inflation targeting

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Graikowski, Bruno J. 9. Fachsemester, Regionalwissenschaften Lateinamerika Graeffstr. 3 50823 Köln, 29.05.2002 e-mail: [email protected] Tel.:0221-4202064 Diplomarbeit zum Thema: Inflation Targeting in Mexiko und Brasilien

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Page 1: Inflation Targeting

Graikowski, Bruno J.9. Fachsemester,

Regionalwissenschaften LateinamerikaGraeffstr. 3

50823 Köln, 29.05.2002e-mail: [email protected]

Tel.:0221-4202064

Diplomarbeit zum Thema:

Inflation Targeting in Mexiko und Brasilien

Page 2: Inflation Targeting

Inflation Targeting in Mexiko und Brasilien

Seite

Abkürzungsverzeichnis..........................................................................................................ii

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen......................................................................ii

I. EINLEITUNG ............................................................................................................. 2

II. DAS KONZEPT DES INFLATION TARGETING ................................................ 2

II. 1 Einführung................................................................................................................2

II. 2 Kosten der Inflation.................................................................................................2

II. 3 Konzept: Rules vs. Discretion..................................................................................2

II. 4 Institutionelle Merkmale.........................................................................................2

II.4.1 Zentralbankverfassung.....................................................................................2

II.4.2 Design des Inflation Targeting Regimes..........................................................2

II.4.3 Glaubwürdigkeit und Transparenz...................................................................2

II. 5 Operationelle Merkmale..........................................................................................2

II.5.1 Inflationsprognosen..........................................................................................2

II.5.2 Geldpolitische Transmissionskanäle................................................................2

II.5.3 Durchführung der geldpolitischen Strategie....................................................2

II. 6 Bewertung.................................................................................................................2

III. MEXIKO ................................................................................................................... 2

III. 1 Empirische Bedingungen des Übergangs..............................................................2

III.1.1 Gezwungener Übergang zum Floating...........................................................2

III.1.2 Entwicklung Richtung Inflation Targeting.....................................................2

III. 2 Institutionelle Merkmale.........................................................................................2

III. 3 Grundmodell und operationelle Merkmale..........................................................2

III. 4 Empirische Bedingungen unter Inflation Targeting............................................2

III. 5 Bewertung und Ausblick.........................................................................................2

ii

Page 3: Inflation Targeting

IV. BRASILIEN .............................................................................................................. 2

IV. 1 Empirische Bedingungen des Übergangs..............................................................2

IV.1.1 Von wechselkursorientierter Stabilisierung zum Floating.............................2

IV.1.2 Übergang zum Inflation Targeting.................................................................2

IV. 2 Institutionelle Merkmale.........................................................................................2

IV. 3 Grundmodell und operationelle Merkmale...........................................................2

IV. 4 Empirische Bedingungen unter Inflation Targeting............................................2

IV. 5 Bewertung und Ausblick.........................................................................................2

V. VERGLEICH UND PROBLEMATISIERUNG ...................................................... 2

LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................ 2

Anhang .................................................................................................................................. 2

iii

Page 4: Inflation Targeting

Abkürzungsverzeichnis

BCB Banco Central do Brasil Brasilianische ZentralbankBM Banco de México Mexikanische ZentralbankCMN Conselho Monetário Nacional Nationaler WährungsratCOPOM Comitê de Política Monetária do Banco

Central do BrasilGeldpolitisches Komitee der Brasilianischen Zentralbank

DEBAN Departamento de Operações Bancárias Abteilung für BankgeschäfteDEMAB Departamento de Operações do Mercado

AbertoAbteilung für Offenmarktoperationen

DEPEC Departamento Ecomômico Volkswirtschaftliche Abteilung

DEPEP Departamento de Estudos e Pesquisas Abteilung für Studien und Forschung

DEPIN Departamento de Operações das Reservas Internacionais

Abteilung für Operationen mit Internationalen Währungsreserven

EWU Europäische WährungsunionEZB Europäische ZentralbankIBGE Instituto Brasileiro de Geografia e

Estatística

Nationales brasilianisches Institut für Geographie und Statistik

INEGI Instituto Nacional de Estatística,

Geografia e Informática

Nationales mexikanisches Institut für Statistik, Geographie und Informatik

INPC Indice Nacional de Precios al Consumidor mexikanischer Verbraucherpreisindex

IPCA Índice de Preços ao Consumidor Amplo Brasilianischer

VerbraucherpreisindexIWF/IMF International Monetary Fond Internationaler

WährungsfondsM$ Peso mexicano Mexikanische WährungR$ Real bzw. Reais Brasilianische WährungSelic Sistema Especial de Liquidação e

Custódia

Brasilianischer Leitzinssatz

US$ US-Dollar US-amerikanische WährungVPI Verbraucherpreisindex

iv

Page 5: Inflation Targeting

Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen

SeiteAbbildung 1: Transmissionsmechanismen.............................................................................2Abbildung 2: Inflationsrate in Mexiko (in % über die letzten 12 Monate)............................2Abbildung 3: Wechselkurs M$-US$ von 1994-2002..............................................................2Abbildung 4: Inflationsrate INPC (in % über die letzten 12 Monate) und Inflationsziele....2Abbildung 5: monatlicher INPC (1995-2002, mit Trend)......................................................2Abbildung 6: tägliche Zinsen CETES (1996-2002)...............................................................2Abbildung 7: Monatliche Inflationsraten (IPCA) in Brasilien..............................................2Abbildung 8: Wechselkurs R$/US$........................................................................................2Abbildung 9: Inflationsrate IPCA (% über die letzten 12 Monate).......................................2Abbildung 10: Entwicklung des Selic.....................................................................................2Abbildung 11: monatliche Inflationsraten (IPCA) von Januar 1998.....................................2Abbildung 12: Dekret Nr. 3088 vom 21. Juni 1999...............................................................2Abbildung 13: Organisationsdiagramm der Brasilianischen Zentralbank...........................2Abbildung 14: Resolution 2615 der CMN.............................................................................2

Tabelle 1: Merkmale der Zentralbankverfassung von Inflation Targeting Länder...............2Tabelle 2: Zusammenfassung der Inflationsprognosen der COPOM aus den

Inflationsreporten..................................................................................................2

v

Page 6: Inflation Targeting

Einleitung

I. Einleitung

Bis heute haben die lateinamerikanischen Länder kaum positive Erfahrungen in der

Geldpolitik gemacht. Die Volkswirtschaften in dieser Region sind durch extreme Episoden

von monetärer Instabilität gegangen, die von sehr hohen Inflationsraten, massiven

Kapitalfluchten und Zusammenbrüchen der Finanzsysteme gekennzeichnet waren. Das

heutige Erscheinungsbild dieser Länder, im Betreben ökonomische Stabilität zu schaffen,

spiegelt sich in einem Umfeld mit geringer Glaubwürdigkeit, mit langsamen Wachstum

und wiederkehrenden Rezessionen wider. In den lateinamerikanischen Ländern muss eine

Kontrolle der Inflation – als bedeutender Faktor für Wachstum – über eine konsistente

geldpolitische Strategie erfolgen.

Auf der Suche nach der optimalen Geldpolitik für ein Staat in dieser Region werden in der

wirtschaftwissenschaftlichen Forschung hauptsächlich die beiden sich gegenüberliegenden

Pole, vollständige Bindung an eine andere Währung oder deren Übernahme auf der einen

und System flexibler Wechselkurse auf der anderen Seite diskutiert. Bei der ersten

Variante findet eine unabhängige Geldpolitik so gut wie nicht statt, bei der zweiten ist sie

indes von einer entscheidenden Bedeutung. Jedoch sollte man nicht nur den Rahmen auf

feste und flexible Wechselkurse beschränken, sondern die Betrachtung auf drei verschiede

langfristige Konzepte von Geldpolitik erweitern: Geldmengenziel, Wechselkursziel und

eben ein Inflationsziel (Inflation Targeting). Da es jedoch kein perfektes Konzept für die

Geldpolitik gibt, muss sich die Untersuchung auf die Abwägung der Vor- und Nachteile

konzentrieren, wobei die bisherigen Erfahrungen, auch die der Industrieländer, dann in die

Untersuchung mit einbezogen werden.

Besondere Rolle der Emerging Market Länder, deren Besonderheit in Einzelfall genauer

herausgearbeitet wird.

Alle Kapitel lassen sich selbständig und unabhängig voneinander lesen, wobei jedoch im

V. Kapitel eine vergleichende Analyse der beiden Beispiele für Inflation Targeting erfolgt.

Eigene arbeit explizit darstelle, wenig Forschungsarbeiten, darauf angewiesen, Inhalt

zusammen gesucht, vergleich bisher nicht da!

1

Page 7: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

II. Das Konzept des Inflation Targeting

II. 1 Einführung

Mit der Ausbreitung von Inflation Targeting in den letzten dreizehn Jahren begann eine

neue Entwicklung in der Geldpolitik der Zentralbanken. Neuseeland war der erste Staat,

der Inflation Targeting offiziell im Jahre 1989 einführte. Von hier wurde das neue

geldpolitische Konzept nach und nach in anderen Industrieländern übernommen. Der

erfolgreiche Aufstieg von einer Theorie zu einer in der Praxis getesteten Konzeption

machte Inflation Targeting nun auch für Schwellenländer interessant. Mit den Erfahrungen

der Zentralbanken, welche Inflation Targeting in ihren Ländern eingeführt haben, hat man

in den vergangenen dreizehn Jahren sowohl viel über die Implementierung und das Design

des neuen geldpolitischen Konzeptes gelernt, als auch über die tatsächlichen

geldpolitischen Handlungen unter einem solchen Konzept. (Grafik über Einführung in

anderen Ländern? Schaechter et al., Mishkin und Hebbel) in den Anhang.

Bei der Betrachtung der empirischen Literatur über die weltweiten Erfahrungen mit

Inflation Targeting filtern Mishkin und Hebbel (2001) einige ausgewählte und vorläufige

Ergebnisse heraus, die in ihren Augen die erzielten Erfolge durch Inflation Targeting

aufzeigen:

Die Unabhängigkeit der Zentralbank ist durch Inflation Targeting

wiederhergestellt.

Kommunikation, Transparenz und Glaubwürdigkeit werden durch Inflation

Targeting wiederhergestellt.

Inflation Targeting half den Ländern die Inflationsrate zu senken (jedoch nicht

unter das Niveau von Industrieländern, die nicht Inflation Targeting verfolgen).

Inflation Targeting hat sich als günstig erwiesen bei widrigen Schocks.

Inflation Targeting half „in reducing sacrifice ratios and output volatility”, zu

einem Niveau, der dem in Ländern mit einer anderen geldpolitischen Konzeption

nah kam.

Inflation Targeting half wahrscheinlich bei der Steuerung der Inflationserwartungen

und bei der Handhabung von Inflationsschocks.

Geldpolitik ist unter Inflation Targeting insofern flexibel wie sie Inflationsschocks

systematisch antwortet und vorrübergehenden Inflationsschocks, die nicht das

mittelfristige Inflationsziel gefährden, gelassen entgegen sehen kann.

2

Page 8: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

Geldpolitik unter Inflation Targeting ist eindeutig mehr fixiert auf die Kontrolle der

Inflation.1

Nun haben wir schon kurz einen Blick auf die Vorteile von Inflation Targeting geworfen,

jedoch bleibt zuerst die Frage nach dem Sinn die Inflation über alle anderen monetären

Ziele zu stellen.

II. 2 Kosten der Inflation

Unter Inflation versteht man einen Prozess mehrjähriger Preisniveauerhöhungen. Inflation

verursacht in vielerlei Hinsicht gesamtwirtschaftliche Wohlfahrtseinbußen und ihre

schädlichen Effekte sind umso gravierender, je größer die Antizipationsfehler der

Wirtschaftssubjekte sind. Diese Antizipationsfehler passieren häufiger, wenn eine hohe

Inflationsrate zusätzlich noch eine starke Volatilität aufweist.

Der private Sektor bildet sich Inflationserwartungen, von denen er dann seine zukünftigen

Planungen abhängig macht. Das betrifft alle wirtschaftlichen Handlungen, die er

vornehmen kann, egal ob Investition, Ersparnisbildung, Konsum etc. Bei einer hohen

Fehlerquote bei der Antizipation der zukünftigen Inflationsrate sind die Entscheidungen

des privaten Sektors falsch oder zurückhaltend, was zu gesamtwirtschaftlichen

Wohlfahrteinbußen führt.2Im Folgenden sind einige gesamtwirtschaftlich, nachhaltige Wirkungen unsteter Inflation

zusammengefasst:

1. Inflationsprozesse beeinträchtigen die Informationsfunktion der Marktpreise.

Hierdurch können Veränderungen der relativen Preise kaum erkannt werden, was

Knappheitssignale verzerrt. Diese Allokationsverzerrungen bringen gerade in

langfristiger Perspektive Wohlfahrteinbußen mit sich, da sie das reale

Wirtschaftswachstum im Vergleich zu einer Referenzsituation mit beständiger

Preisniveaustabilität hemmen.

2. Die Informationsfähigkeit der Markpreise veraltet wesentlich schneller als bei

Preisniveaustabilität. Zusammen mit der Beeinträchtigung der Informations-

funktion erhöht sich die Unsicherheit im Wirtschaftsprozess. Zudem verschwendet

die Beschaffung und Verarbeitung von aktuellen Informationen Ressourcen.

3. Inflation beeinträchtigt die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes, was eine

Wohlfahrtseinbuße der Geldverwender bedeutet.

1 Vgl. Mishkin, F., Schmidt-Hebbel, K., One Decade of Inflation Targeting in the world: What Do We Know and What Do We Need to Know?, Banco Central de Chile, Documentos de Trabajo N° 101, Juli 2001, S.8 ff.2 Das Folgende nach: Glaß, S., Für ein direktes Preisniveauziel in der Geldpolitik, Köln 1996, S. 15f.

3

Page 9: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

4. Inflation verschärft die Wirkung der Einkommenssteuerprogression, da

Steuerpflichtige schneller in höhere Steuerklassen geraten, was wiederum einen

Steuergewinn für den Staat bedeutet.

5. Wenn sich die Nominalzinsen vor Steuern in einen Inflationsprozess nicht

anpassen, was zu niedrigen oder sogar negativen Realzinsen und Steuern führen

kann, so hat dies zwei negative Auswirkungen: (a) es bildet einen Anreiz zur

Hinterziehung von Steuern und veranlasst (b) die Wirtschaftssubjekte sich in

Sachwerte zu flüchten.

6. Inflationsprozessen erschweren die private Vorsorge, was nach einer staatlichen

Aktivität bei der sozialen Sicherung verlangt, die als wohlfahrtsstaatlicher

Interventionismus gegen die ökonomische Effizienz verläuft.

7. Eine Inflationsrate mit hoher Volatilität führt oftmals zu gravierender

Umverteilung von Einkommen und Vermögen.

8. In westlichen Industrieländern besteht einer der schlimmsten Effekte der Inflation

darin, dass sich der Verteilungskampf zwischen Gewerkschaften und den

Arbeitgebern verschärft und dadurch mittel- und langfristig zum erheblichen

Anstieg der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit beiträgt.

„Wenn man sämtliche in den vorstehenden 8 Punkten beschriebenen volkswirtschaftlich nachteilige Wirkungen von Inflationsprozessen, in denn die Inflationsraten erheblich schwanken und von den Wirtschaftssubjekten nicht korrekt antizipiert werden können, zusammenfasst, ist eindeutig festzustellen, dass unstetige Inflationsprozesse langfristig Schäden für die Gesamtwirtschaft hervorrufen. Deshalb wäre es sinnvoll, Inflation von vornherein zu vermeiden, so dass weder die Kosten der Inflation noch die Kosten der Inflationsbekämpfung anfielen. Es stellt sich nun die Frage, mit welcher geldpolitischen Strategie das Ziel der Preisniveaustabilität am besten erreicht werden kann.“3

Die Grundidee des Inflation Targeting fußt auf dem heute in der Volkswirtschaft allgemein

akzeptierten Konsens, dass eine niedrige und stabile Inflationsrate für ein Wachstum aus

dem Markt heraus wichtig ist, was die Analyse der gesamtwirtschaftlichen Kosten eines

unstetigen Inflationsprozesses zeigt. So ist die Stabilität des Preisniveaus eins der vier

Ziele der Wirtschaftspolitik. Die Hauptverantwortung für die Geldwertstabilität trägt die

Zentralbank, an die gewisse institutionelle und operationelle Anforderungen gestellt

werden müssen, damit das Ziel auch erreichbar ist. Zusätzlich sind sich heute die

Makroökonomen einig, dass die Inflationsrate die einzige Größe ist, die in der langen Frist

3 Glaß (1996), S. 26.

4

Page 10: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

durch Geldpolitik steuerbar ist, während sie in der kurzen Frist fähig ist, Fluktuationen in

der Wirtschaft zu stabilisieren. Außerdem ist eine niedrige und stabile Inflationsrate

wichtig – vielleicht sogar notwendig –, um die anderen makroökonomischen Ziele der

Wirtschaftspolitik zu erreichen.

Das Inflationsziel dient als nominaler Anker der Volkswirtschaft, der sowohl die

Erwartungen lenken kann, aber zudem als Meßlatte zur Beurteilung der Politik der

Zentralbank dienen kann.

II. 3 Konzept: Rules vs. Discretion

In der Theorie wird auch bei den geldpolitischen Strategien zwischen einer Regelbindung

und einem diskretionären Verhalten unterschieden. Nach Meinung von Bernake et al.

(1999) lässt sich diese Dichotomie in der Praxis der Zentralbank nicht anwenden: „there is

no such thing in practice as an absolute rule for monetary policy“4. Außerdem – wenn es

so wäre – fände eine Regelbindung auf die Inflation keine große Unterstützung in der

Öffentlichkeit und unter Makroökonomen. Würde man Inflation Targeting als eine Regel

im klassischen Sinn auffassen, so wäre das Inflation Targeting Konzept entscheidender

Kritik unterworfen. Die Geldpolitik müsste sich dann ausschließlich darauf beschränken,

die Inflation zu kontrollieren, was wenig Zuspruch erhalten würde. Eine einseitige

Ausrichtung der Geldpolitik auf ein Inflationsziel – die Regierungen und die

Zentralbanken kümmern sich jedoch auch um Produktion, Arbeitslosigkeit, Wechselkurse

und andere Variablen außer der Inflation – könnte zu einer schlechten wirtschaftlichen

Entwicklung führen.

Warum ist Inflation Targeting keine Regel für die Zentralbank? Das Konzept des Inflation

Targeting bietet außer dem Inflationsziel keine einfachen operationellen Anweisungen für

die Zentralbank. Hier ist die Zentralbank auf sich alleine gestellt und muss mit Hilfe einer

breiten Informationslage die wirtschaftlichen Daten auswerten und in verschieden

strukturellen Modellen verwenden, um das Ziel der Preisniveaustabilität, oder das

entsprechende Inflationsziel, zu erfüllen.

In der Weise, wie Inflation Targeting im Moment von Zentralbanken verwendet wird,

ermöglicht diese Strategie der Zentralbank einen überschaubaren diskretionären

Handlungsspielraum. Hier trifft die aktivistische Regel zu, die ein Endziel bietet (in diesem

Fall Preisniveaustabilität in einem hinreichend definierten Sinne), jedoch freie Hand lässt,

beim konkreten Einsatz der geldpolitischen Instrumente. Die freie Wahlmöglichkeit der

Instrumente gibt der Zentralbank die Gelegenheit, auf Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt,

auf Wechselkursschwankungen und auf andere kurzfristige Phänomene zu reagieren.

4 Bernake et al. 1999, S. 5.

5

Page 11: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

“Like a real-life anchor, inflation targets keep the economic ship in the desired area in the long term, while permitting it to respond in the short run to unpredictable swells and currents. Less fancifully, we see the inflation-targeting framework as serving two important functions: (1) improving communication between policy-makers and the public, and, not unrelatedly, (2) providing discipline and accountability in the making of monetary policy.”5

Die meisten Kosten der Inflation entstehen nicht durch die Unsicherheit über die Höhe der

Inflationsrate, sondern durch die Unsicherheit in den Schwankungen der Inflationsrate. Die

Bekanntmachung des Inflationszieles bringt die Intention der Zentralbank zum Ausdruck,

als eine Richtlinie für die Finanzmärkte und die Öffentlichkeit. Sie hilft so, die

Unsicherheit des zukünftigen Inflationsverlauf zu minimieren. Wenn die Intention der

Zentralbank hinter ihren Handlungen nicht eindeutig ist, verstärkt dies die Volatilität an

den Finanzmärkten. Wenn jedoch die Zentralbank ihre mittelfristigen Intentionen ihrer

Geldpolitik explizit darstellt, hilft das nicht nur dem privaten Sektor seine Planungen zu

verbessern, sondern auch die öffentliche Debatte über die diskretionäre Politik der

Zentralbank aufzufrischen, die die Glaubwürdigkeit der Zentralbank erhöht. Hier spielt

auch die Transparenz der geldpolitischen Maßnahmen der Zentralbank eine große Rolle –

die Transparenz wird auch von anderen monetären Strategien verlangt –, da sie im Falle

von Inflation Targeting das Ziel der Maßnahmen leichter zu verstehen und

nachzuvollziehen ist. Es handelt sich dabei um die Vorhersage der Inflation, die der breiten

Öffentlichkeit offensichtlicher erscheint, als z.B. eine Wachstumsregel für die

Geldmengen.

Wenn man zusammenfasst, sieht man eine enge Verbindung zwischen den Rollen von

Inflation Targeting einmal als ein nominaler Anker in der Wechselkurspolitik und zweitens

als Stütze eines geldpolitischen Konzeptes. Man gibt der Zentralbank die Möglichkeit,

durch die Festlegung eines mittelfristigen, bzw. langfristigen Zieles und des „freie

Handlassens“ in der Beantwortung kurzfristiger Entwicklungen, die diese Ziel gefährden

könnten, im Rahmen der Disziplin und Glaubwürdigkeit fester Regeln auf der einen Seite

und der Flexibilität einer diskretionären Handlungsweise auf der anderen, geldpolitisch zu

agieren. Genau dieser Synergieeffekt muss sich in der institutionellen Konstruktion und in

den operativen Maßnahmen der Länder die Inflation Targeting betreiben widerspiegeln.

