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1 Namen: Tobias Kepper, Ulf Riediger Seminar: Baikalsee Leitung: Prof. Dr. N. Bagdassarov / Dr. Carlo Dietl Hydrologie des Baikalsees Inhalt: 1. Zahlen zur Einführung 2 2. Temperaturverteilung & Zirkulation 2 3. Nahrungsnetz 4 4. Stoffhaushalt und Eutrophierung 5 5. Gefahren für das Ökosystem 7

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Namen: Tobias Kepper, Ulf Riediger

Seminar: Baikalsee

Leitung: Prof. Dr. N. Bagdassarov / Dr. Carlo Dietl

Hydrologie des Baikalsees

Inhalt:

1. Zahlen zur Einführung

2

2. Temperaturverteilung & Zirkulation

2

3. Nahrungsnetz

4

4. Stoffhaushalt und Eutrophierung

5

5. Gefahren für das Ökosystem

7

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1. Zahlen zur Einführung

Der Baikal ist mit 1.637m der tiefste See der Erde, wobei die Sedimente am Seegrund, die

mehrere Kilometer Mächtigkeit erreichen, nicht eingerechnet sind. Er stellt das größte nicht-

gefrorene, also sich außerhalb der Polargebiete befindende, Süßwasserreservoir des Planeten

dar. In ihm sind 20% der globalen Süßwasserreserven, sogar 80% der russischen enthalten.

Dieses beeindruckende Wasservolumen lässt sich anhand eines Vergleichs zur Ostsee

verdeutlichen: Der Baikal fasst mit seinen ca. 23.000 km³ Wasser mehr als die Ostsee. Des

Weiteren ist der See ist mit seinen 25 Mio. Jahren der älteste der Welt, wobei hier nicht näher

auf die Entstehungsgeschichte des Baikals eingegangen werden soll.

Die Länge des Baikalsee beträgt 636 km und die Breite durchschnittlich 48 km und maximal

80 km. Er liegt im Durchschnitt auf einer Höhe von ca. 455 Metern über N.N.. Der Baikal

besitzt über 300 Zuflüsse unterschiedlichster Größe, die pro Jahr dem See 58,75 km³ Wasser

zuführen (Größter Zufluss: Selenga, ca. ½ des Gesamtzuflusses). Sein Wassereinzugsgebiet

beträgt 1.487.480 km², was der vierfachen Fläche Deutschlands entspricht. Der Baikal hat

dagegen nur einen Abfluss, die Angara, die jährlich 60,39 km³ Wasser aus dem See abführt.

Die unterschiedlichen Zu- und Abflusszahlen lassen sich durch Niederschlagsmengen und

Verdunstung erklären. Jedoch ist durch den einzigen Abfluss ein generell sehr langsamer

Wasseraustausch im Baikal zu beobachten, der um die 200 Jahre dauert. Dies ist im späteren

Verlauf der Arbeit, wenn es beispielsweise um Belastungen des Ökosystems Baikal-See und

deren Abbau geht, von größerer Bedeutung.

2. Temperaturverteilung & Zirkulation

Unter Wasserzirkulation versteht man die unterschiedlichen Durchmischungsphasen eines

Sees, die durch die Temperaturverteilung im Wasserkörper des Sees bestimmt wird. Die

verschiedenen Typen innerhalb der Wasserzirkulation wechseln im Baikalsee zwischen

Zirkulations- und Stagnationsphasen. Man bezeichnet den Baikalsee als dimiktischen

Zirkulationstyp, d.h. der See zirkuliert zweimal im Jahr (Frühjahr/Herbst). In den

Zirkulationsphasen (bzw. Stagnationsphasen) werden bestimmte Bereiche oder auch der

komplette Wasserkörper (bzw. nicht) durchmischt.

