisch gewählte schwarz-rote Koalition Mecklenburg-Vorpommerns die Erarbei-tung eines Lehrerbildungsgesetzes als eines ihrer Ziele für die anstehende Legislaturperiode bekannt. Pünktlich zum Ende eben dieser wird der Entwurf im Eilverfahren durchgepeitscht und beschlossen. aber was ändert sich damit für (zukünftige) Lehramtsstudierende?
Neue Lehrer braucht das Land
GESA RÖMERText
D as Lehrerbildungsgesetz (LBG) regelt die wichtigsten Schritte auf dem Weg in den vermeintlichen Traumberuf »Lehrer« – von der
Bewerbung über den Verlauf des Studiums bis hin zum Referendariat. Mit der Fassung, die Ende Juni verabschiedet werden soll, ergeben sich somit entscheidende Veränderungen für alle, die zukünftig in Mecklen-burg-Vorpommern ein Lehramtsstudium aufnehmen wollen, aber auch für jene, die bereits studieren. Die wichtigste Änderung für Studierende sei die Einführung von einheitlichen Studienordnungen, so Benjamin Ple-ban, Vorsitzender der Studentischen Lehramtskommission. Das Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung wird demnach für jedes Fach eine einheitliche Studienordnung pro Lehramtsstudiengang erarbeiten, die dann vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur abgesegnet werden muss. Dadurch solle die lästige Frage »Welchen Leistungsnachweis brauche ich wirklich und welchen muss ich nur für mein Institut machen?« endgültig geklärt werden, erläutert Pleban weiter. Zudem hält der Bologna-Prozess durch das neue Gesetz nun auch in den Lehramtsstudiengänge Einzug. Die Modularisierung, die in den meisten Naturwissenschaften schon Praxis ist, soll damit allgemein gültig sein. Hinzu kommt, dass mindestens 50 Prozent der Module benotet werden und in die Endnote einfließen. So erhält der Student am Ende zwar einen Abschluss mit dem Siegel »Staatsexamen«, hat aber im Grunde eine Misch-form aus Bachelor/Master und Examen studiert.Mit dem LBG verankert die Regierung darüber hinaus die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in das Lehramtsstudi-um, welche festlegt, dass Schüler mit besonderem Förderbedarf unterschied-lichster Art, die in Deutschland häufig »Sonderschulen« besuchen, von nun an die Möglichkeit haben müssen, auch an »normalen« Schulen zu lernen. Das Prinzip Inklusion erfordert damit für jeden Lehrer eine sonderpädago-
gische Grundausbildung, die nun neben den bekannten Bestandteilen der Fach- und Bildungswissenschaften verpflichtend studiert werden soll. »Die Umsetzung dieser Neuerung ist zwar nicht revolutionär, aber doch dringend notwendig«, so Pleban. Für Christian Berntsen, Vorsitzender des Allgemei-nen Studierendenausschusses (AStA), sei diese Neuerung sogar die wichtigs-te im gesamten LBG. Umso unzufriedener wirkt er mit der Tatsache, dass Studierende des gymnasialen Lehramts von dieser Regelung nicht betroffen sind. »Die Regierungskoalition geht scheinbar davon aus, dass es an Gym-nasien keinen sonderpädagogischen Förderbedarf gibt. Sollte gehandicapten Kindern dadurch der Zugang zu Gymnasien erschwert werden, wäre dies ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenkonvention und ein Festhalten an der Zwei-Klassen-Gesellschaft«, erläutert er. Während des Wissenschaftsta-ges der CDU brachte Berntsen deshalb aus Protest den Ablauf durcheinander, indem er vor Anette Schavan auf seine Redezeit bestand – mit Erfolg. Die Anmerkungen der Studierenden zum Lehrerbildungsgesetz wurden gehört und der AStA-Vorsitzende hinterher für sein Engagement gelobt. Doch das Gesetz greift auch schon in die Zeit vor dem eigentlichen Studium. So konnte man sich bisher für zulassungsfreie Fächer einfach eintragen, für zulassungsbeschränkte war das normale Online-Bewerbungsverfahren der Universität zu nutzen. Nun sollen sich alle