II. 4 Institutionelle Merkmale

Dieses Kapitel fasst den institutionellen Rahmen des Inflation Targeting Konzeptes in

einer Volkswirtschaft zusammen. Dies beinhaltet neben der Zentralbankverfassung das

Design des Inflationszieles und Merkmale der Glaubwürdigkeit und der Transparenz. Auf

5 Bernake et al. 1999, S. 22f.

6

Page 12: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

die weiteren und einzelnen Institutionen und Entscheidungsträger wird in den speziellen

Länderkapiteln eingegangen.

Mishkin und Savastano haben die fünf wesentlichen Grundzüge der geldpolitischen

Strategie des Inflation Targeting herausgearbeitet: (i) das mittelfristige Inflationsziel muss

öffentlich bekannt gemacht werden; (ii) Preisstabilität muss als oberstes Ziel der

Geldpolitik institutionell festgesetzt werden, während andere Ziele diesem untergeordnet

sind; (iii) die geldpolitische Strategie basiert auf allen Variablen (jede Information wird

genutzt und nicht nur die Geldmenge und der Wechselkurs; (iv) eine transparente

geldpolitische Strategie, die große Wichtigkeit darauf legt, die Pläne, Ziele und

Überlegungen der Zentralbank der Öffentlichkeit und den Märkten mitzuteilen; und (v)

Mechanismen, die die Zentralbank verantwortlich machen, die Ziele zu erreichen. Die

Liste zeigt, dass nicht nur die öffentliche Bekanntgabe der Ziele die geldpolitische

Strategie Inflation Targeting ausmacht.6

Die von Mishkin und Savastano definierten Grundzüge von Inflation Targeting müssen

sich im institutionellen Rahmen, d.h. dass sie gesetzlich in der Verfassung verankert sind,

wiederfinden.

II.4.1 Zentralbankverfassung

Die institutionelle Ausgestaltung der Zentralbank hat in Bezug auf die inflationäre

Entwicklung in eine Volkswirtschaft eine große Bedeutung, das haben empirische

Erfahrungen und Forschungsarbeiten in diesem Gebiet gezeigt. Besonders wichtig ist daher

im Zusammenhang mit einer Umstellung der Geldpolitik – z.B. im Zuge einer

umfassenden Währungsreform – die monetär-institutionelle Ausgestaltung, bzw. Reform.

Das Zentrum dieser institutionellen Gestaltung ist die Zentralbankverfassung.

Zum Rahmen des Inflation Targeting Konzeptes gehört eine Zentralbank, die durch eine

gesetzliche Regelung unabhängig ist. In allen Ländern die Inflation Targeting betreiben,

wird die Funktion der Zentralbank durch solch ein Gesetz bestimmt. Die

Zentralbankverfassung definiert die Ziele der Geldpolitik und veranlasst die Zentralbank

diese Ziele einzuhalten. Jedoch ist auch Geldpolitik nicht vor dem principal-agent Problem

befreit, was durch das Missverhältnis in der Informationslage und die Wirkungsdauer der

geldpolitischen Maßnahmen mit ausgelöst wird.

Das Konzept des Inflation Targeting bringt eine Lösung für das principal-agent Problem.

Es gibt der Zentralbank das Mandat Preisstabilität zu gewährleisten und gleichzeitig die

Möglichkeit unabhängig die Instrumente zu wählen, die die Zentralbank für richtig hält,

6 Vgl. Mishkin, F., Savastano, M., Monetary Policy Strategies for Latin America, NBER Working Paper Series, Working Paper 7617, 2000, S. 32.

7

Page 13: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

das Inflationsziel zu erreichen. Eine Untersuchung aller Länder, die offiziell Inflation

Targeting betreiben, zeigt, dass die Unabhängigkeit in der Wahl der geldpolitischen

Instrumente durch eine gesetzliche Regelung garantiert ist. Alle Beispiele von Inflation

Targeting Länder, die gleichzeitig der Gruppe der Emerging Markets angehören, haben die

Unabhängigkeit in der Instrumentenwahl in ihre Zentralbankverfassungen mit einbezogen.

In den Ländern die Inflation Targeting betreiben, variieren die Zentralbankverfassungen in

den Einzelheiten, die die genauen Bestimmung im Hinblick auf die Detailliertheit des

Inflationszieles, genauer gesagt auf quantitative Größe des Zieles und den Konsequenzen

bei Nichterreichen des Zieles. Zwischen den Ländern gibt es auch Unterschiede in der

Gewichtung der Preisstabilität. In einen Inflation Targeting System muss die Gewichtung

einzig auf der Erreichung des Inflationszieles liegen, alle weiteren Ziele der

Wirtschaftspolitik sind diesem Ziel untergeordnet. Preisstabilität hat in den meisten

Industrieländern heute eine übergeordnete Stellung, die EWU stellt in diesem

Zusammenhang keine Ausnahme, denn hier ist Preisstabilität eine der beiden Säulen der

Geldpolitik der EZB.

Tabelle 1: Merkmale der Zentralbankverfassung von Inflation Targeting Länder

Zentralbankverfassung Inflation Targeting Länder

Ziele der Geldpolitik

Währungsstabilität als oberstes Ziel Tschechien

Preisstabilität als oberstes Ziel Neuseeland, Polen, Vereinigte Königreich

Währungsstabilität neben anderen ZielenBrasilien, Australien, Kanada, Chile,

Israel, Süd Afrika

Instrumenten-Unabhängigkeit

Australien, Brasilien, Kanada, Chile,

Tschechien, Israel, Polen, Neuseeland,

Süd Afrika, Vereinigtes Königreich

Finanzierung öffentlicher Defizite

Limitiert Kanada, Tschechien, Süd Afrika

verboten Brasilien, Chile, Israel, Polen

Quelle: Eigene Darstellung nach Schaechter et al. (2000)

In den Emerging Market Ländern, die Inflation Targeting betreiben, ist Preisstabilität nur

so weit in der Zentralbankverfassung festgeschrieben, wie eine Stabilisierung der

einheimischen Währung überhaupt möglich ist. In diesen Ländern heißt es meistens, dass

der Wert der einheimheimischen Währung stabilisiert werden soll. Die Stabilisierung der

einheimischen Währung ermöglicht es, eine gewisse Preisstabilität und gleichzeitig eine

Wechselkursstabilität zu gewährleisten. Diese Rolle sollten zuvor andere

8

Page 14: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

währungspolitische Konzepte übernehmen, wie z.B. feste Wechselkurse oder ein

crawling peg. Die Gewichtung verlagerte sich von der Stabilität der Wechselkurse hin zu

einer Stabilität des Preisniveaus.

Zu der Unabhängigkeit der Zentralbank und deren Festsetzung in einer

Zentralbankverfassung kommt in den Emerging Market Ländern (ITers) eine explizite

Limitierung oder ein Verbot der Finanzierung der Staatsausgaben durch die Zentralbank.

Diese Ländern haben meistens eine langjährige Erfahrung mit hohen Inflationsraten, die

teilweise mit durch eine Monetarisierung der Haushaltsdefizite entstand. Die höheren

Verschuldungsraten im Gegensatz zu Industrieländer zeigen, dass die Emerging Markets

anfälliger sind, für eine Finanzierung der Haushaltsdefizite durch die Zentralbank.

Für die Emerging Market Ländern steht die Implementierung einer Zentralbankverfassung

zeitlich vor der Einführung von Inflation Targeting. In Industrieländern kann dies auch

nach der Einführung von Inflation Targeting passieren. Durch lange Phasen einer unsteten

Geldpolitik müssen sich die Zentralbanken der Emerging Market Länder erst die

Glaubwürdigkeit verdienen, die die Zentralbank der Industrieländer meist schon besitzen,

um die Öffentlichkeit von der Funktionsfähigkeit des Inflation Targeting Konzeptes zu

überzeugen.

II.4.2 Design des Inflation Targeting Regimes

Die Inflationsziele der einzelnen Länder, kann man nicht pauschalisieren. Sie sind

vielmehr von den spezifischen Faktoren der Volkswirtschaften abhängig. Jedes Land hat

eine andere Geschichte, wie sie in der Vergangenheit mit Schocks umgegangen ist, eine

andere Stufe der Glaubwürdigkeit der Zentralbank und die Informationslage ist von Land

zu Land unterschiedlich. Die eigentliche Zielsetzung der Inflationsrate – durch wen sie

angekündigt wird, wie ihr zeitlicher Horizont ist, an welchem Preisindex sie überhaupt

gemessen wird und welche Ausstiegsklauseln es für die Zentralbank gibt – muss auf

Grundlage der spezifischen Faktoren des jeweiligen Landes getroffen werden.

Laut Mishkin und Savastano muss das Inflationsziel öffentlich bekannt gemacht werden.

Das Inflationsziel kann entweder durch die Regierung, durch die Zentralbank oder durch

beide zusammen bekannt gemacht werden. Eine Veröffentlichung durch die Regierung

könnte die Glaubwürdigkeit gegebenenfalls erhöhen, da sie die Erreichung des Zieles mit

z.B. fiskalpolitischen Maßnahmen unterstützen kann. Regierungen planen jedoch

kurzfristiger und bevorzugen daher ein Inflationsziel, das oberhalb der optimalen

langfristigen Inflationsrate liegt. Um das zu verhindern, muss eine unabhängige

9

Page 15: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

Zentralbank bei der Veröffentlichung oder zumindest bei der Diskussion über die Inflation

beteiligt sein.

Bei Inflation Targeting ist ein bestimmtes Niveau der Inflationsrate das langfristige Ziel.7

Das Inflationsziel kann für mehrere Jahre veröffentlicht werden. Die Länge des

Zeithorizontes der kurzfristigen Ziele begründet sich auf die Wirkungsdauer von

geldpolitischen Maßnahmen, die durch die verschieden Transmissionsmechanismen

bedingt sind (siehe Kap.II.5.2). Genauer gesagt ist der Zeithorizont durch die Periode

definiert, in der die Zentralbank das vorgegebene Ziel erreichen will. Ein auf eine längere

Frist festgelegtes Inflationsziel (z.B. ein jährliches Ziel, welches jedoch für mehrere Jahre

in die Zukunft festgelegt ist oder ein wirklich langfristiges Ziel) bietet mehr Freiraum, um

auf Schocks zu reagieren und stabilisiert eher die Inflationserwartungen. Bei einem

kurzfristigen Inflationsziel könnte es eher zu einem übermäßigen Gebrauch der

geldpolitischen Instrumente kommen, wenn deren Wirkungsdauer länger ist als der

eigentliche Inflationszielzeitraum.

Ländern, die Inflationsraten haben, die über der Preisstabilität liegen, hilft jedoch eine

kurzfristige Zielsetzung, um den Pfad der Desinflation zu beschleunigen und zu steuern.

Diesen Weg gehen einige Emerging Market Länder, die zu ihrem langfristigen Ziel der

Preisstabilität, jährliche Inflationsziele bekannt geben, um die Desinflation voranzutreiben.

Die jährlichen Ziele können entweder Jahr für Jahr oder für mehrere Jahre im voraus

bekannt gegeben werden. An den vorgegebenen Inflationszielen muss sich die Zentralbank

dann messen lassen, ob und wie sie den Pfad eingehalten hat. Das Inflationsziel, bzw. der

Pfad der Desinflation wird in Veröffentlichungen der Zentralbank oder der geldpolitischen

Institutionen – ein Inflationsreport oder ein Bericht über die Geldpolitik – mit der

empirischen Entwicklung der Inflation verglichen. In dem Fall, in dem das Inflationsziel

nicht erreicht wird, kann und muss die Öffentlichkeit Erklärungsversuche von der

Zentralbank verlangen, die die Gründe für das Nichterreichen des Zieles erläutern und die

die nun zu treffenden Maßnahmen präsentieren, um auf den vorgegebenen Pfad wieder

zurückzukehren. Für die Öffentlichkeit ist es relativ einfach, die Einhaltung des

Inflationszieles zu überwachen.

Ein weiteres institutionelles Merkmal von Inflation Targeting ist die Wahl eines

verbindlichen Preisindexes, mit dem die Inflationsrate gemessen wird und auf das sich das

Inflationsziel bezieht. Die einzige funktionsfähige Alternative, die bei der Wahl bleibt, ist

der Verbraucherpreisindex (VPI), da er der aktualisierteste Index ist.8 Er hat weiterhin den

7 Zu der Diskussion, ob es besser ist ein Preisniveauziel oder ein Inflationsziel zu installieren siehe Bernake et al. (1999), S. 30.8 Eine Alternative wäre die Deflationsrate des BIP, die sämtliche Produktpreise beinhaltet, die in einer Volkswirtschaft produziert werden. Die Deflationsrate ist jedoch nicht immer aktuell und oft Korrekturen

10

Page 16: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

Vorteil relativ einfach durch die Öffentlichkeit verstanden zu werden und es ist weit

schwieriger für die Zentralbank, diesen Wert zu manipulieren. Einige Schwellenländer

hatten in der Vergangenheit ein großes Problem mit der Indexierung.

Der VPI beinhaltet jedoch oft Komponente, die nicht unter der Kontrolle der Zentralbank

stehen (wie z.B. die Handelsbilanz und die administrativen Preise).9 Um diesem Problem

entgegen zu wirken, kann man einen spezifischen VPI verwenden, der einige oder alle

dieser Elemente nicht berücksichtigt. Die Messung und die Veröffentlichung des VPI

durch eine unabhängige, z.B. durch die nationale Statistikbehörde, führt zu einer Erhöhung

der Transparenz und der Glaubwürdigkeit, da sie eine Manipulation im Sinne der

Zentralbank verhindert. Bei der Messung des VPI kann man entweder einen nationalen

Wert betrachten oder sich auf bestimmte Regionen, wie z.B. Ballungsräume beschränken.

Ausstiegsklauseln sind ein heikles Thema in Bezug zur Glaubwürdigkeit. Sie bieten zwar

die Möglichkeit unter bestimmten Bedingungen ein Nichterreichen des Inflationsziele zu

tolerieren und ermöglichen dadurch mehr Flexibilität, mehr Diskretion in den

geldpolitischen Maßnahmen, wirken sich aber negativ auf die Glaubwürdigkeit aus. Die

Ausstiegsklauseln definieren die Bedingungen unter denen das Inflationsziel verfehlt

werden darf und veranlassen die Zentralbank, den zeitlichen Rahmen ihrer Handlungen zu

überarbeiten oder ein neues Ziel zu veröffentlichen. Die Möglichkeiten diskretionär zu

handeln werden erhöht, da die Regelbindung durch das Inflationsziel unter Umständen

nicht eingehalten werden muss. Ein häufiger Gebrauch dieser Ausstiegsklausel würde die

Verantwortlichkeit der Zentralbank im Hinblick auf die Einhaltung des gegebenen Zieles

untergraben und somit die Glaubwürdigkeit des Inflation Targeting Konzeptes schädigen.10

Genau wie bei der Wahl des Zielhorizonts und des numerischen Wertes des Zieles, hat die

Zentralbank einen diskretionären Handlungsspielraum, ob sie das Ziel als ein Punktziel

bekannt gibt oder als Zielspanne. Die Implikationen dieser Wahl werden immer noch sehr

diskutiert, vor allen Dingen im Hinblick auf die Inflationserwartungen und die Reaktionen

bei Nichterreichen des Zieles. Bei der Wahl Zielspanne spielt die Größe dieser Spanne eine

entscheidende Rolle. Im Falle einer engen Spanne ist das Versprechen der Zentralbank das

Ziel zu erreichen strenger, als mit einer weiteren Spanne. Jedoch mindert es im Falle von

unerwarteten Schocks den Handlungsspielraum der Zentralbank, das enge Ziel zu

erreichen. Die unvermeidbaren Fehler, die durch die Kontrolle der Inflation entstehen,

könnten die Inflationsrate aus der Zielspanne treiben, trotz bester Anstrengungen der

Zentralbank.11 Hinzu kommt, dass ein Verfehlen einer Zielspanne mehr Verlust an

unterworfen, die die Glaubwürdigkeit und Transparenz untergraben. Vgl. Schaechter et al. (2000), S. 9.9 Vgl. Schaechter et al. (2000), S. 9.10 Vgl. Schaechter et al. (2000), S. 10.11 Vgl. Bernake et al. (1999), S. 32.

11

Page 17: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

Glaubwürdigkeit mit sich bringt als das Verfehlen eines Zielpunktes. Die Größe der

Zielspanne zeigt also im voraus an, inwieweit die Zentralbank Fluktuationen der

Inflationsrate um das Zentrum toleriert.„To provide clear guidance for inflation expectations, most central banks have set either point targets or narrow target ranges of two percentage points or less. These arrangements are favored by industrial an emerging market economies alike.”12

Die Frage bleibt, ob die Unsicherheit in Bezug auf die Inflation unter Inflation Targeting

auch in Zukunft so groß sein wird wie bisher. Die Zentralbank muss hart arbeiten, um die

gesteckten Ziele zu erfüllen, doch die Möglichkeiten der Vorhersage und Kontrolle der

Inflation werden sich mit der Zeit verbessern.

II.4.3 Glaubwürdigkeit und Transparenz

Für eine Volkswirtschaft, die sich für Inflation Targeting entschieden hat, ist das Maß der

Glaubwürdigkeit der Faktor, der den Erfolg oder Misserfolg des monetären Regimes

bestimmt. Die Öffentlichkeit muss dem monetären Regime Vertrauen schenken und

glauben, dass die wirtschaftspolitischen Institutionen die monetären Ziele einhalten.

Glaubwürdigkeit wird durch verschiedene Aspekte gefördert. Transparenz der Geldpolitik,

Verantwortlichkeit der Zentralbank und Kontinuität einer bewährten monetären

Konzeption tragen zu einer gesteigerten Glaubwürdigkeit bei.13

Die Arbeit der Zentralbank muss transparent sein. Die Schwierigkeit Glaubwürdigkeit zu

verstärken, liegt an den lags zwischen den monetären Maßnahmen und deren Auswirkung

auf die Inflation, die eine befriedigende Überwachung der monetären Ziele erschweren.

Hier werden die Vorteile eines Wechselkursregime oder eines Geldmengen-

steuerungsregime deutlich, die eine bessere Überwachung der Einhaltung der monetären

Ziele zulassen.

In einem Inflation Targeting Regime veröffentlicht die Zentralbank regelmäßig einen

Bericht. Hier nimmt die Zentralbank zu der Inflationsentwicklung Stellung, verteidigt ihre

monetären Handlungen und gibt eine Prognose über die zukünftige Inflationsrate. Diese

Berichte werden in Papierform veröffentlich und sind auch oft im Internet auf dem

Homepages der Zentralbank erhältlich. Die Veröffentlichungen finden in den Inflation

Targeting Ländern zwischen zwei bis vier Mal im Jahr statt.14 Aber nicht nur diese

Berichte helfen bei der Erhöhung der Transparenz. Zu dem veröffentlichen die

12 Schaechter et al. (2000), S. 11. Eine Ausnahme bildet unter anderen Brasilien. Brasilien hat eine weitere Zielspanne eingeführt, um die Element des Preisindexes zu kompensieren, die äußerst volatil sind und nicht unter dem Einfluss der Zentralbank stehen.13 Vgl. Jarchow (1998), S. 336f.14 Für eine ausführlichere Beschreibung der Berichte der Zentralbanken siehe Schaechter et al. (2000), S. 11 ff.

12

Page 18: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

Zentralbanken auch Protokolle ihrer monatlichen Sitzungen und betreiben großen

Aufwand, ihre monetäre Strategie mit Forschungsarbeiten – veröffentlicht durch eine

Abteilung der Zentralbank – zu untermauern und zu verdeutlichen. Im Zuge einer

Änderung der monetären Strategie gibt die Zentralbank ein Pressemitteilung heraus, in der

sie ihre Handlungen begründet.

Schon im Konzept des Inflation Targeting ist die Glaubwürdigkeit immanent. Die

Veröffentlichung eines Inflationszieles erhöht bereits die Glaubwürdigkeit, da eine

unabhängige Zentralbank mit der Geldpolitik betraut wird. Mit der Einführung von

Inflation Targeting kommt es zu einer Verbesserung der Kommunikation zwischen der

Zentralbank und der Öffentlichkeit und den Märkten. Der hohe Aufwand an

Kommunikation ist für Inflation Targeting wichtiger als für andere geldpolitische

Strategien, da gerade bei Inflation Targeting die Einhaltung der monetären Ziele durch die

Glaubwürdigkeit der Geldpolitik und den Inflationserwartungen nachhaltig beeinflusst

wird.

II. 5 Operationelle Merkmale

Unter den operationellen Merkmalen sind die Merkmale der monetären Politik erfasst, die

für ein Inflation Targeting System charakterisierend sind. Auch im operationellen Bereich

werden die Eigenheiten des Inflation Targeting durch spezifische Faktoren der Ländern

beeinflusst, die durch den institutionellen Rahmen gegeben sind. Im geldpolitischen

Entscheidungsprozess muss das Zusammenspiel von der Wahl des Zieles, mit dem

zeitlichen Horizont, der Zielspanne, den Ausstiegsklauseln berücksichtigt werden. Auch

wenn im geldpolitischen Handeln die Unterschiede zwischen Industrieländern und

Emerging Markets nicht so groß sind, besteht allein ein entscheidender Unterschied in der

jeweiligen Inflationsentwicklung in der Vergangenheit, in der die Emerging Markets meist

auf eine höhere Inflation zurückblicken. Das hat zur Folge, dass sich die Emerging

Markets bei der Einführung des Inflation Targeting Systems im Übergang von einer hohen

Inflationsrate zu einer niedrigen befinden und diesen mit Hilfe des Inflation Targeting

verwirklichen wollen.

Der wichtigste Unterschied ist, dass die Industrieländer auf erprobteres empirisches und

statistische Material zurückgreifen können, während die Emerging Markets eine hohen

Forschungsaufwand betreiben müssen, um diese Daten zu sammeln, die in der

Übergangsphase noch nicht aussagekräftig sein können. Das betrifft vor allem die

Entwicklung von Modellen zur Bestimmung der zukünftigen Inflation und der policy lags.

Die Entwicklung solcher empirischen und strukturellen Modelle wird durch die

13

Page 19: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

Unbeständigkeit der Volkswirtschaften und der größeren Anfälligkeit für ökonomische

und finanzielle Schocks erschwert. Bei der Gestaltung von Geldpolitik muss auf diese

Elemente Rücksicht genommen werden, da sie sonst kaum funktionsfähig wäre.

Schaechter et al. (2000) haben die typischen Elemente der Geldpolitik unter Inflation

Targeting in vier Punkten zusammengefasst.