Um die Entstehung der Zirkulation bzw. Stagnation besser zu verstehen, muss man die

physikalischen Eigenschaften des Wassers nachvollziehen. Dies wird anschaulich durch die

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Beschreibung der Situation im Sommer. Hier wird durch die Sonneneinstrahlung die oberste

Schicht (Epilimnion) des Baikalsees erwärmt. Die Wassertemperatur pegelt sich zwischen 10

– 12 °C im offenen Baikalseee und bis zu 20 °C in Ufernähe ein. Das Epilimnion wird durch

die untere Schicht (Hypolimnion) mit einer Temperatur von ca. 4°C getrennt. Die

Dichteanomalie des Wassers führt zu diesem Phänomen, d.h. Wasser hat die größte Dichte bei

3,98 °C, besitzt nun pro Volumeneinheit ein höheres Gewicht und sinkt somit in Richtung

Gewässerboden. Zwischen dem erwärmten Epilimnion und dem Hypolimnion entsteht

zusätzlich eine Sprungschicht (Metalimnion), in dieser der Temperaturgradient sehr hoch ist,

d.h. die Temperatur innerhalb dieser Schicht mit der Tiefe sehr stark abnimmt.

Abb. 1: Sommer(teil)stagnation

Für die Zirkulation im See stellt sich folgender Zustand ein: Auf das Epilimnion wirkt der

Wind, der auf die Seeoberfläche trifft, und bewegt und durchmischt den Wasserkörper.

Allerdings kann diese initierte Bewegung nicht an das Hypolimnion weitergegeben werden,

da die Dichteunterschiede zu groß sind. Somit wird nur das Epilimnion zirkuliert und das

Hypolimnion stagniert (Abb. 1).

Abb. 2: Frühjahr-/Herbstzirkulation

Mit dieser Betrachtung erklären sich die anderen Zirkulationstypen. Im Frühjahr sowie im

Herbst ist die Temperaturverteilung im See relativ ausgegleichen, so dass der Wasserkörper

von der Oberfläche bis zum Gewässerboden gut zirkuliert (Abb. 2).

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Kühlt das Oberflächenwasser in den Herbstmonaten immer weiter ab, lagert sich weniger

dichtes Wasser an der Oberfläche ab bis es zu einer geschlossenen Eisdecke kommt. Ist diese

Situation erreicht, führt es zur Winterstagnation (Abb. 3). Fehlende Winde lassen den

kompletten Wasserkörper unbewegt. Der Baikalsee ist meist vom Januar bis Mai gefroren.

Abb. 3: Winterstagnation

Stagnation sowie Zirkulation hat zudem eine starke Wirkung auf den Sauerstoffgehalt im

Wasserkörper. In den zirkulierten Bereichen kommt es steht zu einer Anreicherung, während

es im stagnierten Bereich zu einer Sauerstoffzerung führt. Das hat zur folge, dass sich die

nährstoff unterschiedlich verteilen. Im sauerstoffreichen Teil liegt relative Nährstoffarmut vor

und im sauerstoffarmen Bereich Nährstoffüberschuß, denn abgestorbene Pflanzen- oder

Tierreste können unter Sauerstoffverbrauch zersetzt werden.

3. Nahrungsnetz

Die Nahrungskette bzw. Nahrungsnetz ist ein Begriff auf der Ökologie und bezeichnet die

Reihenfolge der Organismen eines Ökosysstems, in der die in der Nahrung gespeichert

Energie weitergereicht wird (vgl. Abb. 4). Die jeweiligen Arten des Systems lassen sich in

Trophie- und Nahrungsebenen eingliedern. Hierbei lassen sich die Arten einfach in

Produzenten, Konsumenten und Destruenten strukturieren. Die Produzenten sind autotrophe

Organismen, die Biomasse aus anorganischen Rohstoffen aufbauen. Zum größten Teil handelt

es sich um Pflanzen, die mit Hilfe der Photosynthese Zucker aus Wasser, Kohlendioxid und

Licht erzeugen. Photoplankton, Algen, Cyanobakterien fallen in diese Kategorie.

Konsumenten sind größtenteils tierische Lebewesen, die diese Biomasse fressen und dadurch

ihre Energie gewinnen. Hier unterschiedet man zwischen Pflanzen- und Fleischfresser. Krebs,

Rädertiere, Amöben sind pflanzenfressendes Zooplankon. Säuger, Vögel, Fische zählen zu

den typischen Endkonsumenten. Die Anzahl der Konsumenten wird durch die Produzenten

und deren Produktion limitert.

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Destruenten, Bakterien und Viren, entnehmen ihre Nahrung allen Trophiestufen. Diese

Zersetzen die Nahrung zu Mineralstoffen, die wiederum als Nahrungsquelle für Pflanzen

zugänglich wird. Wie oben bereits erwähnt, benötigen sie Sauerstoff zur Zersetzen und

scheiden Kohlendioxid aus.