Interessierten einer verpflich-tenden Studienberatung unterziehen. Im Falle eines zulassungsbeschränk-ten Faches sollen zusätzlich Auswahlgespräche sowie Studierfähigkeitstests eingeführt werden. Ähnliches gibt es beispielweise an der Universität Jena, wo bis zum dritten Semester ein sogenanntes Eingangspraktikum absol-viert werden muss. Zwar spricht die Uni nur die Empfehlung aus, das 320 Stunden umfassende Praktikum am besten vor Beginn des Studiums zu absolvieren, dieses jedoch in den ersten zwei Semestern nachzuholen, ist aber wohl nur theoretisch möglich.Auch die Studienmöglichkeiten verändern sich mit Einführung des neuen LBGs stark, da die bisher existierenden Studiengänge für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen, an Haupt- und Realschulen, an Gymnasien sowie die Sonderpädagogik nun an das seit mehreren Jahren praktizierte Schulsys-tem angeglichen werden. So müssen sich zukünftige Studierende fortan zwi-schen den Fachrichtungen Sonderpädagogik und den Lehrämtern für Grund-schulen, Regionalschulen, Gymnasien und – wieder neu – Berufliche Schulen entscheiden. Die Lehrämter für Gymnasien und Regionalschulen erleben zusätzlich eine Erhöhung der Regelstudienzeit auf zehn Semester, während Sonder- und Grundschulpädagogen ihr Studium weiterhin in neun Semes-tern schaffen müssen. All jene, die eine Fächerkombination studieren, für die ein dringender Bedarf seitens des Landes festgestellt wird, genießen bald ein besonderes Privileg: Ihnen muss die Universität die Möglichkeit garantieren,
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in den letzten Semestern – und auch im laufenden – wurde hin und wieder die zunehmende Verrechtlichung der Universität beklagt. Auf einmal müsse alles recht-lich korrekt laufen, Studien- und Prüfungsordnungen seien einzuhalten und die Dozentin/der Dozent könne nicht mehr frei entscheiden. Um eines vorwegzuneh-men: Ich bin jederzeit für gute Lösungen, Konsens und Pragmatik zu haben. Und an der einen oder anderen Stelle kann man auch mal fünfe gerade sein lassen. Aber eben leider – oder zum Glück – nicht überall. Und immer dann, wenn eine oder einer von euch zu mir kommt und von einem Problem im Studium berichtet, frage ich nach der Rechtsgrundlage für ihre oder seine Situation. Häufig ist damit das Problem schon gelöst. Was nicht in einer Prüfungs- oder Studienordnung vor-gesehen ist, kann nicht gefordert werden. Das gilt für eine Anwesenheitspflicht, Vorleistungen, Zulassungs-bedingungen (zum Beispiel »Bewerbungsmappen«) ebenso wie für mündliche Prüfungen mit einem Prüfer ohne Beisitzer. Das wundert viele Studierende und der Fachmann ärgert sich, ist aber relativ leicht erklärt. Die Universität könnte man als große Behörde sehen (was sie tatsächlich auch ist). Natürlich soll hier hauptsächlich geforscht, gelernt und gelebt werden in der großen Einheit aller, aber es gibt eben auch den üb-lichen Verwaltungskram: Prüfungen, Zeugnisse, Noten, Einschreibungen und lauter andere Entschlüsse. Und jede dieser Entscheidungen braucht eine Rechtsgrund-lage, sonst wäre das Handeln willkürlich. Für Prüfun-gen sind das die Prüfungs- und Studienordnungen. Auch vieles andere ist dort geregelt. Wenn‘s also mal wieder wunderlich wird, einfach folgende Frage stellen: »Rechtsgrundlage?« Sollte es dann noch immer nicht zu einer pragmatischen Lösung im Konsens kommen, hilft halt das, was bei jeder Verwaltung funktioniert: »Widerspruch!« Den Rest erledigen – wenn die Rechts-grundlage fehlt – die Prüfungsausschüsse und der Widerspruchsausschuss. Bis heute übrigens jedes Mal, also traut euch! Euer Heiko
Heiko Marski ist Prorektor für Studentische Angelegenheiten (PSA) und kümmert sich im Rektorat um die Belange der Studierenden.