Die Inflationsprognosen werden in regelmäßigem Abstand aktualisiert, wobei auf

die neusten ökonomischen Daten, die Indikatoren des Marktes und die Ergebnisse

aus den Modellen Rücksicht genommen wird.

Die monetäre Einstellung, im Hinblick auf die Transmissionsmechanismen, die die

Wirkungsdauer der monetären Handlungen bestimmen, ist durch Modelle und

Entscheidungen geprägt, die diese Dauer und andere Faktoren miteinbeziehen.

Auf andere Faktoren, wie die internationale Entwicklung und politischen

Ereignisse, die sich auf den Zeitplan und Einfluss die monetäre Strategie auswirken

könne, wird Rücksicht genommen.

Eine Veränderung der monetären Einstellung wird veröffentlicht, und das

operationelle Ziel wird in Richtung des neuen Zieles verändert.15

Im Folgenden werden diese operationellen Merkmale eines Inflation Targeting Regimes

genauer untersucht. In den operationellen Besonderheiten äußert sich der Grad der

Diskretion, der in diesem zielgerichteten System erlaubt und für nötig gehalten wird. Die

Wissenschaftler sprechen von einer constrained discretion, also einer gesteuerten

Diskretion. Entscheidend sind hier die Inflationsprognosen, die Transmissions-

mechanismen und die Durchführung der geldpolitischen Strategie.

II.5.1 Inflationsprognosen

Inflationsprognosen spielen eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Geldpolitik in

einem Inflation Targeting System. Der Grund hierfür ist die Zeitspanne, in der eine

geldpolitische Handlung sich in der Inflationsrate widerspiegelt. Für Emerging Market

Länder stellt dies eine größere Herausforderung dar, da sie sich weder auf

vertrauenswürdige statistische Daten, noch auf die strukturelle Konstanz ihrer

Volkswirtschaft, die besonders anfällig ist für externe Schocks, verlassen können.

Die Inflationsindikatoren ähneln sich in allen Inflation Targeting Ländern. So ein Indikator

bezieht sich auf die empirischen Daten, um eine nützliche Signalwirkung haben zu können,

die zukünftige Inflationsrate zu prognostizieren. Zu den Inflationsindikatoren gehören die

aggregierte Nachfrage, Angebotsvariablen, Geldmengen, Veränderungen der Zinsrate und

15 Vgl. Schaechter et al. (2000), S. 21.

14

Page 20: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

des Wechselkurses, die Inflation, Preisveränderungen und die Erwartungen in einer

Volkswirtschaft.16

Nicht nur Inflationsprognosen, erstellt durch die Zentralbank, sind in diesem Prozess von

Bedeutung, auch die Inflationserwartungen der Öffentlichkeit und der Zentralbank sind in

einem Inflation Targeting System von großem Nutzen. Auch die Inflationserwartungen

werden veröffentlicht, manchmal im Zuge einer Zentralbankveröffentlichung, in der die

Erwartungen des Marktes noch einmal zusammengefasst werden. Im Emerging Market

Länder haben aggregierte Nachfrage- und Angebotsindikatoren ein größeres Gewicht, da

sich Schocks primär in diesen Größen widerspiegeln und es kaum gebrauchsfähige

Alternativen gibt, die Situationen am Markt zu beschreiben. Zu diesen Schocks gehören

besonders im Falle von Emerging Market Länder Schocks auf der Angebotsseite.17

Für die Inflationsprognose benutzen die Zentralbanken Strukturmodelle18, die sie

selbstständig für ihren spezifischen wirtschaftlichen Hintergrund entwickeln. Die Modelle

beruhen jedoch auf allgemeinen Elementen einer offenen Volkswirtschaft: einer

Nachfragekurve, einer Phillipskurve, einer geldpolitischen Reaktionsfunktion und den

Konditionen für ein Gleichgewicht im asset market.19

Einige Inflation Targeting Industrieländer haben makroökonomische large-scale Modelle

entwickelt, die jedoch auf historischen Daten beruhen und eine stabile wirtschaftliche

Entwicklung benötigen, um aussagekräftig zu sein. In diesen Ländern herrscht das

Inflation Targeting System zumeist schon einige Jahre, so dass bereits für diesen Zeitraum

verlässliche Daten existieren, zumal die Entwicklung solcher Modelle nur über einen

längeren Zeitraum möglich ist. Die meisten Industrieländer verwenden für ihre Prognosen

kleine Strukturmodelle, die sich nur auf einen bestimmten Sektor der Volkswirtschaft

beziehen. Im Gegensatz zu den Industrieländern benutzen Emerging Market Länder

weniger die quantitativen Modelle, da sie nicht über die nötige Erfahrung und Stabilität im

Umgang mit dem Inflation Targeting System verfügen und außerdem noch strukturellen

Veränderungen unterworfen sind. Diese Länder betreiben jedoch zunehmend mehr

Forschungsaufwand, um solche quantitativen, strukturellen Modelle zu entwickeln.

Brasilien gehört beispielsweise zu den Ländern die Strukturmodelle für ihre

Volkswirtschaft entwickelt haben, bzw. mit der Entwicklung beschäftigt sind.

Die Strukturmodelle helfen nicht nur bei der Erstellung von Inflationsprognosen, sondern

auch bei der operativen Geldpolitik. Small-scale Modelle helfen der Zentralbank die

Transmissionskanäle zu verstehen und sie in ihren Handlungen zu berücksichtigen. Sie

16 Vgl. Schaechter et al. (2000), S.21.17 Vgl. Agénor et al. 2000, S ???. IMF, WP 99/3518 allgemeine Literatur über Strukturmodelle: Agonor, Haldane etc ????19 Vgl. Schaechter et al. (2000), S.22

15

Page 21: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

spielen zusätzlich eine wichtige Rolle bei der Transparenz, da sie die Inflationsprognosen

und die geldpolitischen Handlungen untermauern.

Die Modelle, die einen zeitlichen Rahmen berücksichtigen, vervollständigen diese

Modellsammlung. Hierunter fallen Modelle, die sich nur auf eine Variable beziehen, und

Modelle mit einem mehrvariablen Ansatz (z.B. vector autoregression models,

VAR-Modelle).Inflation targeting central banks typically first analyze the output from their economic models and other assorted inflation indicators, and then apply judgment based on qualitative information gathered from their contacts in all sectors of the economy to arrive at a view regarding the appropriate stance for monetary policy.20

Zusammenfassend kann man sagen, dass eine Inflationsprognose aufgrund verschiedener

Elemente getroffen wird. Zu diesen Elementen gehören die Inflationsindikatoren,

quantitative ökonomische Modelle und eine qualifizierte Beurteilung.

II.5.2 Geldpolitische Transmissionskanäle

Die wissenschaftlich ökonomische Forschung hat sich, sowohl aus theoretischer Sicht als

auch aus empirischer Sicht, mit dem Prozessen beschäftigt, über die die Zentralbank in der

Lage ist, die Inflationsrate zu beeinflussen. Abbildung 1 veranschaulicht die Mechanismen,

die der Zentralbank zur Verfügung stehen, den Verlauf der Inflation zu steuern.21Der geldpolitischen Institution stehen zwei Wege zur Verfügung. Sie kann über den

kurzfristigen Zins oder die Erwartungen Einfluss nehmen. Die Zinsen kann die

Zentralbank direkt beeinflussen – so wie auch Brasilien handelt – oder durch indirekte

Maßnahmen – wie z.B. Mexiko –. Beide der Varianten haben Vor- und Nachteile, die aber

nur im Rahmen der Fallbeispiele näher betrachtet werden.

Wie in der Abbildung 1 verdeutlicht wird, können geldpolitischen Maßnahmen die Zinsen

und die Erwartungen beeinflussen. Bei der Veränderung der einen Größe kommt es zu

einer Wechselwirkung zwischen den beiden, die den Effekt der monetären Maßnahme

verstärken kann. Bei der folgenden Entwicklung gibt es zwei Wege. Der eine, der direkte

Weg ist nur möglich, wenn die Zentralbank über ausreichend Glaubwürdigkeit verfügt.

Alle Agenten der Volkswirtschaft müssen darauf vertrauen, dass die Zentralbank ihre Ziele

erreicht, und sie müssen auf dieser Grundlage ihre Entscheidungen treffen. In diesem Fall

wäre die erwartete Inflation die Zielinflation und die tatsächliche Inflation. Das hätte

weiter zur Folge, dass die Zentralbank keine weiteren Maßname treffen muss, um die

20 Schaechter et al. (2000), S. 22.21 Das Folgende nach Martínez, L., Sánchez, O., Werner, A., Consideraciones sobre la Conducción de la Política Monetaria y el Mecanismo de Transmisión en México, Banco de México, Documento de Investigación No. 2001-02, März 2001, S. 34 ff.

16

Page 22: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

Inflation in ihren vorgegebenen Rahmen zu halten. Jedoch braucht dieses Vorgehen ein

große Maß an Reputation der Zentralbank, die jedoch in Ländern mit einer Vergangenheit

mit hohen Inflationsraten, die zuerst ökonomische Stabilität erreichen wollen, schwer zu

erreichen. Dieser Fall hat zur Folge, dass die Erwartung über dem Inflationsziel liegt und

entsprechende monetäre Maßnahmen getroffen werden müssen, um einen Pfad der

Desinflation zu beschreiten. Dieser zweite Fall ist ein indirekter Weg, um die Inflation zu

kontrollieren, der sich wiederum in verschiede Kanäle aufteilt.

Abbildung 1: Transmissionsmechanismen

Quelle: Martinez, Sanchez, Werner (2001), eigene Darstellung

Eine Veränderung der Zinsrate beeinflusst die Inflation über zwei Hauptkanäle. Der erste

Kanal entsteht aus dem Einfluss der Ausgaben in der Volkswirtschaft, der wiederum in

drei Unterkanäle eingeteilt werden kann. In erster Linie gibt es den Kanal über die

aggregierte Nachfrage. Dieser Kanal wird mit der IS-LM-Modell beschrieben. Eine

Erhöhung der Zinsen hat eine Erhöhung der Ersparnis zur Folge. Die Nachfrage nimmt ab

und dadurch der Druck auf die Güterpreise und im letzten Schritt der auf die Inflation.

An zweiter Stelle steht der Kreditkanal. Dieser wird durch die Fehlbarkeit des

Kreditmarktes begünstigt, der es ermöglicht, dass eine Erhöhung der Zinsen, ein

Reduzierung des Kreditangebots zur Folge hat.22

22 Diesem erstaunlichen Effekt hat sich mittlerweile viel Literatur gewidmet. Die erste Formulierung und theoretischen Analyse veröffentlichten Bernanke und Blinder in: „Credit, Money and Aggregate Demand“, American Economic Review, Mai 1988, S. 435-439.

17

INFLATION

Kapitalverkehr

Geldpolitische Maßnahmen

agg. Nachfrage

InvestitionKonsum

Zinssatz

Wechselkurs

Erwartungen

Neoklassisch (IS-LM)Kreditkanal

Wechselkurs

Kapitalverkehr

Offene Volks-

wirtschaft

Page 23: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

Der zweite wichtige Kanal geht über den Wechselkurs. Dies kann jedoch nur in einer

offenen Volkswirtschaft, mit freiem Güter- und Kapitalmarkt, funktionieren. Eine

Erhöhung der Zinsen führt zu einer erhöhten Investition in inländischen Bonds, die eine

Zunahme an Kapitalverkehr in Richtung des Landes zur Folge hat. Das mehr an Kapital

führt in einer Volkswirtschaft mit einem flexiblen Wechselkurs zu einer Aufwertung des

Wechselkurses. Diese führt in Ländern mit einer schwachen Einfluss auf den

internationalen Märkten, zu einer Reduktion der heimischen Preise auf handelbare Güter.

Ein Substitutionseffekt in der Produktion wäre die weitere Folge.

In Emerging Market Länder sind die Kanäle und deren Wirkungsdauer schwammiger. Die

Transmissionsmechanismen sind durch Preise, die nicht so leicht fallen, und einem

geringeren pass-through-Koeffizienten, von einer Wechselkursveränderung zu einer

Inflationsveränderung gekennzeichnet. Diese Charaktereigenschaften hängen mit den

höheren Inflationsraten in der Vergangenheit der Länder zusammen. Zudem können durch

ein nicht gut ausgebildetes Finanzsystem die Transmissionskanäle negativ beeinflusst

werden.

II.5.3 Durchführung der geldpolitischen Strategie

Im Hinblick auf Emerging Market Länder, ist die Vorgehensweise beim Übergang zu

einem freien Wechselkurssystem unter einem Inflation Targeting System von größerer

Bedeutung als bei Industrieländer, da die Ausgangsposition meist aus einer gescheiterten

Geldpolitik entstanden ist. Diese Länder stehen vor dem Problem der geringeren

Glaubwürdigkeit, da die vergangene Geldpolitik höhere Inflationsraten zur Folge hatte. Zu

diesem Thema gibt es bisher wenige Forschungsarbeiten, hauptsächlich nur deskriptive

Länderbeispiele, aus denen noch keine „Gebrauchsanweisung für Emerging Market

Länder“ entstanden ist.

Das kurzfristige Ziel der geldpolitischen Instrumente ist in allen Inflation Targeting

Ländern ein Zinsziel. In den meisten Ländern handelt es sich um den overnight Zinssatz. In

einigen Ländern besteht dieses Ziel aus einem Bündel aus einem Zinsziel und einem

Wechselkursziel. Über eine Veränderung in den kurzfristigen Zielen, verändert sich die

Inflationsrate über die geldpolitischen Transmissionsmechanismen.

Alle Inflation Targeting Zentralbanken verwenden im Markt basierende geldpolitische

Instrumente, um das kurzfristige Ziel in die gewünschten Richtung zu lenken. Zu diesen

Instrumenten gehören in erster Linie die Offenmarktpolitik. Durch dieses Instrument kann

die Zentralbank sowohl das Zinsniveau, als auch die Zentralbankgeldversorgung

(Liquidität) am Markt zielunterstützend steuern. Der Vorteil der Offenmarktpolitik liegt an

18

Page 24: Inflation Targeting

Das Konzept des Inflation Targeting

der Schnelligkeit, mit der inflationären Schocks entgegengewirkt werden kann. Dieser

Vorteil führt dazu, dass marktorientierte Instrument extrem nützlich sind für eine

Geldpolitik in einem Inflation Targeting System.

II. 6 Bewertung

Seit mehr als zehn Jahren wird das Inflation Targeting Konzept in Industrieländern

erfolgreich gestestet. Das hat dazu geführt, dass auch Emerging Market Ländern diese

geldpolitische Strategie übernommen haben. Der Frage, ob Inflation Targeting auch in

Schwellenländern erfolgreich ist, wird in den nächsten zwei Kapiteln mit den

Länderbeispielen von Mexiko und Brasilien genauer untersucht.

Bereits in der Einführung wurden die Vorteile des Inflation Targeting Konzeptes

herausgearbeitet. Unter anderem wird Unabhängigkeit der Zentralbank durch dieses

Konzept gestärkt, da Inflation Targeting genau die benötigt. Weiterhin kommt es zu einer

Stärkung der Glaubwürdigkeit und Transparenz und zu einer Verbesserung der

Kommunikation zwischen Zentralbank und den Wirtschaftssubjekten.

Inflation Targeting setzt genau an der ökonomischen Variable an, die entscheidend die

wirtschaftliche Entwicklung mitbestimmt: die Inflation. Wenn man sich in einer

Volkswirtschaft für ein System mit flexiblen Wechselkursen entscheidet, ist eine niedrige

Inflationsrate wichtig für die Stabilität. Neben dem konsequenten Verfolgen eines

langfristigen Zieles – z.B. Preisstabilität – lässt das Inflation Targeting Konzept es zu, in

den entscheidenden Situationen diskretionär zu handeln. Gleichzeitig lässt sich so eine

gewisse Stabilität der heimischen Währung gewährleisten.

19

Page 25: Inflation Targeting

Mexiko

III. Mexiko

Mexiko war schon immer eine der bedeutendsten Volkswirtschaften Lateinamerikas. In

den letzten Jahrezehnte hat sie durch die Öffnung ihrer Märkte noch an Bedeutung

gewonnen. 1995 ist man der NAFTA (North Atlantic Free Trade Agreement) beigetreten.

Das unterstreicht die starken Handelsbeziehungen zu den Vereinigten Staaten. Die NAFTA

ist eine Freihandelszone zwischen Mexiko, den USA und Kanada.

Durch die Abhängigkeit von der USA hatte man bis in die neunziger Jahre hinein eine

US$-Bindung als nationalen Wechselkursanker. Dieses crawling peg hielt bis Ende des

Jahres 1994. In diesem Jahr jedoch kam es zu einer schweren Krise, die nicht nur ihre

Auswirkungen in Mexiko, sondern als Tequila-Krise in ganz Lateinamerika Konsequenzen

nach sich zog. Die mexikanische Krise von 1994/95 führte zu einer massiven Kapitalflucht

aus den lateinamerikanischen Ländern, die zum Teil Zahlungsschwierigkeiten hatten.

Zusammen mit Mexiko hatte mehrere lateinamerikanischen Ländern große Probleme die

Krise zu überwinden.

Mexiko stand Anfang 1995 vor unmittelbaren Problemen, wie hohen Inflationsraten und

das Bestreben des Aufrechterhaltens der Zahlungsfähigkeit. Jedoch bestanden in Mexiko

auch längerfristige Probleme. Wie sollte man die Volkswirtschaft endlich stabilisieren?

Der Versuch dies durch ein crawling peg und eine Dollarbindung zu erreichen, war

fehlgeschlagen. Ende des Jahres 1994 musste die Zentralbank dieses System aufgeben und

den Wechselkurs alternativlos freilassen. Ein flexibler Wechselkurs bedingt jedoch eine

starke eigenständige Geldpolitik. Der nominal Anker der Volkswirtschaft, der im festen

Wechselkurs bestand hatte, ist weggefallen.

Mexiko hat in den ersten Jahren nach er Krise ein managed floating betrieben. Die

mexikanische Zentralbank (Banco de México) ist jedoch in den vergangenen Jahren mehr

und mehr dazu übergegangen, ein transparenteres geldpolitisches System zu installieren.

Die jährlich bekannt gegeben Inflationszielen nehmen mittlerweile die Funktion an, als

nominaler Anker der Volkswirtschaft zu dienen. Auch in institutionellen und

operationellen Bereich hat sich einiges getan, so dass man sagen kann, dass sich Mexiko in

der Übergangsphase zu einen eindeutigen Inflation Targeting System ist.

20

Page 26: Inflation Targeting

Mexiko

III. 1 Empirische Bedingungen des Übergangs

Mit der Krise von 1994/95 kamen in Mexiko die hohen Inflationsraten zurück. Ende des

Jahres 1995 stieg die Inflation bis auf über 50%. Das hatte schwere Auswirkungen auf die

Glaubwürdigkeit der Zentralbank im Hinblick auf die Fähigkeit überhaupt Geldpolitik zu

betreiben.

Doch eine eigenständige Geldpolitik wurde nach dem Freilassen des Wechselkurses seit

Anfang 1995 dringend gebraucht. Die Geldpolitik musste sich zuerst um die schweren

Folgen der Krise kümmern. Die Inflationsrate musste gesenkt werden. Auch der

Wechselkurs stellt die Zentralbank nun vor neuen Herausforderungen. Der US$ stieg mit

der Freilassung des mexikanischen Peso auf über M$ 5. Die Banco de México hatte die

Aufgabe den Abwertungsdruck auf den Peso zu entschärfen. Jedoch musste die

Wirtschaftspolitik an einem Strang ziehen, um die Krise zu meistern.

III.1.1 Gezwungener Übergang zum Floating

Im Dezember des Jahres 1994 konnte die mexikanische Zentralbank die vorgegebene

Bindung mit dem U.S. Dollar nicht mehr verteidigen und entschied sich daher den

Wechselkurs des Peso freizugeben. Der Wechselkurs wurde als nominaler Anker der

Volkswirtschaft aufgegeben. Das hatte zur Folge, dass es zu einer Abwertung des Pesos

kam und die Zentralbank viel ihrer Glaubwürdigkeit einbüßte.

Es wurde schnell klar, dass die Krise drei konzeptionelle Ebenen aufwies. Die erste belegte

ein großes Handelsdefizit, welches durch kurzfristige Kapitalanleihen finanziert worden

war. Der zweite Aspekt der Krise waren die mexikanischen Auslandsschulden, sowohl im

öffentlichen als auch im privaten Sektor. Der mexikanische Staat stand kurz vor einer

absoluten Zahlungsunfähigkeit. In der dritten Ebene begann die aufkommende

Bankenkrise unmittelbare Handlungen nötig zu machen, um einen Kollaps des

Bankensystems und des gesamten makroökonomischen Systems zu verhindern.23

Die politischen Reaktionen auf diese Krise mussten nicht nur die Überausgaben der

Wirtschaft mindern, sondern auch genug Vertrauen in der Öffentlichkeit schaffen, um die

Panik zu stoppen und das Vertrauen in die mexikanischen Werte, sowohl externe als auch

interne, wiederherstellen. Mexiko musste also gänzlich seinen finanziellen Verpflichtungen

nachkommen und in der gleichen Zeit ein konsistentes Paket von politischen Maßnahmen

schnüren.

23 Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 7.

21

Page 27: Inflation Targeting

Mexiko

Trotz der starken Kritik, musste die Zentralbank weiter handeln. Im Laufe des Jahres 1995

kam sie der Notwendigkeit nach, ein nominalen Anker der Volkswirtschaft zu etablieren.

Sie führte ein Beschränkung des Wachstums der internen Nettokredite der

Banco de México (BM) ein, die aus dem Wachstum der Geldnachfrage und der Nicht-

Akkumulation von internationalen Reserven abgeleitete wurde. Jedoch wurden diese

Beschränkungen nicht als Zwischenziele etabliert, sondern nur wie Regeln gebraucht. Die

BM wusste, das sie trotz der Glaubwürdigkeitskrise ein offensichtliches monetäres Ziel in

ihrem institutionellen Rahmen aufnehmen musste.24

Eine geldpolitische Steuerung über die kurzfristigen Zinses erschien der Zentralbank im

Jahr 1995 zu risikoreich, da eine große Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung der

mexikanischen Volkswirtschaft bestand. Die Zentralbank ließ sowohl den Wechselkurs, als

auch das Zinsniveau sich durch den Markt bestimmen. Jedoch betrieb die Zentralbank ein

managed floating, da die oft auf dem „Geldmarkt“ intervenierte.