Abb. 4: Vereinfachtes Nahrungsnetz in Seen

Nur wenn ein Gleichgewicht zwischen Produzenten, Konsumenten und Destruenten herrscht,

ist das Ökosystem als stabil zu bezeichnen. Jedoch können unterschiedliche (anthropogene)

Einflüsse dies stets gefährden.

4. Stoffhaushalt und Eutrophierung

Der Stoffhaushalt eines Sees, der bereits im Kapitel Nahrungsnetz erwähnt wurde, reagiert

empfindlich auf Ungleichheiten. In diesem 5. Kapital soll es um den Anstieg der

Nahrungszufuhr (Eutrophierung) sowie dessen Folgen gehen.

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Die Nährstoffe sind im allgemeinen Kohlendioxid, Nitrat, Phosphat und Kalium. Die typische

Biomasse hat eine mittlere Zusammensetzung der Kernelemente von C106H180O45N16P1, die

für das Wachstum und Überleben der Pflanzen nötig sind. Hieraus ist deutlich zu erkennen,

dass Phosphor (Phosphat) der klare „Begrenzer“ ist.

Algen sowie Phytoplanton wachsen vermehrt in dem Bereich des Baikalsees, wo ausreichend

Lichtenergie als auch Nährstoffe zur Verfügung gestellt wird, d.h. vermehrt im Epilimnion.

Treten hier nach Ende der Winterstagnation vermehrt Nährstoffe aus dem Hypolimnion auf,

dann kommt es durch das verbesserte Nährstoffangebot und durch die günstigeren

Lichtverhältnisse zur stark ausgeprägten Algenblüte. Dies führt zu einer Wassereintrübung, so

dass zur unteren Schicht des Epilimnions weniger Licht durchdringen kann. In diesem

Bereich sterben die Pflanzen ab. Zunächst führt dennoch die erhöhte Algenpopulation zu

günstigeren Bedingungen der Nahrungskette, Zooplankton und Konsumenten finden

ausreichend Nahrung und steigen somit in ihrer Anzahl.

Abb. 5: Eutrophierung

Das Problem der Eutrophierung ist der hohe Verbrauch an Sauerstoff durch Zooplankton und

durch die Zersetzung der nun nicht geringen abgestorbenen Biomasse. Kurzerhand geht der

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Sauerstoff stark zurück. Unzersetztes Material setzt sich jetzt auf den Gewässerboden ab.

Durch Viren und Bakterien wird aerob (d.h. unter Hinzunahme von Sauerstoff) in die

Mineralstoffe zerlegt. Wird die Anhäufung zu groß, entstehen Faulschlämme und der

Sauerstoff ist zunehmend verbraucht und es wird weitestgehend anaerob (d.h. ohne

Hinzunahme von molekularem Sauerstoff) zersetzt. Dadurch können Ammoniak,

Schwefelwasserstoff und Methan freigesetzt werden, die Zellgifte darstellen. Bei

Vollzirkulation können diese Giftstoffe auch in die obere Wasserschicht gelangen. Die

Sauerstoffarmut im Hypolimnion bewirkt überdies eine Reduktion von Fe3+ zu Fe2+. Vorher

an Fe3+ gebundenes Phosphat wird dadurch frei und trägt als Nährstoff zusätzlich zur

Eutrophierung bei. Die unterschiedlichen Stadien der Eutrophierung sind in der Abbildung 5

veranschaulicht.

5. Gefahren für das Ökosystem

Das Ökosystem „Baikal-See“ ist intakt, das Wasser ist immer noch sauber genug, um es

bedenkenlos zu trinken und auch die Baikal-Robbe vermehrt sich wieder stärker.

Nichtsdestotrotz ist dieser Zustand nicht für alle Zeiten festgeschrieben, im Gegenteil durch

anthropogenen Einfluss sogar mehr oder weniger akut bedroht. Auf unterschiedlichste Art

und Weise wird der Baikal verschmutzt, nahezu immer ist der Mensch der auslösende Faktor,

wie nachfolgend kurz umrissen werden soll. Es ist wohl nur der Größe und der ungeheuren

Wassermenge im See zu verdanken, dass dieser seinen Zustand nicht wie im vorangegangen

Teil der Arbeit beschrieben verändert hat.