SINN UND UNSINN VoN »RECHtSGRUNDLaGE« UND »WIDERSPRUCH«
Liebe Mitstudentin, lieber Mitstudent,
PSA-Newsihren Abschluss innerhalb der Regelstu-dienzeit zu schaffen. Gleichzeitig führt das LBG theoretisch eine maximale Teil-nehmerzahl für Seminare und Übungen der Bildungswissenschaften ein, sodass künftig zwar eine bessere Lernatmo-sphäre durch kleinere Seminargruppen bestehen soll, wie aber die zusätzlich notwendigen Seminare finanziert wer-den, sei laut Berntsen wie auch bei dem aufwendigeren Bewerbungsverfahren bisher unklar.Auch auf das Referendariat, den zwei-ten Teil der Lehramtsausbildung, übt das Lehrerbildungsgesetz Einfluss. Da-mit wird nun als einziger Regeleinstel-lungstermin der 1. Februar festgelegt, wodurch lange Wartezeiten nach dem Studien ende entstehen. Die praktische Ausbildung dauert dann 18 Monate. Das entspricht einer Verkürzung um sechs Monate, wie es jedoch ohnehin
D ie Einführung eines neuen Lehrerbildungsgesetzes ist lange überfällig. Aller-dings ist der derzeitige Entwurf des Landtages ein halbherziger Versuch, den
Lehrer(innen)beruf zu modernisieren. Besonders fehlerhaft ist die Umsetzung der neu gestalteten Lehramtstypen, da weder beim Lehramt für Gymnasien und Berufs-schulen die sonderpädagogischen Anteile vorhanden sind, noch eine Erhöhung der Bildungswissenschaftsanteile aller Lehrämter abzusehen ist. Ein Schulsystem, das gleichberechtigt mit Kindern und Jugendlichen mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen umgeht, wird dadurch nicht zustande kommen! Das Gymnasiallehramt wird jedoch ohnehin auf zehn Semester Regelstudienzeit erweitert, also wäre eine Berücksichtigung der sonderpädagogischen Anteile kein großes Problem gewesen.Positiv ist auf jeden Fall die Modularisierung, auch wenn sich durch den Einfluss der Modulnoten auf die »Staatsexamensnote« der psychische Druck auf Studieren-de erhöhen wird. Darauf müssen die Lehramtsstudierenden bei der Erstellung der Studienordnungen also besonders achten – dabei ist Teamwork gefragt, um zukünf-tige Studierende zu schützen. Als besonders kritisch zu betrachten ist die Doppelqualifikation beziehungsweise die Lehrbefugnis für Fachwissenschaftler. Lehramtsstudierende erwerben in ihrem fünfjährigen Studium wichtige didaktische und pädagogi-sche Kompetenzen und Fertigkeiten, die nicht durch ein paar Seminare ausgeglichen werden können! Chirurgen werden auch nicht ohne praktische Erfahrung auf ihre Patienten losgelassen.