Abbildung 2: Inflationsrate in Mexiko (in % über die letzten 12 Monate)

Quelle: El Centro de Certificación LGAI, eigene Grafik

Nach der Abwertung des mexikanischen Pesos stand die mexikanische Wirtschaftspolitik

vor drei Herausforderungen:

i) Der Lenkung einer makroökonomischen Anpassung als Reaktion auf den

erheblichen Rückgang des ausländischen Kapitals

ii) Der Refinanzierung der öffentlichen U.S. Dollar-Schulden (ca. 30

Milliarden U.S. Dollar)

iii) Der Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit des Banksektors und der

Schutz der privaten Ersparnisse.25

24 Vgl. Martínez et al. (2001), S. 4.25 Vgl. Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 8.

22

Page 28: Inflation Targeting

Mexiko

Um diesen Herausforderungen für die mexikanische Wirtschaftspolitik nachzukommen,

wurden 1995 mehrere Programme eingeführt. Um den inflationären Effekten der

Abwertung entgegenzutreten, war eine strenge Geldpolitik die Folge. Ein wichtiger Punkt

war die Stärkung der Glaubwürdigkeit der Maßnahmen. Das führte dazu, dass die

Geldpolitik sich ausschließlich daran richtete, die nominalen Variablen der Wirtschaft zu

stabilisieren. Das Hauptziel war jedoch die Inflation zu dämmen. Eine niedrige

Inflationsrate ist essentiell in einem System mit flexiblen Wechselkursen. Die Reduzierung

der Inflation wurde so zum nominalen Anker der Geldpolitik. Auch 1995 veröffentlichte

die BM ein Inflationsziel, welches auf 42% für das Jahr festgesetzt wurde.26 Um diese

Entscheidung zu bestätigen, trugen die geldpolitischen Autoritäten dazu bei, dass die

Zinsen von 16% (im Dezember 1994) auf bis zu 86% (im März 1995) stiegen. Zur gleichen

Zeit versuchte die Zentralbank die Kommunikation und die Informationsdistribution zu

verbessern.

Eine weiter entscheidende Maßnahme bestand in der Stärkung der Fiskalpolitik: „The tight monetary an fiscal policies, together with the expenditure switching effects of the devaluation, were absolutely essential to stabilize the currency and achieve the current account correction in a relatively orderly way.”27

Der mexikanischen Wirtschaft wurden zusätzlich von der internationalen Gemeinschaft

Hilfspakete in der Höhe von 52 Milliarden U.S. Dollar gewährleistet. Der von Mexiko

ausgehandelte Kredit war wichtig, um weiterhin die Zahlungsfähigkeit zu gewährleisten.

Im Zusammenhang mit den Problemen im Banksektor, kam eine umfassen Strategie zum

Einsatz. Das Finanzsystem war – durch die hohe Schuldenlast der Haushalte und der

Unternehmen – sehr bedroht. Um die Integrität des Sektors zu gewährleisten, wurden

verschiede Programme initiiert, die die folgenden Ziele hatten:

Verhinderung eines systematischen Angriffs auf das Bankensystem

Kampf gegen Moral Hazard und die Minderung von Verzerrungen

Die Kosten für die Restrukturierung des Banksektors wurden als Thema der

Fiskalpolitik gesehen

Die Zentralbank sollte versuchen, so wenig wie möglich als lender of last resort

aufzutreten

Die Verstärkung der Regulation und Supervision im Finanzsektor.28

26 Vgl. Martínez et al. (2001), S. 6.27 Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 10.28 Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 11.

23

Page 29: Inflation Targeting

Mexiko

Die niedrigen internationalen Reserven und die Unsicherheit am Finanzmarkt ließen nur

die Option zu, die Wechselkurse flexibel zu gestalten. Wichtig wurde nun die

Implementierung der notwendigen institutionellen und operationellen Innovationen, um ein

freies Wechselkurssystem zu vollenden und damit anzufangen, die Glaubwürdigkeit der

mexikanischen Zentralbank wiederherzustellen.„As the exchange rate stabilized, interest rates fell, international financial markets resumed lending to the Mexican economy, and the expenditure switching effects of the devaluation continued (for consumption as well as investment). Economic activity recovered rapidly, thanks to the broad restructuring that the economy had gone through in the previous decade. Thus, GDP grew 5.6 percent in average for the period 1996-98, while consumption and investment also recovered. At the same time, inflation dropped rapidly from 51.7% in 1995 to 18.6% in 1998.”29

Für die erste Zeit nach der Krise kann man sagen, dass der Schlüssel für die

Revitalisierung der mexikanischen Wirtschaft die relativ schnelle Stabilisierung der

nominalen Variablen war, was mit einen konsistenten makroökonomischen Programm

geschafft worden war.

Abbildung 3: Wechselkurs M$-US$ von 1994-2002

Quelle: eigene Darstellung nach Banco de México

III.1.2 Entwicklung Richtung Inflation Targeting

Für die Geldpolitik gab es nach 1995 dennoch weitere Probleme, die gelöst werden

mussten. Die Glaubwürdigkeit der Zentralbank war anschlagen. Dieser Verlust an

Glaubwürdigkeit passierte durch die Abwertung des Pesos und die Rückkehr zu einem

29 Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 13.

24

Page 30: Inflation Targeting

Mexiko

Umfeld der hohen Inflation im Jahre 1995. In diesem Zusammenhang sind zwei

Kritikpunkte an der Zentralbank entscheidend: einmal die fehlende Transparenz in ihren

Handlungen und die Nichtverbreitung von gewissen Informationen und zweitens die

fehlende Fähigkeit vor, während und nach der Krise die Geldpolitik entscheidend zu

straffen.

Um ihre Glaubwürdigkeit zu erhöhen, führte die Banco de México ein oberes

mittelfristiges Geldmengenziel ein, publizierte nun den monatlichen Bericht über die

Entwicklung der inländischen Nettokreditvergabe. In der Folgezeit war dieses sehr

einfache und intuitive geldpolitische Programm nicht ausreichend, um weder die

Inflationserwartungen zu stabilisieren noch die eigentliche Inflation. Anfang 1995

scheiterte diese regel-gebundene Geldpolitik aufgrund mehrerer Faktoren:

Schon während der Krise war die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sehr instabil,

was zu einen ebenfalls instabilen Verhältnis zwischen der Geldmenge und der

Inflation führte.

Mit der Geldmengenregel war es nicht möglich, weder die plötzlichen

Wechselkursverluste zu verhindern, noch nachhaltig die Inflationserwartungen zu

beeinflussen und somit das Preisniveau.

In der kurzen Frist hatte die mexikanische Zentralbank kaum einen Einfluss auf die

Geldmenge, da diese hier nur durch die Geldnachfrage verändert wurde.30

In ersten Halbjahr 1995 kam es zu einer deutlichen Abwertung des Reals. Der Wechselkurs

fiel von M$ 5 auf über M$ 7 für einen US$. Nur mit diskretionären Maßnahmen, mit der

Unterstützung des IWF konnte diese Abwertung gestoppt werden. Der Wechselkurs sank

wieder auf um die M$ 6.31 Dieses erfolgreiche Eingreifen verhinderte einen Kollaps der

ökonomischen Aktivitäten und einen weitere Verunsicherung im Bankensektor. Die

Abwertung des Pesos war mit der einfachen, regel-gebundenen Strategie nicht zu

verhindern gewesen. Die mexikanische Zentralbank entschloss sich, die monetäre Strategie

von einer, auf quantitativen Zielen in der Geldmenge beruhende, hin zu einer Strategie zu

verändern, in der eine Regelbindung (Entwicklung der Geldmenge) mit Diskretion

(Beeinflussung der Zinsen) verbunden werden. Um wirklich diskretionär handeln zu

können, ohne den Aspekt der Transparenz zu vernachlässigen, errichtete die BM ein neues

Mindestreservesystem, das sogenannte encaje de promedio cero und Régimen de Saldos

Acumulados. Es handelt sich um ein System, das die Mindestreserve durchschnittlich bei

Null hält. Um die Nachfrage nach Bargeld einhalten zu können, bietet die Zentralbank in

30 Vgl. Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 14.31 Vgl. Abbildung 3.

25

Page 31: Inflation Targeting

Mexiko

täglichen Auktionen Kredite an. Der Saldo Acumulado de los saldos diarios (SA) ist die

Bilanz dieser täglichen Umsätze der Zentralbank. Die Summe der Kredite, die täglich

versteigert werden, wird zuvor von der BM festgelegt.

Wenn der SA gleich null ist, unterstreicht das die Intention der Zentralbank, die

Geldnachfrage zufrieden zu stellen. Die BM betreibt dann eine neutrale Geldpolitik. Ist der

SA negativ, das heißt zu klein32, zeigt das die Intention der Zentralbank, die nötigen

Rücklagen nicht zum gültigen Marktzinssatz zu anzubieten. In diesem Fall muss zumindest

ein Kreditinstitut, um die Nachfrage zu stillen, einen Strafzinssatz bezahlen, der doppelt so

hoch ist, wie der aktuelle Zinssatz. Die BM kommt ein beiden Fällen zwar der Nachfrage

nach, dennoch wird im zweiten Fall ein Teil der Kredite zu einem höheren Zins vergeben.

Das führt dazu, das Druck auf das Zinsniveau aufgebaut wird. Der corto impliziert für das

Banksystem nicht zu umgehende Kosten. Unter diesen Umständen ist die rationale

Reaktion der Banken, die Zinsrate auf das geglaubte Zielniveau der Zentralbank steigen

zulassen. Genau das passiert, wenn die BM einen corto einführt. Es handelt sich um eine

indirekte Kontrolle der Zinsen.

Die mexikanische Geldpolitik hat sich dahin verändert, das man für das seit 1996

zutreffende Programm drei Hauptelemente aufstellen kann:

1) Ein jährlich bekannt gegebenes Inflationsziel.

2) Regeln, die durch das Verhalten der Geldmenge definiert werden, zusammen mit

der quantitativen Verpflichtung der Akkumulation von nominalen internationalen

Reserven und der Veränderung der inländischen Nettokredite.

3) Das letzte Element ist das, das sich die mexikanische Zentralbank das Recht

vorbehält, in den Fällen, wo sie es für angebracht hält, auch diskretionäre

Maßnahmen durchzuführen.33

Für die Jahre 1996 und 1997 legte die mexikanische Zentralbank die Inflationsziele auf

20,5%, resp. 15% fest. In diesen ersten Jahren nach der Krise orientierte sich die Banco de

México, mit Hilfe von diskretionären Maßnahmen und dem corto, daran, die

Stabilitätskonditionen auf dem Finanzmarkt wiederherzustellen. Sobald der corto wieder

null ist, übernimmt das Inflationsziel die Rolle, die Erwartungen der Öffentlichkeit zu

lenken, während die BM mit ihren diskretionären Maßnahmen darauf achten musste, nur

wenig Verunsicherung in den Finanzmarkt zu bringen.

Carstens und Werner kommen zu dem Schluss, dass sich Mexiko eindeutig in der Phase

eines Überganges zu einem klar-geschnittenen Inflation Targeting Konzept befindet und

32 Im Spanischen wird dise Situation corto genannt, so auch im Folgenden. Der gegenteilige Fall wird largo genannt, wenn SA>0.33 Vgl. Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 17 ff.

26

Page 32: Inflation Targeting

Mexiko

das der Hinderungsgrund einer kompletten Übernahme dieses Konzeptes die immer wieder

auftretenden exogenen Schocks auf das Preisniveau sind.34

Nach 1998 beginnt das geldpolitische Konzept der BM den Übergang zu einem Inflation

Targeting System. Bevor man jedoch den ersten Schritt in diese Richtung machen kann,

muss man herausfinden, ob der inflationäre Prozess durch exogene Schocks angetrieben

wird oder von Schocks, die die Schlüsselpreise beeinflussen. In diesem Zusammenhang

haben Carstens und Werner herausgefunden, dass exogene Veränderungen der Geldmenge

nicht der Grund für die Inflation in Mexiko sind, sondern, dass die Geldmenge inflationäre

Schocks beherbergt, die von dem Wechselkurs, den Löhnen und dem Preisniveau im

öffentlichen Sektor kommen. Weiterhin schlussfolgern sie, dass diese Ergebnisse den

diskretionären Handlungsspielraum der mexikanischen Zentralbank rechtfertigen.35 Das

Inflation Targeting System beinhaltet weniger die Berücksichtigung der Geldmenge als

vielmehr eine stärkere Beachtung der Analysen des inflationären Druckes. Genau das

führte zu einer Hervorhebung der Wichtigkeit des Inflationszieles in der kurzen und

mittleren Frist.36

Ein gutes Indiz für den Übergang zu einem Inflation Targeting System lässt sich in der

Erhöhung des corto im November 1998 sehen. Er wurde eingesetzt, um den Druck auf die

Inflation durch eine Erhöhung der Zinsen zu reduzieren. Das Inflationsziel für das Jahr

1998 von 12% war durch die Auswirkungen der russischen Zahlungsunfähigkeit und dem

niedrigen Ölpreis nicht zu erreichen. In diesem Fall wurde der corto zum ersten Mal

präventiv eingesetzt, auch um die monetären Konditionen zu schaffen, das Ziel des Jahres

1999 zu erreichen.37

Im Jahre 1999 lag bei der mexikanischen Zentralbank das Hauptaugenmerk auf der

graduellen aber stetigen Desinflation. Die Kosten in einem Prozess der Desinflation sind

gering, da die Banco de México gleichzeitig einen Glaubwürdigkeitsschub erhält in ihrer

Hingabe zur Inflationsbekämpfung. Unterstützend wirkt hier auch das Bekenntnis der

Zentralbank einen Überschuss des Geldangebots – Hauptquelle eines inflatorischen

Prozesses – zu vermeiden. Der Schub in der Glaubwürdigkeit bewirkt gleichzeitig, dass die

Zentralbank nicht die Zinsen erhöhen muss, um die Inflationserwartungen unter Kontrolle

zu halten. Hinter dieser Handlung steht, das die mittel- und langfristigen Erträge einer

niedrigen Inflationsrate, die vorrübergehenden Kosten der Übergangsphase hin zu

34 Vgl. Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 21.35 Vgl. Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 29.36 Vgl. Martínez et al. (2001), S. 7.37 Vgl. Banco de México, Boletin de Prensa Nr. 129, vom 30. November 1998 und vgl. Martínez et al. (2001), S. 7.

27

Page 33: Inflation Targeting

Mexiko

Preisniveaustabilität über die Maßen deckt. All diese Überlegungen flossen in die

Präsentation des geldpolitischen Programms im Jahre 1999.

Für das Jahr 1999 wurde das Inflationsziel auf eine Obergrenze von 13% festgesetzt.

Gleichzeitig wurde ein längerfristiges Ziel eingesetzt: die graduelle Annäherung an die

externen Inflationsraten. Diese Ziel wurde noch mal ausführlicher erläutert: Das Ziel der

Geldpolitik sollte sein, 2003 eine Inflationsrate von 3% zu erreichen.38 Zur gleichen Zeit

legte man auch mit 10% das Ziel für das Jahr 2000 fest. Im Oktober 1999 folgte die

Bekanntgabe der Inflationsziele für die Jahre 2001 (6,5%) und 2003 (3%). Für das Jahr

2002 wurde ein Hinweis auf das Inflationsziel gegeben (4,5%).

Carstens und Werner kommen in ihrer Arbeit zu dem Schluss:„Therefore, to be in a position to quickly react to inflationary shocks, Banco de México has the possibility to discretionally adjust its monetary policy stance to influence the behavior of the interest rates in the pursuit of its inflation target. Therefore, as time has past, the inflation objective, supported by our discretionary actions, has become the nominal anchor of the economy.”39

Auch wenn noch die formale Übernahme des Inflation Targeting Konzeptes fehlt, arbeitete

die Zentralbank in den ersten Jahren nach der Krise bereits auf die Umstellung hin.

III. 2 Institutionelle Merkmale

Da Mexiko sich in dem langsamen Prozess befindet, nach und nach das Inflation Targeting

System einzuführen, ist auch der institutionelle Bereich nicht von einer graduellen

Umstrukturierung ausgeschlossen. Die Funktionen und die Aufgaben der mexikanischen

Zentralbank werden durch die mexikanische Verfassung und das Zentralbankgesetz

geregelt. Im Artikel 28 der mexikanischen Verfassung steht:“El Estado tendrá un banco central que será autónomo en el ejercicio de sus funciones y en su administración. Su objetivo prioritario será procurar la estabilidad del poder adquisitivo de la moneda nacional [...]. Ninguna autoridad podrá ordenar al banco conceder financiamiento.”40

Das Zentralbankgesetz ist im Hinblick auf ein Inflation Targeting System vorbereitet. Die

einzelnen Aufgaben, Funktionen und Pflichten sind in 68 Artikeln geregelt. Keine andere

mexikanische Institution darf der BM vorschreiben, wie sie zu handeln hat. Sie besitzt,

neben der Verpflichtung als Notenbank zu dienen, jedoch nicht die absolute freie Wahl der

Instrumente. Bei deren Einsatz, um oberste Aufgabe der Zentralbank zu erfüllen, kann die

38 Vgl. Martínez et al. (2001), S. 8.39 Carstens, A.G., Werner, A.M., Mexico’s Monetary Framework under a Floating Exchange Rate Regime, Documento de Investigación No. 9905, Banco de México, Mai 1999, S. 50.40 Artikel 28 der mex. Verfassung. „Der Staat soll eine Zentralbank besitzen, die autonom ist in Ausübung ihrer Funktionen und in ihrer Administration. Ihr höchstes Ziel ist es, die Stabilität der Kaufkraft der nationalen Währung zu gewährleisten [...]. Keine Institution darf der Bank befehlen, eine Finanzierung zu gewähren.“ (Übersetzung der Verfasser)

28

Page 34: Inflation Targeting

Mexiko

Regierung immer noch mit reden. Die Aufgabe ist bereits in Artikel 28 der Verfassung

umschrieben: sie muss für Preisstabilität sorgen. Die Rahmenbedingung für Inflation

Targeting sind also fast implementiert. Zu der nicht gewährleisteten Freiheit in der

Instrumentenwahl, ist auch die finanzielle Unabhängigkeit nicht vorhanden, was eine

Schwächung der Stellung und der Glaubwürdigkeit der Zentralbank bedeutet. In einem

Ranking des IWF über die gesetzliche Unabhängigkeit und die Glaubwürdigkeit der

lateinamerikanischen Zentralbanken erreicht Mexiko den vierten Platz.41

Die interne Struktur der Zentralbank ist wiederum durch 54 Artikel geregelt. Hier sind die

Organisation und die Kompetenzen der Zentralbank festgelegt. Die Zentralbank wird durch

ein Direktorium (Junta de Gobierno del Banco de México) geleitet, dem wiederum der

Zentralbankchef vorsteht. Darunter gibt es verschiede Abteilungen, die sich um die

einzelnen Aspekte der Zentralbankarbeit kümmern. Unter anderen gibt es eine Abteilung

für Zentralbankoperationen oder eine Abteilung für die ökonomische Forschung.

In ihrem Bericht von Januar 2002 über das geldpolitische Programm der Zentralbank,

beschreibt die Banco de México die Entwicklung zu einer formalen Übernahme des

Inflation Targeting Konzeptes und deren Hauptcharaktereigenschaften:

(a) El reconocimiento de la estabilidad de precios como el objetivo fundamental de la política monetaria;

(b) El establecimiento y anuncio de metas de inflación de corto y mediano plazos;

(c) La consolidación de una autoridad monetaria autónoma;(d) La aplicación de la política monetaria en un marco de transparencia, el

cual se sustenta en una estrategia de comunicación abierta respecto de los objetivos, instrumentos y decisiones de la autoridad monetaria;

(e) El análisis permanente de todas las fuentes potenciales de presiones inflacionarias, con el fin de evaluar la trayectoria futura del crecimiento de los precios; y

(f) El uso de mediciones alternativas de la inflación, como la inflación subyacente. Ello, a fin de distinguir aquellos fenómenos que inciden de manera transitoria sobre la inflación e identificar la tendencia de mediano plazo del crecimiento de los precios.42

41 Vgl. Jácome H., Luis I., Legal Central Bank Independence and Inflation in Latin America During the 1990s, IWF Working Paper 01/121, Dezember 2001, S.18ff.42 Banco de México, Informe sobre la Inflación Octubre – Diciembre 2001 y Programa Monetario para 2002, Januar 2002, S. 70. „(a) das fundamentale Ziel der Geldpolitik ist die Anerkennung der Preisstabilität, (b) die Einführung und die Veröffentlichung von Inflationszielen in der kurzen und mittleren Frist, (c) die Konsolidierung einer unabhängigen monetären Institution, (d) die Anwendung der Geldpolitik mit einem gewissen Grad der Transparenz, der durch eine Strategie der offenen Kommunikation entsteht, was die Ziele, die Instrumente und die Entscheidungen der monetären Institution angeht, (e) die permanente Analyse der möglichen Gründe für inflationären Druck, mit dem Ziel eine Projektion des zukünftigen Wachstums der Preise zu formen und (f) der Gebrauch von alternativen Messungen der Inflation., wie die unterschwellige Inflation. Diese werden gebraucht, um jene Phänomene, mit vorübergehender Wirkung auf die Inflation zu unterscheiden und um die kurzfristige Tendenz des Wachstums der Preise zu identifizieren.“ (Übersetzung der Verfasser).

29

Page 35: Inflation Targeting

Mexiko

Mit diesen Charaktereigenschaften, sind bereits einige der wesentlichen Grundzüge des

Inflation Targeting Systems, die Mishkin und Savastano43 herausgearbeitet hatten, in der

mexikanischen Geldpolitik berücksichtigt.

In Mexiko ist der Verbraucherpreisindex der offizielle Index bei der Messung und

Kontrolle der Inflation. Der Indice Nacional de Precios al Consumidor (INPC) wird vom

Instituto Nacional de Estatística, Geografia e Informatica (INEGI) gemessen und

veröffentlicht. Mit dem Jahr 2002 wurde die Basis dieses Preisindexes verändert. Dazu

gehörten eine Veränderung der durchschnittlichen Größe der Haushalte und eine

Veränderung der zum Bündel gehörenden Güter. Das neue Güterbündel beinhaltet nun

315 Güter, im Vergleich zu 313 Gütern, die seit 1994 dazu gehörten. Jedoch waren auch

inhaltliche Veränderung ausschlaggebend.44 Der INPC ist eine nationale Größe und für die

gesamte Bevölkerung repräsentativ.