Ein beträchtlicher Teil der Belastung durch Schadstoffe wird dem Baikal durch seine

zahlreichen Zuflüsse zugeführt. Sie enthalten ungeklärte Abwässer und sind oftmals mit

Dioxinen aus der Landwirtschaft verunreinigt. Hervorzuheben sind dabei die größten

Zuflüsse, also die Obere Angara, die Baraguzin und besonders die Selenga. In deren Delta

findet sich eine besonders hohe Schadstoffkonzentration, wie sie sonst nur noch in der Nähe

einer riesigen Fabrik am Südufer, auf die weiter unten näher eingegangen wird, erreicht wird.

Auf die Größe des Wassereinzuggebiets wurde ja bereits hingewiesen, so dass klar wird, dass

auch obwohl die Bevölkerungsdichte in der Baikal-Region eher gering ist, beträchtliche

Schadstoffmengen zusammen kommen. Problematisch ist hierbei weniger die Tatsache, dass

Abwässer in den See gelangen, da dies praktisch unvermeidbar ist. Jedoch fließen diese

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ungeklärt in den Baikal, was mit relativ einfachen Mitteln vermieden werden könnte. Genauso

muss es möglich sein die Landwirtschaft zu einem zurückhaltenderen Umgang mit Pestiziden

und Düngemitteln zu bewegen bzw. Alternativen dazu anzubieten.

Abb. 6: Verschmutzungsherde (violett eingefärbt)

Eine weitere große Verschmutzungsquelle stellt die Industrie dar. Trotz der bereits erwähnten

geringen Bevölkerungsdichte in der Baikal-Region gibt es 16 Städte mit etwa 50 größeren

Industriebetrieben, die mehr oder weniger Schadstoffe an ihre Umwelt abgeben. Darunter

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finden sich Aluminium produzierende oder verarbeitende Betriebe, Zellulose und

Papierfabriken und auch chemische Industrie. Ihre Ausstöße belasten Luft bzw. See mit

NO^x- Verbindungen und Schwefeldioxid.

Als besonders negatives Beispiel soll hier ein großes ehemaliges Papier- und

Zellulosekombinat in Baikalsk am Südufer des Baikal-Sees aufgeführt werden, welches aus

verschiedenen Gründen bisher nicht stillgelegt wurde. Diese riesige Anlage wurde 1966

gegründet und produziert seitdem jeden Tag 440 Tonnen Zellulose, dabei allerdings auch in

derselben Zeit 210.000 m³ Abwässer. Diese fließen ungeklärt in den See, seit 40 Jahren (!),

und enthalten Phenole, Sulfate, Chlor und Schwermetalle. Diese Gifte sorgen im Wasser für

eine Beeinträchtigung und Reduktion der Biomasse und das vermehrte Auftreten von

Mutationen. Phenole sind nicht nur Desinfektions- und Unkrautvernichtungsmittel, sondern

auch Nervengifte und führen zu Verätzungen. Da Schwermetalle von Organismen nicht

abgebaut werden können, gelangen diese über die Nahrungskette bis zu den größten

Säugetieren in und am Baikal, also auch zum Menschen. Die nicht minder gefährlichen

Wirkungen von Schwefel- und Chlorverbindungen sind wahrscheinlich bekannt genug und

bedürfen keiner näheren Betrachtung, was eine nach wie vor geringe Klärung der Abwässer

nur noch verwunderlicher erscheinen lässt. Durch die andauernde Verschmutzung des Baikal-

Sees sind mittlerweile 10% der Flora und 20% der Fauna akut vom Aussterben bedroht und

stehen auf der „Roten Liste“. Da viele Tiere und Pflanzen im Baikal endemisch sind, wäre ein

Verlust endgültig. Gerade die für die Sauberkeit des Sees sehr wichtigen kleinen Krebsarten

sind durch die Giftstoffe betroffen. Zu den Abwässern kommen die durch die starken

Emissionen der Fabrik verursachten sauren Regengüsse, die ebenfalls zum größten Teil in den

See einfließen. Da eine Zellulose Fabrik für ihre Produktion Holz braucht, ist eine weitere

Folge dieses Betriebes durch starken Holzeinschlag verursachte Bodenerosion, was zu

verstärktem Zufluß von feinem Material in den See führt. Dadurch und aufgrund der