Text BENJAMIN PLEBAN, Vorsitzender der Studentischen Lehramtskommission
FEHLERHaFtE UMSEtZUNG
seit gut zwei Jahren ohne Rechts-grundlage erfolgt. Eine Alternative bie-tet die sogenannte Doppelqualifikation (siehe heuler Nr. 89). Diese ermöglicht eine Einstellung auch zum 1. August. In den ersten sechs Monaten erwirbt der Referendar durch Seminare und Hospitationen die Erlaubnis, in einem weiteren Schultyp als dem von ihm eigentlich studierten unterrichten zu dürfen. Diese Regelung ist allerdings nur bei einem besonderen Bedarf sei-tens des Landes möglich.Insgesamt lässt sich sagen, dass einige der Neuerungen durch das LBG längst überfällig waren. Doch der vermeint-liche Zeitdruck, dem die rot-schwarze Koalition so kurz vor den Wahlen aus-gesetzt war, sorgt wohl erneut dafür, dass viele gute Ideen in einem Gesetz landen, bevor sie vollständig durch-dacht wurden. <
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KULtUR
Königliches Gerangel
E s liegen alle Karten auf dem Tisch: Bud Spencer illustriert im LOMO-Style. Donata kämpft gegen Terence Hill. Der Trend der Lomografie erreicht die Liebe unserer Redakteurin Yvonne und der mecklenburgische Adel hat uns dazu animiert, unsere
Rezensionen zu ordnen und pikant aufzuhübschen. Also erfreut euch an viel Neuem und ein wenig traditioneller Aristokratie.Karo, Ressortleiterin
www.heulermagazin.de/kulturWeb
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Fotos: Yvonne Hein
Eine Liebeserklärung an eine analoge Kamera
Meine Liebe: meine LOMO
Text YVONNE HEIN
Bewerbt euch! Calling all artists –Bildwettbewerb »Rostocks Kultur(t)räume«
Gemeinsam mit dem Kulturreferat des allgemeinen Studieren-denausschusses rufen wir alle studentischen Künstler auf, sich am Bildwettbewerb »Rostocks Kultur(t)räume« zu beteiligen und zu erkunden, was die Stadt und ihre Bewohner kulturell zu bie-ten haben, wo Kunst entsteht und wie vielfältig Kultur in Ros-tock ist, ob alles irgendwie Masse ist oder doch noch Nischen und Verborgenes existieren. Eine kreative aus einandersetzung mit dem thema steht im Vordergrund. Wir verstehen den Begriff als weit fassbar: Was ist, was war, was kommt und was fehlt? Lasst euch von Rostocks Kulturlandschaft inspirieren und erweitert sie selbst.am Wettbewerb können sich Rostocker Studentinnen und Stu-denten in den Genres Fotografie, Malerei, Zeichnung, Grafik, typo und Collage beteiligen (maximales Format: 50 x 75 cm).
einsendeschluss: 15. September 2011Termin
24. bis 26. Juni 2011, Zoo, Kunsthalle, Kulturhistorisches Museum
Termin
See more Jazz-Festival
Jazz wohin das auge reicht und die ohren lauschen kön-nen. In der Rostocker Stadtgemeinschaft werden am letzten Juni-Wochenende schillernde Kontrabasse, volltönige trom-peten, Klaviere und Saxophone erklingen. Wir lieben doch alle die Kompositionen des John Coltrane, den »Cool Jazz« des Miles Davis und die wundervolle Stimme der Billie Ho-liday und leben schließlich noch heute nach dem Fazit des Songs von Louis armstrong »What a Wonderful World«. also lasst uns unsere trommelfelle berühren von den entspannen-den tönen des »Manhattan Experiment« oder des »Ramón Valle trio«. Zwar sind die Karten etwas kostspielig, aber manchmal sollte man eben auch in die Kultur investieren.
Q-Tipps!