Abbildung 4: Inflationsrate INPC (in % über die letzten 12 Monate) und Inflationsziele

Quelle: El Centro de Certificación LGAI und Martínez et al. (2001), eigene Grafik

Die Aufgabe der Zentralbank ist es, die Inflation auf einem niedrigen Niveau und stabil zu

halten. Mexiko befindet sich noch immer in der Phase des Überganges, in der

Preisniveaustabilität, wie im Gesetz gefordert, noch nicht erreicht ist. Daher gibt die Junta

de Gobierno seit der Krise jährliche Inflationsziele bekannt, die den Weg der Desinflation

43 Vgl. Mishkin, F., Savastano, M., Monetary Policy Strategies for Latin America, NBER Working Paper Series, Working Paper 7617, 2000, S. 32 und siehe Kapitel II.4.44 Für eine ausführliche Begründung und Erläuterung der Umstellung der Basis des INPC siehe: Banco de México, Metodología para el Cambio de Base del INPC, http://www.banxico.org.mx/eInfoFinanciera/Infecon/cuadros/CambioBaseINPC.pdf, am 20.05.2002.

30

Page 36: Inflation Targeting

Mexiko

verstärken sollen. Mit dieser Strategie der graduellen Reduktion der Inflation, gab 1999 die

Junta nicht mehr nur kurzfristige Jahresziele heraus, sondern erstmals ein mittelfristiges

Ziel: 2003 soll eine Inflationsrate von ca. 3% erreicht werden.45 Um diese mittelfristige

Ziel zu unterstützen, wurde 2000 das Inflationsziel für das Jahr 2002 festgelegt: es soll

4,5% nicht übersteigen.

Die Zentralbank gibt mehrere Berichte über ihre Arbeit, über die Entwicklung der Inflation

und anderer ökonomischen Variablen heraus46. In diesen Berichten wird die eigene

Geldpolitik beurteilt und die weitere Vorgehensweise diskutiert. Zu den

Veröffentlichungen gehört ein jährlich erscheinendes Informe Anual, in denen alle

Informationen zu der mexikanischen Volkswirtschaft noch einmal zusammen gefasst

werden. Jährlich erscheinen auch das Programa de Política Monetario und das Informe

sobre la política monetaria, wobei das erste jeweils im Januar des Jahres erscheint und das

andere im September. Das Programa de Política Monetario gibt einen Überblick über die

Herausforderungen des kommenden Jahres für die Geldpolitik, während das Informe sobre

la política monetaria die Ergebnisse der Geldpolitik des Jahres zusammenfasst und

gegebenenfalls anpasst. Die Veröffentlichung dieser Berichte ist im Zentralbankgesetz

durch den Artikel 51 geregelt. Die Zentralbank muss mit diesen Berichten Rechenschaft

vor dem mexikanischen Kongress ablegen.

Die wichtigste Veröffentlichung im Zusammenhang mit Inflation Targeting ist das Informe

trimestral sobre la inflación. Dieser Bericht wir seit 2000 von der Zentralbank

veröffentlicht. Hier wird speziell de Entwicklung der Inflation berücksichtigt und auch

Prognosen für die zukünftige Inflation getroffen. Wie der Name schon sagt, erscheint

dieses Informe alle drei Monate. Durch die Herausgabe von Pressemitteilungen wird

Informationsvergabe zusätzlich noch verbessert. Auf der Homepage der Zentralbank sind

alle Pressemitteilungen nach Themen geordnet zu erhalten.47

Die Forschungsabteilung (Dirección General de Investigación Económica) veröffentlicht

zusätzlich noch Documentos de Investigación, die auch via Internet zu erhalten sind und

teilweise sogar in Englisch.48 Es werden hauptsächlich Forschungsarbeiten zu der

ökonomischen Situation in Mexiko veröffentlicht, die sich z.B. mit der mexikanischen

Geldpolitik oder operationellen Eigenheiten des mexikanischen Systems beschäftigen.

45 Siehe Abbildung 4.46 Alle Veröffentlichungen sind auch im Internet als pdf-Dateien erhältlich unter: http://www.banxico.org.mx/gPublicaciones/FSPublicaciones.html, am 02.05.2002.47 Alle Pressemitteilungen unter: http://www.banxico.org.mx/fBoletines/Boletines/FSBoletines.html48 Die Documentos de Investigación sind im Internet unter: http://www.banxico.org.mx/gPublicaciones/DocumentosInvestigacion/doctos.htm zu erhalten (02.05.2002).

31

Page 37: Inflation Targeting

Mexiko

Bei einer Verfehlung der Inflationszieles sieht weder die Verfassung noch das

Zentralbankgesetz eine Konsequenz vor. In keinem Artikel ist beschrieben, wie sich die

BM in so einem Fall veralten soll. Außer den normalen Berichten muss die Zentralbank

nicht weiter Rechenschaft ablegen. In der kurzen Geschichte der Inflationsziele ist die

Verfehlung schon häufig vorgekommen, da das Ziel ein Punktziel, oder eine Höchstgrenze

ist. In diesem Fall handelt die Zentralbank wenig transparent.

III. 3 Grundmodell und operationelle Merkmale

Das oberste Ziel der mexikanischen Zentralbank ist die Gewährleistung von Preisstabilität.

Die Aufgabe der Geldpolitik ist es nun das Instrument herauszusuchen und es in dem Maße

anzuwenden, wie mit den Transmissionsmechanismen der Geldpolitik und der Erreichung

des Zieles vereinbar ist. Wie schon im zweiten Kapitel herausgearbeitet, ist es der

Zentralbank möglich, direkt oder indirekt über eine Veränderung des Zinssatzes die

Inflationsrate zu beeinflussen.

Die Banco de México beeinflusst den Zinssatz nicht direkt, sondern indirekt über eine

Restriktion des Geldangebots bei den täglichen Auktionen zu dem gültigen Zins. Dieses

fehlende Geldangebot (corto), wird zwar von der Zentralbank gedeckt, muss aber von einer

oder mehreren Kreditinstituten zum doppelten Zinssatz erworben werden. Die

Geldnachfrage wird gesättigt.49 Dieses geldpolitische System nennt man Zero-average

reserve requirement system. Das durchschnittlich null Mindestreservesystem definiert, wie

die Zentralbank die Geldnachfrage sättigt. Auch für Mexiko, mit seiner langen Geschichte

der hohen Inflation, zählt, das in der langen Frist das Wachstum der Geldmenge

entscheidend ist. In der kurzen Frist jedoch ist de Zentralbank darauf angewiesen, andere

ökonomische Variablen zu verfolgen, die die Geldmenge beeinflussen können.

Die mexikanische Zentralbank wird die Veränderungen der ökonomischen Variablen

reagieren, die zu einer höheren Inflationsrate führen. Die Auswirkungen auf die Inflation

müssen von der Zentralbank rechtzeitig antizipiert werden, da zwischen der monetären

Handlung und deren tatsächlichen Auswirkung eine gewissen Zeitspanne liegt. Mit der

Einführung eines flexiblen Wechselkursessystems hat die BM das Zero-average reserve

requirement system umgesetzt, um den Teilnehmern des Finanzmarktes Signal geben zu

können, ohne eine bestimmte Zinsrate oder Wechselkursrate zu bestimmen.50 Diese

Signale gibt die Zentralbank durch die vorherige Bekanntgabe eines Zielwertes für die

Summe der Bilanzen aller Geschäftsbanken bei der Zentralbank. Der corto ist der Fall, in

49 Das corto-System wurde bereits im Kapitel III.1.2 ausführlich erläutert.50 Das Zero-average reserve requirement system wird in einem Papier der Zentralbank noch einmal genau beschrieben: Banco de México, Implementation of monetary Policy through the zero-average reserve requirement system ,http://banxico.org.mx/public_html/dgobc/imp.zip, am 10.05.2002.

32

Page 38: Inflation Targeting

Mexiko

dem die mexikanische Zentralbank nicht die komplette Geldnachfrage zu den gültigen

Marktzinsen deckt. Wenn die Zentralbank den corto benutzt, betreibt sie so zusagen eine

restriktive Geldpolitik. Unter den folgenden Umstände würde de BM dazu übergehen, eine

solche Geldpolitik zu betreiben:“1. Cuando detecte presiones inflacionarias futuras incongruentes con

el logro de los objetivos de inflación adoptados y, por ende, las expectativas inflacionarias se desvíen considerablemente respecto de las metas de inflación;

2. Cuando se presenten perturbaciones inflacionarias. En particular, la política monetaria procurará en toda circunstancia neutralizar los efectos secundarios de las perturbaciones exógenas sobre los precios y, en ocasiones, actuará de manera precautoria para contrarrestar parcialmente los efectos inflacionarios directos que originen los movimientos de los precios clave en la economía. El objetivo final es que los ajustes necesarios de los precios relativos afecten sólo moderadamente al INPC, elevando su nivel pero evitando el deterioro de las expectativas inflacionarias;

3. Cuando se necesite restaurar condiciones ordenadas en los mercados cambiarios y de dinero.”51

Wie bereits oben erwähnt führt diese restriktive Geldpolitik zu einem Druck auf die

Zinsensniveau. Die Zinsen werden in diesem Fall steigen.

Für den Erfolg der Geldpolitik müssen jedoch zunehmend die Variablen berücksichtigt

werden, die die Wirkung einer Maßnahme beeinflussen und verzögern. Die mexikanischen

Zentralbänkler müssen verstehen wie und in welchem Maße sich eine Veränderung des

Zinssatzes auf die Inflationsrate aus wirkt. Zum einen sind hier die Transmissionskanäle

der Geldpolitik entscheidend, zum anderen ist auch eine Analyse des pass-through von

großer Bedeutung. Die Berechnung eines pass-through Koeffizienten verdeutlich die

Wirkungsdauer und die –intensität der Maßnahme.

Der pass-through Koeffizient lässt sich für die mexikanischen Volkswirtschaft leicht an

der Dauer ausmachen, wann sich eine Veränderung im Wechselkurs in den Preisen

niederschlägt. Die Variationen im Wechselkurs beeinflussen die Preise direkt über die

Veränderung der handelbaren Güter oder indirekt über eine Veränderung der

Inflationserwartungen. Im direkten Fall entscheidet die Offenheit er Volkswirtschaft über

ihren Effekt, während im indirekten Fall den die Anfälligkeit der Inflationserwartungen

entscheidend ist. 52Für Mexiko existieren mehre Gründe dafür, dass dem pass-through zwischen einer

Wechselkursveränderung zu einer Preisveränderung eine größere Rolle zukommt als in

anderen Volkswirtschaften. In Mexiko veränderte sich zum einen der Anteil der Handels

51 Martínez et al. (2001), S.13.52 Das Folgende nach: Martínez et al. (2001), S.28 ff.

33

Page 39: Inflation Targeting

Mexiko

am BIP von 15% im Jahre 1990 zu 58% im Jahre 1999. Auf der anderen Seite stehen die

lange Geschichte einer hohen Inflation und die der Zahlungsbilanzkrisen, die sich

nachhaltig auf das Verhältnis zwischen den Inflationserwartungen und dem Wechselkurs

ausgewirkt haben. Martínez et al. (2001) weisen in ihrer Untersuchung nach das in den

vergangenen 20 Jahren eine erstaunlich hohe Korrelation zwischen der Abwertung des

Wechselkurses und de Inflation gab. Für den indirekten Fall zeigen sie, dass der pass-

through Koeffizient in den vergangenen drei Jahren erheblich gefallen ist.

Für die Effektivität von monetären Maßnahmen ist außerdem die Analyse der

Transmissionskanäle und –mechanismen von großer Bedeutung. Die Transmissionskanäle

können mit Hilfe von Strukturmodellen beschrieben oder mit VAR-Modellen analysiert

werden.53

III. 4 Empirische Bedingungen unter Inflation Targeting

Seit 1998 ist die mexikanischen Volkswirtschaft zunehmend durch die graduelle

Umstellung des geldpolitischen Konzeptes der Banco de México geprägt. Der Trend ging

weiter von einer Geldmengensteuerung hin zu einer stärkeren Gewichtung der

Inflationsziele, die die Zentralbank seit mehreren Jahren bekannt gibt. Einen

Übergangscharakter hatte auch die restriktiven Maßnahmen der Zentralbank im Hinblick

auf die Interventionen am „Geldmarkt“ mit Hilfe das cortos. Im dem Falle, dass die

Inflationserwartung nicht mit den Inflationszielen übereinstimmte, benutzte die

Zentralbank den corto, um die Märkte zu beruhigen.

Es war ein Ziel, nicht nur die Inflationsrate an sich zu senken, sondern auch die Volatilität

der monatlichen Inflationsraten. Durch die Stabilisierung der Märkte mit einem

gleichmäßigen Zinssatz konnte dieses Ziel langsam auch erreicht werden.54 Nur die

Jahreswende 1998/99 wurde der Abwärtstrend im Zinsniveau durch eine restriktivere

Geldpolitik unterbrochen.

Abbildung 5: monatlicher INPC (1995-2002, mit Trend)

53 Martínez et al. (2001) nehmen eine VAR Analyse für die Jahre 1997-2000 vor.54 Siehe Abbildung 5.

34

Page 40: Inflation Targeting

Mexiko

Quelle: Banco de México, eigene Darstellung

Das Jahr 1998 hat der mexikanischen Geldpolitik jedoch mehr geschadet, als genützt. Das

Inflationsziel von 12% hat man um fast 7%-Punkte verfehlt. Zur Jahreswende 1998/99

lagen die monatlichen Inflationsraten des INPC wieder um die 2%, was dazu führte, dass

die jährliche Inflationsrate im Dezember 1998 auf 18,6% stieg. Das Verfehlen des

Inflationszieles kostete der Zentralbank viel Vertrauen, in ihrem Kampf gegen die

Inflation. Jedoch ebnete die Zentralbank durch eine restriktivere Geldpolitik – sie führte

wieder den corto ein – das Feld für das nächste Jahr. Die restriktivere Geldpolitik zeigt

sich eindeutig im Zinsniveau.55 Bis in den August des Jahres war das Zinsniveau in den

niedrigen 20ern. Im September erreichte der kurzfristige Zinssatz durch die restriktivere

Geldpolitik ein Spitzenwert von über 50%. Die Anhebung der Zinsen konnte jedoch nicht

mehr dazu führen, dass das Inflationsziel für das Jahr erreicht wurde. Erst im nächsten Jahr

sollte die Inflationsrate wieder zurückgehen. In diesem Fall kann man eindeutig die

Wirkungsdauer der geldpolitischen Maßnahme erkennen.

Das Inflationsziel für 1999 wurde bei 13% festgemacht. Bis Mitte April sind die Zinsen

wieder auf das Niveau des Vorjahres gefallen. In weiteren Verlauf des Jahres sanken die

Zinsen dann unter die 20%-Marke, was jedoch den Abwärtstrend der Inflation nicht

nachhaltig negativ beeinflusste. Zum Ende des Jahre fiel die jährliche Inflation dann auch

mit 12,3% unter das Ziel. Die Erfüllung des Zieles und der weitere Abwärtstrend der

Inflationsziele – für 2000 wurde das Inflationsziel bei 10% festgemacht – stärkten

55 Siehe Abbildung 5.

35

Page 41: Inflation Targeting

Mexiko

wiederum das Vertrauen in die Fähigkeiten der Zentralbank. Zum ersten Mal wurde 1999

auch ein mittelfristiges Ziel eingeführt. 2003 sollte die Inflationsrate auf ein

„internationales Niveau“ gesenkt werden.

Im Jahr 2000 wurde bereits im Februar das Inflationsziel im April mit 9,7% unterschritten,

wobei es auch im restlichen Jahr dabei blieb. Die monatlichen Inflationsraten blieben bei

ihrem Abwärtstrend und unter 1%. Auch die Zinsen waren relativ stabil in diesem Jahr. Sie

bewegten sich das ganze Jahr zwischen 15% und 20%

Abbildung 6: tägliche Zinsen CETES (1996-2002)

Quelle: Banco de México, eigene Darstellung

Im Jahr 2001 wurde das Zinsniveau noch einmal um 10%-Punkte gesenkt. Bereits Anfang

August wurde die 10%-Marke unterschritten. Mit den terroristischen Anschlägen in den

USA, stieg das Zinsniveau jedoch wieder über 10%. Doch bereits im Oktober konnte diese

Marke wieder unterschritten werden. Seither befindet sich das Zinsniveau weiter auf

seinem Abwärtstrend. Ähnlich sieht es mit den monatlichen Inflationsraten aus. 2001

stiegen sie nicht mehr über die 1%-Marke und waren in den Monate Februar und Juli sogar

negativ. Selbst im September und Oktober erreichte die Rate nur 0,9%, bzw. 0,5%. Diese

gute Entwicklung spiegelte sich natürlich auch in der Jahresinflation wider. Im Dezember

fiel die Inflation auf 4,4%, 2%-Punkte unterhalb des Inflationszieles. Seit drei Jahren hat

die Zentralbank es geschafft, das Inflationsziel, was zum Teil als obere Grenze gesehen

wurde, zu unterschreiten. Das bedeutet einen erhöhten Glaubwürdigkeitsschub für die

Zentralbank in ihrem Kampf gegen die hohe Inflation. Mexiko kann, mit Inflationswerten

36

Page 42: Inflation Targeting

Mexiko

unter 4%, nun nicht mehr als eine Volkswirtschaft angesehen werden, die unter hohen

Inflationsraten leidet. Der Druck auf die Inflation ist zwar noch immer vorhanden, aber die

Zentralbank scheint ein geeignetes Gegenmittel gefunden zu haben. Trotz der schlechten

Konjunktur der Weltwirtschaft, hat es Mexiko geschafft, ihren Kurs durchzuhalten.

Um die Krise von 1994/95 zu überstehen, half der Zentralbank seit 1996 ein stets positives

Wirtschaftswachstum, das auch im Vergleich zu anderen lateinamerikanischen Staaten

hoch war.56 Das Wachstum des Bruttoinlandprodukt erreichte 1997 6,8%. Nach dem

wirtschaftlich erfolgreichen Jahr 2000, mit 6,5% Wachstum, ist das Wirtschaftswachstum

seit 1995 zum ersten Mal wieder negativ. Die schwache Konjunktur des

Haupthandelspartner Mexikos, USA, wirkte sich auch negativ auf Mexiko aus. Zwar

wurde das Inflationsziel erreicht und der Wechselkurs bliebt stabil – der US$ unter

M$ 10 – doch das Wachstum ging auf -0,3% zurück.

III. 5 Bewertung und Ausblick

Mexikos Geldpolitik fehlt es immer noch an einigen wichtigen Elemente die eine Inflation

Targeting Strategie ausmachen. Zwar gibt die Zentralbank seit mehreren Jahren ein

Inflationsziel bekannt, aber das allein macht Inflation Targeting nicht aus. Mexiko fehlt vor

allem noch eine transparentes politisches Konzept und die nötige Glaubwürdigkeit das

Inflationsziel auch zu erreichen.

Weiterhin rückt sie nicht von ihren Weg ab, die Zinsen nur indirekt zu beeinflussen, mit

der Hilfe der täglichen Liquiditätssteuerung. Das Zero-average reserve requirement system

mit corto und largo ist wenig durchschaubar, auch wenn die Zentralbank in den letzten

Jahren viel unternommen hat mehr Transparenz durch genauere Untersuchungen zu

erzeugen. Auch mittelfristige Inflationsprognosen publiziert die BM nur in einem geringen

Maße, die Prognosen beziehen sich nur auf das folgende Jahr. Bei der Festlegung des

Inflationszieles wird der Schwerpunkt noch immer auf ein kurzfristiges, jährliches

Inflationsziel gelegt. Erst einmal ist es vorgekommen, dass die BM ein mittelfristiges

Inflationsziel veröffentlich hatte. Diese Aktionen der mexikanischen Zentralbank sind nur

bedingt glaubwürdigkeitsfördernd, zumal in der mexikanischen Volkswirtschaft immer

noch ein Abwertungsdruck auf den Wechselkurs herrscht, auch wenn der Wechselkurs

unter M$ 10 für einen US$ gehalten werden konnte.

In diesen letzten Jahren hat es die BM geschafft, die Inflationsrate wieder unter 10% zu

bekommen und die Aussichten das mittelfristige Ziel, 3% Inflation am Ende des Jahres

56 Siehe Tabelle 3.

37

Page 43: Inflation Targeting

Mexiko

2003 zu erreichen, stehen nicht schlecht. Der Glaubwürdigkeit konnte auch mehr genüge

getan werden, da in den letzten drei Jahren das Inflationsziel mehr oder weniger

eingehalten werden konnte. Der pass-through Koeffizient vom Wechselkurs zur

Inflationsrate ist den letzten Jahren erheblich gefallen.

Der Übergang zu einem Inflation Targeting System ist noch nicht komplett vollzogen.

Mexiko scheint eher den Weg Chiles zu gehen: den Weg einer graduellen Stärkung der

Inflationszieles. De Möglichkeit in ein paar Jahren Preisniveaustabilität in Mexiko zu

haben scheint nicht so schlecht zu sein, dennoch sind noch einige Strukturreformen nötig,

um dieses oberste Ziel der Zentralbank auch auf Dauer zu gewährleisten. Dann muss sich

auch die Zentralbank zu einem eindeutigen Inflation Targeting bekennen.

38

Page 44: Inflation Targeting

Brasilien

IV. Brasilien

Brasilien ist zusammen mit Mexiko die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas. Sowohl

Mexiko als auch Brasilien besitzen im amerikanischen Wirtschaftsraum ein großes

Gewicht, so dass ihre makroökonomische Verfassung für die gesamte Region als

Stabilisator, resp. Destabilisator, wichtig ist.