Abwässer und Emissionen sind unter anderem die Laichplätze des Omuls, einer Art Hering,

der für viele Menschen die Lebensgrundlage bildet, gefährdet. Aufgrund der unmöglichen

Zustände in dieser Fabrik wird sie von Umweltschützern auch „das Monster vom Baikal“

genannt, da sie ein maßgeblicher Faktor bei der Verschmutzung des Sees ist. Es gibt eine

Protestbewegung gegen diese Anlage, die jedoch bisher nicht mehr erreicht hat als eine

generelle Zusage zur Schließung des Betriebs ohne konkreten Zeitplan. Denn nach dem Fall

des Eisernen Vorhangs wurde der Betrieb zwar privatisiert und auch mit Umweltauflagen

versehen, um deren Einhaltung sich aber niemand so recht zu kümmern scheint. So darf trotz

mehrfacher Schließungsdrohungen weiter produziert werden, wahrscheinlich auch weil man

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sich in einer Region ohne große Arbeitsplatzalternativen vor dem Verlust eines großen

Arbeitgebers und den damit zusammenhängenden sozialen Konsequenzen fürchtet. Allerdings

kann eine solche Giftschleuder an einem der ältesten Naturdenkmäler der Welt, zumal von der

UNESCO geschützt, von der Staatengemeinschaft nicht hingenommen werden. Es sollte

möglich sein, Investoren für eine umweltfreundlichere Anlage zu gewinnen, die gleichzeitig

kostengünstig arbeitet und Arbeitsplätze sichert, was sicherlich auf verschiedenen Wegen zu

realisieren wäre.

Laut unserer Recherchen ist auch der menschliche Fischfang in seiner heutigen industriell

betriebenen Form eine Gefahr für das Ökosystem Baikal-See. Wie schon erwähnt ist der

Omul z. T. die Lebensgrundlage der Menschen am Ufer des Baikal. Dessen Bestand geht

jedoch stetig zurück, was an der hohen jährlichen Fangquote von ca. 1700 Tonnen und den

durch Umweltverschmutzung und Uferbebauung schlechter werdenden Laichbedingungen

liegt. Fehlt diese Fischart im See dauerhaft, ist die Nahrungskette gestört, was unmittelbar

erstmal nur größere Fische, Robben und eben den Mensch betrifft. Langfristig gesehen würde

eine Schwächung des Artenreichtums aber das ganze System gefährden, wenn sich kleinere

Bewohner des Sees unkontrolliert ausbreiten könnten. Eine schwerwiegende Störung der

Nahrungskette kann in einem geschlossenen Ökosystem wie dem Baikal-See im schlimmsten

Falle zu einer Eutrophierung führen. Daher sind begrenzte Fangquoten für bestimmte

Fischarten und Schutzgebiete eventuell eine langfristig für alle Bewohner der Region von

Vorteil. Einige Quellen sahen in der zu hohen Fangquote des Omuls das Zurückgehen des

Bestands der Baikalrobbe begründet, die als einzige Süßwasserrobbe der Erde als

schützenswert gilt. Im Zuge unserer Exkursion erklärte uns jedoch ein dort arbeitender

Biologe, dass der Bestand der Robben momentan nicht gefährdet sei, es im Gegenteil wieder

ausreichend von ihnen gäbe.

Weitere Gefahren für den Baikal-See stellen Wasserkraftwerke bzw. Staudämme und Formen

der biologischen Verschmutzung dar. Erstere finden sich vor allem an der Angara und erhöhen

im südlichen Bereich des Sees den Wasserspiegel. Beim Bau der Dämme wurden also einige

Pflanzen der Uferzone auf einmal überschwemmt. Die Ufervegetation muss sich daher neu

entwickeln, während das zusätzliche Pflanzenmaterial im See abgebaut werden muss. Eine

dank der Größe des Sees bisher wohl nicht so akute Form der biologischen Verunreinigung,

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die trotzdem nicht unterschätzt werden sollte, ist eine eingeschleppte Algenart, die Alge