Web www.seemorejazz.de
Web demnächst auf heulermagazin.de
K l ick-r itschritschritsch-kl ick-r itschritschritsch-kl ick-r itsch- ritschritsch… Dieses unverwechselbare Geräusch erklingt, wenn ich
mit meiner Kamera Fotos mache. Denn sie ist nicht nur irgendeine »nor-male« Kamera. Mit ihr schießt man nicht Tausende Digitalbilder, die dann auf der Speicherkarte oder auf dem Computer verschimmeln. Nein, meine geliebte analoge Kamera ist eine LOMO. LOMO? Was ist das? Dieses Gerät ist eine Kleinbildkamera im Retro-Stil, die von einer sowjetischen Firma namens »Leningradskoye Optiko Mechanicheskoye Obyedinenie« für Spionagezwecke entwickelt wurde. Sie ist rein mechanisch, braucht also keine Batterien. Lediglich ein einfacher, handelsüblicher Film ist zu kaufen, der dann auf die altherkömmliche Art entwickelt werden muss.Immer wieder platze ich fast vor Neugierde, wenn ich einen Film von der Entwicklung abhole. Welche Fotos sind etwas geworden? Was und wie viel kann man erkennen? Und jedes Mal freue ich mich aufs Neue wie ein Honig kuchenpferd, sobald ich die fertigen Fotos in der Hand halte. Die Über-raschung ist stets groß. Einige Bilder sind über- oder unterbelichtet, andere sind nur bunt, verzerrt oder haben einen dekorativen Farbrand. Doch die meisten geben das gewünschte Objekt wieder, natürlich im lomografischen Stil. In jedem Foto ist etwas Einzigartiges enthalten, jede Farbe überzeugt mit Einmaligkeit, jedes Motiv erhält eine völlig neue Bedeutung …Da man den Film nach jedem Schuss manuell weiterdreht, können Expe-rimentierfreudige wunderbare Effekte erzielen. Zum Beispiel: einfach mal nicht weiterbewegen und somit zwei Fotos übereinander ablichten. Man kann auch drei oder vier Bilder kombinieren, ein Bild nur halb weiter-drehen, zwei nebeneinander projizieren oder die Kamera umdrehen und dadurch ein gerades und ein auf den Kopf gestelltes Bild in einem Foto zu-sammenfügen. Da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Zusätzlich ist jede Kamera mit einem Blitz und Farbfiltern ausgestattet, wodurch äußerst ungewöhnliche Aufnahmen mit brillantem Farbenspiel möglich sind. Zugegeben, sie ist wirklich nur eine Schnappschusskamera, aber normale Urlaubsfotos sind doch irgendwann langweilig und eintönig. Und genau deshalb liebe ich meine LOMO-Kamera, eine »Diana Mini« – nicht je-des Foto wird etwas, aber alle anderen sind, jedes für sich, großartige Kunstwerke! <
E-Mail [email protected]
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Donata zu Mecklenburg von Solodkoff, alleinerbin und Chefin des großherzoglichen Hauses Mecklenburg-Schwerin, erhebt letzte Restitutionsansprüche gegen das Land. Mit dem umstrittenen Kunstdeal geht eine ära zu Ende.
8 Millionen Prinzenkröten
Text ALFONSO MAEStRO
S ie ist ein paar »Serienmittwoche« wert, die Geschichte dieses Fürs-
tengeschlechts. Jahrhunderte herrschte es ununterbrochen über unsere schönen Länder: Von 1131 bis 1918 dauerte das Macht-Abo der Abodriten an. In diesem für den Adel besonders gemütlichen Jahr flüchteten die Wilhelms und Friedrichs ins Exil oder begingen einfach Selbst-mord. Nach der Abschaffung der Mo-narchie, zwei Weltkriegen und anderem Holpern war die Party dann aber vorbei. Dennoch kostete der machtpolitische Ab-sturz die Familie nicht allzu viel von ihrem Dandy-Appeal, immerhin tru-gen die Schlösser, in denen sie resi-dierten, Namen wie Glücksburg und Sorgenfri. Heute steht Donata an der Spitze des Hauses Mecklenburg-Schwerin, die Toch-ter von Christian-Ludwig Ernst August Maximilian Johann Albrecht Adolf Friedrich Herzog zu Meck-lenburg. Als dieser in den Mittneunzigern gestorben war, übernahm sie alle Geschäfte und erwarb verlorengegangene Territorien zurück. Aktuell wird über den ehemaligen, weil einst enteigneten Kunstschatz der Fami-lie verhandelt. Die Gemäldesammlung, die antiken Möbelstücke, Uhren und andere Paraphernalien werden auf 7,9 Millionen Euro geschätzt und sind derzeit in staatlichen Museen ausgestellt. Die Landesregierung zeigte sich kompromissbereit (und supermutig) und bot 4 Millionen in bar sowie 4 Millionen in Wald.Die Reaktionen des kleinen Mannes: gemischt. Zum einen melden sich in Diskussionsforen Hippies mit »Crocs« zu Wort, mit juristisch soliden Ar-gumenten wie dem des Waldjahres 2011. Wie kann man nur unter solch einem bösen Stern Wälder privatisieren? Nun, es gibt harte Fakten, die dafür sprechen. Etwa das Charlotte-Jahr 2011, das 250. Krönungsjubiläum der Herzogin Sophie Charlotte zu Mecklenburg zur britischen Königin. Da kommt der zu verschenkende Wald wie gerufen. Was für ein Drahtseilakt für Henry Tesch, Kultusminister und Schirmherr des Charlotte-Jahres in Personalunion. Soll er sich mit der Geschichte gut stellen oder mit den Hip-pies? In einem anderen Forum heißt es, die Herzogin gehöre zu uns, so wie der Wald zu uns gehört. Man dürfe das der Herzogin doch nicht entsagen.