Brasilien hat Inflation Targeting im Juli 1999 als offizielle Geldpolitik der Zentralbank

eingeführt. Dies bildet vorerst ein Ende der langen Stabilisierungsbemühungen und

Währungsreformen, die sich seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts in Brasilien

hinzogen. Den Höhepunkt der Währungsreformen bildete der Plano Real, der im Jahre

1994 durchgeführt wurde. Jedoch führte der Plano Real nur zu einer vorrübergehenden

Stabilisierung. Zwar blieben in den folgenden Jahren die Inflationsraten konstant niedrig,

dennoch musste die brasilianische Zentralbank das mit dem Plano Real eingeführte

Wechselkurssystem, ein Crawling Peg, im Juli 1999 wieder aufheben und den Real floaten

lassen. Mit der Freilassung des Wechselkurses brauchte die Zentralbank ein neues

geldpolitisches Konzept, woraufhin sechs Monate später Inflation Targeting offiziell

eingeführt wurde:„The introduction of the new nominal anchor was paramount to enhance transparency and to guide expectations, thus preventing temporary inflation increases from recurring.”57

Mit der Aufgabe des Crawling Peg und des erzwungenen Floating suchte die BCB einen

neuen nominalen Anker für den Real, den sie mit der Einführung von Inflation Targeting

gefunden hatte. Gleichzeitig profitierte die Zentralbank von den Vorteilen der Inflation

Targeting Strategie, zum Beispiel bei der Lenkung der Inflationserwartungen und der

Erhöhung der Transparenz und der Glaubwürdigkeit. Die Übernahme des neuen Konzeptes

beinhaltete jedoch eine institutionelle Umwälzung der herrschenden Bedingungen und

stellte die Zentralbank vor die schwierige Aufgabe, Geldpolitik nun selbst zu gestalten. Die

Erlernung der operationellen Aufgaben der Zentralbank in einem Inflation Targeting

Regime war und ist immer noch mit einem hohen Forschungsaufwand verbunden.

57 Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00,Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 5.

39

Page 45: Inflation Targeting

Brasilien

IV. 1 Empirische Bedingungen des Übergangs

In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts durchlief die brasilianische Wirtschaft bestimmte

strukturelle Veränderungen. In den ersten Jahren des Jahrzehnts stagnierte das reale

Einkommen des Landes. Hinzu kam eine geringes Investitionsniveau, eine niedrige

Sparrate und einem limitierten Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten. Geprägt

wurden diese Jahre durch hohe und noch steigende Inflationsrate. Erst im Jahre 1994

machte Brasilien einen wirklichen Fortschritt in Richtung ökonomischen und finanziellen

Stabilität, mit guten Ergebnissen im Bereich der Inflation, des Wachstums,

Handelsliberalisierung und internationaler Eingliederung.58

“Despite this relative success, critical problems remained to be addressed, in particular the rising deficits in the current account and the deterioration of fiscal position. This macroeconomic evolution is critical for understanding the current economic environment, which is characterized by a consistent combination of inflation targeting, floating exchange rate, and fiscal discipline.”59

Dieses Stabilisierungsprogramm ist unter dem Namen Plano Real60 bekannt geworden.

IV.1.1 Von wechselkursorientierter Stabilisierung zum

Floating

Das Stabilisierungsprogramm Plano Real beendete erfolgreich die lange brasilianische

Geschichte einer chronisch hohen Inflation. Das Entscheidende an dieser Währungsreform

war im März 1994 die Einführung einer neuen Recheneinheit, dem Unidade Real de Valor

(URV). In den nächsten zwei Monaten wurden die gegebenen Bedingungen in Brasilien

dem URV angepasst, bis am 1. Juli 1994 dieses Übergangssystem abgeschafft und die

URV als neue Währung eingeführt wurde, mit dem Namen Real. Unter diesen guten

Bedingungen, die nun in Brasilien herrschten, mussten die Geldpolitiker eine strikte

Geldpolitik betreiben, die sich zuerst dem Kampf gegen die Inflation und das Problem der

Indexierung61 widmete. Weiterhin war die Entscheidung, welche Wechselkurspolitik

58 Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 2.59 Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 2.60 Für eine ausführliche Analyse des Plano Reals 1994 in Brasilien siehe: Schumacher Xavier, Cordula, Stabilisierungspolitik in Brasilien. Der Plano Real, in: Feldsieper, M. (Hrsg.), Wirtschaftspolitische Forschungsarbeiten der Universität zu Köln, Band 26, Marburg 1998. und Baer, Werner, Paiva, Cláudio, Brasiliens inflationäre Erblast und der Plano Real, in: Calcagnotto, Gilberto, Fritz Barbara (Hrsg.), Inflation und Stabilisierung in Brasilien, Probleme einer Gesellschaft im Wandel, Frankfurt am Main, 1996, S. 66-93.61 Zur problematischen Indexierung der Preise und zu brasilianischen Geschichte der Intervention zu Beeinflussung der Preisindizes siehe: Schumacher Xavier, Cordula, Stabilisierungspolitik in Brasilien. Der Plano Real, in: Feldsieper, M. (Hrsg.), Wirtschaftspolitische Forschungsarbeiten der Universität zu Köln, Band 26, Marburg 1998 und Chacel, Julian, Preisindizes und Stabilisierungspolitik in Brasilien, in: Calcagnotto, Gilberto, Fritz Barbara (Hrsg.), Inflation und Stabilisierung in Brasilien, Probleme einer Gesellschaft im Wandel, Frankfurt am Main, 1996, S. 267-281.

40

Page 46: Inflation Targeting

Brasilien

passend für die brasilianische Situation war, ausschlaggebend für die erste Phase der

Stabilisierung. Eigentlich wollten die Geldpolitiker ein freies Wechselkurssystem

einführen. Das verhinderte jedoch die mexikanische Tequila-Krise im Jahre 1994. Die

brasilianischen Geldpolitiker sind dazu gezwungen worden, ein Crawling Peg für den Real

zu initiieren. Dieses Wechselkurssystem wurde offiziell im März 1995 eingeführt und von

Juli 1995 bis Mitte Januar 1999 mit einer jährlichen Abwertungsrate um die 7,5%

fortgeführt.

Abbildung 7: Monatliche Inflationsraten (IPCA) in Brasilien

Quelle: http://www.sidra.ibge.gov.br/bda/, eigene Grafik

Nach der Umsetzung des Plano Reals stabilisierte sich die Inflationsrate, jedoch wurden

nicht alle Maßnahmen für eine wirklich umfassende, sanierende62 Währungsreform

umgesetzt. Bei einer sanierenden Währungsreform i.w.S. gehören nach Bähr zu den

monetär-technischen Reformmaßnahmen auch flankierende Maßnamen, die für das

Gelingen einer Währungsreform notwendig sind.63 Durch die fehlende politische

Umsetzung einer dringend nötigen Fiskalreform, kam es zu einer restriktiven Geldpolitik,

die auf Dauer den Erfolg des Plano Reals nicht sichern konnte:„Zwar ist es gelungen, die Inflation auf ein vergleichsweise geringes Niveau zu senken und die Demonetisierung der Wirtschaft infolge der chronischen

62 Begriff der sanierenden Währungsreform i.w.S. nach Bähr (1994), der die Gesamtheit der Reformmaßnahmen, also die monetären, wechselkurspolitischen als auch flankierenden Maßnahmen nach einem Inflationsprozess umfasst.63 Vgl. Bähr (1994), S. 15 f.

41

Page 47: Inflation Targeting

Brasilien

Inflation rückgängig zu machen. Diese positiven Ergebnisse stehen jedoch auf einem instabilen Fundament. Der Wechselkurs ist in einem beunruhigenden Maße überbewertet; die dringend erforderlichen Reformen zur Beseitigung des öffentlichen Budgetdefizites wären längst fällig gewesen; die Zentralbankreform wird bestenfalls weiter diskutiert; der Bankensektor steckt in einer tiefen Anpassungskrise, und für das 2. Halbjahr 1996 ist bisher keine positive Entwicklung in Sicht.“64

Der Stabilisierungsprozess von 1994 wurde mit einem weitgefächerten Programm

verschiedener ökonomischer Reformen begleitet. Dazu gehörten die Privatisierung

staatlicher Unternehmen, die Fortführung der Handelsliberalisierung und die

Restrukturierung des Finanzsystems.65,66 Der Stabilisierungsprozess wurde durch die

Verschleppung einiger politischer Maßnahmen, die im legislativen Prozess liegen blieben,

aufgehalten. Das erhöhte die Anfälligkeit der brasilianischen Wirtschaft gegenüber

externen Schocks. In diesem Zusammenhang sind hauptsächlich zwei externe Schocks zu

erwähnen: die Asien-Krise in der zweiten Hälfte des Jahres 1997 und das russische

Schuldenmoratorium im August 1998. Beiden Schocks begegneten die brasilianischen

Geldpolitiker mit einer Erhöhung der Zinsen. Trotzdem nahm das Vertrauen der Märkte

gegenüber den brasilianischen Geldpolitikern kontinuierlich ab. Das zwang das im Januar

neugewählte Zentralbankdirektorium zu weiteren einschneidenden Maßnahmen. Ohne

andere Alternativen, ließen sie den Wechselkurs frei, was eine Abwertung des Reals

gegenüber dem US$ von R$ 1,21 bis R$ 2,00 Ende Januar 1999 zur Folge hatte. Diese

Abwertung hatte eine sofortige Auswirkung auf die Inflationsrate (siehe Abbildung ? und

Abbildung ?).

Das neugewählte Zentralbankdirektorium begann Anfang März mit ihrer Arbeit, die

vordringlich zwei Ziele hatte: die Kontrolle der Inflationserwartungen, was einer

Reduzierung der Unsicherheit in der kurzen Frist gleichkommt und das Design eines neuen

monetären Regimes, welches sich auf das Inflation Targeting Konzept stütze.

IV.1.2 Übergang zum Inflation Targeting

Die Abwertung des Reals hatte unmittelbare Auswirkungen auf die handelbaren

Güterpreise. Der IPA (Índice de Preços por Atacado) stieg um 7% im Februar. Auch der

Verbraucherpreisindex stieg, jedoch nur um 1% pro Monat im Februar und März.

64 Schumacher Xavier, Cordula, Stabilisierungspolitik in Brasilien. Der Plano Real, in: Feldsieper, M. (Hrsg.), Wirtschaftspolitische Forschungsarbeiten der Universität zu Köln, Band 26, Marburg 1998, S. 74f.65 Vgl. Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00,Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 6.66 Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 4.

42

Page 48: Inflation Targeting

Brasilien

Der Übergang in ein freies Wechselkurssystem vollzog sich in Brasilien in einer Phase der

Krise. So war es die erste Aufgabe des neuen Zentralbankdirektoriums eine geldpolitische

Strategie zu finden, die zu einem freien Wechselkurs passt. Für die brasilianischen

Zentralbänkler stellte jedoch weder ein voll diskretionäres Konzept, noch ein total

regelgebundenes System eine Lösung dar. Das neue geldpolitische Konzept musste genug

Flexibilität erlauben, den öffentlichen Erwartungen effektiv als Anker zu dienen, jedoch

ebenso ein definitives und strenges Versprechen an eine konsistente, stringente und

zielgerichtete Geldpolitik darstellen.67 Die Zentralbank entschloss sich ein Inflation

Targeting Regime zu initiieren. Das interessante an diesem neuen Regime war die

graduelle Einführung. Die Einführung brauchte zusätzlich institutionelle Veränderungen,

um die operationelle Unabhängigkeit der Zentralbank zu gewährleisten. Die Zentralbank

verkündete ihre Intention, Inflation Targeting als geldpolitisches Konzept einzuführen. Die

formelle Einführung, zusammen mit der Verkündung einer Spezifikation des Zielwertes,

vollzog sich jedoch erst in der zweiten Hälfte des Jahres.68

Abbildung 8: Wechselkurs R$/US$

Quelle: BCB, eigene Darstellung

Das neue Zentralbankdirektorium versuchte zugleich die Finanzmärkte zu beruhigen. Um

steigende Inflationserwartungen zu dämmen, hob das Comitê de Política Monetária do

67 Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 7.68 Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 8.

43

Page 49: Inflation Targeting

Brasilien

Banco Central do Brasil (COPOM) die kurzfristigen Zinsen (Selic) von 39% pro Jahr auf

45% an.„It was acceptable that the relative price movements set in march with the devaluation would shift the price level upward, but the interest rate had to be set high enough to prevent the second-round inflationary process that could follow. The question was how to translate these ideas into practice, given the then chaotic state of expectations.”69

Um die eindeutige Strategie der brasilianischen Zentralbank klarzustellen, verkündete das

Komitee kurz nach einer ihrer Sitzungen, dass „das Hauptziel der Zentralbank die

Aufrechterhaltung von Preisstabilität ist“70. An anderen Stellen spezifiziert das Komitee

den Begriff der Preisstabilität und meint damit eine monatliche Inflationsrate im Bereich

von 0,5-0,7% am Ende eines Jahres.71 Weiterhin heißt es in der Erklärung vom 4. März

1999:„(1) in a floating exchange rate regime, sustained fiscal austerity, together with a compatible monetary austerity, supports price stability; (2) as fiscal policy is given in the short-run, the control over inflationary pressures should be exerted by the interest rate; (3) observed inflation is due to the currency depreciation, and markets expect a further rise in the price level this month; (4) the basic interest rate should be sufficiently high to offset exchange-rate-based inflationary pressures; and (5) so, we decided to raise the basic interest rate to 45 percent per year, but with a downward bias, for if the exchange rate returns to more realistic levels, keeping the nominal interest rate that high would be unjustified.”72

Auch die Regierung übernahm Maßnahmen, um die Erwartungen umzudrehen und die

Unterbewertung des Reals zu korrigieren. Das Conselho Monetário Nacional (CMN)

reduzierte z.B. im bezug auf dem Kapitaltransaktionen die Steuern von 2% auf 0,5%73. Die

Situation besserte sich bald danach. Die Unterbewertung des Reals im Wechselkurs war

wieder rückläufig (der Wechselkurs fiel von R$ 2,20 in den ersten März Wochen auf R$

1,66 Ende April) und die Zinsen gingen wieder zurück (Ende März erst auf 42% und

Anfang April senkte COPOM sie abermals auf 39,5%. Bis zum Juni-Treffen vom COPOM

senkte das Komitee die Zinsen insgesamt 8 Mal bis auf 22%).74 Den Fall der Inflationsrate

69Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 8.70 Comitê de Política Monetária do Banco Central do Brasil (COPOM), Notas da 33ª Reunião, [http://www.bcb.gov.br/htms/copom/not1999030433.shtm#_notexp, 06.03.2002], Übersetzung der Verfasser.71 Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 9.72 Comitê de Política Monetária do Banco Central do Brasil (COPOM), Notas da 33ª Reunião, [http://www.bcb.gov.br/htms/copom/not1999030433.shtm#_notexp, 06.03.2002], Übersetzung der Bogdanski, Joel et al.(2000).73 Mehr bei Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00, Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 10.74 Siehe Abbildungen 5, 6, 7.

44

Page 50: Inflation Targeting

Brasilien

schrieb man der Aufwertung des Reals zu und machte den Rückgang der

Nahrungsmittelpreise für einen weiteren Rückgang der Inflation verantwortlich Dies zeige

sich sogar im IPCA, die Verbraucher Inflationsrate, gemessen vom Statistischen Institut

Brasiliens (IBGE), fiel von 0,6% im April auf 0,3% im Mai.

Für das erste Halbjahr 1999 lässt sich sagen, dass die Wirtschaftspolitik der Krise mit einer

fiskal- und geldpolitischen Bündelung begegnete, die auch bei der Steuerung der

Inflationserwartungen erfolgreich war. Die Zentralbank handelte so, als wäre des Inflation

Targeting Konzept schon vollkommen umgesetzt, was zu diesem Zeitpunkt noch nicht den

formalen Gegebenheiten entsprach. Das Hauptinstrument zum Erreichen des Inflationsziels

in dieser Phase waren die kurzfristigen Zinsen, die man, mit kontrollierten

Inflationserwartungen, innerhalb von vier Monaten um die Hälfte reduzieren konnte.75

IV. 2 Institutionelle Merkmale

Mit der Veröffentlichung einer Pressemitteilung nach dem COPOM-Treffen im

März 1999, wurde die Absicht der Geldpolitiker bekannt gegeben, Inflation Targeting in

Brasilien einzuführen. Auf der institutionellen Ebene waren noch viele Maßnahmen zu

ergreifen, da die Zentralbank keine absolute formale Unabhängigkeit über die

geldpolitischen Instrumente inne hatte. Die brasilianische Zentralbank hatte Anfang 1999

keinerlei Erfahrungen mit der indirekten Kontrolle der Inflation, so dass die Einführung

des Inflation Targeting Regimes stufenweise, bzw. in Phasen verlief.76Die Mitarbeiter mussten erst lernen, worauf das Inflation Targeting Konzept überhaupt

beruht. Das waren zum einen technische Fähigkeiten, z.B. zur Erarbeitung der

Inflationsbestimmungsmodelle, und zum anderen interne institutionelle Elemente, wie zum

Beispiel der Aufbau einer Forschungseinrichtung innerhalb der Zentralbank, die bis dahin

noch nicht existierte. Ende März wurde die Forschungseinrichtung der brasilianischen

Zentralbank gegründet. Sie beschäftigte sich zu Beginn mit drei Forschungsgebieten:

Inflation Targeting, Finanzierungsrisiken und Preisindexierung und Mikroökonomie der

Banken. Die Inflation Targeting Gruppe bestand aus 14 Mitarbeitern, deren Aufgabe es

war, ein Design für den institutionellen Rahmen zu formen und für die

Transmissionsmechanismen Modelle zu erstellen. Brasilien profitierte in diesem

75 Vgl. Bogdanski, Joel et al., Inflation Targeting in Brazil: shocks, backward-looking prices, and IMF conditionality, Banco Central de Chile, Documento de Trabajo N° 110, November 2001, S. 9 und Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00, Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 13.76 Das folgende nach: Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, Implementing Inflation Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 9f.

45

Page 51: Inflation Targeting

Brasilien

Zusammenhang von einem Seminar des Internationalen Währungsfonds, in dem man zu

folgendem Konsens kam:“Low and stable inflation was singled out as the primary long-run objective of monetary policy, and inflation targeting was regarded as an effective framework for guiding monetary policy. In particular, inflation targeting was seen as providing a nominal anchor both for monetary policy and inflation expectations, making this anchor identical to the long-run objective of monetary policy; providing more transparency and accountability to the design and implementation of monetary policy; facilitating its communication, understanding, and assessment; and providing effective policy guidance by focusing policymakers’ attention on the long-run consequences of short-term policy actions.”77

Um die Glaubwürdigkeit des neuen Konzeptes zu erhöhen, entschloss sich die Regierung,

für ein Inflation Targeting Regime nach dem Vorbild Schweden und Englands. Es gab

jedoch noch keine klaren Vorstellungen in der Forschung, wie man einen Wechsel zu

Inflation Targeting in Volkswirtschaften mit einer chronisch hohen Inflationsgeschichte

vollzieht.78 Bisher fand Inflation Targeting nur in Industrieländern Anwendung, deren

Inflationsraten schon zum Übergang zu Inflation Targeting auf einem niedrigen Niveau

waren. Im ersten Halbjahr des Jahres 1999 lag der Schwerpunkt in der Einführung von

Inflation Targeting bei der Entwicklung von Modellen zur Bestimmung der zukünftigen

Inflation, die aufgrund der Abwertung des Reals nicht dem Niveau der Preisstabilität

entsprach. Im Gegensatz zu den Industrieländern ist die Gefahr einer Fehleinschätzung der

zukünftigen Inflationsrate bei relativ hohem Niveau größer. Das führt dazu, dass das

Inflationsziel leichter verfehlt werden kann und die Zentralbank es schwer hat,

Glaubwürdigkeit zu gewinnen, während die Öffentlichkeit Probleme hat, diese

Abweichung vom Ziel nachzuvollziehen. Für die BCB war es daher wichtig darauf

hinzuweisen, dass die Modelle zur Erstellung von Prognosen des Inflationsniveaus

aufgrund einer breiten Informationslage getroffen werden:“Therefore, a mix of models should be under consideration when looking for an adequate reaction function, and producing inflation forecasts and their probability distributions. It should also include private sector perceptions about the expected path of economic variables, extra-model information, leading indicators and any other judgmental knowledge that helps predict inflation.”79

77 IWF, Brazil – Selected Issues and Statistical Appendix, IMF Staff Country Report 99/97, September 1999, S. 86.78 Vgl. Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00 , Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 14.79 Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, Implementing Inflation Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 13.

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Page 52: Inflation Targeting

Brasilien

Am 1. Juli 1999 übernahm Brasilien Inflation Targeting als offizielles geldpolitisches

Konzept. Der Brasilianische Präsident unterschieb das Dekret Nr. 3088 vom 21. Juni 1999,

welches den Grundlage für das neue Regime bildete: Die Inflationsziele werden auf der Grundlage der Veränderungen eines

bekannten Preisindexes etabliert. Sowohl die Inflationsziele als auch die Toleranzintervalle werden durch das

CMN auf der Grundlage eines Vorschlages des Finanzministers bestimmt. Die Inflationsziele für die Jahre 199, 2000 und 2001 werden nicht später als

dem 30. Juni 1999 festgesetzt; für das Jahr 2002 und den folgenden Jahren werden die Ziele nicht später als am 30. Juni bekannt gegeben, jeweils für die nächsten zwei Jahre.

Die Zentralbank übernimm die Verantwortung die notwendigen geldpolitischen Maßnahmen umzusetzen, um das Ziel zu erreichen.

Der Preisindex, der für das Inflation Targeting Konzept benötigt wird, wird vom CMN auf Vorschlag des Finanzministers bestimmt.

Das Ziel wird als erfüllt angesehen, wenn die akkumulierte Inflation der Monate Januar bis Dezember in jedem Jahr in das Toleranzintervall fällt.

Im Fall, dass das Ziel nicht erreicht wird muss der Zentralbankchef dem Finanzminister einen offenen Brief schreiben, im dem er die Gründe für das Nichterreichen, die zu treffenden Maßnahmen und deren Wirkungsdauer erläutert.