„Elodae canadensis“. Diese auch als Wasserpest bekannte Pflanze hat eine starke

Vermehrungsrate und kann Gewässer komplett überwuchern und so die Sauerstoffzirkulation

verlangsamen bzw. ganz unterbinden. Wie stark der See durch die Alge bisher beeinträchtigt

ist, konnten wir nicht recherchieren. Die Ufervegetation und auch Teile des Sees sind

schließlich auch durch eine weitere anthropogene Quelle gefährdet, nämlich Bebauungen und

Infrastrukturmaßnahmen. So wurden für den Bau der Baikal-Amur-Eisenbahntrasse, die z. T.

direkt am Ufer verläuft, Bäume gefällt und Erdreich in größerem Umfang bewegt. Dadurch

wurde nicht nur die Vegetation in diesen Bereichen beeinträchtigt, sondern es kam außerdem

zur Zufuhr größerer Mengen von Material in den See, was die Wasserqualität negativ

verändert hat.

Eine sehr große Gefahr für den Baikal-See geht von den reichen Bodenschätzen Sibiriens aus.

Laut einem Artikel der Frankfurter Rundschau von Anfang Mai 2006 gab es schon seit

längerem den Plan zum Bau einer Ölpipeline von bisher unerschlossenen Ölfeldern in

Ostsibirien zur Amur-Bucht nahe Wladiwostok. Dies würde eine bessere Ölversorgung der

wachsenden asiatischen Märkte mit dem Hauptabnehmer China ermöglichen, was aus

wirtschaftlichen und politischen Gründen von sehr großem Interesse für den Kreml und auch

für die von ihm kontrollierten Energiekonzerne, in diesem Fall Transneft, ist. Diese Pipeline

sollte auf ihrem 4188 Kilometer langen Weg im Abstand weniger hundert Meter am Nordufer

des Baikal-Sees vorbeiführen. Offensichtlich handelt es sich dabei um die direkteste

Verbindung, oder man wollte versuchen vorhandene Infrastrukturen wie z. B. die Baikal-

Amur-Eisenbahn für einen leichteren Bau der Pipeline nutzen. Mal ganz abgesehen von der

normalen Qualität russischer Pipelines, bei denen man immer wieder von Lecks oder größeren

Brüchen hören kann, handelt es sich bei der Baikal-Region um eine seismisch hoch aktive

Zone. Bei einem größeren Beben, wie sie dort häufiger vorkommen, wäre ein Bruch der

Pipeline vorherzusehen, da bestimmte technische Grenzen bei einem Röhrensystem gegeben

sind. Selbst der Bauherr prognostizierte für den Fall eines Bruchs einer Pipeline auf der

geplanten Trasse, dass innerhalb von vierzig Minuten bis zu 4000 Tonnen Öl in den See

fließen könnten. Dies würde laut Schätzungen der Irkutsker Abteilung der Akademie der

Wissenschaften dazu führen, dass mehr als die Hälfte des Sees mit einem Ölfilm überzogen

und ca. 90% der wasserreinigenden Organismen des Sees zerstört würden. Damit wäre der

Baikal See also praktisch tot. Unverständnis löste vor allem die Tatsache aus, dass ein Bruch

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der Pipeline aufgrund eines Erdbebens überaus wahrscheinlich ist, das Energieunternehmen

und der Kreml dies wussten und trotzdem den Bau wollten. Als die Pläne bekannt wurden,

kam es zu Widerstand unter Umweltschützern und Akademikern der Universität Irkutsk, die

den Premierminister, den Präsidenten und die Umweltkommission des russischen Parlaments

auf die hohen Risiken eines solchen Bauvorhabens hinwiesen, zudem wurden

Protestunterschriften gesammelt und über das Internet auf das Problem aufmerksam gemacht.

Auch die eben erwähnte Umweltkommission lehnte die Pläne im Januar 2005 zunächst mit 46

von 52 Stimmen ab, jedoch erklärte der Vorsitzende dieser Kommission, laut FR ein Ex-

General und enger Vertrauter von Präsident Putin, die Abstimmung für „vorläufig“. Im

Folgenden wurden gegen den Willen der Machthabenden stimmende aus dem Ausschuß

entfernt und gegen treue Gefolgsleute ausgetauscht. Ende Februar nahm die

Umweltkommission die Pipelinepläne an, woraufhin Transneft am 28. April mit dem Bau

begann. Putin sagte im Sommer 2005, dass sein Land seine wirtschaftliche Entwicklung nicht

durch Umweltbedenken bremsen lassen dürfe. Der Transneft-Konzern behauptete, die

Menschen am See hätten dem Bau selbst zugestimmt, wobei jedoch niemand der

Protestierenden jemals etwas von einer Anhörung gehört geschweige denn irgendetwas

zugestimmt hatte. Im Gegenteil wurde gegen den Bau protestiert und demonstriert, was

jedoch von den in Russland ebenfalls sehr stark kontrollierten Medien nicht an den Rest des

Landes und an die Welt kommuniziert wurde. So wurde der Widerstand quasi

totgeschwiegen, nur über das Internet konnte wirksam gegen die Pläne geworben werden.