Es bleibe alles in MV! Diese begeis-terte Untertänigkeit, die man sonst nur aus Spanien oder England kennt, galt es zu untersuchen: Wird sie gar
von einer breiten Masse getragen? Wenn ja, so kann man dem Volk diese Freude nicht nehmen. Vor allem weil es nur ein paar Millionen kostet. Aber die Recherche ergab allen Erwartungen zum Trotz, dass Donata mit exakt null likes auf Facebook so beliebt ist
wie eine Schönheits-OP am Knie. Zur Anschauung: Ein anderer exzentrischer Reicher mit vielen Gerichtsterminen, Dennis Rodman, hat 56.454. Das sind 56.454 likes mehr. Die Regierung hat das sofort gerochen und macht den Wald nicht mehr locker.
Für Donata ist das Täuschungsmanöver aus Schwerin alles andere als hakuna matata. Sie fordert seit wenigen Tagen zusätzlich 100.000 Euro Entschädigung für den
Vertragsbruch. Norbert Nieszery, Fraktionsvorsitzender der Landes-SPD, appelliert an ihre Menschlichkeit und fordert die Übertragung der Kunst-gegenstände an das Land. Dies würde ihr, so Nieszery, »große Verdiens-te um das Land MV« einbringen. Sehr blumig. Wann war das noch mal, dass Mecklenburg-Vorpommern zum letzten Mal etwas verschenkt hat? Im Charlotte/Wald-Jahr jedenfalls nicht. Der Streit könnte ewig so weitergehen, doch der Nießbrauch endet 2014 – spätestens da muss der Deal sitzen.Dass es dabei nicht um die Ölbildnisse gepuderter, toter Mecklenburger geht, ist klar. Donatas Forderung ist dekadent, aber rechtmäßig. Sacrebleu! Was wenn ein Nachkomme von Louis XIV jetzt auftaucht und Frankreich zurückfordert? Hätte der Verfasser dieses Textes wie sein Vater Jura stu-diert, würde er solche Fragen nicht stellen. Andere Frage: Können enteig-nete Millionäre wenigstens rappen? Früher haben Adlige noch gedichtet, welche nützlichen Funktionen verantworten sie heute? Mit Hochzeiten und Sexskandalen werden wir in dieser Region auch nicht gerade überschüttet – eine Haltung, die in ihrer Diskretion den Habitus der Adligen aus »taff« geradezu negiert. Fazit: Durch ihr vornehmes Gehabe enttäuschen sie nur die hiesige Fanbase, die sich nichts sehnlicher wünscht als einen Prinzen von Güstrow, mit dem sie in anderen Bundesländern angeben kann. <
Herzogin Donata: My mind on my money and my money on my mind.