Die Zentralbank wird alle drei Monate einen Inflation Report herausgeben, mit Informationen zur Entwicklung des Inflation Targeting Konzeptes, den Ergebnissen der getroffenen geldpolitischen Maßnahmen und Inflationsprognosen.80

Das Rückrat in der geldpolitischen Entscheidungsstruktur der Zentralbank bildet das

Comitê de Política Monetária do Banco Central do Brasil (COPOM), welches schon am

20. Juni 1996 nach dem Vorbild des Federal Reserve Open Market Committee (FOMC)

und des Zentralbankrates der Deutschen Bundesbank geschaffen wurde. Das Komitee soll

die geldpolitischen Grundlinien und die Zinsrate des Selic festlegen. Die Schaffung des

COPOM hatte zwei Hauptziele, zum einen die Verbesserung der organisatorischen

Struktur und Zuständigkeiten, und zum anderen die Förderung von Transparenz und

Kommunikation mit der Öffentlichkeit. Seit 1996 hat es einige institutionelle

Veränderungen des geldpolitischen Komitees gegeben. Das hatte auch mit der

grundlegenden Umgestaltung der geldpolitischen Strategie zutun. Offiziell übernimmt das

COPOM seit 1999 die Aufgabe, die nötigen geldpolitischen Maßnahmen zur Erreichung

des Inflationszieles zu organisieren, das Zinssatzziel festzulegen und den Inflationsreport

zu veröffentlichen und zu analysieren. Der durch das Komitee bestimmte Zinssatz ist die

Zielrate des Selic. Dieses Ziel ist zwischen zwei COPOM-Treffen fixiert, es kann jedoch

gegebenenfalls für den Zinssatz eine Richtung vorgeben werden, so dass der Gouverneur

80 Vgl. Dekret Nr. 3088 vom 21. Juni 1999, Übersetzung der Verfasser.

47

Page 53: Inflation Targeting

Brasilien

der Zentralbank auch zwischen den Treffen die Rate der Richtung entsprechend verändern

kann.

Seit 2000 findet das Treffen an zwei aufeinanderfolgenden Tagen statt.81 Außer dem

Kollegialdirektorium (Diretoria Colegiada), dem der Gouverneur der Zentralbank vorsteht

und die entscheidende Stimme hat, sind die Leiter der folgenden Abteilungen Mitglieder

des COPOM: die Volkswirtschaftliche Abteilung (DEPEC), die Abteilung für Operationen

mit Internationalen Währungsreserven (DEPIN), die Abteilung für Bankgeschäfte

(DEBAN), die Abteilung für Offenmarktoperationen (DEMAB) und die Abteilung für

Studien und Forschung (DEPEP). Am ersten Tag der Sitzung präsentieren die Leiter der

einzelnen Abteilung die aktuelle ökonomische Lage. Am zweiten Tag der Sitzung nimmt

nur das Kollegialdirektorium teil, in der die geldpolitischen Maßnahmen getroffen und die

Zinsen festgelegt werden. Jede Entscheidung wird im Konsensverfahren getroffen.

Nach jedem Treffen veröffentlicht das Komitee Berichte ihrer Sitzungen (Notas das

Reuniões)82, die die Entscheidungen erklären und zur Transparenz und Glaubwürdigkeit

des Inflation Targeting Regimes beitragen sollen. Zu diesen Berichten veröffentlicht das

COPOM einen vierteljährlichen Inflationsreport83, der die Entscheidungen noch mal

detailliert erläutert und eine mögliche Analyse der zukünftigen Inflationsrate gibt.

Abbildung 9: Inflationsrate IPCA (% über die letzten 12 Monate)

Die gestrichelte Linien repräsentieren die Inflationsziele in den Jahren, die dunkleren Zone den

± 2% Punkte Bereich.

Quelle: IBGE, eigene Grafik

81 Zur Organisation siehe Abbildung ?.82 Im Internet unter: http://www.bcb.gov.br/htms/copom/a-copom.asp.83 Im Internet unter: http://www.bcb.gov.br/mPag.asp?codP=769&cod=206&perfil=1.

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Page 54: Inflation Targeting

Brasilien

Am 30. Juni 1999 gab das CMN eine Resolution (Nr. 2615) heraus, die sowohl den

Preisindex als auch das Inflationsziel definierte. Der IPCA, ermittelt durch das IBGE

(Nationale Brasilianische Büro für Geographie und Statistik), wurde als Index für das

offizielle Inflationsziel bestimmt. Die eigentlichen Ziele wurden auf 8% für das Jahr 1999,

auf 6% für 2000 und auf 4% für 2001 festgesetzt. Außerdem wurde ein Zieltoleranzbereich

definiert: er beträgt für jedes Jahr ± 2%84. Der ausgewählte Preisindex, der IPCA,

beinhaltet ein Bündel von Familien mit einem Einkommen zwischen einem und 40

Mindestlöhnen, die über eine weite geographische Ausdehnung verstreut sind. Hier sind

neun Großstädte erfasst, São Paulo, Rio de Janeiro, Belo Horizonte, Porto Alegre, Recife,

Belém, Fortaleza, Salvador und Curitiba, aber auch Goiânia und der Distrito Federal.“An important issue to discuss is the choice of the full inflation rate as reference for the target, and not some core inflation measure. Perhaps, the best technical procedure would have been to purge some items from the full index, exempting it from temporary and once-and-for-all shocks. Nevertheless, adopting a headline index was essential for credibility reasons, at least in the beginning of IT implementation. Unfortunately, Brazilian society has experienced several price index manipulations in a not so distant past, and so would be suspicious about any change related to suppressing items from the target index.”85

86Die Hervorhebung eines Hauptindexes ist elementar für die Glaubwürdigkeit der

Zentralbank, zumindest in dieser ersten Phase des Inflation Targeting Regimes. Der Grund

für die zurückgehenden Zielwerte liegt in der Vergangenheit der brasilianischen Inflation.

Hier muss man zwischen einem Inflationsprozess – genauer gesagt einer stetigen

Steigerung des Preisniveaus – und einer zeitweiligen Erhöhung der Inflationsrate durch

einen Schock – einer einmaligen Veränderung im Preisniveau – unterscheiden. Beim

Anstieg der Inflationsrate in Brasilien Anfang des Jahres 1999 handelte es sich um den

zweiten Fall, nämlich um eine Erhöhung als Folge der Abwertung des Reals. Zuvor

bestand in Brasilien Preisstabilität mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von 1,7% im

Jahr 1998.

Im institutionellen Rahmen des Inflation Targeting Konzeptes kann eine Ausstiegsklausel

existieren. Der brasilianischen Zentralbank steht bei einer Verfehlung des Inflationszieles

ein Ausstieg nicht zur Verfügung. In diesem Fall muss der Direktor der Zentralbank in

einem offenen Brief an den Finanzminister nicht nur die Gründe für die Verfehlung des

84 Die Verbindung eines Hauptpreisindexes und der Abwesenheit eines Ausstiegsklausel, rechtfertigt den relativ weiten Toleranzraum für das Ziel (2% Punkte), was das Ziel jedoch strenger macht als zuerst angenommen,85 Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, Implementing Inflation Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 12f.86 Das folgende nach: Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, Implementing Inflation Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 12.

49

Page 55: Inflation Targeting

Brasilien

Zieles erläutern, sondern auch die Maßnahmen vorstellen, die das Erreichen des Zieles

sicherstellen sollen, und deren Wirkungsdauer.

Eine Transparenz des Inflation Targeting Konzeptes war der brasilianischen Zentralbank

von Anfang an wichtig, so dass effektive Kommunikationskanäle errichtet wurden, die der

Öffentlichkeit halfen die Entscheidungen der Zentralbank zu verstehen und zu

einzuschätzen.

IV. 3 Grundmodell und operationelle Merkmale

Im operationellen Bereich standen die Zentralbänkler mit der Einführung von Inflation

Targeting vor verschiedenen Problemen. Aufgrund der geringen Erfahrung mit einem

System freier Wechselkurse und der fünf Eigenschaften des Inflation Targeting, die

Mishkin und Savastano87 herausgearbeitet hatten, legten sie ihr Hauptaugenmerk auf die

Untersuchung der geldpolitischen Transmissionsmechanismen. Danach mussten sie

entscheiden, welche Kanäle der Transmissionsmechanismen für Brasiliens am besten

passen, bzw. die meisten Erfolge versprechen würden, um die gesetzten Inflationsziele zu

erreichen. Für das Verständnis der Transmissionskanäle mussten sie einfache und kleine

Strukturmodelle entwickeln, um das Verhalten der makroökonomischen Hauptvariablen zu

verstehen und zu erklären.

Die Entwicklung von Werkzeugen, die im geldpolitischen Entscheidungsprozess hilfreich

sein könnten, gehörte zu den ersten Aufgaben der neu gegründeten Forschungsabteilung

(DEPEP) der BCB. Zu diesen Werkzeugen gehören u.a. die Strukturmodelle der

Transmissionsmechanismen im bezug auf die Preise, die durch kurzfristige

Inflationsprognosen, Inflationsindikatoren und Maßeinheiten der Kerninflation

vervollständigt werden. Sie spiegeln die Erwartungen der Märkte im Hinblick auf die

Inflation, das Wachstum und auf andere relevante Variablen wider. Die ersten

Modellversuche waren relativ erfolgreich und erreichten ein hohes Niveau an

Zuverlässigkeit und eine gewisse Dynamik. Für diese Anfangsphase galten jedoch zwei

Einschränkungen:

1. die generellen Limitierungen durch das Modell und die Parameterunsicherheit

müssen berücksichtigt werden,

2. die Zeit nach der Freilassung der Wechselkurse in Brasilien war zu kurz, um

ausreichend belegte Daten zu liefern.88

87 Vgl. Mishkin, F., Savastano, M., Monetary Policy Strategies for Latin America, NBER Working Paper Series, Working Paper 7617, 2000, S. 32 und siehe Kapitel II.4.88 Vgl. Bogdanski et al. (2001) S. 17.

50

Page 56: Inflation Targeting

Brasilien

Durch die lange Phase von missglückten Stabilisierungsversuchen von 1986-1994 waren

tiefgreifende strukturelle Brüche in der ökonomischen Entwicklung entstanden, so dass es

für die Zentralbank extrem schwierig war, in dieser Phase mit den üblichen

ökonometrischen Mitteln Daten zu entnehmen. Auch wenn für die Zentralbänkler die

möglichen Instrumente Limitationen aufwiesen und sie keine Illusionen über ihre

Effektivität hatten, waren die Modelle trotzdem nützlich und halfen, die Diskussionen um

die geldpolitische Strategie innerhalb der Zentralbank zu disziplinieren.89Um kleine makroökonomische Modelle zu entwickeln, musste die Zentralbank die

verschiedenen Kanäle der Transmissionsmechanismen der Geldpolitik studieren. Diese

Kanäle beinhalten den Zinssatz (auch ein geldpolitisches Instrument), den Wechselkurs,

die aggregierte Nachfrage, die festen Preise, die Erwartungen, die Geldmenge, die Löhne

und das Wohlstandsniveau. Bei den gegebenen makroökonomischen Umständen in

Brasilien kamen die Forscher der Zentralbank zu folgender Schlussfolgerung: (i) eine

Veränderung der Zinsrate schlägt sich 3 bis 6 Monate später im Verbraucherverhalten und

in der Investition nieder, dazu kommen noch mal 3 Monate, damit es zu spürbaren

Auswirkungen in der Inflationsrate kommt. Zusammengerechnet benötigt der

geldpolitische Transmissionsmechanismus über die aggregierte Nachfrage zwischen 6 und

9 Monaten. (ii) über einen direkten Kanal beeinflussen Veränderungen des nominalen

Zinssatzes die Inflationsrate über den nominalen Wechselkurs simultan (iii) mit dem

gegebenen historisch niedrigen Niveau im brasilianischen gemeinschaftlichen Sektor, mit

den strengen monetären und kreditären Bedingungen, die mit dem Plano Real eingeführt

wurden, ist der Transmissionsmechanismus über den Kreditkanal nicht funktionsfähig und

kann daher in seiner Wichtigkeit bei der Kanalisierung einer Zinsveränderung in Richtung

Inflation negiert werden.“The structural models are complemented by a set of short-term models. These complementary models include Vector Autoregressive (VAR) models and Autoregressive Moving Average (ARMA) time-series models and serve three basic purposes: (i) providing an alternative short-term forecast for the inflation rate and, therefore, permitting a consistency check with the forecasts resulting from the structural models; (ii) permitting the use of the inflation forecast resulting from these models for the purposes of estimating (with the structural model) the ex ante real interest rate (which is an explanatory variable in the aggregate demand equation in some of the estimated structural models), as well as in the forward-looking interest rate rule (which is one of the equations in the structural models); and (iii) allowing to simulate shocks to specific components of the IPCA, like for instance, changes in prices set by the public sector.”90

89 Das folgende nach: Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, Implementing Inflation Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 14f.90 Bogdanski, Joel, Tombini, Alexandre Antonio, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, Implementing Inflation Targeting in Brazil, Banco Central do Brasil, Working Paper 1, Juli 2000, S. 15.

51

Page 57: Inflation Targeting

Brasilien

In diesem Zusammenhang sehen Bogdanski et al. in ihrem Aufsatz noch weitere

problematische Einschränkungen für die brasilianischen Gegebenheiten:

1. 91die Zeitverzögerung über die aggregierte Nachfrage ist in Brasilien kürzer als die

in der Mehrzahl der Industrieländer oder der Entwicklungsländer, was an der

schwungartigen Veränderungen der realen Zinsrate im Zuge des Plano Reals liegen

könnte. Diese Veränderungen hatten sofortige Auswirkungen auf die Produktion

und die Inflation, auch wenn sie kleiner waren als die Veränderung des

Zinsniveaus. Die Zentralbänkler vermuten, dass die Zeitverzögerung über diesen

Transmissionsmechanismuskanal sich mit der Entwicklung der brasilianischen

Wirtschaft zu einem langfristigen Gleichgewicht verlängern wird.

2. Trotz der relativ kurzen Zeitverzögerungsstruktur, sind die eigentlichen Effekte

gering. Das liegt beispielsweise an dem schwachen Finanzsystem, das

überreguliert, mit einer Vielzahl von Kreditrestriktionen, obligatorisch

zusammengestellten Fonds und verzerrten Steuern ausgestattet ist. Ein weiterer

Grund ist das weitläufige Bankensystem. Das hat zur Folge, dass der

Transmissionskanal von der Zinsrate zum Lohnniveau, der durch den Markt

bestimmt wird, schwächer macht, was wiederum teilweise erklärt, warum die

Volatilität der Zinsen Ende der 90er Jahre des 20. Jh. so hoch gewesen ist. Hieraus

lässt sich vermuten, dass eine leichte Abweichung vom erwarteten Pfad, eine

übermäßige Korrektur des Zinsenniveau verlangt, um die Volkswirtschaft wieder

auf den vorgegeben Pfad zurückzuführen. In anderen Worten ausgedrückt bedeutet

das, dass die Zinselastizität in einem makroökonomischen Gleichgewicht niedrig

ist. Eine Serie von parallelen Projekten soll diese Unregelmäßigkeiten im

Finanzsystem ausgleichen und die Effektivität des Transmissionsmechanismus

erhöhen.

3. Eine weitere Einschränkung ist der pass-through Koeffizient zwischen Abwertung

und Inflation. Goldfajn und Werlang kommen zu der Schlussfolgerung, dass der

pass-through Koeffizient normalerweise auf vier Hauptfaktoren beruht:

dem Grad der Überbewertung des Wechselkurses vor der Abwertung

dem vorhergehen Niveau der Inflation

dem Grad der Offenheit der Volkswirtschaft

dem ökonomischen Aktivitätsniveau.92

91 Das folgende nach: Bogdanski et al. (2001) S. 18f.92 Vgl. Goldfajn, Ilan, Werlang, Sérgio Ribeiro da Costa, The Pass-through from Depreciation to Inflation: A Panel Study, Banco Central do Brasil, Working Paper 5, Juli 2000.

52

Page 58: Inflation Targeting

Brasilien

Vor diesem Hintergrund war der Übergang zu einem freien Wechselkurssystem in

Brasilien ein guter Weg zu einem niedrigen pass-through Koeffizienten, da die

Inflationsrate niedrig und der Wechselkurs eindeutig überbewertet war. Die

vorläufigen Untersuchungsergebnisse bestätigen die Tendenz eine niedrigen pass-

through Koeffizienten.

Eine genaue Untersuchung über die Strukturmodelle, die in Brasilien gebraucht werden,

und deren Effektivität in der Analyse und bei der Prognose erbrachte Lago Alvez (2001).93

IV. 4 Empirische Bedingungen unter Inflation Targeting

Das erste COPOM Treffen fand am 23. Juli 1999 statt. Bei diesem Treffen wurde die

Selic-Rate von 22% auf 21% gesenkt und mit einem Abwärtstrend versehen. Das hatte

weniger mit der eigentlich guten wirtschaftlichen Entwicklung Brasiliens, als mehr mit

den schlechten Erwartungen im externen Sektor zu tun.

Den ersten Inflationsbericht veröffentlichte die Zentralbank im Juni 1999. In diesem

Report veröffentlichte die Zentralbank ihre ersten Inflationsprognosen, die sie mit einem

fixierten Zinsniveau von 21% für den gesamten prognostizierten Zeitraum kalkulierten. Sie

prognostizierte für 1999 eine Inflationsrate von 8,2% und für 2000 3,9%.94

Abbildung 10: Entwicklung des Selic

93 Lago Alves, Sergio Afonso, Avaliação das Projeções do Modelo Estrutural Banco do Central do Brasil Para a Taxa de Variação do IPCA, Banco Central do Brasil, Working Paper 16, März 2001.94 BCB Inflationsreport Juni 1999 und vgl. Tabelle 2.

53

Page 59: Inflation Targeting

Brasilien

Obwohl die Regierung einige staatlich-kontrollierten Preise95 anhob, reagierte der IPCA

kaum, nur mit der geringsten monatlichen Veränderung des Jahres von 0,2% in Juni und

1,1% im Juli. Im Gegensatz dazu erreichte der IPA in den selben Monaten 1,4%, bzw.

2,0%.

Die Zentralbank hatte die Angleichung der staatlich-kontrollierten Preise schon in ihre

Inflationsprognosen übernommen und senkte nur die Selic-Rate im Juli Treffen auf 19,5%.

Das wurde damit begründet, dass eine Senkung nicht das Inflationsziel für 1999 gefährden

konnte, da jede geldpolitischen Maßnahme mit 6 Monaten Zeitverzögerung wirkt:“The inflation trend up to the end of 1999, as published in Inflation Report I and stated in accordance with the central scenario, remains valid, given the lag of approximately 6 months between monetary policy alterations and their impact on inflation, even with interest rates of less than 21% per year.”96

Diese Entscheidung traf das COPOM aufgrund der Erkenntnis, dass die

Transmissionsmechanismus über die aggregierte Nachfrage eine Zinsveränderung mit

einer Zeitverzögerung von 6 bis 9 Monaten sich auf die Inflation auswirkt. Ein weiterer

Grund war die Inflationsprognose der Zentralbank für das Jahr 2000, die mit 3,9% weit

unter dem Inflationsziel für dieses Jahr stand. Der Wechselkurs geriet weiter unter Druck

und erreichte Mitte August wieder die R$ 1,90-Marke. Er ging aber aufgrund von

Verkäufen von US$-notierten Sicherheiten (NBC-E) in den ersten beiden Wochen des

Septembers auf R$ 1,80-1,90 zurück.

Im September gewann die Zentralbank die Zuversicht des Marktes wieder, da sich das

COPOM in ihren 38. Treffen dazu entschied die Selic-Rate bei 19,5% zu belassen, was die

erste Abweichung des Abwärtstrend seit April bedeutete.

Im September erschien die zweite Ausgabe des Inflationsreports. Die hier veröffentlichen

Inflationsprognosen stellten für das Jahr 1999 eine Verbesserung um 0,9%-Punkte fest, auf

eine prognostizierte Mitte von 7,4%. Die Prognose für das Jahr 2000 erhöhte sich jedoch

um 0,7%-Punkte auf 4,6. Sie lag damit immer noch unter dem Inflationsziel für dieses

Jahr. Diese Prognosen wurden bereits mit der im September beschlossenen Reduzierung

der Zinsen auf 19% getroffen.

Trotz der Verbesserung des Wechselkurses Ende August und Anfang September, geriet der

externe Sektor im Oktober und November weiter unter Druck, was hauptsächlich mit der

hohen Anzahl der Schuldenzahlungen Brasiliens in dieser Phase zu tun hatte. Dies führte

zu einem erneuten Anstieg des Wechselkurses, so dass der im Oktober zwischen R$ 1,95

95 Ölnebenprodukte, Elektrizität, Telekommunikation, Wasser, Abwasser und Tarife des städtischen Nahverkehrs.96 Minutes des 37. Treffen von COPOM, 28. Juli 1999.

54

Page 60: Inflation Targeting

Brasilien

und R$ 2,00 schwankte. Erst im November ging wurde der US$ wieder unter der R$ 1,95

Grenze gehandelt.

Außerdem wurden im Oktober 1999 die Verbraucherpreise von einem nichterwarteten

Angebotsschock getroffen. Das war erstens eine Erhöhung der Lebensmittelpreise,

zweitens ein Zuwachs in den Treibstoffpreisen und drittens eine Erhöhung der

Automobilpreise, durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer in diesem Sektor. Dieser

Angebotsschock führte zu einer monatlichen Rate des IPCA von 1,19% im Oktober (die

höchste Rate in diesem Jahr) und 0,95% in November.97

Abbildung 11: monatliche Inflationsraten (IPCA) von Januar 1998

Die hohe IPCA Rate hatte eine sprungartige Erhöhung der Inflationserwartungen, sowohl

für das Jahr 1999 (7,8% in der ersten Woche des Novembers auf 8,6% in der dritten

Woche) als auch für das Jahr 2000 (mit einem Sprung von 6,0% auf 7,0%) zu Folge. Hier

drückt sich die Unerfahrenheit des Marktes mit Inflation Targeting aus. Eine kurzfristige,

temporäre Erhöhung der Inflationsrate, hier ausgelöst durch einen Angebotsschock, wurde

vom Markt fehlinterpretiert und in ihren Inflationserwartungen als permanente Erhöhung

der Inflation angesehen.

Das Jahr 1999 endete mit der Erfüllung des geforderten Inflationszieles

(8% ±2%-Punkte).98 Der IPCA stand Ende des Jahres bei 8,94%. Bei dem letzten Treffen

des COPOM wurde der Selic nicht mehr verändert und blieb bei 19%. Der Wechselkurs

erholte sich und sank Ende des Jahres auf ein Niveau um die R$ 1,80. Dies lag vor allem

97 Siehe Abbildung 8.98 Siehe Abbildung 6.

55

Page 61: Inflation Targeting

Brasilien

an der Verbesserung der Handlungen der brasilianischen Zentralbank auf dem

ausländischen Wechselkursmarkt.