Trotz mehrerer zehntausende Unterschriften und einem Einschalten der Vereinten Nationen

blieben die Einwände der Irkutsker Protestbewegung lange unerhört. Noch Anfang April 2006

lies der Kreml durch einen nach Irkutsk entsandten Sprecher äußern, dass an der

Entscheidung zum Bau der Pipeline nicht gerüttelt würde. Zur Überraschung der Menschen

am Baikal wurde jedoch in der Folgezeit plötzlich in den Moskauer Medien über die Gefahr

der Pipelinepläne und über die Proteste berichtet. Am 26. April folgte dann, womit niemand

gerechnet hatte: In einer vom Fernsehen übertragenen Versammlung lies Wladimir Putin von

einem Wissenschaftler Alternativen für die Pipeline-Route vortragen, die die unmittelbare

Nähe des Baikals meiden sollten. Danach befahl der Präsident dem Transneft-Direktor, beim

Bau den Baikal-See und sein gesamtes Wassereinzugsgebiet zu umgehen. Begründet wurde

dieser Schritt mit dem Argument, dass das Naturwunder Baikal für zukünftige Generationen

geschützt werden müsse und deshalb die Gefahr einer Ölpest auszuschließen sei. Der

plötzliche Meinungsumschwung war durch die vorangegangene Berichterstattung medial

vorbereitet und von höchster Hand geplant. Die Frage nach Putins Gründen bleibt offen. Aber

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die Art und Weise der Inszenierung, dieser quasi öffentlichen Abmahnung des Transneft-

Direktors, lässt auf eine Aktion des Kremls zur Verbesserung des Images der Machthaber in

den Augen des Volkes und der restlichen Welt schließen. Wobei es unserer Ansicht reichlich

paradox erscheint, sich als Umweltschützer gegen ein Projekt aufzuspielen, das man vorher

selbst beschlossen, forciert und verteidigt hat. Allerdings sieht es so aus, als bleibe dem

Baikal-See die große Gefahr einer Pipeline in Ufernähe erspart, doch bleibt auch die

Erkenntnis, dass es dank der staatlich kontrollierten Medien genauso gut anders hätte

ausgehen können, aller Proteste zum Trotz.

Literaturverzeichnis

KOZOVA, M. [Hrsg.] (1998): Lake Baikal: evolotion and biodiversity. – 2. Aufl., Backhuys

Puplishing (Leiden).

SCHÖNBORN, W. (2003): Lehrbuch der Limnologie. Schweizerbart (Stuttgart).

SCHWÖRBEL, J. (1999): Einführung in die Limnologie. – 8. Aufl., Fischer Verlag

(Stuttgart).

Internetquellen

Eurasisches Magazin, (Artikel: „Die russische Ölpipeline nach China wird den Baikal-See

weiträumig umgehen“), http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/?artikelID=20060513;

20.09.06

Geo Science Online, (Artikel: „Das "Monster vom Baikalsee" Eine Zellulosefabrik im Feuer

der Kritik“), http://www.g-o.de/index.php?cmd=focus_detail2&f_id=146&rang=14; 20.09.06

Global Nature Fond, (Artikel: „Putin lenkt ein – Druck der Umweltschützer zeitigt Erfolg),

http://www.globalnature.org/docs/02_vorlage_asp_id~11394_sp~D_m1~11088_m2~11102_

m3~11177_m4~11394_m5~_domid~1011_suchm~SM.htm; 20.09.06

Russland Aktuell, (Artikel: „Bürgerproteste und Putin stoppen Baikal-Pipeline“),

http://www.aktuell.ru/russland/politik/buergerproteste_und_putin_stoppen_baikal_pipeline_3

100.html; 20.09.06