Illustration: Michael Schultz / Fotos: Annie Leibovitz (© Disney Pictures); Ostsee-Zeitung
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Dieses Jahr brachte Bud Spencer alias Carlo Pedersoli seine Autobiografie »Mein Leben, meine Filme« heraus; auf dem Cover prangt das väterlich-bärtige Ge-sicht des inzwischen über 80-jährigen Allround-Italieners. Die außerordentlich guten Verkaufs-zahlen – gnadenlos geführte Bestseller-Statistiken lassen gar nicht erst Zweifel aufkommen – ma-chen eines deutlich: Der Schauspieler, der nach eigenen Angaben nie einer war, erfreut sich nach wie vor ungebrochener Beliebtheit, und das ins-besondere in unseren Breiten. Bekannt geworden ist er vor allem durch die Filme mit seinem blon-den Gefährten Mario Girotti alias Terence Hill. Erinnert man sich da nicht gleich an gemeinsa-me Stunden mit dem Papa oder Freunden vor dem Fernseher, von Lachkrämpfen geschüttelt? Seit den 70er-Jahren veränderten sie gemeinsam die europäische Filmkul-tur und begeistern bis heute Millionen Zuschauer weltweit. Hinter dem Spencer-Hill-Film der 70er und 80er steht ein eingängiges und sehr effek-tives Konzept. Kurz gefasst: Zwei Taugenichtse rutschen durch widrige Umstände in eine scheinbar ausweglose Situation, aus der sie sich und andere mit Muskelkraft und Gutmütigkeit befreien. Bud Spencer ist dabei stets der mürrische und herzensgute Brummbär, der seinen verspielten Mitstreiter Terence Hill nur zeitweise an seiner Seite ak-zeptiert. Zu welcher Zeit und an welchem Ort sich das alles abspielt, ist dabei zweitrangig. Ob nun stereotype Western-Rabauken oder eine Gruppe Mafiosi, alle kriegen sie von den beiden ihr Fett weg, fast ganz ohne Schießerei. Neben den beiden charismatischen Darstellern sind es die stets wiederkeh-renden Elemente und Run-ning Gags, die den Filmen ihr charakteristisches Flair verlei-hen: Comic-hafte und bizarr choreografierte Prügel orgien, die berühmt-deftigen Fress-szenen, flotte und absurde
Sprüche, dümmliche Bösewichte sowie
die komische Mimik, die überall verstanden wird. Wie es oft bei populären Genres verschiedener Kunstfor-men der Fall ist, wurden auch die Spencer-Hill-Filme von der Kritik und Wissenschaft oftmals entweder belächelt oder kritisiert. Dass ihre Streifen – meist Italowestern (auch »Spaghetti-Western« genannt) und Agentenkomödien – Parodien schon damals verkommener Filmstrukturen sind, wurde erst in den letzten Jahren zunehmend in den Blickpunkt gerückt. Obwohl eine gewisse Klamaukigkeit der Werke natürlich nicht zu leugnen ist, schlagen sie im Hintergrund durchaus auch ernstere Töne an. Themen wie Sklaverei, Rassismus, Tierquälerei und Korruption kommen ebenso zur Sprache wie über-handnehmende Bürokratie und Geldgier.
Mit einer fast schon unverschämten Portion Glück und wenig Respekt vor den oft völlig skrupellosen Autoritäten setzt sich das ungleiche Duo immer für die Schwachen und Unterdrückten ein – nur eben auf ihre Art, versteht sich. Sie sind Helden und Antihelden zugleich. Und das alles mit einem aus-gesprochenen Frohsinn und einer lebensbejahenden Haltung, die beinahe jeden Zuschauer ansteckt. Nicht zuletzt hat auch die deutsche Synchro-nisation wesentlich zum Witz der Filme beigetragen, während die beson-dere Chemie zwischen den beiden Darstellern einfach für sich spricht. So
manche auffallend »moderne« Redewendung wird noch heu-te, 30 Jahre später, von uns benutzt.
Unter Fans der beiden sind Sprüche wie etwa »Von meiner Blutprobe könnten die Bullen ein Betriebs-fest machen« oder »Die lieben Padres wollen Kohle haben von Keule Eminenz« absoluter Kult. Schließ-
lich sollen die Filme nach Buds eigener Aussage ja auch eher der spaßigen Unterhaltung als dem tiefgründigen Nachdenken dienen. Auf dass wir noch in den nächsten 30 Jahren – bei Bier und Würstchen – herzhaft über die beiden lachen! <
Spencer & Terence HillVier Fäuste für gute Laune
Seit über 30 Jahren schreiben zwei außergewöhnliche
Italiener Filmgeschichte. Ein kleiner Überblick über das Schaffen von Bud Spencer
und terence Hill.