Im Dezember 1999 erschien die dritte Ausgabe des Inflation Report, die den Abwärtstrend

in der IPCA Prognose bestätigte. Im Vergleich jedoch mit der Prognose des September

Reportes verlangsamte sich dieser Trend. Die Prognose für das Jahr 2000 stieg von 4,6%

auf 5,8%. Das befand sich immer noch deutlich innerhalb des Zielfensters von 6% ±2%-

Punkte. Für das erste Quartal lag die Inflationsprognose bei 7,6%. Das bestätigten dann

auch durch die tatsächlichen Werte des IPCA in den folgenden Monaten. Im März sank der

IPCA mit einem Wert von 6,92% auf unter 7%. Das waren 2%-Punkte weniger als noch

am Ende des letzten Jahres. Auch die monatlichen Raten des IPCA bewegten sich im

ersten Halbjahr 2000 zwischen 0% und 0,5%, was den Abwärtstrend weiter unterstrich.

Zudem näherte sich die eigentliche Inflationsrate und die erwartete Inflationsrate des

Marktes an. Im März kamen sie sich auf 0,2%-Punkte nah. Schließlich bestätigte sich die

Aufwertung des Wechselkurses, der US$ sank im März wieder in die Nähe der R$ 1,70

Marke, also ungefähr auf das Niveau vom Juni/Juli 1999, bei der Einführung des Inflation

Targeting Systems.

Im April und Mai erfasste die brasilianische Wirtschaft erneut Zyklus der Instabilität, der

mehrere Hintergründe hatte: (a) Druck auf die US-amerikanische Inflationsrate, mit

größeren, als erwarteten, Schritten der Leitzinsen, (b) Volatilität an den ausländischen

Aktienmärkten, (c) erneute Erhöhung des Ölpreises und (d) Unsicherheiten über die

fiskalischen Auswirkungen der Entscheidung des Verfassungsgerichtes über die

Arbeitsausgleichfonds.99

Infolgedessen stieg der Wechselkurs wieder auf R$ 1,85 im Mai. Jedoch war er nicht mehr

solchen Schwankungen unterworfen, wie noch in der zweiten Hälfte des Jahr davor.

Ähnlich verhielten sich auch die kurzfristigen Inflationserwartungen des Marktes, die nicht

durch den Instabilitätszyklus beeinträchtigt wurden. Die Inflationserwartungen hielten sich

an die guten monatlichen Ergebnisse des IPCA in den Monaten April und Mai, mit 0,42%,

respektive 0,01%, die den Abwärtstrend der Inflationsrate bestätigten. Der IPCA fiel in

diesen Monaten auf 6,77%, bzw. 6,47%. Mit einer Inflationserwartung von 6,1% für das

Jahr 2000 näherten sie sich den Inflationsprognosen des COPOM an, die im

Inflationsreport von März 2000 eine zentrale Inflationsrate von 6,3% vorhergesagt hatte.

Die gute Entwicklung des IPCA in der ersten Hälfte des Jahres 2000, mit einer

akkumulierten Inflationsrate von 1,6%, begründete sich hauptsächlich auf der moderaten

Entwicklung der Lebensmittelpreise, die den negativen Schock am Ende des letzten Jahre

99 Vgl. Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00, Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 26.

56

Page 62: Inflation Targeting

Brasilien

wieder umdrehten. So war der auf 12 Monate umgerechnete Juni Wert mit 6,51% um

2,4%-Punkte niedriger als noch im Dezember des vorhergehenden Jahres. Die tatsächliche

Entwicklung lag weit unter der, die die brasilianische Zentralbank im Dezember in ihren

Inflation Report prognostiziert hatte. Die hier prognostizierten 7,8% lagen also 1,3%-

Punkte über dem tatsächlichen Wert für Juni 2000. Auch die Inflationserwartungen des

Marktes reagierten wohlwollend: sie fielen im Juni 2000 auf 6%, d’accord mit dem

vorgegebenen Inflationsziel für das Jahr 2000.

Mit der Aussicht auf die gute Entwicklung eines de Hauptindikatoren der brasilianischen

Volkswirtschaft, senkte das COPOM den Selic ein weiteres Mal auf 17,5%, abermals im

Zusammenhang mit einem Abwärtstrend. Der Trend wurde dann auch im Juli genutzt, um

den Selic auf 17% zu bringen. Im Juli Treffen des COPOM wurde der Selic noch mal auf

16,5% gesenkt.

Im Juni 2000 veröffentlichte COPOM im Inflation Report aktualisierte Zahlen der

Prognosen für die Jahre 2000, 2001 und bereits 2002. Für das Jahr 2000 wurde die

Prognose des IPCA, im Vergleich mit der Prognose vom März, wieder um 0,7%-Punkte

auf 5,6% gesenkt. Die zentrale Prognose für das Jahr 2001 wurde bei 3,9% angesetzt, was

im Vergleich zum März ein Zuwachs um 0,6%-Punkte bedeutete. Zudem legte COPOM

eine erste komplette Prognose für das Jahr 2002 vor, bei der sie beim IPCA mit 0,1% als

zentrale Projektion ausgingen.

Im Juli wurde der Abwärtstrend der Inflationsrate unterbrochen. Das hatte zwei Gründe:

(a) die erneute Anpassung der staatlich-kontrollierten Preise, wie Ölerzeugnisse,

Elektrizität und Telekommunikation, innerhalb eines Monats, (b) ein erneuter negativer

Angebotsschock, da die Lebensmittelpreise durch schlechte Ernten stiegen. Den ersten

Grund hatte die Zentralbank in ihrer Prognose berücksichtigt, der zweite kam jedoch völlig

unerwartet.100

die monatliche IPCA Rate übertraf infolgedessen mit 1,6% das komplette erste Halbjahr

des Jahres101 und die Inflationsrate, auf 12 Monate gerechnet, stieg wieder auf 7,8%, mehr

als einen Prozentpunkt im Vergleich zu den Monaten zuvor102. Ebenso stiegen die

Inflationserwartungen des Marktes auf 6,3% im August.

Zum Ende des Jahres 2000 erholte sich die Wirtschaft. Die Inflationsrate, gemessen am

IPCA, ging in diesen Monaten wieder zurück. Ende Dezember erreichte der IPCA mit

5,97% fast genau den vorgegebenen Wert, der in der Resolution Nr. 2640 veröffentlicht

wurde. Das war auf die monatlichen Inflationsrate in den Monaten September bis

100 Vgl. Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00, Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 29.101 Siehe Abbildung 8.102 Siehe Abbildung 6.

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Page 63: Inflation Targeting

Brasilien

Dezember, mit zusammen nur 1,3%, zurückzuführen. Die Zentralbank beunruhigte jedoch

der außenwirtschaftliche Sektor mit (a) dem konstant hohen Ölpreis und (b) den

Unsicherheiten bezüglich der argentinischen Wirtschaft.103 Jedoch zeigte sich Ende des

Jahres, dass die Befürchtungen der Zentralbank nur bedingt berechtigt gewesen waren: der

Ölpreis sank im Dezember auf US$ 24 für eine Brent Barrel, und in Argentinien erholte

sich in dieser Zeit noch mal die Wirtschaft aufgrund verschiedener Maßnahmen.

Ende des Jahres 2000 erreichte der IPCA das Inflationsziel von 6%, und es gab positive

Aussichten auf die zukünftige Inflation. Im Inflationsreport des Dezembers hielt das

COPOM an dem nun etwas verlangsamten Abwärtstrend der Inflationsrate fest und

prognostizierte für das Jahr 2001 einen IPCA Wert von 3,9% und für das Jahr 2002 einen

von 2,6%. Durch die günstige Entwicklung und die Prognosen für die nächsten Jahre, die

immer noch unterhalb der jeweiligen Inflationsziele lagen, entschied sich die Zentralbank

im Dezember, die Zinsen erneut zu senken. Der Selic stand nun bei 15,75%.

Im Jahr 2001 wurde die brasilianische Geldpolitik vor herausfordernde Aufgaben gestellt.

Für das Jahr 2001 hatte der Inflation Report im Dezember 2000 eine IPCA Rate von 3.9%

vorausgesagt. Diese Prognosen stellten sich jedoch als zu optimistisch heraus, da die

brasilianische Volkswirtschaft von einigen externen und internen Schocks getroffen wurde.

Die Inflation stieg auf 7,86 % im August des Jahres und das Wachstum der Wirtschaft

verlangsamte sich.

Für den Rückgang der Außenwirtschaft war eine Verlangsamung der Weltwirtschaft und

des Welthandels verantwortlich. Das hatte hauptsächlich mit der fehlenden Konjunktur in

der US-amerikanischen Wirtschaft, den immer noch schlechten Aussichten im Hinblick

auf die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung in Argentinien und der Kapitalflucht

ausländischer Investoren aus Emerging Markets zu tun. All diese Faktoren wurden noch

von den Ereignissen des 11. Septembers 2001 verstärkt.104

Es gab außerdem noch hausgemachte Ereignisse, die die brasilianische Wirtschaft

erschütterten. Zum einen wurde sie in der ersten Hälfte des Jahres durch eine schwere

Energiekrise getroffen. Das hatte zur Folge, dass die Regierung Rationierungsprogramme

einführte, die das Vertrauen in der brasilianischen Bevölkerung beeinträchtigten. Auf der

anderen Seite mussten die staatlich-kontrollierten Preise erneut angepasst werden, zum

Teil auch eine Folge der Energiekrise. Ähnlich stiegen die Lebensmittelpreise. Das übte

ebenfalls Druck aus die Inflation aus.

103 Vgl. Fachada, Pedro, Inflation Targeting in Brazil: Reviewing Two Years of Monetary Policy 1999/00, Banco Central do Brasil, Working Paper 25, Juli 2000, S. 30.104 Vgl. WP Nr. 37, S. 8.

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Page 64: Inflation Targeting

Brasilien

Diese externen und internen Schocks wirkten sich negativ auf den Wechselkurs aus. Schon

im März musste man für einen US$ wieder über R$ 2 zahlen. Er war so teuer, wie das

letzte Mal zwei Jahre zuvor, kurz nach der Freilassung der Wechselkurse. Bis Mitte

Oktober stieg der Wechselkurs auf R$ 2,75 für einen US$, was ca. einen R$ teurer war, als

noch im Jahr zuvor. Diese Abwertung entspricht einer Devaluation von ca. 40%.

Auch wenn sich diese Abwertung des Wechselkurses nur gering auf die Inflation

auswirken würde, z.B. mit 15% in vier Quartalen, so wäre die Großenordnung der

Devaluation so groß, dass sie das Inflationsziel für das Jahr 2001 mit 4% ernsthaft in

Gefahr bringen würde.105

“The recent currency depreciation brings to the fore the important issue of the passthrough from the exchange rate to domestic prices. The low passthrough observed in 1999 was a positive surprise to most macroeconomic analysts. That year, the average depreciation of the Real was of roughly 60%, while IPCA inflation was 8.9%. Two main arguments were advanced to explain the low passthrough. The first, related to the then prevailing economic environment, stressed that since the economy’s output was well below potential, there was little room for price adjustments. The second was associated with the level of the real exchange rate and with the realignment of the relative prices of tradable and non-tradable goods. This realignment was reflected directly on final prices, and indirectly on production costs. Given that the share of prices directly linked to the foreign exchange variation in the consumer price indexes, especially IPCA, is small, it was to be expected that consumer inflation would be much lower than the exchange rate depreciation.”106

Die Regierung begegnete diesen Herausforderungen mit Maßnahmen in der Fiskalpolitik

und Geldpolitik und mit einem neuen Programm, welches die brasilianische Regierung mit

dem IWF ausgehandelt hatte. Zu den geldpolitischen Maßnahmen gehörten die

Heraufsetzung des Selic im Juli auf 19% und eine Aufstockung der Reserven für zeitliche

Einlagen, ebenso eine Förderung der Liquidität auf dem Wechselkursmarkt.

Diese Maßnahmen hatten jedoch keine unmittelbare Auswirkung auf den Wechselkurs.

Erst ab Mitte Oktober erholte sich dieser durch eine Aufwertung bis Ende des Jahre um ca.

20%. Dies war jedoch eher eine Folge der besseren Prognose für das nächste Jahr

(zumindest, was die Handelsbilanz angeht) als ein Ergebnis der monetären und fiskalischen

Maßnamen. Die leichte Verbesserung des Wechselkurses wirkte sich nicht in der

Inflationsrate aus. Die monatlichen Raten lagen weiter über 0,5%. Das führte dazu, dass

das Inflationsziel mit 7,7% um mehr als 3,5%-Punkte verfehlt wurde.

Zum ersten Mal in der kurzen Geschichte von Inflation Targeting in Brasilien wurde das

Inflationsziel nicht erreicht. Laut dem Dekret Nr. 3088 vom 21. Juni 1999 war der

105 Vgl. WP Nr. 37, S. 8.106 BCB, Inflation Report, März 2001, S. 104.

59

Page 65: Inflation Targeting

Brasilien

Zentralbankchef nun aufgefordert, einen offenen Brief107 an den Finanzminister zu

schreiben. In dem Brief erläutert der Zentralbankchef dem Minister und der Öffentlichkeit

die Gründe für das Verfehlen des Zieles: Auf der einen Seite waren Auswirkungen des

externen Sektors ausschlaggebend. Der Abschwung der Weltwirtschaft, die negativen

Auswirkungen der argentinischen Krise und die terroristischen Anschläge in den USA

übten ernormen Druck auf den Wechselkurs aus. Die Abwertung des Reals hatte wiederum

einen negativen Einfluss auf die heimischen Preise und somit auf die Inflation.

Andererseits lagen auch Gründe im internen Sektor, Hier waren vor allem höhere

Tarifabschlüsse in der Energiewirtschaft für die hohen Inflationsraten verantwortlich. Der

Zentralbankchef geht in dem Brief davon aus, dass die höheren Tarifabschlüsse sich mit

0,5%-Punkten im IPCA ausdrückten, während er für Abwertung des Reals 2,9%-Punkte

kalkuliert. So kommt er abzüglich dieser Einflüsse auf eine Inflationsrate von 4,3% im

Jahr, was innerhalb der 4%±2%-Grenze liegt.108 Der Zentralbankchef geht in diesem Fall

von einzelnen Schocks aus, die in den folgenden Jahren nicht in diesem Maße

wiederkehren, so dass der Abwärtstrend in den Inflationsprognosen beibehalten werden

kann. Die Prognose für das Jahr 2002 stand im Dezember 2001 bei 3,7%. Das stimmt mit

dem Inflationsziel für dieses Jahr überein. Die Prognose für das Jahr 2003 lag bei 2,5%.

IV. 5 Bewertung und Ausblick

Soweit man das bisher sagen kann, war die Geldpolitik in den letzten drei Jahren relativ

erfolgreich. Mit dem gezwungenen floating des Wechselkurses Anfang des Jahres 1999

stand die brasilianische Wirtschaft vor entscheidenden Herausforderungen. Mit der

graduellen Einführung eines neuen geldpolitischen Konzeptes, dem Inflation Targeting,

und den entsprechenden institutionellen und operationellen Rahmenbedingung hat es

Brasilien geschafft, wirtschaftliche Bedingungen zu schaffen, in denen eine erneutes

anhaltendes Wachstum möglich ist. Zwar wurde im vergangenen Jahr das Inflationsziel

von 4% nicht erreicht, aber das übernommene geldpolitische Konzept ist beibehalten

worden und es wurde in seinem Sinne gehandelt. Die Glaubwürdigkeit hat dadurch nur

wenig Schaden genommen, zumal die Inflationsrate durch die Abwertung des Reals

zustande gekommen ist, der mit den schlechten wirtschaftlichen Bedingungen im letzten

Halbjahr des Jahres 2001 zu tun hatte.

Das Inflation Targeting Regime in Brasilien ist sehr jung. Die monetären Autoritäten

haben noch viel Forschungsaufwand zu betreiben, um aussagekräftigere empirische Daten

107 Der offene Brief ist im Internet auf englisch unter der Adresse: http://www.bcb.gov.br/ingles/relinf/inftarget.pdf zu erhalten (16.05.2002).108 Vgl. ebenda.

60

Page 66: Inflation Targeting

Brasilien

zu bekommen. Dies braucht jedoch Zeit. Zeit, die man dem Inflation Targeting Konzept

geben muss, um wirtschaftliche Stabilität zu bekommen.

Die Prognosen sehen für die nächsten Jahre gut aus. Die Inflationsprognose, veröffentlicht

im Inflation Report von März 2002, sagen für 2002 eine mittlere Inflationsrate von 4,4%

voraus, resp. 2,8% für das Jahr 2003. Der Abwärtstrend der Inflation hält an, auch wenn es

noch ein paar Jahre dauert, um das langfristige Ziel der Preisstabilität zu erreichen, das bei

0,5%-0,7% festgelegt ist.

Trotz des Rückschlages – die es weiterhin geben wird – ist Brasilien und die BCB auf

einem guten Weg das langfristige Ziel zu erreichen. Die schwere argentinische Krise hatte

bisher weniger spürbare Auswirkung im Vergleich zu der Tequila-Krise oder der

Asien-Krise. Mit Hilfe des Inflation Targeting Konzeptes war es möglich, das gezwungene

floating und dessen realwirtschaftliche Kosten abzufangen und die brasilianische

Wirtschaft wieder in die richtige Richtung zurück zu steuern.

61

Page 67: Inflation Targeting

Vergleich und Problematisierung

V. Vergleich und ProblematisierungSiehe banco de chile Nr. 101

In einer Studie kommt die Mexikanische ZB besser weg als die brasilianische!

62

Page 68: Inflation Targeting

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Page 69: Inflation Targeting

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Anhang

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O PRESIDENTE DA REPUBLICA, no uso das atribuições que lhe confere o art. 84, inciso IV, da Constituição, e tendo em vista o disposto no art. 4o da Lei no 4.595, de 31 de dezembro de 1964, e no art. 14, inciso IX, alínea "a", da Lei no 9.649, de 27 de maio de 1998,

DECRETA :

Art. 1o  Fica estabelecida, como diretriz para fixação do regime de política monetária, a sistemática de "metas para a inflação".

§ 1o  As metas são representadas por variações anuais de índice de preços de ampla divulgação.

§ 2o  As metas e os respectivos intervalos de tolerância serão fixados pelo Conselho Monetário Nacional - CMN, mediante proposta do Ministro de Estado da Fazenda, observando-se que a fixação deverá ocorrer:

I - para os anos de 1999, 2000 e 2001, até 30 de junho de 1999; e

II - para os anos de 2002 e seguintes, até 30 de junho de cada segundo ano imediatamente anterior.

Art. 2o  Ao Banco Central do Brasil compete executar as políticas necessárias para cumprimento das metas fixadas.

Art. 3o  O índice de preços a ser adotado para os fins previstos neste Decreto será escolhido pelo CMN, mediante proposta do Ministro de Estado da Fazenda.

Art. 4o  Considera-se que a meta foi cumprida quando a variação acumulada da inflação - medida pelo índice de preços referido no artigo anterior, relativa ao período de janeiro a dezembro de cada ano calendário - situar-se na faixa do seu respectivo intervalo de tolerância.

Parágrafo único.  Caso a meta não seja cumprida, o Presidente do Banco Central do Brasil divulgará publicamente as razões do descumprimento, por meio de carta aberta ao Ministro de Estado da Fazenda, que deverá conter:

I - descrição detalhada das causas do descumprimento;

II - providências para assegurar o retorno da inflação aos limites estabelecidos; e

III - o prazo no qual se espera que as providências produzam efeito.

Art. 5o  O Banco Central do Brasil divulgará, até o último dia de cada trimestre civil, Relatório de Inflação abordando o desempenho do regime de "metas para a inflação", os resultados das decisões passadas de política monetária e a avaliação prospectiva da inflação.

Art. 6o  Este Decreto entra em vigor na data de sua publicação.

Brasília, 21 de junho de 1999; 178o da Independência e 111o da República.

FERNANDO HENRIQUE CARDOSO Pedro Malan

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Abbildung 12: Dekret Nr. 3088 vom 21. Juni 1999

Estabelece a sistemática de "metas para a inflação" como diretriz para fixação do regime de política monetária e dá outras providências.

Quelle: http://www.planalto.gov.br/ccivil_03/decreto/D3088.htm, vom 9.03.2002

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Abbildung 13: Organisationsdiagramm der Brasilianischen Zentralbank

http://www.bcb.gov.br/ftp/organograma.pdf am 20. März 2002

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Abbildung 14: Resolution 2615 der CMN

Quelle: http://lira.bcb.gov.br/ixpress/correio/correio/DETALHAMENTOCORREIO.DML?N=099145783&C=2615&ASS=RESOLUCAO+2.615 am 20. März 2002.

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RESOLUÇÃO 2.615

Fixa as metas para a inflacao e seus respectivos intervalos de tolerancia, bem como o indice de precos a que se aplicam, para os anos 2001, 2000 e 1999.

O BANCO CENTRAL DO BRASIL, na forma do Art. 9o da Lei no 4.595, de 31 de dezembro de 1964, torna publico que o Conselho Monetario Nacional, em sessao realizada em 30 de junho de 1999, tendo em vista o disposto no Decreto no 3.088, de 21 de junho de 1999,

RESOLVEU:

Art. 1. Determinar que o indice de precos relacionado as metas para a inflacao, referido no art. 1., Paragrafo 1., do Decreto no 3.088, de 21 de junho de 1999, e o Indice de Precos ao Consumidor Amplo (IPCA), calculado pelo Instituto Brasileiro de Geografia e Estatistica (IBGE).Paragrafo unico. O Conselho Monetario Nacional, mediante proposta do Ministro de Estado da Fazenda, determinara indice substituto eventual, na impossibilidade de se aferir o indice de que trata o "caput" deste artigo.

Art. 2. Fixar as seguintes metas para a inflacao, juntamente com os seus intervalos de tolerancia, de acordo com o art. 1o, Paragrafo 2., do Decreto n. 3.088, de 21 de junho de 1999:

I - para ano 2001: 4%, com intervalo de tolerancia de menos 2 % e de mais 2 %.

II - para ano 2000: 6%, com intervalo de tolerancia de menos 2 % e de mais 2 %; e

III - para ano 1999: 8%, com intervalo de tolerancia de menos 2 % e de mais 2 %;

Art. 3. Determinar ao Banco Central do Brasil a efetivacao das necessarias modificacoes em regulamentos e normas, visando a execucao do contido nesta Resolucao.

Art. 4. Esta Resolucao entra em vigor na data de sua publicacao.

Brasilia, 30 de junho de 1999

Arminio Fraga NetoPresidente

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Tabelle 2: Zusammenfassung der Inflationsprognosen der COPOM aus den Inflationsreporten

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