Text CHRIStOPH tRESKOW
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Illustration: Alfonso Maestro
37
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no. 94 | Juni 2011
Herausgeber: Studierendenschaft der Universität Rostock
Redaktionsleitung: Änne Cordes (V.i.S.d.P.)Gesa Rö[email protected]
Geschäftsführer: Paul [email protected]
Ressortleiter:Gesa Römer (Universität)Änne Cordes (Studentenleben)Elisabeth Woldt (Politisches)Karolin Buchholz (Kultur)
Grafik und Layout: Michael [email protected]
Lektorat: Annika RiepeMitarbeit: Gesa Römer, Christoph Treskow, Sandra Schramm
Redaktionelle Mitarbeit: Kristina Aberle, Christina Beier, Maximilian Berthold, Marieke Bohne, Karolin Buchholz, Hannes Falke, Paul Fleischer, Björn Giesecke, Mareike Götz, Yvonne Hein, Caroline Heinzel, Anna Hermann, Stephan Holtz, Johannes Krause, Stefanie Krauß, Andreas Lußky, Alfonso Maestro, Juliane Meißner, André Olbrich, Annika Riepe, Sandra Schramm, Michael Schultz, Christoph Treskow, Eva von Holt, Eric Wiedemann, Elisabeth Woldt, Pascal Zurek
e s ist der 8. Juni 2011. Verdunklung in ganz Deutschland. Doch nicht etwa zur Vorbeugung
eines Vernichtungsangriffs. Nein, sie ist bereits Folge eines heimtückischen Anschlags. Schon seit mehreren Stunden sitzen rund vier Millionen Deutsche fassungslos vor ihren schwarzen Bildschir-men. Dem Schock folgt die Gewissheit: kino.to gibt es nicht mehr. 250 Polizisten und Steuerfahnder schlugen gleichzeitig in 42 Büros und Wohnungen, in 20 Städten, in vier Ländern zu – später wird sich herausstellen, dass ein Mann aus den eigenen Reihen Hochverrat begangen und die Gemeinschaft von hinten erdolcht hatte. Einigen Usern laufen Tränen übers Gesicht. Tränen, die keiner der abertausend nebenbei oder zum Einschlafen gesehenen Filme je auslösen konnte. Verhallt der liebliche Laut des erschöpften Lachens nach massenhaftem Konsum drittklassiger amerikanischer Sitcoms. Doch die Deutschen reagieren prompt. Schnell ist das Nötigste – ein Notebook und ein paar Kopfhörer pro Person – auf dem Bollerwagen verstaut. In Foren wird fieberhaft diskutiert, ob der Flüchtlingstreck ins Exil zu movie2k.to oder doch zu einer der anderen etwa 15 in Frage kommenden Adressen führen soll. Als die Karawane langsam am Horizont verschwin-det, bleiben einige Unverbesserliche zurück. In Rostock begeben sie sich zu den eingerichteten Notunterkünften, die unter anderem im Capitol, im Hansa und im Li.Wu. zur Verfügung stehen. Und während die Flüchtlinge auf ihrem ruckeligen Weg von Anbieter zu Anbieter einem unscharfen Ziel entgegenziehen, haben die Verbliebenen ein klares Bild vor Augen. In einem Raum voller Gleichgesinnter erleben sie die Wiederauferstehung eines Gefühls, das seit der Ära des bewegten Bildes im internen Netz verloren schien. Was für ein schöner Traum.
GurkenwetterPoStSKRIPtUM
Text StEPHAN HOLtZ
Comic HANNES FALKE
IMPRESSUMDruck: ODR GmbHKoppelweg 2, 18107 Rostock
Auflage/erscheinungsweise: 4.000/vierteljährlich
titelbild Heft 94: MaximilianBerthold
Redaktionsschluss für das Heft 94 war der 30. Mai 2011.
Der nächste heuler erscheint voraussichtlich im November 2011.
Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 01/2011.
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RÄtSeL!Rätsel MARIEKE BOHNE UND ANNIKA RIEPE
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